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16) Satyros, griechischer Grammatiker, genannt Περιπατητικός (Athen. VI 248 D. XII 541 C), ein Beiname, der, wie bei seinem geistesverwandten Zeitgenossen Hermippos, nur die literarisch-philologische Richtung bezeichnet, wie sie von Aristoteles, dem ersten ,Alexandriner’, begründet wurde. Er stammte aus Kallatis am Pontos Σάτυρος ὁ Καλλα[τιανός], in einem herculanensischen Papyrusfragment; vgl. Crönert Rh. Mus. LVII 295) und siedelte vermutlich später nach Oxyrrhynchos über, wo das große Bruchstück seines Hauptwerkes gefunden wurde und wo auch dessen Epitomator Herakleides Lembos lebte (Suid. s. v. nennt ihn Ὀξυρρυγχίτης), ein seltsames Zusammentreffen, auf das schon Hunt aufmerksam machte und das noch merkwürdiger sich gestaltet, wenn Herakleides (nach Diog. Laert. V 94 Καλλατιανὸς ἢ Ἀλεξανδρεύς) obendrein ein Landsmann des S. war[1].

Da dem S. in jener kleinen Stadt schwerlich die literarischen Hilfsmittel zu Gebote standen, die er für ein so gelehrtes Werk wie seine Βιοί doch gewiß benötigte, so wird man wohl vermuten dürfen, daß er sich, ebenso wie sein oxyrrhynchitischer Landsmann, zeitweilig in Alexandrien aufgehalten hat.

Eben dieser Herakleides Lembos gibt uns nun auch als Epitomator des S. (Diog. Laert. VIII 40 ἐν τῇ τῶν Σατύρου βίων ἐπιτομῇ. VIII 58)[2] einen Terminus ante quem für dessen [229] Lebenszeit, denn nach Suidas: Ἡ. ... γεγονὼς (blühte oder war geboren?) ἐπὶ Πτολεμαίου τοῦ ἕκτου (d. i. Philometor 181–146), und da immerhin eine gewisse Spanne Zeit zwischen einem Originalwerk und dessen Epitome vorauszusetzen ist, so mag S. etwa der zweiten Hälfte des 3. Jhdts. angehören.

Zu diesem Ergebnis kommt auch v. Wilamowitz Herm. XXXIV 633, indem er, wie schon C. Müller FHG III 164 (frg. 21), den Biographen mit dem homonymen Verfasser eines Buchs Περὶ δήμων Ἀλεξανδρέων, das mit Philopator begann, identifizierte (s. u. Nr. 18). Dagegen Hunt 125. Noch etwas weiter abwärts führt eine andere Erwägung. Nach dem unten zitierten Passus scheint S. die Dreiteilung der Komödie noch nicht zu kennen oder sie zu ignorieren, wie er auch den direkten stilistischen Einfluß des Euripides auf die νεα besonders betont. Diese Betrachtungsweise, wie die Zweiteilung, ist aber bekanntlich nicht alexandrinisch, sondern stoisch-pergamenisch (vgl. dazu Susemihl Alex. Lit. I 426, 88). So käme man für die Abfassung des Βίος Εὐριπίδου etwa in die letzten Dezennien des 3. Jhdts.

Von diesem biographischen Werk des S. besaßen wir bis zu der Veröffentlichung des IX. Bd. der Oxyrrhynchos Papyri im J. 1912 nur ganz kümmerliche Überreste und Zitate aus den Βίοι des jüngeren Dionysios (Athen. XII 541 C), Philipps von Makedonien (Athen. VI 248 D. F. XIII 557 B), des Sophokles (vit. Soph. drei Zitate), des Demosthenes (Ps.-Plut. X orat. 847 A), über zwei der sieben Weisen, Chilon und Bias (Diog. Laert. I 68), des Pythagoras <ebd. VIII 40), Empedokles (ebd. VIII 53. 58), Zenon (IX 26), Anaxagoras (ebd. II 12), Sokrates (ebd. II 26. Athen. XIII 556 A), Platon (ebd. III 9), Diogenes (ebd. VI 21. Hieron. adv. Iov. II 14, dazu Leo Griech.-lat. Biogr. 120–122, und VI 80, wo ein viertes Buch zitiert wird), Anaxarchos (Athen. VI 250 F), und Stilpon (Athen. XIII 584 A). Vielleicht gehört in dasselbe Werk das längere Fragment über den schönen Alkibiades (Athen. XII 534 B Σάτυρος ἱστορῶν). Zu diesen gesellt sich nun der neue Papyrus aus dem βίος Εὐριπίδου, etwa vier Teubner-Seiten leidlich erhalten, neben einer größeren Anzahl ganz unleserlicher und zusammenhangloser Fetzen. Aus der Subscriptio erfahren wir ferner, daß alle drei großen Tragiker im sechsten Buche behandelt waren. Ob es der letzte Teil des Werkes war oder ob noch andere Βίοι folgten, ist nicht zu ermitteln, das vierte Buch enthielt jedenfalls Philosophen-Βίοι (s. o.), war also den Dichtern vorangegangen.

Auf den Inhalt dieser neuen Euripides-Biographie, durch die uns S. nun als greifbare schriftstellerische Persönlichkeit entgegentritt, kann hier natürlich nur so weit eingegangen werden, als es zur Beurteilung der Eigenart des Verfassers von Wichtigkeit ist. Zunächst ein Wort über den Kunstcharakter der Schrift. Sie ist — und das ist wohl das Überraschendste des ganzen Fundes — in Dialogform abgefaßt, und zwar scheint der Verfasser selbst more Aristotelico die Hauptrolle übernommen zu haben. Ganz sicher ist dies freilich nicht. [230] Der Hauptsprecher ist nämlich nur mit A bezeichnet, während die beiden anderen Unterredner Diodoros und Eukleia heißen. Es ist aber nicht ersichtlich, warum gerade der Autor und Protagonist anonym aufgetreten sein sollte, es sei denn, daß das in peripatetischen Dialogen übliche persönliche Proömium den erwünschten Aufschluß auch darüber gegeben hatte. Der Hauptzweck dieser literarhistorischen Biographien scheint gewesen zu sein, das ,prodesse’ mit dem ,delectare’ zu verbinden, und so zeichnet sich denn auch dieses Bruchstück durch einen leichtflüssigen gefälligen Stil aus, der aber eine sehr sorgfältige Feile erfahren hat, wie allein die fast gänzliche Vermeidung des Hiatus beweist. Die Disposition des Βίος, soweit sie erhalten ist, zeigt schon ganz den Charakter, wie ihn die spätere Theorie, für uns besonders durch des Rhetors Menander Vorschriften für den βασιλικὸς λόγος erkennbar, fixiert hat und wie sie bereits in Xenophons Agesilaos, dem Euagoras des Isokrates, den Biographien Suetons und dem Agricola des Tacitus mit unwesentlichen Abweichungen, die der Stoff bedingte, vorliegen. Siehe dazu Leo op. cit. und Nachr. der Gött. Gesell. der Wiss. 1912, 286ff. Was aber die Darstellung selbst betrifft, so hat Leo a. a. O. 276 die Ansicht ausgesprochen, daß ,es nichts gibt, nach Stoff und Form, was dem Buche des S. so ähnlich wäre wie Ciceros Brutus’, und daß dieser Dialog wenn ,auch durch viele Mittelglieder ein Abkömmling von Aristoteles’ Περὶ ποιητῶν sei’. Da wir von diesen postulierten Mittelgliedern uns gar keine Vorstellung machen können und von jenem Dialoge nur wissen, daß er eine exoterische und gemeinverständlichere Ausführung der streng wissenschaftlichen Analyse von Περὶ ποιητικῆς war – das lehren selbst die wenigen Fragmente ganz deutlich – so ist es fraglich, ob jene Feststellung das Richtige trifft. Jedenfalls hat der Brutus des Cicero mit dem neuen S. so gut wie gar keine Berührungspunkte, die nicht durch die dialogische Form von selbst sich ergeben. S., wie Hermippos, Suetonius und Plutarch, schwelgt in Anekdoten und in rein persönlichen Details aller Art, was schon die früher bekannten Fragmente erkennen ließen, er operiert im weitesten Umfange mit den Schriften seiner Helden als einer durchaus zuverlässigen, autobiographischen Fundgrube und die Angriffe der Komödie, denen ja vor allem Euripides ausgesetzt gewesen war, werden unbedenklich für die Zeichnung des biographischen Bildes verwertet. Daß S. für diese Methode bereits Vorbilder hatte, daß schon zu seiner Zeit gar manche fable convenue sich gebildet hatte, die höchstens hie und da Varianten aufwies, zwischen denen man wählen konnte oder lieber den Leser selbst wählen ließ, ist für die Beurteilung der Βιοί des S., wie wir sie jetzt kennen, belanglos. Damit soll aber natürlich keinerlei Tadel ausgesprochen werden. Diese Alexandriner waren dazu berufen, das Erhaltene zu inventarisieren, und das ,Erbe der Alten’ für die Nachwelt einzuheimsen, in so fragwürdiger Gestalt es ihnen auch oft überliefert war. Den modernen Maßstab historisch-kritischer Methode darf man daher [231] an die Arbeiten eines S. und Genossen nicht legen. Sie dienten der Popularisierung der Wissenschaft und waren eben nur Kinder ihrer Zeit; s. dazu auch v. Wilamowitz Sappho u. Simonides 156f.

Von dieser literarischen Biographie ist nun, wie gesagt, der Ciceronische Brutus toto caelo verschieden. Das rein Persönliche, Anekdotenhafte verschwindet fast vollständig, biographische Einzelheiten werden sehr kurz und nur selten angeführt, die chronique scandaleuse vornehm ignoriert und die Reden selbst als geschichtliche Quellen zu benutzen liegt dem Cicero gänzlich fern. Seine Absicht geht lediglich auf eine ästhetisch-rhetorische Würdigung der rednerischen Leistung hinaus. Cicero mag sehr wohl unmittelbar an Aristoteles’ Dialoge angeknüpft haben, deren ,aureum flumen’ er preist, aber zu ihm führt über S. keine erkennbare Brücke. Selbst die Dreizahl der Unterredner, auf die Leo hinweist, ist gar nichts Charakteristisches, findet sich diese doch z. B. auch in de legibus, wo Cicero ebenfalls die führende Rolle hat und Atticus und Quintus Cicero nur der Gesprächsentwicklung dienen. Unbegreiflich ist es, wie B. Keil Herm. XLVIII 137 Anm. S. mit Ps. (?)-Lucian, Encom. Demosth. in Parallele hat setzen können.

Was des S. Quellenbenutzung anbelangt, so tappen wir auch jetzt noch im dunkeln. Denn von den Dichterzitaten abgesehen, die wie ein buntes Blumenbeet seinen biographischen Garten zieren, vermeidet er es geflissentlich, genauere Angaben über seine Gewährsmänner zu machen. Er begnügt sich mit einem λέγεται, φασίν τινες, ὡς μνημονευουσι, ja frg. 39, 20, 29 ὡς οἱ λόγιοί τε καὶ γεραιότατοι μυθολογοῦσι Μακεδόνων sieht sogar einem erschwindelten Zitat sehr ähnlich. Die Tatsache ist für uns auch insofern von großer Wichtigkeit, weil sie, wie wir sehen werden, die direkte Abhängigkeit Späterer überall da ohne weiteres ausschließt, wo diese ihre Vorgänger mit Namen nennen. Daß S. die Dichter aus erster Hand für seine biographischen Zwecke durchstöbert oder doch wenigstens zum Teil, ist bei einem alexandrinischen Gelehrten dieser Zeit sehr wohl möglich. Im übrigen hat er zweifellos tralatizisches Material benutzt. So geht die Geschichte der Höhle des Euripides auf Salamis (frg. 39, 9, 4ff., Γένος Εὐριπίδου 5) auf Philochoros zurück, wie wir zufällig aus Gell. XV 20 erfahren. Wenn er die Schriften des Diogenes für unterschoben erklärt hat (Diog. Laert. VI 80), so wird er diese Entdeckung kaum selbst gemacht, sondern sie vermutlich einem Werke wie den Πίνακες des Kallimachos entnommen haben. Auch hat er schwerlich zur Richtigstellung einer biographischen Einzelheit im Leben des Empedokles die Olympionikenliste selbst eingesehen, da ihn sonst sein Epitomator nicht hätte korrigieren können (Diog. Laert. VIII 53 und dazu E. Schwartz Herm. XXXIV 488). Auf eine Benutzung des Aristippos Περὶ παλαιᾶς τρυφῆς deutet ein Zitat bei Diog. Laert. VIII 60 ὥς φησιν Ἀρίστιππος καὶ Σάτυρος (im Leben des Empedokles). Siehe auch unten. Daß S. eine genaue Liste der Aufführungsdaten der Euripideischen Stücke vor sich gehabt, haben Hunt [232] 179 und Leo 289 aus frg. 39, 16, 30 τοῦ ἑπομένου χειμῶνος ἄλλαι geschlossen, aber die Wendung macht nicht den Eindruck, als ob gerade die Διδασκαλίαι des Aristoteles seine Vorlage gewesen wären. Der Zusammenhang macht es vielmehr wahrscheinlich, daß auch hier Philochoros zugrunde lag. Es ist oben bereits darauf hingewiesen worden, daß die Ignorierung der mittleren Komödie stoisch-pergamenische Einflüsse verrät; diese Vermutung wird fast zur Gewißheit, wenn wir uns den betreffenden Passus genauer ansehen. Er lautet (frg. 39, 7, 12): τὰ κατὰ τὰς περιπετείας ... ἀναγνωρισμοὺς διά τε δακτυλίων καὶ διὰ δεραίων· ταῦτα γάρ ἐστι δήπου τὰ συνέχοντα τὴν νεωτέραν κωμῳδίαν ἃ πρὸς ἄκρον ἤγαγεν Εὐριπίδης, Ὁμήρου ὄντος ἀρχῆς[3]. Zwar nicht für περιτέτεια, wohl aber für den ἀναγνωρισμός bei Homer und für διὰ δεραίων, mag Arist. Poet. 16 in letzter Linie als Vorbild gedient haben, doch könnte S. auch eine Schrift, wie die ars poetica des Neoptolemos von Parion benutzt haben, der die Aristotelischen Lehren bekanntlich dem Horaz übermittelt haben soll (Porph. Hor. ars 1). In jedem Fall machen aber die Worte Ὁμήρου ὄντος ἀρχῆς den Eindruck, daß dabei die stoisch-pergamenische Anschauung von dem allwissenden Homer und Archegeten aller Wissenschaft mithineinspielt.

Noch schwieriger und problematischer gestaltet sich die Frage, was in der späteren hypomnematischen Literatur auf S., wo dessen Name nicht genannt wird, etwa zurückzuführen wäre. Auf die zum Teil wörtlichen Übereinstimmungen zwischen S. und dem Γένος Εὐριπίδου hat bereits Hunt hingewiesen: 39, 9, 4ff. ~ γέν. Εὐρ. 5 S. 4f. Schw. über die Höhle bei Salamis; 10, 23ff. ~ 5 S. 5, 9ff. Euripides und die Frauen; 12, 21ff. ~ 5 S. 5, 13ff. 6 S. 6, 1ff. Kephisophon; 20, 1ff. ~ 5 S. 5, 20 στομα δυσῶδες; 21, 1ff. ~ 4 S. 4, 12ff. Tod; dazu Leo 285, 1. Dennoch scheint eine direkte Benutzung des S. oder der Epitome durch den Anonymus nicht vorzuliegen. So läßt letzterer es z. B. unentschieden, ob das angeführte Epigramm ‚Μνῆμα‘ usw. von Thukydides oder Timotheos herrührt, S. dagegen hat es offenbar, wie Leo 286 bemerkt, dem letzteren zugeschrieben, und daran die Anekdote über die persönlichen Beziehungen zwischen Euripides und Timotheos geknüpft. Auf ältere Schriften weist im Γένος die Erwähnung des Philochoros (auch bei Gellius a. a. O. und Suidas) und Eratosthenes, während S., wie wir sahen, seine Gewährsmänner nicht mit Namen nennt. Im übrigen tritt in beiden Βίοι die Benutzung der euripideischen Dramen wie der Komödie als biographischen Quelle sehr deutlich hervor, was daher, da sonstige Abhängigkeit nicht erweisbar ist, für eine ältere gemeinsame Grundlage spricht (Philochoros?). Die Vita des Sophokles zitiert den S. dreimal (s. o.), doch hier dürfte der wiederholt genannte Istros, daneben einmal Antigonos von Karystios, die Primärquelle gewesen sein. Die [233] ausführliche Darlegung über den Einfluß des Homer auf Sophokles deutet wiederum auf stoisch-pergamenische Vorgänger. In der Vita des Aischylos begegnet uns kein Gewährsmann außer dem einmal erwähnten Dikaiarchos. Daß aber S. hie und da zu Rate gezogen wurde, ist vielleicht aus der S. 120, 56 W. erzählten denkwürdigen Todesart des Dichters zu schließen, denn gerade S. wird für die nicht minder auffällige Todesursache des Sophokles in der Vita direkt zitiert, und liegt für den bei Hieron. adv. Iov. 2, 4 erzählten Tod des Diogenes — gerade diese Todesvariante fehlt bei Diog. Laert. VI 76 – ebenfalls zugrunde; s. Leo Griech.-röm. Biograph. 123. Endlich wird S. für eine Todesvariante bei Ps.-Plut. X orat. (Demosthenes) p. 847 A im Gegensatz zu Philochoros ausdrücklich zitiert. Er scheint also den Todesursachen berühmter Männer besondere Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Daß für Plutarch die Βίοι des S. eine willkommene Fundgrube gewesen waren, möchte man aus seiner ganzen Eigenart a priori anzunehmen geneigt sein. Eine wörtliche Parallele findet sich nun auch in der Tat, wie Paton Class. Rev. XXVII (1913) 131 erkannt hat, zwischen frg. 39, 4 Πολλὰ καὶ παρὰ τῶν κωμικῶν ποιητῶν, ὡς ἔοικεν, ἅμα αὐστηρῶς λέγετασι καὶ πολιτικῶς und Plut. de adul. et amico 68 B τοῖς κωμικοῖς πολλὰ πρὸς τὸ θέατρον αὐστηρὰ καὶ πολιτικὰ πεποίηται. Und doch dürfte auch hier nur eine gemeinsame Quelle vorliegen. Anderen Ursprungs ist jedenfalls die von S. erzählte hübsche Anekdote (frg. 39, 14, 1) der eifersüchtigen Frau des Hystaspes, die von Plut. coniug. praec. 141 B auf Philipp und Olympias übertragen wird. Auch das von Plutarch mitgeteilte Bonmot weicht in seiner Fassung von dem des S. erheblich ab. Über die Geschichte selbst handelt ausführlich K. F. Smith Amer. Journ. Philol. XXXIV (1913) 62–73.

Noch erübrigt es, den Titel des Werkes zu besprechen. Am Schluß des Papyrus (frg. 39, 23) lesen wir folgende Subscriptio: Σατύρου Βίων Ἀνα(γ)ραφῆς ς Αἰσχύλου, Σοφοκλέους, Εὐριπίδου. Damit steht nun im offenbaren Widerspruch die Tatsache, daß das Werk sonst ausnahmslos ἐν τοῖς βίοις (Athen. VI 250 F. XII 541 C. XIII 584 A. Diog. Laert. II 12. VI 80 ἐν τῷ τετάρτῳ τῶν βίων. VIII 40 ἐν τῇ τῶν Σατύρου βίων ἐπιτομῇ) oder in der Form ἐν τῷ τοῦ Φιλίππου βίῳ(Athen. VI 248 D. F), ἐν τῷ περὶ τοῦ βίου αὐτοῦ (Athen. XIII 557 B) zitiert wird. Über die Diskrepanz ist man bisher sorglos hinweggegangen, nur Hunt 126 bemerkt beiläufig ἀναγραφὴ τῶν βίων sei ,a more formal title’, eine ganz unbegründete Behauptung, die, wenn sie richtig wäre, es noch unerklärlicher machen würde, warum Athenaios und Diogenes, die sonst gerade in der Wiedergabe von Büchertiteln recht genau sind, davon gar keine Notiz genommen haben. Ἀναγραφή ist als Buchtitel einer zusammenhängenden Darstellung, Erzählung oder Erörterung ebenso beispiellos, wie dem konstanten Sprachgebrauch nach unmöglich. Es bedeutet stets ein Verzeichnis, Register, index, enumeratio, catalogus, πίναξ (vgl. Etym. M. s. [234] πίναξ· ἀναγραφὴ τῶν ποιημάτων), διαγραμμα ὃ λέγομεν ἀναφραφήν (Bekker Anecd. 186, 24), und zwar gilt dies nicht nur für den staatsrechtlichen Terminus (vgl. Wilhelm Beitr. zur griechischen Inschriftenkunde 235ff. 271ff.), sondern vor allem für Verbindungen folgender Art: ἀναγραφὴ περὶ τοὺς βίους (Plut. Perikl. 2), ἀναγραφὴ τῶν φιλοσόφων sc. συγγραμμάτων (Athen. I 70 A), Καλλίμαχος ἐν τῇ τῶν ῥητορικῶν ἀ. (Athen. XV 669 E), Menodotos τῶν κατὰ τὴν Σάμον ἐνδόξων ἀναγραφή (Athen. XV 672 A), δείπνων ἀναγραφαί (Athen. I 5 A), ὁ τοὺς Ἰσοκράτους μαθητὰς ἀναγράψας Ἕρμιππος (Dionys. de Isaeo 1), Καλλίμαχος ἐν τῷ τῶν παντοδαπῶν συγγραμμάτων πίνακι ἀναγράψαντα .... συγγραμματα Αἰγιμίου usw. (Athen. XIV 643 F). Auch die ἀναγραφὴ ἱερά des Euhemeros ist der Fiktion nach eine Inschrift, die er angeblich abgeschrieben hatte. Diese Beispiele — sie sind nur eine Blütenlese aus einer reichhaltigen Stellensammlung – dürften meines Erachtens für den Beweis genügen, daß ἀναγραφή auch in unserer Subscriptio keine andere Bedeutung hat, und daß der eigentliche Titel des Werkes Βίοι oder Περὶ βίων gelautet haben muß, nur wurde jedem Teil (Könige, Staatsmänner (?), Redner, Philosophen, Dichter) ein Index oder eine enumeratio vitarum (ἀναγραφὴ τῶν βίων) sowohl vor- wie nachgesetzt und damit Anfang und Ende der einzelnen Unterabteilungen genau markiert und so als Einheit abgegrenzt, ganz wie in unseren Hss. bekanntlich der Titel mit incipit und explicit feliciter wiederholt zu werden pflegt. So machte es Suetonius in seinem Werk de viris illustribus, das mit den Βίοι des S. ohnehin vielfache Analogien aufweist, wie die teilweise noch erhaltenen indices vitarum beweisen. So der ihm folgende Hieronymus, ja dessen Proleg. zu de viris illustribus liefern zugleich einen schlagenden Beleg für die Richtigkeit der hier vertretenen Erklärung. Seine Worte lauten nämlich: quod ille (sc. Suetonius) in enumerandis gentilium litterarum viris fecit illustribus (d. i. ἐν τῇ ... βίων ἐνδόξων ἀναγραφῇ)[4] . . . fecerunt hoc idem apud Graecos Hermippus peripateticus, Antigonus Carystius, Satyrus doctus vir et longe omnium doctissimus Aristoxenus musicus ... (Cicero) in Bruto oratorum Latinae linguae texens catalogum, id ego in ecclesiae eius scriptoribus enumerandis. Diese Wahl des Ausdrucks läßt demnach gar keinen Zweifel, daß noch Hieronymus vor bezw. auch nach jenen biographischen Werken solche ἀναγραφαὶ βίων vorfand und diesen alten Gebrauch nachahmte.

Literatur: C. Müller FHG III 159–166. Hunt Oxyrrhynchi Papyri vol. IX (1912 nr. 1176 (S. 124—128 Einl., 176–182 Anm..). v. Wilamowitz Hermes XXXIV 633f. Leo Griech.-lat. Biogr. 1901, 118–124; Satyros Βίος Εὐριπίδου, in Nachr. Götting. Gesell, hist.-phil. Kl. 1912, 273–290. Text auch in v. Arnim Supplem. [235] Euripideum, in Lietzmanns Kleinen Texten, nr. 112. Bonn 1913.
[Gudeman.]

Wenn Diels Doxogr. 274 dies wegen des Vaternamens Sarapion nicht für wahrscheinlich hält, so ist dagegen zu erinnern, daß ja Ptolemaios den Gott Sarapis gerade aus Sinope am Pontos holte; s. auch Daebritz o. Bd. VIII S. 489.
Schwierigkeit macht VIII 53 wo nach der Erwähnung des S. ἐν τοῖς βίοις eine Variante mit Ἡ ἐν τῇ ἐπιτομῇ folgt. Man hat nun nach dem Vorgang von Diels Doxogr. 148f. angenommen (vgl. v. Wilamowitz Antig. v. Caryst. 88. Daebritz o. Bd. VIII S. 490), daß Herakleides die Diadoche des Sotion und die Βίοι des S. in eins epitomierte, doch so, daß die beiden Werke auseinandergehalten wurden, da ja sonst Diogenes nicht so säuberlich hätte scheiden können. Die an und für sich verlockende Hypothese würde, ihre Richtigkeit vorausgesetzt, aber folgendes Dilemma ergeben. Herakleides hat entweder nur die philosophischen Βίοι des S. epitomiert oder seine Epitome beschränkte sich mit Ausschluß der Philosophen auf die anderen Βίοι. Da ist es denn doch meines Erachtens weit wahrscheinlicher, eine einheitliche Epitome aller Βίοι des S. anzunehmen. Sie wird der Epitome der Διαδοχή zeitlich vorangegangen sein und beide lagen dem Diogenes oder der Quelle, die er ausschrieb, vor.
So ist ganz deutlich im Papyrus zu lesen, v. Arnims Vermutung ὁμηρεύματος sei das Ursprüngliche, aber für ὁμιλήματος verschrieben, entbehrt jeder inneren Wahrscheinlichkeit.
Vgl. auch Hieron. adv. Iov. 2, 14 Satyrus qui illustrium virorum scribit historias. Da hier keinerlei Buchtitel vorliegt, so braucht man nicht mit Bernays Theophr. über die Frömmigk. 161 anzunehmen, daß S. sein Werk Βίοι ἐνδόξων ἀνδρῶν betitelt hat.

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