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I. Name und Begriff
II. Quellen
a) Literatur
b) Monumente
III. Geschichte
Homerische Zeit
Dorer
Sparta
Athen im 6. Jhdt.
Naturtraining und Anfänge der Athletik
Von den Perserkriegen bis etwa Alexander
Die Berufsathletik
Die Gymnastik als Erziehungsmittel
Heilgymnastik
Hellenistische Zeit
Die Gymnastik bei den Römern
Verfall der Gymnastik
IV. Die Gymnastik im Mythos.
V. Verhältnis zur Kunst
VI. Die Übungen
Vorbereitung
Kraftübungen
Agonistische Übungen
VII. Literatur
Anmerkungen (Wikisource)

Gymnastik (γυμναστική).

I. Name und Begriff.

Das Wort ist verhältnismäßig jung und vor dem 5. Jhdt. nicht nachzuweisen. Von γυμνάζειν, γυμνός abgeleitet, bedeutet es ursprünglich wörtlich die Übung des nackten Körpers, später überhaupt das athletische Training in der Palästra und dem Gymnasion und was damit zusammenhängt. Doch variiert der Sinn bei den verschiedenen Schriftstellern je nach dem Standpunkt, den sie der Sache gegenüber einnehmen, beträchtlich, insbesondere trachten die Philosophen und Mediziner als Gegner der berufsmäßigen Athletik einen andern als den landläufigen Begriff mit dem Namen zuverbinden. So geht aus der Aufzählung der Übungen in der Hippokratischen Schrift περὶ διαίτης II 61–66, die um 400 v. Chr. entstanden ist, hervor, daß der Verfasser nicht bloß an das palästrische Training dachte, sondern den Begriff G. viel weiter faßte. Er teilt nämlich die Anstrengungen (πόνοι) ein in natürliche (κατὰ φύσιν) und gewaltsame (διὰ βίης). Zu ersteren rechnet er das Sehen, Hören, Sprechen, Denken; halb natürlich, halb gewaltsam sind die Spaziergänge, gewaltsam schlechtweg endlich die eigentlichen gymnastischen Übungen, wie sie in der Palästra vorgenommen werden. Platon tadelt in seinem Staate (404 A. B) die Athleten wegen ihrer Schlafsucht und Empfindlichkeit gegen Änderungen der Lebensweise und schreibt den Wächtern des Staates eine einfache G. vor, die hauptsächlich aus Vorübungen für den Krieg bestehen und mehr den Mut als die rohe Kraft fördern soll. Der Begriff G. wird von ihm hier über die Palästra hinaus derart erweitert, daß er sogar die Bewegung vor der Geburt im Schoße der Mutter, den Tanz, das Reiten und alle Arten kriegerischer Übungen dazu rechnet (vgl. auch Leg. VII 813 D. VIII 832 Dff). Ein ganz anderer Inhalt verbindet sich in den übrigen Dialogen mit dem gleichen Worte, indem dort an vielen Stellen mehr das medizinisch-diätetische Moment betont und unter G. etwa die Heilgymnastik oder Kunst der Leibespflege gemeint ist; vgl. Gorg. 464 B, wonach die G. und die Heilkunde, da sie beide den Körper zum Objekte haben, als Schwesterkünste hingestellt werden, deren Vertreter, Ärzte wie Trainer, das Verhältnis der Nahrungsaufnahme und Arbeitsleistung zu beobachten und zu regeln haben (Prot. 313 D; Gorg. 517 D. E; Crit. 47 B; Erast. 134 C–E). Der Unterschied zwischen beiden Künsten ist im wesentlichen der, daß die G. den gesunden Körper zu pflegen und auszubilden, [2031] die Medizin den kranken zu heilen hat (vgl. nebst Gorg. 464 B auch 452 A. B; Soph. 228 C; Theag. 123 E). Beide Künste sind aber so verwandt, daß sie Symp. 186 E dem gleichen Schutzpatron Asklepios zugewiesen werden können. Auf einem ähnlichen Standpunkt wie Platon steht sein Schüler Aristoteles, wie unter anderem aus seinem Ausspruch hervorgeht, daß die G. den Habitus, die Paidotribik die körperlichen Leistungen qualitativ beeinflußt: ἡ μὲν ποιάν τινa ποιεῖ τὴν ἕξιν τοῦ σώματος, ἡ δὲ τὰ ἔργα (Polit. VIII 3, 1338 B 6). Für die damalige Verwirrung in der Terminologie, die auch mit dem Streit um die Wirkungssphäre der Gymnasten und Paidotriben (s. d.) zusammenhing, ist die Meinung des Zeitgenossen Isokrates interessant: Antid. 181 διττὰς ἐπιμελείας κατέλιπον ἡμῖν, περὶ μὲν τὰ σώματα τὴν παιδοτριβικήν, ἧς ἡ γυμναστικὴ μέρος ἐστί, περὶ δὲ τὰς ψυχὰς τὴν φιλοσοφίαν. Hier sind G. und Paidotribik nicht gleichberechtigt wie bei Aristoteles, sondern die G. bildet einen Teil der Funktionen des Paidotriben, der hier also noch als der eigentliche Trainer angesehen wird. Allmählich fällt jedoch der theoretische Teil des Training immer mehr dem Gymnasten zu (s. d.).

Im Sinne von ,Leibespflege‘ konnte aber die G. ebensogut von den Gymnasten wie von den Ärzten in Anspruch genommen werden, und in der Tat entstand im 3. Jhdt. v. Chr. ein Kompetenzstreit, der auch in der Terminologie zum Ausdruck kam. Da in der bisherigen Bezeichnung γυμναστική seit Platon das stillschweigende Zugeständnis enthalten war, daß die Leibespflege den Gymnasten zukomme, was die Ärzte unter keiner Bedingung zugeben wollten, wurde, wie Galen Thras. 38 erzählt, von dem Arzte Erasistratos (s. d.) im 3. Jhdt. v. Chr. ein neuer Name geschaffen, der jenen in der Mitte zwischen Medizin und G. liegenden Zweig entsprechend bezeichnen sollte: ὐγιεινή, Gesundheitslehre. Sie sollte an Stelle der Platonischen G. treten, und mit letzterem Terminus nur jener Teil der Hygiene bezeichnet werden, der sich speziell mit den Leibesübungen befaßt (Gal. VI 135 K.). Dieser Standpunkt wird später auch von Galen, der sichtlich unter stoischem Einfluß steht, akzeptiert und ausführlich dargelegt. Eingangs seiner Hygiene teilt er die Medizin, worunter er im allgemeinen die Kunst der Leibespflege versteht, in zwei Hauptteile: Hygiene und Therapie, und der ersteren ordnet er die G. unter, die er aber als Wissenschaft von den Wirkungen sämtlicher Leibesübungen definiert (τέχνη, ἥτις ἂν ἐπιστήμη τῆς ἐν ἅπασι τοῖς γυμνασίοις ᾗ δυνάμεως Thras. 41). Es gehören hieher also auch Rudern, Graben, Mähen und andere Betätigungen und Arbeiten. Die Kunst der Palästra und des Gymnasions aber sei nur ein kleiner Teil der echten G., der außerdem von den sog. Gymnasten, die in der athletischen Euexie nur einen unnatürlichen Gesundheitszustand anstreben, ganz unrichtig gepflegt werde. Nicht sie, sondern die Ärzte seien daher die wahren Vertreter dieser Kunst. Danach repräsentiert die G. die hygienische Theorie, das Training vom medizinischen Standpunkt, und hat mit der praktischen Durchführung der Übungen, die in der Palästra dem Paidotriben zufällt, nichts zu tun. [2032]

Dieser exklusive, den Berufsgymnasten feindselige Standpunkt der Ärzte wird von dem Verfasser der einzigen uns erhaltenen Schrift über G., Philostratos, nicht geteilt, der sich vielmehr in seiner Auffassung den Praktikern des Training offenbar nähert. Seine Definition der G. lautet folgendermaßen: Kap. 14 σοφίαν αὐτὴν ἡγεῖσθαι (sc. χρή) ξυγκειμένην μὲν ἐξ ἰατρικῆς τε καὶ παιδοτριβικῆς, οὗσαν δὲ τῆς μὲν τελεωτέραν, τῆς δὲ μόριον. Daraus und aus der weiteren Ausführung geht hervor, daß Philostratos die G. als die Kunst der Berufsgymnasten auffaßt, ihr aber trotzdem wissenschaftlichen Wert beilegt, den zu erweisen der Hauptzweck seiner Schrift ist. Die Paidotribik oder praktische Turnkunst ist ein Bestandteil derselben, der dem Gymnasten nicht unbekannt sein darf, in der Regel jedoch durch den Paidotriben unter der Aufsicht des Gymnasten versehen wird. Sein eigenstes Gebiet, dem der Paidotribe fernsteht, ist die medizinische Seite. Nur er vermag ,die Säfte zu reinigen, den Überschuß aus dem Körper zu entfernen, eine Mastkur einzuleiten oder die Körpertemperatur zu erhöhen, ja sogar Krankheiten, wie Katarrhe, Wassersucht, Schwindsucht, Epilepsie zu heilen, soweit dies durch Diät und Massage möglich ist‘, also mit hygienischen Mitteln. Jener Teil (μόριον) der Iatrik, um den es sich bei der G. handelt, ist also die Hygiene, die der Gymnast ebenfalls beherrschen muß, während die Verabreichung von Medikamenten sowie chirurgische Eingriffe Sache der Ärzte seien. Trotz dieses starken medizinischen Einschlages faßt Philostrat die G. nicht wie die Ärzte im Sinne von Heil-G., sondern seine ganze Schrift hat die Ausbildung der Athleten für die Wettkämpfe im Auge, ist also der von den Ärzten und Philosophen so sehr verhöhnten Berufsathletik gewidmet, und G. bedeutet ihm das, was die Athleten und auch die breiteren Volksschichten darunter verstanden haben. Allerdings verfolgt seine Schrift den Zweck, die verderblichen Auswüchse dieser Kunst zu bekämpfen.

II. Quellen.

a) Literatur. Die Fachliteratur über das gymnastische Training ist bis auf geringe Reste verloren gegangen, muß aber sehr beträchtlich gewesen sein. Der Löwenanteil daran fiel den Theoretikern, den Gymnasten, zu, während die Paidotriben naturgemäß zurückstanden. Von folgenden Gymnasten (s. die einzelnen Art. und Gymnastes) ist uns literarische Betätigung bekannt. Ikkos von Tarent in der ersten Hälfte des 5. Jhdts. wird von Plat. Prot. 316 D in vornehmster literarischer Gesellschaft angeführt, doch ist uns von seiner schriftstellerischen Tätigkeit sonst nichts überliefert. Herodikos von Selymbria, ein Zeitgenosse des Protagoras, der Erfinder der Heil-G. oder Iatraleiptik, hat sein neues System sicherlich auch ausführlich zur Darstellung gebracht, und wenigstens die Grundlinien seiner Theorie hat uns das Menonexzerpt bewahrt (Suppl. Aristot. III 1 p. 14f. Diels Herm. XXVIII 421ff. Jüthner Philostr. Gymn. 10f.). Von Diotimos zitiert Theophr. frg. IX 11 eine Stelle, die vom Schweiße handelt. Besonders berühmt aber war der Alexandriner Theon, der Verfasser einer Schrift περὶ τῶν κατὰ μέρος γυμνασίων in 4 Büchern und γυμναστικά in mindestens 16 Büchern, die [2033] verloren sind, aber von Galen benützt und heftig bekämpft wurden. Auch der sonst unbekannte Zeitgenosse Theons, Thryphon, wird von Galen als gymnastischer Schriftsteller erwähnt.

Den Paidotriben sind offenbar praktische Turnbüchlein zuzuschreiben, die in der Literatur Spuren zurückgelassen haben (Epict. III 20, 10. 26, 22. Gal. VI 142. Anth. Pal. XII 206. Luc. Asin. 9f.) und jetzt durch Papyrusbruchstücke vertreten sind: Grenfell-Hunt Oxyrh. Pap. III 466, wo eine Reihe von Ringergriffen kommandiert wird, und ebd. VI 887, der sich jedoch nicht, wie die Herausgeber meinen, auf das Ringen bezieht, sondern Kommandos beim Faustkampfe enthält. Das ist alles, was uns von den eigentlichen Fachschriften bekannt ist.

Doch war die G. ein so wichtiger Faktor im privaten wie öffentlichen Leben während des ganzen Altertums, daß sie auch sonst in der Literatur eine hervorragende Rolle spielt und bald in gelegentlichen Bemerkungen, bald in ausführlicher Darlegung Beachtung findet. Für die älteste Zeit kommt das Epos in Betracht, das zwar noch nicht den Namen, aber die Sache sehr wohl kannte. Später bilden die Epinikien (Pindar, Bakchylides) eine Fundgrube für unsere Kenntnis. Vom 5. Jhdt. an sind es die Ärzte und Philosophen, die sich vom hygienischen bezw. vom ethisch-politischen Gesichtspunkt für den Gegenstand interessieren. Unter den ersteren namentlich die Verfasser von Schriften περὶ διαίτης, voran Ps.-Hippokrates (Fredrich Hippokr. Unters. 81ff. 169ff. Jüthner Philostr. Gymn. 34f.), seit 300 v. Chr. Erasistratos und die übrigen Hygieniker, von denen wir nur aus Galen Kunde haben, endlich dieser selbst, namentlich in seiner Hygiene, dem Thrasybulos (πότερον ἰατρικῆς ἢ γυμναστικῆς ἐστι τὸ ὐγιεινόν) und der Schrift über den kleinen Ball. Unter den Philosophen ist nächst Pythagoras und den Sophisten (Protagoras schrieb περὶ πάλης) insbesondere Platon hervorzuheben, der in vielen seiner Schriften, im Zusammenhange aber besonders im Gorgias, im Staate und den Gesetzen die G. zum Gegenstand seiner Betrachtungen machte. Berücksichtigt wurde sie auch von Aristoteles, Theophrast und den Kynikern und Stoikern, welch letztere wir noch als die entschiedensten Gegner der Athletik kennen lernen werden.

Eine Schrift, die sich speziell mit der G. befaßt, hat sich nur von Philostratos erhalten: περὶ γυμναστικῆς, nicht eines Fachmannes, sondern eines Sophisten Werk, der für die in Mißkredit geratene Athletik eine Lanze brach und das Training auf wissenschaftliche Höhe zu heben suchte. Obwohl, wie wir sahen, die Paidotribik in die G. einbeziehend, befaßte er sich doch nicht mit der praktischen Ausführung der Leibesübungen, sondern fast ausschließlich mit der hygienischen Seite der Gymnastenkunst (Ausgabe von Jüthner, Teubner 1909).

Eine weitere Fundgrube für gymnastische Notizen waren die für die einzelnen Feste verfaßten Siegerverzeichnisse, insbesondere die Olympionikenlisten (Jüthner a. O. 60ff.). Von Hippias aus Elis inauguriert, von Aristoteles, der mit Kallisthenes auch die Pythioniken verzeichnete, ausgeführt und mit einer Einleitung und [2034] vereinzelten Bemerkungen zu besonders hervorragenden Athleten versehen, wurde die Siegerliste später zu einer Art Chronik des Hochfestes des Zeus – so offenbar von Eratostbenes –, endlich zur Weltchronik ausgestaltet. Wir besitzen Fragmente von Phlegon von Tralles (FHG III 602ff. Krause Olympia 412ff. Rerum nat. scr. I 94ff. Keller), auf einem Papyrus von Oxyrhinchos (Grenfell-Hunt Oxyrh. Pap. II 222) und die vollständige Liste des Sextus Iulius Africanus in Eusebius Chronica (ed. Schoene I 193ff.). Eine weitere Quelle waren die verlorenen Schriften περὶ ἀγώνων des Duris von Samos, Kallimachos, Istros, Kleophanes, Theodoros von Hierapolis, ferner die Periegeten, deren erhaltener Vertreter Pausanias uns auch auf diesem Gebiete eine Fülle von Belehrung in Einzelheiten bietet.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen endlich die zahlreichen Inschriften, insbesondere diejenigen, welche sich auf die Ephebenerziehung und die Gymnasien, sowie auf die Festspiele in allen Teilen der griechisch-römischen Welt beziehen.

b) Monumente. Wir haben gesehen, daß in der Literatur das turnerische Moment zurück- und das hygienisch-agonistische stark in den Vordergrund tritt. In der Tat würde unsere Kenntnis von der G. manche Lücke aufweisen, wenn nicht die monumentale Überlieferung eine glückliche Ergänzung lieferte. Bei der Wichtigkeit, die man dem athletischen Sporte beimaß, ist es begreiflich, wenn sich die große und die Kleinkunst, ebenso wie das Kunsthandwerk des dankbaren Stoffes bemächtigte, umsomehr, als ja diese Lebensäußerung vielfach auch in den Mythos projiziert wurde und auch auf diesem Umwege dann in die Kunst Eingang fand. Ein Umstand trat besonders fördernd hinzu: die Herrschaft des nackten Athletenideals in der Kunst seit dem 6. Jhdt. (s. u.) und die damit zusammenhängende Verehrung schöner Knaben und Jünglinge. Dem Zeitgeschmack Rechnung tragend, suchten die Künstler ihre Modelle in den Palästren und Gymnasien und übertrugen das dort abstrahierte Schönheitsideal, das im Polykletischen Kanon und ähnlichen Mustern seine ziffernmäßige Fixierung erfuhr, auch auf die Götter und mythischen Gestalten. Die Bildnerei lieferte zahlreiche Athletenstatuen, insbesondere die Siegerbilder in Olympia, Delphi und den übrigen Festplätzen, wobei nach dreifachem Siege sogar Porträtähnlichkeit zugelassen wurde. Manche erhaltene Athletenfigur dürfte auf einen solchen Ursprung zurückgehen. Eine besonders reiche Fundgrube aber bilden die zahllosen Tongefäße mit gymnastischen Darstellungen, namentlich aus dem 6.-4. Jhdt., die uns besser als alles andere die Vorgänge in der Palästra und bei den Wettkämpfen illustrieren, nicht zu vergessen mythische Darstellungen (s. u.) wie den Ringkampf des Herakles mit Antaios, des Theseus mit Kerkyon, des Peleus und der Thetis oder der Faustkampf des Polydeukes und Amykos. Eine besonders wichtige Gruppe bilden hier die panathenäischen Amphoren (vgl. jetzt Brauchitsch Die panath. Preisamph. Teubner 1910), die auf der einen Seite die Athena, auf der anderen aber die Darstellung gymnastischer Übungen zeigen. Von den übrigen Vasen erwähne ich als für die Kenntnis der G. besonders ergiebig [2035] und lehrreich: den noch unveröffentlichten sf. Stamnos in Würzburg 325 B, sowie den von Vulci Mus. Etr. II. XVII (XXII) 1 a, die Münchner rf. Schale Arch. Ztg. XXIV Taf. 11 = Schreiber Bilderatl. I Taf. XXI 3, die beiden Schalen des Duris Wien. Vorl. VIII 1 und VI 9, die rf. Schale in Paris Bibl. Nat. 523, abg. Hartwig Meisterschal. Taf. XV, die rf. Schalen Gerhard Auserl. Vas. IV 271. und im Brit. Mus. E 78 abg. Journ. hell. Stud. XXVI pl. XIII. Für die römische Zeit kommen Denkmäler wie das tuskulanische Mosaik Mon. d. Inst. VI. VII Taf. 82 (= Schreiber a. O. Taf. XXIII 10) in Betracht oder das Athletenmosaik im Lateran (Secchi Mosaico Antonin., Tafel), während für die etruskische G. auf Wandgemälde wie Mon. d. Inst. V 16. Mus. Etr. II 94. Micali Mon. ant. 1833 tav. LXX zu verweisen ist. Neben den Gegenständen der Kunst und des Kunsthandwerks dürfen auch die Gemmen und Münzen nicht außer acht gelassen werden, auf denen vielfach auch Statuen nachgebildet sind. Ich verweise beispielshalber auf die Gemme Micali Mon. CXVI 16 oder auf die Ringerszene der Münzen von Aspendos oder Alexandria (Gardiner Journ. hell. Stud. XXV 271) oder den Diskobol auf den Münzen von Kos (a. O. XXVII 30).

III. Geschichte.

Bei keinem Volke des Altertums wie auch der Gegenwart hat die G. eine solche Bedeutung gewonnen und eine so großartige Ausgestaltung erfahren wie bei den Griechen, und als vollendete Trainierkunst ist sie gewiß ureigenstes Produkt des griechischen Nationalcharakters, ebenso wie man die Ausbildung des modernen Training der englischen Rasse zuschreiben muß. Aber auch die Anfänge aller Leibesübungen überhaupt in Griechenland zu suchen, wäre nicht berechtigt. Denn mit Recht erblickt Philostr. Gymn. 16 ihre Entstehungsursache in der natürlichen Fähigkeit des Menschen zu ringen, zu boxen und zu laufen und meint daher, daß die G. dem Menschen angeboren sei. Ihr Erwachen war also nicht an einen Ort, an ein Volk gebunden, sondern konnte unter günstigen Umständen überall vor sich gehen. So ist denn die Sache in der Tat älter als die erreichbare Geschichte der Griechen und auch bei anderen Völkern nachweisbar. Ägyptische Grabgemälde von Beni-Hassan (Rosellini Mon. dell’ Egitto tav. XCIV–CIV. Krause Gymn. 237, 12 Taf. XXV–XXVIII. Perrot-Chipiez Hist. de l'art I 792f.) zeigen gymnische und orchestische Szenen aller Art, und die kretischen Funde aus minoischer Zeit haben merkwürdige Darstellungen von Faustkämpfen zutage gefördert, die bald von nackten, bloß mit Perizoma bekleideten Jünglingen, bald von gewappneten Männern ausgeführt werden (vgl. das berühmte Steatitryton von Hagia Triada, Rendic. Acad. Lincei XIV (1905) 369ff., das Pyxisfragment Ann. brit. school of Ath. VII S. 95 Fig. 31 und das Tonsiegel ebd. IX S. 50 Fig. 35). Nicht unerwähnt bleiben mögen auch die durch zahlreiche Darstellungen aus mykenischer Zeit bezeugten Stierspiele, die offenbar hervorragende Körperkraft und Gewandtheit voraussetzten (A. Reichel Athen. Mitt. XXIV 85ff.); doch wird dadurch für die Träger der kretisch-mykenischen Kultur noch nicht die Eignung [2036] und Vorliebe für jene Art der G. erwiesen, die später bei den Griechen einen solchen Aufschwung genommen hat. Ihre Einführung war vielmehr den nächsten Völkerschichten Vorbehalten, die von Norden her an das Gestade des Ägäischen Meeres vorrückten. Dem kriegerischen Charakter dieser Stämme entsprach auch die Art ihrer Wettkämpfe: das Wagenrennen, der Wettlauf, der Ring- und Faustkampf, der Stein- und Speerwurf und das Bogenschießen. Dort, wo sich die neuen Einwanderer, die Achäer und Dorer, festsetzten, so namentlich im Peloponnes, erstanden die Hauptstätten für die Wettkämpfe, und Lakedaimon ward später der Hort der G. und körperlichen Ausbildung.

Homerische Zeit. Die ältesten historischen Nachrichten bringt das Homerische Epos. Aber schon hier finden wir die gymnastischen Übungen auf einer solchen Stufe der Vollkommenheit, daß vorher eine lange Entwicklungsdauer vorausgesetzt werden muß. Es finden sich nicht nur fast sämtliche Arten von Übungen, die in historischer Zeit gepflegt wurden, sondern auch ihre Durchführung ist, soviel wir sehen können, in vielen Einzelheiten bereits vollkommen auf der Höhe späterer Vollendung, ja es gibt sogar sozusagen Spezialisten in einzelnen Kämpfen, die ihre Überlegenheit nicht bloß ihrer natürlichen Anlage, sondern gewiß auch fleißiger Übung zu verdanken hatten. Auch diente die G. schon damals agonistischen Zwecken einerseits, dem Vergnügen und der Erholung andererseits, doch huldigen nur die Vornehmen dem Sport, oder wenigstens wird im höfischen Epos nur auf sie Rücksicht genommen. Ein Menschenalter zurück verlegt übrigens der Dichter selbst die Sitte Verstorbene durch gymnastische Wettspiele zu ehren, wenn er den greisen Nestor Il. XXIII 629ff. erzählen läßt, wie er als junger Mann bei den Leichenspielen für Amarynkeus alle anderen im Faustkampfe, Ringen, Laufen und Speerwurf überragte, im Wagenrennen den kürzeren zog. An Übungen reicher sind die im XXIII. Gesang geschilderten Leichenspiele des Patroklos. Nach dem Wagenrennen, das nicht hieher gehört, steht auch hier der Faustkampf an der Spitze (664–699), in welchem der kundige Epeios gegen Euryalos Sieger bleibt. Bemerkenswert ist, daß bereits Faustriemen in Verwendung kommen. Es folgt der Ringkampf zwischen Aias und Odysseus, der unentschieden bleibt (700–739). In beiden Fällen sind die Kämpfer nur mit dem Zoma bekleidet. In dem folgenden Wettlaufe (740–797) kommt der Oilide Aias zu Fall und wird zweiter, während Odysseus den Preis davonträgt, Antilochos mit dem dritten vorlieb nehmen muß. In dem Waffenkampfe zwischen dem Telamonier Aias und Diomedes kommt ersterer in Gefahr, so daß die Achäer dem Kampfe ein Ende machen. Eine solche Hoplomachie ist allerdings nicht mehr zu der später sogenannten G. im eigentlichen Sinne zu rechnen. Wohl aber wiederum der im Anschluß beschriebene Fernwurf mit dem gewaltigen Solos aus Gußeisen, den Achill als Preis setzte. Polypoites wirft den Klumpen mit Leichtigkeit viel weiter als der Telamonier Aias und als Epeios. Es folgt ein Taubenschießen mit dem Bogen. Den letzten Preis aber erhält Agamemnon [2037] ohne Kampf. Die gleichen Übungen wie in der Ilias sind auch in der Odyssee noch im Schwange: VIII 109ff. laufen die Phäaken um die Wette und üben den Ringkampf, Sprung, Scheibenwurf und Faustkampf. Von Euryalos verhöhnt, ergreift auch Odysseus (186), ohne sein Gewand abzulegen, einen gewaltigen Diskos, größer als der der Phäaken, und schleudert ihn weit hinaus über die Marken aller übrigen. Auch rühmt er seine Tüchtigkeit im Faust- und Ringkampf (IV 342ff.) und Wettlauf, sowie im Bogenschuß und Speerwurf, und ist bereit, sie zu beweisen. Alkinoos lehnt ab mit dem Bemerken, das Boxen und Ringen sei nicht der Phäaken stärkste Seite, wohl aber überragen sie die übrigen in der Schiffahrt, im Lauf und Tanz und in der Musik, was dann in entsprechenden Aufführungen, insbesondere einem orchestischen Ballspiele des Halios und Laodamos bewiesen wird. Bezeichnend für den sportmäßigen Betrieb der Leibesübungen ist, daß die Achäer während des Grolles des Achilleus sich am Diskoswurf, Speer- und Bogenschießen erfreuen (II 774), und daß die Freier der Penelope sich die Zeit vor dem Mahle mit Scheibenschwung und Speerwurf vertreiben, gegenseitig ihre Kräfte messend. Aus alldem geht hervor, daß die G. zur Zeit Homers, wenn auch noch nicht systematisch betrieben, doch bereits eine wichtige Rolle im Leben des freien Mannes gespielt hat, freilich ganz anders als in der historischen Zeit. Obwohl sich an der jungen Stelle des Schiffskatalogs auch eine Andeutung der Verbreitung des Sportes im Volke (λαοί) erkennen läßt, ist er doch im ganzen ein Privileg der Vornehmen. Dient er ja doch zum Zeitvertreib und Spiele, dem nur die Fürsten huldigen können, oder als Maß jener körperlichen Tüchtigkeit, über die wiederum nur die Besten des Volkes verfügen. Ein allgemeiner Wettbewerb ist ebenso ausgeschlossen wie ein ausgebildetes Spezial-Training. Doch ist das agonistische Prinzip, der Drang, seine Kräfte mit einem Gegner zu messen und durch dessen Besiegung Ruhm zu ernten, sowie die Freude an Wettkämpfen jeder Art schon bei Homer ebenso lebendig, wie dies später ein Hauptcharakteristikon des Griechenvolkes bildet, und schon damals hat dies auf die G. befruchtend eingewirkt.

Dorer. Nationalfeste. Der Schleier, der sich auf die unmittelbar folgende geschichtliche Entwicklung senkt, verdeckt uns zunächst auch die Fortschritte, welche die G. damals gemacht hat. Anlaß zu gymnischen Spielen werden auch weiterhin die Leichenfeierlichkeiten für vornehme Tote gegeben haben, zumal sich diese Sitte auch in historischer Zeit erhalten hat und mehrfach nachweisen läßt (s. o. Bd. I S. 841), und daher die Vermutung nahe liegt, daß auch die großen Nationalspiele der Hellenen in letzter Linie auf einen Totenkult zurückgehen (Rohde Psyche2 151). Mit dem Götterkult wurden die Wettkämpfe frühzeitig verbunden. Die älteste Nachricht im Homerischen Hymnus auf Apollon 149, wonach dieser Gott auf Delos durch Faustkämpfe und Tanz geehrt wurde. Während aber in homerischer Zeit der Sport im wesentlichen Sache der Vornehmen war, ist in der Zwischenzeit bis zur Gründung der Nationalfestspiele, die naturgemäß [2038] auch in der Entwicklung der G. einen Wendepunkt bedeuteten, unter dem Einfluß der historischen Ereignisse die wichtige Änderung vor sich gegangen, daß die Pflege der Leibesübungen und der Wetteifer in der Geschicklichkeit und Kraft von den vornehmen Ständen allmählich auf das Volk und die Bürger überging, ja daß ihr eine wichtige Aufgabe im Staate, namentlich in Bezug auf Jugenderziehung zufiel. Der Anstoß hiezu ist ohne Zweifel von den eingewanderten Dorern ausgegangen, die ja auch in historischer Zeit in Bezug auf G. lange die Führung behielten, nach der Überlieferung speziell von den Kretern und Lakedaimoniem: Thuk. I 6, 5 (Λακεδαιμόνιοι) ἐγυμνώθησάν τε πρῶτοι καὶ ἐς τὸ φανερὸν ἀποδύντες λίπα μετὰ τοῦ γυμνάζεσθατ ἠλείψαντο. Plat. Rep. V 452 C ἤρχοντο τῶν γυμνασίων πρῶτοι μὲν Κρῆτες, ἔπειτα Λακεδαιμόνιοι. Bestätigt werden diese Nachrichten zunächst durch die lakedaimonische Tradition, welche der nebelhaften Gestalt des Gesetzgebers Lykurgos (s. u.) auch die Fürsorge für die leibliche Ausbildung der spartanischen Jugend und zwar männlichen und weiblichen Geschlechtes zuschrieb, und für Kreta durch gewisse Einrichtungen in der Bürgerschaft. Einen der ältesten Beweise für die Wichtigkeit der G. im Staate bietet das Gesetz von Gortyn, das zwar jetzt in das 5. Jhdt. versetzt wird, aber doch wohl einen weit älteren Zustand kodifiziert (vgl. Dareste etc. Rec. des inscr. jurid. gr. 406f., 437f.). Dort werden zwei Altersklassen, Jünglinge und Männer, nach dem Verhältnis zum Gymnasion, bei den Kretern δρόμος (Suid. s. δρόμοις), als ἀπόδρομοι und δρομεῖς bezeichnet (Hermann-Thumser Staatsalt. 142). Diejenigen, welche 10 Jahre in der Männerabteilung absolvierten, hießen δεκάδρομοι (Hesych. s. v.). Dies ist ein Beweis, daß alles auf die gymnastische Ausbildung aufgebaut war. Die Sklaven waren hievon ausdrücklich ausgeschlossen (Arist. Pol. II 5, 1264 a 21). Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, daß das älteste Nationalfest der Hellenen, bei dem gymnastische Wettkämpfe veranstaltet wurden, das Hochfest des Zeus, im Peloponnes, wenn auch nicht auf streng dorischem Boden, begründet wurde. Hiebei möge die mythische Vorgeschichte Olympias außer acht bleiben, obwohl es wiederum bezeichnend ist, daß die erste Erneuerung der Spiele von dem dorischen Nationalhelden Herakles ins Werk gesetzt sein soll, und die endgültige Bestimmung der Satzungen kein Geringerer als Aristoteles neben dem König von Elis Iphitos auch dem Lykurgos zuschreibt (Plut. Lyk. 1). Dorischer Einfachheit entspricht es wohl auch am besten, daß von kostbaren Preisen wie in homerischer Zeit nunmehr keine Rede mehr ist, und daß ein unscheinbarer Ölkranz als äußeres Zeichen des unermeßlichen Ruhmes dem glücklichen Sieger genügt, während z. B. die Athener an den Panathenäen die Sieger mit kostbarem Öle beteilten. Der Kreis der Teilnehmer an dem Wettkampfe ist in der ersten Zeit ein lokal beschränkter, und wenn nach dem Ausweise der Olympionikenlisten bis zur 20. Olympiade ausschließlich Peloponnesier verzeichnet werden, so mag das verschiedene Gründe haben, wird aber sicherlich auch mit der Entwicklung der G. zusammenhängen. Freilich [2039] muß festgehalten werden, daß nach neueren Forschungen der älteste Teil der Olympiadenliste nicht als völlig zuverlässige Quelle anzusehen ist, da ihr Verfasser Hippias vieles nur kombiniert haben wird (vgl. Jüthner Phil. Gymn. 67f.). Dies bezieht sich aber wohl mehr auf die chronologischen Ansätze als auf die mitgeteilten Tatsachen selbst, die auf alter elischer Tradition beruhen können.

In den ersten 50 Olympiaden spielt sich nach den uns erhaltenen Listen fast die gesamte Ausgestaltung der gymnastischen Wettkämpfe ab, und sollte nicht alles der Wahrheit entsprechen, so ist diese Überlieferung wenigstens ein Zeugnis dafür, wie man sich die erste Entwicklung der G. und Agonistik im Altertum vorgestellt hat. Man konnte dieselbe nicht nur den vollständigen Olympiadenlisten entnehmen, sondern auch aus Auszügen ersehen, die, wie es scheint, in die historischen Einleitungen dieser Listen aufgenommen waren (vgl. Jüthner a. O. 111ff.). Erhalten sind uns mehrere Beispiele: IG II 978 = Dittenberger Syll.2 II 669. Paus. V 8, 5–9, 2. Phil. Gymn. 12 und 13. Sehr gekürzt auch Plut. quaest. conv. V 2. Diese Auszüge führen die Daten an, wann die einzelnen Kampfarten in Olympia eingeführt sein sollen. Die Reihenfolge der gymnastischen war: Ol. I = 776 v. Chr. der Stadionlauf, Ol. 14 = 724 der Doppellauf, Ol. 15 = 720 der Dauerlauf, Ol. 18 = 708 das Pentathlon und der Ringkampf, Ol. 23 = 688 Faustkampf, Ol. 33 = 648 Pankration, Ol. 37 = 632 Wettlauf und Ringkampf der Knaben, Ol. 38 = 628 Fünfkampf der Knaben, Ol. 41 = 616 (oder Ol. 60 = 540) der Knabenfaustkampf, Ol. 65 = 520 Waffenlauf, Ol. 145 = 200 Knabenpankration. An diese allmähliche Entwicklung der olympischen Wettkämpfe knüpft Philostr. Gymn. 13 die Bemerkung: ταῦτα οὐκ ἄν μοι δοκεῖ καθ' ἓν οὑτωσὶ παρελθεῖν εἰς ἀγῶνας οὐδ' ἄν σπουδασθῆναί ποτε Ἠλείοις καὶ Ἕλλησι πᾶσιν, εἰ μὴ γυμναστικὴ ἐπεδίδου καὶ ἤσκει αὐτά · καὶ γὰρ αὗται τῶν ἀθλητῶν αἱ νῖκαι καὶ τοῖς γυμνασταῖς – οὐ μεῖον ἢ τοῖς ἀθληταῖς – πρόςκεινται. Philostratos möchte also die Entwicklung der gymnastischen Agonistik vom einfachen Lauf bis zu der schließlichen Mannigfaltigkeit der Wettkämpfe als Verdienst der berufsmäßigen G. hinstellen, welche die einzelnen Übungen der Reihe nach erfunden und ausgestaltet habe. Das ist aber insofern unhistorisch, als ja, wie wir wissen, die meisten Kampfarten lange vor der ersten Olympiade schon Homer bekannt und im wesentlichen ausgebildet waren. Die Überlieferung von der allmählichen Einführung in Olympia muß also wohl andere Gründe haben, und Gardiner Greek athlet. sports 52 denkt daran, daß der Urheber der Olympionikenlisten Hippias die von ihm aufgetriebenen Daten der ersten Erwähnung der älteren Kampfarten als Daten der Einführung eintrug. Durch nichts begründet ist auch die Annahme Philostrats, daß die berufsmäßige G. so hoch hinaufgereicht habe. Und was er uns in den Kap. 3–11 über den Ursprung der einzelnen Kampfarten berichtet, beruht wohl ebenfalls auf bloßer Kombination, was schon aus der Art der Darstellung, namentlich z. B. im Kap. 7, hervorgeht. Darnach wird der Dauerlauf auf die Kriegsboten [2040] der Eleer zurückgeführt, das Stadion auf eine Art Fackellauf vor dem Anzünden des Opfers, der Diaulos entstand dadurch, daß Läufer den Festgesandtschaften entgegenliefen, um sie zu begrüßen, und wieder zurückkehrten, um deren Ankunft zu melden; der Waffenlauf, der den Agon beschließt, bedeutet nach der Ansicht des Philostratos, der andere Meinungen bekämpft, den Übergang vom Gottesfrieden zum Kriegszustand, der Faustkampf sei eine Erfindung der Lakedaimonier, die so den unbehelmten Kopf schützen mußten, Ringkampf und Pankration aber sind dem Kriege zu Nutzen erfunden. Diese Nachrichten, denen kaum ein historischer Wert beizumessen ist, sind nicht darnach angetan, unsere Kenntnis von der damaligen Entwicklung der G. ernstlich zu erweitern.

Greifbare Resultate lassen sich in Bezug auf die allmähliche Verbreitung des gymnastischen Sportes aus den Angaben über die Heimat der Sieger in der älteren Zeit gewinnen, wobei aber nicht bloß die Olympiadenliste des Iulius Africanus heranzuziehen ist, die fast nur die Sieger im Stadionlauf enthält, sondern auch sonstige Nachrichten, wie sie von H. Förster Olympische Sieger, Progr. 1891–92 zu einem reichhaltigen Verzeichnis verarbeitet sind. In den ersten Olympiaden werden, wie gesagt, nur Peloponnesier bekränzt, und zwar Athleten aus Elis, Messene, Korinth, Dyme, Kleonai; als der erste Dolichodrom figuriert ein Spartaner, im weiteren Verlauf kommt Megara, Epidauros, Sikyon, Hyperesia, Athen und Theben hinzu, und bevor das erste Jahrhundert des Bestandes der Spiele zur Neige ging, siegte ein Bürger von Smyrna Onomastos im Faustkampf, und er bekundete in seiner Kunst eine solche Sachkenntnis, daß die Eleer nach dem Berichte in den Listen von ihm die Boxregeln ausarbeiten ließen, was mehr als sein Sieg beweist, daß der Faustkampf damals in Ionien bereits zu hoher sportlicher Entwicklung gelangt war. Auch die Kolonien in Großgriechenland werden allmählich in den Bereich hereingezogen.

Sparta. Aber das klassische Land der G. ist bis tief in das 6. Jhdt. Lakonien, dessen Vorrang auf dem olympischen Sportplatz während dieser Zeit unbestritten war. Fiel ihm ja gleich bei der ersten Einführung der meisten Übungen der Sieg zu: abgesehen von dem ersten Dolichossieger Akanthos waren Lakonier auch der erste Sieger im Pentathlon Lampis, im Ringkampf Eurybatos (nach anderen aus Lusoi), im Knabenringkampf der fünffache Sieger Hipposthenes, im Knabenfünfkampf Eutelidas. Die ganze Erziehung der spartanischen Jugend ging darauf aus, tüchtige und abgehärtete Krieger zu erzielen, weshalb dort auch die G., und zwar in ihrem ganzen Umfang, als Vorübung zum Kriege eine hervorragende Rolle spielte. (Vgl. Schoemann-Lipsius Griech. Altert. 264. Freeman Schools of Hellas 1907, 26ff. Exarchopulos Erz. u. Unterr. in Sparta u. Athen im 5. und 4. Jhdt. v. Chr. 1909, 32ff.). Im einzelnen sind wir betreffs der Organisierung der gymnastischen Ausbildung nicht genau unterrichtet, im allgemeinen aber wissen wir, daß niemals athletische Technik, sondern ausschließlich Körperkraft, Ausdauer und [2041] Gewandtheit bezweckt wurde (Anthol. gr. II 625). Daher wurden die Fechtmeister oder Hoplomachen von Sparta ferngehalten (Plat. Lach. 182 E) und keine Paidotriben angestellt: Plut. apophth. Lac. 27 τοῖς παλαίουσι παιδοτρίβας οὐκ ἐφίστανον, ἵνα μὴ τέχνης ἀλλ' ἀρετῆς ἡ φιλοτιμία γένηται. Das Geschäft des Turnlehrers wie auch des Taktikers (Phil. Gymn. 19) versah der Gymnast (s. d.). Daß die Lakonier den Faustkampf und das Pankration gänzlich verschmäht hätten, wie in den Handbüchern zu lesen ist (vgl. Jüthner Phil. Gymn. zu 138, 35), beruht auf irriger Interpretation. Der Faustkampf, dessen kunstmäßige Ausbildung dem lakonischen Stammheros Polydeukes zugeschrieben wird, gilt ja als lakonische Erfindung (Philostr. Gymn. 9), und als Vorübung zum Kriege mußten gerade diese beiden Kampfarten besonders gute Dienste geleistet haben. Verboten war den Spartanern nur in den öffentlichen Spielen darin aufzutreten, da beim Faustkampf sowohl wie beim Pankration die Entscheidung, wenn nicht Kampfunfähigkeit eintrat, dadurch herbeigeführt wurde, daß sich der Unterliegende ausdrücklich für besiegt erklärte. Einer solchen Möglichkeit aber durfte sich kein Spartaner aussetzen. So sind die betreffenden Stellen zu verstehen: Plut. Lyk. 19; apophth. Lykurg. 4. Phil. Gymn. 9. Sen. de benef. V 3, 1. Die Pflege der beiden Übungen der Abhärtung halber beweisen Stellen wie Philostr. Gymn. 58 fine; Imag. II 6. Xen. resp. Lac. IV 6, und die Nachäffung der spartanischen Boxlust durch die Lakonomanen in Athen, Plat. Prot. 342 B. Ergänzt wurde die gymnastische Ausbildung der spartanischen Jugend durch gewisse Turnspiele wie den Platanistas (s. d.) und gewisse Mittel der Abhärtung, wie die διαμαστίγωσις (s. o. Bd. III S. 325), worauf hier nicht näher eingegangen wird.

Spezifisch spartanisch ist es, daß auch die Mädchen eine ähnliche gymnastische Erziehung erhielten wie die Knaben, damit sie, wie Philostr. Gymn. 27 sagt, einmal die häusliche Arbeit besser verrichten und gesunde Nachkommen zur Welt bringen können. Sie wurden zum Laufen, Ringen, Schwimmen, Diskos- und Speerwurf angehalten und unter freiem Himmel abgehärtet (Xen. resp. Lac. I 4. Plat. Rep. V 452 A; Leg. VIII 833 C, D. Plut. Lyk. 14. Aristoph. Lys. 82. Cic. Tusc. disp. II 15). Bekleidet waren sie hierbei mit einem kurzen Gewande. Da ihre Wettkämpfe und Spiele öffentlich waren, wurde auch ein gesundes Verhältnis beider Geschlechter zueinander erzielt (Schoemann-Lipsius 268f. Hermann-Thumser 180). Übrigens gab es an den Heräen zu Olympia einen Wettlauf für Mädchen über 500' (Paus. V 16, 2ff.) und in späterer Zeit im Gymnasion zu Chios einen Ringkampf zwischen Jünglingen und Jungfrauen (Athen. XIII 566 E). Über Frauen-G. in Kyrene vgl. Boeckh zu Pind. Pyth. IX 102 p. 328 und im allgemeinen Meyer De virginum exercitat. gymn. ap. veteres, Progr. Clausthal 1872.

Der Vorrang Spartas auf dem Gebiete der G. war zeitlich begrenzt. Es tritt später zurück und steht zur Zeit des Aristoteles in der G. sowohl wie im Kriege den übrigen Staaten nach (Polit. VIII 4, 1338 b 24ff.). Aristoteles erklärt die [2042] seinerzeitige Superiorität damit, daß Sparta damals der einzige Staat war, der seiner Jugend eine gediegene militärisch-gymnastische Erziehung angedeihen ließ und dadurch die übrigen Staaten übertraf, als diese aber seinem Beispiele folgten, dieses Übergewicht einbüßte. Dies entspricht in der Tat der historischen Entwicklung; denn Sparta wurde der Lehrmeister des übrigen Griechenland auf dem Gebiete des Krieges und Sportes, ward aber später in der physischen Ausbildung von den übrigen Staaten zum mindesten erreicht, auf geistigem Gebiete aber insbesondere von Athen weit überflügelt.

Die Zugkraft der großen Nationalspiele und damit Hand in Hand die Verbreitung des athletischen Sportes läßt sich in der Folgezeit daran erkennen, daß nunmehr auch die westlichen Kolonien hervortreten: Ol. 33 siegt der Syrakusaner Lygdamis in dem neu eingeführten Pankration, Ol. 41 Philytas aus Sybaris im Knabenfaustkampf. In dem spät eingeführten Knabenpankration, Ol. 145, wurde zuerst ein Ägypter aus Naukratis ausgerufen. Die immer weitere Verbreitung des agonistischen Interesses zeigt sich auch darin, daß sich in Olympia zu den Schatzhäusern des Mutterlandes auch solche der Kolonien gesellen, noch im 7. Jhdt. von Gela, im 6. von Metapont, Selinus, Sybaris, Byzanz, Kyrene. Bei diesem kolossalen Aufschwung der Agonistik konnte ein einziges Nationalfest auf die Dauer nicht genügen, und es folgte im 6. Jhdt. die offizielle Einführung der übrigen großen Festspiele, der Pythien, Isthmien (582) und der Nemeen (573), die in ihren Anfängen jedoch beträchtlich älter sind. Über die Nationalspiele vgl. zuletzt Gardiner a. O. 194–248, über das agonale Prinzip bei den Griechen auch Burckhardt Griech. Kulturgesch. IV 89ff.

Athen im 6. Jhdt. Zur Verbreitung der G. in jener Zeit trug aber nicht bloß der Aufschwung der Agonistik bei, sondern noch ein anderer, viel wichtigerer Umstand, der oben schon angedeutet ist und der diese Kunst erst so recht zum Nationaleigentum der Hellenen und zu einem integrierenden Bestandteil und einem unterscheidenden Merkmal ihres Nationalcharakters gegenüber andern Völkern gemacht hat. Es ist dies die Tatsache, daß unter dem Einflusse der Dorer und insbesondere der Lakedaimonier auch die anderen Griechenstämme der G. in der Erziehung ihrer Jugend einen hervorragenden Platz einzuräumen begannen. Wir können diesen Vorgang besonders in Athen genauer verfolgen. Hier hat die Vorliebe für die Leibesübungen ziemlich bald Eingang gefunden. Nach den Olympiadenlisten und nach dem Auszuge IG II 978 (s. o.) war der erste athenische Sieger in Olympia der Stadionläufer Pantakles Ol. 21 (696), der auch in der darauffolgenden Olympiade siegte, bald darauf folgte Eurybos und Stomas. Im Diaulos siegte Ol. 35 (640) der Tyrann Kylon und unmittelbar darauf Phrynon im Pankration. Also schon im 7. Jhdt. weist Athen Meisterleistungen in der G. auf, und wenn solche aus dem 6. Jhdt. nicht berichtet werden, so hängt dies wohl mit der Lückenhaftigkeit unserer Überlieferung zusammen; denn gerade in jener Zeit erfährt die G. in Athen einen großartigen Aufschwung. Dies erklärt sich vor allem dadurch, [2043] daß der große Gesetzgeber Solon (Archon 594/3) der Jugenderziehung nach dorischem Muster behufs Vorbereitung für den Krieg eine gymnastische Grundlage gab und die Teilnahme an den Leibesübungen gesetzlich regelte. Die Jugend wird in Musik im weiteren Sinne und in G. unterrichtet, und zwar in den Schulen von Elementarlehrern, in den Palästren von Paidotriben, und die Turnschulen mußten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang offen gehalten werden (Plat. Crit. 50 D. Ps.-Xen. resp. Ath. I 13. Aischin. Timarch. 9ff.). Den in der Jugend liebgewonnenen Sport setzte der Jüngling und der erwachsene Mann auch weiter fort. Aber ebenso wie bei den Dorern ist das Training das ausschließliche Vorrecht der Freien, dem Sklaven war es ausdrücklich verboten, gymnastische Übungen vorzunehmen (Aischin. a. O. 138. Plut. Solon 1). Dagegen ist es ein Verdienst der sozialen Reform Solons, daß die gymnastische Erziehung definitiv aufhört ein Vorrecht des Adels zu sein. Auch der gemeine Bürger hat fortan die Möglichkeit, ja die Pflicht, sich jene Kraft und Geschmeidigkeit des Körpers anzueignen, die ihm Selbstgefühl und freies, selbstbewußtes Auftreten in der Volksversammlung und vor Gericht verschafft. Auch zu dem sportlichen Betriebe spornte Solon an, indem er für einen Sieg in Olympia als Entlohnung von Staatswegen 500 Drachmen, für einen Sieg an den Isthmien 100 Drachmen bestimmte (Plut. Sol. 23. Diog. Laert. I 55). Er wird auch an der glanzvollen Ausgestaltung der Panathenäen (s. d.), die von Euseb. Chron. II 94 Schoene in das J. 566 v. Chr. verlegt wird, beteiligt gewesen sein, wodurch für Attika selbst ein sportliches Zentrum geschaffen wurde. Auf welcher Höhe der Entwicklung die G. in Athen schon im 6. Jhdt. stand, dafür bietet die älteste panathenäische Amphora und die zahlreichen sf. Vasenbilder mit Darstellungen aus der Palästra hinreichende Belege. Vgl. Brauchitsch a. O. 6ff., ferner die oben angeführten Stamnoi, dann Vasen des Nikosthenes (Benndorf Wien. Vorlegebl. 1889 Taf. VII), des Amasis (Adamek Unsignierte Vasen des Amasis Taf. II) u. a.

Die mächtige Entwicklung der G., die wir an Sparta und Athen speziell ins Auge gefaßt haben, wird mehr oder weniger intensiv auch in den übrigen Staaten der Hellenen vorauszusetzen sein. Der praktische Hauptzweck war die körperliche Ausbildung und Abhärtung für den Krieg, dazu die Erzielung von Gesundheit und Geschmeidigkeit des Körpers. Das Mittel hierzu waren allerhand Leibesübungen sportlicher und kriegerischer Art, dann aber auch Spiel, insbesondere Ballspiel und Tanz. Musikbegleitung war nicht bloß bei letzterem, sondern auch beim Turnen üblich. Die Feste der einzelnen Gemeinden boten Gelegenheit, die körperliche Tüchtigkeit der heranwachsenden Jugend, aber auch der reifen Männer zu prüfen und zu messen, und diese kleinen lokalen Agone konnten als Vorspiel für die großen panhellenischen Feste angesehen werden. Wir können annehmen, daß sich in Olympia die besten Kämpen aus den verschiedenen Staaten Griechenlands zum Wettkampfe zusammenfanden. Jeder taugliche freie Mann nahm zu Hause an der gymnastischen Ausbildung teil, und jeder freie [2044] Hellene hatte Zutritt zur Konkurrenz bei den großen Nationalspielen, wo nur die persönliche Tüchtigkeit zu Ehre und Ruhm verhalf. Ein entschieden demokratischer Zug kommt auch in der sportlichen Betätigung zur Geltung, und der Adel mußte seinen einst unbestrittenen Vorrang an körperlicher Tüchtigkeit in freiem Wettbewerb zu behaupten suchen. Die Vornehmen verschmähten dies nicht, und noch gegen Ende des 6. Jhdts. ließ sich Alexandros, Sohn des Makedonierkönigs Amyntas, zu Olympia als Argiver ausrufen, um am Wettlaufe teilnehmen zu können (Herod. V 22).

Naturtraining und Anfänge der Athletik. Die großartige Entfaltung der gymnischen Agonistik zeitigt nunmehr einen Umschwung, der für die weitere Entwicklung der G. von grundlegender Bedeutung war. Es vollzog sich allmählich der Übergang von der Natur zur Kunst. Die großen Ehrungen und Vorteile, die mit einem Sieg namentlich zu Olympia verbunden waren (s. o. Bd. I S. 847ff.), mußten dahin führen, daß man auf Mittel und Wege sann, um die sportliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Denn die natürlichen Anlagen und die im gewöhnlichen Leben gebotene Gelegenheit, die Körperkraft und Geschicklichkeit zu üben, konnten bei der kolossalen Konkurrenz auf die Dauer nicht mehr genügen, es mußte vielmehr allmählich eine sorgfältige, systematische Vorbereitung zum Wettkampfe Platz greifen. Besorgt wird diese durch kundige Trainer, und es bildet sich ein Stand von Berufsathleten, die in der Beteiligung an Wettkämpfen ihre Lebensaufgabe erblicken. Den genauen Zeitpunkt für diesen Übergang anzugeben, wird wohl nie gelingen, da er sich ja auch nicht auf einmal vollzog, sondern offenbar einen längeren Zeitraum in Anspruch nahm. Daher wissen auch die Alten den Beginn der kunstmäßigen Athletik nicht anzugeben, sondern verlegen sich auf Vermutungen. Philostr. Gymn. 13 hat, wie gesagt, den Schluß gewagt, daß die Fortschritte in der G. – und er meint damit die Gymnastenkunst – die Vermehrung der Übungen bei den olympischen Spielen zur Folge hatte. Damit projiziert er die Existenz der kunstmäßigen G. und Athletik bis ins 7. Jhdt., was ja, buchstäblich genommen, ausgeschlossen und nur seiner Sucht zuzuschreiben ist, die von ihm verherrlichte Kunst möglichst alt zu machen. Sein Schluß ist gerade umzukehren: nicht die G. hat den Aufschwung der Festspiele verursacht, sondern durch diesen wurde die kunstmäßige G. ins Leben gerufen, um durch systematisches Training für den Wettkampf entsprechend vorzubereiten. Übrigens steht Philostratos mit sich selbst im Widerspruch, da er Kap. 43 für das ursprüngliche, natürliche, von der Kunst noch unberührte Training viel jüngere Beispiele anführt, nämlich den Polymestor aus Milet (596 v. Chr.), der als Hirte Hasen im Laufe einholte, den Tisandros von Naxos (um 540), der seinen Körper durch Schwimmen stählte, den Alesias, wohl identisch mit Amesinas (Afric. zu Ol. 80 = 460), der sich mit einem Stier zum Ringkampfe trainierte, und Pulydamas von Skotussa (408 v. Chr.), der mit einem Löwen rang. Ist sein Ansatz in Kap. 13 viel zu früh, so fallen namentlich die beiden letzten Beispiele in eine [2045] Zeit, wo die Trainierkunst gewiß schon in voller Blüte stand. Natürlich konnten aber auch Agonisten ohne fachmäßiges Training gelegentlich einen Sieg davontragen. Zu spät setzt den Ursprung der kunstmäßigen G. auch Gal. Thrasyb. 33 an. Aus dem Umstande, daß der Name γυμναστής (s. d.) erst bei Platon auftritt, schließt er, daß die Athletik kurz vorher aufgekommen sei.

Doch sprechen verschiedene Umstände für ein höheres Alter. Die ersten olympischen Siege sind freilich noch nicht durch Kunst, sondern auf Grund natürlicher Anlage und Übung erkämpft worden. Aber schon die Erzählung von Onomastos aus Smyrna, der Ol. 23 (688) den Eleern die Regeln des Faustkampfes diktierte, muß als Hinweis auf den Beginn einer kunstmäßigen Übung aufgefaßt werden, und da solche Regeln doch von den Bewerbern gelernt werden mußten, wird wohl früher, als man gewöhnlich annimmt, eine Art primitiver Trainierkunst aufgekommen sein, die sich einerseits in den Athletenfamilien vererbte (man vgl. im 5. Jhdt. die Diagoriden auf Rhodos), anderseits auch durch Unterricht verbreitet werden konnte. Ohne ein frühzeitiges Ansetzen eines gewissen Training hätte in der sf. Vasenmalerei des 6. Jhdts. nicht jener Athletentypus geschaffen werden können, der schon so deutlich auf eine die Athleten uniformierende Lebensführung hinweist. Ich meine gerade ältere Beispiele, wie die beiden oben genannten Stamnoi, ferner den in Paris Bibl. nat. 252 (de Ridder Catal. I p. 160. Gardiner a. O. 418) oder die Gefäße des Nikosthenes, wie die Amphora im Brit. Mus. B 295 abg. Gardiner a. O. 420 oder Wien. Vorlegebl. 1890–1891 Taf. IV sowie des Amasis: Adamek Unsign. Vasen Taf. II. Hier werden zwar mit noch unzulänglichen Mitteln, aber mit einem gesunden Naturalismus, der freilich bald der nivellierenden Herrschaft des Athletenideals zum Opfer fiel, beleibte Kämpferfiguren mit gewaltiger Muskulatur gezeichnet, die in ihrer typischen Erscheinung als Beweis für die Existenz eines Athletenstandes in der damaligen Zeit angesprochen werden müssen. Die Darstellungen auf den Stamnoi sind übrigens auch dadurch interessant, daß die Athleten sämtlich noch mit dem Leibschurz versehen sind, der seit Homer bei gymnastischen Übungen, anfangs auch bei den olympischen Spielen üblich war. Seine Abschaffung daselbst wird einem Zufall zugeschrieben. Der Stadionläufer Orsippos von Megara soll in der 15. Ol. (720) den Schurz beim Laufen verloren oder abgeworfen und so den Sieg erlangt haben, und seitdem sei die völlige Nacktheit vorgeschrieben worden, die der G. den Namen gegeben hat (Paus. I 44, 1. Anth. Pal. App. 272). Etwas besser stimmt mit den Vasenbildern die Nachricht bei Thuc. I 6, 5, daß das Aufgeben des Schurzes in Olympia kurz vor seine Zeit fällt. Doch dies nur nebenbei. Die geringe Einschätzung des Laufes und Ringens, die Tyrtaios frg. 12 B zum Ausdruck bringt, ist zu allgemein gehalten, um zu entscheiden, ob er schon eine kunstmäßige Ausübung im Auge hatte. Dagegen werden die verächtlichen Worte, die Xenophanes frg. 2 B der G. widmet, und der Vergleich mit seiner eigenen ,σοφίη‘ eigentlich erst klar, wenn man bereits eine Art athletischer Kunst voraussetzt. Ihre [2046] ersten Anfänge dürften also schon im 6. Jhdt. zu suchen sein.

Wie man sich die voraufgehende gute alte Zeit des natürlichen Training etwa vorzustellen hat, das schildert mit begeisterten Worten Philostr. Gymn. 43 an der Stelle, mit deren Chronologie wir uns oben befaßt haben. Sie lautet im Zusammenhange: ,Unter G. verstanden die Alten eine wie immer geartete körperliche Übung. Es übten sich aber die einen durch Tragen schwerer Lasten, die anderen, indem sie in der Schnelligkeit mit Pferden und Hasen wetteiferten, oder indem sie dicke Eisenplatten gerade und krumm bogen oder sich mit kräftigen Zugochsen zusammenspannen ließen, schließlich Stiere bändigten oder gar Löwen. Das taten Männer wie Polymestor und Glaukos und Alesias und Pulydamas aus Skotussa. Den Faustkämpfer Tisandros aus Naxos, der um die Vorsprünge der Insel herumschwamm, trugen seine Arme weit ins Meer hinaus, sich selbst und den Körper trainierend‘. Das meiste, was hier Philostratos anführt, sind Anekdoten, die an einzelne teilweise namhaft gemachte Athleten anknüpfen. Die Erwähnung der Eisenplatten geht auf das Geradbiegen einer Pflugschar durch Glaukos, was von Philostr. 20, von Paus. VI 10, 1 erzählt wird. Solche vereinzelte Vorkommnisse sind für das systematische Training selbst von geringem Wert gewesen, dagegen muß das Tragen von Lasten, das Heben und Stemmen von Gewichten eine wesentlich wichtigere Rolle gespielt haben, wie schon die Zahl der Belege beweist. So soll Milon von Kroton einen vierjährigen Stier auf die Schultern gehoben und im Stadion zu Olympia herumgetragen haben (Athen. X 412 e. Dorieus in Anth. Gr. App. 20). Noch übertroffen wurde er von Titormos, der einen gewaltigen Stein, den Milon kaum bewegen konnte, auf die Schulter hob und ein Stück weit trug (Aelian. v. h. XII 22), während der neunjährige Theagenes ein Bronzebild vom Marktplatz auf der Schulter nach Hause geschleppt haben soll (Paus. VI 11, 2). Solche Kraftleistungen wurden auch verewigt. In Olympia wurde ein Sandsteinblock von etwa 150 kg gefunden mit einer Inschrift aus dem 6. Jhdt., welche wörtlich besagt, daß ein gewisser Bybon ihn mit einer Hand über seinen Kopf ,hinüberwarf‘ (Olympia V 717. Jüthner Ant. Turag. 22. Gardiner Journ. hell. Stud. XXVII 2f.). Wie diese gewaltige Leistung zu verstehen ist, ist noch nicht ganz aufgeklärt. Gardiner Athlet. sports 83 denkt an ein Heben mit beiden Händen und Balanzieren und Schleudern mit einer Hand; vielleicht war es eine Art Steinstoßen. Viel mächtiger ist der auf Thera gefundene vulkanische Block von 480 kg, dessen von der Wende des 6. Jhdts. stammende Inschrift besagt, Eumastas, Sohn des Kritobulos, habe ihn vom Boden aufgehoben (IG XII 449). An solche Beispiele mag auch Philostratos gedacht haben.

Er schildert aber nicht bloß das einstige natürliche Training, sondern in der festen Überzeugung, daß das üppige Leben der Athleten in der späteren Zeit den Niedergang der G. verschuldet habe, spendet er auch der ursprünglichen einfachen Lebensweise ein überschwengliches Lob: ,Man badete in Flüssen und Quellen und war [2047] gewohnt auf der Erde zu schlafen, teils auf Häuten hingestreckt, teils auf Lagerstätten aus Heu von den Wiesen. Als Speise diente ihnen Gerstenbrot und aus Kleienmehl hergestelltes ungesäuertes Weizenbrot, und das Fleisch, das sie genossen, war vom Ochsen, Stier, Bock und Reh, und sie salbten sich mit Öl vom wilden Ölbaum und vom Oleaster. Daher blieben sie bei ihren Übungen gesund und pflegten spät zu altern. Sie beteiligten sich bald acht, bald neun Olympiaden lang an den Wettkämpfen, waren zu schwerem Waffendienst geeignet und kämpften um die Mauern, auch hierin keineswegs ohne Erfolg, vielmehr durch Prämien und Trophäen ausgezeichnet und den Krieg als Vorübung für die G., die G. als Vorübung für den Krieg betrachtend.‘ Damit faßt Philostrat die Zeit bis ins 5. Jhdt. hinein zusammen und ignoriert die Überlieferung von einer älteren fleischlosen Diät, wo die Athleten nebst Brot nur Käse (Paus. VI 7, 10) und getrocknete Feigen (Diog. Laert. VIII 1, 12) erhalten haben sollen. Es wird nämlich die Einführung der Fleischkost erst nach 500 angesetzt und entweder dem Läufer Dromeus von Stymphalos (484 v. Chr.) oder einem Aleipten Pythagoras (Rufus bei Oribas. I 40. Plin. n. h. XXIII 121) oder – mißverständlich – dem Philosophen Pythagoras zugeschrieben (FHG III 579, 17, Diog. Laert. a. O.). Die geschilderte asketische Diät mag eine Zeitlang bei manchem Trainer beliebt gewesen sein, daß sie jedoch in der alten Zeit immer üblich war, ist nicht wahrscheinlich und stimmt auch nicht mit dem Bilde, das man sich gemeiniglich von den älteren Athleten machte. Die Vorstellung eines gewaltigen Kämpen war von der eines gewaltigen Essers unzertrennlich. Dies trifft schon bei dem mythischen Vorbilde jenes älteren Athletentums Herakles zu, und auch von historischen Persönlichkeiten war in dieser Hinsicht manche launige Erzählung im Umlauf. Milon hat den jungen Stier, den er, wie wir hörten, im Stadion herumgetragen hatte, allein an einem Tage aufgezehrt und auch sonst beim Schmausen seinen Mann gestellt. Ähnliches wird von Theagenes und Astyanax erzählt (Ath. X 412 Dff.). Im Vergleiche mit den Subtilitäten des Training und der Lebensweise der Athleten, die später bei den Gymnasien beliebt, den Ärzten aber ein Greuel war, erschien Philostrat die geschilderte Lebensführung gesund und zweckmäßig, da sie den Athleten seinen sonstigen Pflichten, insbesondere als Staatsbürger und Verteidiger des Vaterlandes nicht entfremdete. Jene Athleten waren, was später nicht der Fall ist, nach der Meinung Philostrats auch für den Kriegsdienst tauglich. Im einzelnen läßt sich dies nicht erweisen, daß aber im allgemeinen eine tüchtige gymnastische Ausbildung Überlegenheit im Kriege mit sich brachte, war allgemeine und auch historisch begründete Ansicht. Exemplifiziert wird insbesondere mit der Schlacht bei Marathon, deren Verlauf, wie ihn Herodot schildert, nur durch die körperliche Tüchtigkeit der Athener begreiflich wird. In der Tat, ein Sturmlauf über 8 Stadien in voller Waffenrüstung wäre, wenn überhaupt, nur bei einer gymnastisch ausgebildeten und wohl trainierten Mannschaft denkbar. Auch die Gewandtheit im Ringen soll bei Marathon und dann auch bei Thermopylai im Nahkampfe den Ausschlag [2048] gegeben haben, wie Philostratos Gymn. 11 behauptet, und nach Plutarch quaest. conv. II 5, 2 sollen die Spartaner bei Leuktra von den Thebanern bezwungen worden sein, weil diese im Ringkampf geübter waren. Die G. steht also in der älteren Zeit durchaus noch im Dienste des Staates, entfremdet niemand seinen Bürgerpflichten.

Von den Perserkriegen bis etwa Alexander. Der glückliche Ausgang der Perserkriege, der in so hohem Maße das Nationalbewußtsein der Hellenen weckte und kräftigte und allenthalben die Pflege nationaler Eigenart zur Folge hatte, mußte naturgemäß auch die Begeisterung für das körperliche Training erhöhen, das zu den Erfolgen der Hellenen soviel beigetragen hatte, ähnlich wie die Befreiungskriege zu Beginn des 19. Jhdt. in Deutschland das Turnerwesen zeitigten. Namentlich in Athen wurde damals die Demokratisierung und allgemeine Verbreitung des Sports im Volke fortgeführt, und ebenso wie sich Athen nunmehr zur politischen Großmacht aufschwingt, übernimmt es auch die Führung in gymnastischer Beziehung, während Sparta etwas mehr zurücktritt. Zu den beliebtesten Vorwürfen der attischen Vasenmalerei des 5. Jhdts. gehören bekanntlich gymnastische Szenen aus der Palästra. Zu den Wettspielen kommt nach der Schlacht bei Plataiai zur Feier des Sieges ein neues Fest in jener Stadt hinzu, die Eleutheria, an denen insbesondere der Waffenlauf gepflegt wurde. Die großen panhellenischen Feste aber erleben als Versammlungsplätze des vereinigten Griechentums einen neuen Aufschwung, und zur Feier der dort errungenen Siege ertönt die Leier eines Simonides, Pindar und Bakchylides.

Die Berufsathletik, deren Anfänge, wie wir sahen, wohl ins 6. Jhdt. zurückreichen, wird im 5. Jhdt. allmählich völlig ausgebildet. Da für die Konkurrenten bei den Festspielen der einzige heiß erstrebte Zweck die Erlangung des Sieges war, wurde das Training und dann auch die besondere Diät ausschließlich auf die betreffende Übung abgestimmt. Die Methode der Vorübungen wurde immer mehr ausgebildet, und ältere Athleten, die während ihrer Laufbahn bei ihrem eigenen Training und bei wiederholtem Auftreten im Wettkampfe Erfahrungen gesammelt hatten, übernahmen, wenn ihr Alter den Mitbewerb nicht mehr erlaubte, den Unterricht des jungen Nachwuchses, und so entwickelte sich ein Stand der Trainer, zunächst Paidotriben (s. d.), später Gymnasten (s. d.) genannt, die nunmehr auf die Entwicklung der gymnastischen Technik großen Einfluß nahmen und deren Unterricht für den Erfolg des Athleten ausschlaggebend wurde. Dies geht schon aus dem Lobe hervor, das ihnen Pindar und Bakchylides neben den Athleten selbst spenden. Erwähnt werden von ihnen Menandros (Pind. Nem. V 48. Bacch. XII 192), Melesias (Pind. Ol. VIII 54; Nem. IV 93. VI 110), Orseas (Isthm. 90), Ilas (Ol. X 18). Daß sich die Aufmerksamkeit solcher Trainer jetzt nicht mehr bloß auf die technische Einübung der Athleten im Ringen, Boxen und den anderen Arten des Wettkampfes, sondern frühzeitig auch auf die Lebensweise, besonders die Nahrungsaufnahme ihrer Zöglinge richtete, beweisen die Nachrichten über Ikkos von Tarent (s. d.), der 476 einen olympischen Sieg [2049] im Pentathlon davontrug (vgl. Jüthner Phil. Gymn. 8). Er soll bei seinem Training eine mäßige Lebensweise geführt, die Nahrungsaufnahme in bestimmten Grenzen gehalten und weder ein Weib noch einen Knaben berührt haben (Plat. Leg. VIII 839 E und Schol. Aelian. hist. an. VI 1; var. hist. XI 3). Er hat also bereits die Grundprinzipien einer rationellen athletischen Diätetik befolgt, die er dann später als Trainer auch an anderen betätigte. Die berühmtesten Trainer scheint aber Athen hervorgebracht zu haben. Denn so ist wohl das von Pind. Nem. V 49 zunächst an die Adresse des Menandros gerichtete Kompliment zu verstehen: χρὴ δ' ἀπ' Aθανᾶν τέκτον' ἀεθληταῖσιν ἔμμεν. In Athen, wo die Volksbildung überhaupt auf einer relativ höheren Stufe stand, werden auch die Trainer, die gewöhnlich nicht gerade den gebildetsten Klassen entstammten, auf einem höheren geistigen Niveau gestanden sein und schon in dieser Hinsicht, die gerade in diesem Berufe nicht gering anzuschlagen ist, die Genossen von anderwärts überragt haben. Hand in Hand mit der fortschreitenden Vervollkommnung des Training und mit der Entstehung eines eigentlichen Trainerberufes geht die Tatsache, daß sich nunmehr auch die Pflege der G. und die Teilnahme an den Wettkämpfen immer mehr und mehr zu einem Lebensberufe ausgestaltet, daß ein Athletenstand geschaffen wird. Die Fälle, wo sich ein von Natur aus kräftiger, durch die Art seines bürgerlichen Berufes körperlich gestählter Mann ohne kunstmäßige sportliche Ausbildung in die Schranken wagte, werden sicherlich immer seltener, die Regel ist vielmehr, daß nur solche Bewerber, die nicht nur die körperlichen Anlagen, sondern auch die Zeit und das Vermögen haben, um sich dem Training als Lebenslauf zu widmen, die Konkurrenz an den großen Wettkämpfen aufnehmen können.

Wenn die von Staatswegen für jeden tauglichen Bürger vorgeschriebenen Leibesübungen die harmonische Durchbildung des ganzen Körpers bezweckten und für Strapazen aller Art abhärten wollen, so soll hier möglichste Überlegenheit über die Gegner in einer bestimmten Übung erreicht werden, in welcher der Athlet als Mitbewerber anftreten will. Die Folge eines solchen Training ist Spezialisierung und Einseitigkeit und das äußere Merkmal desselben eine einseitige Entwicklung einzelner Körperteile. Nach Xen. symp. II 17 bemerkt Sokrates tadelnd, daß die Beine der Dauerläufer übermäßig stark werden und die Schultern schwach bleiben, während bei den Faustkämpfern das Umgekehrte der Fall sei. Er selbst will durch Tanz eine gleichmäßige Entwicklung erzielen (vgl. auch Xen. mem. III 8, 4). Diese körperliche Einseitigkeit war allerdings eine unerwünschte Folge des Spezialisierens, aber die Diät, die nun den Athleten vorgeschrieben wurde, hatte, wenigstens bei den Schwerathleten d. i. den Ringern, Boxern und Pankratiasten den Zweck, möglichste Körperfülle hervorzubringen, die bei jenen Übungen sowohl im Angriff wie in der Verteidigung von großer Bedeutung war. Da diese Übungen die beliebtesten waren und auch das sorgfältigste Training erheischten, so bildeten die Vertreter derselben die eigentlichen athletischen Typen. Erreicht wurde die Körperfülle durch die ἀναγκοφαγία [2050] (s. o. Bd. I S. 2058f.) oder Zwangsdiät, die in systematischer Überfütterung insbesondere mit Fleischnahrung bestand. So erschienen denn die Athleten nach wie vor als starke Esser (Xen. mem. I 2, 4), und ,wie ein Ringer essen‘ war eine sprichwörtliche Redensart (Aristoph. Pax 33f.). Diese überkräftige Nahrungsaufnahme, verbunden mit entsprechend zugemessenem Schlafe und Leibesübungen, bildete nun das rationelle athletische Training. Angestrebt wurde damit das sogenannte athletische Wohlbefinden (ἡ ἐπ' ἄκρον εὐεξία Hippokr. bei Gal. protrept. 11), das in möglichst starker Muskel- und Fleischentwicklung bei allgemeiner Gesundheit bestand. Doch machte man bald die Beobachtung, daß die so erzielte Euexie nicht ein festes und dauerndes, sondern ein höchst schwankendes Wohlbefinden bedeute, und vor allem erhoben die Ärzte ihre warnende Stimme: Hippocr. Aphorism. I 3 (IV 458 L.) ἐν τοῖσι γυμναστικοῖσιν αἱ ἐπ' ἄκρον εὐεξίαι σφαλεραί, ἤν ἐν τῷ ἐσχάτῳ ἔωσιν. Vgl. auch περὶ διαίτης ὑγ. 7 (VI 82 L.); π. διαίτ. ὀξ. 3 (II 244 L.). Die Athleten waren nämlich von der so subtil ausgeklügelten Lebensweise durchaus abhängig, und jede Änderung daran hatte die nachteiligsten Folgen für die Gesundheit, außerdem fehlte eine wichtige Vorbedingung für dauernde Widerstandsfähigkeit, nämlich die Abhärtung. Die Athleten erlangten zwar die Fähigkeit, unter gewissen genau bestimmten Umständen Hervorragendes im Ringen oder Boxen usw. zu leisten, sie waren aber für einen bürgerlichen Beruf oder namentlich für den Kriegsdienst meist gänzlich untauglich (Philostr. Gymn. 44). Ausnahmen wie der berühmte rhodische Pankratiast Dorieus, welcher Periodonike war und außerdem noch viele Siege erfochten hatte, und der sich dann gegen Ende des 5. Jhdt. an der Spitze thurischer Schiffe im Kampfe gegen Athen hervortat, bestätigen nur die Regel.

Die Folge dieser immer mehr zutage tretenden praktischen Unbrauchbarkeit der Berufsathleten war ein immer größer werdender Gegensatz zwischen dieser Berufs-G. und der vom Staate als Bestandteil der Jugenderziehung vorgeschriebenen, die wir als pädagogische G. bezeichnen können und auf deren weitere Entwicklung wir später zu sprechen kommen.

Einsichtige Männer, denen vor allem das Wohl des Staates am Herzen lag, machten immer wieder aufmerksam auf die praktische Wertlosigkeit der Vorbereitung für die Wettkämpfe und des athletischen Training. Die, wie erwähnt, von Tyrtaios und Xenophanes zum Ausdruck gebrachte Geringschätzung übertrifft noch Eurip. frg. 282 N. Er stellt die Athleten als das größte Übel von Hellas hin: κακῶν γὰρ ὄντων μυρίων καθ' Ἑλλάδα οὐδὲν κάκιόν ἐστιν ἀθλητῶν γένους. Denn als Sklaven ihrer Gefräßigkeit verbrauchen sie das väterliche Erbe, statt es zu mehren, und verdienen auch nicht die ihnen gespendeten Ehren; denn was nütze ihre Fertigkeit im Ringen, Diskoswurf und Faustkampf dem Staate, insbesondere im Kriege? Abgelehnt wird die Athletik auch von Sokrates. Er, der selbst auf Körperpflege bedacht war und deren Vernachlässigung bei anderen tadelte, da man dadurch kriegsuntüchtig werde, war anderseits ein Feind von Überladung mit Speisen sowie von Überanstrengung [2051] (Xen. mem. I 2, 4. III 12; symp. II 17). Sein Schüler Platon bekämpft sie ebenfalls als wertlos für den Staat Rep. III 404 A.B: ,Schlafen doch die Athleten ihr Leben lang, und wenn sie von der vorgeschriebenen Lebensweise nur ein wenig abweichen, verfallen sie in heftige Krankheiten.‘ Die Wächter oder Krieger seines Idealstaates, die keine schwankende Gesundheit haben dürfen, da sie auf Feldzügen dem Wechsel des Wassers, der Nahrung, Hitze und Kälte ausgesetzt sind, bedürfen eine G., die sie für alle diese Strapazen stählt. Sie geht über die Palästra hinaus und umfaßt auch Tanzen, Reiten und alle Arten kriegerischer Übungen (vgl. auch Leg. VII 794ff. VIII 832 D–834 D). Sie muß aber im Jugendunterricht mit der Musik schwesterlich vereint und durch sie gemildert sein. So hat Platon die Ablehnung der Athletik am klarsten formuliert und am ausführlichsten begründet. Zwischen ihr und der pädagogischen G. gibt es keine Brücke. Etwas milder urteilt Platons großer Schüler Aristoteles, der betreffs der pädagogisch-politischen Verwertung der G. ganz mit seinem Lehrer übereinstimmt, namentlich die verrohende Wirkung derselben, wie sie sich z. B. beim einseitigen Betriebe der Lakedaimonier einstellte, durch Grammatik, Musik und Graphik mildern will. Er lehnt jedoch die eigentlich athletische Ausbildung nicht so entschieden ab, sucht vielmehr gewissermaßen zu vermitteln. Im Knabenalter ist sie auch bei ihm verpönt, aber vom 17. Lebensjahre an erklärt er sie für angezeigt und läßt Anstrengungen und sogar Zwangsdiät zu, offenbar in der Erwägung, daß bei der Erziehung der Jugend deren Konkurrenzfähigkeit in den Nationalspielen, wenn sie erreichbar ist, nicht außer Betracht bleiben darf (Polit. VIII 4, 1339 A 4. IV 1, 1288 B 16). Ihm schwebt also ein Mitbewerb der Bürger vor, die sich nicht ausschließlich die G. als Beruf gewählt haben, wie ein solcher wohl zu allen Zeiten vereinzelt vorgekommen sein wird. Entschiedene Gegner der Berufs-G. sind dann wieder insbesondere die Kyniker und Stoiker, jedoch immer unter Anerkennung des erziehlichen Wertes eines entsprechenden Turnens. Allerdings ist uns ihre Stellungnahme nur aus gelegentlichen Nachrichten bekannt (vgl. Norden Neue Jahrb. Suppl. XVIII 298ff. Jüthner Philostr. Gymn. 46f.).

Diese Meinung der Philosophen findet dann ein Echo bei Männern des praktischen Lebens. Epaminondas z. B., dessen Jugend noch in das 5. Jhdt. fällt, strebte bei seiner körperlichen Ausbildung nicht so sehr Körperkraft als Schnelligkeit an, da erstere nur den Athleten, letztere aber für den Krieg nützlich sei. Er übte sich daher im Lauf und Ringkampf und im übrigen nur im Gebrauch der Waffen (Plut. apophth. Epam. 3 p. 192 D. Corn. Nep. Epam. 2, 4). Ich füge gleich hier aus späterer Zeit den Philopoimen hinzu (Plut. Philop. 3), der, ein erklärter Nachahmer des Epaminondas, ihm auch in der Abneigung gegen die G. folgte, ja ihn übertraf, indem er sich selbst und seine Soldaten ganz von ihr fernhielt, da sie den Körper für den Krieg untauglich mache.

Die Gymnastik als Erziehungsmittel. Mit dieser Abneigung der Intelligenz gegen das [2052] berufsmäßige Athletenwesen war aber, wie wir sahen, allgemein die Ansicht verbunden, daß der G. in ihrer edlen Form eine wichtige Aufgabe bei der Erziehung der Jugend zufallen müsse, und wie dieser Theorie die Praxis entsprach, darüber sind wir besonders für Athen genauer unterrichtet (vgl. jetzt auch Freeman a. a. O. 118ff.). Was Solon und Peisistratos auf diesem Gebiet bestimmt hatten, wurde weiter ausgestaltet. Der Knabe besuchte einerseits die Elementar- und Musikschule, anderseits die Palästra, wo er unter der Leitung eines Paidotriben, der ja von dieser Beschäftigung seinen Namen hat, den Leibesübungen und Turnspielen oblag. In welchem Alter damit begonnen wurde, ist nicht genau bekannt (Grasberger I 239ff. Girard 194). Fortgesetzt wurde dieser Unterricht bis zum Eintritt ins Ephebenalter. Wie es scheint, wurden alle gymnastischen Übungen vorgenommen, die gefährlicheren wie Faustkampf und Pankration natürlich mit entsprechenden Vorsichtsmaßregeln (Grasberger I 298ff. Girard 185ff.). Eine wichtige Rolle in der körperlichen Ausbildung fiel auch dem Tanze zu, sowie gewissen Spielen, wie dem Ball- und Reifenspiel, dem Seilziehen, Ephedrismos (s. d.) u. a. (Grasberger I 98ff.). Wenn der Knabe dann als Ephebe in das Gymnasion eintrat, so war er gymnastisch bereits vollkommen durchgebildet. Dort begann nun vor allem die Ausbildung des jungen Mannes für den staatlichen Waffendienst, und was die Theorie, insbesondere Platon, wie wir sahen, in dieser Hinsicht verlangte, das ist in wesentlichen Zügen hier in die Praxis umgesetzt (s. o. Bd. V S. 2737ff.). Das Schwergewicht des Unterrichtes liegt auf der militärischen Seite, denn vier Lehrer (ὁπλομάχος, τοξότης, ἀκοντιστής, καταπελταφέτης, vgl. Arist. resp. Ath. 42, 3 und die Inschriften), sind hiefür eingesetzt. Aber das eigentliche Turnen wird nicht vernachlässigt, denn zwei Paidotriben, später wenigstens einer, überwachen das gymnastische Training. Wenn auch über die spezielle Durchführung desselben genauere Nachrichten fehlen, so genügt, um die Bedeutung der G. auch für den Ephebenunterricht klar zu machen, das Vorhandensein berufsmäßiger Trainer sowie ein Hinweis auf die dem Kosmeten obliegenden Öllieferungen und überhaupt auf die großartigen turnerischen Einrichtungen in den Gymnasien (s. d.) nicht nur in Athen, sondern in der ganzen griechischen Welt. Offenbar sind von den Epheben alle Übungen des Stadion und der Palästra gepflegt worden. Aber weit entfernt, Selbstzweck zu sein, diente dieses Training nur dazu, um den Körper zu kräftigen und für den Krieg tauglich zu machen. Das lebhafte Interesse, das die Jugend dem in der G. enthaltenen sportlichen und agonistischen Element entgegenbrachte, zeitigte auch pädagogisch-ethische Früchte. Die Inschriften, unsere Hauptquelle für die Kenntnis der Ephebie vom 4. Jhdt. angefangen, enthalten naturgemäß nur wenig über den Betrieb, dagegen ausführlichere Angaben über öffentliches Auftreten der Epheben. Dem militärischen Charakter ihrer Erziehung entspricht die Teilnahme an Waffenparaden und Waffendienst, ferner hippischen und nautischen Veranstaltungen, die mehrfach erwähnt werden. [2053] Doch bleibt auch die eigentliche G. nicht unberücksichtigt. In einer gut erhaltenen Inschrift aus dem Anfang des 1. Jhdts., die als Typus eines Ehrendekretes für die Epheben und deren Kosmeten hervorgehoben werden kann (IG II 467), wird Z. 33 anerkannt, daß die Epheben ohne Unterlaß in den Gymnasien trainiert wurden (ἠλείφοντο ἐνδελεχώς ἐν τοῖς γυμνασίοις), und Z. 84, daß der Kosmet täglich dabei anwesend war. Ausdrücklich erwähnt werden von den Übungen nur der Lauf, speziell der Fackellauf (λαμπάς s. d.): Z. 12 συνετέλεσαν δὲ καὶ τοὺς δρόμους τοὺς ἐν τοῖς γυμνασίοις καὶ τοῖς λοιποῖς ἀγῶσιν ἅπαντας und Z. 13 τὰς λαμπάδας ἔδραμον ἁπάοας. Die Epheben haben auch an vielen gymnastischen Wettkämpfen teilgenommen und zwar anfangs, soviel wir wissen, nur an den Theseia und hier nur im Fackellauf und Speerwurf (vgl. z. B. IG II 444, 64. 445, 63 und 76), später in der Kaiserzeit jedoch werden nebst den Theseia auch noch neu eingesetzte Wettkämpfe genannt, und zwar die Antinoeia in Athen und Eleusis, Adrianeia, Philadelpheia, Kommodeia, und hier nehmen die Epheben bereits an allen Übungen teil; genannt werden: δόλιχος, στάδιον, δίαυλος, πάλη, παγκράτιον, ὅπλον, λαμπάς (IG III 1129. 1147. 1148). Die Ephebenerziehung, wie sie sich in Athen entwickelte und immer mehr ausgestaltet wurde, ward dann für andere Griechenstädte, ja allmählich für die gesamte griechische Welt vorbildlich. Allenthalben entstanden Gymnasien und wurden Gymnasiarchen eingesetzt, und mit dieser Institution wurde auch die G. als wichtiges Erziehungsmittel in die entferntesten griechischen Gaue getragen und in zahlreichen Wettkämpfen betätigt. Über die Verbreitung vgl. Oehler Bd. V S. 2741ff. und die Art. Gymnasion und Gymnasiarchos.

Dieser rationellen Erziehung brachte man in Athen allerdings nicht immer das gleiche Interesse entgegen. Während im 6. und Anfang des 5. Jhdts. die Pflege der G. sehr in Mode war und nach den Perserkriegen im Strudel der nationalen Begeisterung einen Höhepunkt erreichte, tauchen in der 2. Hälfte dieses Jhdts. Klagen über entschiedenen Rückgang auf. Aristophanes beklagt sich, daß die Jünglinge lieber auf dem Markte Politik treiben und prozessieren, als sich in den Gymnasien aufhalten, und daß eine so geringe Lust am Training vorhanden sei, daß niemand den Fackellauf ausüben könne. (Nub. 1002ff.; Ran. 1087). Das mag satirisch übertrieben sein, enthält aber gewiß ein Körnchen Wahrheit und entspricht der damals einreißenden Indolenz. Von Ps.-Andoc. Alkib. 22 und 39 wird die Schuld an diesem Umschwung dem Alkibiades zugeschrieben. Das Nachlassen des Interesses am athletischen Sport läßt sich übrigens auch in der Vasenmalerei erkennen, wo um 440 eine Wandlung zu beobachten ist. Vorher gehören die Leibesübungen der Jünglinge in den Palästren zu den beliebtesten Stoffen. Nun hört es plötzlich auf. Die Andeutung des Lokales ist nicht mehr so sorgfältig, irgend ein an der Wand hängendes Gerät muß genügen, die Jünglinge aber stehen meist bekleidet in Gruppen umher und schwatzen, ohne sich dem Sporte zu widmen. Da die Vasenfabrikanten natürlich von dem Geschmack ihrer [2054] Kundschaft abhängig waren, ist diese Tatsache für das allgemeine Nachlassen der Turnlust bezeichnend. Im 4. Jhdt. zeigt sich ein noch deutlicherer Rückgang, offenbar eine Folge des Verlustes der Selbstständigkeit. Um die Wende dieses Jhdts. begann die Frequenz der Epheben rasch zu sinken, und es scheint, daß damals die Teilnahme nicht mehr obligatorisch war, (s. o. Bd. V S. 2738f.). Später bessern sich die Zustände wieder, aber immerhin stehen wir vor der Tatsache, daß sich vom Ende des 5. Jhdts. angefangen eine immer geringere Zahl junger Leute einem rationellen gymnastischen Training unterzieht; man überläßt dies immer mehr den Berufsathleten. Die G. hat als Sport jede Anziehungskraft verloren und die Jeunesse dorée wendet sich viel lieber dem vornehmen Pferdesport zu, den nur wirklicher Reichtum mitmachen kann. Aristophanes hat diese Passion in den Wolken köstlich persifliert.

Heilgymnastik. Aber nicht bloß als Sport, nicht bloß als Berufsathletik und endlich als Element der Jugenderziehung war die G. von Bedeutung. Längst hatte man in ihr auch die hygienische Seite und ihre Verwendbarkeit für die Heilkunde entdeckt, insbesondere seitdem das wichtige Prinzip des Gleichgewichtes in Nahrungsaufnahme und Arbeitsleistung erkannt und zuerst von den knidischen Ärzten Euryphon und Herodikos literarisch verwertet war (Gomperz Griech. Denker I 231. Fredrich Hippokr. Unters. 217f.). Die berufliche Arbeit und Kraftabgabe muß durch ein entsprechendes Nahrungsquantum aufgewogen und umgekehrt muß eventuelle Überernährung, um unangenehme gesundheitliche Folgen zu vermeiden, durch entsprechende körperliche Betätigung, also bei Müßigen durch Leibesübungen wettgemacht werden. Nirgends aber war die Einhaltung dieses Prinzips notwendiger als beim Training, und es ist kein Zweifel, daß hier die Praktiker längst einen richtigen Vorgang beobachtet haben werden. Die Grundlage zu einem System athletischer Diätetik hat vielleicht Ikkos gelegt. Für das Studium der Wechselwirkung von Nahrungsaufnahme und Arbeitsleistung war in der Palästra ungleich reichere Gelegenheit, als sie den Ärzten sonst zu Gebote stand. Die Zweckmäßigkeit einer diätetischen Vorschrift sowie die Folgen von Exzessen jeder Art konnten an den anschließenden Kraftleistungen sofort verläßlich gemessen werden. Niemand also war so wie der Gymnast in der Lage, durch unausgesetzte Beobachtung der Nahrungsaufnahme, des Schlafes, der verschiedenen Arten von Leibesübungen, Einreibungen mit Öl, Massage und Bäder an einer Reihe von Individuen zu tieferen Kenntnissen auf dem Gebiete der Diätetik zu gelangen und besser festzustellen, welche von diesen diätetischen Maßregeln bei einem bestimmten Individium und einer gewissen Kondition am Platze sind. Diese nach der Erfahrung geregelte G. und Diätetik hatte gewisse heilsame Wirkungen für die Gesundheit dessen, der sich ihr unterzog, und zeitigte jenes körperliche Wohlbefinden (εὐεξία), das als der Idealzweck der G. vorschwebte (Aeschin. I 189. Plat. Gorg. 450 A. Clem. Alex. Strom. VI 17, 157). Welches Gewicht auch in den Gymnasien darauf gelegt wurde, [2055] beweisen die hiefür eingesetzten Agone der εὐεξία, deren Sieger inschriftlich verewigt wurden, wovon uns allerdings nur Beispiele außerhalb Athens in Tralles, Samos, Aïdin bekannt sind (Dittenberger Syll.2 672, 3. 673, 3, 16. 674, 5). In Athen wird der Wettbewerb der εὐανδρία (s. d.) eine ähnliche Bedeutung gehabt haben (Dittenberger a. O. 672 n. 2). War das Turnen als Mittel für eine gesunde körperliche Ausbildung bei der Erziehung der Knaben und Jünglinge vorgeschrieben, so unterzogen sich ihm reife Männer, ja auch Greise freiwillig, vor allem eben aus hygienischen Gründen und in dem Ausmaße, wie es dieser Zweck erheischte (Xen. symp. I 7. Isocr. Demonic. 14. Diog. Laert. 67. Luc. Lexiph. 5. Ath. XII 547 Dff. Galen. V 899. VI 764. XI 365, 370). Die nötigen Vorschriften aber wurden von einem erfahrenen Trainer gegeben, der die Salbung vornahm und die Leibesübungen beaufsichtigte. Daher kommt seit dem 4. Jhdt. auch die Bezeichnung ἀλείπτης auf (s. d.). Am liebsten wurde diese Leibespflege mit dem üblichen Bade verbunden, und es ward frühzeitig dafür gesorgt, daß nicht nur der vornehme Athener, sondern auch die breiten Volksmassen der Wohltat einer hygienischen Lebensweise teilhaftig werden konnten: Ps.-Xen. resp. Ath. 2, 10 καὶ γυμνάσια καὶ λουτρὰ καὶ ἀποδυτήρια τοῖς μὲν πλουσίοις ἐστὶν ἴδια ἐνίοις, ὁ δὲ δῆμος αὐτός αὑτῷ οἰκοδομεῖται ἰδίᾳ παλαίστρας πολλάς, ἀποδυτήρια, λουτρῶνας· καὶ πλείω τούτων ἀπολαύει ὁ ὄχλος ἢ οἱ ὀλίγοι καὶ οἱ εὐδαίμονες. Badehäuser und Turnplätze wurden häufig miteinander verbunden, da sie ja ohnedies einen Teil der baulichen Erfordernisse gemeinsam hatten (ἀποδυτήριων, ἀλειπτήριον, Wandelhallen u. a.; vgl. Blümner Privataltert. 213). Während also die athletische G. nur diejenigen angeht, die sich berufsmäßig dem agonistischen Wettbewerb weihen, die G. als pädagogisches Element für die heran wachsende Jugend von Wichtigkeit ist, bildet die hygienische G. einen wichtigen Faktor im Leben eines jeden Bürgers, der bei ihr Erholung und Erfrischung von des Tages Arbeit suchte und durch sie seinen Körper gesund erhielt. Insofern kommt diesem Zweige unzweifelhaft die größte Verbreitung und das weitestgehende Interesse aller Kreise zu. Platon, in dessen Schriften sich das gesamte griechische Leben wunderbar spiegelt, behandelt in seinem Staate und seinen Gesetzen unter entschiedener Ablehnung der Berufsathletik ausführlich die pädagogische G., versteht aber, wie oben bemerkt, in allen andern Schriften unter γυμναστική nichts anderes als diese Kunst der Leibespflege (Jüthner Philostr. Gymn. 40). Auf diesem Gebiete hatte inzwischen Herodikos von Selymbria (s. d.) bahnbrechend gewirkt. Von Haus aus Paidotrib, hatte er in Palästren reiche Erfahrungen auf dem Gebiete der Diätetik gesammelt, und als er durch Kränklichkeit (φθίσις Plut. ser. num. vind. 9) gezwungen war, seinen Beruf aufzugeben, kam ihm der Gedanke, sein Leiden durch die in der Palästra üblichen diätetischen Mittel zu bekämpfen, d. h. ein genaues Regime mit genauen Bestimmungen über Speise, Bewegung, Massage usw. einzuhalten. Als es ihm gelang, sein eigenes Leben auf diese Weise zu verlängern, wendete er den gleichen Vorgang [2056] auch bei anderen an, die sich bei ihm bei Erkrankungen Rats erholten, und wurde so der Erfinder einer gymnastischen Naturheilmethode, die den Gedanken der beiden Knidier Euryphon und Herodikos ausbaut. Von Plinius n. h. XXIX 4 wird sie als Iatraliptik bezeichnet (Jüthner a. O., 9ff. 32). Damit tritt die G. in Konkurrenz mit der Medizin, und wahrscheinlich war Herodikos der erste, der sich als Gymnast (s. d.) bezeichnete, was bald Nachahmung fand, da dieser Titel vornehmer klang als Paidotrib, und es beginnt eine Rivalität zwischen Gymnasten und Ärzten, die dann so lange dauert, als überhaupt G. getrieben wird. Die Mißgriffe, die sich Herodikos zu Schulden kommen ließ – er ließ auch Fieberkranke turnen, Ps.-Hippokr. Epidem. VI 3, 18 (V 302 L.); vgl. auch Cael. Aur. morb. chron. III 8 – waren den Ärzten eine willkommene Handhabe zu scharfer Kritik, aber auf die Dauer konnten sie sich dem vielen Guten, das die Methode enthielt, nicht verschließen. Und während der echte Hippokrates an medizinische Verwendung der G. noch nicht gedacht hatte, finden rationell abgestufte Leibesübungen in das Hippokratische Corpus bei verschiedenen Krankheiten Aufnahme (Epidem. VI 1, 5 [V 268 L.]; π. νούσ. II 55 [VII 86]; π. διαίτ. ὀξ, [νόθ.] I 176. 16ff. [II 516]). Im πρόρρ. II 1 [IX 6 L.] ist die Heilgymnastik bei Krankheiten bereis als etwas Bekanntes vorausgesetzt (τοὺς τῶν νούσων εἵνεκα γυμναζομένους καὶ ταλαιπωρέοντας), und von Plat. Rep. III 406f. wird die Methode als die gegenwärtig herrschende bezeichnet. Die Heilgymnastik des Herodikos wird also eine Zeitlang in Mode gewesen und wie heutzutage manches angepriesene System auch übertrieben worden sein. Was brauchbar an ihr war, fand jedoch in die medizinische Literatur Eingang, zuerst, soviel wir nachweisen können, in der Hippokratischen Schrift π. διαίτης (etwa um 400 v. Ch.), die sich II 61–66 bereits ausführlich mit der G. befaßt (Jüthner a. O. 34) und für eine Reihe ähnlicher jetzt verlorener Werke vorbildlich war (Fredrich Hippokrat. Untersuch. 169ff.). Auch Platon konnte sich der neuen Richtung nicht entziehen. Im Tim. 89 A-D erkennt auch er die neu erfundene Heil-G. als berechtigt an und läßt Diät und G. auch zur Heilung von Krankheiten zu. Der Widerspruch, in den er sich selbst mit der spöttischen Ablehnung Rep. III 406 AB setzt, erklärt sich dadurch, daß er in seinem von spartanischer Strenge durchwehten Staatsideal eine Methode, die kränkliche Bürger künstlich zu erhalten sucht, ohne daß sie dem Staate je wieder nützlich sein können, entschieden ablehnen muß. In der Praxis hat sie Platon rückhaltlos anerkannt. Er hat nicht nur unter γυμναστική, wie wir sahen, die Leibespflege verstanden, sondern sie auch als Schwesterkunst der Medizin angesehen, den Gymnasten und Arzt oft zusammengestellt und Symp. I 186 E beide Künste dem gleichen Schutzpatron Asklepios untergeordnet. Dieses Hervorheben und Betonen des medizinischen Teiles an der G. ist ein Beweis, daß sich das Publikum damals hiefür besonders interessierte (Jüthner a. O. 37ff.). Mußte man aber die Nützlichkeit der gymnastischen Diätetik zugeben und hatten sie die Ärzte in ihre Kunst [2057] einbezogen, so wollten sie anderseits den Gymnasten noch nicht die Berechtigung zugestehen sie auszuüben, da sie ihnen die zum Ordinieren nötigen Kenntnisse absprachen. Daher auch die Reaktion gegen die bisherige Bezeichnung der Leibespflege als γυμναστική und die Schaffung des neuen Begriffes ὑγιεινή durch Erasistratos im 3. Jhdt. v. Ch. (s. o.), sowie später die heftigen Angriffe der Ärzte der Kaiserzeit, insbesondere Galens auf die Berufsgymnastik (s. u. und Jüthner a. O. 51ff.).

Hellenistische Zeit. Da die G. auch in der hellenistischen Zeit eine gleichmäßige Fortentwicklung erfahren hat, wurde in der bisherigen Darstellung schon vielfach in diese Periode vorgegriffen. Charakteristisch für dieselbe ist einerseits auf dem Gebiete der Konkurrenzen das fast ausschließliche Dominieren der Berufsathletik, die nunmehr immer raffiniertere, aber auch rohere Formen annimmt und deutliche Zeichen der Korruption zu zeigen beginnt, anderseits die durch das elementare Vordringen des Hellenentums bedingte Ausbreitung der Sportslust in die entlegensten Gegenden. Über das Raffinement des athletischen Training, namentlich die verfeinerte Diät, die mit der Einführung der sizilischen Schlemmerei wohl schon zu Platons Zeit einsetzte, weiß Phil. Gymn. 44 Merkwürdiges zu berichten. Diese neue Diät verweichlicht die Athleten, ,indem sie sie die Untätigkeit lehrt und die Zeit vor den Übungen dazusitzen, vollgepfropft wie libysche oder ägyptische Mehlsäcke, ferner Feinbäcker und Luxusköche einführt, wodurch nur Schlecker und Fresser gezüchtet werden, und mohnbestreutes Weizenbrot aus feinem Mehl vorsetzt, mit gänzlich regelwidriger Fischkost mästet und die Natur der Fische nach den Fundstellen im Meere bestimmt – fett seien die aus dem Schlamm stammenden, mager die von den Klippen, fleischig die vom offenen Meer, Blütentang bringe nur kleine hervor, Algen saftlose –, ferner das Schweinefleisch mit wunderlichen Weisungen verabreicht. Sie schreibt nämlich vor, die Schweine am Meer als unbrauchbar anzusehen wegen des Meerknoblauchs, dessen die Ufer voll sind und voll die Dünen, sich auch vor solchen nächst den Flüssen zu hüten, weil sie Krebse fressen, und zur Zwangsdiät bloß die mit Kornelkirschen und Eicheln gemästeten zu verwenden‘. Das Ziel und Resultat einer solchen Kost war bei den Schwergewichtsathleten nunmehr möglichste Korpulenz, πολυσαρκία (Luc. dial. mort. X 5. Eustath. Il. XXIII 261). Mag ein solches Training vom sportlichen und hygienischen Standpunkt noch so verwerflich sein, man scheint dadurch eine zwar einseitige, aber in dieser Einseitigkeit umso wirksamere Hypertrophie der Muskulatur erzielt zu haben, die zu gewissen Übungen im hohen Grade befähigte und eine Konkurrenz nicht ebenso trainierter Bewerber so gut wie ausschloß.

Leider scheint mit dieser Überentwicklung der Körperkraft auch Roheit Hand in Hand gegangen zu sein. Allerdings sind Anzeichen von Verrohung des Kampfes schon früher vorgekommen. In der ersten Hälfte des 5. Jhdts. hat der Ringer Leontiskos aus Messana in Sizilien seine Gegner nicht niedergerungen, sondern durch Zerbrechen [2058] der Finger bezwungen (Paus. VI 4, 3). Ähnlich hat später (um 364 v. Chr.) der sikyonische Pankratiast Sostratos seine Gegner behandelt und davon den Beinamen Akrochersites erhalten (Paus. VI 4, 1; vgl. Förster Olymp. Sieger 202. 349. Reisch o. Bd. I S. 1198). Bezeichnend für den Zug der Zeit ist aber, daß beim Boxkampf in hellenistischer Zeit offiziell jene Totschläger aus harten Riemen (σφαῖρα, vgl. Bd. III S. 1820) eingeführt wurden, die furchtbare Verwundungen zur Folge hatten, ja das Leben der Faustkämpfer gefährdeten.

Die üppige Lebensweise der Athleten konnte auch auf Abwege führen und durch Verführung zu Exzessen aller Art, z. B. auch auf erotischem Gebiete, das Gegenteil von dem erstrebten Zwecke zur Folge haben. In ursächlichen Zusammenhang mit dieser Üppigkeit bringt Philostr. Gymn. 45 auch das unredliche Vorgehen und die Bestechungen bei den Kampfspielen, die immer mehr einzureißen begannen. Die leistungsfähigen Athleten verkaufen den Sieg, um das Wohlleben führen zu können, die anderen, die durch das üppige Leben leistungsunfähig geworden waren, sind genötigt, sich den Sieg mit Geld zu erkaufen. Selten kamen solche Unregelmäßigkeiten in Olympia vor. Aber Pausanias (V 21, 2–17) weiß doch eine Reihe von Fällen aufzuzählen, von denen der älteste sich 388 v. Chr. ereignete. Die schuldigen Athleten wurden von den Eleern zu empfindlichen Strafsummen verurteilt, die dann zur Aufstellung der Zeusbilder (Zanes) bei den Schatzhäusern verwendet wurden. Leibliche Strafen für solche Vergehungen, auch Ausweisung aus dem Stadion, sind bezeugt durch Dion. Hal. ars rhet. VII 6 und Dio Chrys. XXXI 119. Vgl. auch Dittenberger Syll.2 689 (3. Jhdt. v. Chr.) und Phil. Gymn. 45. Der Siegeskranz war eben nach wie vor etwas so heiß Erstrebtes und hatte eine solche Ehrung in ganz Hellas zur Folge, daß selbst unerlaubte Mittel in Anwendung gebracht wurden.

Das Interesse an der G. und Agonistik in jener Zeit können wir bei der Mangelhaftigkeit unserer Überlieferung im übrigen nur an einzelnen Anzeichen erkennen. In Athen erstreckte sich die segensreiche Wirksamkeit des verdienstvollen Staatsmannes und Redners Lykurgos auch auf diesen Zweig des öffentlichen Lebens. Er richtete sein Augenmerk auf die Ausbildung der Epheben, er baute das Lykeion-Gymnasion um und richtete darin eine Palästra ein, und für die panathenäischen Spiele schuf er das steinerne Stadion (Judeich Topogr. v. Ath. 83). Die makedonischen Machthaber bringen den hellenischen Wettspielen ein reges Interesse entgegen. Philipps politische Beweggründe hiefür und seine Bestrebungen namentlich in Delphi sind bekannt. Doch hat er auch in Makedonien bei großen Festlichkeiten, z. B. der Hochzeit seiner Tochter Kleopatra, bei der er ermordet wurde, gymnische und musische Wettkämpfe veranstaltet und in Aigai olympische Spiele eingerichtet. Sein Sohn Alexandros war körperlich tüchtig durchgebildet und insbesondere ein guter Läufer, doch scheint er gegen die rohe Athletik, wie sie sich im Faustkampfe und Pankration äußerte, entschiedene Abneigung empfunden zu haben, wenigstens soll [2059] er diese Übungen bei den von ihm veranstalteten Wettkämpfen nicht zugelassen haben (Plut. Alex. 4, 5f.). Aber die Möglichkeit einer Beteiligung an dem Wettlauf in Olympia war für ihn nach einer Anekdote bei Plutarch nur deshalb ausgeschlossen, weil er nur mit Königen als Mitbewerbern auftreten mochte, und wie er einen olympischen Sieg bewertete, zeigt die Behandlung des Olympioniken Dionysodoros von Theben (Arrian. anab. II 15, 4). Es heißt, daß der für die gymnastischen Übungen nötige feine Staub bis aus Ägypten herbeigeholt und den Feldherrn Alexanders bis ins Feldlager nachgeführt wurde (Plut. Alex. 40. Plin. n. h. XXXV 168. Aelian. var. hist. IX 3. Athen. XII 539 C). Durch Alexanders Züge ward hellenische Kultur und damit auch Interesse für gymnastischen Sport überallhin in den Orient getragen, und die Diadochen setzten auch in dieser Richtung das Werk ihres großen Vorbildes fort. Es wurden nicht nur allenthalben Gymnasien und Palästren errichtet und die Jugend nach dem Muster des Mutterlandes gymnastisch ausgebildet, sondern auch das Interesse an den großen Nationalspielen breitete sich im Orient aus, zumal als allmählich auch die neuen hellenistischen Staaten zum Wettbewerb in Olympia zugelassen wurden. So lieferte z. B. Ägypten, seit im J. 272 v. Chr. Perigenes von Alexandria im Laufe gesiegt hatte, während des 3. Jhdts. noch manchen olympischen Sieger (Förster 437. 447. 459. 464. 473. 481 usw.), und auch die Herrscher zeigten ihr Interesse für die G. Ptolemaios Philadelphos erbaute in Athen ein Gymnasion, das Ptolemaion. Während die älteren Gymnasien, Akademie, Lykeion, Kynosarges, außerhalb der Stadt lagen, wurde das Ptolemaion im nördlichen Teile der Stadt selbst errichtet. Auch das Diogeneion befand sich in der Stadt. Einen Beweis für sein sportliches Interesse gab nach Polybios (XXVII 7 A) ein späterer Ptolemäer (IV), und die Geschichte ist bezeichnend für den nationalen Gegensatz zwischen Ägypten und dem Mutterlande. Um den Ruhm der Unbesiegbarkeit des gefürchteten Kleitomachos zu zerstören, hatte Ptolemaios den Aristonikos im Faustkampf ausbilden lassen und schickte ihn als Gegner des ersteren nach Olympia. Die Sympathie der Zuschauer, die anfangs auf der Seite des Schwächeren stand, schlug um, als Kleitomachos sich darauf berief, daß er für die Ehre Griechenlands, Aristonikos für den Ruhm des Königs Ptolemaios kämpfe, und es gelang ihm, den Fremdling zu besiegen. Mit diesem zunehmenden Interesse im Osten scheint ein Schwinden desselben im Westen Hand in Hand zu gehen. Dies kann man aus dem fast völligen Zurücktreten der sizilischen und italischen Namen in den Olympionikenlisten schließen. Übrigens tritt auch Sparta, zum Teil auch Athen, in den Hintergrund, während Aitolien, Achaia, die jüngeren Städte des Peloponnes nebst dem Orient die olympischen Sieger liefern. Auch Angehörige besserer Stände verschmähten es hier nicht, sich gelegentlich, besonders in ihrer Jugend, an den Wettspielen zu beteiligen Aratos von Sikyon, der große Stratege und Staatsmann des Achäischen Bundes, war in seiner Jugend erfolgreicher Fünfkämpfer (Plut. Arat. 3). Duris von Samos, der spätere Tyrann (Förster 398), siegte [2060] 324 im Knabenfaustkampf. Einen olympischen Pentathlonsieg und viele andere Siege erkämpfte Gorgos von Messene (Förster 465. Polyb. V 5, 4). Gerade in den Stammländern der griechischen G., in Sparta und Athen, wo sie als edler Sport und Bestandteil der Jugenderziehung stets in Ehren stand, scheint man ihre unaufhaltsame Fortentwicklung zur Berufsathletik perhorresziert zu haben, und da ohne das athletische Training die Aussicht auf einen olympischen Sieg sehr herabsank, gab man allmählich auch die Konkurrenz bei den großen Nationalspielen auf und wird sich immer mehr auf die Beteiligung an den heimischen Lokalagonen beschränkt haben.

So sehr nun, wie wir sahen, die professionelle Athletik mit ihrem überfeinerten Training von der Intelligenz und namentlich den Ärzten verachtet wurde, es ist nicht zu leugnen, daß mit ihrer Hilfe ganz hervorragende Leistungen und Rekorde zustande kamen. Es war nach wie vor keine Seltenheit, daß einzelne Athleten eine ganze Reihe von Jahren hindurch in Olympia und anderwärts viele Siege hintereinander erkämpften. Für diejenigen, die in den vier großen Nationalspielen, den Olympien, Pythien, Isthmien, Nemeen Sieger waren, kam die Bezeichnung Periodoniken (s. d.), d. h. Sieger in einer Periodos auf. Solche Sieger waren z. B.: Sostratos (Förster 349), Cheilon (384), Herodoros (395), Antenor (409), Philinos (441), Epitherses (510), Agesarchos (529). Darunter war Philinos vierfacher Periodonike und hatte außerdem noch Siege zu verzeichnen. Noch höher war es vielleicht einzuschätzen, wenn es einem Athleten gelang, in Olympia an demselben Tage in mehreren Übungen zu siegen, z. B. in drei Laufarten. Dies war schon einmal in älterer Zeit, 512 v. Chr., dem Phanas aus Pellene gelungen. Jetzt wiederholten sich solche Leistungen in kürzeren Zwischenräumen. Unerreicht aber war hierin Leonidas von Rhodos, der vier Olympiaden hintereinander, 154 (164 v. Chr.) –157 (152 v. Chr.) je im Stadion, Doppellauf und Waffenlauf zugleich siegte, also in dieser Zeit zwölf olympische Kränze davontrug, eine unerhörte Leistung, die auch unerreicht blieb (Afric. zu Ol. 157). Ein solcher dreifacher Sieg an einem Tage brachte dem Athleten den Beinamen τριαστής (Afric. zu Ol. 154). Es glückte später noch dem Hekatomnos (32 v. Chr., Förster 551) und mindestens zweimal dem Hermogenes mit dem Beinamen Hippos (zuerst 81 n. Chr., F. 654). Auch in der Gruppe Stadion-Diaulos-Dolichos siegte einmal Polites (69 n. Chr., F. 648). Viel schwieriger und daher auch ungleich ruhmreicher war ein Doppelsieg im Ringkampf und Pankration an demselben Tage. Der glückliche Sieger wurde dann als Nachfolger des Herakles, dem dieser Doppelsieg zuerst gelungen war, gepriesen und erhielt den Ehrentitel παράδοξος oder παραδοξονίκης (Plut. comp. Cimon. et Lucull. 2). Der erste derartige Heraklessieger (δεύτερος ἀφ' Ἡρακλέους) war Kapros aus Elis im J. 212 v. Chr. (Förster 474, wo die übrigen Heraklessieger aufgezählt sind). Solche Leistungen waren vorher niemals erreicht worden und sind daher offenbar der Vervollkommnung der Trainiermethode zuzuschreiben.

In den bisher geschilderten Formen und [2061] Zweigen nahm dann die Fortentwicklung der G. auch in die römische Periode hinein ihren Fortgang. Bevor aber das Augenmerk auf diesen durch Ausartung und Verfall unserer Kunst charakteristischen letzten Zeitraum gerichtet wird, ist es interessant zu sehen, wie die Römer, nachdem sie dem griechischen Einfluß Tür und Tor geöffnet, die griechische G., diese ureigenste Äußerung des hellenischen Nationalcharakters, bei sich aufnahmen.

Die Gymnastik bei den Römern. G. in der kunstmäßigen Ausbildung, wie sie die Griechen pflegten, war den Römern vor dem Eindringen des Hellenismus unbekannt. Natürlich aber betrieb ihre Jugend wie die aller kriegerischen Völker von jeher solche Leibesübungen, die geeignet waren, den Körper zu stählen und zum Kriegsdienst tauglich zu machen (vgl. Marquardt Privatl. d. Römer I2 117f.). Auch bei den Römern war der Wettlauf wohl die älteste Übung, und nach Liv. IX 16, 13 hat Papirius Cursor hierin alle übertroffen. Dazu kam an eigentlichen gymnastischen Übungen noch der Sprung, das Ringen und der Faustkampf (Dionys. VII 73. Cic. de leg. II 15, 38. Liv. I 35. Veget. I 9f. Sen. ep. 15) und dann das mehr kriegsmäßige Speerwerfen und Fechten (Sen. ep. 88. 19), ferner Reiten und Schwimmen, besonders auch das Ballspiel. Alle diese Übungen wurden von der Jugend am liebsten auf dem Marsfelde betrieben. Cato der Ältere hat seinen Sohn im Speerwurf, Waffenkampf, Reiten, Schwimmen und Faustkampf selbst unterrichtet (Plut. Cato m. 20). Aber auch agonistische Verwertung der G. kommt schon in alter Zeit vor, und hier hatten die Römer an ihren Nachbarn, insbesondere den Etruskern, die ihre Gräber mit umfangreichen gymnastischen Darstellungen schmückten, hervorragende Vorbilder. Solche öffentlichen Schauspiele. ludi publici (s. d.), bestanden, wie schon die oben angeführten Stellen beweisen, vornehmlich aus Wettlauf, Ring- und Faustkampf (vgl. Marquardt Staatsverw. III2 525). Besonders beliebt war der letztere und man holte sich gute Faustkämpfer auch aus Etrurien, Latium, Campanien und Afrika (Liv. I 35. Suet. Aug. 45; Calig. 18). Dieser altitalische Faustkampf entbehrte der Armatur und unterschied sich dadurch von dem später eingeführten griechischen, neben dem er noch unter Augustus bei öffentlichen Spielen erwähnt wird (Suet. a. O. CIL X 1074[1] pugiles catervarios et pyctas; sie traten also auch im Massenkampfe auf). Diese Spiele erfreuten sich einer großen Beliebtheit und wurden von der Masse feineren Genüssen, wie szenischen Aufführungen, oft vorgezogen (Terent. Hecyr. prol. 25. Hor. ep. II 1, 185).

Insofern war der Boden für die Aufnahme der griechischen G. gewissermaßen vorbereitet, doch zeigte es sich, daß letztere bei den Römern von allem Anfang an auf eine gewisse Abneigung stieß und bei ihnen nie ganz heimisch wurde. Dies hatte verschiedene Gründe. Vor allem ist nicht zu übersehen, daß die Römer mit der griechischen G. zu einer Zeit bekannt wurden, wo dieselbe ihre Blütezeit bereits hinter sich hatte, wo das Ziel immer mehr in athletischer Kunstfertigkeit gesucht wurde und die oben geschilderten [2062] mannigfachen Auswüchse bereits stark in den Vordergrund traten. Wenn sich infolgedessen schon bei den Griechen zahlreiche Stimmen erhoben hatten, welche die G. in dieser Form als ungeeignet für die Erziehung der Jugend und als für den Kriegsdienst geradezu schädlich hinstellten, so konnte der praktische Sinn der Römer, denen nur die Ausbildung für den Staatsdienst und Krieg vorschwebte, sich zu einer solchen nutzlosen, zeitraubenden Tätigkeit um so weniger hingezogen fühlen. Von einer Aufnahme der griechischen G. in das Programm der Jugenderziehung konnte also keine Rede sein. Nur der Diskoswurf wurde zu den Jugendspielen des Marsfeldes hinzugenommen (Hor. carm. I 8, 11; sat. II 2, 13; ars p. 380. Mart. XIV 164). Abstoßend wirkte ferner die völlige Nacktheit, die nach römischem Geschmack das Schamgefühl verletzte (Cic. Tusc. IV 33, 70; de rep. IV 4), und als Folge hiervon und von dem in den griechischen Gymnasien und Palästren üblichen, mit üppiger Lebensweise verbundenen Müßiggang befürchtete man Verweichlichung und Sittenverderbnis. Besonders bezeichnend hierfür ist Plut. aet. Rom. 40 τὸ γὰρ ξηραλοιφεῖν ὑφεωρῶντο οἱ Ῥωμαῖοι σφόδρα καὶ τοῖς Ἕλλησιν οἴονταὶ μηδὲν οὕτως αἴτιον δουλείας γεγονέναι καὶ μαλακίας ὡς τὰ γυμνάσια καὶ τὰς παλαίστρας πολὺν ἄλυν καὶ σχολὴν ἐντικτούσας ταῖς πόλεσι καὶ κακοσχολίαν καὶ τὸ παιδεραστεῖν καὶ τὸ διαφθείρειν τὰ σώματα τῶν νέων ὕπνοις καὶ περιπάτοις καὶ κινήσεσιν εὐρύθμοις καὶ διαίταις ἀκριβέσιν, ὑφ' ὧν ἔλαθον ἐκρυέντες τῶν ὅπλων καὶ ἀγαπήσαντες ἀνθ' ὁπλιτῶν καὶ ἱππέων ἀγαθῶν εὐτράπελοι καὶ παλαιστρῖται καλοὶ λέγεσθαι. Vgl. auch Tac. ann. XIV 20. Wird die G. also als pädagogisches Element entschieden abgelehnt, so findet sowohl die agonistische wie die diätetische Seite bei den Römern ein neues Heim.

Wie beliebt die Ludi bei den Römern waren, ist bereits hervorgehoben worden. Aber die aktive Beteiligung an denselben war nicht wie bei den Griechen ein ängstlich gehütetes Vorrecht des freigeborenen Bürgers, sondern man überließ die Konkurrenz lieber berufsmäßigen Teilnehmern, die man sich, wie gesagt, vielfach von auswärts kommen ließ. Diese Schaustellungen waren mit den Gladiatorenspielen in gleiche Linie gestellt, ohne deren Beliebtheit zu erreichen. Als die griechische G. bekannt wurde, lag der Gedanke nahe, neben den einheimischen Kräften, später auch ausschließlich, solche von griechischen Sportplätzen bei den Spielen zu verwenden, und diese Neuerung war den römischen Zuschauern nicht unwillkommen. Immer aber genossen die Fechterspiele und Tierhetzen den Vorzug. Das erste Auftreten griechischer Athleten in Rom veranlaßte M. Fulvius Nobilior 186 v. Chr. (Liv. XXXIX 22). Dem Sulla gelang es 81 v. Chr., anläßlich seines Triumphes über Mithridates sozusagen die olympischen Spiele nach Rom zu verlegen. Denn die von ihm veranstalteten Wettkämpfe übten eine solche Anziehungskraft auf die griechischen Athleten aus, daß in Olympia mit Ausnahme des Stadionlaufes wegen Mangel an Teilnehmern keine Übungen abgehalten werden konnten. Und so wurden bei besonderen Gelegenheiten auch von M. Scaurus, C. Curio, Pompeius und Caesar athletische Wettkämpfe veranstaltet (Friedländer [2063] Sittengesch. II8 483f. Reisch o. Bd. I S. 866), von den Kaisern schließlich regelmäßig wiederkehrende Festspiele gegründet. Die wichtigsten waren: unter Augustus die Ἄκτια in Nikopolis, die den olympischen Spielen nachgebildeten Augustalia in Neapel, die Neronia in Rom, insbesondere die von Domitian 86 gestifteten Capitolia, worüber die Spezialartikel nachzusehen sind. Durch diese nach griechischem Muster eingerichteten Wettkämpfe wurde der Schaulust der breiten Massen gefrönt und so unter dem Vortritt der Kaiser ein gewisses äußerliches Verhältnis zur kunstgemäßen griechischen Athletik hergestellt. Die Athleten genossen in Rom gewisse Privilegien und ein größeres Ansehen als Schauspieler und Gladiatoren (vgl. Gardiner Athlet. Sports 174f. Friedländer a. O. 496f.).

Von tieferer praktischer Wirkung auf die Lebensführung des römischen Bürgers war jedoch das Eindringen der hygienischen G. Seit Augustus das Heerwesen umgestaltet und die Truppenaushebung in Italien beschränkt hatte, war für die Jugend die Notwendigkeit, sich für den Kriegsdienst vorzubereiten, entfallen und nur für diejenigen geblieben, die sich speziell dieser Karriere widmen wollten. So wurden die altitalischen Leibesübungen für die breiten Massen in dieser Hinsicht immer mehr entbehrlich. Dagegen trat ein anderer Gesichtspunkt in den Vordergrund, nämlich das gesundheitliche Moment. Nach Marquardt Privatl. a. O. trieb man jetzt G., um eine frische Farbe zu haben (Cic. de offic. I 36. 130), gut zu schlafen (Horat. sat. II 1, 8), mit Appetit zu essen und mit Vergnügen zu baden, während zum Kriegsdienst erfordert wird eine iuventus balnearum nescia (Veget. I 2), mit andern Worten, die Heil-G. oder Iatraliptik fand in Rom Eingang (Plin. n. h. XXIX 4). Die Anfänge ihrer Beliebtheit reichen bis in die Zeiten der Republik zurück. Dem Scipio Africanus wurde die Vorliebe für die Palästra vorgeworfen (Liv. XXIX 19, 12), und Varro r. r. II 1, 1 machte die ihm unliebsame Beobachtung, daß auf jeder Villa ein Gymnasion zu finden sei. Durch die gymnastische Methode glaubte man sich bis ins hohe Greisenalter gesund zu erhalten (Aelian. frg. 110 Herch. Petron. 28). In der Kaiserzeit war dann das griechische Turnen mit seiner Massage und seinen Bädern sehr verbreitet und galt bei vielen als wichtiges Hilfsmittel zur Erlangung körperlicher Ausbildung und Gesundheit (Sen. ep. 15). Kaiser Nero, der für griechische Agonistik und G. große Vorliebe hegte, gewährte reichliche Ölspenden (Tac. ann. XIV 47, Suet. Nero 12), und seine Freigelassenen ließen sich für ihre Gymnasien, wie einst die Feldherrn Alexanders, den feinen Sand vom Nil kommen (Plin. n. h. XXXV 168. Suet Nero 45). Als nun auch die Jugend, die in früherer Zeit nur die urwüchsige und zweckdienliche altitalische G. getrieben hatte, allmählich an der überfeinerten griechischen Methode Geschmack zu finden begann, da erhoben sich unter den Römern zahlreiche warnende Stimmen, die auf die verderblichen Folgen für die Gesundheit an Leib und Seele aufmerksam machten. Die Jugend werde, so hieß es, durch landfremdes Gehaben, durch gymnastische Übungen, Müßiggang und schändliche [2064] Liebschaften entarten (Tac. ann. XIV 20), Laster und Sittenverderbnis ziehe mit der griechischen G. ein (Plin. n. h. XV 19. XXIX 26. XXXV 168), die aus griechischen Gymnasien ausgehobene Jungmannschaft sei schlaff und unfähig Waffen zu tragen (Lucan. Phars. VII 270). In der Opposition befindet sich auch Martial. VII 32. XIV 49, und den Gegensatz zwischen einst und jetzt schildert anschaulich der jüngere Plinius Paneg. 13: postquam exercitationibus nostris non veteranorum aliquis, cui decus muralis aut civica, sed graeculus magister adsistit, quam magnum est unum ex omnibus patrio more, patria virtute laetari usw. Als Anhänger der der G. feindlichen stoischen Philosophie hat insbesondere auch Seneca energisch Front gemacht (vgl. z. B. ep. 88, 18). In der Praxis kam es auch gelegentlich zur Abschaffung einzelner besonders sittenverderbend wirkender Agone, wie desjenigen zu Vienna unter Traian (Plin. ep. IV 22).

Diese Reaktion des nationalen Römertums gegen das Eindringen einer fremden Sitte konnte aber der immer mehr um sich greifenden Vorliebe für die griechische G. keinen Einhalt gebieten. Nicht nur im öffentlichen Badeleben spielten die Aleipten (s. d.) eine große Rolle, sondern die meisten vornehmen Häuser hatten unter den Sklaven auch Athleten (Sen. ep. 15, 3. 9), die bei dem Herrn die Stelle von Gymnasten vertraten, seine Lebensweise beaufsichtigten. Auch ließ man gelegentlich Lieblingssklaven in der Palästra ausbilden (Stat. Silv. II 1, 110). Auch die Frauen beginnen sich für die Sache zu interessieren. Bei den von Domitian eingeführten ersten Capitolien traten auch Jungfrauen im Wettkampf auf, doch schaffte man dies gleich wieder ab. Indes fanden sich Frauen, die sich privat dem griechischen Sport hingaben und das beschwerliche Training mitmachten (Iuv. 2, 53. 6, 426. Mart. VII 67), den ausübenden Athleten wendeten sie vielfach ihre Gunst zu (Tertull. Spect. 22. Mart. VII 57. Iuv. 6, 356). Und ebenso wie bei Nero und Domitian, so ist auch bei späteren Kaisern die Vorliebe für die G. zu beobachten, so bei Hadrian, Marc Aurel (Gal. VI 406 K. Hist. aug. M. Antonin. 4), L. Verus (Hist. aug. 4), Commodus (cap. 17. Pescenn. Niger 1. Dio LXXII 22), Alexander Severus, der sich besonders im Ringen auszeichnete (Hist. aug. Alex. Sev. 27). Die Beteiligung der Römer an den öffentlichen Spielen ist aber nie eine lebhafte gewesen, die vornehmen Stände haben sich so gut wie ganz ferngehalten. Während es keine Seltenheit war, daß Männer ritterlichen oder senatorischen Ranges sich im Theater, Circus oder der Arena aktiv beteiligten, erfahren wir nur von einem vornehmen Jüngling, Palfurius Sura, dem Sohne eines Consularen, der sich öffentlich im Ringkampf, und zwar angeblich mit einer spartanischen Jungfrau, sehen ließ (Schol. Iuv. 4, 53). Im übrigen spricht eine, wie es scheint, verderbte Überlieferung von einem Römer Gaius, der 72 v. Chr. einen olympischen Sieg im Dauerlauf gewann (Förster Sieger 554). Plut. tuend. sanit 5 nennt einen Pankratiasten Regulus, Mart. IX 72 einen siegreichen Faustkämpfer Liber; vgl. auch Iuv. 3, 68. Die Leistungen [2065] der Römer auf dem Gebiet der G. scheinen also über einen mäßigen Dilettantismus nicht hinausgekommen zu sein, die Führung hatten nach wie vor, auch in den italischen Spielen, die griechischen Athleten. Über alle diese die G. bei den Römern betreffenden Fragen gibt ausführlich Aufschluß Friedländer Sittengesch. II8 483ff.; vgl. auch Polke Num qua fuerit apud Rom. ars gymn., Progr. Gleiwitz 1863.

Verfall der Gymnastik. Die geschilderte Vorliebe einzelner Kaiser für die griechische G. und Agonistik verschaffte derselben in der nachchristlichen Zeit eine letzte Blüte. Es fanden sich reiche und ehrgeizige Männer, deren Wohltaten auch der G. zugute kamen. Sie errichteten neue Gymnasien, die sie mit Stiftungen dotierten, oder sie veranstalteten mit großem Aufwand für ihre Mitbürger neue lokale Festspiele u. dgl. Hier ist vor allen Herodes Atticus (s. d.) hervorzuheben, der die Stadien von Delphi und Athen in Stein baute und auch dem Festplatz von Olympia in hervorragender Weise seine Fürsorge zuwendete. Ein neuer Aufschwung auf sportlichem Gebiete war die Folge dieses privaten Interesses. Aber dieser Aufschwung trug bereits die ersten Spuren des Verfalls in sich. Einer der Gründe desselben war die enorme Ausbreitung, die zur Kosmopolitisierung und immer größeren Entfremdung von der ursprünglich echt griechischen Eigenart führte. Die Zahl der Agone wuchs ins Maßlose, sodaß es namentlich im Osten des Reiches kaum einen größeren Ort gab, der nicht seine Spiele gehabt hätte, die vielfach zu Ehren der Kaiser veranstaltet und nach ihnen benannt wurden (vgl. Reisch o. Bd. I S. 860f. Schmid Attic. IV 571, 19. Gardiner a. O. 170. 180. Jüthner Wien. Stud. XXIV 285ff.). Die großen Nationalspiele haben jetzt nicht mehr panhellenischen, sondern ökumenischen Charakter, und der Wettbewerb steht somit gleichsam der ganzen Welt offen (vgl. Olympia V 54. 436). Die kolossale Verbreitung auch auf nichthellenischem Boden konnte natürlich nicht ohne Wirkung auf die Entwicklung der G. bleiben, und insbesondere macht sich der Einfluß Roms in gewissem Sinne nachteilig bemerkbar.

Die Vorliebe der Römer für Gladiatorenspiele, Tierhetzen und Naumachien gab auch dem Geschmack der Menge außerhalb Italiens eine neue Richtung, und diese römischen Spiele werden auch in Griechenland eingeführt, z. B. in Korinth, ja auch in Athen, wo sie nicht nur im panathenäischen Stadion, sondern sogar im Dionysostheater abgehalten wurden (Dio Chrys. XXXI 121). Die Folge davon ist ein starkes Sinken des sportlichen Niveaus. Das Volk findet Gefallen an den rohen und blutigen Schauspielen und interessiert sich nun kaum mehr für das rein Gymnastische. Die roheren Übungen wie Faustkampf und Pankration, die ohnedies stets in der Gunst des Pöbels standen, finden fast allein noch Beachtung, und die fortschreitende Verrohung, die man hier beobachten kann, ist eine Konzession an die neue Geschmacksrichtung. Der ohnedies schon allzu gefährliche harte Riemen, die σφαῖρα, genügt dem Blutdurst der schaulustigen Menge nicht mehr, es wird ein metallenes Mordinstrument erfunden (s. Caestus), ein Totschläger gefährlichster Art, [2066] der die Gewähr bietet, daß wohl bei jedem Kampf einer der Rivalen am Platze bleibt, und der mit sportlicher Ausführung des Faustkampfes jedenfalls nichts mehr zu tun hat. Es sollte vielleicht die Athleten von dem Ehrgeiz, sich gerade in solchen Übungen hervorzutun, ablenken, wenn in Olympia nach dem Doppelsieg des Nikostratos 37 n. Chr. niemand mehr zur Bewerbung um den Heraklespreis und den Titel eines Nachfolgers des Herakles zugelassen wurde.

Ein weiteres charakteristisches Merkmal dieser Periode ist die Reklame und die Prahlsucht, die in den Inschriften der Ehrenstatuen zu beobachten ist und die mit der einfachen Sachlichkeit der älteren Zeit auffallend kontrastiert. Alle Nebenumstände, die den betreffenden Sieg als besonders glänzend erscheinen lassen konnten, z. B. daß der dargestellte Sieger im Ringkampf nie zu Falle kam (ἄπτωτος) oder nie die Chance eines ἔφεδρος (s. d.) hatte, und Ähnliches wurde entsprechend hervorgehoben, und wenn gar ein derartiger Sieg zum erstenmal errungen und damit ein Rekord aufgestellt war ([πρῶτος ἀνθρώπων u. dgl.), wurde dies mit Stolz vermerkt. Beispiele zusammengestellt von Reisch o. Bd. II S. 2055. Gardiner a. O. 179ff., besonders bezeichnend die den M. Aurelius Asclepiades verhimmelnde Inschrift IG XIV 1102, der allerdings eine Unzahl von Siegen erkämpft hatte und einer der erfolgreichsten Athleten des 2. Jahrh. n. Chr. gewesen sein muß. Interesse für Rekordleistungen, das ja in gewissen Grenzen von jeher vorhanden war, zeigt übrigens schon Plin. n. h. VII 83f.

Als Beweis für die großartige Entfaltung der G. als Kunst oder Handwerk in jener Zeit kann ferner der Umstand gelten, daß sich die ausübenden Künstler, die Berufsathleten, in Genossenschaften zu organisieren beginnen. Ansätze zu solchen Vereinigungen auf kultlicher Grundlage mögen schon früher vorhanden gewesen sein, die eigentlichen Athletenvereine (ξυστός, σύνοδος) sind aber nicht vor Hadrian sicher nachzuweisen. Diese Körperschaften, deren Zahl eine bedeutende gewesen sein muß, zogen von Agon zu Agon, um in den Wettkämpfen aufzutreten, und obwohl wir über ihre Einrichtung und Wirksamkeit sehr wenig wissen, können wir annehmen, daß sie für die Entwicklung der G. nicht ohne Einfluß waren. Schon wegen der großen Konkurrenz mußten sich die einzelnen Vereine bemühen, das gymnastische Training nach Möglichkeit zu vervollkommnen und neue Methoden zu ersinnen, um ihre Mitglieder tüchtig auszubilden. Besonders angesehen war im 2. Jhdt. die σύνοδος ξυστικὴ τῶν περὶ τὸν Ἡρακλέα ἀθλητῶν ἱερονεικῶν στεφανειτῶν (IG XIV 1054f.), die zu Beginn des 4. Jhdts. als ἱερὰ ξυστικὴ περιπολιστικὴ οἰκουμενικὴ σύνοδος (IG XIV 956 b 19) bereits den ganzen Erdkreis umfaßte. Im einzelnen verweise ich auf Reisch o. Bd. II S. 2056ff. Poland Griech. Vereinsw. 1909. 147ff. Gardiner a. O. 174ff. Friedländer Sittengesch. IΙ8 297f.

Die Verfeinerung des Training, die in der Kaiserzeit offenbar ins Maßlose übertrieben wurde, könnten wir genauer verfolgen, wenn nicht die gymnastische Literatur (s. o.) fast ganz verloren gegangen wäre. Aber aus den Angriffen, die von medizinischer Seite, namentlich Galen, dann von Philostratos u. a. dagegen unternommen wurden, [2067] können wir uns immerhin eine annähernde Vorstellung bilden. Die Diät, die Nahrungsaufnahme wurde durch genau festgesetzte Regeln bestimmt und namentlich auf reichliche Fleischkost und genaues Einhalten der Zeiten für Anstrengung und Schlaf Gewicht gelegt, ein Vorgehen, das von Galen als gesundheitswidrig getadelt wurde (IV 753. VI 180 K.). Vgl. auch o. Bd. I S. 2058f. und die oben zitierte Philostratosstelle Gymn. 44, wo der Autor sicherlich nicht nur die Vergangenheit, sondern auch seine Zeit im Auge hat. Für überaus wichtig beim Training der Athleten hält man die Einreibungen mit Öl und die Massage, und da diese auch in der für die Laien bestimmten Heil-G. unentbehrlich waren und von den Ärzten zu hygienischen Zwecken angewendet wurden, haben an der Ausbildung der Methoden Ärzte wie Gymnasten gleichermaßen mitgearbeitet (s. u.). Besondere Sorgfalt aber verwendeten die zünftigen Gymnasten auf die Vervollkommnung der eigentlichen Trainiermethode, d. h. auf die Art und Weise, wie die Athleten in den Leibesübungen selbst praktisch ausgebildet wurden, wie man ihre Kräfte in Anspruch nahm, um die Leistungsfähigkeit bis zu dem höchsten erreichbaren Grade zu steigern. Es gab verschiedene derartige Trainiermethoden, über deren Nutzen gestritten wurde. Bekannt ist uns nur das aus einem Zyklus von vier Tagen bestehende sog. Tetradensystem. Angewendet wurde es von den Gymnasten Theon von Alexandria und Tryphon, die es wahrscheinlich auch erfunden hatten. Bei Gal. Thrasyb. 47 (V 898 K. 99, 19 H.) und bei Phil. Gymn. 47 wird der Vorgang näher beschrieben, wobei allerdings Unterschiede in der Terminologie zu konstatieren sind, welche die Sache selbst aber nicht berühren. Bei Galen wird offenbar auf die faktische Reihenfolge kein Gewicht gelegt (vgl. Jüthner Phil. Gymn. 285ff.). Der Vorgang war folgender: Am ersten Tage wurde vorgenommen die παρασκευή oder das παρασκευάζον γυμνάσιον, welches aus einer energischen, raschen und kurz dauernden Bewegung bestand (vgl. auch Gal. VI 222) und auf den Höhepunkt der Anstrengung vorbereiten sollte. Dieser letztere war das am zweiten Tag angesetzte ἐπιτεῖνον oder τέλειον γυμνάσιον, auch κατασκευή genannt, welches, wie schon der Name sagt, in der höchsten Entfaltung der Kräfte bestand, die Übungen also so zeigte wie im Ernstfall. Von Galen wird dieser Teil des Training unmittelbar vor dem Höhepunkt erwähnt, was jedoch anderen Nachrichten widerspricht. Die an dritter Stelle folgende ἄνεσις oder ἀποθεραπεία ist nach dem verderbten Text bei Philostratos kein vollständiges Ausspannen, sondern ein Nachlassen und allmähliches Wiederaufnehmen der Bewegung, die dann am vierten Tage bis zur mittleren Stärke anwächst. Dieser nämlich, ἡ μεσευουσά oder μερισμός, bringt eine mäßige Leistung, die man sich als eine Art Markieren der betreffenden Übung vorstellen kann. Dieser Zyklus scheint der bekannteste und verbreitetste gewesen zu sein. Andere Gymnasten hielten wiederum andere Trainiermethoden für zweckdienlich, und wir werden sehen, daß sich Philostrat energisch gegen die Tetraden wendet.

Überhaupt riefen die Folgen, welche diese bis in äußerste Subtilitäten ausgearbeitete Diät und [2068] das in starre Systeme gezwängte Training zeitigte, die Auswüchse in physischer und moralischer Beziehung, die damit verbunden waren, bei denkenden Menschen vielfach eine lebhafte Opposition hervor. Die Meinung über den Wert der G. war ja, wie wir sahen, schon in alter Zeit, als sie sich noch in einfacheren Formen bewegte, sehr geteilt. Dichter, Denker und Ärzte befaßten sich zu allen Zeiten mit der Frage nach der Berechtigung und dem Werte der G. und Athletik, die also von jeher eine Streit- und Tagesfrage darstellte, zu der ein jeder gebildete Mensch irgendwie Stellung nehmen mußte. Gewiß bot sie auch, namentlich in der Kaiserzeit, ein beliebtes Thema für rhetorische Übungen und Disputationen pro und contra. Das schaulustige Volk hatten die Athleten und ihre Trainer natürlich überall auf ihrer Seite, zugleich aber auch alle diejenigen, welche auf die breiten Massen wirken wollten, insbesondere die Sophisten, unter denen begeisterte Anhänger der Gymnastenkunst zu finden waren, wie Dio von Prusa XXVIII und Ps.-Plut. περὶ ἀσκήσεως. Dazu bieten Inschriften und Papyri wichtige Beweise für das Ansehen der Athleten und ihrer Vereine in der Kaiseizeit (s. o. und z. B. CIG 5906-5914. Wessely Corp. papyr. Hermop. I n. 52–62. Kenyon-Bell Greck Pap. in the Brit. Mus. III [1907] 214ff.).

Die Opposition, die sich gegen diese unbedingte Verhimmelung der G. wendet, ist zweifacher Art. In entschiedenem Gegensatz stehen, wie schon angedeutet, die Mediziner, an ihrer Spitze als besonders enragierter Gegner Galen. Bei Besprechung des Begriffes wurde gezeigt, daß er der Athletik, die er als Afterkunst (κακοτεχνία) bezeichnet, den edlen Namen G. überhaupt abspricht und nur die hygienische Seite dieser Kunst, also die Heil-G., gelten läßt. Besteht nämlich die Gesundheit im Ebenmaß, so bringt die athletische G. im Gegenteil ein Übermaß hervor, indem sie die Fleischfülle vermehrt und verdichtet und eine Menge überaus dicken Blutes hervorbringt; denn sie will nicht bloß die Kraft, sondern auch die Masse des Körpers erhöhen. Die Folge dieses unnatürlichen Zustandes bleibt nicht aus. Die einen verlieren plötzlich die Sprache, die anderen das Gefühl und die Bewegung und sind ganz vom Schlag gerührt, oder es springt ihnen zumindest ein Gefäß und sie erleiden einen Blutsturz. So sieht nach Galen die athletische Euexie aus; vgl. Thrasyb. 37 (876 K. 83f. H.). IV 752f. Ps.-Gal XIX 382. Durch die Übungen in der Ringschule sind die Athleten zugerichtet wie die Liten Homers: lahm, schielend, zerschunden und verstümmelt: περὶ μικρ. σφ. 5 (V 910 K. 102 M.). Außerdem aber werden sie, wie schon Platon richtig bemerkt hat (Rep. III 410 b), fürs praktische Leben gänzlich untauglich. Galen hat sich selbst überzeugt, daß er kräftiger war als die angeblich besten Agonisten, die schon zahlreiche Kränze im Wettkampf davongetragen hatten; denn für Märsche und militärische Dienstleistungen, noch mehr für bürgerliche und Feldarbeiten, oder wenn es galt einen kranken Freund zu pflegen, kurz zu irgend einer Beihilfe in Rat und Tat waren sie unbrauchbar wie Schweine. Thrasyb. 46 (894 K. 96f. H.). Nicht das unrationelle athletische Training also, sondern eine [2069] von den Ärzten kontrollierte und auf ihre Wirkungen berechnete gesunde Bewegung und Lebensweise ist die von Galen zugelassene Art der G., wobei die Übungen der Palästra, rationell angewendet, natürlich nicht ausgeschlossen sind. Der hygienische Zweck wird Gal. VI 167 folgendermaßen formuliert: κοινὸς μὲν οὖν ὁ πρότερος σκόπος (nämlich die Ausscheidungen) ὅλῳ τῷ γνμνασίῳ τῶν ἀθλητῶν τε καὶ τῶν ὁτιοῦν ἔργον ἀναγκαῖον ἐν τῷ βίῳ διαπραττόντων οἶον ἤτοι σκαπτόντων · καὶ γὰρ κἀκείνου δύο τοὺς πάντας ἐλέγομεν εἶναι σκοπούς · ἐπιῤῥῶσαὶ τε τὰ στέρεα μόρια τοῦ ζώου καὶ κενῶσαι τὰ περιττώματα.

Die andere Art der Opposition richtet sich nicht gegen die Institution als solche, sondern gegen die Richtung und Entwicklung, welche die G. genommen hat. Es entsprach dem Zuge der Zeit, wenn man auch auf diesem Gebiete wie auf so vielen anderen von der entarteten Gegenwart seine Blicke zurücklenkte auf eine bessere Vergangenheit und als Laudator temporis acti die gute alte Zeit als Muster hinstellte und wieder zu beleben suchte. In die graue Vorzeit verlegt Lukian den Schauplatz seines Dialogs Anacharsis, worin Solon den wißbegierigen Barbaren in ein athenisches Gymnasion führt und ihm, da er das Treiben der jungen Leute unbegreiflich zwecklos findet, in begeisterten Worten die Segnungen der palästrischen Leibesübungen preist: eine Apologie der G. der guten alten Zeit, die die Angriffe auf die moderne Athletik in die richtigen Grenzen verweisen will. Erhebt sich diese Schrift nicht wesentlich über das Niveau einer leichten feuilletonistischen Plauderei, die allerdings einen Beitrag zu einer wichtigen Tagesfrage liefern soll, so ist der Essay des Philostratos über G. (s. o.) schon etwas ernster zu nehmen, da der Autor, wenn auch einen ähnlichen journalistischen Zweck verfolgend und ohne eigene technische Kenntnisse, doch auf technischen Quellen aufbaut und durch klare Stellungnahme zu den Auswüchsen der modernen Athletik und durch tieferes Eingehen auf die Sache selbst ein höheres Interesse beansprucht. Gesichert ist dieses in hohem Maße, da die Schrift die einzige erhaltene Abhandlung über G. aus dem Altertum darstellt. Auch Philostratos hat in der Kontroverse betreffs der G. Stellung genommen, und zwar gegen die Mißgriffe der Berufsathletik, aber für eine rationelle und auf wissenschaftlichen Prinzipien aufgebaute G., die als solche in Schutz genommen und gepriesen wird. Die verhängnisvollen Folgen des verfehlten Training der Gegenwart sind militärische Untauglichkeit, Trägheit, Verweichlichung, moralische Verkommenheit. Die Gründe sind die überfeinerte Kost, die auch bei Knaben obligatorische Zwangsdiät und träge Lebensweise, vor allem die pedantische Anwendung des Tetradenzyklus ohne Rücksicht auf die Individualität der Athleten (Kap. 44–47), die sogar den Tod zur Folge haben kann (Kap. 54). All das muß anders werden, und als Vorbild schwebt vor das erfolgreiche natürliche Training der guten alten Zeit, das bei einfacher Kost und natürlichen Kraftübungen ohne medizinische Finessen instinktmäßig das Richtige traf. Diesem Ideal kann man sich wiederum nähern, wenn man die gefährlichen Tetraden verwirft und den Athleten [2070] streng individuell behandelt, wozu der Gymnast allerdings mit einer Reihe von Kenntnissen ausgerüstet sein muß, die eine wissenschaftliche Behandlung des Training ermöglichen (Kap. 48–54). Danach ist also die G. auf eine falsche Bahn geraten und muß reformiert werden, dann aber repräsentiert sie einen wertvollen Bestandteil des Wissens und Könnens des Menschen.

Der archaistische Zug, der auf den verschiedensten Gebieten für jene Zeit charakteristisch ist und der auch aus derartigen Reformbestrebungen auf dem Gebiet der G. hervorleuchtet, scheint an dem konservativen Verhalten Spartas auch in der Kaiserzeit Nahrung gefunden zu haben. Dort wurden die veralteten Lykurgischen Vorschriften neu belebt, und allenthalben regte sich in der Literatur neues Interesse für die Sitten der Lakedaimonier. Ihren Konservativismus auf dem Gebiete der Jugenderziehung und der Leibesübungen haben die Ausgrabungen der Engländer in Sparta durch neugefundene inschriftliche Belege erhärtet (Ann. Brit. sch. Ath. XII. XIII und Gardiner a. O. 183ff.).

Aber alle theoretischen und praktischen Versuche, den fortschreitenden Verfall der altehrwürdigen Kunst hintanzuhalten, waren vergeblich, zumal im 4. Jhdt. unter den Lehrern der Jugend die Abneigung immer entschiedener hervortritt (Himer. XXII 7. Liban. ep. 1119). Die Sache hatte sich in sich selbst überlebt, und äußere Umstände kamen hinzu, die ihren Untergang beschleunigten. Auch die Scheinfreiheit, die sich Hellas lange Zeit bewahrt hatte, ging allmählich verloren, und als das Christentum unter Constantin als Staatsreligion Eingang fand, richtete sich der Kampf gegen alle Einrichtungen, die dem Heidentum irgendwie zur Stütze dienten. Dazu gehörten aber vor allem auch die auf kultlicher Grundlage erwachsenen panhellenischen Feste und die dort abgehaltenen Wettkämpfe. Ihr Glanz erblaßte immer mehr und mehr, sie wurden der Reihe nach abgeschafft, und in der 293. Olympiade (393 n. Chr.), unter Theodosius I., wurde auch das Hochfest des Zeus in Olympia zum letztenmal gefeiert. Der letzte Olympionike, dessen Name uns erhalten ist, war der armenische Prinz Varazdates, der 385 einen Sieg im Faustkampf davontrug. In den Provinzen, namentlich im Orient, fristeten manche öffentlichen Spiele, z. B. zu Antiochia in Syrien, noch eine Zeitlang ihr Dasein (Corsini Diss. agonist. I 11. IV 11. Krause Olympia 210).

IV. Die Gymnastik im Mythos.

Wie sich jede Lebensäußerung der Griechen in ihrem Mythos wiederspiegelt, so wird natürlich auch die G. in die höhere Sphäre der Götter und Heroen projiziert und die Repräsentanten der kraftvollen männlichen Jugend unter ihnen mit ihr in Verbindung gebracht. Von den Göttern ist es besonders Apollon und Hermes, von den Heroen Herakles und Theseus, die hier in Betracht kommen und die als Patrone der Turnkunst angesehen wurden. Andere kommen hinzu, und auch was Homer uns über die trojanischen Helden berichtet, gehört, streng genommen, hieher und ist nur als Spiegelbild der ältesten Verhältnisse und als erste Nachricht an die Spitze der geschichtlichen Entwicklung gestellt worden. [2071]

Apollon wurde als schöner, kräftiger und siegreicher Heldenjüngling vorgestellt (Hymn. in Apoll. Pyth. 271. Callim. Apoll. 86. Apoll. Rhod. II 674ff.). Nach einer olympischen Legende hatte er den Hermes im Lauf, den Ares im Faustkampf besiegt (Paus. V 7, 10), desgleichen im Faustkampf den Phorbas (Hymn. in Apoll. 211. Schol. Hom. Il. XXIII 660; vgl. auch Gerhard Auserl. Vasenb. 70 und Paus. X 32, 6). Doch pflegte er auch andere Übungen z. B. den Diskoswurf, und er soll mit der Scheibe seinen Liebling Hyakinthos getötet haben (Phil. Imag. I 24). In Sparta hatte er den Beinamen Κάρνειος Δρομαιεύς (Paus. III 14, 6. CIG 1446), in Kreta hieß er δρομαῖος (Plut. quaest. conv. VIII 4) und wurde neben Hennes und Herakles als Vorstand der Gymnasien und Palästren und als Vorbild und Hüter der männlichen Jugend verehrt. Die apollinischen Feste wie die Gymnopaidien in Sparta, die Theoxenien zu Pellene, die Pythien zu Delphi und die Aktia waren mit gymnischen Agonen verbunden. Vgl. Krause Gymn. 52f. 170ff. Roscher Myth. Lex. I 242f. Preller-Robert Gr. Myth.4 I 272ff. Wernicke Jahrb. VI 215f.

An Hermes wird bei Homer und im Hymnus die Schnelligkeit und Kraft hervorgehoben, und diese beiden Eigenschaften haben ihn offenbar auch zum Gott der G. und Agonistik und zum Ideal der trainierenden Epheben gemacht, da es ja bei den gymnastischen Übungen und Wettkämpfen in der Tat vor allem auf Schnelligkeit und Kraft ankommt. Als Patron der Leibesübungen und Spiele hatte er den Beinamen ἀγώνιος oder ἐναγώνιος (z. B. Pind. Ol. VI 79; Pyth. II 10; Isthm. I 60. Schol. Nem. X 53. Simonid. bei Athen. XI 490 F. Aristoph. Plut. 1161. Hor. carm. Ι 10, 3. Ovid. Fast. V 667. CIG 251. 1421. 4377. Kaibel Epigr. gr. 295. 948). Die Palästren und Gymnasien waren ihm heilig, galten als seine Stiftungen und wurden nach ihm benannt (so in Athen Paus. I 2, 4), und dort sowie an den Eingängen von Stadien standen auch seine Bilder, Altäre und Inschriften, die ihn verherrlichten (Paus. V 14, 9. VIII 32, 3. 39, 6. I 2. 5. 17, 2. Phil. Gymn. 16; vgl. auch Roscher Myth. Lex. I 2391). Zu Tanagra erscheint er als Ephebe im Kampfe an der Spitze der Epheben mit einer Striegel bewehrt (Paus. IX 22, 2). An verschiedenen Orten wurden ihm zu Ehren Wettkämpfe von Knaben und Jünglingen veranstaltet (?ρμαια, s. d.), so zu Pheneos in Arkadien, Pellene in Achaia, Kydonia auf Kreta, zu Athen, Syrakus und Teos (Paus. VIII 14, 10. Schol. Pind. Ol. VII 156. Aischin. Timarch. 10. Plat. Lys. 206 D. 223 B samt Schol. Teophr. Char. 27. CIG 3087). Hermes selbst zeichnete sich in einer Reihe von Kämpfen aus. so im Faustkampf, Lauf und Diskoswurf, und wurde auch als jugendlicher Athlet mit dem Diskos oder der Striegel dargestellt (Korinna frg. 11 B. Heracl. incredib. 9; vgl. auch den Art. Hermes). Spätere Sagenformen feiern ihn als Lehrer der G. (Luc. dial. deor. 26, 2) und als Vater (Phil. imag. II 32) oder Geliebten der Palaistra (Serv. Aen. VIII 138). Näheres darüber bei Krause Gymn. 169ff. Roscher Hermes der Windgott 36ff. und Myth. Lex. I 2367f. Preller-Robert a. O. 415ff. [2072] Habich Jahrb. XIII (1898) 61f. Gruppe Gr. Myth. II 1340f. Spathakis Athen. I 320. Farnell Cult. of the gr. stat. V 28ff.

Herakles war der körpergewaltigste unter allen Heroen und somit der gegebene Träger aller gymnastischen und athletischen Tugenden. Unter seinen Taten kommen für die Palästra insbesondere die Ringkämpfe in Betracht, die er mit verschiedenen Unholden ausfocht. So mit Acheloos in Aitolien, der übrigens als ἐναγώνιος verehrt wurde (Phil. Heroic. II 146. 29 Kays.; s. o. Bd. I S. 214ff.), Antaios in Libyen (Bd. I S. 2340f.), Eryx in Sizilien usw. (Bd. VI S. 604), ja auch der Kampf mit dem nemeischen Löwen gehört hieher. Doch war er nicht bloß ein gewaltiger Ringer, sondern auch Pankratiast und hat in beiden Kämpfen Siege davongetragen (s. o. und Paus. V 8, 4. Schol. Pind. Pyth. p. 297. Hygin. 273). Ihm wird von einer älteren Überlieferung die Stiftung und Ordnung der olympischen Spiele zugeschrieben (Pind. Ol. III 11ff. XI 42ff. Lysias bei Dion. Hal. Lys. 30. Kallim. in den Aitia, Schneider II 64f.), während nur jüngere Nachrichten vor ihm den idäischen Herakles als Gründer ansetzen. Dort siegte er auch im Faustkampf und Pankration (Paus. V 8, 4) und wurde daher von Archilochos in einem Hymnus als καλλίνικος gepriesen. So wurden denn auch allenthalben gymnische Spiele veranstaltet, die seinen Namen trugen (Herakleen). Er galt sowohl als Vorbild für die Epheben und Palästriten wie auch insbesondere für die Berufsathleten und wurde demnach in zwei Grundtypen dargestellt. Einerseits der bartlose jugendliche, als dessen Modell der palästrisch ausgebildete attische Ephebe vorgestellt werden kann, dem Athletenideal des 5. und 4. Jhdts. entsprechend, mit leichtem, schlanken Körperbau. Solche Statuen waren neben Hermes, Eros und den Dioskuren in den Gymnasien zu sehen; (vgl. z. B. Furtwängler bei Roscher I 2156–2160. 2179). Der zweite Typus, der sich in nachalexandrinischer Zeit entwickelte, zeigt den Habitus eines Berufsathleten: gewaltige Gliedmaßen, kolossale Muskulatur, ein mächtiger Nacken bei verhältnismäßig kleinem Kopf und kurzer Hals. Diesen Typus repräsentiert am besten der sog. Herakles Farnese. Die Verehrung, die ihm die Athleten als Schutzpatron ihrer Zunft entgegenbrachten, zeigt sich, wie wir sahen, auch darin, daß man seine Leistungen nachzuahmen und zu erreichen suchte (δεύτερος ἀφ' Ἡρακλέους), ferner darin, daß sein Name in den Titel von Athletenvereinen aufgenommen wurde (σύνοδος ξυστικὴ τῶν περὶ Ἡρακλεά; vgl. Preller Gr. Myth. II3 259ff.).

Theseus ist ein Abbild des Herakles auch im Hinblick auf sein Verhältnis zur G. Das Muster eines attischen Epheben, ist er natürlich auch in alle Künste der Palästra eingeweiht und versinnbildlicht im Kampfe mit Unholden, wie übrigens auch Herakles oder z. B. auch Polydeukes, den ersten Triumph kunstmäßiger G. über rohe Gewalt. Der Gegensatz scheint allerdings nicht konsequent durchgeführt, da Plat. Leg. 796 A auch den Antaios, Kerkyon, Epeios und Amykos als Erfinder von Kunstgriffen im Ringen und Faustkampf bezeichnet. Indes nach Paus. I 39, 3 war Theseus der Erfinder der Ringkunst [2073] und hat den Kerkyon σοφί? niedergerungen; vgl. die Schale des Duris (Gerhard Auserl. Vasenb. III 234. Baumeister Denkm. III 1789 und die übrigen von Klein Euphronios 71ff. zusammengetragenen Darstellungen, ferner Wernicke Jahrb. VI 208ff.). Auch den Minotauros bekämpft Theseus zwar in älterer Zeit mit dem Schwert, später aber mit den Künsten der Pale und des Pankration (Baumeister III 1790f.). Es war eine naheliegende Pikanterie, ihn auch mit seinem dorischen Urbild Herakles im Kampfe zusammenzustellen, der dann natürlich unentschieden blieb (Phot. bibl. cod. 190 p. 151 Bekk. Eustath. Il. V 589, 40). Auch Theseus wurde in Gymnasien und Palästren durch Altäre und Standbilder geehrt, so z. B. zusammen mit Hermes und Herakles im Gymnasion zu Messene (Paus. IV 32, 1), und ihm zu Ehren wurden zu Athen gymnische Agone (Theseia) veranstaltet (Mommsen Feste d. St. Athen 278ff.).

Von sonstigen Mythen, in denen die G. eine Rolle spielt, sind vor allem zu erwähnen mehrere Episoden der Argonautensage (vgl. Jessen o. Bd. II S. 743ff). Zu Ehren des Thoas veranstaltete Iason auf Lemnos Kampfspiele, deren Preise in Gewändern bestanden (Belegstellen o. Bd. II S. 755). Philostr. Gymn. 3 läßt damals den Iason zum erstenmal fünf Übungen vereinigen und so das Pentathlon erfinden. Telamon war der beste im Diskoswurf, Lynkeus im Speerschuß, in Lauf und Sprung die Söhne des Boreas, Peleus überragte alle im Ringkampf und blieb dadurch auch Sieger im ganzen Pentathlon. Vor der Einfahrt in den Bosporus entwickelt sich zwischen Polydeukes und dem Bebrykerfürsten Amykos der auf der Ficoronischen Cista so schön verewigte Faustkampf um die Quelle, der mit der Niederlage und Fesselung des Barbaren endigte (s. o. Bd. II S. 759f.). In Iolkos wurden nach dem Tode des Pelias die berühmten ἆθλα ἐπὶ Πελίᾳ gefeiert, die am amykläischen Thron und auf der Kypseloslade dargestellt waren. Herakles war Kampfrichter. Es gab Pferderennen, einen Faustkampf zwischen Admetos und Mopsos, Ringen zwischen Iason und Peleus oder nach dem korinthischen Deinos, Berlin 1655 (Mon. d. Inst. X Taf. 4. 5), zwischen Peleus und Hippalkimos oder nach Apollod. III 9, 2 zwischen Peleus und Atalante, außerdem Diskoswurf und Wettlauf, worin Iphiklos siegte. Die Preise waren Dreifüße (vgl. Preller Gr. Myth. II3 338ff. Weizsäcker bei Roscher Myth. Lex. III 1859). Der Ringkampf zwischen Peleus und Atalante ist auch sonst, wenn auch ohne Bezug auf die Leichenspiele des Pelias auf sf. Vasen dargestellt (vgl. besonders Gerhard Auserl. Vas. 237. ferner 177), dann auf einem etruskischen Spiegel (Gerhard Etr. Spiegel Taf. 224). Im Ringkampf hat Peleus nach der älteren Sagenversion auch seine Gemahlin Thetis gewonnen (vgl. hierüber Bloch bei Roscher Myth. Lex. III 1834f.). Atalante erscheint dann auch in anderem Zusammenhang als sportfrohe Jungfrau, nämlich im Wettlauf mit ihrem Freier Hippomenes oder Melanion, der sie durch die List der goldenen Liebesäpfel besiegt (Escher o. Bd. II S. 1894f.).

V. Verhältnis zur Kunst.

Für die griechische Kunst wurde die griechische G. von grundlegender Bedeutung, und Furtwängler [2074] sagt mit Recht, daß erstere ohne letztere nicht denkbar sei. Die griechische Kunst steht von allem Anfang an unter dem Zeichen der G. und hat sich von diesem Einfluß nie ganz freigemacht. Dadurch unterscheidet sie sich auch von der des Orients. Während den Ägyptern, Babyloniern und Assyriern die G. in griechischem Sinne unbekannt war, und ihre Kunst daher auch nicht den gymnastisch durchgebildeten Körper kannte, übernimmt die griechische Kunst frühzeitig von der G. die völlige Nacktheit und bildet das nackte athletische Ideal, ja auf dieses Ideal ist die griechische Kunst zunächst ganz gerichtet. Wir haben darin ein Hauptmerkmal derselben zu erkennen, durch das sie sich von der Kunst aller anderen Völker und Zeiten wesentlich unterscheidet. Ebenso wie die kunstgemäße G. der griechischen Kultur eigentümlich war, so ist auch das gymnastische Ideal der griechischen Kunst ausschließlich eigen und sonst nirgends anzutreffen. Seine Herrschaft ist ein beredter Beweis dafür, welche Rolle die G. namentlich vom 6.-3. Jhdt. v. Chr. beim Volke spielte, denn nur unter ihrem Einfluß konnte der Zeitgeschmack, der sich in jener Erscheinung ausprägt, diese Richtung einschlagen. Ein Hauptmoment ist hiebei eben die völlige Nacktheit der Athleten bei den Übungen. Die vom Training herrlich durchgebildeten gesundheitstrotzenden Körper der turnenden Jugend zogen die Aufmerksamkeit und Bewunderung der Zuschauer auf sich und bei den Wettkämpfen wird nicht bloß die Energie und Körperkraft, sondern auch die Schönheit angestaunt. Tyrt. frg. 10 v. 29 schildert den Eindruck eines schönen Jünglings auf Männer und Frauen. Herod. V 47 erwähnt Philippos aus Kroton, der in Olympia gesiegt hatte und als der schönste der Hellenen angesehen wurde. Wegen seiner Schönheit errichteten ihm die Bewohner von Egesta ein Heroon. Auch Kallikrates war nach Herod. IX 22 seinerzeit der schönste der Hellenen. Die gleiche Bewunderung jugendlicher männlicher Schönheit spricht aus den zahlreichen sog. Lieblingsinschriften der Vasenmaler des 5. Jhdts. (Klein Lieblingsinschr.²) und den übrigen Nachrichten über die Knabenliebe der Hellenen (vgl. Bethe Rh. Mus. LXII 438), die in ihren lasterhaften Auswüchsen die Palästren und Gymnasien entweihte, in ihrer edlen Form als ästhetisches Wohlgefallen an der Schönheit und im Sinne der platonischen Liebe im 5. und 4. Jhdt. in Athen offenbar von hervorragender gesellschaftlicher Bedeutung war. Dieser Erscheinung mußte also auch die Kunst und das Kunsthandwerk Rechnung tragen. Die Bestellung von Siegerstatuen mag den Anlaß zu dem bisher unerhörten Versuch gegeben haben, den Menschen völlig nackt zu bilden; denn den Sieger so im Bilde festzuhalten, wie er den Sieg errungen, war naheliegend. Aber man ließ sich durch die Ehrfurcht vor den Göttern nicht abhalten, auch sie völlig nackt darzustellen, ja bildete kämpfende Krieger, wie in den Äginagiebeln, entgegen der Wirklichkeit fast ganz nackt. Das läßt sich nur dadurch erklären, daß das nackte athletische Schönheitsideal, das unter dem Einfluß der G. geschaffen worden war, den Kunstgeschmack allmählich so souverän beherrschte, [2075] daß es sich gegen alle Bedenken und unter allen Umständen rücksichtslos durchsetzte. Die ältesten Beispiele sind die sog. archaischen Apollonfiguren (Deonna Apollons archaiques, Genf 1909), die allenthalben in Griechenland gefunden wurden und unter denen sich gewiß manches Bildnis eines siegreichen Athleten befindet, wie die Beschreibung des Standbildes des Arrachion in Phigalia bei Paus. VIII 40, 1 beweist. In der Darstellung des menschlichen Körpers ist in engen Grenzen an einzelnen dieser Figuren ein gewisses Schwanken der Proportionen zu beobachten. Bald elegante Schlankheit wie am Apollon von Tenea, der die Körperentwicklung eines Läufers zu haben scheint, bald Schwere und Gedrungenheit wie an einer Statue in Delphi (Gardner Handb. of gr. sculpt. Fig. 134), für die wohl ein Schwerathlet Modell gestanden. Dazwischen aber eine lange Reihe von Figuren, die ein Mittelmaß repräsentieren. Und dieses entspricht auch dem damaligen Stand der Athletik in der eine Spezialisierung als Selbstzweck erst allmählich Eingang fand und eine harmonische Durchbildung des Körpers, wie sie insbesondere beim Pentathlos selbstverständlich war, noch als Regel gelten konnte. Nur die Läufer werden bereits eine Ausnahme gebildet haben. Dieses Ebenmaß ist in hohem Grade, aber bereits in konventioneller Einförmigkeit, z. B. an den Giebelfiguren von Ägina zu beobachten, und es ist kein Zufall, daß diese Insel durch ihre Athleten berühmt war, die, den vornehmen aristokratischen Kreisen angehörig, von Pindar und Bakchylides in den Siegesliedem verherrlicht wurden. Die Spezialität, in welcher ein Athlet gesiegt hatte, wurde daher nicht durch die körperliche Differenzierung am Siegerbilde, sondern durch Attribute angedeutet; z. B. durch solche des Waffenlaufes (Paus. VI 10, 4), einen Diskos (Diskobol des Myron, Diskosträger im Vatikan Helbig Führer2 338), einen Speer (Doryphoros des Polyklet), Halteren (Paus. V 26, 3. 27, 12. VI 3, 10) oder Faustriemen (Schol. Pind. Ol. VII 1), auch durch die Stellung des Körpers und der Arme (Paus. VI 10, 3 σκιαμαχοῦντος δὲ ὁ ἀνδριὰς παρέχεται σχῆμα). Dieses natürliche Ebenmaß der lebenden Modelle, die den Künstlern auf den Sportplätzen zur Verfügung standen, hat sie in ihrem Streben nach idealer Auffassung der menschlichen Gestalt gewiß unterstützt; denn was sonst an schönen Motiven einzeln mühsam hätte zusammengesucht werden müssen, das fanden sie in manchen durch die G. zur Vollkommenheit entfalteten Körpern von Natur glücklich vereint und ohne weiteres für künstlerische Nachahmung geeignet. Doch hätte es bei dem eminenten künstlerischen Vermögen der Griechen dieses günstigen Umstandes gar nicht bedurft. Denn während die orientalische Kunst bei der Darstellung eines kräftigen Körpers gern zu Übertreibungen neigt, ist der Kunst der klassischen Epoche der Griechen derartiges fremd, da sie nicht nur nach Darstellung von Kraft, sondern auch von Schönheit strebt. Die Schönheit aber beruht im Ebenmaß.

Die richtigen Proportionen des menschlichen Körpers bilden denn ein Problem, das sich jeder bedeutendere Künstler stellt, das aber in den verschiedenen Schulen eine verschiedene Lösung findet. [2076] Am besten bekannt ist uns die Auffassung der argivischen Schule durch die Entdeckung des Doryphoros oder Kanon des Polykleitos (s. d.) und seines Diadumenos, welche beweisen, daß dort etwas mehr die Körperkraft betont wurde, während man zu Athen eher die Schlankheit und Eleganz der Formen bevorzugte, zu der sich später auch der Sikyonier Lysippos bekannte. Trotz dieser Verschiedenheiten einzelner Schulen und Künstler kann die Wiedergabe des männlichen Körpers in der Epoche des freien Stiles des 5. Jhdts. bei Betrachtung aus größerer Distanz als einheitlich gelten. Das 4. Jhdt. und die Folgezeit hatte diesem Athletenideal nichts Wesentliches hinzuzufügen, doch verleitet der damals einsetzende Realismus gelegentlich auch zur Darstellung einer über das Ebenmaß hinausgehenden Körperfülle, wie sie den Berufsathleten eigen war. Ein Beispiel bietet die auf das J. 336 v. Chr. datierte panathenäische Amphora des Britischen Museums (abgeb. Jüthner Ant. Turng. 83. Gardiner Athlet. sports 407) oder der Herakles Farnese. In der römischen Kaiserzeit griff man erst recht auf die großen Vorbilder des 5. Jhdts. zurück und bildete auch die römischen Imperatoren und ihre Angehörigen in der herkömmlichen athletischen Idealform ab. Die Ausschließlichkeit der Herrschaft dieses männlichen Ideals geht ferner daraus hervor, daß es in der ersten Zeit auch die Bildung der weiblichen Gestalt beeinflußte und sich assimilierte. Die ältesten Frauenfiguren erscheinen schlank, mit schmalen Hüften, breiter kraftvoller Brust und straffer Muskulatur. Erst gegen Ende des 5. Jhdts. kommen spezifisch weibliche Züge auf, und erst das 4. Jhdt. bildet ein eigentliches weibliches Ideal. Ganz ähnlich verfährt man bei der Darstellung von Kindern, die zwar einen entsprechend kleinen, aber im wesentlichen athletisch durchgebildeten Körper erhalten.

Aber nicht bloß die Bildnerei, sondern auch die Kleinkunst hat die Herrschaft des athletischen Ideals verspürt, vor allem die Vasenmalerei. Athletische Darstellungen treten frühzeitig auf, Anfangs hängt dies wohl mit dem Totenkult zusammen, bei welchem Leichenspiele, wie wir wissen, von besonderer Bedeutung waren und auch für die Grabvasen den Stoff lieferten. Die mythischen Kämpfe (s. o.), namentlich des Herakles, kommen hinzu, den Hauptanstoß aber gab doch die allmähliche Verbreitung des gymnastischen Sportes. Das Eindringen des athletischen Ideals kann man nun auch auf den Vasenbildern deutlich beobachten. Die ältesten sf. Tongefäße zeigen jenen Typus bärtiger Athleten mit ansehnlicher Körperfülle und stark entwickelter Muskulatur, die uns bestimmte, die ersten Anfänge der Berufsathletik bis in jene Zeit hinaufzuverlegen. Diese Gestalten verschwinden schon auf den jüngeren sf. Vasen und machen hier und namentlich in der rf. Malerei dem idealen Ebenmaß des athletisch durchgebildeten Epheben Platz, das von nun an in konventioneller Einförmigkeit auf jeden Körper angewendet wird, so daß die dargestellten Athleten wie Brüder oder Angehörige einer großen Familie anmuten. Das Wunderbare aber ist, daß diese stetige Wiederholung und Variierung des gleichen Typus in der Groß- und Kleinkunst keineswegs ermüdend wirkte. Ebenso wie er bei [2077] Griechen und Römern Jahrhunderte hindurch den Kunstgeschmack beherrschte, so werden auch wir nicht müde, an dem Statuenreichtum unserer Museen die Modellierkunst der Alten zu bewundern. ,Diese griechischen Männergestalten sind eben die herrlichsten Menschen, die die Kunst aller Zeiten geschaffen hat.‘ Über die Beziehungen der G. zur Kunst vgl. Waldstein The influence of athlet. games upon gr. art, Friday 1883. Lange Darstellung d. Menschen in d. ält. griech. Kunst. Straßburg 1899. Furtwängler Die Bedeutung der Gymnastik u. d. griech. Kunst. Monatsschr. ,Der Säemann‘ 1905. Gardiner Athlet. sports 86ff.

VI. Die Übungen.

Vorbereitung. Vorgenommen wurden die gymnastischen Übungen in der Palästra und dem Gymnasion, und zwar unter der Aufsicht von Trainern, welche Paidotriben, Gymnasten und Aleipten hießen (s. die betr. Artikel). Ihre Aufgabe war es, nicht nur die turnerische, sondern auch die hygienische Seite des Training zu leiten, und dazu gehörte, abgesehen von der Regelung der Diät, insbesondere die Salbung, die vor und nach dem Turnen vorgenommen wurde (ἀλείφειν, auch ξηραλοιφεῖν, Jüthner Phil. Gymn. 308–311). Bei Homer noch unbekannt wurde die Einreibung mit Öl nach Thuc. I 6, 5 zuerst von den Lakedaimoniern eingeführt, und nach Phil. Gymn. 43 verwendete man hierzu in der guten alten Zeit Öl vom wilden Ölbaum (κοτίνου τε ⟨καὶ⟩ φυλίας ἔχριον αὑτοὺς λίπα). Später war jedoch feines Olivenöl im Gebrauche und bildete die Hauptausgabe bei der Erhaltung der Gymnasien. Erst in der Kaiserzeit kam man auf den Gedanken, das Öl mit Wachs zu verdichten und so eine Art Salbe herzustellen (κήρωμα, κηρέλαιον Plut. quaest. conv. II 4. Gal. VI 445. XIII 1005f. Oribas. II 57. Sen. ep. 57, 1. Plin. n. h. XXVIII 51. Mart. IV 19, 5. Iuven. III 68. VI 246). Die Einölung hatte namentlich beim Ringen und Pankration einen besonderen Sinn (Luc. Anach. 1), scheint aber nach Ausweis der schriftlichen und monumentalen Überlieferung bei allen Übungen ohne Unterschied angewendet worden zu sein. Die gleich zu erwähnende Petersche Cista beweist es für den Faustkampf, der Atalantekrater Mus. ital. II Taf. 2 a. Theocr. XVIII 22ff. Epict. III 23. 2. Stat. Theb. VI 576 (vgl. dagegen Plut. quaest. conv. II 4) für den Lauf, die rf. Schale in Bologna Giardini 29 für den Speerwurf, Ovid. met. X 176 für den Diskoswurf. Die Epheben haben sich sogar beim Tragen des Stieres gesalbt: Strab. XIV 2. Und so verkündete denn nach Schluß der olympischen Spiele der Herold ausdrücklich die Einstellung der Salbung: Phil. Gymn. 7.

Nachdem sich der Athlet vollkommen entkleidet hatte, holte er sein Ölfläschchen (ληκύθιον) hervor, das zu Hause oder in einem besonderen Raum der Anstalt (s. die Art. Ἀλειπτὴριον und Elaeothesium) gefüllt wurde, und indem er daraus das Öl über seinen Körper in die andere Hand träufelte, rieb er dasselbe am ganzen Körper ein (vgl. z. B. den Salber in München 165 = Friederichs-Wolters Gypsabg. 462 und ähnliche Statuen wie in Dresden 38 und sonst, ferner Vasenbilder wie Arch. Ztg. 1879 [2078] Taf. 4. Gerhard Trinksch. u. Gef. Taf. XIII 6). Auch konnte dabei einer dem andern helfen (Luc. Anach. 1. Die sog. Petersche Bronzecista im Mus. Greg. (B) I Taf XXXVII 1, wovon das betreffende Detail auch bei Schreiber Bilderatl. I Taf. XXIII 9. Erotensarkophag Müller-Wieseler II, LII 653 a). Knaben besorgen das Geschäft an einem siegreichen Faustkämpfer, verkannt von Dütschke Ant. Bildw. II nr. 177. Die Berufsathleten jedoch, die sich einem regelrechten Training unterzogen, ließen das Einreiben und Massieren unter Anwendung großer Sorgfalt von einem geschulten Gymnasten oder Aleipten vornehmen, welch letzterer von diesem Geschäft ja auch den Namen hat (vgl. auch ἐλαιοχρίστης Aeg. Pap. Berl. II n. 576).

Als Zweck der Einölung wird von Lukian angegeben, der Körper solle elastischer (εὐτονώτερον) und dann auch glatt und schlüpfrig gemacht werden, um das Zupacken beim Ringen zu erschweren (Anach. 24 u. 28), doch ist damit die Wirkung gewiß nicht erschöpft, sie ist vielmehr vor allem eine hygienische und wird von der späteren Medizin mit der feucht-warmen Qualität des Öles erklärt. Sehr genau wurden die verschiedenen Arten der Massage auf ihre Wirkung hin unterschieden (vgl. o. Bd. I S. 1360 und Art. Τρίψις). Schon Hippocr. de offic. medici 17 (III 322 L.), wozu Galens Kommentar I 26 (XVIII 2. 871ff. K.) zu vergleichen ist, lehrte, daß die harte Massage den Körper binde, die weiche löse, die reichliche mager mache, die mäßige befleische. Andere haben das noch weiter ausgeführt. Von Galen werden wir über die Arten, die Durchführung und Anwendung sowie über die Wirkungen der τρίψις im 2. und 3. Buch seiner Hygiene ausführlich unterrichtet und er zeigt insbesondere, in welch enger Verbindung sie mit der G. steht. Ja als passive Bewegung zählt er sie sogar zu den Leibesübungen. Die Einreibung, die dem Turnen vorangeht, nennt er die vorbereitende (παρασκευαστική), die, welche ihm folgt, die Schlußpflege (ἀποθεραπεία, s. u.). In der Kaiserzeit wurden aber die Methoden überaus fein differenziert und die Wirkungen der einzelnen Arten der Massage genau beobachtet; vgl. Gal. VI 96ff., der dort ein Zitat aus der G. des Gymnasten Theon wörtlich anführt (Jüthner Phil. Gymn. 19ff). Nach der Qualität unterschied man harte, weiche und gemäßigte Massage, die quantitativ in verschiedenen Graden verabreicht wurde. Durch Kombination ergaben sich dem Theon sechs, dem Galen, der auch bei der Quantität eine Mittelstufe annimmt, sogar neun Unterarten, die auf das genaueste beschrieben und nach ihren Wirkungen und Anwendungen unterschieden wurden. Manche Gymnasten ließen sich hier Übertreibungen zuschulden kommen, die wiederum das Mißfallen Galens erregen: Es sei ein Zeichen von Unkenntnis, zu meinen, ,daß die Einreibung der Quere nach, die einige auch die runde nennen den Körper verhärtet, verdichtet, schnürt und zusammenzieht, in gerader Richtung aber verdünnt, lockert, erweicht und löst‘. Durch den Mangel an logischer Einsicht gelangen die meisten Gymnasten dazu soviele Unterschiede der Einreibung anzunehmen, daß man sie nicht mehr recht zählen kann. Sie unterscheiden solche, die [2079] unter freiem Himmel, unter Dach oder im Halbschatten vorgenommen werden, ferner an einem windigen oder windstillen, einem warmen oder kalten Ort, in der Sonne, im Bade, vor dem Bade oder in der Ringschule, kurz man verliert sich in subtile und unfruchtbare Differenzierungen (Galen. VI 93ff.). Die Wirkungen der Massage richten sich nach ihrer Eigenart. Sie kann sein erwärmend, Fleisch mehrend oder mindernd, entfettend usw. Über die Verwendung des Öles in der G. haben im allgemeinen gehandelt Krause Gymn. 230ff. 360ff. 406ff. Grasberger Erz. u. Unt. I 341ff. Petersen Gymnas. d. Griech. 13. 41f. Küppers Apoxyomenos. Besnier bei Daremberg-Saglio IV 168. Jüthner Phil. Gymn. s. Sachregister.

Neben dem Öl spielt auch der Sand oder Staub (κόνις) als hygienisches Mittel eine Rolle. Ein Hauptraum der Palästra, der eigentliche Ringplatz, war nach ihm benannt (κονίστρα, κονιστήριον, auch κόνισμα: Dittenberger Syll.2 II 506), weil er ganz mit tiefem Sand bedeckt war, in welchem sich die Ringenden wälzten, sich auch bewarfen und so ihre gesalbten Leiber über und über bestaubten: Sen. ep. 58 a ceromate nos aphe (d. h. ἀφή, s. d.) excepit (Petersen Gymnas. 39, 11. Buesgen Gymnasii Vitruv. palaestra 11ff. Fougères bei Daremberg-Saglio II 1688). Der Sand wurde, wie es scheint, in Körben (κόνεως σπυρίς Poll. X 64) aufbewahrt oder herbeigeschafft. Wenigstens findet sich ein solcher Sandkorb z. B. auf panathenäischen Amphoren wie München 449, auf späten Sarkophagen (vgl. Helbig Führer2 654. 859 und Müller-Wieseler II, LII 653 b), auch auf einem pompeianischen Wandgemälde (vgl. Jahrb. 1889, 135). Die Bestaubung des Körpers wurde auch unabhängig vom Ringen als hygienisches Mittel angewendet. Vom Standpunkt der Elementenlehre und in seinen Wirkungen gilt der Staub so ziemlich als das Gegenteil vom Öl. Er ist seiner Natur nach trocken und kalt und dient daher gegen Hitze und Feuchtigkeit (Ps.-Hippocr. π. διαίτ. II 64 [VI 580 L.]. 65 [582]. Gal. VI 162. 316. 367). Nach Lukian. Anach. 29 vermindert er die Schlüpfrigkeit der Glieder und indem er den Schweiß zurückhält, bewahrt er die Kräfte und schützt vor Verkühlung bei Luftzug, befördert auch die Reinhaltung des Körpers (vgl. auch Phil. Gymn. 42 und Krause Gymn. 233f. Hermann-Blümner Privatalt. 350). Daß mit der allmähligen Verfeinerung der Diätetik der feine Staub aus Ägypten herbeigeholt wurde, ist schon oben bemerkt worden, ja nicht genug daran, man machte auch genaue pharmakologische Unterschiede zwischen den verschiedenen Sorten von Staub (Phil. Gymn. 56 und dazu den Kommentar von Jüthner. Gal. VI 328f.).

Ähnlich wie der Staub wurde auch der Schlamm hygienisch verwertet, in welchem eine besondere Art des Ringens vorgenommen wurde (Luc. Anach. 8. Phil. Gymn. 53; vgl. auch Plut. quaest. conv. II 4. Gal. Thrasyb. 37. Phil. Gymn. 16). Die für dieses Wälzringen bestimmte Schlammtenne befand sich offenbar in einem gedeckten Raum (Luk. Anach. 2. 16). Die diätetische Wirkung des Schlammes lag in der Feuchtigkeit. Einen praktischen Vorzug erblickt Lukian (Anach. 28) darin, daß die sich in demselben wälzenden mit Öl und Schweiß bedeckten Körper aalglatt werden [2080] und schwer zu packen sind (vgl. Jüthner Phil. Gymn. 297).

Nach den Übungen war der Körper der Athleten mit einer Schichte von Öl, Schweiß, Staub und Lehm bedeckt, die nunmehr entfernt werden mußte. Das geschah mittelst der Striegel (στλεγγίς, ξύστρα, strigilis, s. d.), die ein sichelförmig gekrümmter, mit einem Stil versehener Löffel war (beschrieben Apul. Flor. X 13), gewöhnlich aus Erz oder Eisen, gelegentlich auch aus anderem Material. Da sie auch im Bade verwendet wurde, also ein Gerät des täglichen Lebens war, finden wir sie nicht bloß auf zahlreichen Darstellungen, insbesondere Vasenbildern, sondern es sind auch viele Exemplare aus dem Altertum erhalten (Mus. etr. I 65, 2. 67, 2. Mus. Borb. VII 16. Schreiber Bilderatl. XXI 5. Baumeister Denkm. I 244). Auf Vasenbildern oft mit Salbgefäß und Schwamm als Badegerät, z. B. Gerhard Ant. Bildw. 67. 1, 2; vgl. Krause Gymn. 627f. 932. Becker-Göll Charikles III 110. Guhl-Koner6 367f. Reinach Bull. hell. X 296ff. Hartwig Jahresh. IV 151ff.). Ausgeführt wird die Prozedur der Reinigung (ἀποξύειν, ἀποστλεγγίζειν Luc. orat. praec. 17) gewöhnlich von dem Athleten selbst, wie man dies an dem Apoxyomenos des Lysipp (Helbig Führer2 I 32), an der Bronze von Ephesos (Benndorf Forsch. in Eph. I Taf. VI. VII), an einem attischen Relief (Ann. d. Inst. 1862 T. d’agg. M. Furtwängler Bedeut. d. Gymn. 11) und an einer Reihe von Vasenbildern beobachten kann (besonders instruktiv für den ganzen Vorgang bis zur Reinigung mit Wasser Gerhard Auserl. Vas. IV 277, ferner Ann. d. Inst. 1856 Taf. XX. Arch.-epigr. Mitt. V Taf. 4. Röm. Mitt. III 199. Müller-Wieseler I, LVIII 320; vgl. auch Hartwig Jahresh. IV 151ff. VI 19ff.). Doch gehörte das Schaben auch zu den Geschäften des Gymnasτen (Phil. Gymn. 18). Der so vom Körper abgekratzte Schmutz (στλέγγισμα, strigmentum) war nicht bloß ein Leckerbissen für die in die Palästra mitgebrachten Hunde (Hartwig Meistersch. Taf. LXII 3; Berliner Hydria 2178), sondern wurde auch als Arzneimittel verwendet (Plin. n. h. XXVIII 50).

War der Schmutz im Groben entfernt, so ging es auch an die Reinigung mit Wasser, die ursprünglich an einem Waschbecken (Schreiber XXIII 3. Hartwig Meistersch. Taf. LXVII S. 258. Pottier pl. 91. Gaz. arch. 1887, 111. Ἐφημ. ἀρχ. 1890 Taf. 2. Bull. com. XII Taf. 23) oder an einem Brunnen vorgenommen wurde (Schreiber XXI 9). Später gab es im Gymnasien (s. d.) ausgedehnte, mit allem Komfort ausgestattete Badeanlagen. Zu einem komplizierten Vorgang hat die spätere kunstmäßige G. diese Behandlung nach den Leibesübungen ausgebildet (ἀποθεραπεία), ja dieser Art der Erholung in dem oben behandelten Tetradenzyklus einen eigenen Tag (ἄνεσις Phil. Gymn. 47) zugewiesen, an welchem hauptächlich Massage und leichte Leibesübungen, dann Bäder verordnet waren. Der ἀποθεραπεία hat Galen das zweite Kapitel des dritten Buches seiner Hygiene gewidmet. Sie besteht nach ihm vornehmlich aus leichter Massage und Anhalten des Atems (s. u.), dann aus mäßiger Bewegung (197) und warmen Bädern (202. 226). [2081] Nach seiner Ansicht ist auch inmitten der schweren Übungen, nicht bloß als Abschluß, diese Behandlung anzuraten (180). Ihr Zweck ist, die Erschlaffung (κόπος) hintanzuhalten, bezw. zu kurieren (vgl. auch Oribas. VI 16, 2ff.).

Aus dem Gesagten ist zu ersehen, daß das Einölen und Massieren des Körpers während der ganzen Entwicklung der G. in historischer Zeit einen der wichtigsten Behelfe des Training bildete. Dies geht schon daraus hervor, daß die Bezeichnung ἀλείφω allmählich die Bedeutung ,gymnastisch ausbilden, trainieren‘ erhielt (Schol. Pind. Ol. VIII 77 p. 199ff. Boeckh. Schol. Pind. Nem. IV 155) Ἀλείφομαι aber ist soviel wie ,sich dem Training widmen, turnen‘, daher ἀλειφόμενοι die trainierenden Epheben oder Athleten (IG II 467. III 739. Dittenberger Syll.2 681, 20; OGI 339, 73. 85. 764, 5. Hesych. s. παλαίστρα).

Kraftübungen. Es ist bereits oben erwähnt worden, daß der Begriff G. von manchen, z. B. Platon oder Galen, nicht auf Übungen der Palästra beschränkt, sondern in weiterem Sinne aufgefaßt wurde. Besonders ausführlich hat sich letzterer darüber geäußert in seiner Hygiene VI 133ff. Danach gibt es eigentliche Leibesübungen (γυμνάσια μόνον) und Verrichtungen, die als Leibesübungen Verwendung finden können (οὐ γυμνάσια μόνον, ἀλλὰ καὶ ἔργα, auch πόνοι, Arbeiten, genannt VI 85f.). Über letztere, zu denen er z. B. Graben, Rudern, Ackern, Lastentragen, Reiten, Fechten, Marschieren, alle Handwerkerarbeiten und andere Verrichtungen zählt, ist hier natürlich nicht zu handeln, über das Ballspiel sowie sonstige gymnische und Jugendspiele vgl. den Artikel Spiel (Krause Gymn. 290–333. Grasberger I 1. Abt.). Hier interessieren uns nur die eigentlichen Leibesübungen. Bei ihrer Aufzählung werden neben den agonistischen Übungen im engeren Sinn, auf die wir im folgenden zu sprechen kommen, auch solche genannt, die man schlechthin als Kraftübungen mit und ohne Turngeräte bezeichnen kann, wie solche auch heutzutage in den Turnschulen vorgenommen werden. Die wichtigsten von ihnen, wie sie von Galen a. O. und einzelnen anderen Schriftstellern erwähnt werden, sollen im folgenden zur Sprache kommen.

Die Ausführung von Kraftproben und Bravourstücken ist uralt, und die meisten derartigen Anekdoten werden von Milon von Kroton erzählt (Förster Ol. Sieger 122. Gal. VI 141). Vom Heben und Stemmen gewaltiger Steinblöcke war oben die Rede. Jene Übungen der Muskeln und Gelenke aber, die einerseits als Vorschule für die agonistische G., anderseits als hygienische Mittel dienen können, haben in der Palästra erst mit der Ausbildung der kunstmäßigen Athletik ihren Einzug gehalten, zum Teil sind sie wohl erst von späteren Ärzten erfunden worden. Wir wollen sie in zwei Gruppen besprechen, je nachdem hiebei Geräte zur Verwendung kommen oder nicht, und letztere zuerst ins Auge fassen.

Hierher gehören zunächst jene Geh- und Laufübungen, die Gal. VI 144 πιτυλίζειν und ἐκπλεθρίζειν nennt. Beim ersteren ging man auf den Fußspitzen einher und bewegte rasch die gestreckten Arme, den einen vorwärts, den andern rückwärts. Letzteres war ein Vor- und Rücklaufen [2082] innerhalb eines Plethron auf immer kürzerer Strecke, bis man in der Mitte stehen blieb (vgl. auch Oribas. VI 14, 6, dazu Daremberg in der Ausgabe I 655. Krause Gymn. 373. 511). Von dem Verfasser der Schrift περὶ διαίτης 63 wird auch ein nichtgymnischer Lauf in den Kleidern (οἱ ἐν τῷ ἱματίῳ δρόμοι) erwähnt. Auch Springen nach vorn und rückwärts und abwechselndes Heben der Füße kommt vor (Oribas. VI 14, 9).

Eine Reihe von Übungen diente zur Kräftigung der Hände. So die χειρονομία (s. d.), auch π. διαίτ. 64 erwähnt, eine Vorübung für den Faustkampf, oft gleichgesetzt der σκιαμαχία, dem Scheinkampf, einer Art Faustkampf ohne Gegner, wobei die Hiebe und Stöße in die Luft geführt wurden. Dazu kommt dann die ἀκροχειρία oder der ἀκροχειρισμός, zu dem allerdings schon ein Gegner nötig war, gegen den man die Hände gebrauchte, ohne es jedoch zu einer Umschlingung kommen zu lassen; vgl. Reisch o. Bd. I S. 1197f. Gardiner Journ. hell. Stud. XXVI 13f. Weitere Handübungen, die in π. διαίτ. 64 erwähnt werden, sind παρασείσματα wohl eine Art Schlenkern der Arme als Vorübung für den raschen Lauf über ein Stadion, mit dem es in der Wirkung verglichen wird, ferner die ἀνακινήματα und ἀνακουφίσματα, wohl einfache Handbewegungen, wie auch bei Oribas. VI 14, 9 καὶ μὲν δὴ καὶ διὰ τῶν χειρῶν ἐστιν ὀξὺ γυμνάσιον ὁμοίῳ τρόπῳ γυμνάσασθαι, χωρὶς τοῦ κατέχειν ἁλτῆρας ἐπισπεύδοντα τὰς κινήσεις αὐτῶν εἰς πυκνότητά τε ἅμα καὶ τάχος, εἴτε πὺξ ἐθέλοι τις, εἵτε χωρὶς πυγμῆς ἀνατείνειν ἁπλῶς.

Zur Kräftigung der Rumpfmuskeln diente das Rumpfbeugen (Gal. VI 146. Oribas. VI 14, 14), der Brustkorb aber wurde durch Lungen-G. gestärkt, die beim hygienischen Turnen von großer Wichtigkeit gewesen zu sein scheint. Die Übung bestand teils in starkem Atemholen, auch Singen (Gal. VI 146), teils im Anhalten des Atems, was später als Bestandteil der Apotherapie oder Erholungsübung angewendet wird (π. διαίτ. 64. Gal. IV 461. VI 170ff. VII 940. Oribas. VI 16, 10ff.; vgl. die Oribasiusausgabe von Daremberg I S. 655 und Daremberg-Saglio II 2, 1700). Andere Kraftübungen, die man überall ohne besondere Vorbereitung ausführen kann, gibt Galen VI 141 an: einer umfaßt den anderen in der Mitte und verschränkt die Finger, und dieser soll sich dann befreien; oder man schleppt einen, den man an den Weichen umschlungen hat und der nach vorne überhängt und eventuell noch den Oberkörper auf und ab bewegt; oder man sucht sich Brust an Brust zurückzustoßen oder am Nacken zu packen und herabzuziehen.

Das Geräteturnen, dem wir uns nun zuwenden wollen, scheint im Altertum nicht so ungewöhnlich gewesen zu sein, als man aus dem Schweigen unserer Handbücher schließen könnte. Hinzuzurechnen ist vor allem eine Arbeitsleistung, die von jeher in der Palästra notwendig war, nämlich das Graben (σκάπτειν) zum Lockern des Bodens der Ringschule und zur Herstellung des σκάμμα (s. d.). Das Instrument war eine große Spitzhacke (σκαπάνη, σκαφεῖον, δίκελλα), die auf Vasen mit Palästradarstellungen in der Hand der Palästriten oder in den Boden eingehackt überaus [2083] häufig abgebildet ist: ersteres Gaz. arch. 1887, 112f., Innenbild der Münchner Schale 1160; letzteres z. B. auf der bekannten Münchner Palästraschale. Daß das Graben als Leibesübung galt, beweist Plut. an seni resp. ger. 18 und Galen an der angeführten Hauptstelle, besonders auch Schol. Theocr. IV 10 οἱ γὰρ γυμνασταὶ τούτοις ἐχρῶντο ὑπὲρ γυμνασίας τῇ σκαπάνῃ σκάπτοντες καὶ τὰ ἄνω μέρη ἀναῤῥωνύντες; vgl. Athen. XII 518 D.

Von besonderer Wichtigkeit als Kraftübung war, wie auch heutzutage, das Hantelturnen (ἁλτηροβολία, s. d.). Von den Ärzten der Kaiserzeit angelegentlichst empfohlen, bestand sie in der Bewegung der mit den Halteren (s. d.) belasteten Arme oder, wenn das Gerät vom Boden aufgehoben wurde, auch im Beugen des Rumpfes. Bei den Schriftstellern findet sich häufige Erwähnung: Gal. VI 141. 147. Antyll. bei Oribas. VI 34. Aretaios morb. diut. I 2 (XXIV 299 K.). Epict. I 4, 13. Plut. a. O. Luk. Lexiph. 5 ὁ δὲ μολυβδαίνας χερμαδίους ἀράγδην ἔχων ἐχειροβόλει. Artemid. I 55. Themist. orat. XXIII 291 B. Mart. 7, 67. 14, 49. Iuv. 6, 421. Sen. ep. II 3, 4 u. s. Die Sache muß aber bedeutend älter sein, da man auf Vasenbildem des 5. Jhdts. Athleten mit Halteren in vorgeneigter Stellung abgebildet findet, die kein Sprungschema vorstellen kann, sondern nur als Hantelübung Sinn hat: Krause Gymn. 395ff. Taf. IX b 25 d u. XVI. Hartwig Meistersch. LXX 3 b. Jüthner Ant. Turng. 16f. Fig. 16, wo auch ausführlicher darüber gehandelt ist. S. dagegen Gardiner Athlet. sports 304.

Ein weiteres zur Kräftigung der Arme dienendes Gerät war der Korykos (s. d.), ein länglicher, mit einer körnigen Substanz (Sand, Korn, Mehl, Feigen) gefüllter schlauchartiger Ledersack, der an einem Seil so aufgehängt war, daß er einen Gegner im Faustkampf oder Pankration markieren konnte, gegen den man stoßend und drängend vorging. Für ersteren Zweck war ein kleinerer, für letzteren ein größerer und schwererer bestimmt. Im Gymnasion diente hiezu ein eigener Raum, das κωρυκεῖον (s. d.). Eine ähnliche Vorrichtung wird auch heute noch von den Faustkämpfern benützt. Erwähnt wird diese Übung (κωρυκομαχία oder κωρυκοβολία) in der Schrift π. διαίτ 64. Plat. Leg. VIII 830 B. Phil. Gymn. 57. Besonders ausführlich Antyll. bei Oribas. VI 33. Dann auch Plaut. Rud. 721. Hesych. s. v. Darstellungen sind selten. Ein sich übender Faustkämpfer auf der Ficoronischen Cista Wien. Vorl. 1889 Taf. 12 (Schreiber Bilderatl. XXIV 7) und ebd. die Karikatur Ann. d. Inst. 1870 tav. d'agg. R = Reinach Rép. I 324. Vgl. Krause Gymn. 104. 313f. Petersen Gymnas. 12 und 37, 10. Daremberg-Saglio Dictionn. I 1541; II 1688. Jüthner Phil. Gymn. 305f.

Daß man schließlich später auch noch andere Geräte wie das Seil oder Reck kannte, beweist Galen VI 140, der das Seilklettern (ἀναῤῥιχᾶται διὰ σχοινίου καθάπερ ἐν παλαίστρᾳ γυμνάζουσι τοὺς παῖδας) sowie das Hängen am Seil oder Reck erwähnt.

Agonistische Übungen, d. h. solche, die nicht bloß zur Kräftigung in der Palästra vorgenommen, sondern auch in ernstem Wettbewerbe bei den öffentlichen Kampfspielen vorgeführt wurden. Da über die einzelnen Arten die ausführlichen [2084] Spezialartikel Auskunft geben, genügt hier ein orientierender Überblick, und im übrigen wird auf jene Artikel und auf die am Schlusse angegebene Literatur hingewiesen. Es sind folgende:

1. Wettlauf, δρόμος oder τρόχος, die einfachste und wohl auch älteste Übung. Ihre Unterarten sind: a) Der einfache Lauf, στάδιον, bei welchem, wie schon der Name besagt, die Rennbahn, in Olympia 192 m, einmal zurückgelegt werden mußte, b) Doppellauf, δίαυλος, d. i. der Lauf über die Rennbahn und zurück. Wurde er in Waffenrüstung ausgeführt, so hieß er c) ὁπλίτης, d) Dauerlauf, δόλιχος. Während es bei den eben genannten mehr auf Schnelligkeit ankam, erforderte er Kraft und Ausdauer. Die Länge wird verschieden angegeben, 7–24 Stadien, was die Vermutung nahelegt, daß das Ausmaß von Fall zu Fall festgesetzt wurde, d) Roßlauf, ἵππιος, welcher vier Stadien betrug, e) Der Wettlauf als Bestandteil des Pentathlon (s. u.). Nicht für die großen Wettkämpfe, sondern vornehmlich für die attischen Epheben von Bedeutung war die λαμπαδηδρομία und σταφυλοδρομία; vgl. die betreffenden Artikel und dazu Gardiner Journ. hell. stud. XXIII 261ff.; Athlet. sports 270ff.

2. Das Ringen (πάλη), eine offenbar ebenfalls uralte Übung, da sie den waffenlosen Kampf Mann gegen Mann darstellt. Zu unterscheiden ist das Ringen im Stand (ὀρθή, auch σταδιαία πάλη) und das Wälzringen (ἀλινδησις, κύλισις), doch sind darunter nicht zwei ganz verschiedene selbständige Unterarten zu verstehen, sondern Erscheinungsformen des Ringkampfes, die ineinander übergehen konnten. In Olympia und wohl auch bei den anderen Wettspielen war zum Siege ein dreimaliges Werfen erforderlich (Phil. Gymn. II), und zwar war eine Niederlage wahrscheinlich dann gegeben, wenn mit der Rückseite des Rumpfes von der Hüfte aufwärts der Boden berührt wurde (Jüthner Phil. Gymn. 212f.). Kam man sonstwie zu Fall, so mußte eben auf dem Boden bis zur Entscheidung weitergekämpt werden.

3. Der Faustkampf (πυγμή), der mit einer Faustwehr ausgeführt wurde. Das war zuerst der weiche Riemen, der um die Hand gewickelt wurde (μειλίχαι), dann der harte Riemenring (σφαῖρα, ἱμὰς ὀξύς), schließlich in römischer Zeit ein Totschläger aus Metall (s. Caestus).

4. Pankration, die Verbindung von Ring- und Faustkampf, daher ohne Faustriemen ausgeführt.

5. Pentathlon oder Fünfkampf, aus fünf Übungen zusammengesetzt: a) Sprung (ἅλμα), bei Flötenbegleitung mit in den Händen gehaltenen Sprunggewichten (ἁλτῆρες, s. d.) ausgeführt, die anfangs länglich und kolbenförmig, später sphäroïd waren. Nach der verbreitetsten Ansicht handelte es sich um einen einfachen Weitsprung, doch hat man aus manchen Angaben, insbesondere über den Phayllossprung von 55’ (Anth. Pal. App. 297) auf Dreisprung geschlossen (Hueppe Allg. Sportztg. 1899. Küppers Arch. Anz. XV (1900) 104ff. 154f. Dagegen Gardiner Athlet. sports 308ff.). b) Wettlauf, c) Scheibenschwung (δισκοβολία) mit dem kreisrunden, gewöhnlich bronzenen Diskos, Zu den betreffenden Artikeln vgl. auch Gardiner Journ. hell. Stud. XXVII 1ff.; Athlet. sports 313ff. d) Speerwurf in die Weite, ausgeführt mit dem Schlingenspeer (ἀκόντιον, s. d. und dazu Jüthner [2085] Ant. Turng. 36ff. Gardiner Journ. hell Stud. XXVII 249ff.; Athlet. sports 338ff.). e) Ringkampf.

Diese Übungen wurden nach Phil. Gymn. 3 in leichte (κοῦφα) und schwere (βαρύτερα) eingeieilt. Zu ersteren gehörten alle Laufübungen, zu letzteren Pankration, Ringkampf und Faustkampf. Das Pentathlon war aus beiden Arten gemischt; denn Ringen und Diskoswurf galten als schwer, Speerwurf, Sprung und Lauf als leicht.

VII. Literatur.

Zusammengestellt werden hier nur die selbständigen zusammenfassenden Darstellungen, während auf einschlägige Partien in Handbüchern über Altertümer nur im allgemeinen hingewiesen sei. H. Mercurialis De arte gymnastica, Amsterdam 1573, zuletzt 1672. P. Faber Agonisticon, Lugduni 1592. G. Loebker Gymnastik der Hellenen, Münster 1835; Gymnastik in Athen 1864. J. H. Krause Theagenes, Halle 1835; Olympia, Wien 1838; Pythien, Nemeen und Isthmien, Lpz. 1841; Gymnastik u. Agonistik der Hellenen, Lpz. 1841; außerdem die einschlägigen Art. in Paulys Realencykl. M. H. E. Meier Olympische Spiele in der Encyclop. v. Ersch-Gruber. F. Haase Palästrik ebd. L. Grasberger Erziehung u. Unterricht, Würzb. 1864-1881. J. Bintz Gymnastik der Hellenen, Gütersloh 1878 (mit Angabe der älteren Literatur). H. Jäger Gymnastik der Hellenen, Neubearb. Stuttgart 1881. A. Bötticher Olympia, Berlin 1883. P. Girard L’éducation Athénienne2, Paris 1891. Jüthner Über antike Turngeräte, Wien 1896. B. Leonardos Ὀλυμπία, Athen 1901. Egger Begriff der Gymn. bei den alten Philosoph. u. Mediz., Diss. Freiburg (Schweiz) 1903. Freemann Schools of Hellas, Lond. 1907. Gardiner in einer Reihe wichtiger Aufsätze im Journ. hell. Stud. XXIII (1903) 54ff. 261ff. XXIV 70ff. 179ff. XXV 14ff. 263ff. XXVI 4ff. XXVII 1ff. 249ff. Bussemaker-Fougères Art. Gymnastica in Daremberg-Saglio Dict. des ant. II 2, 1699ff. Jüthner Philostratos üb. Gymnastik, Leipz. u. Berlin 1909. Gardiner Greek athletik sports and festivals, Lond. 1910.
[Jüthner.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum X, 1074.

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

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