ART

Eretria (Ἐρέτρια).
1) Homerisch Εἰρέτρια (Il. II 537), nächst Chalkis die bedeutendste Stadt Euboias, an der Küste des die Insel vom Festlande trennenden Meeresarms, 20 km östlich von dessen engster Stelle, dem Euripos, und von Chalkis. etc. etc.
[Philippson.]
Nachträge und Berichtigungen

Inhaltsverzeichnis

Nachträge und Berichtigungen
I. Geschichte der Stadt
II. Die eretrischen Demen
III. Verfassung
IV. Kulte
V. Münzen
Anmerkungen (Wikisource)

S. 422, 36 zum Art. Eretria:

I. Geschichte der Stadt. Strabon 447f. berichtet, daß Ansiedler aus Makistos in Elis nach E. gekommen seien: diese Nachricht beruht wohl auf dem in Elis wie in E. blühenden Rhotazismus. Die Besiedlung durch die Athener ist eine athenische Erfindung, um die Besetzung Euboias zu rechtfertigen (Strab. X 447. Scymn. 575. Vell. Paterc. I 4. 1. Eustath. Hom. Il. II 537). Ohne jede Stütze in der Überlieferung ist die Vermutung Richardsons Papers of the Amer. School at Athens VI 59ff., daß Phoiniker [375] zuerst E. besiedelt hätten (s. u. den Art. Euboia). Da Bechtel Inschr. d. ion. Dial. 12ff. (Abh. Gött. Ges. 1887) darauf hinweist, daß die auffallendste Erscheinung der eretrischen Mundart, der Rhotazismus, seine Anfänge in Thessalien hat, da es weiter in Thessalien ein E. gab (Strab. IX 434. X 447) und die Bewohner Nordeuboias, die Elloper (s. den Art. Histiaia), aus Thessalien stammten, so wird man E. für eine Gründung der von den Thessaliern vertriebenen phthiotischen Achaier halten dürfen (vgl. Busolt Gr. Gesch. I² 289–290, 8). Busolt zieht auch die Verwandtschaft zwischen dem eretrischen Demotikon Βουδιόθεν (IG XII 9, 244. 249, 113) und der thessalischen Stadt Βούδειον (Hom. Il. XVI 572. Steph. Byz. s. Βούδεια) sowie die Übereinstimmung des Kultes der amarynthischen Artemis mit dem der thessalisch-makedonischen Artemis heran. Vielleicht könnte man noch auf die Demen Ἱστιαιῆς (IG XII 9, 191. 240. 241. 244. 246. 249), Οἰχαλία (IG XII 9, 241. 245; vgl. Geyer 77) und ἐκ Θηραι[ῶν] (IG XII 9, 191 C 10), die an bekannte thessalische Namen erinnern (der erste gleichlautend mit der von Thessalien gegründeten nordeuböischen Stadt Histiaia), aufmerksam machen. Später ist E. vollständig ionisiert, und zwar ist der eretrische Dialekt mit dem der Inselionier am nächsten verwandt (vgl. Bechtel p. VII). Also hat E. von den Inseln, von denen es ja mehrere beherrschte, den größten Teil seiner späteren Bewohner erhalten (vgl. noch Kretschmer Z. vgl. Sprachf. XXXIII 567). In der Geschichte tritt uns E. zuerst zur Zeit der Kolonisation entgegen. Nach Plut. quaest. Gr. 11 scheint es vor Chalkis im Westen festen Fuß gefaßt zu haben: die Korinther hätten um 735 auf Korkyra bereits eretrische Ansiedler vorgefunden und sie vertrieben (zur Zeit vgl. Busolt Gr. Gesch. I² 443, 3). Poole Catol. of greek Coins Brit. Mus. Thessaly 48 hat auf die Übereinstimmung der Münztypen von Korkyra und Karystos aufmerksam gemacht; doch macht Head HN² 325 dagegen geltend, daß die korkyraeischen Münzen sonst nichts Gemeinsames mit den euböischen haben. Die Vermutung Belochs Gr. Gesch. I 1², 247, 4, daß die Angabe Plutarchs lediglich aus dem Vorkommen einer Örtlichkeit Εὔβοια auf Korkyra (Strab. X 449) herausgesponnen sei, da an anderer Stelle (Strab. VI 269) Liburner als Bewohner Kerkyras vor der korinthischen Kolonisation genannt würden, ist zunächst bestechend. Jedoch hat Curtius Ges. Abh. I 185 darauf hingewiesen, daß nach Paus. V 27, 9 zwei eherne Stiere des Eretriers Philesios als Weihgeschenke der Korkyraier und Eretrier in Olympia nebeneinander standen (vgl. IGA 373), und daraus wie aus anderen Gründen auf ein näheres Verhältnis zwischen beiden Gemeinden geschlossen. Da wir nun E. bald darauf bei der Kolonisation im Westen beteiligt finden, so kann der Notiz bei Plutarch doch nicht jede Wahrscheinlichkeit abgesprochen werden. Die weitere Angabe, daß die vertriebenen Eretrier nach Thrakien gesegelt seien und dort Methone gegründet hätten, wird durch Steph. Byz. s. Μεθώνη (ἐ Εὐβοίας) bestätigt: denn das heißt doch wohl ,eine euböische Kolonie‚' (vgl. noch Geyer 60ff.). Zugleich wirft die plutarchische Erzählung [376] ein wertvolles Streiflicht auf eine der Hauptursachen der griechischen Kolonisation, die Landnot: . . . οἱ Ἐρετριεῖς ἀπέπλευσαν οἰκάδε. Προαισθόμενοι δὲ οἱ πολῖται τῆς χώρας, εἶργον αὐτοὺς καὶ ἀποβαίνειν ἐκώλυον σφενδονοῦντες. Νὴ δυνάμενοι δὲ μήτε τεῖσαι μήτε βιάσασθαι ... ἐπὶ Θρᾴκης ἔπλευσαν. Ungefähr zu gleicher Zeit finden wir E. bei der Anlage von Kyme in Campanien beteiligt (Dionys. Hal. ant. Rom. VII 3. Strab. V 247 zusammen mit Liv. VIII 22; vgl. Verg. Aen. VI 2. Solin. II 16), das von Zuzüglern aus ganz Euboia gegründet wurde (Ed. Meyer G. d. A. II 471. Busolt Gr. Gesch. I² 393, 3. Geyer 80f.). Doch scheint E. sich bald vom Westen zurückgezogen zu haben, der Übermacht der verbündeten Chalkidier und Korinther weichend (vgl. Curtius Ges. Abh. I 185ff.). Dafür wandte es sich der Besiedlung der thrakischen Küste zu. Zwar ist die Behauptung Strabons (X 447), daß es die Städte auf der Pallene und dem Athos gegründet habe, übertrieben, da Skione eine Siedlung der Achaier (Thuk. IV 120. Polyaen. VII 47. Pompon. Mela II 33. Robert Herm. XIX 479ff.) und Kleonai der Chalkidier war (Herakl. Pont. frg. 31 [FHG II 222]). Dagegen werden auch von anderer Seite Mende (Thuk. IV 123. Harpokr. u. Suid. s. v. Pompon. Mela II 33), Pharbelos und Skabala (Steph. Byz. s. v. verbunden mit den Tributlisten; vgl. Koehler Urk. u. Unters. z. Gesch. d. att.-del. Bundes 181. 183. Pedroli Studi di storia ant. I 168) als eretrisch bezeugt. Boeckh Staatsh. d. Ath. II² 729. 741 hat zweifellos mit Recht (gegen Boehnecke, Pflugk, Heinze u. a., vgl. Boeckh a. O. und Geyer 62) die bei Steph. Byz. s. v. erwähnten Orte mit den thrakischen zusammengebracht; Skabala sucht er in der Nähe von Olynthos, während er bei Pharbelos an das makedonische Olbelos (Steph. Byz. s. v.) denkt. Schließlich bezeichnen die Tributlisten (vgl. Köhler 175) noch Dikaia als eretrische Pflanzstadt; nach Plin. n. h. IV 17 lag die Stadt am Thermäischen Meerbusen, jedenfalls in der Nähe von Methone: vgl. noch Boeckh II² 683. Bestätigt wird die Erklärung der Inschriften durch die Münztvpen von Dikaia (Head HN² 213). Vielleicht ist auch Okolon (Steph. Byz. s. v.) eine eretrische Kolonie in Thrakien gewesen, wie Meineke (Steph. Byz. I 488) vermutet hat; dafür spricht, daß Theopomp Okolon wie Skabala in demselben Buche seiner Philippika erwähnt hat. (Über Orikos vgl. Bilabel Philol. Suppl. XIV 218.)

Die Blütezeit E.s fällt kurz nach der Kolonisation, etwa in den Anfang des 7. Jhdts. Nach einer Stele im Tempel der Artemis Amarysia beteiligten sich 3000 Hopliten. 600 Reiter und 60 Wagen an den Festzügen zu Ehren der Göttin (Strab. X 448). Die Herrschaft der Stadt erstreckte sich damals an der Westküste bis nach Styra (Herod. VI 101), nach Osten erreichte das Gebiet das Ägäische Meer (Plat. Menex. 240). Andros, Tenos, Keos und andere Inseln gehorchten den Eretriern (Strab. X 448). Anfang des 7. Jhdts. kam es dann zwischen E. und Chalkis zu dem Lelantischen Kriege, der die Blüte der Stadt knickte (s. den Art. Euboia). Es ist möglich, wie Preller (Ber. Leipz. Ges. 1852, [377] 174f.) vermutet, daß in dem Kriege auch Athen E. unterstützte, zumal noch Peisistratos dort Aufnahme und Hilfe fand. E. war seitdem eine Macht 2. Ranges; es konnte seine alte Machtstellung nicht aufrecht erhalten. Die Andrier gründeten bereits 655/4 selbständig mehrere Kolonien (vgl. Busolt Gr. Gesch. I² 458). Deshalb ist Herodots Angabe, daß die Blütezeit E.s in die Zeit des Kleisthenes von Sikyon falle (VI 127), falsch. Damals verlor E. auch seine Besitzungen auf dem Festlande, v. Wilamowitz hat nachgewiesen (Herm. XXI 97ff.), daß der eretrische Dialekt noch Ende des 5. Jhdts. in Oropos gesprochen wurde (vgl. Etym. M. 391, 12). Diese Gemeinsamkeit der Sprache kann nur aus einer Herrschaft der Eretrier über die Graia erklärt werden, da Stammesverwandtschaft, wie Ed. Meyer (G. d. A. II 191) vermutet, nicht in Frage kommt. Kamen doch die Eretrier aus Thessalien, während die Graer als der Rest eines mittelgriechischen Volkes zu betrachten sind (vgl. v. Wilamowitz Philol. Unters. I 152). Außerdem bezeichnet Steph. Byz. s. Γραῖα dies als eine Stadt E.s und weist auf seinen Artikel über Tanagra hin, hier aber teilt er mit, daß Tanagra wie Oropos auch Graia genannt würden. Beide Städte waren also einst eretrisch, worauf auch Kämpfe zwischen Tanagra und E. hindeuten (Paus. IX 22, 2; vgl. v. Wilamowitz Herm. XXI 107). Hierher gehört auch der eretrische Name ?ρωποκλῆς (IG XII 9, 246. 249. 772). Ferner nennt Theopompos (frg. 189 Gr.-H.) die oropische Ortschaft Eleutherios (Steph. Byz. s. v.) eine Gründung der euböischen Heroen Aiklos und Kothos, und Hysiai bei Aulis wurde nach Steph. Byz. s. v. auch Ὑριαί genannt, mit dem typischen eretrischen Rhotazismus im Wortinnern (vgl. v. Wilamowitz 105). Schließlich mag noch auf die Gephyraier hingewiesen werden, die wir sowohl in Euboia wie auch in Tanagra finden (Herod. V 57ff. 61. Plut. de malign. Her. 23. Strab. IX 404. Steph. Byz. s. Γέφυρα; vgl. Toepffer Att. Geneal. 293ff. Geyer 23). Seit dem Lelantischen Kriege wurde die Verbindung zwischen E. und Athen immer enger. Nach E. flüchtete Peisistratos, um von hier aus seine Tyrannis wiederherzustellen, 506 stand es vielleicht auf Seiten Athens gegen Chalkis (v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 80), und um 500 waren E. und Athen die einzigen griechischen Städte, die dem Hilfsgesuch des Aristagoras von Milet Folge leisteten (Herod. V 99). Dabei zeigt uns die geringe Zahl der Schiffe die gesunkene Macht der Stadt. Ganz phantastisch ist die Angabe des Eusebios (I 225 Schöne), aus Diodor (Ephoros) entnommen (vgl. Diod. VII 11 Vogel), daß die Eretrier 15 Jahre lang die Seeherrschaft inne gehabt hätten, und zwar bis zum 10. Jahre vor dem Übergang des Alexander, wofür Vogel ,Xerxes‘ einsetzen möchte. Damit erledigt sich auch die Behauptung von v. Wilamowitz (Philol. Unters. IV 136. 138), daß E. damals noch u. a. über Karystos, Styra, Grynchai geherrscht habe. Von den Inschriften, in denen Grynchai als eretrischer Demos erscheint (auf zwei davon beruft sich v. Wilamowitz), stammt nur eine aus dem Ende des 4. Jhdts., alle anderen aus dem 3. Jhdt. (vgl. IG XII 9, [378] 191. 241. 244. 245. 246. 247. 249). Da Grynchai in den attischen Tributlisten erscheint (vgl. Köhler Urk. u. Unters. 169), war es im 5. Jhdt. selbständig. Nun halte ich es für wahrscheinlicher, daß sich der Ort nicht erst 500, sondern bald nach dem Lelantischen Kriege frei gemacht hat. Über Styra und Karystos hören wir vor 490 nichts. – Da Herod. V 103 nach der Schlacht bei Ephesos nur von der Rückkehr der Athener berichtet, haben die Eretrier noch bei den Milesiern ausgehalten. Sie hatten an der Expedition nach Sardes teilgenommen (Aristot. analyt. poster. II 10 [I 161 Didot]) und bei Ephesos ihren Führer Eualkides verloren (Herod. V 102). Die Schilderungen des Lysanias aus Mallos (FHG IV 441) bei Plut. de malign. Herod. 24 über den hervorragenden Anteil der Eretrier an den Kämpfen beruhen auf Erfindung (vgl. Busolt Gr. Gesch. II² 544, 4. Heinze De reb. Eretr. 32). – 490 war es ein« Aufgabe des persischen Heeres, die Beteiligung der Eretrier an den Kämpfen der Ionier zu bestrafen (Herod. VI 94). E. traf Vorbereitungen zum Widerstand und wurde von Athen unterstützt: die 4000 Kleruchen des Lelanton waren dazu ausersehen. Doch war in der bedrohten Stadt der Verrat bereits am Werke. Deshalb zogen die Athener über Oropos ab. Die Perser landeten bei Temenos, Choireai und Aigilia ihre Truppen. Am siebenten Tage fiel E. durch Verrat. Die Perser steckten die Heiligtümer in Brand, ein Teil der Bewohner wurde in die Gefangenschaft geführt, die Verräter, Euphorbos und Philagros, vom Könige mit Land beschenkt (Herod. VI 100–102; vgl. Plut. de garrul. 15. Paus. VII 10, 2). Wenn auch die Zahlen bei Philostratos (vita Apoll. I 24) zu niedrig gegriffen sind (780 seien nur gefangen genommen worden), so zeigt doch die Beteiligung E.s 480, daß die Schilderungen Platons (Menex. p. 240; leges III p. 698 c) übertrieben sind. Das Wort σαγηνεύω z. B. (leg. a. O.) ist Herod. VI 31 entnommen; seine Anwendung auf E. aber schreiben Strab. X 448. Aelian. de nat. anim. XV 5. Suid. s. Ἱππίας. Philostr. vita Apoll. I 23 irrtümlich schon dem Herodot zu (vgl. noch Himerios bei Phot. bibl. p. 364 a). Doch ist bei Platon die Angabe über die Ausbreitung des eretrischen Gebietes von Meer zu Meer, die zu seinen Zeiten bestanden haben muß, zuverlässig; auch seine Angabe, daß die Eretrier zu den εὐδοκιμώτατοι gehörten, berührt sich mit Herod. VI 106 (πόλι λογίμῳ ἡ Ἑλλὰς γέγονε ἀσθεμεστέρη). Über die Katastrophe E.s vgl. noch Demosth. LIX 94. Critobul. I 66 (FHG V 98). Corn. Nep. Miltiad. IV 2. Tzetzes in Lykophr. 1432/4. Athen. XII 536f. 537 a. b. – Die gefangenen Eretrier (Herod. VI 107. 115) wurden in Arderikka, 210 Stadien von Susa entfernt, angesiedelt, wo sie Herodot noch antraf (VI 119; sehr fragwürdig die Angaben des Philostr. vita Apoll. a. O.). Über ihre weiteren Schicksale berichten Diod. XVII 110. Strab. XVI 747. Curt. Ruf. IV 12, 11. – Bereits 480 waren die Eretrier wieder imstande, 7 Trieren zu stellen und mit Styra zusammen 600 Hopliten zum Heere stoßen zu lassen (s. den Art. Euboia). Die Angabe des Pausanias (V 23, 2), daß auf dem Weihgeschenk in Olympia der Name der Eretrier fehlte, ist wohl auf Beschädigung des Originals zurückzuführen [379] (v. Domaszewski Neue Heidelb. Jahrb. I 181ff.). Die Äußerung des Themistokles (Plut. Themist. 11) dem Feldherrn der Eretrier gegenüber bezieht sich vielleicht auf den Verrat des Philagros und Euphorbos (Heinze 37), da die Verräterei des Gongylos erst später fällt (vgl. über ihn Thuk. I 118. Xen. anab. VII 8, 8. 8, 17; hell. III 1, 6. Diod. XI 44. Corn. Nep. Paus. II 2 [1]. Nach dem Kriege trat E. dem delisch-attischen Bunde bei; der Phoros ist uns bis 446 nicht bekannt. Daß allmählich das Übergewicht Athens auch für E. drückend wurde, sehen wir daraus, daß es bei dem großen Aufstande an führender Stelle teilnahm (s. den Art. Euboia). Bis zum J. 442/1 (Archontat des Diphilos) zogen sich die Kämpfe hin (Hesych. s. ?ρετριακὸς κατάλογος). Damals ist wohl auch erst die Kleruchie nach E. gesandt worden (IG I 339 = Syll.³ 65). Sie hatte, wie die chalkidische, den Charakter einer ständigen Garnison (Swoboda Serta Hartel. 28ff., s. den Art. Euboia). Jedenfalls war auch für E. damit die Herabsetzung des Phoros verbunden (für 436/5 3 Tal.: vgl. Köhler Herm. XXXI 141. Cavaignac Et. sur l’hist. financ. d’Athènes [Paris 1908] p. XXXVIII. XL). Zu den Kleruchen gehörte wohl der Eupatride Chairion (IG XII 9, 296). Damit war, wie Chalkis, auch E. eine Untertanengemeinde Athens geworden (vgl. Thuk. VII 57). Von 445–411 setzt die Prägung von Münzen aus (IG XII 9 p. 172). 411 fiel mit dem übrigen Euboia auch E. ab: nur das Kastell vermochten die Athener noch kurze Zeit zu behaupten (Thuk. VIII 95. Lys. XX 14. IG I 188 = Syll.³ 109 = Michel Rec. 569). Nach der Befreiung schloß E. mit Histiaia ein Bündnis (IG XII 9, 188 = Michel Rec. 7 = Cauer Del. inscr. graec.² 553; vgl. v. Wilamowitz Herm. XXI 99). Ob unter den Gemeinden, denen erst Lysandros die Autonomie zurückgab (Xen. hell. II 2, 9), auch E. sich befunden hat, erscheint deshalb fraglich. Unter den spartanischen Nauarchen erscheint 405 Αὐτόνομος Ἐρετριεύς (Paus. X 9, 10. Syll.³ 115). Damals wurde nach Ausweis der Münzen ein euböischer Bund gegründet, dessen Mittelpunkt E. gewesen zu sein scheint (s. den Art. Euboia). Bald trieb die spartanische Gewaltherrschaft E. wieder in die Arme Athens: 394/3 schloß es mit diesem ein Bündnis (IG II² 16 = Syll.³ 123 = Hicks-Hill Man. of gr. hist. inscr.² 86 = v. Scala Staatsvertr. d. Altert. I 106), während schon bei Koroneia Euboier gegen Agesilaos kämpften (Xen. hell. IV 3, 15). 378/7 traten auch die Eretrier sofort in den neuen attischen Seebund ein (Diod. XV 30. IG II² 43 = Syll.³ 147 = Michel Rec. 86 = Hicks-Hill 101 = Nachmanson Hist. att. Inschr. 30 = v. Scala 183). Ziebarth (IG XII 9 p. 150) bringt damit den bei Demosth. XXII 72. XXIV 180 erwähnten Kranz der Euboier in Verbindung. Nach der Schlacht bei Leuktra wird auch E. sich an Theben angeschlossen haben (Xen. hell. VI 5, 23: Εὐβοεῖς ἀπὸ πασῶν τῶν πόλεων; Ages. II 24). Bald darauf warf sich in E. wohl mit Hilfe [380] der Thebaner Themison zum Tyrannen auf und entriß den Athenern, die oropischen Verbannten unterstützend, Oropos, das den Eretriern einst von Theben geraubt worden, dann von 506–411 athenisch gewesen war, um 411 wieder den Thebanern in die Hände zu fallen; nach 386 hatte es, um seine Selbständigkeit zu behaupten, sich an Athen angeschlossen (vgl. Schaefer Demosth. u. s. Zeit I² 104ff.). Doch hatten die Thebaner den Vorteil von dem Vorgehen des Themison: Oropos wurde wieder thebanisch (Xen. hell. VII 4, 1. Diod. XV 76. Aischin. II 164. III 85. Demosth. XVIII 99 mit den Scholien): 366/5 (nach den Scholien zu Aisch. III 85: 367/6). Ob der bei Demosth. a. O. neben Themison genannte Theodoros einer seiner Genossen oder sein Nachfolger war, läßt sich nicht entscheiden. Doch stand E. nach wie vor unter thebanischem Einfluß (vgl. Diod. XV 85. 87), und auch Themison scheint sich nicht lange gehalten zu haben. 357/6 (zur Zeit vgl. Kahrstedt Forsch. zur Gesch. d. 5. u. 4. Jhdts. 1910, 68f.) führten die inneren Kämpfe auf der Insel zur Befreiung von der thebanischen Herrschaft durch die Athener (Diod. XVI 7, 2. Aischin. III 85. Demosth. VIII 74). Die euböischen Städte schlossen mit Athen, das die Verhältnisse regelte, ein Bündnis (IG II² 124. 125 = Syll.³ 190. 191). Noch 352 stand E. in freundlichem Verhältnis zu Athen (Demosth. XXIII 30124. Vgl. Schaefer Demosth. I² 441). Damals war Menestratos Machthaber in E. Doch begann Philippos jetzt, die Euboier vor Athen zu warnen, das ihnen nicht helfen könne (Demosth. IV 37 mit Schol). 349/8 finden wir dann Plutarchos in E. als Tyrannen, was auf andauernde innere Kämpfe schließen läßt. Als er mit Kallias, dem Leiter der chalkidischen Politik, in Streit geriet und auch in E. Kleitarchos als Führer der makedonischen Partei ihm entgegentrat, rief er die Athener herbei. Da Athen ein Festsetzen des Philippos auf Euboia nicht dulden durfte, wurde Phokion mit einem Bürgeraufgebot abgeschickt. Er kämpfte zunächst glücklich; in seiner Abwesenheit aber schlug sich Plutarchos zu den Gegnern Athens, und das attische Heer wurde gefangen genommen. Nur Tamynai hielt sich. Darauf ging Phokion noch einmal nach Euboia und zwang die Euboier zum Frieden; Plutarchos wurde vertrieben (Plut. Phok. 12ff. Demosth. XXI 110. 132. 162. 164. 167. Aischin. III 86 und Schol. 88. II 12. Schol. Demosth. V 5. Ulp. ad Demosth. XIX 290). Vgl. Kahrstedt Forschungen 54ff. Pokorny Stud. z. griech. Gesch. im 4. Jhdt.. Greifswald 1913, 116ff. So war Euboia für Athen gerettet, aber nur auf kurze Zeit. Bereits 343 rüstete Philippos von neuem zur Besetzung der Insel ([Plut.] vit. X orator. Hyper. 849 F.), besetzte Porthmos und machte Kleitarchos zum Gewalthaber von E. (Demosth. VIII 36. IX 33. 57. 58. X 8. XVIII 71. XIX 87. Diod. XVI 74). 341 (unter dem Archon Nikomachos: Schol. Aischin. III 103. Philochor. bei Didymos col. 1, 19) gingen die Athener nach E. hinüber, stürzten den Kleitarchos und stellten die Demokratie wieder her (vgl. IG XII 9. 189 und dazu Wilhelm ?f. a??. 1904, 93ff.), nachdem vorher eine athenische Gesandtschaft zurückgewiesen worden war (Demosth. [381] IX 66). Neben Kleitarchos, den wir schon 349/8 im makedonischen Interesse tätig fanden, werden uns als Führer der makedonischen Partei noch Hipparchos, Autemedon und Sosistratos genannt (Demosth. IX 58. XVIII 295. Plut. reg. et imp. apophthegm. Phil. 21. Vgl. Schaefer Demosth. II² 418f.). Diese Ereignisse lassen uns in andauernde heftige Parteikämpfe hineinsehen, die nicht zum mindesten durch die geschickte Politik des Philippos veranlaßt wurden. Wie in fast allen bedeutenderen Städten Griechenlands hatte er es such in E. verstanden, gestützt auf einflußreiche Männer, sich eine Partei zu schaffen. Nur war hier dank der großen Nähe und der alten Beziehungen Athens Einfluß noch groß genug, um immer wieder sich zu behaupten (zur Chronologie vgl. Kahrstedt Forsch. 72ff.). Doch war der letzte Erfolg Athens nicht dauernd, denn 341/0 gelang es dem Chalkidier Kallias, den euböischen Bund wieder ins Leben zu rufen, der die Insel nur in losem Verhältnis zu Athen beließ (vgl. Ziebarth IG XII 9 p. 153. Näheres s. den Art. Euboia). Die Schlacht bei Chaironeia hat dann auch Euboia unter makedonischen Einfluß gebracht (vgl. Hyper. epit. 11. Paus. I 1, 3. 25, 4). Im Lamischen Kriege nahmen zwar die Athener Styra im Süden Euboias, aber das Landgebiet dieser Stadt fiel E. zu (Strab. X 446). Die Insel gehörte dann zu dem Machtgebiet des Kassandros (Diod. XIX 35, 2), wurde diesem aber durch Polemaios, den Neffen des Antigonos, entrissen; auch E. schloß sich ihm an (312: Diod. XIX 78, 3). Die im Frieden von 311 (Diod. XX 19. Inscr. Gr. Or. 5) festgesetzte Autonomie der griechischen Städte kam E. nicht zugute, da Polemaios 310 von Antigonos abfiel und eine selbständige Herrschaft gründete (vgl. IG XII 9, 192 [s. U.]: ? te f????? ?πῆλθεν ὅτε δῆμος ἐλευθερώθῃ κτλ.). Nach seinem Tode (309) traten Chalkis und E. in den böotischen Bund, der in dieser Zeit eine starke Stellung einnahm und von allen Diadochen umworben wurde (Holleaux Rev. ét. gr. X [1897] 177ff.). In E. standen damals Polemarchen an der Spitze der Stadt (IG XII 9, 192 = Syll.³ 323 = Michel Rec. 343; vgl. Holleaux 157ff. v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 101); auch sind mehrere Ephebenkataloge in böotischer Form aus dieser Zeit erhalten (IG XII 9, 240–242), und für den Wiederaufbau Thebens hat auch E. beigesteuert (IG VII 2419 = Syll.³ 337; vgl. Holleaux Rev. ét. gr. VIII 7ff. und X 189. Beloch Gr. Gesch. III 2, 355. Swoboda Hermanns Staatsaltert. 3⁶, 282). 304 wurde durch Demetrios Poliorketes E. ‚autonom‘ (Plut. Demetr. 23. IG XII 9, 210 = Syll.³ 348 = Michel Rec. 344), d. h. es geriet in Abhängigkeit von Antigonos und stellte 302 Schiffe für Demetrios (s. die angef. Inschr.). Nach der Schlacht bei Ipsos wurde E. frei (gegen Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten I 353 vgl. Beloch Gr. Gesoh. III 2, 301). Beloch setzt die Gesandtschaft des Menedemos an Ptolemaios und Lysimachos in diese Zeit (Diog. Laert. II 17. 140. v. Wilamowitz Phil. Unters. IV 100) und schließt den Abfall E.s auch aus der Angabe des Herakleides (FHG III 171 bei Diog. Laert. II 17, 143), daß Menedemos E. mit Hilfe des Demetrios von den Tyrannen [382] befreit habe, da diese nur in der Zeit zwischen 301 und 294 untergebracht werden können. Auch die Verwendung des Menedemos für Oropos (Niese I 377 läßt wenig wahrscheinlich Oropos damals eretrisch werden; vgl. Diog. Laert. II 142) gehört in die Zeit nach 294 (Diog. Laert. II 17, 141). Von 294–287 war Euboia wieder makedonisch; damals feierten die wichtigsten Städte, so auch E., die Δημητρίεια (IG XII 9, 207; vgl. Kuruniotis Ἐφημ. ἀρχ. 1911, 1ff.), und Chalkis spielte für den Schiffbau 289/8 eine wichtige Rolle (Plut. Demetr. 43). Wenn bei Diogenes Laert. (II 140. 141) erzählt wird, daß der Tribut E.s von 200 Talenten auf 50 Talente ermäßigt worden sei, so muß dies stark übertrieben sein, da die Stadt 425 nur 15 Talente bezahlt hat und besonders die lange Kriegszeit seit 323 den Wohlstand beträchtlich herabgemindert haben muß (Tarn Antig. Gon. 113, 4). Auch nach dem Verluste Makedoniens blieb Demetrios Herr von E., wie aus der Beglückwünschung des Antigonos Gonatas nach den Siege über die Kelten 277 von seiten des Rates und Volkes hervorgeht (Diog. Laert. II 17, 142; vgl. Tarn Antig. Gon. 166, 104). In diese Zeit fällt auch die Bemühung des Menedemos, E. die Freiheit zu verschaffen (Diog. Laert. II 143). Sokolow (Klio III 130) rückt dies bis in die Mitte des Jahrhunderts hinab; dadurch würde jedoch das Geburtsjahr des Menedemos auf etwa 320 bestimmt werden, was mit der Wertschätzung des Philosophen und seiner Tätigkeit im Anfang des 3. Jhdts. schwer vereinbar wäre. Gleich danach finden wir E. frei: schon das delphische Amphiktionendekret Syll.³ 405 aus dem Jahre 276/5 führt unter den Hieromnemonen an Ἰώνων Φωκίωνος, Σωσιβίου, Nach Vermutung Ziebarths (IG XII 9 p. 173) ist dieser Sosibios ein Euboier, wahrscheinlich ein Eretrier (s. IG XII 9 Index). 275 erscheint dann I ein Eretrier (Syll.³ 406) und ebenso in den folgenden Jahren (Syll.³ 416. 417. 418; der nr. 417 und 418 aufgeführte Euboier Eperastos wird Syll.³ 238 I 16 als Eretrier bezeichnet; vgl. noch Pomtow Klio XIV 320 nr. 31 Z. 5). Das Vorwiegen der Eretrier wird auf die Vormachtstellung dieser Stadt im euböischen κοινόν zurückzuführen sein (vgl. Art. Euboia). Damit ist die Vermutung Belochs III 2, 306. 327, daß der Abfall Euboias erst 274 nach dem Siege des Pyrrhos anzusetzen sei, widerlegt (die Beziehung der Inschrift IG II 316 = Syll.³ 385 auf den Abfall der Insel [Walek] ist sehr unwahrscheinlich). In die Zeit der Unabhängigkeit E.s setzt Ziebarth eine Reihe von Ehrendekreten (IG XII 9, 191. 196. 197. 198. 205. 206. 212. 222; s. darüber unten). Antigonos gewann E. wohl infolge des Chremonideischen Krieges zurück. Da Diog. Laert. II 127 von einer ἅλωσις E.s gesprochen wird, wäre eine Erstürmung der Stadt nicht ausgeschlossen (Niese II 237; vgl. Tarn Antig. Gon. 286f.). Der Abfall seines Neffen Alexandros hat dann um 250 noch einmal dem Antigonos die Insel entrissen (s. darüber den Art. Euboia). Eine eretrische Inschrift gibt dem Alexandros den Königstitel (IG XII 9, 212 = Wilhelm Ἐφ. ἀρχ. 1892 p. 127ff.; vgl. Suid. s. Εὐφορίων). Der Mittelpunkt seiner Herrschaft scheint Euboia gewesen zu sein (Tarn Antig. Gon. 372). Erst [383] kurz vor 244 wurde nach dem Tode des Alexandros mit dem übrigen Euboia auch E. wieder makedonisch und blieb es seitdem. Zwar glaubt Pomtow in dem Dekret, das er Klio XIV 204 nr. 16 mitgeteilt hat und das aus dem J. 236 stammt (Archon Athambos; vgl. Pomtow Gött. Gel. Anz. 1913, 154), ein delphisches Amphiktionendekret sehen zu dürfen. Dann wäre erwiesen, daß wie Histiaia auch E. damals autonom war, denn in dem Euboier Ἑκτορίδης möchte ich gegen Pomtow einen Eretrier sehen, da Z. 11 Ἐρετριέων vorkommt und Ἑκτορίδης sonst nur auf eretrischen Inschriften erscheint (vgl. IG XII 9, 244. 245. 249). Doch ist der Stein so verstümmelt, daß man allein auf dieses Zeugnis gestützt nicht die Autonomie E.s behaupten kann. Jedenfalls gehörte Euboia unter Philippos V. zum makedonischen Machtbereich (Polyb. XI 5, 4. XVIII 46, 5), und zwar hat es sich wohl dem Bunde des Antigonos Doson angeschlossen, wenn es auch Polyb. IV 9, 4 nicht erwähnt ist. Niese (II 336) möchte aus dieser Übergehung schließen, daß die Insel als Untertanenland galt; doch widerspricht dem meines Erachtens die Politik des Doson sowie der Beschluß des Senates bei Polyb. XVIII 46, 5. Während des 1. Makedonischen Krieges wird E. nicht erwähnt, indes gehört wohl in diese Zeit das Dekret Inschr. v. Magnesia nr. 48. Erst im 2. Makedonischen Kriege (198) wurde E. von den vereinigten Geschwadern der Römer, Pergamener und Rhodier angegriffen. Die Bewohner wagten aus Furcht vor der makedonischen Besatzung keine Unterhandlungen anzuknüpfen. Als sie jedoch nach der Besiegung des chalkidischen Kommandanten an Attalos Gesandte geschickt hatten und nun in ihrer Wachsamkeit nachließen, wurde die Stadt erstürmt (Liv. XXXII 16. Paus. VII 8,1). Indessen ist sie von den Makedonen wieder besetzt worden (Polyb. XVIII 45, 5). Nach dem Frieden von 197 wurde E. zunächst dem Eumenes zugesprochen, aber auf Betreiben des Flamininus durch den Senat für frei erklärt (Polyb. XVIII 47, 10. Liv. XXXIII 34, 10). 194 zog Flamininus die Besatzungen aus den euböischen Städten (Liv. XXXIV 51. 1. Plut. Tit. 12). – 192 vereitelte zunächst die Hilfe E.s einen Handstreich des Aitolers Thoas auf Chalkis (Liv. XXXV 38), nach der Besetzung von Chalkis durch Antiochos III. aber unterwarf sich auch E. dem syrischen Könige (Liv. XXXV 51). Der Sieg der Römer bei den Thermopylen zog dann den Abfall der euböischen Städte nach sich (Liv. XXXVI 21. Appian. Syr. 21). Im amarynthischen Heiligtum errichteten die Eretrier dem T. Flamininus eine Statue (IG XII 9, 233). In diese Zeit gehören auch die Schiedsprüche der Eretrier in einem Streitfall zwischen Naxos und Paros (IG XI 4, 1065 b) und zugunsten von Geronthrai in Lakonien (IG VI, 1111). Im 3. Makedonischen Kriege trat E. nicht hervor. Ob es sich an der Erhebung 147/6 beteiligt hat wie Chalkis, ist ungewiß (vgl. Niese III 345ff. Ziebarth IG XII 9 p. 157f. Art. Euboia). 146 wurde mit den übrigen Bünden auch das κοινόν der Euboier aufgehoben (Paus. VII 16, 9), bald aber wiederhergestellt (Paus. a. O. 10). Wenn L. Mummius den Boiotern die Zahlung von 100 Talenten an [384] die Herakleoten und Euboier aufgelegt hatte, welche Zahlung jenen dann erlassen wurde, so kann daraus wohl geschlossen werden, daß ein Teil der Euboier an der Erhebung nicht teilgenommen hatte (vgl. auch Paus. VII 14, 7). Über einen Gebietsstreit zwischen Chalkis und E. aus dieser Zeit erfahren wir Näheres aus einer delphischen Inschrift (Pomtow Klio XV 14ff. nr. 39. 40). Im 1. Mithradischen Kriege schloß sich E. an Mithradates VI. an (Memn. XV 32. FHG III 542; vgl. Appian. Mithrid. 31). Von einer Bestrafung hören wir nichts; nur schenkte Sulla dem Feldherrn des Mithradates, Archelaos, 10 000 Plethra auf Euboia (Plut. Sulla 23). – M. Antonius soll dann den Athenern E. gegeben, Augustus aber der Stadt die Freiheit wieder verliehen haben (Cass. Dio LIV 7. Mommsen R. Gesch. V 254). Seitdem tritt E. nicht wieder in der Geschichte hervor. Es wird früh verödet sein; schon bei Hierokles (Anfang des 6. Jhdts.) kommt E. nicht mehr als selbständige Gemeinde vor (Hierocl. synecd. 644f. p. 8f. Burckh.), und auch in den Kämpfen nach der Aufrichtung des lateinischen Kaiserreiches 1204 wird es nicht erwähnt.

II. Die eretrischen Demen. Einteilung des eretrischen Gebietes in Demen schon seit dem 5. Jhdt.; daneben erscheinen χώροι (IG XII 9, 189 Z. 25). Es sind ungefähr 46 Demennamen bekannt, viele allerdings nicht sicher zu ergänzen. Näheres bei Ziebarth IG XII 9 p. 163ff. Geyer 73ff. (vgl. Kuruniotis Ἐφ. αρχ. 1911, 24. Busolt Griech. Staatsk. Ι 630h).

III. Verfassung. Das Königtum ist für E. nicht zu belegen, trotzdem es sicher bestanden hat. Die älteste Regierungsform ist die aristokratische: ein ritterlicher Adel beherrschte die Stadt. Seine Vorliebe für die Pferdezucht geht aus den zahlreichen mit ἵππος gebildeten Personennamen hervor (vgl. Bechtel Herm. XXXV 326ff. IG XII 9 Index). Die Stärke E.s lag so in seiner Reiterei (Aristot. VI 3 p. 1289b. Plut. amator. 17. Strab. X 448. Vgl. Aristot. VIII 6 p. 1306a). Der Adel herrschte noch zur Zeit des Peisistratos, da dieser nach Aristot. Ἀθ. πολ. 15, 2 in E. Schutz fand: ἔτι δὲ τῶν ἱππέων τῶν ἐχόντων ἐν Ἐ. τὴν πολιτείαν, also um 545 (vgl. Beloch I 2², 288ff.). 510 erfolgte der Sturz des Hippias, ohne daß die Eretrier für ihn eintraten, obwohl nach einer allerdings nicht verbürgten Nachricht Peisistratos sogar mit einer eretrischen Adligen vermählt gewesen sein soll (Suid. s. ἐγκεκοισυρωμένην. Schol. Aristoph. nub. 48), und 506 ließ E. die chalkidischen Hippoboten vom attischen Demos niederwerfen. Wäre damals noch der Adel in E. in der Herrschaft gewesen, so hätte er wohl trotz der alten Feindschaft mit Chalkis nicht ruhig mit angesehen, wie die Aristokratie in der Nachbarschaft beseitigt wurde. So muß der Regierungswechsel in E. zwischen 545 und 510 erfolgt sein. Nun berichtet Aristot. polit. VIII 6 p. 1306a, daß Diagoras τὴν ὀλιγαρχίαν τὴν τῶν ἱππέωνκατέλυσεν. Der Wortlaut zeigt, daß es sich um die endgültige Beseitigung der Aristokratie handelt: die Tat des Diagoras hat also den Systemwechsel herbeigeführt. Seitdem bestand in E. ,eine gemäßigte Demokratie. In den Dekreten wird meist der Beschluß von [385] βουλή und δῆμος gefaßt: so aus dem Ende des 5. Jhdts. (IG XII 9, 187 == Syll.³ 105. 106), aus dem 4. Jhdt. (IG XII 9, 189. 191 A, 42. 192 = Syll.³ 323. 197. 200), aus dem 3. Jhdt. (IG XII 9, 205. 206. 217. 219. 220 = Sammlung griech. Dial. Inschr. 5310. 221. 222 = SGDI 5309. 225. 231. Inschr. v. Magn. 48. Diog. Laert. II 17, 142). Bisweilen beschließt auch hier der Demos (IG XII 9, 196. 198. 199. 208. 210 = Syll.³ 348. 2ll. 213. 216. 218). Die leitenden Beamten waren die πρόβουλος und στρατηγοί; zwischen ihnen waren wohl die Befugnisse so verteilt, daß die Strategen die Exekutive, die Probulen die Leitung des Rates und der Volksversammlung besaßen. In den Urkunden werden bald die Strategen, bald die Probulen an erster Stelle genannt (IG XII 9, 205. 206. 208. 209. 212. 217. Diog. Laert. a. O. Vgl. IG XII 9, 191 A. XI 4, 1065b). Als Antragsteller treten die Probulen allein IG XII 9, 191 A, 42 auf und dann seit dem 2. Jhdt. (IG XII 9, 234 = Syll.³ 714. 235. 236). Da Inschr. v. Magn. 48 beginnt: ἐπὶ στρατηγοῦ, scheint einer der Strategen eponym gewesen zu sein (ca. 206 v. Chr.). Beide Ämter werden auch als ἄρχοντες zusammengefaßt (z. B. IG XII 9, 228. 229. 230. Inschr. v. Magn. 48 u. ö.). Daneben begegnet uns in den Epheben-katalogen ein ἄρχων als Vorgesetzter der Epheben (z. B. IG XII 9, 243. 249 B 105). Seit dem 2. Jhdt. heißt der Rat συνέδριον; die Formel lautet: δεδόχθαι τοῖς συνέδριοις καὶ τῷ δημῷ schon um 200: Rehm Milet I 3, 154, 7, und dann IG XII 9, 234, 40. 236, 28. [237, 1] um 100 v. Chr. Danach haben weder die Antigoniden noch die Römer die innere Verfassung E.s angetastet, von kurzen Episoden abgesehen. Eine Prosapographie der Eretrier geben Heinze a. O. 47F. Ziebarth IG XII 9 p. 163.

IV. Kulte. Schutzgöttin der Stadt war Artemis Amarysia (vgl. Geyer 57f. Wernick o. Bd. II S. 1379f. Preller-Robert Griech. Myth. I 310). Außerdem wurden verehrt Apollon Daphnephoros, Demeter, Herakles, Dionysos: vgl. Ziebarth IG XII 9 p. 162. 214. Ein Thesmophorienfest zu Ehren der Demeter bezeugt Plut. quaest. gr. 31; vgl. Kuruniotis Ἐφ. αρχ. 1911, 35. Vor der Stadt hat ein Heiligtum des delischen Apollon, der Leto und Artemis gelegen (IG XII 9, 266): vgl. Geyer 58. IG XII 9 p. 161.

V. Münzen. Über die Münzen E.s vgl. Head HN² 360-364. Regling IG XII 9 p. 172f.

Literatur siehe bei Philippson o. Bd. VI S. 425. IG XII 9 p. 174/5. Geyer Topogr. u. Gesch. d. Insel Euboia I (Quellen u. Forsch. z. alt. Gesch. Heft 6). Berlin 1903.
[Geyer.]

Eretria

[1]) Euboi. Stadt. S IV.
[Hans Gärtner.]
Anmerkungen (Wikisource)
Bei der Wahl des Bildes ‚τευθίς‘ hat Themistokles vielleicht an das Münzsymbol der Eretrier gedacht (Head HN² 362)

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