- Art Gallery -

Der Weltverkehr.

Von

Dr. Michael Geistbeck.

Bibliothek der Länder- und Völkerkunde


GRÖSSERE BILDANSICHT

Der Ballon „Le Géant“,
aufgestiegen am 4. Okt. 1864. (Siehe S. 110.)


GRÖSSERE BILDANSICHT

Der Weltverkehr.

Telegraphie und Post, Eisenbahnen und Schiffahrt

in ihrer Entwickelung dargestellt

von

Dr. Michael Geistbeck.

Mit 123 Abbildungen und 33 Karten.


Freiburg im Breisgau.

Herdersche Verlagshandlung.

1887.

Zweigniederlassungen in Straßburg, München und St. Louis, Mo.

Wien I, Wollzeile 33: B. Herder, Verlag.

Das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen wird vorbehalten.

Entered according to Act of Congress, in the year 1887, by Joseph Gummersbach of the firm of B. Herder, St. Louis, Mo., in the office of the Librarian of Congress at Washington, D. C.

Buchdruckerei der Herderschen Verlagshandlung in Freiburg.


[S. v]

Vorwort.

Ein Gegenstand, der ohne Zweifel das Interesse der weitesten Kreise beanspruchen darf, sind die modernen Verkehrsmittel. Gleichwohl fehlt es bis zur Stunde an einem Werke, das in nicht allzu großem Umfange und in gemeinverständlicher Darstellung dieselben in ihrer Gesamtheit und nach dem neuesten Stand ihrer Entwicklung behandelte. Diesem Mangel, den ich auch in meiner Stellung als Lehrer der Erdkunde an einer Lehrerbildungsanstalt und einer höhern landwirtschaftlichen Schule oftmals schmerzlich empfunden, abzuhelfen, habe ich die vorliegende Arbeit verfaßt. Daß ich hierfür fast nur das beste und zuverlässigste Material zu Rate gezogen und verwertet, wird mir jeder Kenner der bezüglichen Litteratur gerne zugestehen. Im übrigen war ich eifrigst bedacht auf geeignete Stoffauswahl, möglichst übersichtliche Gliederung und Gruppierung des Ganzen.

Zu tiefstem Danke bin ich der Königl. Generaldirektion der bayerischen Verkehrsanstalten verpflichtet, die mir mit größter Bereitwilligkeit die Benutzung ihrer reichhaltigen Bibliothek gestattete; auch den beiden Verwaltern derselben, Herrn Postdirektionssekretär M. Schormaier und Herrn Betriebsingenieur Lutz, sei hier für ihr überaus liebenswürdiges Entgegenkommen der herzlichste Dank ausgesprochen.

Desgleichen haben mich bei Abfassung des vierten Teiles dieses Werkes die Gesellschaften Lloyd’s und Lloyd’s of British and Foreign Shipping in London durch ihre Sekretäre, die Herren Henry M. Hozier und Bernard Waymouth, Esqu., in der freundlichsten Weise unterstützt; ich bin ihnen hierfür aufs tiefste verbunden.

[S. vi]

Auch verschiedene Dampfschiffahrts-Gesellschaften, so der Norddeutsche Lloyd und der Österreichisch-Ungarische Lloyd, die Compagnie générale transatlantique, die Navigazione generale italiana u. a., haben mir in der zuvorkommendsten Weise die erbetenen Aufschlüsse erteilt.

Zu den statistischen Angaben über das Telegraphen- und Fernsprechwesen sei noch bemerkt, daß die diesbezüglichen neuesten Daten sich im Nachtrag des Buches finden, da sie mir erst jetzt zugänglich wurden.

Möge das Buch in Schule und Haus, in Bureau und Comptoir freundliche Aufnahme finden!

Freising, im Oktober 1886.

Der Verfasser.


[S. vii]

Inhalts-Verzeichnis.

Erster Teil: Telegraphie.

        Seite
Erstes Kapitel.
Geschichte der Telegraphie 1
Zweites Kapitel.
Telegraphenleitungen:  
  A. Oberirdische Leitungen 9
  B. Versenkte Leitungen:  
    1. Unterirdische Leitungen 14
    2. Unterseeische Leitungen 19
Drittes Kapitel.
Übersicht über die wichtigsten Telegraphenlinien der Erde 29
  A. Die großen Kontinentallinien 29
  B. Die wichtigsten unterseeischen Verbindungen 30
  C. Weltlinien 32
Viertes Kapitel.
Leitungsstörungen 33
Fünftes Kapitel.
Der Telegraph als Verkehrsmittel 41
Sechstes Kapitel.
Statistik des Telegraphenwesens 45
Anhang.
Das Fernsprechwesen 54

Zweiter Teil: Weltpost.

Erstes Kapitel.
Geschichte des Postwesens:  
  I. Altertum 59
  II. Mittelalter 70
  III. Neuzeit 79
  IV. Neueste Zeit 89
Zweites Kapitel.
Die Mittel des Postverkehrs:  
  1. Fußboten 94
  2. Reiter 98
  3. Wagen 100
  4. Eisenbahnen 101
  5. Schiffe 102
  6. Rohrpost 103
  7. Tauben 105
  8. Luftschiffe 108
Drittes Kapitel.
Poststatistik:  
  I. Briefpostverkehr 117
  II. Geldverkehr der Post 125
  III. Postpaketverkehr 132
  IV. Personenbeförderung 136
  V. Feldpost 137
  VI. Postanstalten 139
  VII. Außergewöhnliche Leistungen der Postanstalten 141
Viertes Kapitel.
Hindernisse des Postverkehrs 141
Fünftes Kapitel.
Geschichte des Briefes, der Freimarke, der Postkarte und der Zeitungen 146
Anhang.
Die finanziellen Ergebnisse des Postbetriebes 163

[S. viii]

Dritter Teil: Eisenbahnen.

Erstes Kapitel.
Geschichte der Eisenbahnen 163
Zweites Kapitel.
Geographie der Eisenbahnen:  
  A. Die Eisenbahnen Europas 174
    I. Übersicht über die europäischen Bahnen 174
    II. Die Gebirgsbahnen Europas 186
    III. Projektierte Bahnen 205
  B. Die Eisenbahnen Asiens 211
    I. In Betrieb befindl. Bahnen 211
    II. Projektierte Bahnen 213
  C. Die Eisenbahnen Afrikas 218
    I. In Betrieb befindl. Bahnen 219
    II. Projektierte Bahnen 220
  D. Die Eisenbahnen Amerikas 221
    I. Die Eisenbahnen Nordamerikas 222
    II. Die Eisenbahnen Mejicos, Mittelamerikas und Westindiens 232
    III. Die Eisenbahnen Südamerikas 234
      a. In Betrieb befindliche Bahnen 234
      b. Projektierte Bahnen 240
  E. Die Eisenbahnen Australiens 241
    I. In Betrieb befindl. Bahnen 241
    II. Projektierte Bahnen 243
Anhang.
    1. Die Stadtbahnen 244
    2. Die elektrischen Eisenbahnen 253
Drittes Kapitel.
Statistik des Eisenbahnwesens 256
Viertes Kapitel.
Die Eisenbahnsysteme der Hauptkulturvölker 270

Vierter Teil: Schiffahrt.

Erstes Kapitel.
Die Anfänge der Schiffahrt 291
Zweites Kapitel.
Die Schiffahrt der Kulturvölker:  
  1. Die Schiffahrt der Alten 297
  2. Die Schiffahrt des Mittelalters 301
  3. Die Schiffahrt der Neuzeit 304
Drittes Kapitel.
Geschichte der Dampfschiffahrt 307
Viertes Kapitel.
Fortschritte d. Nautik in neuester Zeit:  
  I. Oceanographie 314
  II. Meteorologie 325
  III. Seemännische Instrumente 331
  IV. Seekarten 342
  V. Hydrographische Institute 344
  VI. Schiffsbau 355
  VII. Seebauten und Hafenanlagen 366
    1. Interoceanische Kanäle 366
      a. Ausgebaute Kanäle 366
      b. In Bau befindl. Kanäle 376
      c. Projektierte Kanäle 385
    2. Hafenanlagen 389
Fünftes Kapitel.
Gefahren der Schiffahrt 397
Sechstes Kapitel.
Mittel zur Sicherung des Seeverkehrs 403
Siebentes Kapitel.
Das Rettungswesen 411
Achtes Kapitel.
Die bedeutendsten Dampfschiffahrtsgesellschaften der Erde 417
Neuntes Kapitel.
Übersicht über die hauptsächlichsten überseeischen Dampfschiffverbindungen Europas 431
Zehntes Kapitel.
Die Dampfschiffahrt im Dienste der Weltpost 444
Elftes Kapitel.
Schiffahrtsstatistik 449
Schlußkapitel.
Wirkungen moderner Verkehrsmittel 461
Nachtrag 481
Register 485

[S. ix]

Verzeichnis der Illustrationen und Karten.

Titelbild: Der Ballon „Le Géant“.

Figur Seite
1. Telegraph von Claude Chappe 2
2. Optische preußische Telegraphenstation 3
3. Karl Fr. Gauß 4
4. Wilhelm Weber 4
5. Karl Aug. Steinheil 5
6. Samuel F. B. Morse 5
7. Das Morse-Alphabet 7
8. Deutsches siebenadriges Erdkabel 17
9. Zweites transatlantisches Kabel von 1865 24
10. Malta-Alexandria-Kabel 24
11. Die unterseeischen Verbindungen zwischen Europa und Nordamerika 30
12. Teredo norvegica 38
13. Limnoria lignorum 38
14. Der internationale Telegraphenverein (Tonbild) 44
15. Philipp Reis 54
16. Hemerodrom 62
17. Die Staatspost unter den römischen Kaisern 64
18. Gipsabguß eines Denksteins mit der Darstellung einer Rheda 69
19. Postbotenfigur aus dem 14. Jahrhundert 71
20. Briefbote mit dem deutschen Reichsadler aus dem 15. Jahrhundert 72
21. Nürnberger Postbote aus dem 18. Jahrhundert 72
22. Breslauer Postbote aus dem 16. Jahrhundert 73
23. Die Landkutschen und Haudererwagen im 15. und 16. Jahrhundert 79
24. Preußischer Personenpostwagen ohne Verdeck aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 87
25. Dänischer Kugelpostwagen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 88
26. Englische Mail Coach am Schlusse des 18. Jahrhunderts 88
27. Staatssekretär Dr. von Stephan 91
28. Der Weltpostverein (Tonbild) 94
29. Japanesische Landpostbeförderung 95
30. Chinesischer Depeschenträger 95
31. Marokkanischer Postbote 96
32. Französischer Landbriefträger 97
33. Siamesischer Kurier 98
34. Kamelpostreiter 100
35. Russische Schlittenpost 101
36. Chinesisches Postboot 103
37. Die Gebrüder Montgolfier 109
38. Ballon des Marquis d’Arlandes 111
39. Luftschiff Blanchards 112
40. Henri Giffards lenkbarer Luftballon mit zweiflügeliger Schiffsschraube und Dampfmaschine 115
41. Luftschiffahrten von Renard und Krebs 116
42. Luftballon, getrieben durch den elektrischen Strom (Tonbild) 116
43. Das Centralpostgebäude in Berlin 138
44. Das Postamt auf der Booby-Insel 139
45. Quipu (Knotenschrift) 148
46. Palmblattbrief 150
47. Der Dampfwagen Cugnots 167
48. Dampfwagen, konstruiert von Trevithick 168
49. Georg Stephenson 169
50. Eröffnung der Stockton-Darlington-Eisenbahn 171
51. Stephensons „Rocket“ 172
52. Verbindungen mit dem Kontinent 175
53. Die von Berlin auslaufenden Bahnen 177
54. Die von Wien auslaufenden Bahnen 178
55. Die wichtigsten Bahnen Italiens 182
56. Die Bahnen der Balkanhalbinsel 183
57. Die wichtigsten Bahnen Rußlands 185
58. Alpen-Querbahnen 187
59. Weinzettelwand 187
60. Viadukt über die „Kalte Rinne“ 188
61. Wassertunnel bei Gossensaß 189
62. Österreichische Alpenbahnen 190
63. Louis Favre 193
64. Die Zugangslinien des Gotthardtunnels 194
65. Gotthard-Bohrmaschine 195
66. Brücke über die Maderanerschlucht bei Amsteg 196
67. Trisanna-Viadukt 199
68. Gießbachbahn 201
69. Vesuvbahn 202
70. Lokomotive und Waggon der Bahn Vitznau-Rigi 203
71. Schnurtobelbrücke 204
72. Die Hauptbahnlinien Europas (Tonbild) 205
73. Thomé de Gamond 207
74. Die projektierten Tunnellinien zwischen Frankreich und England 209
75. Felspartie an der Kandy-Bahn 212
76. Die Bahnen Asiens 214
77. Die Pacific-Bahnen Nordamerikas (Tonbild) 222
78. Dale-Creek-Viadukt 226
[S. x] 79. Eisenbahnkarte von Panama 234
80. Station an der Eisenbahn von Panama 235
81. Eisenbahn auf der Panama-Landenge 236
82. Tunnel zwischen S. Mateo und Anchi 237
83. Kurven der Bahn beim Überschreiten des Rimac 238
84. Brücke über los infernillos 239
85. Eisenbahn in den Cordilleren (Tonbild) 239
86. Die Geleis-Verknotungen der Londoner Stadtbahnen bei der Clapham Junction 245
87. Front der Pancras-Station in London 246
88. Unterirdische Eisenbahn Londons nebst den wichtigsten Bahnstationen der Stadt 247
89. Der Bahnhof von Baker Street 248
90. Die Pfeiler-Eisenbahn in New-York 249
91. Übersicht der Berliner Stadt- und Ringbahn 251
92. Übergang am Bahnhof „Friedrichstraße“ in Berlin 252
93. Elektrische Eisenbahn bei Charlottenburg 254
94. Speisesaal im Orient-Expreßzug 267
95. Die New-York-Brooklyner Hängebrücke 276
96. Wege über die East-River-Brücke 277
97. Amerikanische Lokomotive der Neuzeit 281
98. Äußeres eines Pullmanschen Schlafwaggons 284
99. Inneres eines Pullmanschen Palastwaggons 285
100. Schmalspurige Eisenbahn im Arkansas Cañon 289
101. Rindenkahn der Australier 292
102. Eskimo im Kajak 293
103. Doppelpirogue der Fidschi-Insulaner 295
104. Altes Nilboot 298
105. Querschnitt einer griechischen Quinquereme 299
106. Griechische Pentereme 300
107. Staatsschiff des Hiero von Syrakus 301
108. Drache 302
109. Venetianische Galeere 302
110. Schiff des Kolumbus 303
111. Robert Fulton 309
112. Älterer transatlantischer Raddampfer 312
113. Skizze zur Darstellung der Schraube und des Steuers 313
114. Verteilung der Land- und Wassermassen 315
115. Schlick oder Tiefseeschlamm 317
116. Die Bewegung der Wellen 318
117. Darstellung von Ebbe und Flut 319
118. Isorachien 321
119. Meeresströmungen 322
120. Beispiel von Felsauswaschungen 324
121. Cyklonale Bewegung um ein Luftdruckminimum und Anticyklonale Bewegung um ein Luftdruckmaximum 326
122. Windverteilung auf der Erde 328
123. Wechsel in der Windrichtung bei einem Cyklon 330
124. Sturmbahnen der tropischen Cyklone 331
125. Schiffskompaß in Cardanischer Aufhängung 332
126. Brookes Apparat zum Messen großer Meerestiefen 337
127. Schleppnetz 338
128. Taucher bei der Arbeit 339
129. Das Log 340
130. Zeitballsäule 341
131. Wetterkärtchen 349
132. Wetter-Signal-Apparat 351
133. Sturmsignale 352
134. Dienstgebäude der deutschen Seewarte 354
135. Schnelldampfer „Ems“ 361
136. Dampfer „Elbe“ (Tonbild) 365
137. Ferdinand von Lesseps 367
138. Der Suezkanal 370
139. Der Panamakanal 378
140. Der Nordostseekanal 382
141. Die Tilbury-Docks 393
142. Schwimmdock bei Steinwärder 394
143. Eddystone 405
144. Leuchtschiff mit Bake 407
145. Rettungsboot mit Transportwagen 413
146. Raketenapparat 413
147. Rettungsleine mit Hosenboje 414
148. Korkjacke und Korkring 415
149. Linien zwischen Europa und Asien (Tonbild) 431
150. Linien zwischen Europa und Afrika 434
151. Linien zwischen Europa und Australien 435
152. Linien zwischen Europa und Nordamerika 436
153. Linien zwischen Europa und Südamerika 438
154. Linien zwischen Europa einerseits und Mittelamerika und Westindien andererseits (Tonbild) 439

Lithographierte Karte: Die wichtigsten Telegraphenverbindungen der Erde (zu S. 33).

Der Weltverkehr.


[S. 1]

I.
Telegraphie.

Erstes Kapitel.
Geschichte der Telegraphie[1].

Schon in den ältesten Zeiten fühlte man das Bedürfnis, wichtige Nachrichten möglichst schnell nach entfernten Orten zu befördern. Diesem Zwecke dienten zunächst optische Signale, wie Feuer, Fackeln, Rauchsäulen u. s. w. So soll die schnellste Nachricht vom Falle Trojas durch Feuerzeichen (Fanale) nach Griechenland gelangt sein. Apulejus erzählt von den Persern, daß sie ausgestellte Posten hatten, welche durch Fackeln die Signale bis zur Residenz des Königs vermittelten. Nach Herodot meldete der persische Feldherr Mardonius dem noch in Sardes befindlichen Könige die Nachricht von der Besetzung des verlassenen Athen durch Feuerzeichen. So heißt es auch bei Thucydides: „Gegen die Nacht wurden die Peloponnesier durch Feuerzeichen benachrichtigt, daß 60 athenische Schiffe von Leukas im Anzuge seien.“ Von den desfallsigen Kommunikationen der Macedonier erwähnt Curtius: Observabatur ignis noctu, fumus interdiu (nachts wurde Feuer, bei Tage Rauch wahrgenommen), und Cäsar ließ seinen bedrängten Legaten durch weithin sichtbaren Rauch den Anmarsch der zur Hilfe anrückenden Legionen verkünden. Aus dem Periplus des Hanno ersehen wir an mehreren[S. 2] Stellen, daß auch bei den afrikanischen Völkern ein ähnlicher Gebrauch bestand. Ebenso besaß China in früherer Zeit eine Art optischer Telegraphie mittels Feuerzeichen. — Für die Kommunikation der Seeschiffe wurden bei Tage Flaggensignale verwendet. In der Seeschlacht bei Cyzicus machten z. B. auf ein Flaggensignal des Admirals (Alcibiades) sämtliche Dreiruder ein plötzliches und entscheidendes Manöver; ebenso in der Schlacht bei Mytilenä auf ein vom Admiral (Konon) mit der purpurnen Flagge gegebenes Zeichen. — Im Mittelalter wurde von optischen Telegraphensignalen (Flaggen, Raketen) wenig Gebrauch gemacht. An eine sichere und ausgedehnte Anwendung des Lichtes war in früheren Zeiten überhaupt nicht zu denken, da man selbst auf kurze Entfernungen zur Übermittlung von Nachrichten zu viel Zwischenstellen nötig hatte, wodurch die getreue Wiedergabe einer Nachricht erheblich beeinträchtigt wurde. An eine größere Verwendung des Lichtes konnte erst nach Erfindung des Fernrohrs (um das Jahr 1600) gedacht werden, weil es dadurch ermöglicht wurde, auch kleine Lichtquellen auf bedeutende Entfernungen dem Auge noch wahrnehmbar zu machen. Die Folge dieser Erfindung war, daß man außer mit dem Lichte auch mit beweglichen hölzernen Armen, die auf erhöhten Punkten standen und durch einen Mechanismus bewegt werden konnten, optische Signale zu geben im stande war. Robert Hooke, ein englischer Mathematiker, machte 1684 einen derartigen Vorschlag; derselbe kam jedoch, wie mehrere andere aus derselben Zeit, nicht zur dauernden praktischen Verwendung; erst dem französischen Ingenieur Claude Chappe (1792) gelang es nach mehrjährigen, von seinen Brüdern unterstützten Versuchen, brauchbare optische Telegraphen herzustellen. Das Wesen derselben bestand darin, daß drei Balken an einem weithin sichtbaren Orte an ein Gestelle derartig befestigt waren, daß sie, in vielfachen Kombinationen zusammengestellt, eine große Zahl bestimmter Zeichen geben konnten. Die Beobachtung und Nachbildung eines Zeichens erforderte unter günstigen Umständen 20 Sekunden. Von Toulon nach Paris (etwa 800 km) brauchte ein Zeichen 20 Minuten. Die erste derartige Linie wurde 1794 zwischen Paris und Lille vollendet. Nach und nach aber wurden in Frankreich Linien von 5000 km Länge hergestellt, die sämtlich in Paris zusammenliefen. Andere Länder folgten bald mit ähnlichen Einrichtungen, so England, Schweden, Dänemark, Preußen u. s. w. Die bedeutendste derartige Telegraphenlinie in Deutschland war die von Berlin nach Köln.

Fig. 1.
Telegraph von Claude Chappe.

(Nach Ternant, Les télégr.)

[S. 3]

So weite Verbreitung diese Art optischer Telegraphie auch gefunden, so hatte sie doch bedeutende Nachteile. Nicht nur, daß die Apparate die Zeichen nur verhältnismäßig langsam beförderten, bei Nacht und Nebel, Regen und Schnee war die Vermittlung von Nachrichten oft ganz unmöglich.

Die Tage der „Holztelegraphie“ währten indes nicht zu lange. „Als zu Anfang der vierziger Jahre die elektrische Telegraphie[2] aus dem Zustand der Versuche heraustrat und die ersten Anwendungen derselben erkennen ließen, daß mit ihr ein mächtiger Hebel für den Verkehr gewonnen war, da verschwanden alsbald die ungefügen Holzmassen; an ihre Stelle traten schlanke Stangen mit dünnen Metalldrähten, und in den neu eingerichteten Stationen verkündete das Ticken des Morse-Apparats, daß der Zeiger der Weltenuhr wieder um ein Stück vorzurücken sich anschickte.“

Fig. 2. Optische preußische Telegraphenstation.

Die ersten Versuche mit elektrischen Apparaten fallen in das Jahr 1746. Man bediente sich hierbei, da weder die sogenannte Berührungs- und noch viel weniger die Induktionselektricität entdeckt waren, der Reibungs-Elektricität. Die bekanntesten Experimente dieser Art sind jene des Lesage in Genf (1774). Für die Telegraphie im großen ist jedoch die Reibungselektricität, selbst bei Verminderung der erforderlichen großen Anzahl von Drähten — Lesage hatte deren 24–27 nötig — nicht brauchbar, da dieselbe zu unbeständig, von dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft abhängig und schwer zu isolieren ist.

[S. 4]

Fig. 3. Karl Fr. Gauß.

Einen Schritt weiter ging die Telegraphie mit der Entdeckung des Galvanismus (1789), der Voltaschen Säule und ihrer Wirkungen. 1809 bereits stellte Samuel Thomas von Soemmerring in München (geb. 1755 in Thorn, gest. 1830) einen Telegraphen her, der mittels der Zersetzung des Wassers durch den galvanischen Strom Zeichen gab. Eine allgemeine Anwendung dieses Telegraphen mußte indes schon an den hohen Kosten der Apparate scheitern, ganz abgesehen von manchen anderen Mängeln derselben.

Fig. 4. Wilhelm Weber.

Ein neuer praktischer Weg zur Konstruktion elektrischer Telegraphen wurde durch die Entdeckung des Elektromagnetismus seitens des dänischen Professors Hans Christian Oersted (geb. 1777, gest. 1851) eröffnet. Derselbe machte nämlich zu Ende des Jahres 1819 die Wahrnehmung, daß eine Magnetnadel, in deren Nähe ein elektrischer Strom vorbeigeht, je nach der Richtung des Stromes nach der einen oder andern Seite hin abgelenkt werde. Dadurch war nun die Möglichkeit gegeben, die Buchstaben und Zahlen des Alphabets durch eine gewisse Anzahl von Rechts- und Links-Ablenkungen der Nadel auszudrücken. Oersted ist demnach als der intellektuelle Urheber der Nadeltelegraphen zu betrachten.

[S. 5]

Fig. 5. Karl Aug. Steinheil.

An der Verbesserung des so gefundenen Telegraphenapparates arbeiteten die Physiker Ampère, Ritchie, Fechner und namentlich auch der mit Soemmerring nahe befreundete, aus deutscher Familie stammende russische Staatsrat Baron Schilling von Kannstadt (geb. 1786 zu Reval, gest. 1837). Die erste größere Anlage eines elektromagnetischen Telegraphen mit vereinfachtem Nadelapparate errichteten 1833 die beiden Professoren K. Fr. Gauß (geb. 1777, gest. 1855) und Wilhelm Weber (geb. 1804) zwischen der Sternwarte und dem physikalischen Kabinett in Göttingen; sie können hiernach als die Erfinder der elektromagnetischen Telegraphen angesehen werden. Von ihnen aufgefordert, unternahm es Professor Steinheil in München (geb. 1801 zu Rappoltsweiler im Elsaß, gest. 1870), die Apparate zu vereinfachen und zu einer möglichst sichern und leichten Zeichensprache einzurichten. Durch seinen erfinderischen Geist und seine große Geschicklichkeit in technischen Ausführungen ist es ihm denn[S. 6] nicht bloß gelungen, dem Gaußschen Apparate die höchste Vollendung zu geben: durch seine in großem Maßstabe angestellten Versuche, sowie durch eine Reihe wichtiger Beobachtungen und praktischer Vorschläge ist er auch der Gründer des gegenwärtigen Systems der elektromagnetischen Telegraphie geworden. So erzielte es Steinheil 1836, den Nadeltelegraphen in einen elektromagnetischen Schreibtelegraphen umzugestalten. 1837 baute er im Auftrage des Königs von Bayern die größte der bis dahin bestandenen Linien, die Leitung von der Akademie in München nach der 5400 m entfernten Sternwarte Bogenhausen, und 1838 entdeckte er die Erdleitung. Die letztere Entdeckung namentlich, die Erde als Rückleitung für den galvanischen Strom verwenden zu können, gehört zu den glänzendsten Errungenschaften auf dem Gebiete der elektrischen Telegraphie; denn dadurch, daß durch den Fortfall der Rückleitung die Hälfte der Drahtleitung, d. i. mindestens ⅓ der Anlagekosten, erspart wird, hat dieselbe am meisten zu deren Einführung in die Praxis beigetragen.

Fig. 6. Samuel F. B. Morse.

In derselben Zeit wurde auch in England von Wheatstone und Cooke eifrigst an der Herstellung elektrischer Telegraphen gearbeitet, jedoch waren die bezüglichen Konstruktionen gegenüber jenen in Deutschland gebräuchlichen, wo die Telegraphie durch Gauß, Weber und Steinheil bereits einen so hohen Grad der Einfachheit und Vollendung erreicht hatte, viel komplizierter und unpraktischer; wohl aber gebührt den beiden Gelehrten das große Verdienst, elektrische Telegraphenlinien zum praktischen Betriebe auf größeren Strecken zuerst angelegt zu haben. Auch in Frankreich wurden diesbezügliche Experimente gemacht, aber ohne besondern Erfolg. Dagegen bahnte in Amerika der Historienmaler Professor Samuel Finley Breese Morse (geb. 1791 bei Charlestown) eine neue Ära des elektrischen Telegraphenwesens an durch den von ihm 1837 erfundenen Schreib- oder Druckapparat, der, mehrfach verbessert, noch heute auf fast allen Telegraphenlinien benutzt wird. Zunächst hatte Morse freilich noch jahrelang mit Vorurteilen zu ringen; erst 1843 wurde im Kongresse auf besondere Empfehlung des Patent-Kommissionärs Ellsworth mit 89 gegen 83 Stimmen seine Petition betreffs der Erbauung der Linie Washington-Baltimore genehmigt. Später aber wurde seine hartnäckige Ausdauer reichlich belohnt. Napoleon III. bewirkte es, daß die Hauptmächte Europas auf einem Kongresse in Paris dem Erfinder Morse 400000 Francs als Belohnung darbrachten. Die Yale University ernannte ihn zum Ehrendoktor, Frankreich reihte ihn in die Ehrenlegion ein, Österreich, Deutschland, Dänemark und die Türkei zollten ihm die größten Ehrenbezeigungen. Amerika endlich errichtete ihm 1871 im Centralpark von New-York eine Bronzestatue. Morse starb zu New-York 1872, fast 81 Jahre alt.

Was dem Morse-Apparat so schnell allenthalben Eingang verschaffte, das ist seine bewunderungswürdige Einfachheit, die eine solide Herstellung[S. 7] gestattet, die Reparaturen erleichtert und sie seltener notwendig macht, sowie der Umstand, daß er einen sichern Aufschrieb hinterläßt. Der Aufschrieb selbst oder das telegraphische Alphabet besteht bekanntlich aus Punkten und Strichen, die in allen Ländern des Welttelegraphenvereins auf Grund der internationalen Verträge für die verschiedenen Buchstaben dieselben sind. Die Telegraphie hat somit erreicht, was für die gewöhnliche Schrift und den Buchdruck noch unendlich lange ein frommer Wunsch bleiben wird: ein für alle Völker des Erdballs gleiches Alphabet. Übrigens sei bemerkt, daß der dem Morse-Apparat zu Grunde liegende Hauptgedanke schon mit dem Schreibtelegraphen Steinheils gegeben war, Morse also nicht als „Erfinder der elektrischen Telegraphie“ gelten kann.

Fig. 7. Das Morse-Alphabet.

Im Jahre 1837 wurden auch die ersten Typendrucktelegraphen und zwar von dem mit Morse arbeitenden Amerikaner Alfred Vail erfunden; sie geben das Telegramm auf der Empfangsstation in der gewöhnlichen Druckschrift. Erst 1868 aber gelang es dem (1831 in London geborenen, aber schon 1838 nach Nordamerika ausgewanderten) jetzigen Professor David Hughes (juhß), einen Typendrucker herzustellen, der mit Sicherheit in der Minute 150 Buchstaben oder 25 Wörter reproduzierte. Hughes’ Apparat teilt sich jetzt mit dem Morseschen Telegraphen den Weltverkehr; doch ist derselbe, da seine Bedienung monatelange Vor[S. 8]übungen erfordert und häufige Reparaturen verlangt, nur auf großen Stationen anwendbar.

Aus dem Jahre 1839 stammt Wheatstones Zeigertelegraph, so genannt, weil ein Zeiger vor einer Scheibe umgedreht wird und nach Belieben vor dem einen oder andern der am Rande verzeichneten Buchstaben und Ziffern angehalten werden kann. Die erste Idee hierzu ging jedoch schon von Davy im Jahre 1838 aus.

Um die in ihrer Anlage sehr kostspieligen Telegraphenlinien möglichst auszunützen und den Bedürfnissen des immerfort wachsenden Verkehrs möglichst zu genügen, ist man bestrebt, die sogenannte mehrfache Telegraphie (Multiplex-Telegraphie) einzuführen; sie besteht darin, daß gleichzeitig auf einem und demselben Drahte mehrere Telegramme befördert werden. In dieser Beziehung war auf der elektrischen Ausstellung des Jahres 1884 zu Philadelphia ein Edisonsches Quadruplex-System zu sehen, welches gestattete, vier Depeschen gleichzeitig mittels verschiedener Ströme in entgegengesetzter Richtung über den nämlichen Draht zu senden, desgleichen ein zwischen Boston und Providence bereits zur vollsten Zufriedenheit arbeitendes System (von P. B. Delany in New-York stammend), welches erlaubt, mit einem Male über den nämlichen Draht 72 Depeschen in entgegengesetzter Richtung zu geben. Gewiß wunderbare Fortschritte auf diesem Gebiete![3] Einer der bedeutendsten Multiplex-Apparate ist auch der des Elsässers B. Meyer (gest. 1884). Seine Leistungsfähigkeit kann auf 1600 bis 1800 Worte in der Stunde veranschlagt werden.

Die außerordentliche Bedeutsamkeit des neuen Verkehrsmittels war bald weithin erkannt. Vorab an dem Bedürfnis der zahlreichen Eisenbahn-Verwaltungen und an dem politischen Interesse der Staatsgewalten fand es gleich kräftigen Halt. Auch konnte für eine kapitalmächtige Zeit in den Erstellungskosten des neuen Nachrichten-Transportmittels nichts Abschreckendes liegen.

Die erste Telegraphenanlage erhielt, wie schon erwähnt, Deutschland 1833 und 1837 (vgl. S. 5 u. 6). In England ward 1840 von Cooke eine Linie der Great-Western-Bahn entlang ausgeführt, aber erst 1846 entstand die Electric Telegraph Company, die in Großbritannien in kurzer Zeit eine große Zahl Telegraphenlinien errichtete. In Amerika baute Morse 1844 die erste Linie von Washington nach Baltimore. In Deutschland ließ alsbald die Direktion der Rheinischen Eisenbahn bei Aachen eine kurze Leitung mit vier Drähten von einem Engländer erstellen, worauf 1844 William Fardely aus Mannheim eine Leitung mit bloß einem Draht an der Taunusbahn anlegte. Frankreich erhielt seine erste Leitung 1845, Rußland 1844, Österreich 1846, Preußen und Bayern im gleichen[S. 9] Jahre. Sehr spät entstanden in Europa Telegraphenleitungen in Norwegen, im Kirchenstaat und in Portugal; in den beiden ersteren Staaten 1855, im letzteren 1857. Es ist indes genug dieser Einzelnachweise. Gegenwärtig giebt es keinen Staat mehr in Europa, der nicht dem Telegraphen schon eine Stätte auf seinem Territorium bereitet hätte; ja es giebt schon keinen Weltteil mehr, nach welchem nicht, unter Benutzung der vorhandenen Linien, von jedem andern Weltteil aus telegraphiert werden könnte. Und wenn auch noch manche Lücke in dem Telegraphennetz der Gegenwart besteht, so ist doch jetzt schon auf die Telegraphie in ihrem unaufhaltsamen Fortschreiten über den Erdball das Wort des Psalmisten (Ps. 19, V. 4 u. 5) angewendet worden:

„Es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme hörte; ihre Schnur geht aus in alle Lande und ihre Rede an der Welt Ende.“


Zweites Kapitel.
Telegraphenleitungen.

Die Telegraphenleitungen zerfallen in oberirdische oder Luftleitungen und versenkte Leitungen; erstere sind in gewisser Höhe über dem Erdboden hingeführt, letztere werden unter die Erde oder unter das Wasser versenkt und zerfallen daher wieder in unterirdische und unterseeische (submarine, bezw. Flußleitungen).

Für manche Zwecke, namentlich für die Kriegstelegraphie, braucht man Leitungen nur vorübergehend; man wählt dann eine tragbare (ambulante) Leitung, die sich rasch herstellen und wieder abbrechen, also auch verlegen läßt.

A. Oberirdische Leitungen.

1. Begriff. Eine oberirdische oder Luftleitung ist ein Metalldraht, der von einer Station zur andern in der Luft ausgespannt und durch isolierende Körper so unterstützt ist, daß er keinen andern Gegenstand als diese letzteren berührt und bei nasser Witterung durch die Feuchtigkeit keine fortlaufende leitende Verbindung zwischen dem Drahte und der Erde entstehen kann. — In Deutschland wandten schon Weber und Steinheil Luftleitungen an.

2. Leitungsdraht. Da nächst dem Silber das Kupfer den galvanischen Strom am besten leitet, so nahm man anfangs den Leitungsdraht von Kupfer. Allein der hohe Preis dieses Materials, die dadurch veranlaßten häufigen Diebstähle und die geringe Festigkeit der Leitung — Kupferdraht ist bei gleichem Querschnitt nur halb so fest als Eisendraht —[S. 10] waren Grund genug, daß man die Anwendung des Kupfers für die oberirdischen Leitungen aufgab und an seine Stelle Eisendraht setzte[4]. Die gewöhnliche Stärke desselben beträgt 4 mm. Auf den internationalen Linien ist Eisendraht von 5 mm Durchmesser vorgeschrieben. In besonderen Verhältnissen, wie in Ostindien, wo die auf dem Drahte sich belustigenden Affen eine ganz besondere Verstärkung desselben notwendig machen, ist eine Drahtdicke von 8 mm im Gebrauch.

3. Tragstangen. Der Draht liegt in der Regel auf hölzernen Tragsäulen, die bei Eisendraht je nach der Örtlichkeit und Zahl der Drähte 30–80 m auseinanderstehen und je nach dem Gewichte und der Zahl der daran aufzuhängenden Drähte verschiedene Stärke und Höhe haben. In Deutschland werden vorwiegend kieferne Stangen verwendet. Da aber das Auswechseln der hölzernen Telegraphensäulen und das Umlegen der Leitungen kostspielig und für den Telegraphenbetrieb störend ist, so hat man wiederholt Versuche mit Säulen aus Eisen gemacht. Ihre Festigkeit hat indes den Erwartungen nicht in dem Maße entsprochen, daß eine allgemeine Einführung derselben je beabsichtigt werden könnte.

Große Schwierigkeiten verursacht mitunter die Beschaffung der Leitungsträger in tropischen Breiten, wo bearbeitetes Holz den Angriffen der Feuchtigkeit und der Zerstörungswut gefräßiger Insekten zu unterliegen pflegt. Auf den Philippinen sah man sich genötigt, statt der anfangs verwendeten Stangen aus Palmholz die Leitungen an lebende Bäume zu hängen, wozu der auf dieser Inselgruppe sehr verbreitete Baumwollbaum sich besonders gut eignet.

4. Isolatoren. Da die Telegraphenstangen mit der Erde in leitender Verbindung stehen, die Leitungsdrähte aber, welche von ihnen getragen werden, von dem Erdboden möglichst isoliert sein müssen, so muß zwischen den leitenden Trägern und dem Draht selbst notwendig ein Isolator eingeschoben werden. Als Material zu solchen ist Porzellan besser als Glas. Die Form der Isolatoren ist verschieden.

5. Aufstellung der Leitungen[5]. Die Erbauung oberirdischer Leitungen erfordert zwar Sorgfalt und Sachkenntnis, bietet aber keine besonderen Schwierigkeiten, wenn die Leitung, wie dies in kultivierten Ländern die Regel bildet, dem Zuge bereits vorhandener Straßen folgend, in dem Körper von Landstraßen oder neben dem Damm von Eisenbahnen befestigt werden kann. Schwieriger wird die Sache, wenn für die Leitung quer durchs Gebirge oder am pfadlosen Meeresufer ein Weg geschaffen werden[S. 11] muß, der die Anlage zugleich vor Stürmen, Schneehäufungen, Flugsand und Flut möglichst schützen soll. Bei der Anlage der Telegraphenleitung auf der kurischen Nehrung z. B. hatte man Sanddünen zu überwinden, in deren beweglichem Boden die Stangen nur mit großer Mühe befestigt werden konnten; mit 4 und 5 Pferden gelang es an einzelnen Strecken nicht, mehr als zwei Stangen auf einmal von der Stelle zu schaffen; einigemale gerieten Fuhrwerke derart in den Triebsand, daß die Pferde in aller Eile losgeschnitten werden mußten, um sie vor dem Versinken zu retten. Den Arbeitern bot sich mitunter meilenweit, z. B. auf der 25 km langen Strecke von Memel bis Schwarzort, keine menschliche Wohnung zum Obdach; sie waren gezwungen, außer ihren Werkzeugen und Materialien auch ihre gesamten Lebensbedürfnisse für einige Zeit bei sich zu führen.

Noch größer sind die Schwierigkeiten, welche bei Erbauung von Telegraphenlinien in unkultivierten Ländern überwunden werden müssen. Die sibirische Linie, die quer durch ganz Asien bis nach Wladiwostock am Stillen Ocean führt, die indo-europäische Linie, welche Kaukasien, Persien und Balutschistan durchschneidet, die Telegraphenlinien, welche von Port Augusta nach Port Darwin und von Süd-Australien über Port Lincoln nach Eucla-Bay ziehen, haben unter Bedingungen erbaut werden müssen, welche den Unternehmern reichliche Gelegenheit gaben, ihre Thatkraft und ihren Mut zu bewähren. In Australien z. B. mußten Wüsten, deren Natur zum Teil noch gänzlich unbekannt war, messend durchwandert werden; auf Hunderte von Meilen waren über wegloses Land die Leitungsmaterialien heranzuschaffen; das für Menschen und Pferde unentbehrliche Wasser war nur aus weiter Ferne zu erlangen.

Eine ganz außerordentliche Leistung ist besonders der Bau der über 3000 km langen Strecke von Port Augusta bis Port Darwin. „In einem Jahre und elf Monaten,“ heißt es bei Jung, „mußten 36000 Telegraphenstangen im Gewicht von 5000 t gefällt, zugerichtet und an ihren Bestimmungsort gefahren werden, in einigen Fällen aus einer Entfernung von 560 km. Da man fand, daß das Holz Australiens gegen die im Norden sehr zahlreichen weißen Ameisen nicht widerstandsfähig genug war, importierte man eiserne Pfosten aus England und hatte dieselben durchschnittlich 640 km weit zu schaffen. Außerdem waren 2000 t anderen Materials an ihren Platz zu bringen, und mehrere Tausende von Schafen und Rindern mußten zur Ernährung der Arbeiter auf Entfernungen von 2000 km herbeigetrieben werden. Wege von 16 m Breite waren durch Waldstrecken von 800 km Länge zu bahnen, Baumaterialien, Telegraphenapparate und Vorräte für die zu erbauenden Telegraphenämter mußten beschafft werden.“ Der Bericht über die Erbauung des Südwest-Telegraphen, die von Sir Charles Todd mit der gleichen Energie ausgeführt wurde, mit welcher derselbe bereits den Bau der vorhergenannten Linie geleitet hatte, äußert sich also: „Die ganze Linie, 600 Meilen[S. 12] lang, mit einem Draht, ist innerhalb 12 Monaten errichtet worden, und dies angesichts von Hindernissen, die fast unüberwindlich erscheinen. Eine Spur von 50 Fuß Breite mußte Hunderte von Meilen weit durch den Wald gehauen werden, und selbst dies war nur ein kleiner Teil der Schwierigkeiten, die man besiegen mußte. Auf den ersten Blick schien die schwierige Beschaffung der Mittel für die Reise das ganze Werk nicht zur Ausführung kommen lassen zu wollen. Alle Vorräte mußten gefahren werden, und der Wassermangel, dieser wunde Fleck in so vielen Teilen Australiens, schien das Unternehmen wirklich in Frage zu stellen. Einhundert Pferde wurden angeschafft und dauernd bei dem Baue beschäftigt, obgleich man mehrmals über 145 Meilen von dem nächsten Wasserdepot entfernt war.“ — In Senegambien bereiten der Mangel gebahnter Straßen, die geringe Standfestigkeit des Bodens, die Dichtigkeit der Gebüsche da, wo die Vegetation ein günstigeres Terrain findet, die zu Zeiten sehr hohe Temperatur und die Nachbarschaft feindlicher Eingeborener oder der afrikanischen Löwen der Anlage und Unterhaltung der Telegraphenlinien besondere Schwierigkeiten. Das Material muß auf Mauleseln transportiert werden; der Mangel an Steinen macht es sehr schwer, die Stangen fest einzusetzen oder in dem feuchten Erdreich vor der rasch zerstörenden Nässe zu schützen. Die Instandhaltung ist besonders während der Regenzeit mühevoll. Die gießbachähnlich herabrauschenden Regengüsse und die wütenden Stürme dieser Periode brechen zahlreiche Stangen um und zerstören die Isolatoren. Vielfach werden die Stangen auch vernichtet durch die Feuersbrünste, welche die Eingeborenen entfachen, um ihre Felder mit der Asche der verbrannten Gräser zu düngen. Dagegen sind die böswilligen Beschädigungen der Linien äußerst selten. Die Schwarzen fürchten sich in ihrem Aberglauben, Hand an dieselben zu legen, und glauben überdies, sie seien nur zu dem Zwecke errichtet, um den Europäern als Wegweiser zu dienen. — Aus der Schnelligkeit, mit welcher das Netz der Telegraphenlinien auf Caledonien vergrößert worden ist, darf keineswegs geschlossen werden, daß die Herstellung der Anlagen mühelos vor sich ging. Aus einem Bericht des obersten Telegraphenbeamten der französischen Strafkolonie geht vielmehr hervor, daß die mit der Leitung des Baues betrauten Beamten mit Widerwärtigkeiten der mannigfachsten Art zu kämpfen gehabt haben. Bald herrschte gänzlicher Mangel an Lasttieren, so daß Baumaterial und Lebensmittel bis aus Entfernungen von 80 km von kanakischen Lastträgern herangeschleppt werden mußten; bald Mangel an Trinkwasser, welches man gleichfalls meilenweit herzuholen gezwungen war; bald folgten sich beinahe unpassierbare Sümpfe, dichtverwachsene Wälder, deren Durchlichtung auf 12 m Breite nötig wurde, steiniger Boden, zerrissene Bergketten und breite Einschnitte, welche das Meer bis weit in das Land hinein gebildet hat, unmittelbar in ermüdendem Wechsel aufeinander; in anderen Gegenden wieder waren die nötigen Arbeitskräfte infolge der ansteckenden Krankheiten, welche die Eingeborenen seit der[S. 13] Besitznahme der Insel durch die Europäer scharenweise dahinraffen, durchaus nicht zu beschaffen.

Auf der Insel Sumatra stößt man nach amtlichen Berichten der niederländisch-indischen Telegraphenverwaltung auf große Schwierigkeiten, die Leitungen aufrecht zu erhalten, da sie häufig von den Elefanten zerstört werden. In den Jahren 1874–1877 sind 60 solcher Störungen vorgekommen. Am 25. Mai 1876 wurde die Linie Mnara-Dura-Lahat in einer Länge von drei Pauls gänzlich zerstört; der Draht und die Isolatoren wurden teilweise in die Rohrdickichte verschleppt. Was bei Tag ausgebessert worden war, wurde in drei aufeinander folgenden Nächten wieder zerstört. Außerdem machen es die zahlreichen Tiger, Bären, wilden Büffel u. s. w. äußerst schwierig, die Leitungen in den dichten Urwäldern zu überwachen, während große und kleine Affen auf den Drähten ihre gymnastischen Übungen bewerkstelligen, dieselben zerreißen oder die Isolatoren zerschlagen.

Im Territorium Dakota in Amerika richten die wilden Büffel großen Schaden an, indem sie ihre mächtigen Stirnen sehr heftig an den Telegraphenpfählen reiben.

Außer den Schwierigkeiten, die mit der Aufstellung der Linien schon an sich verbunden sind, gab es in der ersten Zeit der Einführung des Telegraphen auch noch Hindernisse anderer Art zu überwinden: Vorurteile und Aberglauben. Hierfür nur ein paar Beispiele!

Als im Jahre 1848 eine elektromagnetische Linie von Hamburg nach Kuxhaven im Bau begriffen war, legten die Bewohner vieler Ortschaften im Hannöverschen, durch deren Gemarkungen dieselbe ging, bei der Behörde und in öffentlichen Blättern gegen die Durchführung Protest ein, da der Telegraph einen nachteiligen Einfluß auf das Gedeihen der Feldfrüchte ausübe; die Drähte zögen, behaupteten die Bauern, bei aufkommenden Gewittern die Elektricität in solchem Grade ab, daß sich die Gewitterwolken des fruchtbringenden Regens nicht entladen könnten, die Pflanzen müßten also notwendig verdorren; und nicht bloß ihr Eigentum, sogar ihr Leben werde gefährdet, indem die Drähte den Blitz plötzlich anzögen und nicht stark genug wären, selbigen fortzuführen. Auch unterließen sie nicht, einfließen zu lassen, daß sie, die Bauern, eigentlich die kompetentesten Beurteiler in derartigen Fragen seien; denn sie allein hätten von den Gesetzen der Natur infolge täglicher Anschauung einen klaren, gesunden Begriff. Und als am 18. Juli 1849 bei dem Dorfe Warstade ein in der Nähe der Telegraphenlinie befindliches Bauernhaus von einem Blitzstrahle entzündet wurde, konnte man die Bewohner nur mit Mühe abhalten, die Stangen umzuhauen. Die Telegraphenlinie aber mußte, soweit sie durch das Dorf lief, verlegt werden. Es sind dies Vorkommnisse, wie sie gelegentlich auch heute noch sich zutragen. Als 1870 die englischen Telegraphen in Staatsverwaltung kamen und eine bedeutende Erweiterung erfahren sollten, schlossen sich aus irgend welchen[S. 14] Gründen einige Städte von der Wohlthat des neuen Verkehrsmittels aus, indem sie die Drähte nicht in ihr Weichbild hereinzuziehen gestatteten[6].

B. Versenkte Leitungen[7].

1. Unterirdische Leitungen.

1. Geschichtliches. Die zahlreichen und erheblichen Störungen, denen die oberirdischen Leitungen ihrer Natur nach ausgesetzt sind, haben schon früh das Verlangen nach unterirdischen Telegraphenverbindungen angeregt. Der erste Gedanke, die Leitung unterirdisch zu führen, tauchte nachweislich 1774 auf. Lesage in Genf wollte dazu glasierte Thonröhren benützen, die von Toise zu Toise Scheidewände aus glasiertem Thon oder Glas enthielten. Die Scheidewände hatten Löcher, und diese bildeten die Lager für die durchzuziehenden Drähte. 1794 schlugen Deutsche, Namens Reusser und Böckmann, unterirdische Leitungen vor; 1816 hatte Ronalds in England einen Draht in Glasröhren geführt. Hierauf versuchten noch mehrere Physiker das Problem der unterirdischen Leitung zu lösen, bis Jacobi im Jahre 1842 auf dem Admiralitätsplatz zu Petersburg eine 2835 m lange Leitung in Glasröhren legte. Ein befriedigendes Resultat wurde indes auf diesem Wege nicht erreicht.

In Amerika hatte Morse 1837 vorgeschlagen, den Leitungsdraht in eiserne Röhren zu legen; aber auch auf diese Weise gelang es nicht, den Draht vollkommen zu isolieren. Da empfahl 1846 der damalige Artillerie-Lieutenant Werner Siemens die von dem englischen Arzte Dr. Montgomery (in Singapore) nach Europa gebrachte Guttapercha als einen zur Isolierung der Leitungsdrähte vollständig geeigneten Körper[8]. Die angestellten Versuche er[S. 15]gaben ein befriedigendes Resultat, und so entschloß sich die preußische Regierung im Jahre 1847, die mit Guttapercha isolierten Leitungsdrähte in einem größern Maßstabe anzuwenden; es wurden ca. 2250 km gelegt. Leider wurde mit diesen unterirdischen Leitungen der Zweck nicht vollständig erreicht; denn bei dem gänzlichen Mangel an Erfahrungen über die Eigenschaften des zur Verwendung kommenden Materials, bei den damals noch sehr unvollkommenen Maschinen zur Herstellung des Überzuges und durch die Übereilung, mit der die Linien angesichts der drohenden politischen Verhältnisse damals eingeführt wurden, hatten sich viele Mängel eingeschlichen, infolge deren diese Linien nach einiger Zeit den Dienst fast ganz versagten. Durch diese Erfahrungen zurückgeschreckt, verließ man nun in Preußen das System der unterirdischen Leitung.

Ähnlich wie in Preußen ging es mit den unterirdischen Leitungen in anderen Ländern, so in Österreich, Sachsen, Dänemark und Rußland; überall wurden dieselben nach kurzer Zeit wieder beseitigt.

Die Fachmänner verloren indes die Sache nicht aus dem Auge, und so kam es denn im Jahre 1876 wiederum zur Anlage unterirdischer Telegraphenlinien, und zwar, dank der Energie des Generalpostmeisters Dr. von Stephan, zuerst in Deutschland.

Am 13. März 1876 wurde hier der Bau eines unterirdischen Telegraphennetzes in Angriff genommen und am 26. Juni 1881 vorläufig abgeschlossen. Dasselbe verbindet nicht weniger als 221 Städte, darunter alle bedeutenderen Waffen-, See- und Handelsplätze des Landes. Die zur Verlegung gekommenen Kabel haben eine Gesamtlänge von rund 5500 km, und die in den Kabeln enthaltenen Leitungen haben eine solche von über 37000 km. Im ganzen sind 58 Monate auf die Ausführung verwendet[S. 16] worden und Kosten im Gesamtbetrage von über 30 Millionen M. entstanden. Die Kabel sind zur Hälfte aus der Fabrik von Felten und Guilleaume in Mülheim a. Rh., zur andern Hälfte aus der von Siemens und Halske in Berlin hervorgegangen.

In den übrigen Staaten schenkte man diesem Vorgehen Deutschlands die größte Aufmerksamkeit, und nachdem das große Werk glücklich zu Ende gebracht worden, entschloß sich zuerst Frankreich, dem gegebenen Beispiele zu folgen. Im Jahre 1884 waren denn in diesem Lande bereits etwa 2500 km mit rund 18000 km Leitung gelegt.

Andere Länder haben es vorerst noch nicht über sich gebracht, Deutschland und Frankreich in dieser Beziehung nachzuahmen.

2. Der Leitungsdraht. Bei unterirdischen Leitungen hat aus mehrfachen Gründen der Kupferdraht den Vorzug vor einem Eisendraht von gleicher Leitungsfähigkeit. Man verwendet dazu möglichst reines Kupfer, weil die Leitungsfähigkeit von der chemischen Reinheit des Materials wesentlich abhängt. Da es schwer hält, längere Kupferdrähte herzustellen, welche auf der ganzen Länge frei sind von weicheren oder spröden Stellen, die später leicht zu einem Bruch führen können, so setzt man häufig den Leitungsdraht aus 3–7 feineren kupfernen Drähten zusammen, die man nach Art eines Seiles zu einem einzigen Strange, der sogenannten Litze, vereinigt.

Bei dem geringen Widerstand, den das Kupfer dem galvanischen Strom entgegensetzt, reicht man mit einer verhältnismäßig dünnen Kupferader aus, um selbst auf bedeutende Strecken mit Sicherheit die telegraphische Korrespondenz zu besorgen. Bei den Kabeln des Deutschen Reiches gebraucht man Kupferlitzen aus 7 Drähten von je 0,7 mm.

3. Isolieren des Leitungsdrahtes. Als Isolationsmaterial des Leitungsdrahtes verwendet man gegenwärtig fast nur ganz reine Guttapercha oder Kautschuk[9], in einzelnen Ländern auch wohl Asphalt.

4. Schutzmittel für unterirdische Leitungen. Die Erfahrung hatte bald gelehrt, daß die von Guttapercha oder Kautschuk umgebenen Leitungsdrähte, wenn sie direkt in die Erde gelegt wurden, vielfachen Beschädigungen ausgesetzt waren. Man legte sie deshalb in hölzerne Rinnen und umgab sie mit einem geteerten Hanfseile; aber auch diese[S. 17] Schutzmittel, wie manche andere, die noch zur Anwendung kamen, erwiesen sich den Beschädigungen gegenüber, welchen die Erdkabel ausgesetzt sind, unwirksam. Selbst die Verwendung von eisernen Röhren, in welche die Leitungsdrähte einzeln lose eingezogen wurden, hat als Schutzmittel der letzteren keinen dauernden Bestand gehabt, weil bei einer größern Anzahl von eingezogenen Drähten die Auswechslung eines beschädigten Drahtes stets mit der Beschädigung anderer Drähte verbunden war. Seitdem verwendet man bei unterirdischen Leitungen nicht mehr einzelne mit isolierendem Material versehene Drähte, sondern vereinigt dieselben zu einem einzigen Strange oder Kabel, das man zum Schutze gegen äußere Angriffe mit einer metallenen Hülle, in der Regel einem seilartigen Überzuge von eisernen Drähten versieht.

Fig. 8.
Deutsches siebenadriges Erdkabel.

a Die Leitungsader, 7 Kupferlitzen.
b Die Leitungsader, mit
Guttapercha umsponnen.
c Die erste Umspinnung mit Hanf
in Längsfäden.
d Die zweite Umspinnung mit Hanf.
e Die eisernen Schutzdrähte.
f Hanf-Asphalt-Überzug.

5. Konstruktion der Erdkabel des Deutschen Reichs. Das Erdkabel der unterirdischen Leitungen des Deutschen Reichs enthält, wie Fig. 8 zeigt, sieben voneinander isolierte einzelne Guttapercha-Adern von je 5,2 mm äußerm Durchmesser, also sieben getrennte Drahtleitungen. Eine jede dieser Adern hat eine Kupferlitze von sieben Drähten, und jeder dieser Drähte hat einen Durchmesser von 0,7 mm. Diese sieben Kupferdrähte gruppieren sich so, daß ihrer sechs um den siebenten verseilt sind und so eine einzige leitende Litze entsteht. — Jede dieser Litzen erhält zuerst einen Überzug von sogen. Chatterton-Masse, dann eine Lage Guttapercha, nun wieder eine Lage Chatterton-Masse und zuletzt noch eine Lage Guttapercha, also im ganzen zwei Lagen Chatterton-Masse und zwei Lagen Guttapercha.

Die sieben Guttapercha-Adern werden dann wieder derart zu einem Strange, der Kabelseele, vereinigt, daß ihrer sechs um den Siebenten verseilt werden. Nun erhält die Kabelseele eine doppelte Lage von geteertem Hanfgarne von 6 mm Stärke, und erst um diese legt sich die äußere Armatur von 18 verzinkten Eisendrähten von je 3,8 mm Dicke.

[S. 18]

Das so hergestellte Kabel wird nun asphaltiert, nochmals mit 1,5 mm dickem Garn umsponnen und diese Garnhülle mit einer Schicht von Clarks Compound überzogen. Schließlich erhält das Kabel, um das Aneinanderkleben der einzelnen Lagen beim Aufwickeln zu verhindern, noch einen Anstrich von Kalkmilch. — Die Flußkabel für die großen Linien unterscheiden sich nur dadurch, daß sie noch eine zweite Rüstung von 8,6 mm starkem verzinktem Eisendraht erhalten.

6. Legung unterirdischer Kabel. Die unterirdischen Kabel sind für gewöhnlich in einen mindestens 1 m tiefen Graben zu versenken. Zur Ausschachtung und nachherigen Wiederausfüllung dieses Grabens sind zwei größere Erdarbeiter-Kolonnen erforderlich, welche durch eine kleinere dritte, die eigentliche Auslegung des Kabels besorgende Arbeiter-Abteilung getrennt sind. Zur Legung des Kabels dient ein besonderer Wagen, auf welchen der Haspel mit der bestimmten Kabellänge so aufgelegt wird, daß letzterer, um eine feste Achse sich drehend, das Kabel abrollt. Sind zwei Kabelstücke gelegt, so werden die aneinanderstoßenden Enden in der Art miteinander verbunden, daß die entsprechenden Kupferadern in sichern metallischen Kontakt kommen. Nach Herstellung der Verbindung wird die Lötstelle in Bezug auf ihre Isolation geprüft, mit der vorher abgelösten Hanfumspinnung wieder überkleidet und sodann eine eiserne Muffe darüber gezogen.

Hat das Kabel ein Eisenbahngeleise zu kreuzen, so wird dasselbe unter dem Geleise durchgezogen.

Ist es nicht thunlich, das Kabel hinreichend tief zu versenken, so wird die Sicherstellung gegen mechanische Verletzung durch Umkleidung mit eisernen Röhren, diejenige gegen die Einwirkung der Luft durch Umhüllung mit Schlackenwolle bewirkt, welche durch geringe Wärmeleitungsfähigkeit ausgezeichnet ist.

Die bei der Überschreitung von Wasserläufen zur Verwendung kommenden Flußkabel erhalten an solchen Stellen, wo sie gegen Schiffsanker gesichert werden müssen, noch eine Umkleidung von starken, gußeisernen, verzinkten Muffen von je 50 cm Länge, welche zu einem biegsamen, das Kabel umschließenden Rohr miteinander verbunden werden.

7. Statistik der unterirdischen Leitungen. Ein ausgebildetes Netz unterirdischer Linien besitzt dermalen nur das Deutsche Reich mit rund 5500 km Linien und 37600 km Leitungen. Die einzelnen Linien und Leitungen desselben betrugen Ende 1881 in Kilometern:

  Linien. Leitungen.
Berlin-Halle-Kassel-Frankfurt a. M. 595 4166
Halle a. d. S.-Leipzig 35 141
Berlin-Hamburg I 298 2086
Desgleichen II 298 2086
Hamburg-Kiel 100 701
Frankfurt a. M.-Straßburg 263 1839
Berlin-Magdeburg-Hamm-Köln 693 4852
[S. 19] Barmen-Köln 55 220
Hamburg-Kuxhaven 131 523
Hamburg-Bremen-Oldenburg-Emden 285 1992
Bremen-Bremerhaven 59 237
Sande-Wilhelmshaven 11 45
Köln-Koblenz-Trier-Metz 326 2281
Köln-Mainz 92 642
Metz-Straßburg 186 1299
Berlin-Dresden 236 1654
Berlin-Breslau 369 2585
Berlin-Thorn 418 2926
Berlin-Stettin 155 1087
Thorn-Danzig 230 1607
Danzig-Königsberg 189 1325
Stettin-Danzig 368 2578
Köln-Aachen 71 498
Kiel-Flensburg —  86
Flensburg-Hoyer —  62

Im ganzen waren an unterirdischen Leitungen am Schlusse des Jahres 1881 vorhanden:

Länder. Länge (in Kilometern)
der Kabel. der Leitungsdrähte.
1. Deutschland 5615,94 37932,39
2. Österreich-Ungarn   29,52   511,03
3. Belgien   11   232
4. Dänemark    3    79
5. Frankreich (einschließlich der überseeischen Besitzungen[10])  850,97 11880,49
6. Großbritannien und Irland  771,19 17700,34
7. Niederlande   95,80   591,50
8. Rumänien   11,38    56,12
9. Rußland  202,50   250,10
10. Schweiz   45,60   327,10

Die Gesamtlänge der unterirdischen Kabel beträgt somit rund 7500 km, die der unterirdischen Leitungsdrähte fast 70000 km.

2. Unterseeische (submarine) Leitungen.

1. Geschichtliches. Die Telegraphenleitung unter Wasser fortzuführen, suchte zuerst Soemmerring 1809 möglich zu machen. Ernster machte sich Soemmerrings Freund, Baron Schilling von Kannstadt, an die Herstellung eines elektrischen Leitseils, mit welchem man durch feuchte Erde und Wasser zu telegraphieren und Pulver zu entzünden vermöchte, und im Herbste des Jahres 1812 führte er in Petersburg in Gegenwart des Kaisers Alexander durch das Wasser der Newa hindurch wirklich Sprengungen aus. Größere Versuche mit der Versenkung einer Telegraphenleitung in Wasser machte Schilling 1836, und diese hätten beinahe schon damals zur Anlage eines unterseeischen Telegraphen zwischen Kronstadt und Peter[S. 20]hof geführt[11]. Die erste wirkliche Leitung unter Wasser scheint Dr. O’Shaugessy 1839 in der Nähe von Calcutta durch einen Arm des Ganges gelegt zu haben. 1840 bereits trat Wheatstone mit einem Plan zur Verbindung von Dover und Calais hervor, und 1843 regte Morse die unterseeische Verbindung Amerikas und Europas an. Allein man kannte damals noch nicht die isolierende Eigenschaft der Guttapercha, und so kam auch weder der Vorschlag Wheatstones, noch der von Morse zur Ausführung. Als jedoch in der Guttapercha ein Material gefunden worden war, welches zur Isolation des Leitungsdrahtes sich vorzüglich eignet und dabei leicht zu behandeln ist, da war das Haupthindernis der Unterseeleitung überwunden. Weder größere Flüsse und Meeresarme, noch selbst die Oceane konnten von jetzt an der Herstellung einer telegraphischen Verbindung zwischen den dadurch getrennten Ländern unübersteigliche Hindernisse entgegensetzen.

Im Januar 1849 wurden, nachdem Pläne und Versuche von Wheatstone, Morse, Armstrong, Siemens und Play in dieser Beziehung ausgeführt waren, zuerst durch den Engländer Walker, den Dirigenten des Telegraphen der Südwest-Eisenbahngesellschaft, auf einer über 2 Meilen langen Seeleitung ohne alle Schwierigkeiten telegraphische Depeschen gegeben. Durch derartige Versuche ermutigt, beschloß J. Brett, ein sehr geschickter Techniker und ein Mann von großem Unternehmungsgeiste, Dover mit Calais unterseeisch zu verbinden. Nachdem er von der französischen Regierung ein Patent auf 10 Jahre für die Herstellung submariner Leitungen zwischen Frankreich und England erhalten hatte, bildete er eine Aktiengesellschaft und begann die Fabrikation des Leitungsdrahtes. Am 28. August 1850 wurde der sechs deutsche Meilen lange Telegraphendraht, 2½ mm dick und mit einer Hülle von Guttapercha umgeben, glücklich ins Meer versenkt (das Jahr 1850 kann daher als das Geburtsjahr der unterseeischen Telegraphie gelten); leider aber zerriß derselbe wenige Tage nachher. Die Gesellschaft ließ nun ein viel stärkeres, 180000 Mark kostendes Tau verfertigen, dessen Kern aus vier mit Guttapercha überzogenen Drähten bestand, und das mit zehn galvanisierten Eisendrähten überzogen war. Die Legung dieses ca. 12 cm dicken Kabels begann am 25. September 1851 und gelang in drei Tagen vollständig.

Damit hatte die unterseeische Telegraphie festen Boden gewonnen. Schon 1852 wurden England und Schottland mit Irland, Fünen mit Seeland und Jütland, England mit Belgien und Holland, 1854 Seeland mit Schweden, Italien und Sardinien mit Corsica verbunden.

Bei allen diesen mit mehr oder weniger Glück durchgeführten Verbindungen wurden reiche Erfahrungen gesammelt und die Technik der elektrischen Tele[S. 21]graphie sehr verbessert. Was war nun natürlicher als der Gedanke, die Alte und die Neue Welt durch ein Kabel miteinander zu verknüpfen? Der Amerikaner Cyrus Field faßte denn bereits 1854 den Plan, zwischen Amerika und Europa eine telegraphische Verbindung zur Ausführung zu bringen. Am 6. August 1857 begann auch schon die Legung des Kabels von der Insel Valentia aus im Südwesten von Irland; aber das Tau riß am 11. August, 274 englische Meilen von der Küste. Das teure Lehrgeld schreckte jedoch weder Engländer noch Amerikaner zurück, und von nun an schien ihnen das Glück auch hold zu sein. Am 5. August 1858 tauschten Amerika und Europa die erste telegraphische Botschaft aus. Der Präsident der Vereinigten Staaten und die Königin Victoria von England hatten sich in unterseeischen Depeschen zur Vollendung des großen Werkes beglückwünscht; die parlamentarischen Körperschaften, die Presse, die Litteratur und die Dichtkunst hatten gewetteifert, das Kabel als eine Bürgschaft des Friedens und einen Hebel für die Annäherung der Völker zu feiern.

With clasped hands the continents
Feel throbbings of each other’s heart,

sang ein amerikanischer Poet; mit gleicher Begeisterung erwiderte der elsässische Pfarrer Adolf Stöber:

Nein, kein Ocean mehr trennet die Alte Welt
Von der Neuen, ein Band schlingt um beide sich;
Eines Hauses Genossen
Sind die Völker Von Pol zu Pol[12].

Die Leistungsfähigkeit des Kabels ließ indes bald nach, es traten Störungen ein, und am 1. September 1858 versagte es gänzlich den Dienst.

Während der drei Wochen, die das Kabel in Thätigkeit gewesen, hatten im ganzen 400 Telegramme mit zusammen 4359 Wörtern Beförderung erhalten. 4359 Wörter für 8 Millionen Mark — soviel hatte das Unternehmen gekostet — jedes Wort also über 1800 Mark! Gewiß die höchste Depeschengebühr, die je vorgekommen ist![13]

Der Physiker Babinet, der das ganze Unternehmen der Kabellegung für wahnsinnig erklärt hatte, schien recht zu haben. Das Werk ruhte nun jahrelang, und der Plan des amerikanisch-sibirischen Telegraphen trat an seine Stelle, bis 1865 durch Cyrus Field, den Hauptförderer der atlantischen Kabellegung, ein neuer Versuch unternommen wurde. Man hatte das Kabel weit sorgfältiger, nach ganz neuen Principien gearbeitet und zu dessen Abwicklung das berühmte Riesenschiff „Great Eastern“ gemietet. In Bezug auf Festigkeit und Isoliertüchtigkeit ließ der neue Draht, der das Gewicht von 82000 Centnern repräsentierte, nichts zu wünschen übrig, und am[S. 22] 23. Juli 1865 begann dessen Legung von Valentia aus. Schon war man 1000 Meilen von Valentia mit dem Kabel nach Westen vorgedrungen, da riß es abermals und war trotz vieler Mühe nicht mehr zu finden. Errungen wurde der große Sieg endlich 1866; abermals lief der „Great Eastern“ am 13. Juli von Valentia aus, glücklich versenkte er seine Last in den Ocean, und am 27. Juli war Trinity Bay auf Neufundland erreicht und damit die dauernde Verbindung hergestellt. Den umfassendsten Gebrauch von der neuen Kabelleitung machte sofort der New-Yorker Herald. Denn schon den nächsten Tag nach dieser denkwürdigen Errungenschaft des menschlichen Geistes ließ sich die genannte Zeitung auf diesem neuen Wege die vollständige Rede zugehen, die König Wilhelm von Preußen nach der Rückkehr von Sadowa vor seinem Landtage hielt. Das Telegramm kostete 36000 Francs[14].

Gleich nach Vollendung der Kabellegung wurde auch das 1865 verlorene Kabel wieder aufgefunden, und Europa und Amerika hatten nun eine doppelte telegraphische Verbindung. Seitdem arbeiteten beide Kabel, trotz mehrfacher Unterbrechungen, lange zur vollsten Zufriedenheit, und die Gesellschaft konnte, obgleich die Unternehmungen von 1857 und 1858 350000, die von 1865 und 1866 je 600000 Pfd. St. gekostet hatten und die anfängliche Beförderungsgebühr von 20 Pfd. für 20 Wörter wiederholt herabgesetzt worden war, für das Jahr 1869 über 24% Dividende zahlen.

Neue Unternehmungen in großem Stile folgten nun rasch nacheinander und wurden nach mancherlei Wechselfällen auch glücklich durchgeführt.

2. Fabrikation unterseeischer Kabel. Es ist klar, daß je nach dem Zwecke, für den ein Telegraphenseil bestimmt ist, die Zusammensetzung desselben sehr verschieden sein wird. Ob ein oder mehrere voneinander isolierte Leitungsdrähte den innern Kern bilden sollen, ob das Kabel in bedeutende Tiefen versenkt werden muß, oder ob es für seichte Gewässer bestimmt ist, ob dasselbe der Gefahr von besonderen Beschädigungen ausgesetzt ist oder nicht, all das ist auf die Zusammensetzung des Kabels von wesentlichem Einfluß.

Als Leiter wird für Kabel durchweg Kupfer verwendet. Dasselbe besitzt eine große Leitungsfähigkeit, so daß die Drähte dünn genommen werden können. Infolge davon ist weit weniger Guttapercha, deren Preis sehr hoch ist, als bei Eisendraht erforderlich. Außerdem verträgt der Kupferdraht eine geringe Dehnung ohne Nachteil. Zu größerer Sicherheit gegen einen vollständigen Bruch des Leiters nimmt man gewöhnlich nicht einen einfachen Draht, sondern man vereinigt mehrere (4–7) dünnere Drähte zu einer einzigen metallischen Litze, bei welcher der leitende Zusammenhang noch erhalten bleiben kann, wenn selbst einer der Drähte oder mehrere reißen.

[S. 23]

Als isolierende Hülle dient Guttapercha. Da aber bei einem so vielen Unfällen ausgesetzten und nach geschehener Legung nicht mehr erreichbaren unterseeischen Kabel die Isolation des Leitungsdrahtes möglichst vollkommen sein muß, so begnügt man sich nicht mehr mit einer doppelten Umpressung des Kupferdrahtes mittels der Guttapercha, sondern man überzieht ihn mindestens dreimal und bringt außerdem zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Guttapercha-Schichten noch besondere flüssige Isolationsmittel an, damit dieselben nicht bloß in die einzelnen Poren der Guttapercha dringen, sondern auch durch ihre Klebrigkeit die Schichten von Guttapercha fest miteinander vereinigen. Ja auch zwischen den Draht und die erste Lage Guttapercha giebt man vielfach behufs Ausschließung der Luft und zur Verhütung der Blasenbildung durch dieselbe eine isolierende Mischung (z. B. Chatterton-Masse).

Die mit dem Isolationsmateriale umpreßten metallischen Adern werden schließlich zur Sicherung gegen äußere Beschädigungen mit einer Hanfumwicklung und einer Hülle starker Eisendrähte oder auch statt dieser letzteren nach dem Vorschlage von Siemens mit einem Überzuge von dünnen kupfernen Bändern versehen.

Die Hauptfabrikanten solcher Kabel sind in England: Newall & Co.; Henley, India Rubber, Gutta Percha and Telegraph Works Company, Siemens Brothers, Submarine Telegraph Company, Telegraph-Construction and Maintenance Company; in Deutschland: Felten & Guilleaume zu Köln, Siemens & Halske in Berlin; in Frankreich: Rattier & Co., ferner Menier in Paris.

Die Fabrik von Felten & Guilleaume zu Köln geht bei der Fabrikation der Guttapercha-Drähte und Kabel mit ganz besonderer Vorsicht zu Werke, weshalb denn auch ihre Kabel über den ganzen Kontinent verbreitet sind.

In den folgenden zwei Figuren (9 u. 10) sind Ansichten und Querschnitte zweier Tiefseekabel dargestellt.

Das französisch-atlantische Kabel vom Jahre 1869 mit einer Länge von 4785 km (von Brest in Frankreich bis St. Pierre südlich von Neufundland) erforderte zu seinem siebendrähtigen Leiter 533 t Kupferdraht. Ferner wurden zu demselben verbraucht 549 t Guttapercha, 500 t Jute, 4727 t Eisendraht und 1286 t Manila-Hanfstränge. Das Kabel kostete 584496 Pfd. St.; die Gesamtkosten beliefen sich auf 920000 Pfd. St. = 18⅖ Mill. M.

3. Legung unterseeischer Kabel[15]. Die Legung eines Unterseekabels ist immer eine höchst schwierige Aufgabe; dem Scharfsinn und der Energie der Seeleute, Ingenieure und Telegraphentechniker werden hierbei nicht geringe Aufgaben gestellt.

[S. 24]

Fig. 9.

Zweites transatlantisches
Kabel von 1865.

Fig. 10.

Malta-Alexandria-
Kabel.

a Kupferdraht.
b Guttapercha, 4 Lagen.
c Geteerter Hanf.
d Mit Hanf umsponnener Eisendraht.

Nach der gewöhnlichen Art des Einlegens submariner Leitungen wird das Kabel auf ein Schiff gebracht. Schon diese Operation und die genaue Einlegung des letztern in konzentrische Ringe macht wegen der enormen Last und der Steifheit des Kabels große Schwierigkeiten. Dann ist bereits vor der Versenkung der mit dem Tau einzuschlagende Weg genau festzustellen und zu diesem Behufe Tiefe, Beschaffenheit und Gestalt des Meeresbodens durch Sondierungen möglichst genau zu erforschen. Die Landungspunkte namentlich sollen möglichst frei von Brandung und Klippen sein, auch keinen guten Ankergrund bieten, damit das Tau nicht durch Schiffsanker verletzt werde. Ist das alles geschehen und das Küstenkabel auf dem Lande befestigt, so fährt das Schiff die projektierte und genau sondierte Linie entlang, wobei man das Tau nach und nach ins Wasser hinabläßt, in welchem es durch sein eigenes Gewicht niedersinkt und so auf dem Grunde sich festlegt. Dabei ist es besonders notwendig, die Schnelligkeit, mit welcher das Kabel vom Schiffe ins Wasser sinkt, zu regulieren. Denn dieselbe würde sonst sehr bald außerordentlich groß und weit größer als die des Schiffes werden; infolgedessen würde aber das Tau in verschlungenen Ringen statt in einer nahezu Geraden sich niederlegen, überdies würde es durch die Reibung in hohem Grade leiden und sich selbst und das Schiff beschädigen.[S. 25] Von der Zweckmäßigkeit der hierzu verwendeten Maschinen und der guten Führung des ablaufenden Taues ist das Gelingen des ganzen Werkes wesentlich mitbedingt. Endlich müssen während des Versenkens fortlaufende Messungen des Isolations- und Leitungszustandes des Taues angestellt werden, damit man beim Auftreten eines Fehlers diesen sofort merkt und beseitigen, beziehungsweise das versenkte Taustück wieder emporheben kann. Zu diesem Zwecke bleibt das Schiff, welches das Tau versenkt, durch dieses hindurch beständig mit einer Station am Lande in telegraphischer Verbindung.

Ein Dampfschiff ist für die Legung einem Segelschiff vorzuziehen, weil es von Wind und Wellen weniger abhängt; doch muß es genügende Größe, Stabilität und Tragfähigkeit haben. Bei mehreren derartigen großen Unternehmungen hat sich das Riesenschiff Great Eastern von über 3000 t Netto-Gehalt vortrefflich bewährt. Noch geeigneter sind die besonders für die Zwecke der Kabellegung und -ausbesserung gebauten großen Dampfer der Kabelgesellschaften, beziehungsweise Kabelfabrikanten. Gegenwärtig sind 29 solcher Dampfer mit Legung neuer Strecken und Reparaturen der alten unausgesetzt beschäftigt.

Diesen Schiffen liegt, namentlich wenn es sich um Versenkung größerer oder um das Auffischen und Zusammenspleißen gebrochener Kabel handelt, eine Arbeit ob, die das Schiff, die Mannschaft und die Ladung den bedenklichsten Wechselfällen aussetzt. Abgesehen von den Launen der Witterung und des Meeres, denen die Kabelschiffe durch ihre Belastung und die zur Versenkung der Kabel erforderlichen Vorrichtungen in erhöhtem Maße ausgesetzt sind, werden die Bewegungen dieser Schiffe durch ihre Arbeiten in einer Weise gehemmt, die es ihnen außerordentlich erschwert, anderen Schiffen auszubiegen. Die Gefahr eines Zusammenstoßes mit anderen Fahrzeugen ist um so größer, als die Arbeiten der Kabeldampfer regelmäßig auf den belebtesten Hochstraßen des Oceans auszuführen sind und ihrer Natur nach nicht unterbrochen werden dürfen. In nicht seltenen Fällen hat zur Rettung des Schiffes das Kabel an unpassenden Stellen gelegt oder gar abgeschnitten und dem gänzlichen Verlust ausgesetzt werden müssen. Vor ca. 10 Jahren ging der Dampfer Gomos bei Legung des Kabels von St. Vincent nach Pernambuco infolge eines Zusammenstoßes zu Grunde. Aus gleicher Ursache wurde der Telegraphendampfer Robert Lowe in den Gewässern von Neufundland schwer beschädigt.

4. Kabelschutz. Bei dem großen Anlagekapital und bei der Wichtigkeit der telegraphischen Verbindungen ist es begreiflich, daß man schon sehr frühe daran dachte, wenigstens die Kabellinien unter den Schutz der Mächte zu stellen. Die ersten derartigen Bestrebungen gingen bereits 1869 von den Vereinigten Staaten von Amerika aus, aber erst auf der internationalen Konferenz zu Paris vom 27. Oktober 1883 kam eine diesbezügliche Vereinbarung zu stande. Die Übereinkunft, welche von 32 Staaten[S. 26] abgeschlossen wurde, bezweckt den internationalen Schutz der Kabel wenigstens in Friedenszeiten. Das von Cyrus Field angestrebte Ideal, die unterseeischen Telegraphen-Verbindungen vollständig zu neutralisieren, ist durch den Vertrag nicht erreicht worden.

5. Statistik der unterseeischen Telegraphenverbindungen. Die Zahl sämtlicher submariner Kabel beträgt 731. Hiervon gehören 546 Kabel den Staatsverwaltungen, 185 sind Eigentum von Privatgesellschaften. An letzteren gab es 1883 23, von denen 17 ihren Sitz in London hatten. Die ausgedehntesten submarinen Leitungen (fast 17000 Seemeilen) besitzt die Eastern Telegraph Company. Die Länge sämtlicher Privatkabel übertrifft jene der Staatsverwaltungen fast um das Zwölffache.

Die Ausdehnung der sämtlichen unterseeischen Telegraphenverbindungen für das Jahr 1883 erhellt aus folgender, dem Journal télégraphique entnommenen Zusammenstellung.

A. Staatsverwaltungen.

Länder. Zahl der
Kabel
Länge (in Seemeilen)
der Kabel. der Drähte.
Deutsches Reich  32  436,19  1042,24 
Österreich  29   97,49   103,94 
Dänemark  32  111,68   410,18 
Spanien   3  129,10   129,10 
Frankreich  41 2329,273 2345,273
Großbritannien und Irland  92  576,194 1528,163
Griechenland  13  104,60   104,60 
Italien  15  250,29   262   
Norwegen 224  245,76   245,76 
Niederlande  14   40,70    61,81 
Europäisches und kaukasisches Rußland   5  201,80   209,84 
Schweden   7   58,60    58,60 
Türkei  12  330,66   333,66 
Britisch-Indien   7 1743,35  1743,35 
Japan  11   55,498  103,368
Russisch-Asien   1   70,017   70,017
Süd-Australien   2   43,50    43,50 
Neu-Caledonien   1    1       1   
Niederländisch-Indien   1   54,91    54,91 
Neu-Seeland   3  196,315  284,94 
Britisches Amerika   1  200     200   
  546 7276,927 9336,281

[S. 27]

B. Privatgesellschaften.

Namen der Gesellschaften. Zahl
der
Kabel
Länge (in Seemeilen)
der Kabel. der Drähte.
1. Submarine Telegraph Company  10   803,69  3728,64
2. Vereinigte deutsche Telegraphen-Gesellschaft   2  1119    1794  
3. Hamburg-Helgoländer Telegr.-Gesellschaft   1    32      32  
4. Direct Spanish Telegraph Company   2   699,13   699,13
5. Mediterranean Extension Telegr. Company   3   198     198  
6. Black Sea Telegraph Company   1   350     350  
7. Indo-European Telegraph Company   1     8      24  
8. Great Northern Telegraph Company  17  5916    6142  
9. Eastern Telegraph Company  49 16814,85 16859,85
10. Eastern and South African Telegraph Company   4  3858    3858  
11. Eastern Extension Australasia and China Telegraph Company  15 11265   11265  
12. Anglo-American Telegraph Company  15 10437,56 11035,70
13. Directed United States Cable Company   2  2983    2983  
14. Compagnie française du Télégraphe de Paris à New-York   4  3409,34  3409,34
15. Western Union Telegraph Company[16]   4  5537    5537  
16. Brazilian Submarine Telegraph Company   4  4296    4296  
17. Cuba Submarine Telegraph Company   3   940     940  
18. West-India and Panama Telegr. Company  20  4119    4119  
19. Western and Brazilian Telegraph Company   9  3801    3801  
20. River Plate Telegraph Company   1    32      64  
21. Mexican Telegraph Company   2   709     709  
22. Central and South American Telegraph Company   9  3178,11  3178,11
23. West Coast of America Telegr. Company[17]   7  1698,72  1698,72
    185 82214,40 86721,49

[S. 28]

C. Zusammenfassung.

  Zahl der
Kabel
Länge (in Seemeilen)
der Kabel. der Drähte.
Staatstelegraphen 546  7276,927  9336,281
Privat-Gesellschaften 185 82214,40  86721,49 
Im ganzen 731 89491,327 96057,771

Nach der neuesten Statistik können die Kabel der Privatgesellschaften auf 180000 km Länge mit 200000 km Leitung veranschlagt werden, während die in Staatsverwaltung befindlichen Kabel nur 15000 km Länge und etwa 18000 km Leitung besitzen. Die Länge sämtlicher Kabel der Erde beträgt somit 195000 km mit 218000 km Drähten[18]. Bedenkt man, daß es vor wenigen Decennien noch für unmöglich galt, Kabel durchs Meer zu legen, so ist dieses Resultat wahrlich im höchsten Grade bewundernswert.

6. Kosten der Kabel. Der Wert der sämtlichen Kabel beläuft sich auf über 600 Millionen Mark. Durchschnittlich betragen die Kosten der atlantischen Kabel pro englische Meile (= 1,6 km) 550 Pfd. St. = 11000 M.; andere submarine Leitungen wurden dagegen schon um 200 Pfd. St. pro englische Meile erstellt. Beträchtlich wohlfeiler kommen die oberirdischen Leitungen zu stehen: im Durchschnitt pro englische Meile auf 80 Pfd. St. = 1600 M., die unterirdischen dagegen kosteten in Deutschland für die gleiche Entfernung 450 Pfd. St. = 9000 M.[19]

7. Tarifentwicklung für Kabeltelegramme. Die nachstehende Tabelle veranschaulicht in übersichtlicher Weise, wie der Preis für transatlantische Telegramme seit der Inbetriebnahme der ersten überseeischen Kabel und infolge des fortwährenden Hinzutretens von neuen Verbindungen fast stetig sich ermäßigte, bis er schließlich zu dem jetzigen verhältnismäßig billigen Satze herabsank, welcher auch den weniger Bemittelten gestatten dürfte, in Fällen großer Dringlichkeit von den überseeischen Verbindungen Gebrauch zu machen.

Für ein Telegramm bis zu 20 Worten Inhalt wurden bezahlt:

bis zum Jahre 1867 M. 400,—
vom 1. November 1867 ab 200,—
1. Dezember 1867 ab für ein Telegramm bis zu 10 Worten 100,—
1. September 1868  67,40
1. Juni 1869  40,—
10. August 1869  30,—
12. Dezember 1870  60,—
1. Juli 1871  40,—

[S. 29]

Vom 1. Mai 1872 ab wurde die Worttaxe eingeführt, und zwar

wurde zunächst berechnet für jedes Wort M. 4,—
vom 1. Mai 1875 ab 2,—
und vom 24. Dezember 1884 ab 1,60

Die zuletzt genannte Ermäßigung war eine Folge der Verlegung der Bennett-Mackay-Kabel, die von Waterville in der Nähe der Insel Valentia ihren Ausgang nehmen. Die Eigentümer dieser Kabel, welche die Commercial Cable Company bilden, setzten bei der Inbetriebnahme derselben den angeführten Satz von 1,60 Mark für ein Wort fest, und die augenblickliche Folge davon war, daß auch alle übrigen Eigentümer von transatlantischen Kabeln sofort den gleichen Satz in Anwendung bringen ließen[20]. Seitdem ist sogar noch eine weitere Verwohlfeilung des telegraphischen Verkehrs zwischen Europa und Amerika eingetreten. Um nämlich die Commercial Cable Company zu veranlassen, dem Bunde der übrigen Kabelgesellschaften beizutreten, haben die letzteren am 5. Mai 1886 die Wortgebühr für die Beförderung von Telegrammen zwischen London und New-York sowie den wichtigsten Handelsstädten Nordamerikas für ihre sämtlichen Linien auf den Satz von M. 0,50 herabgesetzt. Besondere Konzessionen wurden gleichzeitig den Zeitungen gemacht, indem für Preßtelegramme mittels besonderen Abkommens eine Ermäßigung der Gebühr auf sogar 0,25 M. für das Wort vereinbart werden kann. Die Beförderungsgebühren werden indes auf diesem Satze nicht allzulange beharren[21].


Drittes Kapitel.
Übersicht über die wichtigsten Telegraphenlinien der Erde.

A. Die großen Kontinentallinien.

Die bedeutendsten diesbezüglichen Linien sind:

1. Der europäisch-indische Überlandtelegraph. Derselbe läuft bis zum persischen Hafen Buschir in doppelter Linie, einerseits über Konstantinopel, Bagdad und Basra (nur die kurze Strecke Fao-Buschir ist Kabelleitung), andererseits von Rußland her über Tiflis, Teheran und Ispahan. Von Buschir taucht die Leitung in den persischen Meerbusen, landet dann bei Jask in Südpersien und wieder bei Gwadur und Karratschi und zieht dann über Land nach Bombay, Madras, Calcutta und Mulmein, letzteres in Hinterindien.

2. Der sibirische Überlandtelegraph. Er zieht von St. Petersburg über Kasan, Perm, Tjumen, Omsk, Tomsk, Krasnojarsk, Irkutsk,[S. 30] Kiachta, Nertschinsk nach Nikolajewsk am Ochotskischen und Wladiwostock am Japanischen Meer.

3. Der australische Überlandtelegraph. Er führt von Port Darwin in Nordaustralien nach Melbourne in Südaustralien. Außerdem läuft hier ein Telegraph von Melbourne an der Ostküste entlang über Sydney nach dem Golf von Carpentaria; desgleichen eine Leitung an der Südküste nach Westen bis Perth, Geralton und Roeburne.

4. Der transkontinentale Telegraph Nordamerikas. Er verbindet den Osten (New-York) mit dem Westen der Vereinigten Staaten (San Francisco).

5. Die transandinische Linie Südamerikas. Sie verknüpft Argentinien und Uruguay mit Chile, indem sie die Pampas durchzieht und die Anden übersteigt.

B. Die wichtigsten unterseeischen Verbindungen[22].

Sie zerfallen in folgende Hauptgruppen:

I. Linien zwischen Europa und Nordamerika, zugleich für den Verkehr mit Mittelamerika und Westindien.

1. Drei Linien von der Insel Valentia an der Südwestküste von Irland nach Hearts Content auf Neufundland: a. 1873er Kabel, 3475 km; b. 1874er Kabel, 3403 km; c. 1880er Kabel, 3000 km.

Fig. 11. Die unterseeischen Verbindungen zwischen Europa und Nordamerika.

[S. 31]

2. Eine Linie von der Ballinskelligbai (bei Valentia) nach Tor Bai auf Neuschottland.

3. Zwei Linien von Waterville (nächst der Ballinskelligbai) nach Dover Bai.

4. Zwei Linien von Sennen Cove an der Westspitze der englischen Halbinsel Cornwall nach Dover Bai.

5. Zwei Linien von Brest (Frankreich) nach St. Pierre-Miquelon (südlich von Neufundland).

II. Linien zwischen Europa und Südamerika.

Die Doppel-Linie Lissabon-Madeira-St. Vincent-Pernambuco; jedes Kabel hat eine Gesamtlänge von je 7260 km. Von Pernambuco wurden ferner Kabel entlang der Küste nördlich bis Pará, südlich nach Bahia, Rio de Janeiro, Montevideo und Buenos-Aires gelegt.

Zwischen Europa und Amerika bestehen somit gegenwärtig nicht weniger als 12 submarine Leitungen; 10 derselben verbinden Europa und Nordamerika.

III. Linien zur Verbindung von Europa und Afrika, sowie von Europa und Asien, beziehungsweise Australien.

1. Marseille-Algier (3 Linien) und Marseille-Bona (2 Linien).

2. Falmouth-Gibraltar-Malta-Alexandrien.

3. Modica (Sicilien)-Malta-Alexandrien.

4. Otranto (Unteritalien)-Zante-Alexandrien mit verschiedenen Abzweigungen.

5. Cadiz-Teneriffa-St. Louis-Dakar (franz. Senegambien)-Bathurst-Bulama-Konakry.

6. (Alexandrien-)Suez-Aden-Bombay (2 Linien).

7. Suez-Aden-Zanzibar-Mozambique-Delagoabai-Port Natal(-Kapstadt). Dieses Kabel ist 7289 km lang.

8. (Bombay-)Madras-Penang-Singapore.

9. Singapore-Batavia.

10. Singapore-Banjoewangie (Java)-Port Darwin (Nordaustralien).

11. Singapore-Saigon-Hongkong (China)-Shanghai-Nagasaki (Japan)-Wladiwostock (im russischen Amurgebiet am Japanischen Meer).

12. Saigon-Hué-Haiphong-Hongkong-Amoy-Shanghai.

[S. 32]

13. Melbourne-Low Head (Tasmanien) und Sydney-Nelson (Neu-Seeland).

14. Für den internationalen Verkehr ist noch von Wichtigkeit die Kabelleitung durch den persischen Golf: Fao (an der Mündung des Schat-el-Arab)-Buschehr-Karratschi.

IV. Zwischen Nord- und Südamerika.

Galveston-Tampico-Vera Cruz-[Coatzacoalcos (Mejico)-Salina Cruz (am Stillen Ocean)]-la Libertad-San Juan del Sur-Panamá-Buenaventura-Sta. Elena (im Staat Ecuador)-Payta (Peru)-Chorillos bei Lima. Die Leitung wurde erst 1882 fertiggestellt, und erst seitdem ist zwischen Nord- und Südamerika ein direkter telegraphischer Verkehr möglich; bis dahin war das nur über Europa der Fall mittels der Leitung Lissabon-Pernambuco. Ein Telegramm von Nordamerika nach Südamerika mußte also zweimal den Atlantischen Ocean durchkreuzen. Und welche Kosten waren hiermit verknüpft! Für das Taxwort eines Telegrammes von Panama nach Callao (Peru) waren z. B. nicht weniger als 13 Dollars oder 52 Mark zu entrichten. Von Lima zieht dann eine Kabelleitung südwärts nach Valparaiso, das selber wieder durch die transandinische Linie mit der Ostküste Südamerikas in Verbindung steht.

V. Projektierte unterseeische Linien.

An unterseeischen Linien sind in Aussicht genommen:

1. Die Fortsetzung des Kabels an der Westküste von Afrika und zwar von Konakry über St. Thomas (im Gabunlande), Loanda, Benguela, Mossamedes nach Kapstadt.

2. Ein Kabel von Brest nach Guadeloupe, einer der Kleinen Antillen.

3. Verbindungen von Waterville, Brest, Vigo und Lissabon über die Azoren- und Bermuda-Inseln mit Halifax, New-York, Havana und Kingston (auf Jamaica).

4. Ein Kabel von Fortaleza (in Brasilien) nach New-York.

C. Weltlinien.

Von besonderer Wichtigkeit ist die Kombination der einzelnen submarinen Kabel mit Überlandlinien zur Herstellung sogen. Weltlinien, durch welche mehrere Erdteile miteinander in direkten Verkehr gesetzt werden.

Die längste durchgehende Linie dieser Art reicht von San Francisco an der Westküste Nordamerikas einerseits und von Valparaiso an der Westküste Südamerikas andererseits bis Wladiwostock am Japanischen Meer und Nikolajewesk am Ochotskischen Meer. Sie wird durch folgende vier Hauptstrecken gebildet: die nordamerikanische, beziehungsweise südamerikanische[S. 33] Landroute, die atlantischen Kabel, die Linie von England bis Petersburg und die russisch-sibirische Strecke. (Siehe Karte.)

Die wichtigsten Telegraphenverbindungen der Erde.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Eine zweite durchgehende Linie zieht sich durch Europa in südöstlicher Richtung nach dem Süden Asiens und weiterhin nach Australien[23]. Sie nimmt ihren Weg von Konstantinopel über Bagdad und Basra, zieht hierauf über Bombay nach Madras, um von dort per Kabel Singapur zu erreichen. Von Singapur führt dann eine Doppelleitung über Java nach Port Darwin in Australien, wo sich der Überlandtelegraph anschließt. — Mit dieser Weltlinie vereinigen sich in Bombay die zwei von Suez über Aden kommenden Kabel und in Buschir am Persischen Meerbusen die von Europa über Tiflis, Teheran und Ispahan laufende Leitung. Ferner zweigt von Singapur ein Kabel ab über Hongkong, Shanghai, Nagasaki (Japan) nach Wladiwostock zum Anschluß an die sibirische Linie.

Zur Vollendung des telegraphischen Weltnetzes fehlt nur noch die Verbindung zwischen Amerika und Asien. Ist diese Verbindung hergestellt, dann ist der elektrische Gürtel um die Erde geschlossen.


Viertes Kapitel.
Leitungsstörungen[24].

Die Beeinträchtigungen, welche die Telegraphenanlagen zu erleiden haben, sind mannigfacher Art. Was zunächst die oberirdischen Leitungen[S. 34] betrifft, so sind dieselben zahlreichen schädlichen Einwirkungen durch die elementaren Naturkräfte ausgesetzt. Als besonders nachteilig erweisen sich z. B. die aus dem Wechsel der Witterung hervorgehenden atmosphärischen Einflüsse. Die Niederschläge, wie Regen, Nebel und Tau, stören nämlich die Isolation der Leitungen, und dadurch wird der galvanische Strom so geschwächt, daß er oft nicht im stande ist, die Apparate auf weitere Strecken hin in Thätigkeit zu setzen. Scheidet sich im Winter der Wassergehalt der Atmosphäre in gefrorenem Zustande aus, so hängt er sich als Rauhfrost oder Schnee an die Drähte und überzieht dieselben mit dicken Krusten von beträchtlicher Schwere. Es sind in dieser Beziehung Fälle beobachtet worden, in welchen die Eiskruste einen Durchmesser von 15–20 cm erreichte und jeden einzelnen Draht innerhalb der gewöhnlichen Stangenintervalle mit einem Mehrgewicht von 1000–1500 kg belastete. Daß eine solche Vermehrung des eigenen Gewichtes, zumal bei starken Luftströmungen, vielfach Draht- und Stangenbrüche im Gefolge hat, bedarf keiner Ausführung. — Durch Eisgang und Hochwasser werden nicht selten Stangen, die aus örtlichen Gründen im Überschwemmungsgebiet der Flüsse haben aufgestellt werden müssen, unterspült und demnächst fortgerissen. — Ferner fegt der Sturmwind, der die Stangen niederlegt und ihre Drähte zu schwer entwirrbaren Knäueln verwickelt, breite Breschen in die oberirdischen Leitungen. So hat der orkanartige Sturm, der in den Tagen vom 9. bis 12. März 1876 das mittlere Europa, an letzterem Tage namentlich Mitteldeutschland heimsuchte, ⅖ der sämtlichen Telegraphenleitungen des Deutschen Reichs, nämlich 52390 km Leitung mit einem Anlagewert von ca. 9 Millionen Mark, auf mehrere Tage außer Betrieb gesetzt. Tagelang gab es in Mittel- und Süddeutschland, einem großen Teil von England, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und bis nach Rußland hinein keinen telegraphischen Verkehr. Der Sturm am 4. November 1878 richtete in den österreichisch-ungarischen Telegraphenleitungen derartige Verheerungen an, daß Wien vier Tage lang von jeder elektrischen Verbindung abgeschnitten war. — Der schädliche Einfluß der Gewitter auf die Telegraphenlinien äußert sich in doppelter Weise. Trifft ein Blitzschlag die Linie unmittelbar, so werden zumeist die Tragstangen zersplittert und umgeworfen, die Isolatoren zertrümmert, die Leitungsdrähte beschädigt; außerdem wirken die in der Nähe der Leitungen sich vollziehenden Entladungen auf die Betriebsfähigkeit insofern, als sie in den Leitungen elektrische Strömungen hervorrufen, welche die Wirkung der Telegraphenströme zeitweise stören oder aufheben. — Noch nachhaltiger als die Gewitterstörungen sind die Einwirkungen der in der Regel mit Nordlichterscheinungen verknüpften sogen. magnetischen Gewitter, die in den Telegraphenleitungen oft stundenlang andauernde Gegenströmungen von erheblicher Stärke hervorrufen.

[S. 35]

Ein nicht unerheblicher Teil der an den oberirdischen Leitungen vorkommenden Beschädigungen ist auf die gewöhnliche Abnutzung der verwendeten Materialien zurückzuführen. Es gilt dies namentlich von den hölzernen Stangen, die zwar mit antiseptischen Stoffen (Kupfervitriol, Quecksilbersublimat) getränkt sind, deren endliche Zerstörung dadurch indes nur aufgehalten, nicht aber vollständig abgewendet werden kann, und ferner von den Eisendrähten, die nach dem unausbleiblichen Schwinden des Zinküberzuges dem Roste mehr und mehr erliegen und schließlich reißen. — An stark mit Leitungen belasteten Gestängen treten Berührungen der Leitungsdrähte unter sich ein; sie werden durch Stürme, durch Lockerung oder Brechen der Bindedrähte hervorgerufen und veranlassen dadurch Stromüberleitungen von einem Draht auf den andern und somit gleichfalls Betriebsstörungen. Auch Berührungen der Leitungen mit Baumzweigen u. dgl. können Überleitungen von einer Leitung zur andern, wie Ableitungen zur Erde zur Folge haben. Desgleichen sind Verunreinigungen der Isolatoren geeignet, unter Umständen Anlaß zu Stromableitungen zu geben.

Auch seitens mancher Tiere erfahren die oberirdischen Leitungen Beschädigungen. So hacken die Spechte in die Telegraphenstangen Löcher, welche nicht selten die ganze Stange durchdringen. Betriebsstörungen entstehen ferner durch das Anfliegen größerer Vögel gegen die Leitungen. Ein Drahtbruch oder eine Verschlingung mehrerer Leitungsdrähte kann hiervon die Folge sein. Man hat dergleichen Störungen durch gegenfliegende Schwäne, Störche, Trappen, wilde Enten und andere Vögel beobachtet. Namentlich aber sind es die Gänse, welche in Gegenden mit starker Gänsezucht zu einer wahren Plage für die Telegraphenleitungen werden können. Gar manche Stangen werden auch von Bären und Wölfen umgelegt, da sich diese Tiere, durch den Ton der durch die Luft in Schwingung versetzten Drähte getäuscht, in der Nähe eines Bienenstockes zu befinden glauben und nach dem Honig fahnden. In Japan sind es die Spinnen, welche die Depeschen verderben. Während der Nacht nämlich weben und spinnen diese fleißigen Arbeiter ihre Netze zwischen den in der Luft schwebenden Drähten und den sie stützenden Stangen. Zu gewissen Jahreszeiten fällt nun reichlicher Tau, und dann werden diese Spinngewebe in nassem Zustande zu guten Elektricitätsleitern, welche oft große Abweichungen und Stromverluste hervorbringen, so daß manchmal des Morgens von einem Punkte der Linie bis zum andern die größte Konfusion herrscht. Erst nach Sonnenaufgang, wenn die Gewebe wieder trocknen, oder nachdem man dieselben zerstört hat, tritt wieder Ordnung ein.

Neben den vorerwähnten Einflüssen kommen bei der Instandhaltung der oberirdischen Leitungen auch solche Beschädigungen in Betracht, welche durch Erd- und Gesteinsrutschungen, Felsstürze, Feuersbrünste, Eisenbahnunfälle etc. entstehen.

[S. 36]

Endlich giebt es noch solche Störungen, welche in der Böswilligkeit oder dem Unverstande der Menschen ihren Grund haben. Wiederholt ist z. B. die Wahrnehmung gemacht worden, daß jugendliche Arbeiter oder Schulknaben sich vorzugsweise die Isolatoren zum Ziel ihrer Steinwürfe wählen und dieselben hierbei häufig zertrümmern. Oft auch werden die Leitungen durch Auflegen von Gegenständen zum Nachteil des Betriebes miteinander verbunden. Namentlich giebt das Spiel mit Papierdrachen zu Störungen Veranlassung. Beschädigungen treten ferner ein beim Fällen von Bäumen, bei Vornahme von Sprengungen, bei Ausführung von Häuserbauten, infolge Umfahrens von Stangen durch Fuhrwerke u. dgl. Auch darunter, daß ab und zu die Drähte zum Wäschetrocknen geeignet befunden werden, hat der telegraphische Verkehr zu leiden. Vor nicht langer Zeit hat sogar ein Schornsteinfeger die über die Dächer geführten Stadt-Fernsprechleitungen behufs bequemerer Ausübung seines Handwerks zusammengebunden und dadurch den Betrieb auf diesen Leitungen für längere Zeit unmöglich gemacht. Die Wilden Australiens erhalten zwar dadurch Respekt vor dem Telegraphen, daß man die eisernen Träger der Leitung in gewissen Abständen mit einer Vorrichtung versieht, vermöge deren jede Berührung mit einem kräftigen elektrischen Schlage vergolten wird; solche Torpedostangen vermögen aber nur die Träger der Leitung zu schützen, sie sind indes machtlos gegen Beschädigungen des Drahtes und der die Zerstörungswut besonders herausfordernden Isolatoren. Die schwarzen Eingeborenen haben denn auch die Isolatoren und den Draht zur Bewehrung ihrer Speere und für Angelhaken recht geeignet befunden. Die Tscherkessen wieder wählen diese friedlichen Geräte mit besonderer Vorliebe zum Zielpunkt für Schießübungen.

Sehr interessante Mitteilungen werden über die fast ganz im Bereich der Tropen befindlichen brasilianischen Staatstelegraphen gemacht. Von den Schwierigkeiten, die sich der Erhaltung solcher Linien entgegenstellen, hat man in Europa fast keine Vorstellung. In der tropischen Dampfatmosphäre faulen die hölzernen Gestänge und rosten die Drähte, oder es zerspalten infolge von sechs- bis achtmonatlicher Dürre die Stangen. Die plötzliche Abkühlung der Luft bei Sonnenuntergang verursacht wiederum häufiges Reißen der Leitungsdrähte und Zerspringen der Porzellan-Isolatoren. Trotz aller Anstrengungen der Linienaufseher überwuchert auch die tropische Vegetation die Leitungen. Ferner stellt die Tierwelt gegen die Telegraphen ein ganzes Heer erklärter und unversöhnlicher Feinde; Marder, die Sippe der Stinktiere, die Biscachas und die Gürteltiere unterminieren die Pfosten, so daß diese umfallen, wenn nicht rechtzeitig Hilfe geschafft wird; desgleichen sind die zahlreichen Affenarten stets bereit, Verwirrung und Verschlingungen an den Leitungsdrähten zu verursachen. Die Belästigungen der Linien durch die Vögel sind wieder doppelter Art. Gewisse Vögel bauen mit ganz be[S. 37]sonderer Vorliebe ihre Wohnungen auf die Spitzen der Telegraphenstangen und umhüllen dieselben in wunderbarer Geschwindigkeit mit feuchter, dem Erdboden entnommener Thonerde, oder mit Nestern, die aus Stöcken, Gras und Federn zusammengebaut sind. Sehr oft werden hierbei nicht nur die Stangenspitzen, sondern auch die Isolatoren und Drähte mit eingehüllt, wodurch letztere, wenigstens bei feuchter Witterung, in gegenseitige Beziehung gebracht werden. Außerdem wirken Vögel störend dadurch ein, daß ganze Schwärme gleich nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang umherziehen. Sie fliegen hierbei oft, da die Leitungsdrähte der Dämmerung wegen kaum sichtbar sind, gegen dieselben an, geraten dabei zwischen die Drähte, die dann verwickelt oder gar gebrochen werden, wobei allerdings auch die Angreifer sehr oft zu Schaden kommen. Auch die in Brasilien in so großen Massen auftretenden Insekten sind gefürchtete Feinde der Telegraphenlinien. Die gefährlichsten Zerstörungen der brasilianischen Leitungen werden jedoch durch die tropischen Gewitter verursacht.

Die unterirdischen Telegraphenlinien sind im großen und ganzen weniger Gefahren ausgesetzt als die oberirdischen Leitungen. Immerhin bleiben auch sie von Anfechtungen nicht ganz befreit. Beispielsweise sind Verletzungen von solchen vorgekommen durch Aufgraben des Erdbodens in deren unmittelbarer Nähe. Durch die dabei angewendeten Hacken u. s. w. wurden, trotz der vorhandenen eisernen Schutzdrähte, die inneren isolierenden Guttapercha-Hüllen mehrfach verletzt oder gar die Kupferlitzen zerstört. Auch durch den Gebrauch von Feuer zum Schmelzen des Bleies behufs Dichtung von Gas- und Wasserleitungsröhren, die in der Nähe von Kabeln lagen, gelangten Guttapercha und Kupferdrähte so weit zur Erwärmung, daß die Drähte aus der isolierenden Hülle heraustraten und miteinander oder mit den Schutzdrähten in Berührung kamen. In einem Falle wurde eine unterirdische Linie unabsichtlich durch Eintreiben eines mit einer Eisenspitze versehenen Pfahls verletzt, welchen ein Seiltänzer behufs Befestigung des von ihm zu seinen Schaustellungen nötigen Gerüstes benutzen wollte. In einem andern Falle führte ein mit dem Ausroden von Baumwurzeln beauftragter Arbeiter dadurch eine vollständige Unterbrechung einer unterirdischen Linie herbei, daß er das in der Erde liegende Kabel für eine Wurzel hielt und durchhieb. Glücklicherweise gehören derartige Beschädigungen unterirdischer Leitungen zu den Seltenheiten, und es darf daraus der Beweis entnommen werden, daß die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen sich als wirksamer Schutz gegen die Mehrzahl aller absichtlichen und unabsichtlichen Angriffe bewähren.

Nicht ganz so ausreichender Schutz hat den durch Flüsse und Seen geführten Kabeln verliehen werden können. Letztere werden hin und wieder durch schleppende Schiffsanker aus ihrer Lage gehoben und zerrissen. In Flüssen mit starkem Gefälle leiden die Kabel wohl auch durch die fortwährend auf die äußere Schutzhülle zerstörend einwirkenden Flußgeschiebe oder[S. 38] durch das immerwährende Scheuern auf steinigem Untergrunde. In Fällen der letztern Art werden die Schutzdrähte vollständig durchgeschliffen und die Kabelseele der Zerstörung preisgegeben.

Was die submarinen Kabelleitungen betrifft, so werden jene der nördlichen Breiten häufig von Eisbergen oder Eisstücken beschädigt. Solche treiben oft mehrere hundert Fuß tief im Wasser, kommen an seichteren Stellen mit dem Kabel in Berührung und zerstören es auf diese Weise. Eine andere Ursache des Bruches bilden die am Meeresboden befindlichen scharfen Felsen, gegen deren Kanten das Kabel reibt, bis die äußere Umhüllung und Lage auf Lage des Schutzmaterials durchgescheuert sind. Erdkontakt der inneren leitenden Drähte ist die Folge davon, und das Kabel vermag telegraphische Zeichen nicht länger zu übermitteln. — Andere natürliche Ursachen der Zerstörung sind Erdbeben, unterseeische Strömungen und die höhere Temperatur des Wassers in den Tropengegenden.

Fig. 12.

Teredo
norvegica.
(Nach
Ternant,
Les Télé-
graphes.)

In zahlreichen Fällen sind die Kabel durch Fische zerstört worden. Bemerkenswerte Beispiele bieten das Kabel zwischen Brasilien und Portugal, sowie die Küstenkabel, welche am östlichen Rande Südamerikas entlang geführt sind. Auf diesen Linien wird das Kabel fast chronisch vom Sägefisch angegriffen. Knochenstücke von der Säge dieses Tieres sind wiederholt so tief eingebettet im Kabel gefunden worden, daß dadurch selbst die Leitungsdrähte verletzt waren. Ein noch sonderbarerer Vorfall ereignete sich mit dem Kabel im persischen Golf, welches plötzlich leitungsunfähig wurde. Bei näherer Prüfung ergab sich, daß ein großer Walfisch in die Linie sich verwickelt hatte. Das Tier war mit Parasiten bedeckt und hatte wahrscheinlich versucht, am Kabel den lästigen Anhang abzureiben. Ein Schlag seines mächtigen Schwanzes zerbrach jedenfalls die Linie, und dann verwickelte es sich beim Umherrollen derartig in das Kabel, daß es durch Erwürgung einen Selbstmord beging. — Zu den schlimmsten Feinden unterseeischer Kabel zählen noch einige Tiere niederer Ordnung. So durchdringen die Teredo navalis und ihre Stammverwandte, die Xylophaga, welche Huxley zuerst im Jahre 1860 an einem Kabel der Levante entdeckte, die Hanfumhüllung und die Guttapercha, wo die Zwischenräume zwischen den äußern Umhüllungsdrähten ihnen nur irgend einen Zutritt gestatten. Auch die Teredo norvegica, ein ziemlich[S. 39] langer Wurm, hat an ihrem vordern Teile zwei Schalen, womit sie das härteste Holz zerschneiden kann. Ebenso bahnt sich die Limnoria lignorum, eine kleine Krustacee, ungefähr von der Gestalt einer Ameise, einen Weg bis ins Innere der Kabel. Im Persischen Golf, im Indischen Ocean und auch an der irischen Küste sind die Kabel durch die Verwüstungen dieses Tierchens ernstlich beschädigt worden. — Im Mittelmeer hat auch der Blitz schon Kabelleitungen zerstört.

Sehr verderblich wird den Kabelleitungen zuweilen auch das Ankern der Schiffe, sowie die Seefischerei. So wurden in der verhängnisvollen Nacht des 2. Januar 1856 durch ein Segelschiff, das Anker geworfen hatte, die Kabel von Dover nach Ostende und von Dover nach Calais, damals die beiden einzigen Leitungen zwischen England und dem Kontinent, zerstört, und an den Küsten Algiers wieder sind nicht selten Korallenfischer durch ihre Geräte Urheber von Kabelbrüchen.

Endlich fehlt es sogar nicht an absichtlichen Angriffen des Schiffsvolks auf die Kabel, indem letztere, von dem Schiffsgerät erfaßt und an die Oberfläche gebracht, nicht sorgfältig und vorsichtig losgemacht und wieder versenkt, sondern einfach, um das Gerät schnell wieder klar zu machen, durchhauen werden.

Eine häufig auftretende Folge von Leitungsstörungen sind — und deshalb sei ihrer an dieser Stelle gedacht — Verstümmlungen oder Entstellungen von Telegrammen[25]. So telegraphierte eine Londoner Firma ihrem Agenten: „Sendet Schienen zehn (engl. ten) Fußlängen.“ Die Buchstaben t und e werden nun im Morse-Alphabet durch einen Strich, beziehungsweise einen Punkt dargestellt; bei der Übermittlung des Telegramms erzeugte jedoch der empfangende Apparat statt des Striches einen Punkt; dadurch wurde aber aus dem Worte „ten“ „in“, und die Depesche lautete jetzt also: „Sendet Schienen in Fußlängen.“ In ähnlicher Weise wurde ein Telegramm verstümmelt, in welchem der Aufgeber bat, ihn am Bahnhofe mit einem Mietwagen (englisch hack) zu erwarten. Der Buchstabe h wird nun durch vier Punkte dargestellt; statt dieser gab aber der Apparat nur drei (s), und das Wort hack wurde in sack (Sack) umgewandelt. Die Folge war, daß der Aufgeber des Telegramms bei seiner Ankunft nicht den verlangten Wagen, sondern einen Sack vorfand. Besonders oft verwechselt der Telegraph die Buchstaben x und y. Immer wieder haben daher vielgeplagte Eisenbahnbeamte nach einem verlorenen „black boy“ (Negerjunge) suchen müssen, weil der Telegraph in seiner Schwäche aus x ein y machte und statt „black box“ (schwarzer Koffer) die Worte black boy wiedergab.

[S. 40]

Mitunter begegnet es dem Telegraphen, den Botschaften, welche über seine Drähte eilen, vom Original ganz abweichende Worte zu unterschieben. So war Herr So-und-So, welcher telegraphisch Eis bestellte, wütend über die Neckerei des Telegraphen, der „Eis“ in „Thee“ veränderte, so daß von diesem sogleich eine große Kiste an ihn abging. In derselben Weise wurde ein Telegramm mitleidslos entstellt, worin ein Reisender um Nachsendung seiner in einem Coupé zurückgelassenen Perücke (wig) bat. Als das Telegramm seinen Bestimmungsort erreichte, war aus „wig“ „wife“ (Weib) geworden. Sofort wurden die eingehendsten Nachforschungen nach der vermißten Dame angestellt, doch ohne Erfolg, bis der Irrtum aufgeklärt und der verlorene Gegenstand seinem Eigentümer wieder zugestellt wurde. Gelegentlich der von dem Papstgegner Murphy in Bury (Lancashire) gehaltenen Vorträge erlitt derselbe durch den Pöbel Mißhandlungen; hierbei wurden einem Telegramm zufolge sieben der Excedenten „boiled“ (gekocht) statt „bailed“ (verhaftet) und gegen Bürgschaft freigelassen.

Viele der Entstellungen entstehen freilich auch ohne Schuld des Apparates. Zuweilen sind solche durch nachlässiges Arbeiten der Beamten veranlaßt. So wurde ein berühmter Arzt auf eine nutzlose Reise geschickt durch ein Telegramm folgenden Inhalts: „Kommen Sie nicht zu spät.“ Das Ursprungstelegramm hatte gelautet: „Kommen Sie nicht, zu spät.“ Bei der Beförderung der Depesche wurde aber das Komma fortgelassen, und so erwuchs dem Empfänger die Unannehmlichkeit einer nutzlosen Reise. Andere Irrtümer entstehen dadurch, daß die Aufgeber sich eine zu kurze Abfassung des Telegramms gestatten. Diese ist, nebenbei bemerkt, auch Ursache, daß zuweilen im Privatverkehr ganz sonderbare Telegramme vorkommen, wie: „Onkel soeben gestorben, komme mit dem Kurierzug“; oder: „Geld erhalten, danke bestens, nächstens mehr“. Ein anderer, nicht weniger häufiger Fehler der Aufgeber ist schlechte Schrift. Einige gelungene Beispiele von hierdurch veranlaßten Entstellungen mögen diesen Abschnitt beschließen. Ein Kellermeister erhielt einst zu seiner großen Verwunderung von seinem Herrn den telegraphischen Auftrag, ihm sofort „ten bobs“ (zehn Faustschläge) zu senden, da er derselben dringend bedürfe. Die „ten bobs“ waren aber ursprünglich „tin boxes“ (zinnerne Büchsen). So telegraphierte auch gelegentlich der Versammlungen, welche vor einigen Jahren in Braemar periodisch stattfanden, ein Graf nach Edinburg, man möge ihm einen „cocked hat“ (Dreimaster-Hut) senden. „Cocked hat“ wurde indes zu „coocked ham“ (gekochter Schinken) gemacht, den man auch sogleich absandte, zu maßloser Überraschung und Entrüstung des hohen Herrn. Ein anderes Telegramm erhielt man mit folgendem Inhalt: „Bitte, schicken Sie mir Ihr Schwein (pig) an den Bahnhof entgegen“; es sollte heißen „gig“ (ein Wagen). In einem Falle hatte ein Telegraphenbeamter zu Philadelphia Quartier für eine Anzahl „prisoners“ (Gefangene), anstatt für ebensoviel persons (Personen) bestellt; ein anderer hatte in einer Depesche, in welcher eine auf[S. 41] Reisen befindliche Tochter, die von ihrer Mutter lange Zeit keine Nachricht erhalten hatte, ihre Besorgnis hierüber mit den Worten ausdrücken wollte: „ich bin ängstlich (worried)“, statt des Wortes „worried“ das Wort „married“ (verheiratet) substituiert. Diese der Mutter ganz unvorbereitet gekommene Mitteilung veranlaßte dieselbe, da sie sich durch eine so übereilige und selbständige Handlungsweise ihrer Tochter aufs tiefste verletzt fühlte, eine ganze Flut von eben nicht schmeichelhaften Herzensergießungen auf das Haupt der Unschuldigen auszuschütten. Ein anderer Schnitzer, der ernstlicherer Natur war und in Cleveland (Ohio), wohin die Depesche aufgegeben war, bedeutende Aufregung hervorrief, bestand darin, daß der Telegraphenbeamte in dem Telegramm sagte: Präsident Hayes „starb“ (died), während er sagen wollte: Präsident Hayes „dinierte“ (dined).

Fig. 13. Limnoria lignorum.

(Nach Ternant, Les Télégraphes.)


Fünftes Kapitel.
Der Telegraph als Verkehrsmittel[26].

Durch das erfolgreiche Zusammenwirken von Forschern und Erfindern war der Telegraph zwar zu einem äußerst praktischen Verkehrsmittel gestaltet worden; an einer allgemeinen Verwertung desselben im Dienste des öffentlichen Lebens fehlte indes noch viel.

Ein Haupthindernis bildeten schon die hohen Gebühren, welche für die Beförderung von Telegrammen festgesetzt waren. So enthält das erste preußische „Regulativ über die Benutzung der elektromagnetischen Staatstelegraphen seitens des Publikums“ vom 6. August 1849 einen „vorläufigen Tarif“, in welchem für jede Meile der Entfernung zwischen Aufgabe- und Bestimmungsort etwa 1½ Silbergroschen pro Wort berechnet sind. Nach diesem Tarif kostete ein einfaches Telegramm (20 Wörter) von Berlin nach Aachen (94 Meilen Linie) 5 Thlr. 6 Sgr., von Berlin nach Köln (84¾ Meilen) 4 Thlr. 20 Sgr. Für je 10 weitere Wörter wurde ein Viertel des ursprünglichen Betrags erhoben; zur Nachtzeit aufgegebene Telegramme kosteten das Doppelte. Ein in Berlin nach 9 Uhr abends für Aachen ausgeliefertes Telegramm von 50 Wörtern, das heute für 2,70 M. (27 Sgr.) befördert wird, kostete nach dem Tarif von 1849 18 Thlr. 6 Sgr. an Gebühren und 5 Sgr. an Bestellgeld, also 18 Thlr. 11 Sgr. oder 55,10 M.!

Auch in anderen Ländern stand es in dieser Beziehung anfangs nicht besser. In Frankreich z. B. war durch Gesetz vom 29. November 1850 ein Tarif aufgestellt worden, nach welchem für ein Telegramm von 20 Wörtern[S. 42] 3 Franken und außerdem 12 Centimen für je 10 km Entfernung erhoben wurden. Hiernach kam ein einfaches Telegramm von Calais nach Marseille etwa auf 17 Franken zu stehen.

Aber selbst abgesehen von den hohen Gebühren, die ja doch bald eine Ermäßigung erfuhren, so standen der allgemeinern Verwendung des Telegraphen gleichwohl noch eine Reihe anderer Hindernisse entgegen, teils politischer, teils betriebstechnischer Art. Dieselben sollten indes nicht zu lange bestehen. „Die Telegraphie,“ sagt Fischer so schön, „ist ihrem Wesen nach ein internationales Institut. Vorzugsweise bestimmt, in weite Fernen zu wirken, und mit einer Kraft ausgerüstet, vor deren Schnelligkeit die Raumunterschiede des Erdballs zu verschwinden scheinen, kann der Telegraph nicht Halt machen vor den Hemmnissen, welche die politischen Abgrenzungen der Staaten dem Verkehr bereiten.“ Das Bestreben der Telegraphenverwaltungen zielte daher schon frühzeitig auf die Ausbildung internationaler Einrichtungen, und diese Bemühungen waren denn auch, wie die folgenden Zeilen des nähern darthun werden, von dem glänzendsten Erfolge gekrönt.

Zunächst errichteten Preußen, Österreich, Bayern und Sachsen 1850 den deutsch-österreichischen Telegraphenverein, dem in den nächsten Jahren das übrige Deutschland und die Niederlande beitraten. In ähnlicher Weise schlossen sich die westlichen und südlichen Staaten Europas an Frankreich an. Beide Gruppen traten sodann durch einen 1852 von Preußen mit Frankreich und Belgien abgeschlossenen Vertrag in engere Beziehungen.

Der erste internationale Kongreß wurde 1865 in Paris abgehalten und war von 20 Staaten Europas beschickt. Er stellte namentlich gemeinsame Grundsätze für die Taxierung (Zwanzig-Wort-Tarif) und Abrechnung auf und brachte mehrere Erleichterungen in der Benutzung des Telegraphen. Als einheitlicher Apparat für den internationalen Dienst wurde der Morse-Apparat angenommen.

Ein weit umfassenderer Vertrag ward durch die im Juni und Juli 1868 in Wien tagende internationale Telegraphenkonferenz bearbeitet. Ein wichtiges Ergebnis dieser Konferenz war z. B. die innige Verbindung sämtlicher europäischen und asiatischen Telegraphenverwaltungen. Die bedeutsamsten Neuerungen aber waren die Zulassung des Hughes-Apparates für die Korrespondenz zwischen den Hauptplätzen der Vereinsstaaten, sowie die Einrichtung des internationalen Bureaus der Telegraphenverwaltungen in Bern. Letzteres besorgt unter anderem auch die Herausgabe des ausgezeichnet redigierten „Journal télégraphique“. Auch die nächsten Konferenzen (zu Rom 1871, St. Petersburg 1875, London 1879) haben die internationale Telegraphie einer immer vollkommenern Organisation zugeführt. Keine befriedigende Lösung fand indes auf all diesen Konferenzen die Tariffrage. Zwar hatte schon auf der Konferenz zu St. Petersburg der deutsche Generalpostmeister Dr. von Stephan[S. 43] auf die Unhaltbarkeit des damaligen Tarifwesens hingewiesen. Nachdem aber die Petersburger Konferenz in dieser Beziehung erfolglos verlaufen war, ging die deutsche Telegraphenverwaltung zunächst innerhalb ihres eigenen Gebietes mit einer grundlegenden Umgestaltung des Tarifwesens vor.

Mit dem 1. März 1876 trat im Deutschen Reiche an Stelle des Gebührensatzes für die Depesche von 20 Worten ein Tarifsystem in Kraft, nach welchem die Taxe für das Telegramm aus zwei Teilen zusammengesetzt ist: einer festen, von der Länge des Telegramms unabhängigen Gebühr — der Grundtaxe (20 Pf.) — und der für die einzelnen Wörter zu entrichtenden Worttaxe von 5 Pf.

Dieses Worttarifsystem hat sich sehr bald sowohl für das Publikum, wie für die Verwaltung als durchaus vorteilhaft bewährt; für ersteres, indem es demselben gestattet, die Depesche so kurz zu fassen, als es seinem Korrespondenzbedürfnis entspricht, für letztere, indem der Telegraph von dem Ballaste überflüssiger Zeichen befreit und eben dadurch in den Stand gesetzt wird, in derselben Zeit einer größern Zahl von Menschen dienstbar zu sein. In der That betrug denn auch 1875 die Länge eines Telegramms im innern Verkehr durchschnittlich 18,32 Wörter, nach Einführung des Worttarifs aber 1876 14,24, 1880 12,14 und 1881 gar nur noch 11,90 Wörter.

Der deutsche Worttarif fand aber auch bei den Nachbarstaaten sehr bald Anklang; so brachten die Schweiz, Frankreich und Österreich-Ungarn schon in den nächsten Jahren denselben im innern Verkehr zur Anwendung.

Auf diese Erfolge gestützt, hat die deutsche Telegraphenverwaltung der fünften Telegraphenkonferenz in London 1879 Vorschläge zur einheitlichen Regelung des Tarifwesens innerhalb der europäischen Staaten unterbreitet. Die Hauptanträge lauteten:

1. Der Tarif für das internationale europäische Telegramm setzt sich zusammen: a. aus einer festen Gebühr von 50 Centimen, b. aus einer Gebühr für jedes Wort von 20 Centimen.

2. Jede Verwaltung bezieht ungeteilt die Gesamtgebühren für die aus ihrem Gebiete herrührenden Telegramme und bestreitet daraus die etwaigen Land- und See-Transit-Gebühren.

Diese Vorschläge bedeuteten eine durchgreifende Reform des ganzen Telegraphenwesens. Nicht nur wurde hierdurch an Stelle vielfältiger und abweichender Tarifsysteme eine einheitliche Grundlage für die Tarifbildung und gleichzeitig eine wesentliche Herabsetzung der Gebühr für die internationale Korrespondenz erstrebt, sondern auch das bisherige weitläufige und verwickelte Abrechnungswesen zwischen den bei der Beförderung beteiligten Staaten mußte durch die Einführung des auch im Weltpostverein glänzend durchgeführten Ausgleichungsgrundsatzes teils ganz beseitigt, teils außerordentlich vereinfacht werden. Es kam indes auf der Londoner Konferenz nur zu einer Würdigung der gemachten Vorschläge, nicht aber zu deren Annahme;[S. 44] dagegen wurde die allgemeine Durchführung des Worttarifs einstimmig angenommen.

Auf der sechsten internationalen Telegraphenkonferenz zu Berlin im Jahre 1885 wiederholte die deutsche Reichs-Telegraphenverwaltung ihre Anträge. Die Vorbedingungen zu einem Erfolge waren aber auch diesmal nicht gerade vielversprechende, namentlich wenn man erwägt, daß es zur Einführung der in Aussicht genommenen Umformung der Grundlagen des Tarifierungssystems der Einstimmigkeit aller vertretenen Verwaltungen bedurfte. Gleichwohl gelangte die Telegraphenkonferenz in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem nach mehrfacher Richtung hin günstigen Ergebnisse. Zwar wurde nicht die deutscherseits ursprünglich ins Auge gefaßte Gleichmäßigkeit der Gesamtgebühr für die internationale telegraphische Korrespondenz innerhalb Europas (bei gleicher Wortzahl der Telegramme natürlich), wohl aber die Gleichmäßigkeit der seitens der einzelnen Verwaltungen für die europäische Korrespondenz zur Erhebung kommenden Wortgebühr erreicht. Ferner kam der reine Worttarif zur Geltung, indem sowohl die Grundtaxe, als auch jene mit der Grundtaxe gleichbedeutende Zuschlagsgebühr von fünf Worten zur wirklichen Wortzahl der Telegramme abgeschafft wurde.

Für den außereuropäischen Verkehr gelang es, dank dem opferwilligen Vorgehen einzelner Verwaltungen und dem Entgegenkommen verschiedener Kabelgesellschaften, für eine Anzahl außereuropäischer Beziehungen, beispielsweise für die Korrespondenz mit Indien, Japan und Brasilien, erhebliche Gebührenermäßigungen zu erzielen; für andere, nicht minder wichtige Verbindungen stehen Herabsetzungen der Taxen in bestimmter Aussicht.

Als Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Beschlüsse der Telegraphenkonferenz wurde der 1. Juli 1886 festgestellt, als Ort des Zusammentritts der nächsten für das Jahr 1890 in Aussicht genommenen internationalen Telegraphenkonferenz die Stadt Paris gewählt.

Gegenwärtig umfaßt der internationale Telegraphenverein folgende Gebiete: Deutschland, Österreich, Ungarn, die Schweiz, die Niederlande, Luxemburg, Belgien, Frankreich mit Algier und Tunis, Großbritannien, Norwegen, Schweden, Dänemark, Rußland mit Kaukasien und Russisch-Asien, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Türkei mit Türkisch-Asien, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Persien, Britisch-Indien, Birma, Siam, Französisch-Cochinchina, Niederländisch-Indien, Japan, Ägypten, das Kapland, Natal, Senegambien, Brasilien, Victoria, Südaustralien, Neu-Südwales, Tasmania und Neu-Seeland. Auch die Commercial Cable Company ist dem Verein beigetreten. (Siehe die Karte.)

Fig. 14. Der internationale Telegraphenverein.


GRÖSSERE BILDANSICHT


[S. 45]

Sechstes Kapitel.
Statistik des Telegraphenwesens[27].

1. Stand des Telegraphenverkehrs in Europa für das Jahr 1882.

Staatstelegraphen.

Länder. Länge (in km) Anzahl der
der
Linien.
der
Drähte.
Stationen. Apparate aufgelieferten
Telegramme.
Deutschland  74313  265058 10803 14174  15091576
Großbritannien u. Irland  43632  213254  5747 15107  30652277
Frankreich  75091  232451  6319  9217  23987237
Rußland, europäisches  94057  173547  2824  2962   9059470
Italien  27788   93974  2590  2789   6251593
Österreich  23545   63525  2696  3812   5135554
Türkei, europäische  23388   41688   464  1240   1133286
Spanien  21094   46223   647   803   2425335
Ungarn  14569   37706  1173  1697   2558025
Belgien   6147   29122   855  1487   2892577
Schweden   8373   20433   823   955    840391
Schweiz   6743   16335  1160  1698   2308774
Norwegen   7574   13757   300   467    719365
Niederlande   4132   15486   443   562   2553510
Dänemark   3653   10105   316   313    721478
Rumänien   4621    9636   214   510   1041518
Portugal   4469   11335   220   360    544665
Griechenland   4667    5743   112   195    485186
Serbien   2252    3258    68   127    224887
Luxemburg    310     536    63    38     53036
Montenegro (1880)    338     338    15    15 ?
Bulgarien   2498    3503    44    95    237408
Bosnien-Herzegowina   2492    4758    88   112    298603
Europa (rund) 455746 1311774 37984 58825 109215721

Nach dieser Tabelle besitzt in Europa die größte Länge der Linien Rußland mit 94057 km; ihm kommen zunächst Frankreich mit 75091 und Deutschland mit 74313 km. Die geringste Länge der Linien findet sich in Luxemburg (310 km) und Montenegro (338 km). — Wesentlich anders als bezüglich der Länge der Linien gruppieren sich die Staaten hinsichtlich der Länge der Drähte. Hier kommt in erster Linie das Deutsche Reich[S. 46] mit 265058 km; daran reihen sich Frankreich mit 232451 und Großbritannien und Irland mit 213254 km. Rußland mit 173547 km erscheint hier erst an vierter Stelle. In letzter Reihe stehen auch nach diesem Gesichtspunkte Montenegro (338 km) und Luxemburg (536 km).

Die meisten Telegraphenstationen weist in Europa das Deutsche Reich auf: 10803; in den beiden nachfolgenden Staaten, Frankreich und Großbritannien mit Irland, sinkt deren Zahl schon auf 6319, beziehungsweise 5747. Österreich-Ungarn besitzt 3869, Rußland 2824.

Die wenigsten Telegraphenanstalten zählen Bulgarien (44) und Montenegro (15)[28].

Im Besitze der meisten Apparate ist in Europa Großbritannien und Irland; es hat deren 15107. Ihm kommt ganz nahe Deutschland mit 14174. Frankreich verfügt über 9217, Österreich-Ungarn über 5504 und Rußland über 2962. Die wenigsten Apparate weisen aus: Montenegro (15) und Luxemburg (38).

Das meistgebräuchliche System ist das Morsesche. Nach der Statistik, die nach offiziellen Dokumenten des internationalen Telegraphenbureaus zu Bern für das Jahr 1883 zusammengestellt worden ist, waren auf dem ganzen Erdenrunde (es fehlen nur die Privatgesellschaften Nordamerikas) 65543 Telegraphen-Apparate im Betriebe, darunter 42830 Morse-, 1665 Hughes-Apparate und 19048 verschiedener Systeme.

Die höchste Zahl der Depeschen trifft auf Großbritannien und Irland: 30652277. Ihm zunächst stehen Frankreich mit 23987237 und Deutschland mit 15091576. Hieran reihen sich Rußland mit 9059470 und Österreich-Ungarn mit 7693579 Depeschen. Die geringste Zahl von Depeschen trifft auf Luxemburg (53036).

Wie überall, so sind auch im Telegraphenverkehr die relativen Zahlen von weit größerem Interesse als die absoluten. Erstere sind ja gewissermaßen ein Gradmesser der Verkehrsbewegung, ja der Kultur selbst. Die Tabelle (S. 47) giebt uns hierüber nähern Aufschluß.

Die hohe Entwicklung des Telegraphennetzes in den einzelnen Ländern Europas veranschaulicht uns in nachstehender Tabelle vor allem die Angabe, auf welchen Flächenraum eine Telegraphenanstalt entfällt. In dieser Beziehung zeichnen sich unter den Staaten Europas vor allem Belgien und die Schweiz aus. Es befindet sich nämlich in Belgien schon auf 34,5 qkm und in der Schweiz auf 35,7 qkm ein telegraphisches Bureau. Am weitesten sind in dieser Hinsicht zurück Rußland, Bulgarien und Norwegen, wo ein Bureau erst auf 1908,5, beziehungsweise 1409,6 und 1060,6 qkm entfällt.

[S. 47]

Relativer Stand des Telegraphenverkehrs in den europäischen Staaten.

im Zusammenhange mit den maßgebenden Elementen.

Länder. Zahl
der auf eine Station
entfallenden
Länge (in km)
der auf 100 qkm
entfallenden Linien.
Zahl der
aufgelieferten
Telegramme auf
100 Einwohner.
Auf 1000
Einwohner
kommen Besucher
der Volksschule.
qkm. Einwohner.
Großbritannien und Irland   55,1  6141 137,7 86,9 123
Schweiz   35,7  2441 162,9 81,5 157
Frankreich und Corsica   83,6  5952 142,1 63,7 133
Niederlande   74,2  9420 125,7 61,2 134
Belgien   34,5  6533 208,7 51,8 126
Norwegen 1060,6  6410  23,8 37,4 135
Dänemark  125,4  6268  94,7 36,4 123
Deutschland   49,9  4187 138  33,4 157
Luxemburg   41,1  3327 119,8 25,6 142
Bosnien-Herzegowina  693,9 13164  40,8 25,8  28
Griechenland  565,1 17619  73,7 24,6  50
Österreich  111,3  8214  78  23,2 107
Italien  114,4 11178  93,8 21,6  73
Rumänien  748,4 23551  28,9 20,7  22
Schweden  538,1  5556  19  18,4 146
Türkei  565,5 14294  89,1 17,1
Ungarn  285,7 13308  45,2 16,4 110
Spanien  783,7 25860  41,6 14,5 106
Serbien  715,5 25294  46,3 13,1  22
Portugal  419,3 20685  48,4 12   46
Bulgarien 1409,6 45431  40,3 11,9  66
Rußland, europäisches 1908,5 29624  17,4 10,8  23
Montenegro (1880)  628,9 19067  35,8 ?
Europa (rund)  258   8635  46  33 

Was die Dichtigkeit des Telegraphennetzes betrifft, so befindet sich unter den Ländern Europas Belgien mit 208,7 und die Schweiz mit 162,9 km Linien auf je 100 qkm in der günstigsten Lage. Die geringste Dichtigkeit des Netzes zeigen Norwegen mit 23,8, Schweden mit 19 und Rußland mit 17,4 km Linien auf je 100 qkm.

[S. 48]

In Bezug auf die Leistungen im Telegraphendienst übertrifft in Europa Großbritannien und Irland alle anderen Staaten. Es kommen dort jährlich 86,9 Telegramme auf je 100 Einwohner. Demnächst ist der Verkehr am stärksten in der Schweiz mit 81,5. Am geringsten ist der telegraphische Verkehr in Europa in Portugal, Bulgarien und Rußland, wo 12, beziehungsweise 11,9 und 10,8 Depeschen auf je 100 Einwohner entfallen.

Der innere Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der telegraphischen Korrespondenz und dem allgemeinen Bildungsgrad der Bevölkerung tritt namentlich dann hervor, wenn man den in unserer Tabelle dargestellten Besuch der Volksschule mit der Relativzahl der Telegramme in Vergleich zieht. Freilich wirken hierbei auch specifische und lokale Umstände mit; die hohe Verhältnisziffer der Schweiz, 81 Depeschen auf 100 Einwohner, läßt sich z. B. auf die Lebhaftigkeit des Fremdenverkehrs in diesem Versammlungsraum aller Nationen zurückführen; in England (87 Depeschen auf 100 Einwohner) ist es die Mächtigkeit der Handelsbewegung einzelner Centralplätze, welche trotz der Höhe des Tarifs die Verkehrsentwicklung beeinflußt.

Die nachfolgende Übersicht zeigt (nach Veredarius) den Bestand an Telegraphen-Linien und -Leitungen in den wichtigsten Ländern Europas nach dem Stand des Jahres 1884 (soweit nicht anders angegeben) nebst einigen Vergleichszahlen.

Länder. Telegraphen- Telegr.-Anst. (einsch.
der d. Privatverk.
geöffneten Eisenbahn-
Telegr.-Anst.)
Eine Telegraphen-
anstalt entfällt
auf
Linien Leitungen
(einschl. der Eisenb.)
km km qkm Einw.
Belgien   6299   30934   885   33,3  6464
Dänemark mit den Faröern   5902   15157   350  113,2  5659
Deutschland 100889  357389 12478   43,2  3625
Frankreich  98058  353390  8089   65,3  4657
Großbritannien und Irland  45355  250465  6027   52,6  5967
Italien  29374  103256  2915  101,6  9930
Niederlande   6932   23429   562   58,5  7613
Norwegen   8959   16036   314 1013,4  6182
Österreich  37807   98094  2903  103,3  7628
Portugal m. Madeira u. Azoren(1883)   4871   11611   237  389,2 19201
Rußland, europäisches (1883) 123996  237133  2960 1820,9 28263
Schweden  12618   31734   856  517,3  5378
Schweiz   8234   21583  1214   34,1  2333
Spanien  26105   64075   882  574,9 18970
Türkei, europäische (1882)  23388   41688   464  565,5 14294
Ungarn  16543   61619  1349  231,5 11595
In ganz Europa (einschl. der in obiger Übersicht
nicht aufgeführten Länder, rund)
575000 1748000 43100  227,5  7657

[S. 49]

2. Ausdehnung des Telegraphenverkehrs außerhalb Europas.

Amerika.

Länder. Länge (in km) der Anzahl der
Linien. Drähte. Stationen. Telegramme.
Vereinigte Staaten[29] (1882) 231002 696688 12917 40581177
Canada (1882)  72419  2550  1142000
Mejico (1883)  28122   282   745000
Argentina (1882)  13543  23288   307   438090
Chile (1882)   9393   136   433475
Brasilien (1881/82)   7419  13250   136   739906
Columbien (1880)   2960   150204
Peru (1878)   2211   2211    34   111000
Uruguay (1879)   1213    21    38000
Guatemala (1882)   3114   3114    63  219700
Bolivia    290
Costarica    727    27600
Honduras   1046   745000
Ecuador (1877)    336    10
Paraguay (1882)     72
Cuba (1880)   4500   187
Venezuela (1880)    539
Portorico (1880)    750
Nicaragua (1882)   1250   1287    26    81145
Amerika 308487 812257 16669 45452297

Asien.

Länder. Länge (in km) der Anzahl der
Linien. Drähte. Stationen. Telegramme.
Britisch Ostindien (1882) 37949 107967 1625 1662955
Rußland (1877) 14380  28760  147
Niederländisch Indien (1882)  5887   7546   85  357412
Persien (1879)  5835   9516   78  500000
Japan (1882)  7808  21031  265 2769415
China (1881)  1510
Cochinchina u. Cambodja (82)  1692   1944   26   80407
Ceylon (1878)  1308
Philippinen (1880)  1149   37
Asien 77518 176764 2263 5370189

[S. 50]

Australien.

Länder. Länge (in km) der Anzahl der
Linien. Drähte. Stationen. Telegramme.
Neu-Südwales (1880) 12803 21224  323 1320000
Victoria (1882)  5623 11124  331 1431849
Süd-Australien (1880)  7651 11111  159  564000
Queensland (1880)  9283 13116  159  523000
West-Australien (1880)  2502  2563   26   67000
Tasmanien (1880)  1413  1764   64  109000
Neu-Seeland (1882)  6565 15845  356 1589965
Sandwich-Inseln (1877)    64    64
Neu-Caledonien (1880)  1300   23
Australien 45904 78111 1441 5604814

Afrika.

Länder. Länge (in km) der Anzahl der
Linien. Drähte. Stationen. Telegramme.
Ägypten und Sudan (1882)  8645 14005 171  676700
Algerien (1882)  8965 16366 186 1423464
Tunis
Kap-Kolonie (1881)  5246
Oranje-Freistaat   441
Transvaal-Staaten (1882)   175
Afrika 23472 30371 357 2100164

Am besten sind hiernach von den außereuropäischen Gebieten mit Telegraphen ausgerüstet: die Vereinigten Staaten von Amerika, das Indo-britische Kaiserreich und der östliche Teil Australiens.

Fast ganz entbehren des Telegraphen noch Arabien, Sibirien und das Kaiserreich China, dann ganz Afrika (abgesehen von Ägypten, Senegambien, dem Kapland, Tunis und Algier), der größte Teil Südamerikas und nahezu ganz Britisch-Nordamerika.

Die Zusammenstellung der Angaben für die einzelnen Weltteile führt zu folgenden ungefähren Totalziffern für das

[S. 51]

3. Telegraphennetz der Erde.

Weltteile. Länge (in km) der Anzahl der
Linien. Drähte. Stationen. Telegramme.
Europa (1882) 456000 1312000 38000 109000000
Amerika (1880/82) 308500  812300 16700  45452000
Asien (1882)  77500  176800  2300   5370000
Australien (1880/82)  45900   78100  1500   5605000
Afrika (1882)  23500   30400   400   2100000
Total 911400 2409600 58900 167527000

„So verfügt denn,“ sagt Neumann-Spallart, „die civilisierte Menschheit heute über ein großartiges und wohlgeordnetes Netz telegraphischer Verbindungen. Der Gebrauch, welcher davon mittels der nahezu 60000 Telegraphenämter der Welt für all die tausendfachen menschlichen Beziehungen gemacht wird, findet seinen Ausdruck in der Ziffer von jährlich nahezu 168 Millionen Depeschen, welche — unbehindert durch die brausenden Wogen des Oceans oder die Eisregionen des Hochgebirgs — von Ort zu Ort, von Land zu Land, von Erdteil zu Erdteil mit prometheischer Kraft den Gedanken tragen und ein sprechendes Zeugnis eines ergreifenden und mächtigen Kulturfortschritts der Menschheit liefern.“

Nach Veredarius[30] repräsentierten 1884 die oberirdischen und versenkten Linien zusammen eine Länge von rund 1200000 km mit 3650000 km Leitungsdrähten. Letztere würden also hinreichen, neunzigmal den Gleichen zu umspannen.

Der Gesamtaufwand an Kapital für Land- und Seetelegraphen betrug nach Mulhall bis zum Dezember 1882 rund 88 Mill. Pfd. St. = 1760 Mill. Mk.

[S. 52]

4. Gebührentarif für Telegramme von Stationen des Deutschen Reiches[31].

(Für den billigsten und gebräuchlichsten Weg berechnet.)

A. Die Wortlänge ist festgesetzt auf 15
Buchstaben oder 5 Ziffern im Verkehr mit:
Wort-
Taxe
Mark.
Deutschland (innerer Verkehr)  0,06
Afrika (West-): Kanarische Inseln  1,45
  Senegal  2,65
  Bolama  5,85
  Bissao u. Konakry  5,90
Algerien-Tunis  0,27
Belgien  0,10
Bosnien-Herzegowina  0,20
Bulgarien  0,25
Dänemark  0,10
Frankreich  0,15
Gibraltar  0,25
Griechenland  
  a) Festland und Insel Paros  0,40
  b) nach den übrigen Inseln  0,45
Großbritannien und Irland  0,20
Außerdem ist für jedes Telegramm nach
Großbritannien u. Irland eine Grundtaxe
von 0,40 Mark zu erheben.
 
Helgoland  0,15
Italien  0,20
Luxemburg  0,06
Malta  0,40
Montenegro  0,20
Niederlande  0,10
Norwegen  0,20
Österreich-Ungarn  0,10
Portugal  0,25
Rumänien  0,20
Rußland, europäisches u. kaukasisches  0,25
Schweden  0,20
Schweiz  0,10
Serbien  0,20
Spanien  0,25
Tripolis  1,05
Türkei  0,45
B. Die Wortlänge ist festgesetzt auf 10
Buchstaben oder 3 Ziffern im Verkehr mit:
Wort-
Taxe
Mark.
Afghanistan (via Bushire)  4,10
Afrika (Ost- und Süd-): Zanzibar  7,70
 Mozambique u. Lorenzo-Marquez  8,75
 Durban in Natal  8,70
 den übrigen Anstalten Natals,
  Kapkolonie, Oranje-Freistaat
 8,90
 Transvaal  9,05
Ägypten:  
 I. Zone Alexandrien  1,45
übrigen Anst. Nieder-Äg.  1,50
 II. Zone (b. Wadi Halfa i. Nubien)  1,70
 Suakim, via: Kabel Suez-Suakim  2,35
Annam (via: Bushire, Tavoy)  5,90
Arabien (Aden, Perim, Hedjas und Yemen)  3,60
Argentinische Republik (via: Lissab.)  7,25
Australien (via: Bushire, Penang):  
 Süd-Australien  9,35
 Victoria und Westaustralien  9,45
 Neu-Süd-Wales  9,60
 Queensland  9,85
 Tasmania 10,05
 Neu-Seeland 10,65
Balutschistan (via: Bushire)  4,10
Birma: Mandalay (via: Bushire)  4,50
Bolivien (via: Galveston):
  Cotagaita, Huanchaca, Potosi, Sucre
  (oder Chuquisaca), Tupiza
11,85
 La Paz (über Mollendo) 13,55
Brasilien (via: Lissabon):  
 nördl. Region: Pernambuco  7,25
  Para 13,45
  Fortaleza, Maranham u.
 den übrigen Anstalten
 9,75
 mittl. Reg.: (Bahia, Rio de Jan. etc.)  8,20
 südl. Region: (Santos, Desterro,
  Rio Grande do Sul etc.)
 8,95
Kapverdische Inseln: St. Vincent  4,00
 Santiago  4,90
Chile (via: Lissabon): Valparaiso,
 Caldera, Concepcion, Copiapo,
  Coquimbo, Santiago, La Serena,
  Valdivia und Alt-Chile
 9,15
 Neu-Chile: Antofagasta u. Iquique 14,10
  Arica und Tacna 15,65
China: Hongkong, Amoy, Foochow,
 Gutslaff, Saddle Island, Shanghai
 7,00
 Canton und Macao  7,45
 Chinchow  7,90
 Chining, Kiukiang und Puching  8,10
 Chinkiang, Lingchow, Nanking,
  Nanning, Ningpo und Swatow
 7,95
 Chinkiangpoo, Lanchee, Nganking
  und Wuhu
 8,00
 Faltschan  7,65
 Füng-Hwang-Ting  9,50
 Hankow, Kinning und Tsinanfoo  8,15
 Hweichow, Shaoking, Soochow
  und Woochow
 7,85
 Paoting-Foo  8,90
 Newchwang  8,35
 Ngouchow  7,50
 Peking, Hoihow, Kiungchow,
  Tungschow und Yamchow
 8,65
 Tientsin, Chefoo, Kaiping, Liemschow,
  Pakhoi und Taku
 8,25
Cochinchina, französisch (via:
 Bushire, Tavoy)
 5,15
[S. 53] Columbien (via: Galveston):
  Buenaventura
 4,90
 den übrigen Anstalten  5,20
Corea (via: Rußl., Amur): Fusan  9,35
 (via: Bushire, Tavoy): Binchong  9,00
  Ichow  8,85
  Jenchuan  9,30
  Séoul (oder Han-Yang)  9,15
Costarica  4,60
Ecuador (via: Galveston)  8,05
Guatemala und Honduras  3,55
Guyana, Britisch (via Jamaica):  
  Berbice 14,60
  Demerara 14,50
Indien (via: Bushire): d. Anst. westl.
  v. Chittagong, ausschl. Ceylons
 4,10
 östl. v. Chittagong u. auf Ceylon  4,35
Isthmus v. Panama: Colon und
 Panama
 4,40
Japan: Insel Tsushima  9,35
 den übrigen Anstalten  7,70
Java und Sumatra (via: Bushire,
 Penang)
 6,80
Madeira  1,60
Malacca (via: Bushire, Penang)  6,15
Mejico: Goatzacoalcos  2,75
 Malamoras  0,80
 Mejico City, Tampico u. Veracruz  1,75
 den Anstalten der mejicanischen
  Bundesregierung
 2,05
 den Anstalten der Einzelstaaten
  und Privatgesellschaften
 2,55
Nicaragua: San Juan del Sur
 4,40
 den übrigen Anstalten  4,60
Paraguay (via: Lissabon)  7,25
Penang (via: Bushire)  5,55
Persien, ausschließlich der Anstalten
 am Persischen Golf
 1,30
Persischer Golf (via: Persien,
 Bushire): Bushire
 2,45
  den übrigen Anstalten  3,65
Peru (via: Galveston): Callao, Lima  7,55
 Mollendo 10,65
 Payta  8,35
 Piura  8,50
 Chancay, Chicla, Chosica, Huacho,
  Malucana, San Bartolome, San
  Mateo, Sta. Clara, Supe, Sucro
 8,05
 den übrigen Anstalten 11,60
Philippinen-Inseln: Luzon  8,85
Rußland, asiatisches:  
  I. Region, westlich vom Meridian
von Werkhne-Udinsk
 1,45
  II. Region, östlich von demselben  2,35
  Bokhara  1,70
Salvador: Libertad  3,40
 den übrigen Anstalten  3,55
Siam (via: Bushire, Tavoy)  4,75
Singapore (via: Bushire, Tavoy)  6,40
Tonking (via: Bushire, Tavoy)  6,30
Uruguay (via: Lissabon)  9,50
Venezuela (via: Galveston)  5,20
Vereinigte Staaten von Amerika,
 Britisch Amerika und St. Pierre-
 Miquelon:
 
  1. Alabama, Arkansas, Canada
(Ost- und West-), Cape Breton,
Carolina (North- und South-),
Columbia (District of),
Connecticut, Delaware, Florida
(und zwar: Jacksonville und
Pensacola), Georgia, Illinois,
Indiana, Iowa, Kentucky,
Louisiana, Maine, Maryland,
Massachusetts, Michigan,
Minnesota, Mississippi, Missouri,
New-Brunswick, Newfoundland,
New-Hampshire, New-Jersey,
New-York (einschließl. Stadt
New-York), Nova Scotia, Ohio,
Pennsylvania, Prince Edwards
Island, Rhode Island, St.
Pierre-Miquelon, Tennessee,
Texas, Vermont, Virginia (Ost-),
West-Virginia, Wisconsin
 0,65
  2. Arizona, California, Colorado,
Columbia Britisch, Dakotah,
Florida (ausgenommen
Jacksonville u. Pensacola),
Idaho, Indian Territory, Kansas,
Manitoba, Montana, Nebraska,
Nevada, New-Mejico, North-
Western Territory, Oregon,
Utah, Vancouver Island,
Washington Territory,
Wyoming
 1,05
Westindien: Antigua 10,50
 Barbados 12,35
 Cuba, und zwar: Havanna  2,45
  Cienfuegos  3,20
  Santiago de Cuba  3,65
  Bayama, Guantanamo
   und Manzanillo
 3,90
  den übrigen Anstalten  2,70
 Dominica (Kleine Antillen-Insel) 11,05
 Grenada 12,30
 Guadeloupe 10,90
 Jamaica  6,15
 Martinique 11,35
 Portorico  9,35
 St. Croix  9,70
 St. Kitts (St. Christoph) 10,25
 St. Lucia 11,60
 St. Thomas  9,45
 St. Vincent, Westindien 11,85
 Trinidad 12,80

[S. 54]

Anhang.
Das Fernsprechwesen[32].

1. Geschichte. Die Versuche, den Schall mittels geeigneter Übertragung der Schallwellen fortzuleiten, gehören schon einer ziemlich weit zurückliegenden Vergangenheit an. So weist der englische Elektriker Preece nach, daß sein Landsmann, der Physiker Robert Hooke, bereits 1667 derartige, wenn auch noch ziemlich rohe Versuche anstellte, indem derselbe einen ausgespannten Faden benutzte. Einen telephonischen Apparat konstruierte auch Wheatstone im Jahre 1819. Aber erst 1861 fertigte der 1874 verstorbene Lehrer Philipp Reis in Friedrichsdorf bei Frankfurt a. M.[S. 55] das erste elektrische Telephon. Dieser von Reis mit dem von ihm selbst erfundenen Worte „Telephon[33] bezeichnete Apparat übertrug musikalische Töne und Melodieen, ferner auch Worte, wenn schon in etwas unvollkommener Weise, auf ziemlich weite Entfernungen. Die ganze Sache wurde indes von den Physikern nur als eine Kuriosität, nicht als praktisch wichtig betrachtet[34], und auch Reis selbst hatte seinen Apparat von Anfang an nur für Unterrichtszwecke bestimmt. So kam es, daß der deutsche Erfinder und sein Instrument in Europa nach kurzer Zeit wieder vergessen wurden. In Amerika dagegen wurde der deutsche Gedanke weiter verfolgt. 1868 konstruierte dort ein gewisser van der Weyde ein verbessertes Reissches Telephon, das deutlich, wenn auch nur schwach und mit näselndem Tone, hineingesprochene Worte übertragen haben soll. Van der Weyde setzte seine Versuche fort, und seinen Bestrebungen schloß sich Elisha Gray in Chicago an. Aber all diese Telephone, wie auch die in England gefertigten, eigneten sich in der Hauptsache nur zur Übertragung musikalischer Töne, nicht aber für artikulierten Schall, d. i. für die Wiedergabe der Sprache. Dieses so schwierige Problem wurde durch den Taubstummenlehrer Graham Bell in Boston, einen geborenen Schotten, im Jahre 1876 glücklich gelöst und so die Welt von Amerika her mit dem praktischen Telephon beschenkt. Seitdem gelang es, durch verschiedene Verbesserungen die telephonische Wirkung bedeutend zu erhöhen und überhaupt den Fernsprech-Apparat für die Verwendung im Verkehre noch bequemer zu gestalten. Großartiges zeigte bezüglich des Fernsprechwesens besonders die internationale elektrische Ausstellung zu Philadelphia im Jahre 1884. Der dort ausgestellte Quadruplex-Translator Edisons z. B. verstärkte den Ton vierfach; sein Mikrophon[35] ließ den Schritt einer Fliege deutlich hören; das größte Aufsehen aber erregte unter den Laien sein lautsprechendes Telephon, dessen Töne im Umkreis von 30 Fuß deutlich vernehmbar waren, und dessen hohe Noten bedeutend ausgeprägter waren als die tieferen[36]. Sicher wird auch die Zeit nicht ausbleiben, wo man, wie schon Reis andeutete, die menschliche Stimme übers[S. 56] Meer senden wird, wie das mittels des Telegraphen bezüglich der Schrift bereits der Fall ist[37].

Fig. 15. Philipp Reis.

In Deutschland wurde das erste Fernsprechamt für den öffentlichen Verkehr am 12. November 1877 in Friedrichsberg bei Berlin eröffnet, und heute (Ende 1885) giebt es, dank der Thatkraft des obersten Leiters der deutschen Reichspost- und Telegraphenverwaltung, Dr. von Stephans, in 81 Orten 12655 Fernsprechstellen und 21357 km Drahtleitungen[38].

[S. 57]

Auch in den übrigen Kulturländern der Erde hat das Fernsprechwesen fast überall Eingang gefunden; selbst das Reich der Mitte hat sich nicht ausschließen können. Shanghai zählt bereits 77, Hongkong 40 Fernsprechstellen; ja sogar die Hauptstadt der Sandwich-Inseln, Honolulu, hat ihre Telephonleitung[39].

2. Rechtsverhältnisse. Die Rechtsverhältnisse im Fernsprechbetrieb sind sehr verschiedenartig. Ganz frei in Anwendung und Ausbeutung ist der Betrieb in den Vereinigten Staaten, in Schweden, Norwegen und in den meisten Kolonieen; ganz vom Staat abhängig im Deutschen Reich und in der Schweiz; unter der Kontrolle der Regierung in England, Rußland, Österreich, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Doch ist in England, Rußland und Österreich der Betrieb den Privatgesellschaften auf lange Zeit vertragsmäßig gewährt, in den anderen nur auf kurze Fristen.

3. Statistisches. Ein annäherndes Bild von der Verbreitung des Fernsprechers in der Mehrzahl der europäischen Staaten im Jahr 1885 giebt folgende Tabelle[40]:

Länder. Städte
mit Fernsprech-
Einrichtungen.
Abgerundete
Zahl der
Stellen.
Jährlicher
Abonnements-
betrag in Mark.
Deutschland 81   13000 150
England 180 (?) 12000 100–400
Frankreich etwa 20   10000 480
Italien 18    7000 92–140
Schweden 51   10000 128–216
Schweiz 30    5000 120–200
Spanien unbekannt  1000 80–200
Niederlande etwa 11    4000 136–204
Belgien 12    5000 160–200
Rußland  7    3000 560
Österreich-Ungarn 10    4500 180–300

In den Vereinigten Staaten von Amerika betrug 1884 die Länge der Telephonlinien 193120 km (vgl. Gothaischer Kalender für 1886). Im gleichen Jahre zählte New-York mit Umgebung schon 10600 Abon[S. 58]nenten, während gleichzeitig ganz England nur 11000–12000 aufwies, so daß demnach eine einzige Stadt Amerikas fast ebensoviel Telephon-Abonnenten besitzt, als ein ganzes Königreich in Europa.

Die Zahl der Telephongesellschaften betrug in der Union im Jahre 1884 über 45, deren Anlagekapital 266,7 Millionen Franken (Journal télégraphique, 1885, S. 190–192).

Die längste der Fernsprechanlagen in Deutschland ist zur Zeit diejenige zwischen Berlin und Hannover mit 341 km. In Amerika dagegen wird bereits zwischen New-York und Chicago, d. i. auf eine Entfernung von 1600 km, mittels des Telephons korrespondiert.

4. Bedeutung des Fernsprechers. In den wenigen Jahren, welche seit der Erfindung des einfachen und doch so wunderbar wirkenden Apparates verflossen sind, hat derselbe bereits eine Bedeutung erlangt, wie sie wohl keinem Verkehrsmittel der neuern Zeit in so kurzem Zeitraum zugemessen war. Die Telephone und Mikrophone haben nicht nur für den allgemeinen Verkehr der Bewohner großer Städte untereinander hervorragenden Wert, sondern ihre Anwendung erweist sich auch in vielen anderen Fällen als äußerst nutzbringend. Geschäftshäuser bedienen sich des Fernsprechers zur Vereinfachung ihres Geschäftsbetriebs. Höchst wichtige Dienste leistet er der Polizei. Desgleichen eignet er sich vielfach für militärische Zwecke, so z. B. im Vorpostendienste, zur Verbindung eines „ballon captif“ mit der Erde. Auch im Eisenbahndienste findet er mannigfache Verwendung. Für den Taucher wieder bildet das Telephon ein sehr bequemes Verständigungsmittel im Verkehre mit Personen zu Lande oder zu Schiffe. Ebenso spielt es schon im Berg- und Hüttenwesen eine bedeutende Rolle. Seine große Empfindlichkeit führte ferner zur Verwendung desselben für ärztliche Zwecke, und auch die Wissenschaft wurde durch dessen Erfindung zu einer Reihe sehr interessanter Untersuchungen veranlaßt.


[S. 59]

II.
Weltpost.

Erstes Kapitel.
Geschichte des Postwesens[41].

I. Altertum.

Die Staaten als solche, d. h. die Regierungen, hatten schon frühzeitig für ihre Zwecke bestimmte Anstalten zur Herstellung gesicherter und schneller Verbindungen errichtet. Dabei wurden anfänglich die im Dienste des Herrschers stehenden Boten von der Hauptstadt aus mit den Befehlen an die obersten Verwaltungschefs, die Truppenbefehlshaber u. s. w. in den Provinzen direkt abgesandt, und sie brachten die Berichte auch wieder zurück. Sehr bald aber kam man auf den Gedanken der Errichtung von Stationen und des stationsweisen Transportes mittels Wechsels des Beförderungsmittels, wodurch zugleich eine erhebliche Beschleunigung erzielt wurde. Solche Botenanstalten besaßen bereits die Regierungen in Indien, China, Ägypten, Assyrien, Babylonien und die Könige der Hebräer.

In Indien waren an den Endpunkten der ziemlich kurzen Stationen Hütten errichtet. Sobald ein Bote bei einer solchen Hütte ankam, empfing[S. 60] der schon bereitstehende andere das Schreiben, um damit bis zur folgenden Station zu laufen. Jeder war mit einer Schelle versehen, auf deren Laut alle Begegnenden ausweichen mußten; zugleich kündigte damit der Bote seine Ankunft auf der Station an. Bei wichtigeren Depeschen oder gefährlichen Passagen gingen zwei Boten zur Erhöhung der Sicherheit. Zum Übersetzen über Gewässer bedienten sie sich, wo keine Brücken oder Fähren vorhanden waren, eines Schwimmgürtels. Alle zehn Stadien (¼ geogr. Meile) war auch eine Säule gesetzt, welche die etwaigen Nebenwege, sowie die Entfernungen anzeigte. Besondere Beamte standen überdies dem Verkehrs- und Straßenwesen vor.

Von Ägypten erzählen die alten Geschichtschreiber, daß nach Vorschrift des Gesetzes jeder König früh aufgestanden sei und zuerst die eingegangenen Briefe gelesen habe.

Bei den Assyrern wird schon gelegentlich der Erzählung der Vorbereitungen, welche die Königin Semiramis zu ihrem großen Zuge nach Indien traf, der Boten gedacht, welche deren Briefe und Befehle beförderten.

In Bezug auf Babylonien heißt es im Alten Testament: „Nebukadnezar sandte von Ninive Botschaften zu allen, die da wohnten in Cilicien, Damaskus und auf dem Libanon, Karmel und in Kedar; auch zu denen in Galiläa und auf dem großen Felde Esdrelom; und zu allen, die da waren in Samaria, und jenseits des Jordan bis gen Jerusalem; auch in das ganze Land Gesem bis an das Gebirge des Mohrenlandes.“

Bei den Hebräern wurden während der Regierung der Könige die Schreiben derselben und die Berichte der Obersten und Ältesten ebenfalls durch besoldete königliche Boten befördert, die der Leibwache zugeteilt waren. „Und die Läufer gingen hin mit den Briefen von der Hand des Königs und seiner Obersten durch Israel und Juda“ (Hiskia, 728–699 v. Chr.). Ja sogar aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. besitzen wir eine desfallsige Nachricht im ersten Buch der Könige: „Und sie (die Königin Isebel, Gemahlin Ahabs, 918–890 v. Chr.) schrieb Briefe unter Ahabs Namen und versiegelte sie unter seinem Petschier und sandte sie zu den Ältesten und Obersten.“

Den nächsten Fortschritt nach der Zerlegung in Stationen bildete die Anwendung des Pferdes für den Kurierdienst. Die erste desfallsige Einrichtung ging der gewöhnlichen Annahme nach von dem Perserkönige Cyrus aus und bestand hauptsächlich in folgendem: in einer Entfernung von ca. 4 zu 4 Parasangen (3–4 Meilen) waren Pferde und Reiter stationiert, von welch letzteren stets einer bereit zu sein hatte, um nach Einlauf eines königlichen Schreibens dasselbe in der schnellsten Gangart des Pferdes bei Tage oder bei Nacht, in der größten Hitze des Sommers oder im Schnee des Winters zur nächsten Station zu befördern. Außerdem war bei jeder Station ein Aufseher bestellt, dessen Aufgabe es war, die Briefe in Empfang zu nehmen, wieder zu übergeben, die ermüdeten Pferde und Männer zu be[S. 61]herbergen und frische abzusenden. Bei den Griechen sagte man, die persischen Postreiter flögen schneller als Kraniche, und Herodot versichert, daß nichts in dieser Welt geschwinder sei, als diese Reiter. Briefe konnten durch sie auf der großen Straße von Sardes nach Susa, die 450 Parasangen (337 Meilen) maß, welche wieder in 111 Stationen geteilt waren, in 5–7 Tagen befördert werden. Ein Fußgänger hingegen, der fünf Parasangen (3¾ Meilen) täglich zurücklegte, brauchte hierzu 90 Tage.

Die gesamte Posteinrichtung nannte man angara, ein Wort, das soviel bedeutet als Frondienst. Die Griechen entlehnten diese Bezeichnung von den Persern und überlieferten dieselbe ihrerseits wiederum an die Römer, so daß noch bis ins Mittelalter das Kurierwesen im Lateinischen mit angaria bezeichnet wurde. Der Chef der ganzen Anstalt war ein hoher, dem königlichen Hofe nahestehender Beamter. Darius Kodomannus, Persiens letzter König, bekleidete jenes hohe Amt vor seiner Thronbesteigung. Das Volk war von der Benützung der Anstalt ausgeschlossen; sie trug rein staatlichen Charakter; nur der König bediente sich ihrer zu seinen Regierungszwecken.

Wohl ebenso frühzeitig als in Persien, vielleicht noch früher, scheint die Verwendung des Pferdes zum Postdienste auch in China stattgefunden zu haben. Hierauf läßt besonders die schon in alten Zeiten sehr vorgeschrittene Organisation der Verwaltung des weitläufigen Reiches und das Vorhandensein trefflich angelegter und gut unterhaltener Straßen schließen.

Frühzeitig schon wurde den Griechen die Buchstabenschrift und das Briefschreiben von Asien aus überliefert, aber die Einrichtung einer bestimmten Staatsverkehrsanstalt haben sie den asiatischen Monarchieen nicht nachgeahmt. Zunächst war Griechenland nicht ausgedehnt genug, um unter den damaligen Verhältnissen die Notwendigkeit einer solchen Anstalt empfinden zu lassen. Dann waren auch die durch die vielfachen Wanderungen der griechischen Volksstämme hervorgerufenen Erschütterungen der Entwicklung einheitlicher Institutionen hinderlich. Später kamen die häufigen Fehden und unerquicklichen Nergeleien der kleinen Republiken, der peloponnesische Krieg u. s. w., bis endlich die Schlacht von Chäronea (338 v. Chr.) der griechischen Unabhängigkeit ein Ende machte. Überdies ersetzte vielfach die sehr rege Schiffahrt die Landkommunikationen, wie das noch heute z. B. in Dalmatien, Norwegen, Chile, dem Sunda-Archipel u. s. w. der Fall ist. Endlich führte auch der allen Stämmen und Landschaften gemeinschaftliche religiöse Kultus gelegentlich der fast alljährlich stattfindenden Spiele und Nationalfeste Leute aus allen Gegenden, wo nur immer die griechische Zunge ertönte, zusammen und bot reichliche Gelegenheit dar, im gegenseitigen Verkehre die Gedanken auszutauschen und sich über die verschiedensten Verhältnisse mündliche Mitteilung zu machen. Infolge davon beschränkte sich die ganze Posteinrichtung des Landes auf die sogen. Hemerodromen(= Tag[S. 62]läufer, vom griech. heméra = Tag, und griech. dremo, ich laufe) oder Schnellläufer, die nur aus besonderer Veranlassung abgesandt wurden, und deren sich nicht nur die Obrigkeiten, sondern auch Private bedienten. Diese Hemerodromen waren mitunter von erstaunlicher Geschwindigkeit, und die alten Schriftsteller erwähnen einzelner bei Namen. Phidippides, ein Botenläufer von Gewerbe, sagt Herodot, legte den Weg von Athen nach Lacedämon (1200 Stadien = 30 geogr. Meilen) in zwei Tagen zurück. Nach der Schlacht von Salamis wurde der Platäer Euchidas nach Delphi gesandt, um, da das heilige Feuer erloschen war, reines Feuer zu holen. Die Entfernung hin und zurück beträgt 1000 Stadien (= 25 geogr. Meilen); er brauchte nur einen Tag, starb aber infolge der Überanstrengung. Von Ladas, einem vielgenannten Läufer Alexanders von Macedonien, sagte man, daß seine Spuren im Sande kaum wahrnehmbar gewesen seien. Die Ausrüstung dieser Schnellläufer bildeten Bogen, Pfeile, Wurfspieß und Feuersteine.

Fig. 16. Hemerodrom.

(Nach dem „Poststammbuch“.)

Alexander der Große hatte bei dem Charakter seiner Regierung nur wenig für die Verkehrseinrichtungen zu thun vermocht. Als er die Hand an das Werk der innern Ordnung legen wollte, überraschte ihn der Tod. In den eroberten Ländern waren die früheren persischen Anstalten im allgemeinen in Wirksamkeit geblieben.

Die Römer waren ein eroberndes Volk; jede Nation, die sie sich unterwarfen, mußten sie daher wenigstens anfänglich durch die Gewalt der Waffen niederhalten. Um aber über ihre Legionen und Kohorten rasch verfügen, um sie schnell dorthin werfen zu können, wo der Staat sie nötig hatte, bedurften die Römer eines gut ausgebildeten und weitverzweigten Straßennetzes. In der That galt denn auch ein Land ihnen nur dann für vollkommen erobert, wenn es von Militärstraßen durchzogen war. Schon in den ersten Zeiten der Republik wurden deshalb alle Städte Latiums, sobald sie unter Roms Herrschaft gekommen, dann die Gebiete Campaniens, endlich die Bergstädte der besiegten Samniter durch vorzügliche Kunststraßen mit Rom verbunden. In erster Reihe waren nun diese Straßen freilich nur für militärische Zwecke bestimmt; aber sie dienten doch schon frühzeitig auch dem Verkehre. So gingen vor allem, wie in den übrigen älteren Reichen, staatliche Boten von Rom zu den auswärts bestellten Beamten und Befehlshabern, um Befehle oder Nachrichten zu überbringen, oder es wurden von diesen solche nach Rom gesendet. Die Boten hießen viatores, cursores, statores, tabellarii (letzterer Name rührt davon her, daß die Alten statt der Briefbogen Täfelchen [tabellae] benutzten). Die Vergütung, welche sie[S. 63] für die Übermittlung von Nachrichten erhielten, nannte man calcearium, Schuhgeld[42].

Eine bedeutende Förderung wurde dem Nachrichten- und auch Frachtenverkehr zu teil durch jene große Gesellschaft römischer Ritter, welche in den letzten Zeiten der Republik die Staatsländereien in den Provinzen, sowie die Zehnten, Gefälle und Steuern pachtete und einen ausgedehnten, schwunghaften Handel mit Getreide und anderen Landesprodukten betrieb. Diese Genossenschaft hatte ihren Centralsitz in Rom und ihre Niederlagen und Comptoire in allen wichtigeren Provinzstädten. Ihr Nachrichten- und Geldverkehr vom Mittelpunkte nach den Filialen und zwischen diesen selber wieder war ein großartiger, und deshalb unterhielt die Gesellschaft eine große Zahl von Briefträgern (tabellarii), welche Briefe und leichtes Gepäck bis in die kleinsten Städte aller Provinzen mit großer Schnelligkeit und ziemlicher Regelmäßigkeit beförderten. Diese Briefträger durften auch Sendungen von Privaten übernehmen und wurden häufig hierzu benützt.

Außerdem gab es noch zahlreiche Privatboten. Reiche Familien, die in Rom wohnten, hatten große Güter in den Provinzen, oder ihre Söhne studierten an griechischen Schulen. Da sie nun mit ihren Verwaltern und ihren Kindern in regelmäßigem Verkehre bleiben wollten, so unterhielten sie Briefboten, die nicht bloß von ihnen, sondern auch von Bekannten mit Sendungen betraut wurden.

Häufig wurden auch Reisenden, Schiffern, Kaufleuten, Fuhrleuten u. s. w. Briefschaften zur Abgabe in den Orten, wohin ihr Geschäft sie führte, übergeben. Freilich war diese Art der Beförderung in hohem Grade unvollkommen. Wir ersehen das besonders aus den Briefen Ciceros an Atticus. Monatelang erhielt jener keinen der ihm vom Freunde geschriebenen Briefe, dann häufig drei oder vier auf einmal; nicht selten sind einige unterwegs abhanden gekommen; andere werden ihm eröffnet überbracht; später geschriebene erhält er eher als solche von früherem Datum; öfters ist er genötigt, mehrere Briefe des Atticus, die ihm in einem Zeitraum von vier bis fünf Monaten zugegangen waren, auf einmal zu beantworten, weil er keinen zuverlässigen Überbringer auffinden konnte. Alle diese Umstände führt Cicero in seinen Briefen immer nur nebenher und in dem Tone an, in welchem man von Dingen spricht, die sich ganz von selbst verstehen und alle Tage sich zutragen.

Zur Beförderung der reisenden Beamten bestand eine Art Vorspannwesen, zu dessen Benutzung der Senat von Fall zu Fall eine besondere Ermächtigung erteilte. So bediente sich Cäsar, wenn er sich zum Heere[S. 64] begab, stets einer Tag und Nacht fahrenden Kalesche, deren Vorspann ihm gratis geleistet wurde. An mißbräuchlicher Ausnützung dieser Einrichtung fehlte es übrigens nicht. Die Senatoren z. B. verschmähten es nicht, mit Freipässen, die mehrere Jahre gültig waren, kostenfrei zu reisen.

Aus dem Bisherigen erhellt, daß schon zur Zeit der Republik über das große Römische Reich ein weitverzweigtes Netz von Kommunikationsmitteln gesponnen war. So trefflich aber auch für jene Zeit diese Einrichtungen waren, es fehlte doch noch an einer einheitlichen Organisation, an einer zusammenfassenden Leitung und Überwachung der vereinzelten Institutionen. Hierzu kam es erst unter den Kaisern, und erst von da an kann man von einem gegliederten, staatlich geordneten Postwesen reden.

Fig. 17. Die Staatspost unter den römischen Kaisern.

(Nach dem „Poststammbuch“.)

Das größte Verdienst in dieser Beziehung erwarb sich gleich der erste römische Imperator, Octavianus Augustus, durch die Errichtung des sogen. cursus publicus.

Der cursus publicus war eine Staatsverkehrsanstalt, welche die Beförderungen stationsweise, mit Wechsel der Transportmittel, zu Fuß, zu Pferd oder zu Wagen sowohl für Versendungen, als auch für Reisen wahrzunehmen hatte. Diese Einrichtung war zunächst bestimmt für die Reisen[S. 65] des Kaisers und seines Hofes, dann der Militärpersonen und Staatsbeamten im Dienste, der Gesandten und der zur Benutzung des cursus publicus im einzelnen Falle besonders ermächtigten Personen[43]; ferner zur Beförderung der Depeschen, Akten, Dokumente und der Staatsgelder, sowie zum Transport von Proviant, Armatur- und Montierungsstücken, Bau-Utensilien, Kunstwerken u. s. w. Der cursus publicus beförderte demnach nicht bloß Korrespondenzen, sondern auch Gepäckstücke und Frachten und vor allem Personen. Privatpersonen und Privatangelegenheiten waren von Anfang an ausgeschlossen; für Staats- und Regierungszwecke gegründet und eingerichtet, sollte er auch ausschließlich nur solchen Zwecken dienen.

Jeder Kurs war in bestimmte Stationen geteilt. Solcher Stationen gab es zweierlei: solche, bei welchen bloß der Wechsel der Gespanne stattfand, und welche mutationes (vom lat. mutāre, wechseln) genannt wurden, und solche, bei welchen auch die Wagen und Postillone gewechselt wurden, und die außerdem noch zur Beherbergung der Reisenden eingerichtet waren, daher ihr Name mansiones (von manēre, bleiben) = Rastorte. Manche dieser mansiones waren sehr reichlich und schön ausgestattet. Die mansiones waren in der Regel eine Tagreise, die mutationes 1–2 Meilen voneinander entfernt. Auf jeder Mutatio mußten in der Regel 20 Zugtiere unterhalten werden, während die Mansionen deren 40 und noch mehr hatten.

Die oberste Leitung des Postwesens lag seit Augustus in der Hand des Praefectus praetorio in Rom.

Dies ist das Wesentlichste über den cursus publicus der Römer. Es zeigen sich daran zugleich die durchgreifenden Unterschiede von dem spätern, zuerst in Deutschland im Zeitalter der Reformation eingeführten Postwesen. So war der cursus publicus nicht für jedermann benutzbar; Beförderung fand nur statt, wenn gerade Depeschen oder Reisende vorhanden waren. Endlich war die Benutzung des cursus publicus durch die Beteiligten ganz unentgeltlich. Die empfindlichen Lasten, welche die Unterhaltung dieser Anstalt verursachte, mußte das Volk tragen, und dafür verblieb den Provinzialen zum Troste nichts anderes, als was die Pferde in den Ställen zurückließen. Während heute die Anlegung eines Postkurses von der Gegend, durch welche er führt, als eine Wohlthat angesehen wird, erregte damals die Führung des cursus publicus durch ein bestimmtes Gebiet den größten Mißmut der davon Betroffenen.

Außer Augustus schenkte besonders Kaiser Hadrian dem römischen Postwesen große Aufmerksamkeit; seinen Höhepunkt erreichte es unter Kaiser[S. 66] Theodosius († 395). Mit der Auflösung des Römischen Reichs verfiel, wie alle anderen Institutionen, auch das Postwesen.

Eine kurze Geschichte der Straßen und Fuhrwerke, soweit selbe auf das Altertum Bezug hat, möge diesen Abschnitt beschließen[44].

Was zunächst die Straßen betrifft, so wußte man den Wert derselben schon im Altertum zu würdigen. Schon der sagenhaften Königin Semiramis (um 1200 v. Chr.) schrieb man die Anlegung einzelner Kunststraßen zu. Die phönicischen Karawanen zogen auf drei verschiedenen großen Heerstraßen nach Mesopotamien, besonders nach Babylon und Ninive. In dem indischen Gedichte „Ramajama“ werden eigene Wegebeamte erwähnt. Das Gesetzbuch Manus verordnet sorgfältige Pflege der Straßen, und Buddha, der große indische Reformator, befiehlt die gemeinnützigen Wege und Pässe der Sorgfalt eines jeden Frommen. Von König Salomo berichtet Josephus Flavius, daß derselbe, in dem Bestreben, etwas zur Zierde und zum allgemeinen Nutzen zu thun, die nach Jerusalem führenden Wege mit Kieselsteinen pflastern ließ. Dies geschah, wie dabei erwähnt ist, „damit die, so hin und her wandelten, desto sanfter gingen“. Auch in der Bibel finden sich Belege dafür, daß man schon frühzeitig den Wert guter Verbindungswege zu schätzen verstand; so wird im Buch Isaias (Kap. 58, V. 2) derjenige höchlichst gelobt und ihm hohe Weisheit zugeschrieben, „der die Lücken verzäunet und die Wege bessert“. Besonders große Sorge für gute Verkehrsstraßen trugen die Könige von Persien. Der Grieche Herodot hat uns von einer derselben sogar eine eingehende Beschreibung geliefert. Dieselbe bildete die Verbindung zwischen Sardes, der reichen, üppigen Residenzstadt Lydiens, und der Hauptstadt Susa, reichte mithin vom Mittelmeer bis zum Persischen Meerbusen, eine Strecke, welche wegen des zur Umgehung der arabischen und mesopotamischen Wüste erforderlichen Umwegs nicht weniger als etwa 2500 km betrug. Selbst die Chinesen besaßen nach Paul Venetus schon in grauer Vorzeit kostbar gepflasterte Straßen auf die weitesten Entfernungen, und wiederum haben die Straßenzüge der alten Azteken und Peruaner die lebhafteste Bewunderung der europäischen Entdecker hervorgerufen.

Am ausgebildetsten tritt uns der Bau eigentlicher Kunststraßen bei den Griechen und Römern entgegen. Zwar hegte man von den Griechen lange die Meinung, Landwege hätten dort nur zu Kultuszwecken bestanden; dies hat sich indes nicht als richtig erwiesen; obwohl auch der Seeverkehr überwog,[S. 67] so wandten die Hellenen doch auch den Landkommunikationen nicht geringe Sorgfalt zu. Schon zu Homers Zeiten gehen dergleichen Anlagen weit über das äußerste Bedürfnis hinaus. Wir finden bei ihm eine Heerstraße erwähnt, und die Reise, welche Telemach quer durch den Peloponnes von Pylos nach Sparta zu Wagen macht, läßt auf einen weit vorgeschrittenen Wegebau schließen. Ja, aus den Forschungen des Professors Curtius über den Wegebau der alten Griechen ergiebt sich sogar, daß deren Straßenanlagen eine gewisse Ähnlichkeit mit unseren Bahnbauten hatten; es wurden kunstgerechte Dämme zur Überschreitung von Vertiefungen angelegt, die mit doppelten Fahrgeleisen oder wenigstens mit Ausweichestellen versehen waren.

Viel ausgedehnter waren die Straßen der Römer, welche sich durch deren Anlegung die größten Verdienste um die Förderung des Verkehrs erwarben. Viele derselben bestehen noch heute und geben Zeugnis von dem technischen Talente jenes großen, praktischen Volkes. Wie trefflich dieselben gewesen, erhellt besonders aus vielen Stellen bei Klassikern. So sagt Cicero in einem Briefe an Atticus: „Diesen Brief habe ich in meiner Rheda (ein Wagen) sitzend diktiert, als ich ins Lager fuhr.“ Kaiser Claudius wieder hatte ein Brettspiel in seinem Wagen. Indes nicht bloß aus solchen Belegen kann man auf die Trefflichkeit der Straßenanlagen schließen, mehr noch aus der Schnelligkeit, mit der man reiste. Cäsar z. B. legte oft an einem Tage mit dem zweiräderigen Eilwagen 40 deutsche Meilen zurück. Das waren freilich ganz außerordentliche Leistungen; allein 24 deutsche Meilen pro Tag legte im Römischen Reiche jede Eilpost zurück. Die berühmteste römische Landstraße war die zum Teil noch heute erhaltene Via Appia, welche allen Wegebaumeistern jener Zeit zum Muster diente und mit gutem Rechte die „Königin der Straßen“ genannt wurde. Sie führte von Rom über Capua nach Brundusium, dem heutigen Brindisi.

Zur Zeit seines Höhepunktes, vom ersten bis dritten Jahrhundert nach Christus, erstreckte sich das römische Straßennetz vom Vallum romanum im heutigen Schottland bis zu der Straße längs des Nil und von der Nordwestküste Afrikas bis zu den Nordufern des Schwarzen Meeres.

Als Maß für die Bestimmung der Straßenlängen war hauptsächlich die Millie (römische Meile) im Gebrauch, welche gleichbedeutend war mit tausend römischen Schritten. Da die Römer zwei Schritte nach unseren Begriffen als einen rechneten, so war die Millie ungefähr = 1480 m.

Zur Angabe der Entfernungen dienten die Meilensteine, aber nicht bloß hierzu; des öftern waren sie auch mit weiteren Inschriften versehen, welche dem Andenken an bedeutende Männer oder hervorragende Thatsachen gewidmet waren. Später begnügte man sich freilich behufs rühmender Erwähnung von Personen oder Thatsachen nicht mehr mit der Benutzung der Meilensteine, sondern man machte einige der bedeutenderen Kunststraßen zu förmlichen Denkmalstraßen. Ein Muster solcher Kunst- und Prachtentfaltung[S. 68] bietet uns in ihren erhabenen Überresten noch heute die schon erwähnte Via Appia.

Der eigentliche Mittelpunkt der römischen Straßenzüge war die große Meilensäule, das Milliarium aureum, das sich inmitten des Forums am Fuße des Saturntempels erhob. Von diesem Punkte gingen, nachdem Augustus durch griechische Feldmesser eine Vermessung seines gesamten Weltreichs hatte vornehmen lassen, alle Entfernungsberechnungen auf den Straßen aus.

Die Gesamtlänge der soliden Kunststraßen des alten Römerreichs betrug etwa 76000 km.

Nun noch einiges über die Geschichte der Fuhrwerke[45].

Das einfachste Mittel zur Fortbewegung schwererer Gegenstände war wohl der gegabelte Baumast, aus dem sich die Schleife oder der Schlitten entwickelte. Ein bedeutender Fortschritt war es bereits, als an Stelle der Schleife die Walze trat. Als man dann darauf verfiel, die Walze rundum abzuspalten und nur an den Enden die ursprüngliche Dicke beizubehalten, da hatte man die Achse mit zwei Scheibenrädern. Der Kasten, welcher auf den anfänglich zweiräderigen Wagen gesetzt wurde, ergab sich aus dem praktischen Bedürfnis von selber. Nachdem so der Wagen einmal vorhanden, fand derselbe im Laufe der Zeit immer größere Vervollkommnung. Der Gebrauch desselben wird bereits in den ältesten Aufzeichnungen der Inder, den Vedas, erwähnt, und zwar ist dort die Rede nicht bloß von zwei-, vier-, sechsspännigen Indraswagen, sondern sogar von hundertspännigen. Das 14. Kapitel des 2. Buches Mosis gedenkt der zweiräderigen Streitwagen der Ägypter, und eine ausführlichere Schilderung der griechischen Wagen giebt Homer im 5. Gesang der Iliade. Die letzteren waren bekanntlich von rückwärts zu besteigen, und der in der Regel halbrunde Kasten war fest auf der Achse. Ferner hatten diese Wagen schon Felgen, Speichen, Naben und „außen umher auch eherne, festumschließende Schienen“. Welche Ausdehnung der Wagenbau bei den Völkern des Altertums bereits angenommen, ersehen wir unter anderem aus der Bibel. So steht im 1. Buche Samuelis 13, 5: „Da versammelten sich die Philister, zu streiten mit Israel, dreißigtausend Wagen, sechstausend Reiter und sonst Volk, soviel wie Sand am Rande des Meeres.“ Ferner im 1. Buch der Chronica, Kap. 20, V. 7: „Und (die Ammoniter) dingten zweiunddreißigtausend Wagen“ etc.

[S. 69]

In ausgedehntem Gebrauche standen die Wagen bei den weltbeherrschenden Römern. Sie waren die ersten, welche eine ausgedehntere Nutzbarmachung des Fuhrwerks für die eigentlichen Verkehrszwecke einführten. Der Gebrauch der Wagen zu Privatzwecken war indes, abgesehen von der Benutzung auf Reisen und zur Beförderung schwerer Lasten, auch bei ihnen ein ziemlich beschränkter. So durften innerhalb der Hauptstadt nur die Triumphatoren, Vestalinnen, Senatoren und die bei öffentlichen Festen mitwirkenden Priester Personenwagen benützen.

Fig. 18. Gipsabguß eines Denksteins mit der Darstellung einer Rheda.

Zur Beförderung der Personen wurden dreierlei Wagen verwendet. Der eigentliche Reisewagen war die rheda, auf vier Rädern, für zwei bis vier Personen, zwei-, auch vierspännig. Ein leichteres Fuhrwerk waren die carrucae, welche weniger auf den Heerstraßen als in den Städten Verwendung fanden. Ihr Name hat sich in dem italienischen carrozza, in dem französischen carrosse und in dem englischen carriage erhalten. Die leichtesten Fuhrwerke waren zweiräderig, hießen birotae (binae rotae) und mußten im Postdienste mit drei Zugtieren bespannt werden. Die Beförderung der Güter und Lasten erfolgte durch die Packwagen (clabula, Diminutiv von clava, Sprosse, also eine Art Leiterwagen); bei ihnen fand öfter eine Bespannung mit Rindern und Mauleseln statt. Außerdem gab es kleinere Lastwagen, Karren (carri). Hie und da wurden mit diesen auch Personen befördert. Auffallend ist, daß die Belastung der Fahrgeräte eine außerordentlich geringe gewesen. Rheden durften nach amtlicher Vorschrift nur mit 1000 Pfd., die zweiräderigen Wagen (birotae) nur mit 200 Pfd., die schweren Lastwagen (clabula) mit nicht mehr als 1500 Pfd., die carri mit nur 600 Pfd. bebürdet werden, und auf jedes einzelne Pferd sollten nicht mehr als 30 Pfd. treffen. Da nun ein römisches Pfund nicht ganz ⅓ eines Kilogramms (1 römisches Pfd. = 0,325 kg) betrug, so wäre diese[S. 70] Belastung als eine verschwindend kleine und die dafür erforderliche Kraftaufwendung jedes einzelnen Zugtieres als eine ganz unbedeutende zu bezeichnen, wenn man nicht annehmen müßte, daß die Fahrzeuge, sowohl die zur Beförderung von Personen, als auch die zur Verfrachtung der Lasten verwendeten, so schwer, so ungefüg, so massig gebaut waren, daß schon zur Bewältigung dieser, des toten Gewichtes, wie man heute sagen würde, eine große Kraftanwendung von seiten der Zugtiere stattfinden mußte. Gleichwohl müssen die Reisewagen der Römer ziemlich bequem gewesen sein. Dies erhellt z. B. aus einem Briefe Senecas (Gestatio et corpus concutit, et studio non officit, ut possis legere, possis dictare, possis loqui, audire, quorum nihil, ne ambules, vetat): „Die Führung bewegt den Körper und hindert dich doch nicht am Arbeiten: Du kannst lesen, diktieren, reden, zuhören, und hindert dich dies nicht am Fortkommen.“ Verres, der berüchtigte Statthalter von Sicilien, benutzte auf seinen Reisen einen Schlafwagen, dessen Kissen mit Rosenblättern ausgepolstert waren. Daß den Fuhrwerken der Alten auch sinnvoller Schmuck und Kunstzier nicht fehlten, würde als feststehend anzunehmen sein, selbst wenn die Monumente es nicht bewiesen. Von dem „schönräderigen, zierlichen Wagen“ der Tochter des Alkinoos an und den „kunstreich prangenden“ Zügeln seines Maultiergespanns bis zu den Staats- und Triumphwagen der römischen Imperatoren finden wir zahlreiche Beispiele des Geschmacks und Formensinns der Alten auch auf diesem Gebiet.

II. Mittelalter[46].

Die Stürme der Völkerwanderung und die Bildung einzelner voneinander unabhängiger Staaten, welche auf den Trümmern der römischen Monarchie sich vollzog, zerrissen gar bald das einheitlich organisierte Postwesen der Römer. Einzelne Stücke desselben erhielten sich allerdings noch kurze Zeit in den neuen Staaten, so bei den Ostgoten in Italien; aber in kurzer Zeit verschwanden auch die letzten Spuren dieser echt römischen Institution. Wie schlimm es um diese Zeit mit dem Briefverkehr stand, erfahren wir aus den Briefen Alcuins, des berühmten Freundes Karls des Großen. Er sandte die zahlreichen Briefe, die er an Arno, den Bischof von Salzburg, schrieb, meist durch einen Kleriker, während Arno zur Beförderung der Rückantwort gewöhnlich sich eines Bauern aus seinem Sprengel bediente. Erst in den letzten Regierungsjahren Karls des Großen stoßen wir auf einen Versuch dieses Fürsten, die weiten Gebiete seines Reiches durch eine Art Staatspost einander näher zu bringen. Allein diese karolingischen Einrichtungen scheinen schon den Vertrag von Verdun (843) nicht überdauert zu haben.

[S. 71]

Ein organisierter Postverkehr erstand erst in späteren Jahrhunderten wieder, doch nicht durch die Centralgewalt des Staates, sondern durch specielle Interessentenkreise. Diese letzteren waren einerseits die Universitäten und geistlichen Orden, die Brennpunkte der geistigen Kultur, andererseits die Städte, die Centren des Handels und Gewerbes. Als Vermittler des Nachrichtenverkehrs dienten nun Boten, und man kann deshalb die folgende Periode der Post als die Epoche des Botenwesens oder der korporativen Botenanstalten bezeichnen.

1. Die Botenanstalten des Mittelalters.

Zu den berühmtesten derartigen Anstalten gehörte jene der Pariser Hochschule. Anfänglich nur für den Verkehr zwischen den Angehörigen der Universität und ihrer Heimat bestimmt, wurde sie bald dem allgemeinen Verkehr zugänglich und leistete diesem die besten Dienste. Ihre Blütezeit reichte bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts, wo sie durch die Errichtung einer königlichen Post unter Ludwig XI. (1464) den ersten Stoß erlitt. 1719 wurde sie aufgehoben.

Trefflich organisiert war auch das Postwesen der deutschen Ordensritter. Es trug denselben Charakter wie die römische Post des Altertums und diente namentlich, gleich dieser, nur Regierungszwecken.

Fig. 19. Postbotenfigur aus dem 14. Jahrhundert.

Die Städteboten wurden teils von den Magistraten, teils von den kaufmännischen Gilden bestellt. In der Regel wurde ein Botenmeister mit der Einrichtung der Kurse betraut, und die Rechte und Pflichten der Boten wurden durch Botenordnungen bestimmt. Als „geschworne Städteboten“ oder „Magistrats-Ausreuter“ führten diese Boten das Stadtwappen und die Botenbüchse mit den Farben der Stadt, sowie ein „Patent“ (Paß), worin ersucht wurde, ihnen „Fürschub und Fürdernuß zu beweisen“; auch trugen sie ein Schild mit Wappen auf der Brust oder am Arm und einen starken „hölzernen Botenspieß mit eiserner Spitze“, der ihnen zugleich über die Gräben forthalf.

Frühe schon wurden die Kurse verschiedener Städteboten in einen regelmäßigen Zusammenhang gebracht. Bereits im 13. Jahrhundert soll eine regelmäßige Verbindung bestanden haben, welche aus den lombardischen Städten die Nachrichten über die Alpen nach den Städten Süddeutschlands brachte und sich von da nach dem Innern Deutschlands bis nach dem Norden hin fortpflanzte. Als später die Städtebünde entstanden, wurde die Orga[S. 72]nisation dieser Botenzüge gefestigt und erweitert und ein ganzes Netz von solchen über Deutschland gespannt. In Wien bestand im 14. Jahrhundert eine eigene Botenstube, die bei hoher Strafe von niemand als „von denen Landboten“ betreten werden durfte. Übrigens fehlten dem ganzen Boteninstitute, abgesehen davon, daß es nicht für jedermann benutzbar war, Einheit, Zuverlässigkeit, Regelmäßigkeit und Autorität, überhaupt die Rechte und Pflichten einer öffentlichen Anstalt.

Fig. 20. Briefbote mit dem deutschen Reichsadler
aus dem 15. Jahrhundert.

Fig. 21. Nürnberger Postbote
aus dem 18. Jahrhundert.

Auch die Klöster unterhielten einen eigenen Botendienst. Zur Ausführung desselben verwendete man meist die Klosterbrüder selbst. Daß diese Art des Botenverkehrs nicht unbedeutend gewesen, ergiebt sich vor allem daraus, daß zur Unterkunft der Mönchsboten in unwirtlicheren Gegenden besondere Vorrichtungen getroffen waren. — Ein wertvolles Dokument über die Wirksamkeit der geistlichen Boten enthält das Berliner Postmuseum. Es ist dies eine rotula, d. h. ein Botenzettel aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Aus diesem 5 m langen und 12½ cm breiten Pergamentstreifen erfahren wir, wie ein Klosterbote im Jahre 1501 aus der Benediktiner-Abtei St. Lambrecht in Obersteiermark auf seiner Botentour durch Steiermark, Ober- und Niederösterreich, Bayern, die Pfalz, den Rhein abwärts bis Köln gelangte, von da rheinaufwärts über Straßburg im Elsaß, durch die Schweiz, um den Bodensee herum über Bregenz und durch Vorarlberg nach seinem Ausgangspunkte zurückkehrte. In jedem Kloster notierte man[S. 73] aus die Rotel die Namen der in einem Jahre verstorbenen Brüder und Gönner, sowie den Tag der Ankunft des Boten. Diese Rotel umfaßt — sie ist dazu nicht vollständig — die Zeit eines halben Jahres und enthält die Empfangsbestätigungen und Notizen von 235 Klöstern.

Eine besondere Art städtischer Botenanstalten waren die sogen. Metzgerposten. Da die Metzger zur Betreibung ihres Geschäftes Pferde halten mußten, und da sie in weitem Umkreise der Stadt, wo sie ihr Handwerk trieben, umherkamen, so lag es nahe, sie zur Besorgung von Nachrichten und zur Bestellung von Briefen zu benützen. Ja in manchen Städten Süddeutschlands wurde infolgedessen der Postdienst der Zunft der Metzger sogar zur Pflicht gemacht. So wechselte z. B. in Eßlingen in Württemberg der Postdienst bei den Metzgern nach der Reihe. Die bald reitenden, bald fahrenden Metzgerknechte kündigten an allen Orten, wohin sie kamen, ihre Ankunft und ihren Abgang durch das Blasen mit Hörnern an, woher der noch heute übliche Gebrauch der Posthörner stammen mag. Übrigens scheinen sich diese Metzgerposten doch nur über einen kleinen Teil Deutschlands — Schwaben — erstreckt zu haben und auch da nur in beschränkterem Umfange in Anwendung gekommen zu sein.

Fig. 22. Breslauer Postbote
aus dem 16. Jahrhundert.

Auch einzelne Fürsten gründeten hie und da, aber nur für sich und ihre Regierungszwecke, Postanstalten, so z. B. Herzog Albert von Sachsen, welchem Kaiser Friedrich III. die Statthalterschaft der Niederlande übertrug, und der schon oben erwähnte Ludwig XI. von Frankreich.

Nach der Erfindung der Buchdruckerkunst fungierten nicht selten die Buchhändler, damals „Buchführer“ genannt, und ihre Geschäftsreisenden, welche die Erzeugnisse der neuen Kunst selbst von Ort zu Ort zum Verkaufe brachten, als Briefüberbringer.

Wohlhabende und regen Briefverkehr unterhaltende Private hatten oft eigene Boten. Das war namentlich der Fall in jener Zeit, als infolge des aufblühenden Humanismus die Gelehrten Deutschlands und seiner Nachbarländer sehr lebhaften Ideenaustausch pflegten. Von Erasmus von Rotterdam z. B. wissen wir, daß er beständig wenigstens einen eigenen, von ihm besoldeten Boten unterhielt und für seinen Briefverkehr die für die damalige Zeit bedeutende Summe von 60 Goldgulden jährlich ausgab.

Alle diese Anstalten genügten indes keineswegs, um die gelegentliche Nachrichtenbeförderung durch pilgernde Mönche und fahrende Leute, durch Gerichts- und Kanzleiboten und namentlich die Kaufmannszüge überflüssig zu machen.

[S. 74]

Soweit hatte sich in den verschiedenen Ländern Europas in der Zeit des Mittelalters das Postwesen entwickelt. Bevor wir aber zur Geschichte des Postwesens der Neuzeit übergehen, wollen wir noch die diesbezüglichen Einrichtungen in einigen außereuropäischen, besonders orientalischen und transatlantischen Gebieten, in Kürze betrachten.

Die hohe Kultur, welche die Araber entwickelten, seit ihre Jugendkraft durch die Lehren des Islam zu großen Thaten aufgerüttelt wurde, die machtvollen Staatswesen, die sie in Vorderasien gründeten, die großartigen öffentlichen Institute, welche in denselben entstanden, lassen schon von vornherein vermuten, daß sie auch der Beförderung von Nachrichten und Personen ihre Aufmerksamkeit zuwendeten. Und so ist es auch. In allen mohammedanischen Ländern des Orients finden wir schon frühe Spuren und Anfänge von Posteinrichtungen. Die ersten soll bereits der Chalif Moawija (661–679) geschaffen haben, und um die Mitte des 10. Jahrhunderts zählte man schon 930 Poststationen. Feste, ununterbrochene Ketten von solchen verknüpften schließlich die gefährdeten Grenzfestungen mit dem Machtcentrum des Reiches, hielten die Hauptstädte der Provinzen, in denen die mächtigen Statthalter residierten, in stetem Verkehre mit dem Sitze der Staatsgewalt und sicherten die Verbindung der Hauptstadt mit den Seeplätzen und Flottenstationen.

Der Charakter der Chalifenpost war anfänglich ein rein staatlicher; es wurden nur Depeschen der Regierung und solche Staatsbeamte befördert, die hierzu von dem Herrscher die Ermächtigung erhielten. Erst später wurden von den Regierungskurieren gegen Bezahlung auch Privatbriefe mitgenommen.

An der Spitze der Verwaltung des Postdienstes stand der Centralpostmeister zu Bagdad, der einer der höchsten Würdenträger des Reiches war. Sagte doch der Chalif Abu Djafar Mansur: „Mein Thron ruht auf vier Pfeilern und meine Herrschaft auf vier Männern; diese sind: ein tadelloser Kadi (Richter), ein energischer Polizeiverwalter, ein rechtschaffener Finanzminister und ein treuer Postmeister, der mir über alles Auskunft giebt.“

Als das Chalifenreich zerfiel, löste sich auch das Netz seines Postwesens auf.

Indien hatte, wie bereits erwähnt, schon im Altertum eine gut organisierte Briefpost; aber auch aus späterer Zeit wissen wir, daß das Postwesen bestens gepflegt wurde. Der Sultan Baber von Delhi z. B. nahm sich besonders des Postwesens an. Er ließ auf der Heerstraße von Agra, seiner Residenz, bis nach Kabul Posthäuser errichten.

Von den Posteinrichtungen Chinas berichtet der Reisende des 13. Jahrhunderts, Marco Polo: Sie gingen durch das ganze chinesische Reich; überall gab es schöne Gasthäuser, an allen Straßen zahlreiche Stationen und eine große Zahl verfügbarer Pferde für die Postboten und die Reisenden.

[S. 75]

Auch in Japan ist schon seit Jahrhunderten ein geregeltes Postwesen eingeführt; treffliche Straßen durchziehen das Land, an denen in kleinen Entfernungen wohleingerichtete Herbergen stehen. Die kaiserlichen Kuriere führen Glöckchen mit sich, damit jeder, auch der höchste Beamte, ihnen ausweiche. Als Europa noch keine Ahnung von Reisehandbüchern hatte, kannte Japan dergleichen längst, und zwar in Gestalt von Fächern; dieselben sind mit allen Notizen bedruckt, welche der Reisende zu wissen braucht; er findet auf ihnen die Entfernungen in Meilen, die Richtung, das Postgeld, den Preis der Speisen u. dgl. m. angegeben.

Aber auch bei den alten Kulturvölkern Amerikas riefen, lange bevor die Neue Welt von Europäern betreten war, gleiche Verhältnisse und Bedürfnisse ähnliche Einrichtungen hervor. Peru hatte, bevor es von den Spaniern erobert wurde, geradezu bewunderungswürdige Straßen. Alexander von Humboldt vergleicht sie mit den Römerstraßen. An diesen Straßen hatten die Inkas, die Herrscher des Landes, in Entfernungen von je ½ Stunde Weges Häuser erbauen lassen, in welchen Eilboten wohnten. Diese Chasquis, wohleingeübte Läufer, hatten immer 14 Tage Dienst, dann wurden sie auf einige Tage abgelöst. Vermittelst derselben wurde eine Depesche in 24 Stunden 50 Leguas weit befördert, und eine Botschaft von Cuzco nach Quito gelangte binnen sechs Tagen an ihr Ziel.

Wie in Peru war es in Mejico vor dessen Eroberung durch Cortez. So konnte Montezuma an seiner Tafel Fische essen, die 24 Stunden früher im Golfe von Mejico umhergeschwommen waren, die also 50 deutsche Meilen durch die Eilpost mit unterlegten Menschen befördert werden mußten.

2. Straßen und Fuhrwerke[47].

1. Mit der Auflösung des Römerreiches verfiel alsbald auch der Wegebau. Eroberer wie Besiegte vernachlässigten in gleichem Maße jede weitere Sorge für die Erhaltung der früheren prächtigen Straßen. Karl der Große bemühte sich zwar, die verfallenen Römerstraßen wieder herzustellen und neue Heer- und Handelsstraßen anzulegen; sein Beispiel fand indes keine Nachahmung, und so herrschte denn nach seinem Tode, wie bereits vor ihm, in Bezug auf das Straßenwesen volle Anarchie. Die ganze Wegeverwaltung gipfelte lediglich in dem Grundsatze, daß die Herstellung der Wege Sache des Territorialherrn sei. Jeder Graf, Ritter, Bischof, kurz jeder Grundherr konnte demnach auf seinem Grund und Boden die Wege bestellen, wie es ihm beliebte; einen Staat, der für Straßenbau sorgte, wie zur Zeit der Römer, gab es ja nicht. Einige Besserung erfuhr der Wegebau in Deutschland erst infolge der Kreuzzüge, die vielfach Anregung zur Anknüpfung[S. 76] neuer Handelsverbindungen gegeben hatten; namentlich schuf der Handelsverkehr zwischen den aufblühenden italienischen Städten und den Städten Mittel- und Niederdeutschlands wichtige Straßenrouten durch Mitteleuropa. So zog eine Haupthandelsstraße von Venedig über Bozen, Innsbruck und Füßen nach Augsburg, Kempten und Ulm; von da über Nürnberg und den Thüringerwald nach Erfurt, Braunschweig und Magdeburg, dann nach Lübeck, Hamburg und Bremen. Eine andere Straße führte durch Franken an den Rhein und diesen abwärts nach Köln, Brügge und Antwerpen. Desgleichen gab es eine westliche, durch Schwaben ziehende, die nach Worms, Straßburg, Metz und Verdun führte, eine südöstliche zog nach Böhmen, Mähren und Schlesien und eine nordöstliche nach Königsberg, Danzig und Posen.

Da indes die dauernde Unterhaltung dieser Straßen verabsäumt wurde, so war es um deren Zustand gar bald recht traurig bestellt. Die Klagen über die Mangelhaftigkeit der Chausseen[48] kehren denn in fast allen Reiseberichten jener Zeit wieder. Oft machte die Grundlosigkeit des Bodens ein Fortkommen geradezu unmöglich; in diesem Falle wurden dann Baumäste und Stämme auf den Kot geschafft, woher die noch jetzt übliche Redensart herrührt: „über Stock und Stein“. Ja durch manche der damals geltenden Rechte und Gesetze war geradezu ein Preis auf den schlechten Zustand der Straßen gesetzt, so besonders durch das sogen. Recht der Grundruhr. Danach gehörte jeder Karren, dessen Achse oder Rad brach, der also den Grund berührte, sowie die Kisten, Fässer oder Ballen, welche vom Wagen fielen, dem betreffenden Grundherrn, von dem sie im günstigsten Falle ausgelöst werden konnten. „Farst du auf Jarmark,“ heißt es in einem alten Handelsregelbuch, „durch Herren-Gauen oder Wald, nimm klaine Rad an dain Wagen, und hüte dich, daß du kaine Grundruhr zahlen must, sonst ist dain Gewinn verlorn.“ Auch das alte Stapelrecht und der Straßenzwang waren ganz dazu angethan, die Entwicklung des Straßennetzes zu hemmen, indem sie sowohl auf den Wasserstraßen, wie auf den Landwegen jede freie Bewegung des Verkehrs hinderten und denselben zwangen, sich mit den wenigen Straßen zu behelfen, welche die Inhaber des Privilegiums, namentlich die größeren Städte, zu öffnen für gut fanden.

Auch das gegen Ende des Mittelalters infolge der Unsicherheit der Wege stark ausgebildete Geleitswesen war der Besserung der Straßen nicht günstig. Für die Gewährung des Geleits waren nämlich entsprechende Gebühren zu entrichten, die sich natürlich um so höher beliefen, je mehr Zeit dasselbe in Anspruch nahm. Demzufolge hatten die geleitsberechtigten Fürsten auch aus diesem Grunde eher ein Interesse an schlechten als an guten Straßen.[S. 77] Besser stand es um die Wege meist nur in solchen Gebieten, wo die landesherrliche Gewalt der größeren Reichsfürsten sich kräftig ausgebildet hatte. Das war z. B. in Hessen unter dem Landgrafen Philipp dem Großmütigen der Fall, von dem die sprichwörtlich gewordene Äußerung stammt: „Einen guten Fürsten erkennt man an reiner Straß, guter Müntz und Haltung beschehner Zusag.“

2. Was die Fuhrwerke betrifft, so waren dieselben im Mittelalter, besonders in der ersten Hälfte desselben, noch sehr schwerfälliger Art. So bediente sich Karl der Große eines äußerst einfachen, unbedeckten Karrens, vor den vier von einem Treiber geleitete Ochsen gespannt waren. Bald hörte indes der Gebrauch des Wagens zum Reisen ganz auf; denn einerseits galt es für unritterlich und verweichlichend, sich eines Wagens zu bedienen, andererseits war der damalige Zustand der Straßen der Benutzung eines solchen höchst hinderlich. So trat mehr und mehr an die Stelle des Wagens das Pferd. Noch im 15. Jahrhundert reisten die höchsten Stände zu Pferde. Zum Konzil zu Konstanz (1414) z. B. begaben sich Kaiser Sigismund, dessen Gemahlin, Fürstinnen und Gefolge, sämtliche Fürsten und Bischöfe aus weiter Ferne ausschließlich zu Pferde. Erwähnt sei noch, daß im frühen Mittelalter besonders Willegisus, der erste Erzbischof von Mainz, um die allgemeine Einführung der Speichenräder sich große Verdienste erwarb[49].

Ein merklicher Fortschritt im Wagenbau wurde erst im 15. Jahrhundert gemacht, als in Ungarn die Kunst erfunden wurde, den Kasten des Wagens (ungarisch Gutsche[50]) in Riemen zu hängen. In einem solchen „wackelnden Wagen“ (sur un chariot branlant), wie Juvenal des Ursins berichtet, hielt 1405 Isabeau von Bayern, die Gemahlin des französischen Königs Karl VI., ihren Einzug in Paris. Derartige Fuhrwerke wurden in der Folgezeit auch Damenwagen (chariots damerets oder de dame) genannt; denn den Männern war anfangs der Gebrauch dieser Kutschen durch königliche Verordnungen untersagt. Ihr Gebrauch wurde aber bald allgemeiner, als Raimund von Laval, Hofkavalier Franz’ I., sich eines solchen Wagens bediente, da ihn seiner Wohlbeleibtheit halber kein Pferd mehr tragen konnte. Übrigens soll es zur Zeit Franz’ I. (1494–1547) in ganz Paris nur drei Kutschen gegeben haben, und noch Heinrich IV., der gegen Ende des 16. Jahrhunderts regierte, schrieb einmal an Sully: „Ich kann Euch heute nicht besuchen, denn die Königin hat mir meine Kutsche genommen“ (Je ne sçaurais vous aller voir aujourdhui, parceque ma femme se sert de ma[S. 78] coche). Später wurden die Kutschen in Paris so gebräuchlich, daß selbst Handwerker sich derselben bedienten.

La mode en devient si commune,
Que les savetiers du Palais
Se promènent au cabriolet
Avec les marchands de prune.

„Sie kommen so allgemein in Gebrauch, daß selbst die Schuhflicker des Palais mit den Pflaumenhändlern in der Kutsche fahren.“

In Spanien wurden die Kutschen im Jahre 1546, in England 1580, unter der Königin Elisabeth, bekannt. In letzterem Lande erschien übrigens noch 1631 folgende Verordnung des Königs: „Seine Majestät haben wahrgenommen, wie die Hackneykutschen in London so stark zugenommen, daß selbiger Verkehr zur größten Störung des Königs, der Königin und des Adels heranwächst, wodurch die Straßen und Gemeinwege dieser Stadt versperrt und gefährlich gemacht und die Preise des Heues und des Futters aller Art ungemein verteuert werden, und haben für gut erachtet, mit Beistimmung des geheimen Rates, Seinen königlichen Willen in Betracht dieses Mißbrauches bekannt zu machen. Seine Majestät befehlen daher, niemand mehr solle sich eines solchen Wagens bedienen, es sei denn, um eine Reise zu machen, wenigstens drei Meilen außerhalb der Stadt, auch soll sonst niemand darin fahren, es sei denn, der Eigentümer halte aus eigenem Vermögen vier hinlänglich taugliche Pferde, die für den Dienst des Königs tüchtig gefunden werden, wenn je der Fall, solche zu fordern, einträfe.“

In Deutschland wurden im 16. Jahrhundert die Kutschen anfänglich nur von höheren Frauen gebraucht, die Männer ritten nach wie vor, zumal das Fahren in der Kutsche als unmännlich angesehen wurde. Die Landesherren suchten auch mehrfach durch Verbote dem Gebrauche derselben durch die Männer entgegenzuwirken. Unter anderem heißt es in einer Verordnung des Herzogs zu Braunschweig vom Jahre 1588: „...daß solche rühmliche, tapfere und männliche nützliche Rüstung und Reiterei in unsern Fürstentumen, Graf- und Herrschaften nicht allein merklich abgenommen, sondern auch fast gefallen (wie Zweifel ohne auch andere Chur- und Fürsten bei ihrer Ritterschaft dergleichen erfahren) und solches fürnehmlich daher verursachet, daß sich fast alle unsere Lehen-Leute, Diener und Verwandten, ohne Unterschied, jung und alt, auf Faullenzen und Kutschenfahren zu verlegen unterstanden...“ Im kurmärkischen Archiv soll noch ein Edikt vorhanden sein, in welchem dem Lehensadel und den Vasallen die Kutschen sogar bei Strafe der Felonie verboten sind.

Dem Grafen von Barby wurde 1594 vom Kurfürsten von Sachsen nur mit Rücksicht auf seine körperlichen Leiden die „gnädigste Erlaubnis“ erteilt, mit einer vierspännigen Kutsche zum Reichstage nach Speier zu[S. 79] fahren. Noch zu Ende des 16. Jahrhunderts, zu welcher Zeit die Bischöfe und Fürsten bereits viele Wagen besaßen, war es nicht einmal den Gesandten gestattet, sich zu ihren Reisen der Kutschen zu bedienen.

Fig. 23. Die Landkutschen und Haudererwagen im 15. und 16. Jahrhundert.

(Nach dem „Poststammbuch“.)

Vom Volke wurden in dieser Zeit, wo das Reisen zu Pferde allmählich abkam, hauptsächlich Landkutschen und Haudererwagen benutzt. Wer nicht reiten konnte oder wollte (z. B. Frauen, Kranke u. s. w.), bediente sich, bevor die Wagen allgemeiner wurden, einer Sänfte, wie sie schon im alten Rom unter dem Namen lectica bekannt waren. Die Roßsänfte, Basterna genannt, wurde von zwei Pferden, Paßgängern, getragen, und noch Moritz von Sachsen machte 1733 die Reise von Paris nach Dresden in einer solchen Basterna.

III. Neuzeit.

1. Die Entdeckung Amerikas, die Eröffnung der Schiffahrt von Europa um das Kap nach Indien und China, die Erfindung der Buchdruckerkunst und endlich der Humanismus und die Reformation hatten am Ende des Mittelalters auf allen Gebieten des geistigen und materiellen Lebens den großartigsten Aufschwung hervorgerufen; namentlich hatten sich die Berührungspunkte der einzelnen und der Nationen nunmehr in dem Grade erweitert, daß zur Pflege des Völkerverkehrs, wie er jetzt erstand, die alt[S. 80]gewohnten Vermittler nicht mehr genügten. Das Verlangen nach besseren Posteinrichtungen erhob sich deshalb allenthalben, besonders in allen größeren Staaten. Die erste umfassende derartige Einrichtung wurde durch die Kaiser Maximilian I. und Karl V. begründet. Die großartigen Besitzungen nämlich, über welche im 16. Jahrhundert das Haus Habsburg gebot, machten es in hohem Grade wünschenswert, all diese Länder in stete und sichere Verbindung zu setzen. Hierzu reichten aber die bestehenden Posteinrichtungen nicht hin, und das Streben der Habsburger war deshalb auf den Besitz einer eigenen, nur von ihnen abhängigen Postanstalt gerichtet. Die Organisatoren einer solchen wurden die italienischen Edelleute de Tassis[51], genannt Torriani (daher später Thurn-Taxis), welche im 15. Jahrhundert aus dem Mailändischen nach Deutschland eingewandert waren. Schon unter Kaiser Friedrich III. (1451) soll Roger von Tassis, Oberjägermeister der Grafschaft Tirol, eine Post für Steiermark und Tirol gegründet und uniformierte Reitboten aufgestellt haben. Franz von Tassis aber erbot sich Maximilian I., die kaiserlichen Briefe aus dem Hoflager nach den Niederlanden kostenfrei zu befördern, wenn ihm und seinen Nachkommen der ausschließliche Besitz und die gesamten Einkünfte der neuen Beförderungsanstalt zugesichert würden. Diese Zusicherung wurde 1516 erteilt, und so legte Franz von Tassis 1516 die erste wirkliche Post zwischen Wien und Brüssel an[52]. Franz von Tassis wurde von Maximilian auch zum niederländischen Postmeister ernannt, wie denn die Geschichte des Postwesens überhaupt von nun an auf lange Zeit mit dem Namen des jetzigen Fürstengeschlechts der Thurn und Taxis verknüpft blieb. Leonhard von Taxis wurde von Rudolf II. 1595 zum Generalpostmeister im Reiche und dessen Nachfolger, Lamoral von Taxis, von Kaiser Matthias 1615 zum Reichs-Generalpostmeister ernannt, mit der Wirkung, daß er das Reichs-Generalpostmeister-Amt als ein „neu eingesetztes Regale für sich und seine männlichen Erben zu Lehen“ erhielt.

Anfangs zweifelte man fast allgemein an der Möglichkeit eines längern Bestandes der neuen Anstalt; auch die Rechtsgrundlage der Taxisschen Privilegien wurde auf das Ernsteste angegriffen, da viele Reichsstände bestritten, daß das Postrecht zu den kaiserlichen Reservaten gehöre. Der desfallsige[S. 81] Streit dauerte fast zwei Jahrhunderte. Auf den Reichstagen und bei den Wahlkapitulationen kehrte diese Frage beständig wieder, und was die eine Partei „nervose affirmiret“, wurde von der andern nicht minder „nervose refutiret“. Daß übrigens diese Streitigkeiten nicht bloße Federkriege waren, ist in Anbetracht der damaligen Zeitverhältnisse selbstverständlich. Jede Partei suchte bei guter Gelegenheit dem Gegner auch auf anderen Kampfgebieten möglichst Schaden und Abbruch zu thun, und so kam es gar nicht selten vor, daß ein Teil des andern Postillone auf offener Landstraße überfallen und „niederwerffen“ ließ, die Postsendungen und Gelder wegnahm, die Passagiere auf den gegnerischen Posten mißhandelte und was dergleichen handgreifliche Einmischungen mehr waren. Das Haus Thurn und Taxis führte indes den Kampf mit Ruhe und Besonnenheit und hielt an dem kaiserlichen Privilegium fest. Am meisten aber wirkte zu seinen Gunsten die Schnelligkeit und Sicherheit, welche die neue Einrichtung gegenüber dem bisherigen Botenwesen darbot. Bis nach Italien und Frankreich hinein, überall fand man die Postwagen und Postreiter der Taxis. Selbst in Spanien übertrug Philipp I. die Posteinrichtung an Baptist von Taxis.

Unter denjenigen deutschen Staaten, welche schon frühzeitig an die Gründung eigener Postanstalten gingen, stehen obenan Österreich und Brandenburg-Preußen.

Was Österreich betrifft, so wurde hier schon 1615 Lamoral von Taxis zur Unterzeichnung eines Reverses veranlaßt, in dem ausgesprochen war, daß das Postwesen in Österreich für immer von den Reichs- und Taxisschen Posten getrennt sein solle. Der namhafteste Fortschritt im Postwesen geschah aber unter Karl VI.; er löste nämlich der gräflichen Familie Paar das Postregal, welches dieselbe 1627 durch Ferdinand II. erhalten hatte, gegen eine Abfindungssumme von 90000 Gulden und eine jährliche Rente von der gleichen Kapitalssumme ab und nahm die Post in staatliche Verwaltung.

In Brandenburg ging schon unter dem Kurfürsten Albrecht Achilles in den Jahren 1470–1486 wöchentlich zwei- bis dreimal eine landesherrliche Botenpost von Berlin nach Ansbach, wo er zu residieren pflegte. Als eigentlicher Schöpfer der preußischen Staatspost gilt indes der große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1640–1688). „Zur Förderung der Kommerzien, zur Erleichterung des Gouvernements und zur Herstellung eines engern Zusammenhangs unter den Territorien der brandenburgisch-preußischen Lande“ stellte er gleich nach Beendigung des 30jährigen Krieges zwischen den entferntesten Landesteilen Postverbindungen her und gab dadurch der preußischen Post eine zusammenhängende, über die dazwischenliegenden fremdherrlichen Gebiete sich erstreckende Organisation; von Memel bis Kleve, von Stettin und Hamburg bis Leipzig sorgten 80 ständige Post- und Postwärterämter für den Postdienst. Das preußische Postwesen war schon[S. 82] damals so musterhaft verwaltet, daß es 20000 Thaler Reineinnahmen abwarf und als Vorbild für ganz Deutschland galt. — Auch der Nachfolger des großen Kurfürsten, König Friedrich I., nahm sich des Postwesens eifrig an; noch mehr aber war das der Fall unter König Friedrich Wilhelm I. Dieser Fürst betrachtete die Post als ein Kulturelement und ließ das fiskalische Interesse hierbei zurücktreten. Als das Generalfinanzdirektorium Bedenken trug, Geld zur Anlegung neuer Posten zu bewilligen, befahl er: „Sollen die Posten anlegen in Preußen von Ort zu Ort; ich will haben ein Land, das kultivieret ist; höret Post dazu.“ Ein andermal sagt er von den Posten, daß sie „vor den florissanten Zustand der Commercien hochnotwendig und gleichsam das Öl vor die ganze Staatsmaschine wären“. — Daß unter Friedrich dem Großen die wichtigste Staatsverkehrsanstalt nicht zurückblieb, bedarf wohl kaum der Erwähnung. In einer Kabinetsordre vom 2. August 1743 heißt es z. B.: „Postsachen wollen stets mit vieler Umsicht und Überlegung geführt sein und müssen nicht im geringsten verzögert werden“; und bei Einrichtung der Verwaltung von Schlesien erging aus dem Lager von Strehlen am 20. Juli 1741 eine Kabinetsordre, in welcher der große König befiehlt: „Das Postwesen soll im Interesse des Königs und des Volkes, als welche Interessen dieselben sind, entsprechend organisieret werden.“ Der Erfolg war derart, daß ein damals in Preußen reisender französischer Schriftsteller bemerkte: „Im preußischen Staate ist nächst der Schule die Post die ausgebreitetste Anstalt.“ Auch das finanzielle Ergebniß der Post war trotz mancher Mißgriffe Friedrichs ein sehr günstiges. 1784 betrug die Brutto-Einnahme der Post zum erstenmale eine Million Thaler. Voll Vergnügen hierüber machte Friedrich am Rande des ihm vorgelegten Berichtes die Bemerkung: „Das ist admirabel.“[53]

So gab es im 18. Jahrhundert in Deutschland hauptsächlich drei große Postgebiete: das österreichische, das preußische und das Taxissche. Außerdem bestanden aber noch viele kleinere Postgebiete mit eigenen Landesposten, so daß das damalige deutsche Postwesen ein Bild der deutschen Zerrissenheit im kleinen bot. Im Jahre 1810 existierten im Gebiete des ehemaligen Deutschen Reiches 13 verschiedene Postverwaltungen; in den Gebieten des Rheinbundes kamen hierzu noch eine Menge neuer französischer Anstalten,[S. 83] so daß die Verwirrung in der Spedition und Taxierung der Korrespondenz den höchsten Grad erreichte.

Was die außerdeutschen Staaten betrifft, so war in Frankreich schon im Mittelalter durch die Pariser Universitäts- und Ludwigs XI. Staatspost für dieses Verkehrsmittel ein guter Grund gelegt worden. Indes erst im 17. Jahrhundert, unter Ludwig XIII., wurden regelmäßig kursierende Posten errichtet und deren Benutzung dem Publikum allgemein gestattet. Später (1676) wurde das Postwesen monopolisiert, doch nicht vom Staate verwaltet, sondern verpachtet. Bemerkt sei noch, daß unter Richelieu und Mazarin die Post vielfach zur Überwachung der Korrespondenz der Unterthanen benutzt wurde[54]. Ebenso ließ Louvois, der ebenfalls einige Zeit das Amt des Generalpostmeisters verwaltete, die von Paris abgegangenen Posten mehreremale unterwegs absichtlich überfallen und berauben, damit keine schlechten Nachrichten in die Provinzen kämen.

In England errichtete schon Eduard IV. 1481 ein System von Relais- und Kurierkursen. Diese Posten erhielten später größere Ausdehnung, aber noch zur Zeit Elisabeths (1558–1603) bestand für das Publikum keine Postanstalt; bis 1635 diente das englische Postwesen lediglich dem Staate; erst unter Karl I., welcher der eigentliche Schöpfer des englischen Postwesens ist, wurde die Post allen Staatsangehörigen zugänglich gemacht. Überhaupt wurden unter den Stuarts die Posteinrichtungen erheblich vervollkommnet, so daß mit Rücksicht auf den gesamten Kulturzustand des Landes die damaligen Leistungen der Post als höchst beachtenswert erscheinen. Unter der Königin Anna (1700–1710) wurde in allen Gebieten der britischen Krone eine Neuregulierung des Postwesens vorgenommen, die in ihren wesentlichen Grundzügen bis 1840 bestehen blieb.

Das ist in kurzen Umrissen die Darstellung der Verhältnisse des Postwesens vom Ausgange des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts innerhalb der wichtigsten Staaten Europas. Langsam, ohne große Fortschritte, doch allmählich sich erweiternd und verbessernd, hatte dasselbe seine Entwicklung genommen. Es war dem 19. Jahrhundert vorbehalten, auch bezüglich des Postwesens, wie fast auf allen Gebieten der geistigen und materiellen Kultur, die großartigsten Reformen zu ersinnen und durchzuführen.

2. Der Aufschwung, den das Postwesen in diesem Zeitraume genommen, blieb nicht ohne Rückwirkung auch auf das Straßenwesen[55]. Die zunehmende Wichtigkeit desselben für Handel und Verkehr wie für das öffent[S. 84]liche Wohl überhaupt veranlaßte jetzt die einzelnen Staaten, das Recht der Oberherrschaft über alle im Staatsgebiet vorhandenen Straßen und Wege in Anspruch zu nehmen; es entwickelte sich allmählich das Wege- und Straßenregal. Zahlreicher als früher ergingen auch Verordnungen hinsichtlich des Straßenwesens; der Zustand der Straßen aber war freilich auch in diesem Zeitraum vielfach ein recht wenig befriedigender. Besonders in Preußen war es in dieser Beziehung sehr schlimm bestellt. So heißt es noch 1782 in einem Cirkulare, daß es „in den Försten an der gemeinsten Vorsorge für die Güte und Bequemlichkeit der Landstraßen“ fehle, daß dieselben nicht einmal planiert seien, daß man die „Stubben“ stehen und es darauf ankommen lasse, „daß sie allmählich in Fäulnis“ übergingen oder „mit dem Verluste mancher Achsen und Räder abgefahren“ würden, oder daß man wohl die „Stubben“ ausrode, „doch nicht einmal die Löcher derselben“ ausfülle u. s. w. Aber auch in Süddeutschland fehlt es nicht an diesbezüglichen Klagen. Im Frühjahr 1795 zeigte z. B. der Reichspostmeister dem Direktorium des schwäbischen Kreises an, daß zwischen Emmendingen und Offenburg in Baden 40 in der Straße eingesunkene Güterwägen ständen und der Knecht des Posthalters in Friesenheim im Straßenkot erstickt sei, während die Pferde nur mit Mühe hätten gerettet werden können. Unter solchen Umständen konnte allerdings J. N. Hecht in seinem „Reisehandbüchlein“ zu den Erfordernissen eines „ordentlichen Passagiers“ namentlich christliche Geduld und gute Leibeskonstitution rechnen.

Ähnliche Verhältnisse zeigt das Straßenwesen Frankreichs und Englands.

In Frankreich hatte Ludwig XII. 1508 den Trésoriers de France die Aufgabe übertragen, die Wege, Brücken und Häfen des Königreichs zu besichtigen, jene Wege, deren Herstellung dem König oblag, in stand zu setzen und die Herstellung derjenigen, die seitens der Grundherren erhalten wurden, zu kontrollieren. Wie aber trotzdem der Zustand der Straßen gegen Ende des 16. Jahrhunderts beschaffen war, ergiebt sich aus folgendem Stoßseufzer eines Passagiers von damals:

Dure gesne de tout le corps,
Fascheuse et cruelle voiture,
Qui des plus sains et des plus forts
Recipites la sepulture!
Noire invention de l’enfer,
Quels membres de bronze et de fer
Contre toi sont assez solides,
Pour n’être dans un jour morfondus et brisés?

„Beschwerlicher und grausamer Wagen, der du eine harte Tortur für den ganzen Körper bist, der du die Gesündesten und Stärksten schleunig zu Grabe beförderst! Schwarze Erfindung der Hölle! welche Glieder aus Bronze und Eisen sind für dich dauerhaft genug, um nicht eines Tages steif und gebrochen zu sein?“

[S. 85]

Selbst unter Colbert, der dem Wegebau doch größere Aufmerksamkeit schenkte, als das früher geschah, stand es noch schlimm genug mit der Beschaffenheit der Straßen. Lafontaine z. B. bricht über die schlechten Wege in Limousin in die Verse aus:

Qui n’y fait que murmurer,
Sans jurer,
Gagne cent jours d’indulgence.

„Wer da nur brummt und nicht flucht, der gewinnt einen Ablaß von 100 Tagen.“

Und Colbert selbst schrieb, als Ludwig XIV. 1681 von Versailles zur Badekur nach Bourbon l’Archambault (etwa 50 Meilen) reisen wollte, an den Intendanten des Obersteueramts in Moulins: „Man muß die schlechten Stellen des Weges mit Kieseln oder sonstigen Steinen ausfüllen lassen, wenn es solche dort giebt, im andern Falle muß man Erde unter gleichzeitiger Anwendung von Holz hineinthun. Ihr könnt außerdem ein drittes Mittel anwenden, nämlich die Erde ausheben, die Hecken abschlagen und damit die Löcher anfüllen lassen.“ Zugleich betont das Schreiben, daß dies alles „nur für die Reise des Königs“ geschehen solle. Immerhin konnte Frankreich schon damals sich rühmen, das beste Straßennetz in Europa zu besitzen.

In England fiel gleichfalls mit dem Beginne der Neuzeit eine gewisse Bethätigung der Gesetzgebung im Wegewesen zusammen. Unter Heinrich VIII. wurden einige bemerkenswerte Statuten, gewisse unpassierbar gewordene Wege betreffend, erlassen, ebenso erschienen unter Elisabeth und Jakob mehrere roads acts; allein den schlechten Zustand der Straßen vermochten sie nicht zu bessern. Der Geschichtschreiber Macaulay schildert den Zustand derselben um das Jahr 1685 in höchst drastischer Weise, und noch 1770 hatte Arthur Young die gute Hälfte der verschiedenen Haupt- und Seitenstraßen des nördlichen England in einem so jämmerlichen Zustande gefunden, daß er bei seinen diesbezüglichen umständlichen und genauen Angaben einen ganz anerkennenswerten Reichtum von Epithetis ornantibus entfaltet, um die vielfältigen Nuancen schlechter Wegebeschaffenheit entsprechend zu charakterisieren[56]. Gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts gehörte übrigens auch England auf dem Gebiete des Straßenbaues zu den bestbestellten Ländern Europas.

[S. 86]

3. Der Wagenbau erfuhr in dieser Periode ziemlich bedeutende Verbesserungen. Den Hauptanstoß hierzu gab die im 17. Jahrhundert erfolgte Einführung der Personenposten, die in kurzer Zeit große Verbreitung erlangten. Die erste derartige Post verkehrte 1690 zwischen Nürnberg und Frankfurt a. M. In Frankreich hießen die Personenposten Messageries[57].

Anfangs wagten sich nur wenige Leute auf die Postkutschen; als man aber gewahr wurde, daß die Sache ging, stellte sich eine große Reiselust ein und ein stetig wachsendes Verkehrsbedürfnis, so daß eine enorme Menge von Leuten, wie es in einer alten Beschreibung heißt, sich dieser neuen „fliegenden Postkutschen“ bediente. Es begann mit einem Worte die eigentliche Blütezeit des Postreisens. In Verbindung hiermit entstand nun auch eine eigene Reiselitteratur, die freilich uns heutigen Menschen manch heiteres Blatt bietet. So findet sich in einem Reisebuche aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein vollständiges Rezept darüber, wie man sich im Postwagen „artig unterhalten“ solle. Mit Edelleuten solle man über Gestütereien, Reit- und Fechtschulen, Lustgärten und allerlei rare Gewächse, artige Bauweise, Jagden, Feld-, Wald- und Wiesenbau sprechen; für die Unterhaltung mit Militärs sei es gut, wenn man sich aus wackeren Büchern vorbereite, als da seien: das Theatrum Europaeum, Seckendorffs Fürstenstaat, Schwenks Kriegesdiskurse, „Das kaltsinnige Polen“ u. s. w. Für die Unterhaltung mit Damen wird Lysanders Goldfaden und Albertinus’ Weiblicher Lustgarten empfohlen. Sonderlich aber soll man gegenüber den Erzählungen anderer das cras credo, hodie nihil praktizieren, „da man auf der Reise allerlei seltsame Gesellschaft anzutreffen pfleget“. Dasselbe Buch enthält ein Verzeichnis der Arzeneien, die man auf der Reise mit den Posten mit sich führen müsse, sowie der Gebete, Gesänge, Morgen- und Abendlieder, deren man sich auf solchen Reisen zu bedienen gar wohl thun werde.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der Personenposten gewannen auch zwei Attribute derselben immer mehr Leben und Bedeutung: Postillon und Posthorn.

Was die Postwagen der damaligen Zeit betrifft, so ließen freilich manche derselben noch viel zu wünschen übrig. So entwirft uns Lichtenberg das Bild eines, der beschriebenen Farbe nach zu urteilen, Thurn und Taxisschen Postwagens aus dem 18. Jahrhundert in folgenden, ein gelindes Grauen erweckenden Worten: „Sie streichen die Postwagen rot an, als die Farbe des Schmerzes und der Marter, und bedecken sie mit Wachslinnen, nicht, wie man glaubt, um die Reisenden gegen Sonne und Regen zu schützen[S. 87] (denn die Reisenden haben ihren Feind unter sich, das sind die Wege und der Postwagen), sondern aus derselben Ursache, warum man denen, die gehenkt werden sollen, eine Mütze über das Gesicht zieht, damit nämlich die Umstehenden die gräßlichen Gesichter nicht sehen mögen, die jene schneiden.“

Fig. 24. Preußischer Personenpostwagen ohne Verdeck aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Die Postverwaltungen scheinen übrigens gegen derartige Klagen des Publikums schon damals nicht unempfindlich gewesen zu sein, sondern auf möglichste Verbesserung, namentlich der Personenposten, Bedacht genommen zu haben; denn bald nach jener Lichtenbergschen Zeit steht man fast allerwärts in Deutschland weithin sich erstreckende Postkurse eingerichtet, auf denen nicht nur für sichere und schleunige Beförderung von Briefen und Sachen Sorge getragen, sondern auch, insbesondere durch die zwischen den größeren Handelsplätzen bestehenden Schnellposten, eine für die damalige Zeit vorzügliche Reisegelegenheit geboten war. So zollt z. B. Saphir, dem man auch nicht gerade eine allzusanfte und liebenswürdige Nachsicht gegen die schwachen Seiten seiner Mitwelt nachsagen kann, den deutschen Postwagen ein entschiedenes Lob, indem er sie, im Gegensatz zu einem Postfuhrwerk, das ihn in den dreißiger Jahren über die ungarische Pußta führte und mehr tot als lebendig an den Ort seiner Bestimmung brachte, als „Thurn und Taxissche bequeme Schwimmer“, „Preußisch-Naglersche weichgepolsterte, rasch bespannte Kutsche“ und „Bairische bequem dehnliche, wenn auch etwas phlegmatische Chaise“ bezeichnet.

Fig. 25. Dänischer Kugelpostwagen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Zu besonderer Berühmtheit gelangten von den damaligen Wagenformen die um die Mitte des 17. Jahrhunderts zu Berlin erbauten und daher auch Berlinen genannten Wagen, ferner die zwischen Berlin und Potsdam ver[S. 88]kehrende Journalière, die französische Turgotine und die englische Mail Coach[58]; letztere erfuhr namentlich im 19. Jahrhundert kurz vor Einführung der Eisenbahnen solche Verbesserungen, daß schließlich die „flying coach“ (fliegende Kutsche) den Weg von London nach Edinburg (in der Luftlinie 560 km) in sieben Tagen und die 90 km lange Strecke von London nach Oxford in sechs Stunden zurücklegte. Die Figuren 24, 25 und 26 geben uns Bilder von Postwagen der eben behandelten Periode. Bemerkt sei noch, daß in diesem Zeitraum auch die Fiaker aufkamen, und zwar zuerst in Paris im Jahre 1650. Ihren Namen haben sie von der noch heute dort bestehenden Straße St. Fiacre, an deren Ecke die ersten Stadt-Lohnwagen aufgestellt waren.

Fig. 26. Englische Mail Coach am Schlusse des 18. Jahrhunderts.

[S. 89]

IV. Neueste Zeit.

Fünf Thatsachen sind es, welche den gewaltigen Aufschwung ermöglichten, den der Nachrichtentransport im Laufe der jüngstverflossenen 40–50 Jahre genommen: die allgemeine Einführung der Eisenbahnen, die Erfindung und Anwendung des elektromagnetischen Telegraphen, die britische Postreform Rowland Hills, die Errichtung des österreichisch-deutschen Postvereins (1850) und die Gründung des Weltpostvereins (1874). Nur über die drei letzteren Punkte, die speciell die Entwicklung des Postwesens betreffen, sollen noch einige Daten beigebracht werden.

Die größte Schwierigkeit bei den Postreformen lag stets darin, daß die Regierungen immer von dem Grundsatze ausgingen, die Post müsse dem Staate Erträgnisse abwerfen. Diesem Grundsatze entsprachen denn auch die hohen Portosätze, welche alle nach sogenannten Skalen, das heißt nach Meilen, festgesetzt waren. So hatte z. B. England einen Posttarif von 4 bis zu 14 Pence für Entfernungen von 15 bis zu 500 englischen Meilen. Dieses Porto galt überdies nur für ein Blatt; hatte ein Brief mehrere Blätter, z. B. drei, so zahlte man dreifaches Porto. So kam es vor, daß noch zu Anfang unseres Jahrhunderts ein Engländer für ein Paket Briefe und Zeitungen aus Griechenland 17 Pfd. St., d. i. 1540 M. Porto zu bezahlen hatte. Um sich zu überzeugen, ob jeder Brief einfach sei, untersuchten die Beamten die Korrespondenzen auf alle mögliche Weise; ein Botaniker in Deutschland mußte sogar für ein Pflanzenblatt, welches ihm ein in Brasilien lebender Freund in einem Briefe beilegte, 20 Thlr. Porto erlegen. Solche Manipulationen und solch hohes Porto kamen bei allen Posten Europas vor. Ein Brief von Wien nach Amerika kostete über 20 M. Porto. Für einen Brief aus Frankreich nach Hannover waren noch 1833 1,40 Fr. bis 1,70 Fr., für einen solchen nach Rußland 1,60 Fr. bis 3,10 Fr. zu entrichten. Auch in Deutschland betrug das Porto für einen einfachen Brief von dem einen Ende bis zum andern einen Gulden und darüber. In Preußen kostete noch nach dem Tarif von 1824 ein Brief von Aachen nach Memel 18 Sgr. Allgemein wurde der Druck dieser veralteten Posteinrichtungen gefühlt; am größten aber war die Entrüstung in England, weil dort am meisten geschrieben wurde und manches große Kaufhaus mehrere tausend Pfund Sterling an Porto zu entrichten hatte. Freilich kamen dort auch die großartigsten Unterschleife vor; namentlich mit der Portofreiheit, deren sich damals in England alle Mitglieder des Ober- und Unterhauses, die Gesandten u. s. w. erfreuten, wurde der abscheulichste Mißbrauch getrieben. So befanden sich bei einer Ermittlung, die am 2. März 1838 stattfand, unter einem Gewicht von 354 Pfd. Briefen und Zeitungen nur 34 Pfd. regelrecht frankierte Gegenstände, die übrigen 320 Pfd. waren mit Recht oder Unrecht vom Porto[S. 90] befreit. Ja bei einer Parlamentsdebatte im Jahre 1857 erwähnte das Mitglied Roebuck, daß in früherer Zeit der Briefbeutel der Gesandten zuweilen außerordentlich schwer gewesen sei. Darin seien Röcke, Spitzen, Stiefel und andere Artikel versandt worden, auch einmal ein Pianoforte und sogar einmal ein Pferd[59]. 1837 nun trat Rowland Hill, damals ein einfacher Assekuranz-Commis, mit seinen großartigen Vorschlägen auf, durch die er der Reformator zunächst des britischen und bald auch des Welt-Briefverkehrs wurde.

In einer Flugschrift, betitelt: „Postreform, ihre Wichtigkeit und Ausführbarkeit“, beantragte er, für jeden nicht eine halbe Unze schweren Brief im gesamten Gebiete der Länder der britischen Krone einen Penny Porto zu erheben. Dieser Vorschlag wurde zwar von den betreffenden Behörden mit Entrüstung abgelehnt. Der damalige General-Postmeister Graf von Liechfield ließ sich im Parlamente sogar zu der Äußerung hinreißen: Von allen den wilden und phantastischen Problemen, die jemals zu seiner Kenntnis gelangt seien, sei das Hillsche denn doch das überspannteste. Aber bald war der Vorschlag der Gegenstand einer großartigen agitatorischen Thätigkeit. Versammlungen fanden statt, Vereine bildeten sich, zahlreiche Petitionen gingen an das Parlament, und die Presse wirkte unablässig, um Hills Entwürfe zur Durchführung zu bringen. 1840 bereits trat denn auch das einheitliche Penny-Porto für alle Gebiete der britischen Krone ins Leben. Und was waren die Folgen von Rowland Hills Postreform? Während vor derselben im Jahre 1839 die Zahl aller im Bereiche Großbritanniens und seiner Kolonieen der Post übergebenen Briefe 75 Millionen betrug, stieg sie schon 1840 auf 170 Millionen. Durch den Sieg des Penny-Portos in England war das Eis für die Postreform gebrochen. Rowland Hill wurde nun ins Ministerium berufen und übernahm die Leitung der englischen Post. In finanzieller Beziehung haben übrigens dessen Maßnahmen den gehegten Erwartungen nicht entsprochen.

Deutschland zählte bis 1850, außer Österreich und Preußen, noch 15 selbständige Postgebiete. Allmählich und immer dringender machte sich infolgedessen das Bedürfnis nach Konzentrierung und einheitlicher Verwaltung des Postwesens im ganzen Deutschen Bunde geltend. 1850 kam es denn zur Gründung des deutsch-österreichischen Postvereins. Österreich, Preußen und die übrigen deutschen Staaten bildeten nun ein Postgebiet, innerhalb dessen die Einheit des Entfernungsmaßes, des Gewichtes und des Tarifes, sowie die Transitfreiheit eingeführt wurden. Damit war innerhalb des Rahmens der Bundesverfassung eine einheitliche Reichspost verwirklicht. Dieses Vertragsverhältnis bestand, bis die Ereignisse des Jahres 1866 die[S. 91] Post des Norddeutschen Bundes und die des Jahres 1870/71 die Post des Deutschen Reiches ins Leben riefen. In allen deutschen Reichsländern wird das Postwesen jetzt nach gleichen gesetzlichen Bestimmungen verwaltet, und nur in Bayern und Württemberg ressortiert der Betrieb bei den Postanstalten noch von der betreffenden Regierung.

Fig. 27. Staatssekretär Dr. von Stephan.

Die größte Errungenschaft im Postwesen ist der im Jahre 1874 begründete Weltpostverein. Der Regierung des Deutschen Reiches, vor allem dem Chef der deutschen Postverwaltung, Staatssekretär Dr. von Stephan[60], gebührt das Verdienst, die Initiative zur Durchführung dieser[S. 92] schönen, aber schwierigen Aufgabe ergriffen zu haben. Die Vertreter von 22 Staaten traten auf Einladung der deutschen Reichsregierung im September des Jahres 1874 in Bern zusammen, und am 9. Oktober desselben Jahres wurde der „allgemeine Berner Postvertrag“ unterzeichnet. Hierdurch wurde für die Behandlung der Briefpost (der Briefe, Postkarten,[S. 93] Drucksachen und Warenproben, sowie der rekommandierten Briefe) eine zuvor niemals für ausführbar gehaltene Gleichmäßigkeit und Wohlfeilheit der Gebühren hergestellt. In betreff der Teilung des Portos unter den vertragschließenden Staaten gelangte der Grundsatz der Kompensation schrankenlos zur Anerkennung. Jeder Staat behält die von ihm erhobenen Gebühren, eine Abrechnung zwischen den bei der Beförderung beteiligten Staaten findet nicht statt. Die Frankierung geschieht ausschließlich durch die im Ursprungslande geltenden Postwertzeichen.

Der zweite Postkongreß fand 1878 in Paris statt. Durch ihn erfuhr das Unionswerk nicht nur erneute räumliche Ausdehnung, sondern auch innere Erstarkung und Befestigung. Nach dem hier am 1. Juni 1878 abgeschlossenen Vertrag kostet ein einfacher Brief innerhalb des ganzen Weltpostvereinsgebietes 20 Pfennige, eine Korrespondenzkarte 10 Pfennige. Für den letztern Betrag kann somit heutzutage eine Nachricht von San Francisco nach Sibirien oder von Hammerfest bis zum La Plata oder nach Persien gelangen.

Die Einheitlichkeit der Weltpostportos ist nunmehr in einem Maße verwirklicht, wie es noch nach der Gründung des allgemeinen Postvereins kaum erhofft werden durfte und vor diesem Ereignis sicherlich auch von nicht skeptisch angelegten Naturen ins Reich der Träume verwiesen worden wäre. Es genügt in dieser Beziehung, daran zu erinnern, daß vor Begründung des Weltpostvereins allein in Deutschland für Briefe nach den jetzt zum Verein gehörigen Ländern noch gegen 60 verschiedene Portosätze bestanden, die Zahl der Portosätze aber, welche in sämtlichen Vereinsstaaten für den gegenseitigen Briefverkehr in Geltung waren, über 1200 betrug.

Auf dem letzten 1885 zu Lissabon abgehaltenen Kongreß handelte es sich zunächst um den weitern Ausbau des Weltpostvereins und um Befestigung und Erweiterung der innerhalb desselben bestehenden Vereinigungen zum Zwecke des Austausches von Briefen mit angegebenem Werte, von Postanweisungen und von Postpaketen. Dann aber galt es, neue internationale Abkommen zu prüfen und hierüber Beschluß zu fassen. Dieselben betrafen die Einziehung von Geldern im Wege des Postauftrags, die Besorgung des Zeitungsbezuges durch die Post, die Veröffentlichung von Annoncen durch Vermittlung der Post, die Einführung von Ausweisbüchern und endlich die einheitliche Organisation der Poststatistik.

Auch auf diesem Kongresse ist, wenn nicht alles, so doch sehr vieles erreicht worden. So ist die Zahl der an dem Postanweisungs-Übereinkommen teilnehmenden Länder von 17 auf 25, die Zahl der an dem Pariser Postpaket-Übereinkommen vom 3. November 1880 beteiligten Länder von 21 auf 30 gestiegen. Ferner wurde ein Übereinkommen getroffen bezüglich der Einrichtung eines internationalen Postauftragdienstes.

[S. 94]

Gegenwärtig umfaßt der Weltpostverein fast alle civilisierten Staaten und Länder des Erdballs mit einem Flächenraum von ca. 81 Millionen Quadratkilometer, d. i. drei Fünftel des ganzen Festlandes, und 830 Millionen Einwohner, d. i. fast drei Fünftel der ganzen Menschheit.

Außerhalb desselben stehen von Kulturstaaten nur noch die britischen Kolonieen in Australien, das Kapland und China. In Bezug auf letzteres kommt jedoch in Betracht, daß die englischen Postanstalten in den wichtigeren, dem europäischen Verkehr geöffneten Hafenorten dem Vereine angehören. Außerdem besteht ein wichtiger Postkurs von Kiachta über Maimatschin nach Peking; die auf diesem Wege beförderte Korrespondenz unterliegt gleichfalls der billigern Vereinstaxe. Hierdurch wird der Beitritt Chinas zu dem Verein allmählich vorbereitet. Auch die Bedenken, welche bisher in Bezug auf den Beitritt Australiens obwalteten, werden voraussichtlich binnen kurzem ihre Erledigung finden.

Das internationale Bureau zu Bern ist der administrative Mittelpunkt des Weltpostvereins, dessen Interessen auf periodischen internationalen Kongressen gewahrt und gefördert werden.


Zweites Kapitel.
Die Mittel des Postverkehrs[61].

Die Post bedient sich zu ihren Zwecken der verschiedenartigsten Beförderungsmittel: der Boten zu Fuß und zu Roß, bespannter Wagen, der Eisenbahnen und der Schiffe; außerdem finden noch Verwendung pneumatische Röhren, Tauben und das Luftschiff.

Bibliothek der Länder- und Völkerkunde

Fig. 28. Der Weltpostverein.


GRÖSSERE BILDANSICHT

1. Fußboten.

Fig. 29. Japanesische Landpostbeförderung.

Fig. 30. Chinesischer Depeschenträger.

Was zunächst die Fußboten betrifft, so ist uns schon aus der Geschichte der Post bekannt, wie bedeutend die Rolle gewesen, welche den Fußgängern in der Nachrichtenvermittlung des Altertums und Mittelalters zufiel. Die Hemerodromen Griechenlands, die tabellarii der Römer legten weite Strecken zu Fuß zurück; auch die Heilige Schrift preist die Füße der Boten des Herrn, die uns den Frieden verkündigen. Nicht minder ist im[S. 95] Mittelalter ein erheblicher Teil der Nachrichtenvermittlung durch wandernde Mönche und fahrende Schüler, späterhin durch die rüstig ausschreitenden Boten der Städte bewirkt worden. Aber auch noch gegenwärtig, im Jahrhundert der Eisenbahnen und des elektrischen Telegraphen, nehmen die pedes apostolorum eine viel erheblichere Stelle im Verkehrsleben ein, als man gewöhnlich annimmt. Nicht bloß in den Ländern ohne geordnete Verkehrs-Einrichtungen, wo die Briefbesorgung fast ausschließlich auf Fußgänger angewiesen ist, sondern auch bei Völkern mit altererbter und höchst ausgebildeter Kultur kommt den Fußboten noch heutzutage ein äußerst beträchtlicher Anteil an der Postbeförderung zu. In Japan wurden z. B. nach der Statistik des Jahres 1883 rund 36000000 km an Fußpostkursen zurückgelegt. Auch die Reichspost in China besitzt neben anderem Apparat ein zahlreiches Personal von Depeschenträgern zu Fuß, die entweder als „starke Männer“ oder als „Tausend-Li-Pferd“ bezeichnet werden. Ebenso wird in den weiten Gebieten von Britisch Indien ein erheblicher Teil der Postbeförderung durch Eilboten bewirkt, desgleichen in Marokko[62].

Fig. 31. Marokkanischer Postbote.

[S. 96]

In den europäischen Kulturstaaten sind Zahl und Umfang der Fußbotenkurse[63] gleichfalls viel beträchtlicher, als man gemeinhin annimmt. So beträgt in Frankreich und Deutschland die Jahresleistung durch Fußgänger noch immer 16 beziehungsweise 20 Millionen Kilometer. Die Summe der Fußbotenleistungen erhöht sich aber ganz außerordentlich, sobald man auch denjenigen Teil des Postbeförderungsdienstes hierher rechnet, der die Besorgung des Postverkehrs der Landbewohner zum Gegenstande hat. Die Landbriefträger der Postverwaltung des Deutschen Reiches allein haben z. B. im Jahre 1883 nicht weniger als 156 Mill. Kilometer zurückgelegt. Das letztere Institut ist indes erst eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Noch bis in die dreißiger Jahre desselben hatten die Landbewohner selbst für die Abholung ihrer Postsendungen aus dem ihnen nächstgelegenen Postorte zu sorgen und konnten froh sein, wenn ihnen dies Geschäft durch Gastwirte, Thorschreiber, Botenfrauen und andere mehr oder minder zuverlässige Ersatzmannschaften erleichtert wurde; heute aber ist, nach dem energischen Vorgehen der französischen Postverwaltung, in der Mehrzahl der europäischen Kulturstaaten der Landbriefbestelldienst staatlich organisiert und zu einem wirksamen Hebel der Verbindung des platten Landes mit den Städten ausgestaltet worden. In Frankreich wurde durch das Gesetz vom Jahre 1829 ein auf das ganze Land ausgedehnter Service rural eingerichtet; es wurden[S. 97] mit einem Schlage 4500 Landbriefträger angenommen, welche die mit den Posten angekommenen, sowie die im Bezirke der Postanstalt aufgegebenen Briefe in allen Mairien mindestens einen Tag um den andern zu bestellen hatten. Diese großartige Maßregel ist bereits durch das Gesetz von 1832 zu einer durchgängig täglichen Landbriefbestellung erweitert worden. In Deutschland ist die Ausdehnung dieses Institutes wesentlich langsamer erfolgt als in Frankreich. Dasselbe hat in Preußen erst in den fünfziger Jahren einen namhaftem Umfang erreicht. Gegenwärtig giebt es im deutschen Reichspostgebiete über 20000 Landbriefträger.

Die Haupttruppe in der Infanterie der Post bilden die Orts-Briefträger. Ihr Dienst ist je nach den Landessitten, den örtlichen Wohnungsverhältnissen und der Organisation des Postwesens in den einzelnen Ländern sehr verschieden. So kann der englische letter-carrier (Briefträger) seine Sendungen einfach in die Hausbriefkästen einlegen, die er fast überall in den größeren Städten seines Landes antrifft; der französische facteur ist in Paris reglementsmäßig berechtigt, die Briefe für sämtliche Hausbewohner an den concierge (Hausmeister) abzugeben. Viel mühevoller ist die Aufgabe des Berliner Briefträgers. Seine Bestellgänge auf den Vorder- und Hintertreppen[S. 98] der großen Mietkasernen erreichen eine selbst für Mitglieder des Alpenklubs ansehnliche Gesamtleistung, und oft hat er, lediglich um einen Preiskourant oder eine Geschäftsanzeige an den nicht selten unwilligen Empfänger zu bestellen, minutenlange vor dessen Thüre zu warten. Auch in New-York pflegen die Briefträger nicht in die Stockwerke der Häuser hinaufzugehen; dieselben sind dort mit einer sehr stark schrillenden Pfeife ausgerüstet, mittels deren sie ihre Anwesenheit unten in den Hausfluren oder in den Höfen signalisieren, um die Adressen der zu bestellenden Briefe auszurufen. Die Hausbewohner steigen dann zum Briefträger hinab, um sich ihre Briefe zu holen. In Abwesenheit der Adressaten werden dieselben an den Hauswirt abgegeben[64].

Fig. 32. Französischer Landbriefträger.

2. Reiter.

Fig. 33. Siamesischer Kurier.

Schon seit der Zeit der Achämeniden ist in der Vorstellung der Menschen das Pferd mit dem Begriffe der Post unzertrennlich verbunden. Damals bereits durchjagten die reitenden Boten die weiten Steppen und die Gebirgsländer Asiens, um nach den Hofburgen zu Susa, Ekbatana oder Babylon die wichtigsten Ereignisse aus allen Teilen des Reiches zu melden und die Befehle des Königs zurückzubringen. Der Schwiegersohn des Cyrus, Darius, der den Thron dem Wiehern seines Pferdes verdankte, war sogar selbst Aufseher der Angaroi gewesen. Marco Polo wiederum schildert eingehend die Reitposten der Chinesen, die zu seiner Zeit als eine uralte Einrichtung in Thätigkeit waren. In Rom war die Nachrichtenbeförderung durch Berittene zuerst unter Cäsar ins Leben getreten[65]. Auch[S. 99] heute noch spielt das Pferd im Postwesen eine bedeutende Rolle. So wird in Persien noch jetzt die Verbindung zwischen Teheran und Tauris durch Reitposten bewirkt. In China besitzt die kaiserliche Central-Postpferdestation in Peking für den speciellen Dienst der Central-Postkanzlei nicht weniger als 500 Kurierpferde mit 250 Reitern. Ebenso bedient sich die Post in Siam des „Kuriers zu Pferde“. Auch die russische Kurierpost, die von Peking über Urga und Kiachta den Anschluß an den großen Postkurs durch Sibirien vermittelt, wird durch mongolische Reiter befördert. Selbst in Europa sind Postbeförderungen durch Reiter keineswegs vereinzelt. In Spanien z. B. bewältigt die Post noch jetzt jährlich eine Transportarbeit von ca. 10 Millionen Kilometer lediglich durch Reiter, während auf Eisenbahnen und Postwagenkursen zusammen nur 15 Millionen Kilometer jährlich zurückgelegt werden. Ein ähnliches Verhältnis besteht in Portugal. Im Gebiete der deutschen Reichspostverwaltung beträgt allerdings die gesamte Jahresleistung der Post-Kavallerie nicht mehr 10000 km.

Wenn so das Pferd schon seit den ältesten Zeiten dem Postverkehre dienlich war, so sind doch, um dies nebenbei zu erwähnen, die verschiedenen Teile der Bekleidung des Pferdes nur sehr allmählich und schrittweise zur Ausbildung gelangt. Das älteste Hufeisen will man im Grabe des Frankenkönigs Childerich, welcher 481 starb, zu Tournay gefunden haben. In England sollen durch Wilhelm den Eroberer 1066 die Hufeisen eingeführt worden sein. Die Alten kannten den Hufbeschlag gar nicht; sie hatten nur eine Art Hufsocken, die den Tieren angelegt wurden. Ebenso waren die Sättel noch bis in die Kaiserzeit, sowie die Steigbügel überhaupt den Römern unbekannt. Man ritt auf Decken und bestieg das Pferd entweder von den Staffelsteinen aus, die an allen Römerstraßen in ziemlich dichter Aufeinanderfolge zur Seite aufgestellt waren, gleichwie sie auch bei uns noch in den Höfen der Burgruinen und in alten Städten mitunter zu finden sind; oder man bediente sich der untergehaltenen Hand oder wohl auch des Rückens eines Sklaven. Mitunter wurden die Pferde so abgerichtet, daß sie sich auf die Kniee niederließen, wenn ihr Herr sie besteigen wollte, wie man dies z. B. von Alexanders Bucephalus erzählt. Als dann in der spätern römischen Kaiserzeit die Sättel aufkamen, waren dieselben noch von sehr ungeschlachter Art. Eine Verordnung im Theodosianischen Codex schreibt vor, daß bei den Pferden der kaiserlichen Post Sattel und Zeug nicht über 60 Pfd. schwer sein sollten. Nach Laurence hat 1135 die Gemahlin des angelsächsischen Königs Stephan in England die ersten Frauensättel eingeführt.

Das Pferd ist übrigens nicht das einzige Reittier, das im Postdienste Verwendung findet. In Gebirgsländern sowie im Süden tritt an seine Stelle das Maultier, dessen sicherer Fuß schwindelnde Pfade und schwankende[S. 100] Brücken ohne Zaudern und Straucheln betritt. Ein nicht minder erfolgreicher Nebenbuhler des Pferdes ist unter heißen Himmelsstrichen das Kamel. In Indien, in China und in den südlichen Ländern des Mittelmeeres findet dasselbe vielfache Verwendung im Beförderungsdienste der Post. In Siam bestehen sogar Büffel- und Elefantenposten.

Fig. 34. Kamelpostreiter.

3. Wagen.

Noch größer als bei den Reittieren und Fußboten ist die Mannigfaltigkeit der Fuhrwerke, deren sich der Postverkehr bedient. Schon die Verschiedenheit der Zwecke der Postbeförderung bedingt eine große Mannigfaltigkeit in Größe und Bauart der Postfuhrwerke. Dazu kommen aber noch all die Unterschiede, die sich aus der Verschiedenheit der topographischen und klimatischen Verhältnisse, sowie aus den abweichenden Kulturgraden der Völker ergeben. Bekannte Erscheinungen in dieser Hinsicht sind der deutsche Eilpostwagen, dem auch die englischen mail coaches[66] und die französischen malle[67]-Postwagen in der Hauptsache gleichen, der Schweizer Personenpostwagen und der Postomnibus. Eine besonders große Mannigfaltigkeit an Mitteln der Postwagenbeförderung bietet das Russische Reich. Die Postfuhrwerke erschöpfen hier vom eleganten Personenwagen bis zur offenen Schlittenkufe herab alle Spielarten dieses Beförderungsmittels. Auch die Bespannung derselben ist sehr verschieden. Außer Pferden, Maultieren und Eseln werden noch Renntiere, Hunde und Ochsen verwendet. Ochsengespanne werden in Grusien benutzt, Hunde dienen der Post in Kamtschatka und am Baikalsee als Zugtiere, und über die weiten Schneeflächen zwischen der Dwina und Petschora ziehen Renntiere die Postschlitten. — Von den Wagen des Altertums und Mittelalters war bereits die Rede.

[S. 101]

Fig. 35. Russische Schlittenpost.

Die gesamte Jahresleistung der Postfuhrwerke der Weltpost beträgt nach der neuesten Berner Statistik etwa 450 Millionen Kilometer.

4. Eisenbahnen.

Die Bahnposten bilden heutzutage die Pulsadern des Postverkehrs. Ihnen gegenüber sind die Posten auf den gewöhnlichen Landstraßen, einzeln betrachtet, in der Regel nur noch Zu- und Abfuhrwege von untergeordneter Bedeutung. Aber nicht allein das wichtigste, sondern auch das eigenartigste Bindeglied bilden die Bahnposten in der Reihe der heutigen Postbeförderungsmittel. Ihre Vermittlung allein ermöglicht es, daß die zur Beförderung gelangten Brief- und Paketsendungen ohne Aufenthalt auf den Zwischenstationen an ihre Bestimmung gelangen. Während die Eisenbahnzüge in rasendem Fluge dahineilen, ist der Bahnpostbeamte ununterbrochen, Tag und Nacht in angestrengtester Thätigkeit, um mit seinen Arbeiten, die keinen Aufschub dulden, sondern bei Ankunft auf jeder Station pünktlich erledigt sein müssen, dem Fluge des Dampfrosses zu folgen. Auf jeder Station wird ein Teil der während der Fahrt bearbeiteten Sendungen abgegeben, auf jeder Station tritt aber auch neuer Zuwachs ein. Bald ist der Abgang, bald der Zugang umfangreicher, jedoch fast immer und unaufhaltsam drängt die Arbeit, selten kommt eine kleine Ruhepause vor. Besonders umfangreich gestalten sich die Dienstleistungen der Beamten auf den bedeutenderen Linien. So sind z. B. auf einer einzigen Fahrt zwischen Köln und Verviers — es ist dies die dem Postverkehr zwischen Deutschland und England dienende Linie — über 80000 Briefe und Drucksachen und zugleich über 1000 Einschreibebriefe zu sortieren, zu verpacken und, was letztere Sendungen betrifft, einzeln einzutragen gewesen.

Hinsichtlich der Beziehungen der Postverwaltung zu den Eisenbahn-Unternehmern gilt in fast allen dem Weltpostvereine angehörigen Ländern der Grundsatz, daß die Beförderung der Postsachen mit den Eisenbahnen[S. 102] unentgeltlich zu erfolgen habe. Nur in den Vereinigten Staaten von Amerika, in England und Japan ist die Postverwaltung lediglich auf Herbeiführung eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses zu den Eisenbahnen angewiesen.

5. Schiffe.

Aus dem Altertum sind bestimmte Nachrichten über eine postmäßige Benützung von Seeschiffen erst aus der Zeit des cursus publicus vorhanden. Es lagen für dessen Dienst schnellsegelnde Schiffe bereit im Hafen von Ostia zur Überfahrt nach Karthago, im Hafen von Rhegium für die Linie nach Sicilien u. s. w. Übrigens ist es zweifellos, daß man außer den besonders für den Postdienst bestimmten Staatsschiffen auch Handelsfahrzeuge zur Beförderung von Nachrichten zur See gebrauchte, wie denn überhaupt das Postwesen zur See im Altertum in der Hauptsache nur auf Gelegenheitsbeförderungen beruht haben mag.

Auch das Mittelalter bediente sich der Schiffe zur Beförderung von Nachrichten, und zwar sowohl der Seefahrzeuge, als auch der Flußschiffe.

Gegenwärtig sind es namentlich die Dampfschiffe, welche den Postverkehr vermitteln; es ist das bereits fast durchweg der Fall auf den größeren Flüssen; im Seepostwesen vollends ist der vollständige Sieg des Dampfschiffes längst entschieden. Jene großen Seepostverbindungen, welche die Engländer als Our Ocean Highways zu bezeichnen pflegen, werden ausschließlich durch die Benützung der interkontinentalen Dampferlinien hergestellt. Sie sind die eigentlichen Träger der Weltpost, wenn dieser Begriff allein auf die Post von Weltteil zu Weltteil erstreckt wird. Näheres über die Dampfschiffahrt im Dienste der Weltpost enthält der vierte Teil dieses Werkes.

Der Postverkehr auf Segel- und Ruderbooten ist heutzutage zufolge der Überflügelung durch Dampfschiffe im wesentlichen auf Lokalverbindungen beschränkt; er bildet indes auch heute noch eine so eigentümliche und zugleich so verbreitete Erscheinung, daß er bei der Darstellung der Weltverkehrsmittel nicht übergangen werden darf. Die chinesische Post z. B. besitzt in neun Provinzen ständige, aber nur für den Verkehr auf Binnengewässern berechnete Postschiffe; die Matrosen der Postboote werden von den Chinesen „Postschiff-Wasserhände“ genannt. Daß sich in Indien ein nicht unbedeutender Teil des Postverkehrs auf den Flüssen bewegt, ist bei der Erheblichkeit der Wasserläufe im Pendschab, in Bengalen und in Hinterindien an sich wahrscheinlich und wird durch die Modelle von indischen Postschiffen bestätigt, welche von der indischen Generalpostdirektion dem Berliner Postmuseum übersandt worden sind. In den Philippinen wird der Postdienst zwischen den einzelnen Inseln durch vilos, kleine, schnellsegelnde Boote, wahrgenommen. Die gleiche Beförderung wiederholt sich überall, wo ähnliche geographische Bedingungen vorliegen; im griechischen und im dänischen Archipel, in den Inselgruppen[S. 103] im Norden und Westen von Großbritannien, in der Schärenkette, welche die norwegische Küste umsäumt, ist das Segelboot ein treuer Diener der Post. Selbst in Deutschland obliegt dem Segelboot noch eine zwar nicht ausgedehnte, aber schwierige Rolle im Postbeförderungsdienst. Die durch wilde Sturmfluten vom Festlande abgerissenen Inseln Ost- und Westfrieslands werden, soweit nicht im Sommer wegen der Badeverhältnisse Dampfschiffe zwischen ihnen und der Küste gehen, durch Postboote bedient, denen im Winter die mühevolle Aufgabe gestellt ist, sich in Sturm und Nebel durch die Untiefen des Watts hindurchzuwinden.

Fig. 36. Chinesisches Postboot.

6. Rohrpost[68].

Der in außergewöhnlichem Maße sich steigernde Verkehr der Weltstädte legte angesichts der Hemmnisse, welchen die gewöhnlichen Transportmittel, Pferde und Wagen, in den dichtgefüllten Straßen begegnen, den Postverwaltungen den Gedanken nahe, ein Mittel in den Verkehr einzuführen, das, unabhängig von dem gewöhnlichen Zuge der Straßen, eine direkte Verbindung zwischen den verschiedenen Punkten der Stadt mit beinahe telegraphischer Geschwindigkeit zuließ. So entstand die Luftpost, der die Ausgabe zufiel, die Übermittlung der Korrespondenz auf pneumatischem Wege, durch Anwendung von Luftleere und Luftdruck, zu bewirken.

In Berlin wurde die erste Rohrpostanlage 1876 dem Verkehre übergeben; sie hatte eine Gesamtlänge von nahezu 26 km mit 15 Stationen und zerfiel in einen Nord- und Südkreis, aber derart, daß die beiden Kreise sich in dem im Haupttelegraphenamte untergebrachten Rohrpostamt I berührten. Gegenwärtig gehen vom Rohrpostamte I vier sich teilweise wieder[S. 104] verästelnde Hauptzweige nach den vier Himmelsrichtungen aus, so daß alle Sendungen, die von einem Hauptzweige nach einem andern geleitet werden sollen, das Rohrpostamt I berühren müssen.

Die Röhren, welche zur Verbindung der Stationen dienen, sind aus Schmiedeisen gefertigt, haben einen innern Durchmesser von 65 mm und liegen im allgemeinen 1 m tief unter dem Straßenpflaster.

Zur Aufnahme der Sendungen werden Büchsen aus getriebenem Stahlblech benützt, die durch eine übergeschobene Lederhülse geschlossen werden. Dieselben sind 15 cm lang und vermögen etwa 20 Sendungen — Briefe, Karten, Telegramme — aufzunehmen. 10–12 Büchsen hintereinander gelegt, bilden einen Zug; hinter die letzte Büchse des Zuges wird ein den Büchsen ähnlicher, mit Leder überzogener und mit einer ledernen Manschette versehener Holzcylinder, der „Treiber“, gesetzt, durch den ein möglichst dichter Schluß des Rohres erzielt wird.

Die Beförderung der Züge erfolgt nach bestimmten Vorschriften entweder durch Stoß mittels verdichteter oder durch Ansaugen mittels verdünnter Luft. Zur Erzeugung der Luftverdünnung und Luftverdichtung dienen acht Maschinenstationen, deren jede mit zwei Dampfkesseln und zwei Dampfmaschinen ausgerüstet ist. Jede dieser Maschinen treibt eine Luftdruck- und eine Luftverdünnungs-Pumpe.

Außerdem befinden sich auf jeder Maschinenstation mehrere große Kessel, sogenannte Luftbehälter, die einerseits mit den Luftpumpen, andererseits mit den Röhren in Verbindung stehen. Die Luft in diesen Kesseln wird durch die Pumpen stetig entweder verdünnt oder verdichtet, so daß nach Öffnung eines Ventils entweder die stark verdichtete Luft aus den Kesseln in die Röhren oder umgekehrt die dichtere Luft aus den Röhren in die Kessel strömen kann.

Der Betrieb der Rohrpostleitung ist in der Weise geregelt, daß täglich von 7 Uhr vormittags bis 9 Uhr abends alle 15 Minuten vom Rohrpostamte I ein Rohrpostzug abgelassen wird. — Die Beförderung von Station zu Station erfordert nur wenige Minuten. Selbst der längste Zweig, die 8628 m lange Linie vom Rohrpostamte I bis zum Rohrpostamte XXV in Charlottenburg, wird in 16 Minuten durchlaufen, und das einschließlich des Aufenthalts der Züge auf den von ihnen berührten Stationen. Im allgemeinen ist als Grundsatz angenommen, daß Rohrpostsendungen aus einem Teile der Stadt Berlin nach dem andern, wenn auch entferntesten, nicht mehr als 1 Stunde Beförderungszeit, von der Aufgabe an gerechnet bis zur Übergabe an den Adressaten, in Anspruch nehmen dürfen. Die mittlere Geschwindigkeit der Züge beträgt 1000 m per Minute. — Die Abtragung der bei den Rohrpostämtern mit der Rohrpost ankommenden Sendungen an die Adressaten erfolgt stets sofort durch besondere Boten. — Die Rohrpostanlage in Berlin kann benutzt werden für Telegramme, Briefe[S. 105] und Postkarten, und zwar sowohl im bloßen Stadtverkehr, als auch behufs rascherer Bestellung der von auswärts eingehenden oder behufs rascherer Absendung der nach auswärts bestimmten Korrespondenzen. — Die Rohrpostbriefe dürfen steife oder zerbrechliche Einlagen nicht enthalten, auch nicht mit Siegellack verschlossen sein, da sie beim Einlegen in die Büchsen gerollt werden müssen; das Gewicht darf 10 g, die Breite und Höhe das Maß von 12½ beziehungsweise 8 cm nicht überschreiten. Für die Rohrpostbriefe sind besondere gestempelte Briefumschläge hergestellt, ebenso besondere Rohrpostkarten auf hellrotem Papier, welche von allen Post- und Telegraphenämtern in Berlin bezogen werden können. Eine Verpflichtung zur Benutzung dieser Briefumschläge und Postkarten besteht zwar nicht, die Anwendung derselben ist jedoch im Interesse des geregelten Betriebes sehr wünschenswert. Jedenfalls müssen aber die Briefe den oben erwähnten Erfordernissen genau entsprechen, und, ebenso wie die Postkarten, mit der deutlichen Bezeichnung „Rohrpost“ versehen sein. Die durch Freimarken im voraus zu entrichtende Gebühr beträgt für Briefe 30 Pf., für Postkarten 25 Pf., für die durch die Rohrpost von außerhalb oder nach außerhalb zu befördernden Korrespondenzen tritt hierzu noch das gewöhnliche Postporto.

Welche Bedeutung auch dieses Verkehrsmittel in kurzer Zeit erlangte, ergiebt sich aus der starken Inanspruchnahme desselben. Es wurden z. B. befördert

1882 2219649 Sendungen
1884 2552814

Gegenwärtig zählt die Anstalt 31 Ämter, 8 Maschinenstationen, während die Länge der Röhren über 52 km beträgt.

Wie Berlin, so sind auch die meisten übrigen Großstädte mit Rohrpostanlagen versehen, so Paris, London etc. Ja es ist schon das Projekt aufgetaucht, Paris und London durch eine solche zu verbinden.

7. Tauben[69].

Die Verwendung der Tauben zur Überbringung von Botschaften reicht, auch abgesehen von der Taube Noahs, schon in die frühesten Zeiten zurück. So sollen bereits die Bewohner von Sodoma und Gomorrha sich der Tauben bedient haben, um sich Nachrichten zu übersenden. Desgleichen wird berichtet, daß die alten Ägypter Tauben zu Zwecken der Schiffahrt benutzten, indem sie solche bei der Abfahrt auf ihre Schiffe nahmen, teils um sie während der Fahrt zur Verbindung mit dem heimatlichen Hafen zu benutzen,[S. 106] teils auch, wenn das Schiff sich wieder der heimischen Küste nahte, sie als Vorboten der glücklichen Rückkehr abzusenden.

Der älteste geschichtliche Nachweis der Verwendung der Taube als eigentlicher Brieftaube findet sich bei dem griechischen Dichter Anakreon (530 v. Chr). Auch Tibullus, der jugendliche Elegiendichter, besingt die Taube als Nachrichtenvermittlerin. Am deutlichsten aber gedenkt Plinius der Ältere der Verwendung von Tauben zur Nachrichtenvermittlung, indem er beschreibt, wie Decimus Brutus bei der Belagerung von Mutina durch Antonius (43 v. Chr.) mit dem weit abliegenden Lager der Konsuln sich durch Tauben in Verbindung gesetzt habe. Zur Kaiserzeit, namentlich unter Diokletian, machte man sogar mehrfach Versuche, mit Hilfe von Brieftauben regelmäßige Verbindungen herzustellen. Diese Versuche scheinen indes von nachhaltigen Erfolgen nicht begleitet gewesen zu sein.

Im Mittelalter dienten die Tauben zu Zwecken der Nachrichtenvermittlung namentlich im Orient. Der französische Geschichtschreiber Joinville z. B. teilt uns mit, daß die Landung Ludwigs des Heiligen zu Damiette i. J. 1249 sofort dem Sultan von Kairo durch Taubenpost gemeldet wurde. Ganz besonders hoch hielten dieses Verkehrsmittel die fatimidischen Chalifen, so zwar, daß die Taubenpost einen selbständigen Zweig in der Verwaltung des Reiches bildete. Im Abendlande wurde während des Mittelalters die Taube zu Verkehrszwecken nicht ausgenützt; erst die Niederländer bedienten sich in der Zeit ihrer Erhebung gegen Spanien wiederum dieser geflügelten Boten. Von solchen rechtzeitig übermittelte Nachrichten waren es sogar, welche das belagerte Leyden 1575 abhielten, zu kapitulieren.

Im Anfang dieses Jahrhunderts fanden die Tauben als Boten Verwendung in Belgien, England und einigen Städten des nördlichen Frankreich, hauptsächlich im Dienste der Börse und der Presse. Das Haus Rothschild dankt sogar einen nicht geringen Teil seines Vermögens der Taubenpost. Während der Kriege des ersten Napoleon verfiel nämlich Nathan Rothschild in London auf den Gedanken, den Heeren eine Anzahl Agenten mit Brieftauben auf dem Fuße folgen zu lassen; infolge davon waren dieselben in der Lage, alle wichtigen Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz früher nach London zu melden, als dies irgend jemand anderem möglich war, so daß Rothschilds Spekulationen stets auf vollendete Thatsachen sich stützen konnten. Noch 1848 setzten Taubenposten zwischen Paris, Brüssel und Antwerpen die belgischen Zeitungen von den Vorkommnissen in Paris in kürzester Zeit in Kenntnis. Auch der Lotterie mußten die Tauben ihre Dienste leisten, und neuestens nützt man ihre Geschicklichkeit aus für Sicherung der Küstenschiffahrt. Der ausgedehnteste Gebrauch in jüngster Zeit wurde von der Taubenpost unstreitig gelegentlich der Belagerung der Stadt Paris in den Jahren 1870/71 gemacht. Damals wurden von Paris 95581 Botschaften[S. 107] mittels der Tauben befördert, und mehr als 60000 solcher Posten trafen in Paris ein[70].

In England gewahrt man nicht selten bei wichtigen öffentlichen Versammlungen, auf Festplätzen und bei ähnlichen Gelegenheiten Zeitungsberichterstatter, die mit kleinen Taubenkäfigen ausgerüstet sind, um ihre Berichte sofort vom Platze weg durch die mitgebrachten Tauben den Redaktionen zugehen zu lassen[71].

Auch die Chinesen bedienen sich der Tauben als Briefboten. Sie sagen, daß dieselben schwer zu erziehen seien, und daß 2–3 Jahre hingehen, bevor sie auf größeren Strecken verwendet werden können. Auf den Schwanzfedern der Tauben werden von ihnen zwei hohle Bambusstäbchen mit einem Einschnitt am obern Ende befestigt, die als Pfeifen dienen und bei Luftzug einen Ton von sich geben; man glaubt, daß sich die Raubvögel dadurch von der Verfolgung der Tauben zurückschrecken lassen. Die Schriftzeichen, vier Worte, die unter einer Pfeife angebracht sind, bedeuten: „Mögen günstige Winde dich begleiten.“

Nach Mitteilungen der amerikanischen Presse soll sogar die Einrichtung einer Taubenpost zwischen Europa und Amerika ernstlich ins Auge gefaßt werden. Die Durchführung dieses Planes dürfte aber vorerst doch noch auf ziemliche Schwierigkeiten stoßen, zumal nach den bisherigen Erfahrungen die größte Entfernung, bis zu der man einigermaßen mit Sicherheit auf eine Rückkehr der Brieftaube rechnen kann, nicht mehr als etwa 800 km beträgt.

Über die Verwendung der Brieftaube im regelmäßigen Postdienst äußert sich Veredarius also: „Nach dem jetzigen Stande der für den Postdienst verwertbaren Verkehrsmittel wird zwar die Aufnahme der Brieftaube unter dieselben fürs erste und in der Hauptsache auf Ausnahmezustände beschränkt bleiben; dagegen erscheint es schon jetzt nicht ausgeschlossen, daß auch die Postverwaltungen, gleichwie dies für Kriegszwecke fast seitens der sämtlichen europäischen Militärverwaltungen bereits geschehen ist, der Frage näher treten werden, inwieweit eine Aufzüchtung und Bereithaltung größerer Bestände von Brieftauben und die Organisation eines Brieftauben-Postdienstes für bestimmte Zwecke einen wertvollen Zuwachs zu den bisherigen Hilfsmitteln der Post abgeben könnte.“

[S. 108]

8. Luftschiffe[72].

Seit den ältesten Zeiten schon finden sich Spuren davon, daß der menschliche Geist — wenigstens die Phantasie — sich mit der Fortbewegung des Körpers in der Luft beschäftigte. Die Wagen der Götter und Göttinnen, die Wolkenwagen der Feen, das fliegende Roß in „Tausend und eine Nacht“, der Zaubermantel Fausts, Pegasus und die geflügelten Sohlen des Perseus sind ja nur der phantastische Ausdruck jener im Menschengeiste tief gewurzelten Vorstellung. Das erste bestimmte Zeugnis dafür, daß man es schon frühe verstanden, mit heißer Luft gefüllte, leichte Hohlkörper zum Steigen zu bringen, stammt von Aulus Gellius, einem römischen Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Er erzählt, daß der Pythagoräer Archytas, welcher mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung zu Tarent lebte, eine hölzerne Taube angefertigt habe, die vermittelst dünner, in deren Hohlkörper eingeschlossener Luft emporgestiegen und, sobald sie eine gewisse Höhe erreicht habe, wieder herabgesunken sei. Der englische Mönch Roger Baco († 1292), der so reich an Projekten war, daß man ihn den Edison des 13. Jahrhunderts nennen möchte, hielt es nicht für schwer, eine Maschine zu bauen, mit der sich ein Mensch wie ein Vogel in die Luft heben könnte. Sehr eingehend beschäftigte sich mit dem Probleme der Luftschiffahrt auch Leonardo da Vinci, von dem bis vor wenigen Jahren die Welt nur wußte, daß er einer der größten Maler aller Zeiten gewesen, nicht aber, daß er auch große Bedeutung als Physiker, Mathematiker, Mechaniker und Ingenieur besaß. Vor allem bemühte er sich, nach dem Vorbilde des Vogelflügels künstliche Flügel für einen Menschen zu konstruieren; desgleichen sind Luftschraube und Fallschirm seine Erfindungen.

Zu einer Reihe neuer Vorschläge und Versuche gab die Erfindung der Luftpumpe (1650) Anlaß. So schrieb der Jesuitenpater Lana (um 1670) ein Werk, worin er ausführte, daß man mit vier aus ganz dünnen Kupferplatten bestehenden und luftleer gemachten großen Behältern sich in die Luft müsse erheben können. Da er aber seine Rechnung ohne Berücksichtigung des äußern Luftdrucks gemacht, so war sein Projekt von Anfang an unausführbar. Näher kam der Sache der Dominikaner Joseph Galien, in dessen Werk L’art de naviguer dans les airs (Avignon 1755) dargethan ist, daß die zum Emporschweben bestimmten Hohlgefäße wegen des äußern Luftdrucks nicht leer, sondern mit einer leichtern Luftart gefüllt sein müßten, deren Dehnbarkeit dem Drucke von außen das Gleichgewicht zu halten vermöge. Dieser[S. 109] Gedanke stellte sich indessen praktisch als gänzlich unverwertbar dar, weil Galien glaubte, die verdünnte Luft könne nur aus den oberen Schichten der die Erde umgebenden Atmosphäre entnommen werden.

Die Entdeckung des Wasserstoffs durch Cavendish im Jahre 1766, durch welche die leichte Luftart dargeboten war, blieb für die Luftschiffahrt zunächst unbeachtet, da wenige Jahre später der Pater Bartolomeo Lourenço de Guzman auf den Gedanken kam, erwärmte Luft zu dem mehrgedachten Zwecke zu verwenden. Über dessen Versuch wird folgendes berichtet. „Am 8. August 1769 stieg Guzman zu Lissabon vor dem König und seiner Familie, sowie vor einer großen Zuschauermenge mit einem aus zusammengeklebtem Papier angefertigten, mit Weidenruten ausgesteiften Ballon, unter welchem auf einem Roste ein Feuer brannte, bis zur Höhe der Hausdächer, stieß dann aber gegen einen Vorsprung des königlichen Palastes, wodurch seine Maschine beschädigt und zu raschem Sinken gebracht wurde.“ Der unglückliche Ausgang dieses Versuches, die persönlichen Anfeindungen, die Guzman vielfach zu bestehen hatte, sowie der Umstand, daß alsbald eine Unmasse thörichter Phantasten die Guzmansche Idee zu unsinnigen Projekten auszubeuten versuchte, brachten der Sache schließlich nur Spott ein, so daß darüber die Thatsache der Guzmanschen Erfindung beinahe ganz in Vergessenheit geriet. Aus diesen Umständen erklärt es sich auch, daß gewöhnlich der Beginn der Luftschiffahrt von dem ersten öffentlichen Auftreten der Gebrüder Montgolfier datiert wird.

Fig. 37. Die Gebrüder Montgolfier.

Stephan und Joseph Montgolfier, die Söhne eines reichen Papierfabrikanten in Annonay, beschäftigten sich bei den von ihnen mit Vorliebe betriebenen physikalischen Studien auch mit dem Problem der Luftschiffahrt und traten, nach vielfachen Versuchen im kleinen, schließlich am 5. Juni 1783 mit einer größern Probe an die Öffentlichkeit. Der von ihnen erbaute, nicht weniger als 23000 cbm haltende Ballon war kugelförmig und bestand aus Leinwand, innen mit Papier gefüttert. Gestützt[S. 110] auf ihre bisherigen Versuche, nahmen die Erfinder an, daß der Ballon durch Rauch in die Höhe getrieben werde, und benützten deshalb als Feuerungsmaterial eine Mischung von Stroh und gehackter Wolle. Durch die hierbei stattfindende Erwärmung der im Innern des Ballons befindlichen Luft blähte sich derselbe alsbald auf und stieg unter dem Jubel der Zuschauer ungefähr 300 m empor. Mit dem allmählichen Erkalten der Luft senkte sich der Ballon langsam und kam nach etwa zehn Minuten in einem nahegelegenen Weinberge wohlbehalten wieder zur Erde.

Rasch verbreitete sich die Nachricht dieses staunenswerten Experimentes nach Paris und versetzte dort alles in Begeisterung. Eine völlige Umgestaltung der bis dahin gebräuchlichen Verkehrsmittel war das Wenigste, was man von der „Luftschiffahrt“ erwartete. Im Augenblick war denn auch in Paris das erforderliche Geld zur Herstellung eines großen Ballons zusammengebracht, und der Chevalier Faujas de St. Fond, die Gebrüder Robert und Professor Charles unternahmen es, das „Wunder von Annonay“ zu wiederholen. Letzterer hatte sofort erkannt, daß nicht, wie die Montgolfiers glaubten, der Rauch es ist, der dem Ballon Steigkraft verleiht, sondern die durch die Erwärmung verursachte Luftverdünnung. Sobald nämlich der Ballon samt Zubehör weniger wiegt als ein gleich großes Volumen Luft, muß er nach hydro- und aerostatischen Gesetzen emporsteigen. Deshalb schlug Charles vor, den Ballon statt mit erwärmter Luft mit dem leichten Wasserstoffgase zu füllen; auch gab er gleich damals dem Ballon die noch heute übliche Gestalt einer von Netzwerk umgebenen Kugel mit darangehängter Gondel. Am 27. August 1783 stieg der erste Ballon dieser Art auf. Er hatte nur 12 Fuß Durchmesser und wog 25 Pfd. Mit ungeheurer Geschwindigkeit fuhr er empor und verschwand nach kaum zwei Minuten in den Wolken. Nach nicht ganz einstündiger Fahrt zerplatzte er und fiel bei Gonesse nieder, 2½ Meilen von Paris. Jetzt kam auch der jüngere Montgolfier nach Paris und ließ am 19. September zu Versailles in Gegenwart des Hofes und einer zahllosen Menschenmenge einen ungeheuern Ballon aufsteigen. Man hatte dem Ballon einen Käfig angehängt, in welchem sich ein Hammel, ein Hahn und eine Ente befanden. Es waren dies die ersten lebenden Wesen, welche eine Luftreise machten. Sie kamen glücklich wieder herunter. Jetzt dachte man daran, daß auch Menschen im Ballon Luftfahrten unternehmen könnten, und es wurde vorgeschlagen, das erste Wagnis dieser Art einem verurteilten Verbrecher zuzumuten. Allein Pilâtre de Rozier wies energisch daraufhin, daß es sich hier um eine Ehre handle, die man einem Verbrecher nicht zuweisen dürfe, und daß er selbst mit dem Montgolfierschen Ballon die erste Luftfahrt machen wolle. Er bereitete sich dazu vor durch einige kleine Versuche, bei denen der Ballon an einem Seile befestigt war, und endlich am 21. November 1783 stieg er in Begleitung des Marquis d’Arlandes beim Schlosse La Muette in die Höhe. Der Wind trieb den Ballon über Paris[S. 111] hinweg, und nach 25 Minuten ließen sich die Luftschiffer in zwei Meilen Entfernung glücklich nieder, indem sie das Feuer allmählich verminderten. Wir besitzen noch das Protokoll über diese Luftreise; es ist unter anderen auch von dem berühmten Amerikaner Benjamin Franklin unterzeichnet, der sich damals als bevollmächtigter Minister seines Vaterlandes in Frankreich aufhielt. Als ihn bei dieser Gelegenheit jemand nach dem Nutzen des Luftballons fragte, antwortete er mit dem bezeichnenden Lakonismus: C’est l’enfant, qui vient de naître („Wir haben es mit einem neugeborenen Kinde[S. 112] zu thun“). Zehn Tage später stiegen Charles und die Gebrüder Robert mit einem Wasserstoffballon auf, und auch diese Luftreise ging ohne Unfall von statten. In den Herbstmonaten des Jahres 1783 und noch lange darüber hinaus herrschte durch ganz Frankreich ein wahres Ballonfieber. Auch der Herzog von Chartres, der Vater Ludwig Philipps, schloß sich 1784 einer Aufsteigung an, was Frau von Vergennes zu der Bemerkung veranlaßte, der Herzog wolle auf diesem Wege seinen Gläubigern entgehen. Selbst Frauen standen an Mut nicht nach, und im gleichen Jahre 1784 machte eine Dame zu Lyon die Fahrt in die Lüfte mit.

Fig. 38. Ballon des Marquis d’Arlandes.

Fig. 39. Luftschiff Blanchards.

Eine gefährliche, aber überaus glückliche Fahrt machte am 7. Januar 1785 Blanchard, indem er in 2½ Stunden von Dover nach Calais überflog. Der Luftschiffer würde wohl diese gefahrvolle Fahrt nicht unternommen haben, wenn er nicht geglaubt hätte, durch Anbringung eines Ruders den Ballon nach Willkür lenken zu können. Das war freilich ein völliger Irrtum; allein der Nordwestwind glich die Folgen dieses Irrtums glücklich aus, und der Luftschiffer kam, wie er verheißen, wirklich nach Calais. Dieser Erfolg erregte ein ungeheures Aufsehen, und man glaubte sich schon der Lösung des Problems nahegerückt, als Pilâtre de Rozier, derselbe junge Mann, welcher die erste Luftreise gemacht hatte, am 15. Juni 1785 bei seinem Versuch, von Boulogne aus den Kanal zu überschreiten, verunglückte. Er und sein Genosse Romain waren kaum eine Viertelstunde von Boulogne entfernt, als man plötzlich eine große blaue Flamme an dem Ballon züngeln und den ganzen Apparat in einem Augenblick in Flammen aufgehen sah. Beide stürzten aus einer Höhe von 3000 Fuß zerschmettert auf die Klippen des Ufers nieder. Ein weiterer Märtyrer war der italienische Graf Zambeccari. Am 7. Oktober 1803 fiel er, von[S. 113] Bologna aufgestiegen, mit seinem Ballon ins Adriatische Meer, trieb längere Zeit darin umher und wurde schließlich von einem englischen Fahrzeuge noch glücklich aufgefischt. Unentmutigt führte er dann mehrere Jahre hintereinander eine Reihe von glücklichen Luftfahrten aus, bis im Jahre 1812 sein Apparat in der Luft in Flammen aufging, wobei der mutige Mann leider den Tod fand.

Die zahlreichen, zum Teil mit großer Waghalsigkeit ausgeführten Luftfahrten zeigten, daß mit dem Ballon sehr wohl auch größere Entfernungen zurückgelegt werden könnten; zugleich brach sich aber auch die Überzeugung Bahn, daß eine Verwendung der Luftschiffahrt für Beförderungszwecke erst dann möglich sei, wenn es gelungen, den Luftschiffen eine bestimmte Richtung zu geben, d. h. sie gleich den Schiffen im Meere lenkbar zu machen.

Die gänzliche Fruchtlosigkeit aller in dieser Richtung unternommenen Versuche machte im Laufe des 19. Jahrhunderts die Begeisterung für die neue Erfindung etwas erkalten, und bald beschränkte sich die Benützung des Ballons im wesentlichen auf wissenschaftliche Zwecke, denen einzelne Versuche sich hinzugesellten, den Luftballon für die Kriegführung zu verwenden.

Die wissenschaftlichen Ballonfahrten haben nicht nur dazu gedient, die über die Beschaffenheit der Luft bereits auf anderem Wege gewonnenen Kenntnisse zu bestätigen, sie haben dieselben auch in mancher Hinsicht bereichert. So haben die Luftschiffer die Abnahme des Druckes und der Dichtigkeit der Luft bestimmt; Sie haben ferner Gelegenheit gehabt, zu beobachten, wie die Gestirne mit zunehmender Verdünnung der Luft immer heller erglänzen, und wie an Stelle unseres heitern Blau ein immer tieferes Schwarz des Himmels tritt. Durch die Luftschiffahrt ist uns außerdem bekannt geworden, daß in unseren oberen Regionen der Atmosphäre auch im Sommer sibirische Kälte herrscht, und neuestens hat man die Wahrnehmung gemacht, daß in jenen Höhen der menschliche Körper in hohem Grade elektrisch wird, so sehr, daß er Funken sprüht. Nach der Aussage einiger Gewährsmänner kann die Spannung der Elektricität sogar einen fast unerträglichen Druck erzeugen, weshalb es nicht unwahrscheinlich ist, daß so manche der Katastrophen, mit welchen die Luftfahrten noch in jüngster Zeit leider so häufig geendet haben, zum Teil auf dieses elektrische Phänomen zurückzuführen sind.

Unter den zu wissenschaftlichen Zwecken gewagten Luftfahrten sind die bedeutendsten die beiden von Biot und Gay-Lussac im Auftrage der Pariser Akademie im Jahre 1804 unternommenen und aus neuester Zeit diejenigen des englischen Naturforschers Glaisher, der sich rühmen darf, unter allen Sterblichen sich am weitesten von der Erde entfernt zu haben. Die von ihm erreichte Höhe von 11277 m übersteigt nämlich die des höchsten Berges der Erde noch um rund 2500 m. Diese letztgenannte Höhe erreichte Glaisher bei einer mit dem Luftschiffer Coxwell[S. 114] im Jahre 1863 ausgeführten Fahrt, aber freilich erst, als er bereits das Bewußtsein verloren hatte, und als Coxwell, dessen Hände von der Kälte schon ganz schwarz und gebrauchsunfähig waren, das Ventil nur eben noch mit den Zähnen öffnen konnte, um den Ballon schleunigst sinken zu machen.

Zu Kriegszwecken fand der Ballon zuerst Verwendung in der Schlacht von Fleurus (1794); auch bei der Belagerung von Charleroi leistete er Dienste. 1794 errichtete man sogar zu Meudon eine militärisch-aëronautische Schule. Napoleon aber, dem dieselbe keine greifbaren Resultate lieferte, löste sie auf. Bei der Belagerung Venedigs durch die Österreicher (1849) wurden die Ballons wiederum in Anwendung gebracht, doch ohne günstigen Erfolg. Bei Solferino (1859) sollte mit einem Ballon rekognosziert werden; er traf aber, infolge einer Verzögerung auf dem Transport, zu spät auf dem Schlachtfeld ein. Seitens der großen Militärmächte wurde mehr und mehr der Sache Aufmerksamkeit geschenkt, besonders seitdem der letzte entscheidende Schlag des amerikanischen Bürgerkrieges, die Eroberung von Richmond im Jahre 1862, dem General Mac Clellan hauptsächlich durch die mehrfachen Rekognoszierungen und Aufnahmen mittels des Ballons gelang. Nicht zu unterschätzende Dienste haben die Ballons bekanntlich in dem großen Kriege der Jahre 1870 und 1871 bei der Belagerung von Paris geleistet. Im ganzen sind durch die von dem Generalpostdirektor Rampont mit großem Geschick und unermüdlicher Energie organisierte Pariser Ballonpost während der Belagerung 91 Passagiere, 363 Brieftauben und 2½ Millionen Briefe befördert worden. Die Zahl der vom 23. September 1870 bis 28. Januar 1871 abgelassenen Ballons betrug 65. Davon gerieten fünf in die Hände der Sieger, vier gingen in Belgien, drei in Holland, zwei in Deutschland und einer in Norwegen nieder. Nur zwei sind spurlos verschwunden.

Die merkwürdigste Reise, die übrigens zugleich den Beweis lieferte, welch ungeheure Geschwindigkeit mit der Luftschiffahrt erzielt werden kann, machte der nach Norwegen verschlagene Ballon. Derselbe hatte eine Strecke von nahezu 1400 km in 15 Stunden zurückgelegt, d. i. fast die doppelte Schnelligkeit eines Kurierzuges — sicherlich ein mehr als genügender Beweis, daß man mit dem Luftschiff sehr wohl große Entfernungen zurücklegen und zugleich eine Geschwindigkeit erzielen kann, wie mit keinem der bis jetzt benützten Transportmittel. Mit der bisher im Ballon erreichten größten Geschwindigkeit von 20 Meilen in der Stunde würde man eine Luftreise um die Erde in 11 Tagen zurücklegen können.

Was uns vor allem noch von dem Glücke trennt, unseren weit vorgeschrittenen Verkehrsmitteln auch den ungehemmten Flug über Land und Meer hoch im reinen Äther zugesellt zu sehen, das ist die Unlenkbarkeit des Luftschiffes. Den Kernpunkt der Frage, Herstellung eines leistungsfähigen[S. 115] Motors von verhältnismäßig geringem Gewicht, hat man längst erkannt, und unermüdlich streben Wissenschaft und Technik nach Lösung dieses Problems.

Fig. 40. Henri Giffards lenkbarer Luftballon mit zweiflügeliger Schiffsschraube und Dampfmaschine.

Den ersten diesbezüglichen Versuch machte der französische Ingenieur Henry Giffard (1852); dann unternahmen solche der französische Marine-Ingenieur und Akademiker Dupuy de Lôme (1872), der Ingenieur Paul Hänlein aus Mainz (1872) und die Gebrüder Tissandier in Paris (1883). Letztere benutzten bereits elektrische Motoren. Die bedeutsamsten und erfolgreichsten Versuche wurden in neuester Zeit von den französischen Offizieren Charles Renard und A. Krebs ausgeführt.

Dieselben fuhren am 9. August 1884 in einem nach ihrer Erfindung erbauten, mit einer sehr leichten elektro-dynamischen Maschine versehenen Luftschiffe in Meudon auf und langten nach Zurücklegung eines von vornherein bestimmten Weges wieder an ihrem Ausgangspunkte an. Auch die vor kurzem mit dem lenkbaren Luftschiff von Renard angestellten neuen Versuche haben ein durchaus günstiges Ergebnis geliefert. So kann man die hochwichtige Frage der Lenkbarkeit des Schiffes in kleinem Maßstabe und unter[S. 116] gewissen Voraussetzungen als gelöst betrachten. Gewiß wird aber auch noch das Wort des hervorragendsten Aëronauten Amerikas, John Wises, in Erfüllung gehen: „Unsere Kinder werden nach jedem Teil der Erde reisen können ohne die Belästigung von Dampf, Funken oder Seekrankheit und mit einer Schnelligkeit von 20 geographischen Meilen pro Stunde.“[73]

Fig. 41. Luftschiffahrten von Renard und Krebs.

Hat das Problem einmal ganz und voll seine Lösung gefunden, so wird sicherlich auch die Post sofort am Platze sein, das neue Verkehrsmittel für ihre Zwecke auszubeuten.

Fig. 42. Luftballon, getrieben durch den elektrischen Strom.


GRÖSSERE BILDANSICHT


[S. 117]

Drittes Kapitel.
Poststatistik.

I. Briefpostverkehr.

1. Europäischer Briefpostverkehr im Jahre 1884[74].
Länder. Anzahl der aufgelieferten Auf 1 Einwohner
entfallen
Briefe Post-
karten
Drucksachen,
Waren-
proben etc.
Zeitungs-
nummern
Zu-
sammen
über-
haupt
Stück
davon
Briefe
und
Post-
karten.
Druck-
sachen
etc.
in Tausenden.
1. Belgien   89602  23355   52152   90610  255719 44,7 19,7 25 
2. Bulgarien
(1883)
   1596    115      15     801    2527  1,3  0,9  0,4
3. Dänemark   30174    609    2037   36420   69240 34,9 15,5 19,4
4. Deutschland  682998 212526  185843  527661 1609028 35,6 19,8 15,8
5. Frankreich  621665  34050  367014  341662 1364391 36,2 17,4 18,8
6. Griechenland
(1883)
   4281     32      56    2888    7257  3,7  2,2  1,5
7. Großbritan-
nien u. Irland
1360341 160340  320417  143674 1984772 55,2 42,3 12,9
8. Italien  194579  31172   61205  114304  401260 13,9  7,8  6,1
9. Luxemburg    2093    471    1199    1002    4765 22,7 12,2 10,5
10. Montenegro
11. Niederlande   64308  20031   24721   45091  154151 36  19,7 16,3
12. Norwegen   15174    865    1181   15331   32551 16,8  8,3  8,5
13. Österreich  255516  60680   40166   85318  441680 19,9 14,3  5,6
14. Portugal   17605   1778    2886   10908   33177  7,3  4,3  3 
15. Rumänien
(1883)
   7003   1189     339    2377   10908  2,2  1,6  0,6
16. Rußland
europ. (1883)
 138355   8863   12046   94959  254223  3,1  1,8  1,3
17. Schweden   39145   3164    3452   32204   77965 16,9  9,2  7,7
18. Schweiz   61826  10982   19471   57403  149682 52,9 25,7 27,2
19. Serbien (75) 1286    1286  0,7  0,7
20. Spanien (82)   95360    345    5736   41000  142441  8,5  5,7  2,8
21. Türkei, eu-
ropäische (82)
3003    3003  0,5  0,5
22. Ungarn   86655  20779   13738   44953  166125 10,6  6,9  3,7
Europa (rund) 3773000 591000 1114000 1688000 7166000 21,7 13,2  8,5

[S. 118]

2. Außereuropäischer Briefpostverkehr[75].
Länder. Anzahl der aufgelieferten Auf 1 Einwohner
entfallen
Briefe Post-
karten
Drucksachen,
Waren-
proben etc.
Zeitungs-
nummern
Zu-
sammen
über-
haupt
Stück
Briefe
und
Post-
karten.
Druck-
sachen
etc.
I. Amerika.                
Vereinigte Staaten
von Amerika (1881)
1068676468 325946011 495121315 874455033 2746198827 55,12 27,81 27,31
Canada (1881/82)   61040000  11300000   7186000  12000000   91526000 21,03 16,62  4,41
Chile (1882)   10037802     96206   2347645   7933007   20714660  9,24  4,52  4,72
Argentinische
Republik
(1882)
   9716211     37999   1174149  14571648   25545007  9,12  3,50  5,62
Bermudas (1882)     114596      1616     19708      6864     142784  8,94  7,27  1,67
Martinique (1882)     706673       618    341543    230949    1279783  7,90  4,37  3,53
St. Pierre und
Miquelon (1882)
     36372       117       314      2800      39603  7,28  6,71  0,57
Costarica (1882)     304868    858086    1162954  6,65  1,75  4,90
Uruguay (1880)    1016532     11767   1218887    2247186  5,13  2,35  2,78
Guadeloupe (1882)     686140      1750    136575    122940     947405  5,09  3,70  1,39
Cuba (1882)    6775171     30234    417250    7222655  4,74  4,47  0,27
Britisch Guyana (1882)     649012       976     56284    377788    1084060  4,30  2,58  1,72
Franz. Guyana   „      90068        36       420      3715      94239  3,49  3,34  0,15
Nicaragua (1882)     215348      2166      3450    424955     645919  2,15  0,72  1,43
Brasilien (1881)   19948282   19948282  1,97  2,97
Curaçao (1882)      48727       672     24870      74269  1,75  1,16  0,59
Peru (1878)    2491544   1170762    3662306  1,35  0,92  0,43
Brit. Honduras (1882)      27725       303       329      7082      35439  1,29  1,02  0,27
Grenade (1881)      40611       111      1515      4543      46780  1,07  0,93  0,14
Guatemala (1882)     710270    532198    1242468  0,99  0,57  0,42
Surinam (1882)      33398       459      5308      39165  0,73  0,63  0,10
Mejico (1881/82)    4328378      7081   2951935    7287394  0,71  0,42  0,29
Dominique (1882)      13550       103      3682       201      17536  0,62  0,48  0,14
Paraguay (1882)      88085     27415     60302     175802  0,60  0,30  0,30
St. Lucie (1882)      11784        94         3      1141      13022  0,34  0,31  0,03
Honduras (Republik) (1882)      66491       433      3712     44933     115569  0,33  0,19  0,14
Columbien (1879/80)     436832     413350     877182  0,29  0,15  0,14
Haiti (1882)      86266       466      7497     38098     132327  0,24  0,16  0,08
Diese Staaten
 Amerikas
1188469204 337439218 514324202 910285999 2950518623 32,18 16,64 15,54[76]
[S. 119] II. Afrika.                
Kapland (1882)    6923700   4933584   11857284  7,18  4,19  2,99
Oranje-Freistaat (79)     364726    269093     633819  6,34  3,65  2,69
Réunion (1882)     460892      2460    141534     66518     671404  3,97  2,74  1,23
Algerien u. Tunis (1882)    8121095     81777   1861190   3592569   13656631  2,57  1,54  1,03
Guinea (portug.) (1882)       9539         1      1180      2267      12987  1,75  1,29  0,46
Kapverdische Ins. (1882)      92667     23050     25015     140732  1,35  0,89  0,46
Ägypten (1882)    4254732     75000    672300   1328940    6330971  1,20  0,82  0,38
Senegal (1882)     196517        14      6967     14113     217611  1,20  0,82  0,38
Seychellen (1882)      10125        15       127      10267  0,73  0,72  0,01
Mayotte (1882)       6375        83       6458  0,64  0,63  0,01
Nossi-Bé (1882)       5416       144       176       5736  0,64  0,60  0,04
Diese Staaten
 Afrikas
  20445783    159267   7909125   5029725   33543900  2,61  1,60  1,01
III. Asien.                
Hongkong (1882)     614160     10789    160506    226627    1012082  6,30  3,90  2,40
Ceylon (1881)    6576130     56845   2858966    264822    9756763  3,53  2,40  1,13
Japan (1882)   50399981  32042121   1505833  21129228  105077163  2,87  2,25  0,62
Portug. Ostindien (82)     360205      2286      3857    188766     555114  1,27  0,83  0,44
Samos (1881)      27623     15632      43255  1,11  0,71  0,40
Brit. Ostindien (81/82)  134423918  21953265   2318010  13477700  172172893  0,68  0,62  0,06
Cochinchina (1882)     412615       130     76222    359424     848391  0,53  0,26  0,27
Niederl. Ostindien (82)    4528275    616334    338044   1806878    7289531  0,30  0,21  0,09
Persien (1882)    1153930      1500     16810      8100    1180340  0,18  0,18
Franz. Ostindien (1882)      25835       119       788      2679      29421  0,10  0,09  0,01
Diese Staaten
 Asiens
 198522672  54683389   7279036  37479856  297964953  0,91  0,77  0,17
IV. Australien.                
Neu-Seeland (1880)   23000000    598891   1673450  10272917   35545258 66,53 44,17 22,36
Neu-Südwales (1882)   27792577    222800  18057500   46072877 61,36 37,31 24,05
Victoria (1882)   28877977   4972486  12383928   46234391 53,62 33,49 20,13
West-Australien (1880)     470018    772896    1242914 40,09 15,16 24,93
Süd-Australien (1879)    5170386   5790768   10961154 39,66 18,71 20,95
Queensland (1881)    4621792    335505   3572375    8529672 39,13 21,20 17,93
Tasmania (1880)    1341164   2195733    3536897 30,57 11,59 18,98
Neu-Caledonien (1882)     300089     13134     27400     340623  4,72  4,16  0,56
Hawaii (1882)     252525     252525  4,21  4,21
Tahiti (1882)      39024      4647     20475      64146  2,48  1,51  0,97
Diese Staaten
 Australiens
  91865552    821691  25056722  35036492  152780457 52,23 31,69 20,54

Unter den Ländern Europas steht hiernach bezüglich der ausgelieferten Briefzahl Großbritannien mit 1360 Millionen Briefen obenan. Freilich finden sich hier auch alle einen lebhaften Briefverkehr begünstigenden Verhältnisse vereinigt: volkreiche Städte, Dichtigkeit der Bevölkerung, Wohlhabenheit, eine Industrie, die an Ausdehnung, zum Teil auch an Vortrefflichkeit der Erzeugnisse jede andere der Erde übertrifft, ein Welthandel in der großartigsten Bedeutung des Wortes und ein in hohem Grade ausgebildetes Verkehrswesen. Großbritannien zunächst steht Deutschland mit fast 683[S. 120] Mill. Briefen; ihm folgen Frankreich mit über 621 Mill., Österreich-Ungarn mit 342 Mill. u. s. w. Die geringste Zahl der Briefe entfällt auf die Staaten der Balkanhalbinsel, so auf Bulgarien nur rund 1½ Mill.

Was die außereuropäischen Staaten betrifft, so ist besonders der Briefverkehr der Union, des britischen Indien, Japans, der Provinzen Neu-Südwales und Victoria, sowie Neu-Seelands von hervorragender Bedeutung. Auf die Union kommen über 1068 Mill. Briefe, auf Britisch-Indien 134 Mill. (1884: 144 Mill.) und aus Japan 50 Mill. (1884: 56 Mill.).

Eine beträchtlich andere Anordnung der Staaten ergiebt sich hinsichtlich der Menge der expedierten Postkarten. Den ersten Platz in dieser Beziehung nimmt Deutschland ein mit 212½ Mill., dann erst folgt Großbritannien und Irland mit 160 Mill., an dritter Stelle steht Österreich-Ungarn mit über 81 Mill., und an vierter Frankreich mit 34 Mill. Karten.

In der Union beträgt die Zahl der ausgelieferten Postkarten fast 326 Mill. Stück; sie machen somit von der Postkarte unter sämtlichen Staaten der Erde den häufigsten Gebrauch. Japan figuriert in der Statistik mit 32 Mill. (1884: 36,6 Mill.) und Britisch-Indien mit fast 22 Mill. Karten (1884: 38,6 Mill.).

Was die Zahl der expedierten Drucksachen, Warenproben u. s. w. betrifft, so befördert in Europa die meisten derartigen Sendungen Frankreich: über 367 Mill. Sehr gering ist die Zahl solcher Sendungen in den industriearmen Gebieten der Balkanhalbinsel.

In den Vereinigten Staaten beliefen sich diese Sendungen auf 495 Mill.; dieselben übertreffen also auch in dieser Hinsicht alle übrigen Staaten der Erde. Von den außereuropäischen Gebieten kommt ihnen zunächst Neu-Südwales mit 18 Mill.

Ganz außerordentlich groß ist auch die Zahl der postmäßig versendeten Zeitungen. So wurden ausgeliefert an Zeitungsnummern: in Deutschland 527 Mill., in Frankreich 341 Mill., in Großbritannien fast 143½ Mill., in Österreich-Ungarn an 130 Mill. u. s. w. Die unterste Stufe nehmen auch in dieser Beziehung die Balkanstaaten ein.

Geradezu enorm ist die Zahl der in den Vereinigten Staaten expedierten Zeitungsexemplare; sie betrug 874 Mill.

Daß die Post durch die Beförderung dieser Millionen und Millionen von Zeitungen und Drucksachen einen großen Anteil an der geistigen Entfaltung der Völker hat, ist außer Zweifel. Ein amerikanisches Blatt preist deshalb die Post als den „mächtigen Mauerbrecher, der die Finsternis der Unwissenheit zerstört“, und ein Präsident der Vereinigten Staaten nennt das Postamt den „großen Erzieher des Volkes“.

Von höchstem Interesse ist eine Vergleichung der Staaten bezüglich der Zahl der Briefe, die durchschnittlich auf jeden[S. 121] Kopf der Bevölkerung trifft. Man erhält dadurch eine Art Censurentabelle für die Bildung der betreffenden Nationen, aber auch für den Grad der Entwicklung der Posteinrichtungen in den bezüglichen Ländern. Am stärksten ist nach unserer Tabelle der Briefverkehr in Europa entwickelt, in Großbritannien und Irland mit 42,3 Briefen und Karten pro Kopf; daran reihen sich die Schweiz, Deutschland, Belgien, die Niederlande und Frankreich, dieses mit 19,8 Briefen und Karten pro Kopf. Den geringsten durchschnittlichen Briefverkehr weisen auf Rußland und die Staaten der Balkanhalbinsel.

Diese Censurentabelle gilt übrigens nicht ohne weiteres; sie will vielmehr mit gewissen Einschränkungen angewendet sein. Die auffällige Erscheinung z. B., daß die Schweiz, deren Posteinrichtungen im allgemeinen jenen in Deutschland gleichen, und deren Bevölkerung kaum eine höhere Durchschnittsbildung besitzt als die deutsche, eine so erheblich höhere Brieffrequenz aufzeigt, erklärt sich leicht, wenn man an die Hunderttausende von Reisenden denkt, welche einer Völkerwanderung gleich alljährlich das Land überschwemmen und die eigene Bevölkerung desselben von drei Mill. Einwohnern unverhältnismäßig steigern. Der Briefverkehr Großbritanniens ist nach der Tabelle mehr als doppelt so groß wie der in Deutschland. Thatsächlich aber kommt die Brieffrequenz im Deutschen Reiche derjenigen in England nahezu gleich. In England befaßte sich nämlich die Post bis in die jüngste Zeit, abgesehen von dem Postanweisungsverkehr, nur mit der Beförderung von Briefen, Postkarten, Warenproben, Drucksachen und Zeitungen, in Deutschland hingegen auch mit der Expedition von Paketen, Postaufträgen und Geldbriefen. Fast jedes durch die Post versandte Paket und jeder Geldbrief wird nun in Deutschland erfahrungsgemäß auch zu brieflichen Mitteilungen benutzt; beide Arten von Sendungen stellen mithin in den meisten Fällen einen Brief dar: all diese Mitteilungen kommen aber bei der obiger Berechnung zu Grunde gelegten Anzahl von den Briefsendungen nicht in Ansatz.

Es wirken eben zu den oben angeführten Ergebnissen sehr verschiedenartige Umstände mit. So ist auf die Entwicklung, beziehungsweise den jetzigen Umfang des Briefverkehrs auch der Umstand von Einfluß, ob die ermäßigte Brieftaxe schon seit längerer Zeit in einem Lande eingeführt ist oder erst seit wenigen Jahren besteht. Selbst Sitten und Gewohnheiten eines Volkes sind für den Briefverkehr maßgebend. Der Reisetrieb z. B. ist bei einigen Völkern mehr, bei anderen weniger ausgebildet; ersteres ist der Fall besonders bei den Engländern, Nordamerikanern, Deutschen und Schweizern, letzteres bei den Franzosen, Italienern und Spaniern. Demgemäß befindet sich ein größerer Teil der zuerst erwähnten Nationen vielfach außerhalb der Heimat und steht mit dieser durch die Posteinrichtungen in steter Verbindung. Erwähnenswert ist ferner, daß in Frankreich, wie es den An[S. 122]schein hat, aus Rücksichten der Etikette bis jetzt von der Postkarte für Familien- und Verwandtschafts-Beziehungen wenig Gebrauch gemacht wird. Sie dient dort im wesentlichen nur zu kürzeren geschäftlichen Mitteilungen. Es werden denn auch, wie aus den obigen Angaben ersichtlich, in Deutschland mehr als fünfmal soviel Postkarten verwendet, als in Frankreich.

Unter den Ländern außerhalb Europas stehen bezüglich der Häufigkeit des Briefverkehrs obenan Neu-Seeland (mit 44,17 Briefen und Karten pro Kopf), dann die australischen Provinzen Neu-Südwales und Victoria (mit 37,31, beziehungsweise 33,49), ferner die Vereinigten Staaten und Canada (mit 27,81, beziehungsweise 16,62). Den niedrigsten Stand des Korrespondenzbedürfnisses zeigt unter den großen außereuropäischen Staatsgebieten Britisch-Indien mit 0,62 Briefen und Karten pro Kopf (1884: 0,71).

Sehr instruktiv ist, wie wir gesehen haben, eine Vergleichung der Staaten bezüglich der Zahl der Briefe und Karten, die auf jeden Kopf der Bevölkerung durchschnittlich entfällt. Nicht weniger belehrend ist eine Zusammenstellung derselben mit Rücksicht darauf, wieviel Drucksachen, Zeitungsnummern und Warenproben auf einen Einwohner entfallen. In dieser Hinsicht steht an erster Stelle die Schweiz mit 27,2 Sendungen pro Kopf der Bevölkerung; ihr schließen sich an Belgien (mit 25), Dänemark (mit 19,4), Frankreich (mit 188), die Niederlande (mit 16,3). Deutschland (mit 15,8) u. s. w. Die geringste Zahl derartiger Sendungen zeigen Griechenland, Rußland, Rumänien und Bulgarien.

Außerhalb Europas entfallen die meisten dieser Sendungen auf die Vereinigten Staaten (27,31 pro Kopf) und auf die australischen Staaten (22,36–17,93).

Bei Zusammenfassung sämtlicher Briefpostsendungen (Briefe, Postkarten, Drucksachen, Warenproben und Zeitungen) stellt sich das Verhältnis der europäischen Staaten derart, daß Großbritannien mit Irland mit 55,2 Stück pro Kopf den ersten Rang einnimmt. Diesem Staate reihen sich an die Schweiz (mit 52,9), Belgien (mit 44,7), Frankreich (mit 36,2), die Niederlande (mit 36), Deutschland (mit 35,6), Dänemark (mit 34,9) und Österreich-Ungarn (mit 30,5 Stück). An letzter Stelle stehen Serbien und die Türkei.

Außerhalb Europas entfallt der stärkste Briefpostverkehr auf Neu-Seeland (66,53 Stück pro Kopf), Neu-Südwales (61,36), Victoria (53,62) und auf die Vereinigten Staaten von Amerika (55,12). Diese ebengenannten Gebiete weisen unter sämtlichen Ländern der Erde die höchste Zahl von Briefpostsendungen pro Kopf der Bevölkerung auf.

Im internationalen Austausch gruppieren sich die einzelnen wichtigeren Postgebiete mit ihrem eigentlichen Briefverkehre (Briefe und Postkarten ohne Hinzuzählung der übrigen Briefpostgegenstände) nach den Resul[S. 123]taten der Berner Statistik für 1884 und den Angaben in Veredarius (S. 382) wie folgt:

Deutschland rund 56 Mill.
Großbritannien (1883) 48
Österreich-Ungarn 45
Frankreich 38
Ver. Staaten v. Amerika 35
Italien (1883) 18
Belgien 18
Schweiz 14
Niederlande 8
Rußland 8
Spanien (1883) 6
Schweden 4
Dänemark 3
Norwegen 2

Vorstehende Zahlen begreifen den Verkehr aus den bezeichneten Postgebieten nach fremden Ländern in sich; fast dieselbe Reihenfolge ergiebt sich bezüglich des Verkehrs aus den fremden Ländern nach den einzelnen Postgebieten, nämlich:

Deutschland rund 57 Mill.
Österreich-Ungarn 47
Großbritannien (1883) 41
Frankreich 35
Ver. Staaten v. Amerika 30
Italien (1883) 15
Schweiz 14
Belgien 12
Rußland 10
Niederlande 8
Spanien (1883) 6
Schweden 4
Dänemark 4
Norwegen 3

Die Gesamtzahl der im internationalen Verkehr innerhalb des dermaligen Weltpostvereinsgebietes ausgetauschten Briefpostsendungen, die Zeitungen nicht mit eingeschlossen, betrug für 1883 rund 774 Mill.; es ist das im Vergleich zu den 428 Mill. Briefpostsendungen des Jahres 1875 eine Steigerung von 346 Mill. oder um 81%.

Die ganze Großartigkeit des Getriebes der Weltpost kommt aber erst dann zum vollen Ausdruck, wenn man den gesamten Postverkehr der Kulturländer, mithin sowohl den internationalen, als auch den Verkehr innerhalb der einzelnen Länder, in seinen Riesenzahlen sich vergegenwärtigt.

Der Weltpostverkehr auf der ganzen Erde gestaltete sich (nach der „Statistik der Reichspost- und Telegraphenverwaltung für 1884“) im Jahre 1884 wie folgt:

Erdteile. Einwohner
Mill.
Postanstalten
Zahl
Briefkasten
Zahl
Postpersonal
Europa  326  68000 233500 334800
Asien  795  22400  43400  61000
Afrika  205    500   1100   2000
Amerika  100  59100  30800  85900
Australien    4   4000   4200   5300
Erde (rund) 1400 154000 313000 489000
Erdteile. Anzahl der aufgelieferten Auf einen
Menschen entfallen
Briefe, ge-
wöhnliche
und einge-
schriebene
Post-
karten
Zeitungen,
Druck-
sachen, Ge-
schäfts-
papiere
Waren-
proben
Zu-
sammen
insge-
samt
Stück
Briefe u.
Postkart.
Stück
in Millionen.
Europa 3894,1  597,5 2681,9  75,8  7249,3 22,10 13,69
Asien  246    80    62,9   0,7   389,6  0,49  0,41
Afrika   18,7    0,3   11    0,7    30,7  0,15  0,09
Amerika 1596,8  398  1798,2  26   3819  38,19 19,95
Australien   93,4    1,2   56    0,8   151,4 37,85 23,65
Erde (rund) 5849  1077  4610   104  11640   8,31  4,95

[S. 124]

Es beträgt hiernach die Gesamtstückzahl der auf der ganzen Erde bei der Post aufgegebenen Briefe und Postkarten 6926 Mill. jährlich, 19 Mill. täglich. Unter Hinzurechnung der Zahl der übrigen Briefpostsendungen, als der Drucksachen, Geschäftspapiere, Zeitungsnummern, Warenproben, beläuft sich die Gesamtsumme auf 11640 Mill. Wird die Bevölkerung der Erde rund zu 1400 Mill. angenommen, so treffen auf einen Menschen im Jahre 8,3 Briefpostsendungen, darunter 4,9 oder rund 5 Briefe und Postkarten. In den einzelnen Weltteilen gestalten sich die Verhältnisse sehr verschieden; in Europa entfallen entsprechend der Bedeutung seiner Stellung im Weltverkehr auf einen Einwohner 22,1 Briefpostsendungen, darunter 13,7 Briefe und Postkarten. Wenn Amerika mit der hohen Ziffer von 38,19, Australien mit 37,9 Briefsendungen auf einen Einwohner erscheinen, so treten beide Erdteile doch in der Gesamtsumme des Postverkehrs weit hinter Europa zurück, da sie weit spärlicher bevölkert sind als dieses.

In obenstehender Tabelle finden sich auch Angaben über die Gesamtsumme der Postanstalten, der Postbriefkasten und der Postbeamten in den einzelnen Weltteilen. Hier tritt ebenfalls Europas Übergewicht hervor. Es stehen daselbst 68000 Postanstalten im Betriebe mit einem Personal von 334800 Beamten. Für Amerika ist die Zahl der Postanstalten auf 59100 anzunehmen; davon befinden sich etwa 47870 allein in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im übrigen ist die Organisation der Mehrzahl der amerikanischen Postanstalten weit weniger entwickelt, als dies bei den Postanstalten in Europa der Fall ist; dies geht schon daraus hervor, daß in Amerika bei dem Vorhandensein von 85900 Postbeamten, darunter 69000 in den Vereinigten Staaten von Amerika, durchschnittlich noch nicht 2, dagegen in Europa 4,9, rund 5 Beamte, also mehr als noch einmal soviel, auf eine Postbetriebstelle entfallen.

Vergleichen wir die vorstehenden Resultate des Weltpostverkehrs mit jenen früherer Jahrzehnte, so zeigt sich uns eine gewaltige Steigerung desselben. Im Jahre 1865 mögen etwa 2300 Mill. Briefe im Weltverkehr gewechselt worden sein; 1873 war diese Zahl auf 3300 Mill. angewachsen; 1882 hat die Briefzahl die Höhe von 5000 Mill. bereits überschritten, und im Jahr 1884 betrug die Zahl der Briefsendungen, einschließlich der Postkarten, Drucksachen, Warenproben und Zeitungsnummern, mehr als 11 Milliarden[77]. Diese Zahlen sind wohl ein glänzendes Zeugnis der Wirksamkeit des Weltpostvereins und seiner Bedeutung für die menschliche Kultur.

[S. 125]

II. Geldverkehr der Post.

„Wie Merkur, ihr Schutzpatron,“ sagt Fischer in seiner wiederholt angeführten Schrift, „pflegt die Post nicht bloß Botschaften, sondern auch Geld bei sich zu führen. Den modernen Formen des Handelsverkehrs sich anpassend, hat sich dieser Dienstzweig von der ursprünglichen Naturalversendung an bis zu mannigfachen Gestalten bankmäßigen Zahlungsausgleichs entwickelt und stellt in seiner Gesamtheit eine ungemein umfassende Thätigkeit dar.“

Am besten erhellt der Fortschritt in dieser Beziehung durch einen Vergleich der Jetztzeit mit früheren Jahrhunderten. „Ältere Postregulative,“ fährt derselbe Autor fort, „strotzen von den scharfsinnigsten Kautelen, mit denen die Auflieferung, die Beförderung und die Bestellung von Wertsendungen umgeben zu werden pflegte. In der Regel wurde gefordert, daß der angegebene Wertbetrag nach vorheriger Aufzählung und Feststellung im Beisein des Annahmebeamten oder wohl gar des Postamtsvorstehers vom Absender verpackt werde; seinem Siegel wurde dann das des Postamts als besondere Sicherheitswache beigedruckt. Bei der Ankunft ging es nicht minder umständlich zu. Der Adressat mußte zur Post kommen; in seinem Beisein wurde der Brief geöffnet, der Inhalt vorgezählt und dann förmliche Quittung geleistet.“ So war in früheren Zeiten die Versendung von Geldbeträgen mit großen Schwierigkeiten und nach Umständen auch mit Verlusten verknüpft. Jetzt können an jedem Postorte Deutschlands, ohne Hilfe eines Banquiers, ohne Wechsel, ohne ausländisches Geld, Beträge durch die Post nach den verschiedensten Ländern sicher und gegen eine verhältnismäßig geringe Gebühr überwiesen werden. Wie sehr hierdurch der internationale Verkehr erleichtert worden, liegt auf der Hand.

1. Postanweisungen[78]. Unter den Geldgeschäften der Post ist der Postanweisungsverkehr von hervorragender Wichtigkeit. Obwohl erst zu Anfang der sechziger Jahre in den Geschäftskreis der Post aufgenommen, hat sich dies Verfahren, wonach die Post nicht die Beförderung, sondern einfach die Auszahlung von Geldbeträgen übernimmt, ungemein rasch über die ganze Welt verbreitet. Heutzutage sind in Deutschland Postanweisungen bereits zulässig nach fast sämtlichen Ländern Europas, nach den Vereinigten Staaten, sowie nach den meisten außereuropäischen Kolonieen. Die großartige Entwicklung des Postanweisungsverkehrs beleuchten folgende Zahlenangaben:

Der interne Gesamtverkehr bezüglich der Postanweisungen betrug nach der Berner Statistik für 1884

[S. 126]

Länder. Stückzahl. Gesamtwert
in
Mill. Frcs.
in  Deutschland 57186050 4282
England 29345985  779
Frankreich 18043559  550
Österreich 11145475  833
den Vereinigten Staaten von Amerika   7835694  633
Ungarn  6756424  477
Italien (1883)[79]  4108419  534
Britisch Indien  3034894  183
der Schweiz  2016884  228
Belgien  1534008  109
den Niederlanden  1468531   49

Obenan steht demnach in dieser Beziehung weitaus Deutschland. Selbst im Vergleich zu Österreich, das bezüglich des internen Postanweisungsverkehrs an zweiter Stelle steht, betrugen die in Deutschland auf diese Weise vermittelten Summen rund das 5fache. Noch 1882 hatte der interne Postanweisungsverkehr Deutschlands höhere Summen aufzuweisen, als derjenige der sämtlichen übrigen Staaten der Erde zusammengenommen. — Was die Zahl der im innern Verkehre Deutschlands zur Aufgabe gelangenden Postanweisungen betrifft, so beläuft sich dieselbe, verglichen mit jener der größten ausländischen Staaten, nach der Berner Statistik für 1884:

auf rund das Doppelte gegenüber  Großbritannien,
auf mehr als das Dreifache Frankreich,
Fünffache Österreich,
Siebenfache den Ver. Staaten von Amerika,
Achtfache Ungarn,
Dreizehnfache Italien.

1881 betrug der tägliche Gesamtumsatz an Ein- und Auszahlungen bei den Reichspostanstalten rund 14½ Mill. Mark. Der durchschnittliche Betrag einer Postanweisung innerhalb des deutschen Reichspostgebietes erreichte 1880 die Summe von 57 M. 37 Pf., während derselbe aus dem deutschen Reichspostgebiet nach dem Auslande sich auf 58 M. 48 Pf. und in der Richtung aus dem Ausland nach dem deutschen Reichspostgebiet auf 47 M. 14 Pf. stellte. Der großartigste Postanweisungsverkehr bezüglich der fremden Länder besteht seitens des Deutschen Reichs mit Österreich-Ungarn.

[S. 127]

Der gesamte internationale Postanweisungsverkehr ergab für das Jahr 1884 eine Summe von rund 7⅖ Mill. Stück Anweisungen im Gesamtbeträge von 390 Mill. Mark.

Einschließlich der in obiger Tabelle nicht genannten Länder bezifferte sich während des Jahres 1884 der Gesamtanweisungsverkehr im Gesamtbereiche des Weltpostvereins auf 150 Millionen Stück mit einem Werte von 8845 Millionen Frcs.

2. Postnoten (postal orders) und Postkreditbriefe (titoli postali di credito). Die englische Postverwaltung giebt seit 1880 sogenannte Postnoten aus, d. h. auf feste Beträge lautende Postanweisungen, die gegen eine geringe Gebühr bei allen inländischen Postanstalten eingelöst werden und mithin ein Mittelding zwischen Papiergeld und Postanweisung darstellen. Die Einrichtung besteht gegenwärtig in England, Britisch Indien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und in den australischen Kolonieen. — Die Postkreditbriefe sind eine Einrichtung der italienischen Post; durch sie wird die Möglichkeit gewährt, bei jeder Postanstalt des Königreichs beliebige Beträge innerhalb der eingezahlten Summe abzuheben. Solche Kreditbriefe werden von den Provinzial-Postdirektionen in den größeren Städten, wie in Rom, Florenz, Genua etc., bis zur Höhe von 10000 Lire, von den übrigen Provinzial-Postdirektionen bis zu 3000 Lire ausgestellt.

3. Postnachnahmen. Das Postnachnahmewesen besteht darin, daß die Post die Verpflichtung übernimmt, gewisse Sendungen den Adressaten nur gegen Zahlung des vom Absender bezeichneten und demselben zu erstattenden Geldbetrags auszuhändigen. Auch dieses Verfahren wird vom Publikum gerne benutzt. Obenan steht Deutschland, das in der Berner Statistik für 1884 mit einer Jahressumme von 8354500 Stück Nachnahmesendungen im Betrage von über 78 Mill. Frcs. vertreten ist. Das Postnachnahme-Verfahren besteht übrigens nur in wenigen Ländern, gleichwohl ergab sich für 1884 im ganzen ein internationaler Jahresumsatz von 12½ Mill. Frcs.

4. Postaufträge. Durch das Postauftragsverfahren ist es möglich, durch die Post die Einziehung von Schuldbeträgen bis zur Höhe von 600 M. bewirken zu lassen. Den umfangreichsten Verkehr hat auch in diesem Geschäftszweige Deutschland aufzuweisen mit einem Gesamtbeträge von gegenwärtig jährlich 519 Mill. Frcs. Dann folgen Belgien mit 390 Mill. und Frankreich mit 140 Mill. Auch das Postauftragsverfahren hat noch nicht in sehr vielen Ländern Eingang gefunden[80].

5. Postsparkassen[81]. Mißstände in der Verwaltung der in England[S. 128] bestehenden Privatsparkassen veranlagen 1860 den Banquier Sykes aus Huddersfield, dem englischen Ministerium die Errichtung von Postsparkassen vorzuschlagen. Dieser Vorschlag fand lebhaften Anklang, und 1861 bereits wurden dort die Post Office Saving Banks begründet.

Auf dem europäischen Kontinente folgte dem Beispiele Englands zuerst Belgien, und zwar am 1. Januar 1870. 1875 gelangten die Postsparkassen zur Einführung in Italien, 1880 in den Niederlanden, 1882 in Frankreich, 1883 in Österreich, am 1. Januar 1884 in Schweden, und Ende des Jahres 1884 ist auch in Deutschland ein diesbezüglicher Gesetzentwurf seitens der Reichsregierung dem Reichstage vorgelegt worden. Leider wurde derselbe seitens des Reichstags abgelehnt. Bei der Reform des dänischen Sparkassenwesens im Jahre 1879 scheiterte die Einführung der Postsparkassen nur an dem Bedenken, daß den mäßig besoldeten Postbeamten daraus eine größere Last erwachsen könnte. In Ungarn wird gleichfalls die Einführung derselben beabsichtigt und ebenso in der Schweiz.

Außerhalb Europas richtete zuerst Canada (1882: 51463 Conti mit 9473661 Dollars Gesamtguthaben) Postsparkassen nach englischem Muster ein; dann folgten die Straits-Settlements (Straßenansiedlungen an der Straße von Malacca) und andere englische Kolonieen (Victoria 1879: 49233 Einleger mit 950101 Pfd. St.). 1875 führte auch Japan das Postsparkassen-Institut ein, beiläufig mit dem Erfolge, daß am Ende des Rechnungsjahres 1881/82 die Zahl der Einnahmestellen 1164, die Zahl der Einleger 221000 und die Summe der Einlagen nahezu 4 Mill. M. betrug. Endlich hat auch die britisch-indische Regierung, zunächst in der Provinz Bengalen und im Nordwesten Indiens, einen diesbezüglichen Versuch gemacht. Dem nordamerikanischen Repräsentantenhause ist bereits vor längerer Zeit eine Bill vorgelegt worden, welche die Einrichtung der Postsparbanken auch für die Vereinigten Staaten empfiehlt.

Die Organisation des Postsparkassenwesens ist übrigens noch nicht abgeschlossen. Schon besteht zwischen Frankreich und Belgien ein Vertrag, kraft dessen das Guthaben der Einleger ohne Kosten von einem Lande aufs andere übertragen werden kann, desgleichen zwischen Belgien und den Niederlanden. Ähnliche Übereinkommen will Frankreich auch mit England, Italien und Österreich abschließen, und diesen Kartellen gedenken auch die Niederlande beizutreten. So ist bereits der Anfang gemacht zu einer internationalen Organisation der Postsparkassen, welche im Weltpostverein leicht weitere Ausbildung wird erfahren können.

Die wahrhaft großartige Entwicklung dieses Instituts, dem so hohe wirtschaftliche und moralische Bedeutung zukommt, veranschaulichen folgende Zahlen:

[S. 129]

a. England.

Jahr. Zahl der
Einleger.
Einlagen. Rückzahlungen. Verbleibende
Einlagen.
Zahl der
Einlagen.
Betrag in
Pfd. St.[82]
Zahl d. Rück
zahlungen.
Betrag in
Pfd. St.
Betrag in
Pfd. St.
1861   24826   46643   167530    1702     6759  160771
1862  178495  592573  1947139   95592   431618 1515521
1863  319669  842848  2649918  197431  1026207 1623711
1870 1183153 2135993  5995121  787172  4758187 1236934
1875 1777103 3132533  8783852 1112637  7325561 1458291
1880 2184972 3754689 10301152 1465331  9346834  954318
1882 2858976 6151469 13712859 1935129 10869533 2843326
1884 6458707 14510411 2198792 12530563 1979848

Ende 1884: Bestand der Sparkassenguthaben 44773773 Pfd. St., d. i. rund 895½ Mill. M.

Die Benützung der Postsparkassen ist demnach in England eine sehr rege. Nach ihrem großen Umsatz und insbesondere nach den beträchtlichen Rückzahlungen, welche sie zu machen hatten, erscheinen sie als das, was sie sein sollen: die Aufbewahrungsstellen augenblicklich nicht zu verausgabender Beträge, die den eintretenden notwendigen Bedürfnissen zufolge später doch zurückgezogen werden müssen und als Ersparnisse nicht verbleiben können.

Um noch kleinere Ersparnisse als die des Einlageminimums von einem Schilling (l M.) möglich zu machen, sind unter freier Mitwirkung von gemeinnützigen Kreisen die sog. Pennybanken gegründet worden, welche dem Sparer eine Karte zum Aufkleben von zwölf Stück Pennymarken unentgeltlich verabfolgen und ihm Marken verkaufen.

Im Jahre 1880 wurden vom Generalpostmeister Fawcett auch diese Sparkarten eingeführt. Wer sparen will, erhält von den Postämtern eine Karte mit einer Pennymarke gegen Zahlung eines Pennys. Wer zwölf solcher Marken auf seine Karte geklebt hat, trägt dieselbe auf das nächste Postamt, wo man sie ihm als eine auf seinen Namen lautende Einlage im Betrage von 1 Schilling (12 Pence) abnimmt. Auch diese Einrichtung hat sich trefflich bewährt.

In socialpolitischer Hinsicht leisten die englischen Postsparkassen auch dadurch gute Dienste, daß sie jeder gesetzlich registrierten Unterstützungs-, Wohlthätigkeits- und Versorgungs-Gesellschaft gestatten, ihre Gelder und Überschüsse auf Verzinsung anzulegen. Hiermit genießen diese Gesellschaften ebenfalls die große Sicherheit der Anlage ihrer Gelder und pünktliche, gleichmäßige Verzinsung. Es sind dies besonders schätzenswerte Vorteile für diese Art von Gesellschaften, deren ganzes Wesen zur größtmöglichen Sicherheit der Anlage des Kapitals und eines zuverlässigen Eingangs der Zinsen nötigt.

So hat Gladstone sicher recht, wenn er sagt: The Post Office[S. 130] Saving Banks are the greatest and most important work, ever undertaken by the Government for the benefit of the nation (Die Postsparkassen sind die bedeutendste und wichtigste Einrichtung, die jemals von der Regierung zur Wohlfahrt der Nation getroffen worden).

Da auch die Gesetzgebungen anderer Länder, insoweit diese Postsparkassen eingeführt haben, die Bestimmungen der englischen in ihren wesentlichen Grundzügen annahmen, so ist es wohl gerechtfertigt, diese der Hauptsache nach vorzuführen.

Die Post Office Saving Bank ist eine Abteilung der Postverwaltung; sie führt Rechnung und Verwaltung über die durch die Postämter gesammelten Einlagen; auf ihre Anordnung erfolgt die Rückzahlung; bezüglich der Einlagen und Rückzahlung ist eine zweckentsprechende Kontrolle geschaffen; für die Einlagen existiert ein Minimum (1 Schilling = 1 M.) und ein Maximum (200 Pfd. St. = 4000 M.); wird das Maximum überschritten, so hört die Verzinsung (2½%) auf, und es erfolgt die Umwandlung in Staatspapiere ex officio, wenn der Einleger binnen einer festgesetzten Frist die Einlage nicht vermindert. Die Einlage, die Kündigung und die Rückzahlung kann bei jedem Postamte geschehen. Das Einlagebüchlein lautet auf den Einleger in Person; Beschlagnahme desselben wird von der Post nicht zugelassen. Für die Rückzahlung des Kapitals samt Interessen haftet der Staat ohne Vorbehalt; ihm gehört auch der Zinsenüberschuß. Die Zinsen werden am Ende jedes Kalenderjahres in die bestehenden Büchelchen eingetragen und zum Kapitale geschlagen. Für die Korrespondenz mit den Einlegern besteht Portofreiheit. Das Postsparkassenamt unterliegt der Kontrolle des Staatsrechnungshofes und hat monatlich einen Geschäftsausweis zu veröffentlichen. Der jährliche Rechnungsabschluß wird dem Parlamente mit einem Rechenschaftsberichte vorgelegt.

b. Belgien.

Jahr. Guthaben der Einleger
am Ende des Jahres
in Franken.
1870   712891
1875  7342602
1881 36731951
1882 44643838
1883 52506000
1884 64701281

c. Italien.

Jahr. Zahl der am Ende
des Jahres im Um-
lauf befindlichen
Einlagebücher.
Guthaben der Einleger
am Ende des Jahres
in Lire.
1876  57354   2443404
1878 157651  11385164
1880 339845  46252860
1882 592018  84951236
1883 895988 112128423

c. Niederlande.

Jahr. Zahl der umlaufenden
Sparbücher.
Gesamtbetrag des Guthabens
der Sparer in Gulden.
1881 22831  858623
1882 46242 2018976
1883 67922 3217605
1884 90798 4650718

[S. 131]

e. Frankreich.

Jahr. Zahl der
Einlagen.
Summe der
Einzahlungen
in Franken.
Summe der
Rückzahlungen
in Franken.
Verbleibende Ein-
lagen in Franken.
1882 473155 64634381 17810940 46823441
1883 697433 73041637 45044435 27997202
1884 917131 94113816 58953250 35160566

f. Österreich.

Jahr. Zahl der
Einlagen.
Summe der
Einzahlungen
in Gulden.
Summe der
Rückzahlungen
in Gulden.
Verbleibende Ein-
lagen in Gulden.
1883 u. 84 3311333  64763350  50067249 14696101
1885 2428159 278154862 261350405 16804457

Trotz aller Schwierigkeiten der Ein- und Durchführung macht die Einrichtung der Postsparkassen sichtliche Fortschritte und scheint sich langsam in allen civilisierten Ländern einbürgern zu wollen.

Nachstehend noch einige vergleichsstatistische Angaben über die bestehenden europäischen Postsparkassen:

Der Postsparkassen England. Belgien. Italien. Nieder-
lande.
Frank-
reich.
Österreich.
Betriebseröffnung 1861 1870 1876 1881 1882 1883
Zinsfuß 2½% 3% 3½% 2⅔% 3% 3%
Veranlagung 3% 3,7% 5% 4% 4% 5,4%
Minimalsatz in M. 1 0,80 0,80 0,42 0,80 0,45
Maximalsatz in M. 4000 4000 1600 1600 1700
Summe d. Einlagen
 i. J. 1882 in M.
274 Mill. 18,5 Mill. 14,3 Mill. 3,7 Mill. 52 Mill. c. 13,5 Mill.
Gesamtsparsumme
 Ende 1882 in M.
 
 
780 Mill.
 
 
35,7 Mill.
 
 
53,5 Mill.
 
  3,5 Mill.
 
 
37,2 Mill.
 
c. 9,5 Mill.
(1883)

6. Der Geldbriefverkehr. Trotz der Einwirkung der bankmäßigen Zahlungsvermittlung durch die Postanweisungen u. s. w. nimmt der Barversendungs- und namentlich der Geldbriefverkehr, soweit diese Versendungsarten für den innern Verkehr der einzelnen Länder überhaupt zulässig sind, noch immer eine beachtenswerte Stellung ein. Nach der Berner Statistik für 1884 betrug der interne Geldbriefverkehr im gleichen Jahre:

in Rußland[83] rund  12  Milliarden Mark.
Deutschland  10½
Österreich   8 
Ungarn   2½
[S. 132] Frankreich   1¼
Schweden 568½ Millionen 
Rumänien 321½
Dänemark 317 
Belgien 276 
Norwegen 259½
den Niederlanden 160 

Die Gesamtsumme der durch die deutsche Reichspost vermittelten (deklarierten) Geldsendungen belief sich 1884 auf 18166 Millionen M.[84]

Der gesamte Umfang des Geldverkehrs der Post betrug im Jahre 1884 in den Ländern des Weltpostvereins, für welche die Berner Statistik Angaben enthält,

rund 150  Mill. Postanweisungen im Betrage von  7076  Mill. M.
 20  Postaufträge   931½
 12½ Nachnahmesendungen    97 
 40½ Briefe mit Wertangabe 32079 
 26½ Pakete mit Wertangabe  8956 

Der Gesamtbetrag dieser (rund) 250 Millionen Wertsendungen belief sich somit für das Jahr 1884 auf die riesige Summe von nahezu 50 Milliarden (49139 Millionen) Mark.

III. Postpaketverkehr[85].

Die Annahme und Beförderung von Paketen seitens der Postanstalten hat sich in Deutschland viel später herausgebildet als diejenige von Briefen; erstere erfolgt erst seit etwa 180 bis 200 Jahren. Der Nutzen dieser Einrichtung wurde indes schon sehr frühzeitig erkannt, wie aus folgendem interessanten Zeugnisse erhellt. Von einem Reisenden aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts, dem Ratsherrn Uffenbach in Frankfurt am Main (1683 bis 1734), der zugleich ein großer Bücherfreund war und deshalb viele Verbindungen mit Gelehrten u. s. w. unterhielt, erwähnt nämlich der Herausgeber seines hinterlassenen Reisewerkes ganz bezeichnend: „Er erfreuete sich über die Glückseligkeit unserer Zeit, da man Briefe und Pakete bequem und schnell an Orte, wenn sie auch weit von uns entfernt sind, vermittelst der öffentlichen Posten und Fahrwägen übersenden kann. Wie gar anders war es im 15. und noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts beschaffen! Die Klagen berühmter Leute, die hin und wieder in ihren Briefen vorkommen, bezeugen es zur Genüge.“

[S. 133]

Und doch, wie umständlich war ehemals dieser Paketverkehr, wie bedeutend das Porto! Der Staats- und Kabinetsrat Klüber sagt in seinem Werke „Das Postwesen, wie es war, ist und sein könnte“ (Erlangen 1811) hierüber folgendes: „Für ein Paket, das mit dem Postwagen von Berlin nach Frankfurt am Main gesendet wird, muß jetzt neunfach verschiedenes Porto gezahlt werden: königl. preußisches, königl. sächsisches, kaiserl. französisches (zu Erfurt), sachsen-weimarisches, sachsen-gothaisches, sachsen-weimarisches (zu Eisenach), königl. westfälisches, großherzogl. hessisches (Taxissches) und frankfurtisches (Taxissches). Die Adresse ist gewöhnlich so sehr mit Postzeichen und Ziffern beschmiert, daß oft beim Nachrechnen und Entziffern nicht auf das Klare zu kommen ist. Läuft das Paket bis Basel, so ist das zu zahlende Porto zwölffach verschieden.“ Da jede Postverwaltung für ihre Beförderungsstrecke ein bestimmtes Porto beanspruchte, so belief sich das Gesamtporto für ein 5 kg oder 10 Pfund schweres Paket gewiß oft auf mehrere Thaler.

Solche Zustände bestanden in Deutschland im wesentlichen bis 1850. Erst die dritte Konferenz des deutsch-österreichischen Postvereins führte 1857 die organische Umgestaltung des Vereinsfahrpostwesens herbei. Nach dem Vereinsfahrposttaxsystem vom 1. Juli 1858 wurden nunmehr auch bezüglich des Vereinsfahrpostverkehrs, wie das schon früher bezüglich des Vereinsbriefpostverkehrs geschah, sämtliche deutschen Postbezirke als ein ungeteiltes Postgebiet angesehen. Das Porto ward, ohne Rücksicht auf die Territorialgrenzen und auf die Leitung, lediglich nach Maßgabe der direkten Entfernung (geraden Linie) in einer Summe und nicht mehr für jedes einzelne deutsche Postgebiet besonders, sondern für den gesamten Verein als gemeinschaftliche Einnahme berechnet. Die erzielte gemeinschaftliche Portoeinnahme für die Vereinsfahrpostsendungen wurde unter die Vereinspostverwaltungen nach gewissen Prozentsätzen verteilt, wobei als Grundsatz galt, daß der Anteil sich nach der wirklichen Leistung zu richten habe.

Hiermit war ein höchst wichtiger Schritt bezüglich der Fahrpostsendungen gemacht worden.

Sehr wesentlich wurde dann infolge des Gesetzes vom 17. Mai 1873 das Porto für Pakete bis zum Gewichte von 5 kg innerhalb des deutschen Postgebiets ermäßigt. Es beträgt seitdem für solche: a) auf Entfernungen bis 10 Meilen einschließlich 25 Pf.; b) auf alle weiteren Entfernungen 50 Pf. Dieser Tarif wurde sodann auch im Wechselverkehr zwischen dem Reichspostgebiete einerseits und Bayern und Württemberg, sowie Österreich-Ungarn andererseits eingeführt. Die Vorteile dieses Zehnpfundpaketsystems sind wiederholt betont worden; vor allem ermöglicht es, von überallher in Deutschland und Österreich-Ungarn gute und billige Lebensmittel zu beziehen.

Mehr und mehr stellte sich das Bedürfnis heraus, den Portotarif auch für die mit dem Auslande gewechselten Pakete zu vereinfachen. Es ist[S. 134] das Verdienst der Reichspostverwaltung, den Anstoß zu dieser Reform gegeben zu haben. Am 3. November 1880 kam es denn auch auf der internationalen Postkonferenz in Paris zum Abschlusse einer diesbezüglichen Übereinkunft, durch welche die postmäßige Beförderung kleiner Pakete gegen einheitlich bemessene Gebührensätze, sowie die übereinstimmende Behandlung dieser Pakete in den verschiedenen Vereinsländern erreicht wurde. Diese Übereinkunft wurde von 21 Postverwaltungen unterschrieben.

Ein erschwerender Umstand, die betreffenden Grundsätze im Verkehr der Staaten des Weltpostvereins einzuführen, lag besonders darin, daß eine ganze Anzahl fremder Postverwaltungen bisher mit der Beförderung von Paketen sich überhaupt nicht befaßt hatte. Dies gilt z. B. von Frankreich, Italien, Belgien, Spanien, Portugal, der Türkei u. s. w. In Frankreich und Belgien besorgen die Eisenbahnverwaltungen die Beförderung der Pakete, in den Niederlanden und Italien vorzugsweise Privatgesellschaften. Auch in England hat die Eröffnung des Postpaketdienstes, zunächst für den innern Verkehr, erst am 1. August 1883 stattgefunden.

Am 1. Oktober 1881 trat die Pariser Übereinkunft ins Leben. Hierdurch wurde jedermann ermächtigt, Pakete ohne Wertangabe bis 3 kg nach Ägypten, Algier, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, den französischen Kolonieen, Italien, Luxemburg, Montenegro, Norwegen, Österreich-Ungarn, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Serbien und Tunis mit der Post sicher und schnell und zu verhältnismäßig geringen Portosätzen befördern zu lassen. Ebenso kann die Absendung solcher Pakete von den genannten Ländern nach Deutschland geschehen.

Weitere Erleichterungen bezüglich des Postpaketverkehrs wurden auf dem Lissaboner Weltpostkongreß im Jahre 1885 vereinbart. So wurde auf demselben das Meistgewicht der Postpakete im internationalen Verkehr, unter Beibehaltung der bisherigen Taxen, von 3 auf 5 kg erhöht und die Zulassung von Paketen mit Wertangabe und gegen Nachnahme beschlossen; auch ist die Beschränkung der zur Postbeförderung zuzulassenden Sendungen, wenigstens soweit nicht eine Seebeförderung in Betracht kommt, beseitigt worden. Postpakete, die in irgend einer Ausdehnung 1,50 m überschreiten oder nach ihrer Form oder ihrem Inhalt besondere Umständlichkeiten bei der Verladung oder Beförderung verursachen, werden als sperrig behandelt und mit einer Zuschlagstaxe von 50 Pf. belegt.

Der Umfang des Päckereiverkehrs der Post ist, trotzdem die Beförderung von Paketen nicht in allen Ländern einen Bestandteil des Postdienstes bildet, nicht unbedeutend, am großartigsten in Deutschland. 1884 z. B. wurden in letzterem Lande allein (nach der Berner Statistik) rund 87 Millionen Stück befördert, in sämtlichen übrigen Ländern des Weltpostvereins betrug die Zahl der im innern Dienst expedierten Pakete nur 81 Millionen.

[S. 135]

Was den Umfang des internationalen Paketdienstes betrifft, so zeigt vor allem der Verkehr aus und nach Deutschland, welcher Entwicklung dieser Dienstzweig fähig ist. Im Jahre 1884 hat die Gesamtzahl der aus Deutschland nach dem Auslande beförderten gewöhnlichen Pakete nicht weniger betragen als 3540350 Stück im Gesamtgewichte von 13969520 kg, während in umgekehrter Richtung 1544600 Stück im Gesamtgewichte von 6036620 kg eingegangen sind[86].

Die Gesamtstückzahl der von der Post auf der ganzen Erde beförderten Pakete (mit und ohne Wertangabe) betrug nach der Berner Statistik im Jahre 1884 über 180 Millionen.

Für die Beamten der Post ist der Paketdienst zuweilen wenig angenehm. Ein Beamter des Postamts IV in Hamburg, bei dem zufolge des schwunghaften Geschäftsbetriebes der Hamburger Tierhändler besonders zahlreiche Sendungen mit ausländischen Tieren ausgeliefert werden, berichtet darüber wie folgt: „Das Konzert, welches durch die Vereinigung so vieler Tiergattungen in den Räumen der Packkammer zuweilen veranstaltet wird, ist dem Ohre nicht immer ergötzlich. Das Kreischen und Schwatzen der Papageien, das Pfeifen der Kardinale, das Gezwitscher der Hunderte von kleinen Vögeln, dazu das durchdringende Geschrei eines Affen und das alles übertönende Gewimmer mehrerer Hündchen, die ihrer Mutter entrissen sind: alles dieses bildet mitunter eine entsetzliche Symphonie, deren Ende sehnlichst herbeigewünscht wird.“ Von den Tiersendungen ist in Deutschland besonders der Versand von Singvögeln ein sehr bedeutender. Im engen Holzbauer, dem durch sinnreiche Vorrichtungen Speise und Trank für mehrere Tage beigegeben werden, durcheilen z. B. die Harzer Kanarienvögel aus St. Andreasberg zu Tausenden das ganze Reichspostgebiet; ja sie werden bis in die entferntesten Gegenden Österreich-Ungarns, nach Rumänien, Polen, Schweden und Norwegen, Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, der Schweiz und Italien befördert. Neuestens hat man sogar versucht, und zwar mit gutem Erfolge, Vogelpakete übers Meer nach Amerika zu verschicken[87].

Mitunter werden den beim Paketdienste beschäftigten Beamten auch sehr seltsame Überraschungen zu teil. So wurde nach dem Berichte der britischen Post- und Telegraphenverwaltung pro 1877/78 in einem Postwagen der London-Liverpooler Linie eine mehr als 3 Fuß lange lebende Schlange gefunden, die sich aus einer Schachtel, in der sie zur Post eingeliefert worden war, befreit hatte. In einer andern Schachtel, die als unbestellbar an die Centralbehörde eingesandt wurde, fanden sich nicht weniger als acht lebende Schlangen vor[88]. Bei der Postagentur in Wildemann (Oberpostdirektions[S. 136]bezirk Braunschweig) kam vollends ein Paket mit 60 Dynamitpatronen zur Aufgabe[89].

Zu den Schmerzenskindern der Post zählen, um auch dies zu erwähnen, nicht selten die Warenproben. Sie sind dies nicht so sehr wegen der Zahl der Sendungen, als wegen ihrer manchmal unförmlichen Beleibtheit und des keineswegs immer anmutigen Inhalts. „Die Gemütsstimmung eines Bahnpostbeamten,“ äußert sich Fischer da, wo er von den Warenproben spricht[90], „über welchen die Gärtnereien von Erfurt oder Quedlinburg das unendliche Füllhorn ihrer in dünne Papiersäckchen eingeschlossenen Samenproben ergießen, oder desjenigen, der sein Operationsfeld durch einen unvermuteten Ansturm einiger Hundert dicker Wollpäckchen in Gestalt von festgerollten Cylindern beengt sieht, pflegt keine rosige zu sein. Daß Scheren, Messer, Pfriemen und andere scharfe Instrumente in höchst mangelhafter Hülle der Post als Warenproben überliefert werden, wird von manchen Fabrikanten als ein unantastbares Recht ihres Gewerbebetriebes angesehen, während sie sich um die Verletzungen, die den Händen der Postbeamten dadurch drohen, keine Sorge machen! Von anderer Seite findet man es wieder unbegreiflich, daß die Postverwaltung Bedenken trägt, kleine Glasröhren mit Baumöl, chemischen Säuren oder anderen unbehaglichen Flüssigkeiten zur Beförderung als Warenproben anzunehmen.“ Infolge dieser Widerwärtigkeiten haben denn die Postverwaltungen die Bedingungen für die Annahme von Warenproben seitens der Postbehörden einer genauen Regelung unterzogen.

Die Gesamtzahl der im Jahre 1884 auf der ganzen Erde beförderten Postsendungen ist auf mehr als 12000 Millionen zu veranschlagen. Auf den einzelnen Menschen entfielen an Postsendungen für das gleiche Jahr 9 Stück[91].

IV. Personenbeförderung.

Während alle übrigen Zweige des Postdienstes eines stetigen Aufschwunges sich zu erfreuen haben, zeigt die Personenbeförderung überall, wo sich die Post mit derselben überhaupt noch befaßt, einen ebenso stetigen Rückgang. Nur die deutsche Reichspost hat es nach der Berner Statistik vom Jahre 1884 im Laufe des bezeichneten Jahres noch auf eine Anzahl von 3406383 Postreisenden gebracht. — Verhältnismäßig am stärksten ist der Personenpostverkehr in der Schweiz. Auf dem kleinen Gebiete der Eid[S. 137]genossenschaft sind während des Jahres 1884 im ganzen 734897 Personen durch Postfuhrwerke befördert worden.

V. Feldpost.

Die Feldpost ist eine Einrichtung, durch welche die Postverbindung einer Armee im Felde einerseits mit ihrer Heimat, andererseits nach und von den einzelnen Truppenkörpern hergestellt und bis zum Eintritt des Friedens unterhalten wird. Das Bedürfnis derartiger Einrichtungen war schon früh vorhanden, doch hatte man im Altertum keine der Feldpost der neuern Zeit ähnliche Einrichtung. Erst durch die Errichtung regelmäßiger Posten unter Kaiser Maximilian I. waren die Grundlagen hiefür gewonnen. Daß bereits im 30jährigen Kriege Feldpostillone verwendet wurden, ist mehrfach bezeugt. Der erste Staat, welcher die Feldpost von Grund aus organisierte, war Brandenburg-Preußen; 1716 bereits begegnet uns hier das erste Feldpostamt, und zwar im vorpommerschen Kriege. Es hatte die Aufgabe, der preußischen Armee in Feindesland zu folgen und die Postverbindung für letztere mit der Heimat durch reitende Postillone zu unterhalten. In den zahlreichen Kriegen, welche Preußen führte, namentlich aber im siebenjährigen Kriege, wurden diese Keime weiter ausgebildet und erhielten durch engen Anschluß an die militärischen Kommunikationseinrichtungen, in denen ja Friedrich d. Gr. Meister war, eine Grundlage, auf der im wesentlichen noch jetzt die Organisation der deutschen Feldpost beruht.

Die mächtige Entfaltung der modernen Verkehrsmittel hat auch im Feldpostwesen bedeutende Umwälzungen hervorgerufen. Schon der deutsche Krieg von 1866 stellte große Anforderungen an die Feldpost, noch weit mehr der deutsch-französische Krieg von 1870/71. In diesem Kriege beförderte die deutsche Feldpost bis zum 31. März 1871 an Briefen und Postkarten nicht weniger als 89659000 Stück, ferner Geldsendungen im Betrage von 179596860 M., an Zeitungen 2354310 Exemplare und außerdem noch 1853686 Stück Päckereisendungen. Die Zahl der Feldpostanstalten, Relais und Landespostanstalten in Frankreich, sowie in Elsaß-Lothringen betrug 411, die Zahl der Beamten und Unterbeamten 2140[92].

VI. Postanstalten.

Die Gesamtzahl der zur Wahrnehmung des eigentlichen Postbetriebes bestimmten Postanstalten im Bereiche des Weltpostvereins belief sich nach der Berner Statistik von 1884 auf 133799. Die meisten hiervon, 50017, entfallen auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Deutschland ist mit 15428 vertreten, England mit 16434, Frankreich mit 6587 und Britisch[S. 138] Indien mit 6721. Dabei ist übrigens nicht zu vergessen, daß der Begriff „Postanstalt“ diesseits und jenseits des Oceans etwas verschieden aufzufassen ist.

Die höchste Poststation der Erde ist Rumihuasi (4966 m) in den Anden, und die einfachsten Postbureaus befinden sich an der Südspitze von Amerika und auf Booby-Island in der Torresstraße. Was das erstere Postamt betrifft, so hängt dort an einem Felsen des äußersten Vorgebirges der Magellanstraße, gegenüber Feuerland, ein Fäßchen, das durch eine eiserne Kette befestigt ist. Dasselbe wird von jedem vorüberfahrenden Schiffe geöffnet, um entweder Briefschaften hineinzulegen oder demselben Briefe zu entnehmen. Diese Postablage verwaltet sich sonach von selbst, sie ist dem Schutze der Seefahrer anheimgestellt, und man hat kein Beispiel, daß jemals ein Mißbrauch des öffentlichen Vertrauens stattgefunden hätte. Jedes Schiff übernimmt die freiwillige Expedition der Einlagen, deren Bestimmungsort in der Richtung seiner Fahrt liegt.

Fig. 43. Das Centralpostgebäude in Berlin.

Auf Booby-Island liegt in einer durch einen hohen Flaggenstock bezeichneten Höhle eine Tonne mit der Aufschrift: „Post office“. In dieser Tonne befindet sich Schreibmaterial und ein Buch zum Eintragen von Be[S. 139]merkungen. Neben der Tonne liegen Vorräte von allerlei Lebensmitteln für etwaige Schiffbrüchige. Jedes Schiff, welches die Insel passiert und reichliche Vorräte an Bord hat, ergänzt den Bestand des Magazins und nimmt gleichzeitig die in dem Tonnenpostamt befindlichen Briefe zur Weiterbeförderung mit.

Fig. 44. Das Postamt auf der Booby-Insel.

VII. Außergewöhnliche Leistungen der Postanstalten.

Zu gewissen Zeiten des Jahres kommen ganz enorme Mengen von Postsendungen zur Auflieferung und Bearbeitung. So tritt alljährlich in der zweiten Hälfte des Monats Dezember für die deutsche Post eine besonders mühe- und arbeitsvolle Zeit ein. Es ist die Zeit um das heilige Weihnachtsfest, wo durch das ganze Land alt und jung, reich und arm, getreu der uralten deutschen Sitte, darauf bedacht ist, die Lieben nah und fern durch eine Gabe, ein Angebinde als Zeichen freundlichen Gedenkens zu erfreuen. Hierdurch erfährt nun besonders der Paketverkehr bei der Post eine über das gewöhnliche Maß weit hinausgehende Steigerung. Dieser Päckereiverkehr ist indes für die Post kein Schreckgespenst und vermag die Ordnung ihres Betriebes nicht zu erschüttern. Freilich bedarf es zu seiner Bewältigung der umfassendsten Vorbereitungen nach verschiedenen Richtungen, der Aufwendung erheblicher außergewöhnlicher Kosten und schließlich des freudigen Einsetzens der vollen Kraft, der ganzen Umsicht und Willfährigkeit seitens des gesamten Personals von den Vorstehern bis zum Paketträger und Hilfsboten.

„Tausend fleiß’ge Hände regen,
Helfen sich in munterm Bund,
Und in freudigem Bewegen
Werden alle Kräfte kund“,

[S. 140]

das ist der Eindruck, den jeder, Laie oder Fachmann, erhält beim Eintritt in die Weihnachts-Packkammer oder in die Bahnhofs-Sammelstelle an irgend einem größern Orte. 1884 betrug in Berlin in den Tagen vom 12. bis 25. Dezember die Zahl der aufgelieferten, eingegangenen und durchbeförderten Pakete 2716000.

In England hat nach dem Berichte des Generalpostmeisters Fawcett die Sitte, in der Weihnachtswoche Karten und ähnliche Überraschungen mit der Post zu übersenden, eine solche Ausdehnung angenommen, daß 1880 mehr als 11½ Millionen Briefe und kleine Pakete über den Durchschnittsverkehr und 4 t (1 t = 1016 kg) eingeschriebener Korrespondenz mehr als gewöhnlich durch das Hauptpostamt in London liefen. Der Verwaltung wurde hierdurch eine Mehreinnahme von 58000 Pfd. St. oder 1160000 M. zugeführt.

Eine ähnliche Erscheinung, wie die Hochflut des Paketverkehrs während der Weihnachtszeit, bietet der Neujahrsbriefverkehr. Er macht sich bei uns auf dem platten Lande allerdings nur wenig bemerkbar, nimmt aber mit der Größe der Städte immer mehr zu und wird in Berlin gleichsam zur Springflut. So hat am Sylvesterabend 1881 und am Neujahrstage 1882 die Zahl der bei den Postanstalten in Berlin eingelieferten Stadtbriefe 1256577 Stück betragen. Zu Neujahr 1884 wurden in Berlin in der Zeit vom 31. Dezember mittags 12 Uhr bis 1. Januar abends 10 Uhr sogar 1809483 Briefschaften aufgegeben und expediert. Wenn nun auch ein gleich starkes Anwachsen des Neujahrsbriefverkehrs in keinem andern Orte Deutschlands stattfindet, so ist die allgemeine Zunahme des Briefverkehrs bei jeder Jahreswende doch so bedeutend, daß die Arbeit dann nur durch Anspannung aller verfügbaren Beamten- und Unterbeamtenkräfte, sowie durch Heranziehung außergewöhnlicher Aushilfe für den Bestelldienst bewältigt werden kann.

Es giebt noch eine Reihe von anderen, auf einzelne Orte oder auf kleinere Gebiete beschränkten Erscheinungen, die es notwendig machen, daß einerseits die Kräfte der Beamten in ungewöhnlich hohem Maße in Anspruch genommen, andererseits besondere Vorkehrungen seitens der Verwaltung getroffen werden. Sie sind teils vorübergehender Natur, teils kehren sie regelmäßig wieder; durchweg aber werden sie veranlaßt durch ungewöhnlich große Ansammlungen von Menschen an einzelnen Orten, wie auf Märkten und Messen, bei Industrie- und sonstigen Ausstellungen, bei Sänger-, Turner- und Schützenfesten, bei den Zusammenziehungen beträchtlicher Truppenkörper zu größeren Übungen, bei der regelmäßig wiederkehrenden Belegung der Militärschießplätze, insbesondere aber bei dem auf gewisse Jahreszeiten beschränkten zahlreichen Besuch von Bädern, Luftkurorten und Aussichtspunkten. In den meisten dieser Fälle steigert sich der Postdienst in einem sehr bedeutenden Maße, weil nicht nur Aussteller, Käufer und[S. 141] Verkäufer, sondern auch Festteilnehmer, Touristen und Badegäste einen ungewöhnlich lebhaften Verkehr unterhalten.

Es können übrigens jeden Augenblick und von jeder Seite her Anforderungen an die Postverwaltungen treten, auf deren Bewältigung sie nicht vorbereitet ist, oder welche die Leistungsfähigkeit derselben auf eine harte Probe stellen. So wurden beispielsweise im Jahre 1880 von einer Firma gleichzeitig nahezu 300000 Geschäftscirkulare beim Postamte in Hull (England) ausgeliefert, die ein Gewicht von zusammen 20 t hatten, und für welche Porto im Gesamtbetrage von 2380 Pfd. St. (47600 M.) gezahlt werden mußte. Die Beförderung der Circulare, die innerhalb 48 Stunden ordnungsmäßig stattfand, machte die Einstellung von sieben besonderen Eisenbahnwagen erforderlich. Auch in dem Verwaltungsjahr 1882/83 wurden nach dem Berichte des englischen Generalpostamtes von einer Firma in London an einem Tage 132000 Briefe und von einer andern Firma ebenda 167000 Postkarten auf die Post gegeben. In hohem Grade werden die Dienste der Post neuestens auch zur Zeit von Wahlen in Anspruch genommen. Bei den Reichstagswahlen des Jahres 1884 wurden z. B. an einem Tage einem Postamte Berlins 24000 Kreuzbandsendungen übergeben. Es ist ferner schon mehrfach vorgekommen, daß der deutschen Bahnpost Verviers-Köln eine amerikanische Post von mehr als 60 Briefsäcken neben einer gleich starken englischen Post zugegangen ist, so daß in solchen Fällen zur Fortschaffung der Korrespondenz bis zu sechs Postwagen in den Zug haben eingestellt werden müssen.


Viertes Kapitel.
Hindernisse des Postverkehrs[93].

Zahlreiche Hindernisse erwachsen dem Postverkehr oft schon durch die Bodenbeschaffenheit eines Landes. Wie beschwerlich ist z. B. für den Landbriefträger die Wanderung durch den oft bis zu den Knieen reichenden, beweglichen Sand der Ostseedünen oder durch die sandigen Heiden des Departements les Landes! Die friesischen und litauischen Postboten haben im Frühling und Spätherbst auf grundlosen Pfaden über Moor und Sumpf zu den weit ausgedehnten Hauländereien, Fehnkolonieen u. s. w. zu waten. Was hat ferner die Infanterie der Post nicht alles zu leiden von Wind und Wetter, Hitze und Kälte! Noch bedeutsamer sind die Gefahren, welche dem[S. 142] Postverkehr durch elementare Naturgewalten bereitet werden, wie durch Lawinen, Hochwasser u. dgl.

Auch von Tieren werden die Boten der Post nicht selten belästigt. Namentlich sind Klagen über die Anfälle, denen Briefträger beim Betreten der Gehöfte durch bissige Hunde ausgesetzt sind, nicht selten. Der Bericht des englischen Generalpostmeisters für 1877 konstatiert, daß die Zahl der von Hunden gebissenen Postboten wie in den Vorjahren eine nicht unbedeutende gewesen.

Unter den seitens der Menschen dem Postverkehr bereiteten Hindernissen nahmen in früheren Zeiten Raubanfälle eine nicht geringe Stelle ein. Heutzutage kommt die Species des Posträubers, einzelne Ausnahmen abgerechnet, wenigstens in Europa nicht mehr vor. In außereuropäischen Ländern verhält es sich freilich noch vielfach anders. So wird in mejicanischen Postberichten wiederholt über arge Unsicherheit der Landstraßen im Innern des Landes geklagt. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika hat der Postillon häufig noch Kämpfe mit Indianern oder organisierten Räuberbanden zu bestehen. Im Verwaltungsjahre 1881/82 haben z. B. im Gebiete der Union nicht weniger als 387 gewaltsame Beraubungen von Postanstalten stattgefunden. Desgleichen werden die an sich spärlichen Postverbindungen in Syrien und anderen Teilen der asiatischen Türkei gelegentlich durch Überfälle seitens streifender Beduinenstämme beeinträchtigt. Was die Postdiebe betrifft, so ist deren Zahl eine so geringe, daß der allgemeine Gang der Postbeförderung davon völlig unberührt bleibt. Am nachteiligsten wirken auf den Postverkehr jedenfalls die Eigentümlichkeiten des die Post benutzenden Publikums.

Die pünktliche und richtige Beförderung mancher Sendungen wird z. B. durch Einlieferung an ungeeigneten Stellen verhindert. Da die Einlegung eines Briefes in den Briefkasten oder seine Abgabe am Postschalter im allgemeinen als eine höchst einfache Verrichtung gilt, so wird an Versehen, die hierbei vorkommen könnten, seitens des Publikums nur selten gedacht. Dem gegenüber ist indes aus dem Berichte des englischen Generalpostmeisters für 1877 die Thatsache anzuführen, daß in Aberdeen ein Mann bemerkt wurde, der sich viele Mühe gab, einen Brief in die Öffnung eines in Reparatur befindlichen Straßenhydranten hineinzustecken. Die Ähnlichkeit dieser Vorrichtung mit den in England mehrfach üblichen Säulenbriefkasten hatte, wie sich bei näherer Untersuchung des Hydranten herausstellte, bereits früher drei verschiedene Korrespondenten zur Niederlegung von Briefen in diesen für die Weiterbeförderung ungeeigneten Behälter verleitet. Dieser Vorfall steht keineswegs vereinzelt da. Von einer Dienstmagd in Husum wurde z. B. ein Gasuhrbehälter für einen Briefkasten gehalten. Es giebt überhaupt kaum eine nach der Straße zugehende Öffnung, die nicht gelegentlich von einem Unkundigen für den Spalt eines Briefkastens angesehen würde. Bei[S. 143] dem Postamte in Weimar nahmen die Annahmebeamten vor einigen Jahren wahr, wie sich ein Dienstmädchen eifrig damit beschäftigte, Briefe in das unter dem Posthausbriefkasten befindliche offene Kellerfenster zu werfen. Man fand, als man der Sache auf den Grund ging, im Keller eine ganze Reihe älterer Einwürfe und erfuhr, daß das Dienstmädchen von seiner Herrschaft den ausdrücklichen Auftrag erhalten hatte, die Sendungen nicht in den Briefkasten zu legen, sondern am Fenster abzugeben, worunter die Herrschaft allerdings das des Postschalters verstanden hatte.

Andere Hindernisse der Beförderung entstehen aus der Adressierung der Sendungen. In sehr vielen Fällen liegt die Ursache der undeutlichen, rätselhaften Adressierung in der Nachlässigkeit des Publikums, namentlich auch der kaufmännischen Welt, auf die Lesbarkeit der Unterschrift keinen Wert zu legen. Nur zu häufig kommt es vor, daß der Empfänger außer Stande ist, den Namenszug des Absenders zu entziffern. Was bleibt ihm bei Beantwortung des Briefes anderes übrig, als die Hieroglyphen desselben möglichst getreu in der Aufschrift nachzumalen! Gehört der Schreiber des Antwortbriefes überdies noch einer fremden Nation an, so ist bald eine Aufschrift wie „C. Stusbing & Coy — Berlin“ entstanden, mit welcher ein Brief an die Firma „Hübner & du Buy — Berlin“ richtig bestellt worden ist. Ebenso dürften die Herren Professor Dr. Ziurek und Louis Levin in Berlin überrascht gewesen sein, daß Briefe unter der falschen Flagge „Dr. Zurich“ beziehungsweise „Dr. Cziarek“ und „Louis Leome“ glücklich in ihre Hände gelangt sind, zumal dieselben eine Wohnungsangabe nicht trugen. — Wie die Ausländer vielfach gezwungen sind, den Namen der Briefschreiber aus den Schreiben herauszusuchen und nachzumalen, geht aus folgenden für einen Deutschen hochkomischen Aufschriften aus Frankreich und England hervor. Die eine Aufschrift lautet: „Monsieur Paul Parey, Ersucht Sie Ergebents à Berlin“, die andere: „Wiegandt, Hempel & Parey, Datum des Poststempels, Berlin.“

Eine andere Abart von rätselhaften Aufschriften ist dadurch entstanden, daß biedere Deutsche, welche mit Hacke und Pflug gut umzugehen verstehen, aber die Feder nicht mehr nach den Regeln der Kunst zu handhaben wissen, beim Schreiben an dem Grundsatze: „Schreib, wie du sprichst“, festhalten und die Buchstaben nach alter Erinnerung aus der Jugendzeit auf das Papier hinstellen. So lautet eine Aufschrift folgendermaßen: „An den Herrn wil Lah man zu kirg de linroh kreis kitinge“; der Brief wurde richtig an „Herrn Wilhelm Bachmann zu Kerstlingerode, Kreis Göttingen,“ bestellt. Noch verwickelter wird die Lösung solcher Schrifträtsel, wenn in der Aufschrift Fremdwörter vorkommen. Oft auch wird die Adresse von solchen, die des Schreibens recht wohl kundig sind, undeutlich geschrieben und so die Beförderung wesentlich erschwert. Infolgedessen gehen Briefe für Bonn gar nicht selten nach Rom; Celle wird wie Lille, Greiz wie Graz geschrieben. Barmen, Bremen[S. 144] und Brunnen sind bisweilen kaum zu unterscheiden, ganz zu geschweigen von Minden und Münden, Gemünden und Gmunden, Altona und Altena, Kassel und Kastel, oder Berkum, Beckum, Borkum, Borken, Bochum, Bornum und Bornim. Auch die ungehörige Hervorhebung von Nebensächlichem auf der Adresse kann für die Beförderung von Briefen verhängnisvoll werden. So sind für die Schweiz bestimmte Briefe nach China spediert worden, weil das Wort Kanton auf der Adresse mit mehr in die Augen fallenden Buchstaben geschrieben war, als der eigentliche Bestimmungsort. In ähnlicher Weise machte ein Brief an einen Breslauer Professor in dem schlesischen Bade Landeck, Haus Arcadien, die Reise nach Griechenland. Manche unserer schwerfälligen Korrespondenzformen tragen gleichfalls nicht zur Klarheit der Adressen bei. So reklamierte einmal das Postamt in Madrid einen Brief an Señor Wohlgeboren. Kein geringes Hindernis bei der Bestellung der Briefe bilden ferner die verschiedenen Sprachen. Ein dem Briefkasten in Lüneburg entnommener Brief nach Leghorn z. B. geht nach dem hannoverschen Orte dieses Namens. Der Absender aber war ein reisender Engländer, der mit Leghorn Livorno meinte.

Ganz besonders schlimm steht die Sache dann, wenn die Aufschrift gar keinen Bestimmungsort trägt oder wenn der Name des Empfängers gar nicht, die Wohnung des letztern jedoch nur ungefähr bekannt ist, oder — wenn die Aufschrift ganz fehlt. Aber auch da ist die Post nicht immer ratlos, wie aus folgenden paar Beispielen erhellt. Ein Brief aus Wien mit der Aufschrift „Paul Behnert, Sachsen, Äußere Auwinstraße Nr. 9“ gelangte nach Dresden und von da durch die Findigkeit eines Beamten nach Zittau, wo der Adressat ermittelt wurde. Ein Brief an „Onkel Hans in Braunschweig, Kohlmarkt“ kam nach kurzen Nachforschungen seitens des gewandten Briefträgers fast ohne Verzögerung an die richtige Adresse; ebenso fand der bestellende Bote ohne große Schwierigkeit den richtigen Empfänger eines Briefes aus Amerika, den ein kleines Mädchen „An Meinen lieben Papa in Niethen bei Pommritz“ abgesandt hatte.

Wie groß überhaupt die Zahl der unvollständigen, der falschen, der trotz aller Mühe unverständlichen Briefanschriften ist, darüber belehrt am besten die Statistik der unbestellbaren Briefe. Im Jahre 1884 z. B. wanderten nach der Berner Statistik von den Briefen des internen Verkehrs in das Retourbriefamt (engl. blind office, in Paris les catacombes de la poste genannt): in Deutschland 702235, in Großbritannien 5081713 und in der Union 4369999. Hiervon konnten noch nachträglich bestellt oder an ihre Absender zurückgeschickt werden: in Deutschland 532487 (75,8%), in Großbritannien 4760544 (93,6%) und in den Vereinigten Staaten von Amerika 1667455 (38,1%). Gänzlich unbestellt blieben: in Deutschland 169748, in Großbritannien 321169 und in den Vereinigten Staaten von Amerika 2702544. In den letztgenannten Staaten rührt diese große Menge[S. 145] gänzlich unbestellbarer Briefpostsendungen hauptsächlich daher, daß man sich in der Neuen Welt einer großen Eintönigkeit bei der Auswahl der Ortsnamen schuldig gemacht. Eines der neuesten Ortsverzeichnisse der Union weist beispielsweise 18 Berlin in den verschiedensten Staaten auf, wozu noch ein Berlin Centre, ein Berlin Heights und ein Berlin Croß Reads in Ohio, Berlin Falls in New-Hampshire, ein Berlinsville in Pennsylvanien und ein Berlinville in Ohio kommen. Neben 23 Columbia paradieren 23 Columbus, 11 Humboldt, zahllose Liberties und Freedoms, Unions und Unities, Franklins, Washingtons, Jacksons und Jeffersons. Die klassischen Neigungen Bruder Jonathans sind durch 16 Arcadia, 16 Athen, 19 Palmyra, 15 Homer, der Olymp selber durch 5 Minerva, 3 Ceres und 2 Juno vertreten. Auch in Deutschland pflegen die etlichen 20 Neustadt, die verschiedenen Freiburg, Karlsruhe etc. dem Absender weniger Kopfzerbrechen zu verursachen, als der Post, welcher die Wahl des richtigen Bestimmungsorts vielfach überlassen wird[94].

Selbst Briefe oder Postkarten ohne Adresse werden viel häufiger aufgegeben, als man anzunehmen geneigt sein möchte. Der Bericht des englischen Generalpostmeisters für 1880/81 konstatiert z. B., daß im Bereiche seiner Verwaltung in einem Jahre mehr als 27000 Briefe und Postkarten jeglicher Aufschrift entbehrten. Im Jahre 1883/84 betrug die Zahl derartiger Briefe 25628; hiervon enthielten noch dazu 1536 Stück Werteinlagen im Gesamtbetrage von 102160 M.

Vielfach ist auch die Beschaffenheit der Sendungen Ursache, wenn dieselben nicht zur Bestellung gelangen. Das gilt besonders von Gepäckstücken. So sind z. B. in New-York allein in einem einzigen Jahre infolge sorgloser Verpackung 4000 Drucksachen aus Europa als unbestellbar liegen geblieben. Meistens waren die Streifbänder abgefallen.

Zuweilen trägt die Qualität der dienstbaren Geister, welchen die Vermittlung zwischen der Post und der Herrschaft zukommt, die Schuld, wenn Sendungen gar nicht oder wenigstens nicht rechtzeitig an ihrem Bestimmungsorte eintreffen.

Manchmal machen wir die Post für unsere eigene Vergeßlichkeit verantwortlich. So wurde nach dem Bericht der britischen Postverwaltung des Jahres 1870 in einem Falle eine Anzahl Coupons zu Suez-Kanal-Aktien, welche als vermißt bezeichnet worden waren, in dem Papierkorbe des Empfängers aufgefunden, wohin sie dieser geworfen hatte, in der Meinung, es seien gewöhnliche Geschäftsanzeigen. Nach derselben Quelle wurde ein anderer, angeblich als Einschreibsendung aufgelieferter Brief hinter einem[S. 146] Schreibpulte in der Stube des Absenders selbst vorgefunden, und ein nach Paris bestimmter Brief, der 125000 Pfd. St. enthielt und ganz bestimmt als Einschreibbrief aufgegeben sein sollte, fand sich unter den gewöhnlichen Briefpostgegenständen unversehrt wieder. Ebenso wurde einem Pakete mit einer Uhr nachgeforscht, das an einen Londoner Uhrmacher gerichtet war, und dessen Empfangnahme von letzterem hartnäckig bestritten wurde. Schließlich wurde die vermißte Uhr in einem Schubkasten im Laden des Uhrmachers entdeckt.

Auf welch seltsame Weise Briefe ohne Verschulden der Post zuweilen zu Verluste gehen, dafür giebt uns der Bericht der amerikanischen Post- und Telegraphenverwaltung pro 1877/78 einen Beleg. Hiernach wurden nämlich Briefe, die durch einen an der Ladenthür eines Geschäftes befindlichen Briefeinwurf abgegeben worden waren, und welche infolge davon, daß auf der Innenseite der Thüre kein Briefkasten sich befand, auf die Erde fallen mußten, von Ratten unter die Dielen verschleppt. Dieselben kamen erst wieder zum Vorschein, als Ausbesserungen im Laden vorgenommen wurden.

Auch andere Tiere sind den Briefschaften schon verhängnisvoll geworden. So wurden Briefkästen nach dem Berichte Hydes wiederholt von Vögeln mit Beschlag belegt, die darin befindlichen Briefschaften aber auf die Straße geworfen[95].


Fünftes Kapitel.
Geschichte des Briefes, der Freimarke, der Postkarte und der Zeitungen[96].

1. Der Brief. Die Geschichte des Briefes verliert sich in das Dunkel der Sage. Nach Diodor stammt der älteste Brief der Welt von dem indischen König Stabrobates; derselbe war an die assyrische Königin Semiramis gerichtet. Mehrfach ist auch in der Bibel von Briefen die Rede, und selbst Homer läßt schon, wie jener Brief beweist, den der Argiverfürst Proitos arglistig dem Bellerophon nach Lycien mitgab, die Helden sich des Schreibens befleißigen. Nach neueren Forschern gebührt die Ehre der Erfindung des Briefschreibens der Königin Atossa, der Tochter des Cyrus und der Mutter[S. 147] des Xerxes. Am frühesten wurden indes Briefe wohl in Ägypten geschrieben, da dort schon in ältester Zeit durch die hohe Kulturentwicklung im allgemeinen, wie durch die Erfindung der Papyrusbereitung[97] für die Entwicklung des Briefverkehrs die entsprechenden Bedingungen gegeben waren.

Eine besondere Art der klassischen Briefformen ist der Stab- oder Rollbrief — die Skytale —, der in Lacedämon gebräuchlich war. Sollte nämlich eine Botschaft ergehen, so schlang man einen schmalen weißen Riemen, fest und genau schließend, um den Stab, schrieb das Nötige in der Längsrichtung des Stabes querüber auf die durch den aufgewickelten Riemen gebildete Schreibfläche, löste den Riemen wieder und schickte ihn so an den Feldherrn oder Staatsmann, für den die Botschaft bestimmt war. Dieser vermochte die jedem andern unverständlichen Zeichen nur dadurch zu entziffern, daß er den Riemen um den in seinen Händen befindlichen Stab von genau den gleichen Dimensionen schlang. So stellt der Stabbrief wohl die älteste Form eines Feldpostbriefes dar[98].

[S. 148]

Verwandt mit dem lacedämonischen Stabbrief, wenn auch weniger in der Form, so doch hinsichtlich des hauptsächlichsten Gebrauches für geheime amtliche Mitteilungen, sind die Knotenbriefe oder Quipus der Inkaperuaner in Amerika. Sie bestanden im wesentlichen aus einem horizontal gelegten Hauptstrang, an dem verschiedene Schnüre herabhängend angebracht waren. Jeder dieser Stränge hatte eine besondere Hauptbedeutung, während die an denselben angebrachten Knoten, je nach ihrer Stellung und Form, die unter jenen Hauptbegriff fallenden Einzelheiten darstellten. Daß solche Knotenschnüre vor alters auch in China statt der Schrift in Gebrauch waren, erwähnt der Philosoph Lao-tse, ein älterer Zeitgenosse des Konfucius[99].

Fig. 45. Quipu (Knotenschrift).

Das Mittelalter zeigt eine nur mäßige Entwicklung des Briefschreibens in der verkehrsmäßigen Bedeutung des Wortes. Begründet ist diese Thatsache, abgesehen von der damals überhaupt ziemlich spärlich verbreiteten Kenntnis des Lesens und Schreibens, besonders auch in dem hohen Preise des Schreibmaterials, als welches nunmehr an Stelle des in Ver[S. 149]gessenheit geratenen Papyrus das Pergament getreten war. Seinen Namen trägt dieses Schreibmaterial von der Stadt Pergamus in Kleinasien. Als nämlich König Eumenes II. (197–158 v. Chr.) in Pergamus seine große Bibliothek anlegte, soll die Eifersucht der Ptolemäer, die hierin eine gefährliche Nebenbuhlerschaft mit ihrer Weltbibliothek in Alexandrien erblickten, in dem Maße erregt worden sein, daß sie die Ausfuhr des Papyrus aus Ägypten gänzlich untersagten. Notgedrungen griff man nun in Pergamus zurück auf die alte Art der Bereitung von Tierhäuten, die man zugleich derart verbesserte, daß das neue Erzeugnis als charta pergamena sich bald großen Ruf erwarb[100].

Die bis jetzt erörterten Schreibstoffe waren der Entwicklung des Briefes wenig günstig; erst als durch die Erfindung des Lumpenpapiers[101] ein weit bequemeres, billigeres und allgemein zugängliches Material gewonnen worden war, nahm dieselbe einen ungeahnten Aufschwung.

Bald entwickelte sich auch ein besonderer Fabrikationszweig für „Brief- oder Postpapier“, das vor allem durch möglichst geringe Dicke und kleineres Format sich auszeichnet, daneben auch besondere Glätte und Feinheit in Stoff und Farbe zeigt. Es wird gegenwärtig in fast allen Kulturländern benutzt. An einzelnen eigenartigen Schreibstoffen fehlt es indes auch der Neuzeit nicht. So zeigt unsere Abbildung ein im Postmuseum zu Berlin befindliches Original eines zusammengewickelten Palmblattes aus Indien, das, mit einer Blattfaser verschlossen, auf der Außenseite die Adresse enthält.

[S. 150]

Gleiche Wandlungen, wie der Stoff, auf den geschrieben wurde, erfuhr im Laufe von Jahrtausenden auch der Verschluß der Briefe. Der einfache Bast, mit welchem der indische Palmblattbrief noch heute verschlossen wird, mag von alters her, sobald man einmal den Gebrauch des Papyrus zu Briefen kannte, das gewöhnliche Verschlußmittel gewesen sein. Später ging man dazu über, die Enden der Schnüre sowohl bei Rollen, als auch bei den Wachstäfelchen mit Thonerde oder Wachs zu verschließen. Der Gebrauch der sogen. Siegelerde war namentlich in Asien heimisch, da nur in Kleinasien eine zu diesem Zwecke taugliche Thonerde gefunden wurde.

Fig. 46. Palmblattbrief.

Im Mittelalter unterschied man zwei Arten von Briefen: literae clausae und literae patentes. Bei den verschlossenen Briefen war das aus Wachs hergestellte Siegel auf dem Briefe selbst angebracht, so daß dessen Inhalt nur nach Erbrechen des Siegels dem Auge zugänglich war. Bei den literae patentes (den offenen Briefen) waren dagegen die Siegel nur angehängt, dienten aber so wesentlich zur Beweiskraft des Schriftstücks, daß schon eine Beschädigung des Siegels hinreichte, die Urkunde ungültig zu machen.

An die Stelle des Wachses trat, wahrscheinlich erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts, der noch jetzt gebräuchliche Siegellack. Er soll aus China stammen und von dort nach Indien gelangt sein, von wo ihn die Portugiesen nach Europa brachten. Erwiesenermaßen ist derselbe in Breslau schon 1561 in Gebrauch gewesen; er scheint indes noch mehr als ein Jahrhundert als eine kostbare Seltenheit gegolten zu haben.

Wegen der umständlichen Behandlung, welche der Siegellack erforderte, griff man nebenbei auch zur Oblate[102], deren Verwendung eine ziemlich verbreitete wurde, doch konnte sie den Siegellack nicht ersetzen. In unserem Jahrhundert ist sie durch die gummierte Siegelmarke aus Papier fast[S. 151] ganz verdrängt worden; aber auch diese weicht jetzt vor den gummierten Briefumschlägen mehr und mehr zurück.

Endlich noch einiges über die Schreibgeräte!

Auf Wachstafeln schrieb man mit Griffeln aus Knochen oder Metall. Sehr früh begann man aber auch schon mit gefärbten Flüssigkeiten zu schreiben, und dazu diente das Rohr, das wie unsere Schreibfedern gespalten und zugespitzt war. Das stumpf gewordene Rohr wurde mit Bimsstein wieder geschärft. Später trat an Stelle des Rohrs die Kielfeder, deren Gebrauch schon im fünften Jahrhundert sich nachweisen läßt; allgemein in Gebrauch kam dieselbe erst im neunten Jahrhundert. In unserer Zeit hat die Kielfeder wiederum der Stahlfeder Platz gemacht[103]. — Die Tinte der Alten bestand meist aus Leimwasser, das mit Ruß gerührt wurde, oder aus dem Saft der Maulbeeren oder aus dem Blute des Tintenfisches. Doch müssen dieselben auch schon den Gebrauch von Metallsalzen bei Anfertigung ihrer Tinten gekannt haben, da man bei vielen griechischen und römischen Manuskripten, die durch Radierungen undeutlich geworden waren, den Text durch Behandlung mit Reagentien auf vitriolhaltige Stoffe wiederhergestellt hat. Im Mittelalter waren in den meisten Fällen die Hauptbestandteile der Tinte, wie noch heute, Galläpfel und Vitriol.

2. Die Freimarke. Die Geschichte der Freimarke reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück[104]. Nach dem Berichte des Chronisten Pellisson-Fontanier wurde nämlich von Ludwig XIV. im Jahre 1653 dem Maître des requêtes (Staatsrat, Berichterstatter über Bittschriften) Vélayer das Privilegium erteilt, in den verschiedenen Stadtteilen von Paris Briefkästen aufstellen und die in dieselben eingelegten, an Einwohner der Stadt selbst gerichteten Briefe gegen eine Gebühr von einem Sou bestellen zu lassen. Eben dieser Vélayer war es nun auch, welcher, wie derselbe Chronist des weitern mitteilt, zuerst auf den Modus der vorherigen Erhebung der Gebühr bei Bestellung von Briefen, d. i. die Frankierung kam. Die Entrichtung dieser Gebühr geschah nun in der Weise, daß ein „billet de port payé“, das an bestimmten Stellen zu kaufen war, zur Frankierung verwendet wurde. Als die eigentliche Erfinderin dieser Francobillets des Mr. Vélayer wird indes eine Hofdame, Madame de Longueville, bezeichnet.

Unter den Gründen, welche zu Gunsten der neuen Beförderungsgelegenheit angeführt werden, figurieren zum Teil recht naive. So heißt es z. B.,[S. 152] die neue Einrichtung werde sich sehr bald unentbehrlich erweisen für alle, „welche... verhindert sind, selbst auszugehen, wegen ihres Gesundheitszustandes oder wegen ihrer Gläubiger“; dann für solche, welche in Strafanstalten sitzen oder in Klöstern und Kollegien sich befinden; für Prozeßführende, die mit aller Welt zu thun haben...; ferner für die Herren und Damen bei Hofe, die stets auf den Beinen sind und doch oftmals nicht die Hälfte derjenigen Anstandsverpflichtungen erledigen können, die sie gern erledigen möchten.

Die Entwertung der billets de port payé geschah durch den Absender selbst, indem nur solche Briefe befördert wurden, auf welchen das Billet durch handschriftliche Ausfüllung des Aufgabedatums in dem hierzu bestimmten Vordruck: „port payé, le... jour du mois de... l’an 16...“ für nochmalige anderweite Verwendung unbrauchbar gemacht war.

Wie lange und in welchem Umfange dieser Stadtpostdienst bestanden hat, ist leider nicht bekannt geworden; jedenfalls war er ein Jahrhundert später (1760) gänzlich in Vergessenheit geraten und mit ihm auch die erste Anwendung der Postfreimarke.

Erst im 19. Jahrhundert kam das zur Entrichtung der Postgefälle so einfache und für das korrespondierende Publikum so bequeme System der Postwertzeichen wieder in Anwendung, und zwar gebührt dem Königreich Sardinien das Verdienst, diese Bahn zuerst wieder betreten zu haben. Dort wurden 1819 Postwertzeichen in Form gestempelter, zum Einschlagen der Briefe bestimmter Viertelbogen weißen Papieres ausgegeben. Das Papier selbst trug an den Rändern ringsum den Wasserstempel: „Direzione Generale delle Regie Poste.“ Die Wertstempel, einen blasenden Genius zu Pferde darstellend und in Beträgen zu 15, 25 und 50 Centesimi angefertigt, wurden im nächsten Jahre durch farblose Trockenstempel ersetzt und blieben bis zum Jahre 1836 in Gebrauch.

Dem Vorgange der sardinischen folgte zunächst die englische Postverwaltung, die 1840, zugleich mit Einführung des Penny-Portos, ebenfalls gestempelte Briefumschläge anfertigen ließ, und zwar solche zu einem Penny in Schwarzdruck und zu zwei Pence in Blaudruck. Die für die Aufschrift bestimmte Vorderseite dieser Umschläge trug eine Illustration von Mulready (eine allegorische Verherrlichung des britischen Weltverkehrs) und am Fuße in Druckschrift die Wertbezeichnung „Postage one penny“ oder „Postage two pence“. Einige Monate später wurden die ersten eigentlichen Briefmarken zu einem Penny und zwei Pence ausgegeben. Diese das Bild der Königin Viktoria in braunrotem, beziehungsweise blauem Kupferstich tragenden Marken sind unverändert in Form und Farbe noch heute in Gebrauch.

Ins große wurde die Frankierungsidee in England von Charles Knight und dem Schöpfer des Penny-Portos, Rowland Hill, übertragen.

[S. 153]

Sehr bald folgten dem Vorgange Sardiniens und Englands: 1843 Brasilien, 1844 Genf, 1845 Finnland, 1846 die Union, 1848 Rußland, 1849 Frankreich, Belgien und Bayern, 1850 Österreich, Preußen und Sachsen, und später nach und nach alle jene Staaten, die sich im Besitz eines geregelten Postwesens befanden.

Die Ausstattung der Freimarken ist eine sehr verschiedene. Die Marken Guatemalas z. B. zeigen buntgefiederte Papageien, auf den ägyptischen Wertzeichen sind die Wahrzeichen des alten Pharaonenlandes, Sphinx und Pyramide, angebracht; grimmig blickt der Drache auf den Postmarken Chinas; der geflügelte Hermeskopf ist das Wahrzeichen Griechenlands, und die Negerrepublik Liberia hat ihrem die Republik darstellenden Frauenkopfe die phrygische Mütze aufgesetzt.

Die für die Freimarken jetzt gewöhnlich verwendeten Farben sind: Blau für die zu 25 Centimes (20 Pf.), Rot für die zu 10 Centimes (10 Pf.) und Grün für die zu 5 Centimes (5 Pf.)

Auf dem ganzen Erdenrund existieren gegenwärtig weit über 5000 verschiedene Arten von Postwertzeichen, von denen auf Europa allein ungefähr über 3000 entfallen.

Wie massenhaft der Verbrauch dieser Wertzeichen ist, ergiebt sich aus der Thatsache, daß in Großbritannien und Irland das Gewicht der in einem Jahre ausgegebenen Postmarken rund 2280 Ctr. beträgt[105].

Hier sei auch des Briefmarkensammelns[106] gedacht!

Dasselbe wird seit etwa 20 Jahren systematisch betrieben, und ebensolange ist der Handel mit Briefmarken als vollberechtigtes kaufmännisches Geschäft in Erscheinung getreten. Der Hauptsitz für dieses Gewerbe, das vollauf seinen Mann nährt, ist Paris, wo dasselbe zuerst in dem bekannten Hotel Drouot sein Standquartier hatte. Später wurde für diesen eigenartigen Handel eine förmliche Börse errichtet, die erst in den Tuilerien, dann im Luxembourg abgehalten wurde und zur Zeit in der Avenue Marigny ein blühendes Dasein führt. Hier findet man Briefmarkenhändler und -Liebhaber jeden Alters und Standes von dem Schüler an, der seine Pfennige in einigen billigen Erwerbungen anlegt, bis zu den Grossisten, deren Umsätze in Marken sich nach Hunderten, ja Hunderttausenden beziffern. Neben Paris sind namentlich noch in Brüssel, Berlin, Wien, Leipzig und Breslau mehrere derartige große Geschäfte in Thätigkeit.

Da man in den ersten Jahren nach Einführung der Postwertzeichen nicht daran dachte, die zur Frankierung verwendeten abgestempelten Marken auf[S. 154]zubewahren oder gar zu sammeln, sondern dieselben gewöhnlich achtlos dem Papierkorb überantwortete, von wo sie wohl meist den Weg zum Ofen oder Kamin genommen haben, so sind Exemplare der ersten Emissionen naturgemäß sehr selten geworden. Einzelne solcher seltenen Vögel werden denn auch, ihre Echtheit vorausgesetzt, zu Preisen notiert, die dem Nichtphilatelisten[107] unbegreiflich erscheinen. So wird z. B. die seltenste französische Marke, diejenige zu 1 Frc., Ausgabe 1849, orangegelb, für 150–200 M. verkauft; die erste Ausgabe von Hawaii, mit Ziffern statt Zeichnungen, erzielt, gut erhalten, 800–1000 M.; ebensoviel wird für jede der beiden mit „Reunion“ bezeichneten Marken zu 15 und 30 Cts. bezahlt. Die Perle aller Marken ist indes diejenige der Insel Mauritius vom Jahre 1850; sie wird, ob sie rot oder blau, gut erhalten oder schon vom Zahn der Zeit angenagt ist, wenn sie nur den legalen Stempel trägt, mit mehr als 1000 M. bezahlt.

Es ergiebt sich hieraus, daß die Briefmarken-Liebhaberei recht kostspielig werden kann, wenn der Sammler auf Vollständigkeit seiner Sammlung erpicht ist. Eine leidlich komplette Sammlung kostet mindestens 50000 bis 100000 Frcs.

Große Privatsammlungen sind deshalb selten; die bedeutendste besitzt der Herzog von Galliera, der vor einigen Jahren die Bestände des Markenhändlers Mahé kaufte und diesen Herrn selbst, sowie einen zweiten Markenkenner von Fach als Konservatoren seiner Sammlung anstellte. Die Aufwendungen für letztere sollen bis jetzt schon 1½ Mill. Frcs. betragen. Eine zweite großartige Privatsammlung befindet sich in den Händen des Barons Arthur von Rothschild in Paris; sie soll einen Wert von 200000 Frcs. repräsentieren.

Die Sammlung des Postmuseums in Berlin enthält über 5000 verschiedene Arten von Postwertzeichen, von denen allein in Europa über 2500 ausgegeben wurden. Das Zimmer, in welchem dieselbe untergebracht ist, erfreut sich stets eines außerordentlichen Zuspruchs, wenn die Räume des Museums dem Publikum zugängig sind. „Gefährlich geradezu aber wird der Ansturm,“ wie Ferdinand Hennicke launig sagt, „wenn die Berliner Schulen Ferien haben. Dann marschiert Jung-Deutschland geschlossen in das betreffende Zimmer ein und wankt und weicht nicht von den philatelistischen Schätzen, bis die Glocke den Schluß der Vorstellung verkündet.“

Eines der bedeutendsten Hilfsmittel für den Sammler von Fach ist das Katalog-Album von Arthur Maury, ein mit wirklicher Gelehrsamkeit geschriebenes Buch.

[S. 155]

3. Die Postkarte[108]. Die erste Idee zur Einführung von Postkarten ist von dem jetzigen Leiter des deutschen Reichspostwesens, Staatssekretär Dr. v. Stephan, ausgegangen. Derselbe hatte schon in seiner Dienststellung als Geheimer Postrat beim frühern preußischen Generalpostamte letzterem einen bezüglichen Vorschlag unterbreitet, war aber damit nicht durchgedrungen. Diese Denkschrift datiert vom Oktober 1865. Sie kam in Karlsruhe auf der fünften Postkonferenz zur Sprache und erweckte das besondere Interesse des geistreichen, weitblickenden Sektionsrats Kolbensteiner, des spätern österreichischen General-Post- und Telegraphendirektors. Durch dessen Einfluß und unter der Fürsprache des Professors Dr. Herrmann an der Militärakademie zu Wiener-Neustadt trat die Postkarten-Einrichtung für die österreichisch-ungarische Monarchie am 1. Oktober 1869 ins Leben. Die neuen Karten entsprachen völlig dem von ihrem Erfinder Dr. v. Stephan schon im Jahre 1865 ausgesprochenen Gedanken. Der sofortige Konsum in Österreich stellte sich für ein einziges Quartal auf 2930000 Stück. Deutschland führte die Postkarte im Juni 1870 ein. Die erste Ausgabe der norddeutschen Postkarten fand in Berlin am 25. Juni 1870 statt. Ein wie großes Verlangen nach dem neuen Verkehrsmittel sich geltend machte, und wie sehr dieses einem wirklichen Bedürfnis entsprach, geht daraus hervor, daß die Zahl der allein an diesem einen Tage in Berlin abgesetzten Postkarten 45468 Stück betrug.

Von nah und fern, sogar aus dem Westen Amerikas, gingen dem Generalpostamte nach Ausgabe der ersten Postkarten Danksagungsschreiben zu, mittels deren die Absender ihrer Freude über die neue Einrichtung Ausdruck verliehen. Besonders aber erwies sich die Postkarte im deutsch-französischen Krieg als ein ganz unschätzbares Hilfsmittel, in bündiger und gedrängter Kürze Nachrichten von einem beginnenden Kampfe oder von einer glücklich überstandenen Schlacht in die Heimat gelangen zu lassen. Von den Truppen wurde auch in der That von den Postkarten der umfassendste Gebrauch gemacht. Auf rund zehn Millionen beziffert sich die Zahl der bis Ende Dezember 1870 zwischen den Truppen und den Angehörigen in der Heimat gewechselten Karten. Jeder Postzug führte Massen von Postkarten mit sich, welche zum Teil auf den Schlachtfeldern auf den Rücken der Kameraden geschrieben worden waren, um den Angehörigen in der Heimat sogleich nach den gewaltigen Katastrophen die ersehnten Nachrichten über das Ergehen der Ihrigen zu bringen. Wie manche Thräne der bangenden Ungewißheit ist in jener Zeit durch den Eingang einer Karte getrocknet worden; wie manche verzweifelnde Gattin hat durch sie Trost und Beruhigung gefunden!

[S. 156]

Die französische Regierung der nationalen Verteidigung folgte am 29. September 1870 sofort dem Beispiele Deutschlands; dann kamen nach dem Kriege die französischen Karten wieder in Fortfall, und erst Anfang 1873 wurden sie wieder eingeführt. Luxemburg dekretierte die Postkarten am 1. September 1870, die Schweiz am 23. Juli 1870, Großbritannien am 1. Oktober 1870, Belgien und die Niederlande am 1. Januar 1871, Dänemark am 1. April 1871, Finnland im Juni 1871, Schweden und Norwegen am 1. Januar 1872, Rußland an eben demselben Tage, Spanien verfügte die Postkarten-Einrichtung am 1. Dezember 1873, ebenso Serbien und Rumänien. Italien folgte am 1. Januar 1874, Griechenland 1876, Türkei 1877, Portugal 1878. Zu den einfachen Postkarten kamen bald solche mit Antwortkarten.

Das Reichspostamt hat von Privatpersonen mehrfach Proben erhalten, wieviel auf dies handgroße Blatt Papier geschrieben werden kann. Eine dieser Postkarten enthält, wenn auch mit einiger Mühe, so doch immer noch lesbar, mit Tinte geschrieben, die Gedichte: „Der Gang nach dem Eisenhammer“, „Der Graf von Habsburg“, „Der Handschuh“ und „Das Mädchen aus der Fremde“, was nach der Angabe des Einsenders eine Summe von 4255 Worten darstellt. Ein noch größeres Kunststück aber hat, Zeitungsnachrichten zufolge, ein Korporal in Hermannstadt geliefert, der auf die Rückseite einer einzigen Postkarte 8777 Worte geschrieben haben soll. Wenn diese Ergebnisse schon bei gewöhnlicher Schrift erzielt worden sind, so läßt sich denken, wie viel mehr noch die Postkarte ausgenutzt werden kann, wenn man die Stenographie zu Hilfe nimmt. In dieser Beziehung hat wohl ein englischer Stenograph das denkbar Möglichste geleistet; derselbe brachte es zuwege, auf eine großbritannische Postkarte, die der deutschen noch dazu an Größe nachsteht, 33363 Worte zu schreiben.

Das Reichspostmuseum in Berlin enthält eine Postkarte, welche die Reise um die Welt gemacht hat. Aufgegeben in Chemnitz am 12. November 1878 und zum Zwecke anderweiter Adressierung und sofortiger Weitersendung an die betreffenden auswärtigen Konsulate gerichtet, ist die Karte an ihrem Abgangsort am 11. März 1878, mithin nach 119 Tagen, wieder eingetroffen. Die betreffende Karte nahm ihren Weg über Neapel, Alexandrien, Suez, Shanghai, Nagasaki, Yokohama, San Francisco, Philadelphia, New-York und Queenstown.

Dasselbe Museum enthält auch eine Sammlung aller seit Einführung der Postkarten amtlich ausgegebenen Formulare. Die kleinsten aller Postkarten sind die der Insel Neufundland, welche eine Länge von 11,4 cm bei einer Breite von 7 cm haben. Die deutschen Sind um 3,0 cm länger und 1,8 cm höher. Daß überhaupt die Postkarten aller Länder in ihrer äußern Form so viel wie möglich übereinstimmen, ist eine Folge des Postvertrages, durch welchen festgestellt ist, daß sie eine bestimmte[S. 157] Größe, nämlich 14 cm in der Länge und 9 cm in der Breite, nicht überschreiten dürfen.

Wegen ihrer Ausstattung bemerkenswert sind die ebenerwähnten Postkarten der Insel Neufundland. Die aus weißem Papier hergestellten, mit Randverzierungen geschmückten Formulare tragen in grüner Farbe den Vermerk „Newfoundland“ und „Post-Card“ auf einem netzartigen, fein ausgeführten Untergrunde, welch letzterer von einem aus der linken untern Ecke der Karte ausgehenden und über die ganze Fläche sich ausbreitenden Strahlenbündel durchschossen ist. Einen nicht weniger bunten Anblick gewähren die Karten der Republik Guatemala mit schwarzem Druck auf Chamois-Papier. Sie führen in der Mitte der obern Hälfte ihrer Vorderseite einen Frauenkopf in ovalem Rahmen (mit der Umschrift „¼ Quartillo real“), welcher mit Arabesken von Blätterwerk umgeben ist, und unter dem sich in verziertem Druck die Angabe „Cartas postales de la Republica de Guatemala“ befindet. Ferner sind hier noch die Helgoländer weißen Welt-Postkarten zu 10 Pf. zu erwähnen, welche mit ihrer Umrahmung zusammengeknoteter Taue und ihren aus stiller See aufsteigenden Felsblöcken, die sich zu den einzelnen Buchstaben des Wortes „Helgoland“ zusammensetzen, zugleich bildlich ihren Ursprung von dem kleinen Eilande zur Anschauung bringen. Über „Helgoland“ steht „Union postale universelle“ und links in der obern Ecke das helgoländische Wappen mit einem Wimpel, welcher den Wertstempel von 5 farthings trägt. Daß der Wertstempel in der obern linken Ecke steht, findet man sonst nur bei den Briefkarten von Italien und der Schweiz. Bei denjenigen von Cuba, Guatemala, Portorico und Spanien befindet er sich oben in der Mitte. Alle anderen Briefkarten sind in der rechten obern Ecke gestempelt. Betreffs der Postkarten mit Antwort ist noch erwähnenswert, daß diejenigen von Finnland und Schweden sich von denen anderer Länder dadurch unterscheiden, daß sie nicht an der breiten, sondern an der schmalen Seite gespalten sind.

Seitdem in Deutschland auch die von der Privatindustrie hergestellten Postkarten verwendet werden dürfen, ist den Korrespondenten das denkbar größte Maß von Bequemlichkeit gewährt. In allen größeren Städten stehen gegenwärtig in bedeutenderen Papiergeschäften Postkarten zum Verkaufe, die auf ihrer Rückseite die Mitteilungen für ganz bestimmte Zwecke gleich vorgedruckt enthalten und von den Absendern nur noch mit der Aufschrift zu versehen sind.

Wenn auch vielen der erwähnten Karten eine tiefere Bedeutung nicht zuzumessen ist, so zeigt doch, neben dem wahrhaft riesigen Verbrauch der gewöhnlichen Karten, ihr Vorhandensein und ihre immerhin nicht unbedeutende Benutzung ebenfalls, wie sehr die Postkarte beliebt geworden, und wie die Erwartungen, welche der Erfinder der Postkarte in seiner Denkschrift an sie knüpfte, sich nicht allein erfüllt haben, sondern in Wirklichkeit noch übertroffen wurden.

[S. 158]

Von Nachteil ist der massenhafte Verbrauch von Postkarten nur für die Kunst der „Briefstellerei“; wird sie doch schon jetzt als eine verlorene Kunst beklagt.

Zum Schlusse sei noch erwähnt, wie in den ersten Monaten nach Einführung der Postkarte dieselbe zu tausenderlei üblen und losen Streichen benutzt wurde. Besonders zeigte sich das muntere und lebenslustige Wien anfangs unerschöpflich in der Ausbildung des neuen Genres der „Korrespondenzkarten-Witze“.

4. Die Zeitungen[109]. Zeitungen kennt bereits das Altertum. Das erste Bild einer solchen haben wir in den römischen Annales maximi, und der Urvater aller Journalisten ist der Pontifex maximus. Nicht lange nach Gründung der Stadt Rom nämlich, wahrscheinlich unter Numa, wurde es dem Oberpriester zur Pflicht gemacht, die Chronik, welche er zu führen verbunden war, auf eherne Tafeln zu schreiben und öffentlich auszustellen, so daß jeder aus dem Volke sich über das kürzlich Vorgefallene regelmäßige, vielleicht wöchentliche Kunde einholen konnte, und nicht bloß das Geschehene allein gelangte auf diese Weise zur Veröffentlichung, auch Bestimmungen der Regierung wurden angeschlagen, so daß die annales maximi auch den Charakter einer offiziellen Zeitung an sich trugen.

Wohl durch vier bis fünf Jahrhunderte blieb die ursprüngliche Form unverändert, bis endlich die Abfassung dieser Zeitung mit dem Oberpriester P. Mucius ein Ende nahm und dieselbe durch ein Tageblatt, die Acta populi romani diurna, ersetzt wurde, denen sich unter Cäsar noch die Acta senatus zugesellten.

Das Volk wurde jetzt von den täglichen Vorgängen, namentlich von allen wichtigen Beratungen und Beschlüssen des Senates, in Kenntnis gesetzt, und so sehen wir tatsächlich zu Anfang unserer Zeitrechnung Rom im Besitze von zwei eminent politischen Zeitungen.

Mit dem Eintritt der Kaiserzeit verschmolzen die bisher bestehenden zwei Zeitungen in eine Staatszeitung. Leider blieb uns kein Exemplar derselben erhalten, doch sind wir durch ihr entnommene Anführungen gleichzeitiger Schriftsteller über deren Inhalt genügend unterrichtet. Die Kriegsnachrichten fehlten z. B. niemals. Die Schlachten und Erstürmungen eingenommener Plätze waren ausführlich gegeben. Gladiatorenkämpfe, wunderbare Naturerscheinungen, Volksfeste fanden darin ihre Beschreibung. Der größte Teil der Staatszeitung war aber mit Hofnachrichten gefüllt; Feste und Ceremonien ebenso, wie die Reisen des Kaisers waren ausführlich ge[S. 159]schildert, sein Lob und Preis passenden und unpassenden Orts angebracht. Auch das Inseratenwesen scheint schon bestanden zu haben; denn die Staatszeitung veröffentlichte nicht nur die öffentlichen Versteigerungen und Bauunternehmungen, sondern auch Privatmitteilungen von Sterbefällen, Hochzeitsanzeigen u. s. w. Im wesentlichen stimmte demnach die römische Staatszeitung mit unseren heutigen Blättern überein.

Mit dem Verfalle Roms verfiel auch das Zeitungswesen, und unter den Trümmerhaufen, in welche die wiederholten Einfälle unserer Vorfahren die Stadt verwandelten, wurde und blieb das Zeitungswesen begraben.

Ein schwacher Wiederschein desselben glänzte indes noch einige Zeit hindurch am Hofe von Byzanz, wo sich die Schmeichelei der Höflinge in den Breviaria principum und Registra scribarum ablagerte. Aber auch dieses letzte Aufflackern des Lebensgeistes der Zeitung erlosch, als jene furchtbare Zeit über Europa hereinbrach, die für Jahrhunderte den Boden aller Länder mit Blut tränkte, überall die Schrecken des Krieges und Mordes, der Verwüstung und Zerstörung verbreitete und alle Völker aus ihren Wohnsitzen vertrieb.

Zu einer Neubelebung des Zeitungswesens kam es erst wieder mit der Erfindung der Buchdruckerkunst. Bis auf diese Zeit waren wie im Altertum heimkehrende Krieger oder länderdurchziehende Sänger die Neuigkeitsträger.

Was nun die Anfänge unseres Zeitungswesens betrifft, so haben wir diese in den brieflichen Mitteilungen zu suchen, welche die größeren Kaufleute Augsburgs, Nürnbergs, Hamburgs und anderer Städte durch festbesoldete Korrespondenten von den bedeutendsten auswärtigen Plätzen sich zusenden ließen. Diese Briefe enthielten nämlich nicht bloß Geschäftliches, sondern es waren ihnen auf besonderen Blättern auch politische Nachrichten beigefügt. Die letzteren wurden bald auch gedruckt und als fliegende Blätter in weiteren Kreisen verbreitet. Das älteste derartige bis jetzt bekannte Flugblatt stammt aus dem Jahre 1493. Diese unregelmäßig gemachten Mitteilungen befriedigten indes nicht lange. Die durch die Reformation in Deutschland hervorgerufenen Ereignisse haben das Bedürfnis nach regelmäßig und öfters erscheinenden Blättern geweckt und so deren Entstehung veranlaßt. Die älteste, in regelmäßigen Fristen herausgegebene Zeitung in deutscher Sprache ist 1609 in Straßburg i. E. erschienen[110]. Ihr Titel lautet wie folgt:

„Relation aller Fürnemmen und gedenkwürdigen Historien, so sich hin und wider in Hoch und Nieder Teutschland, auch in Frankreich, Italien, Schott und Engelland, Hispanien, Hungarn, Polen, Siebenbürgen, Wallachey, Moldaw, Türkey etc. Inn diesem 1609. Jahr verlauffen und zutragen[S. 160] möchten. Alles auff das trewlichst, wie ich solche bekommen und zu wegen bringen mag, in Truck verfertigen will.“

Als zweitälteste deutsche Zeitung ist die von Egenolf Emmel 1615 herausgegebene Frankfurter Zeitung zu betrachten. Die drittälteste Zeitung Deutschlands begründete 1617 der Frankfurter Postmeister von den Birghden. In demselben Jahre erschienen noch eine Zeitung in Berlin und die „Frankfurter Postavisen“. Aus dem Jahre 1618 stammt der „Fuldaische Postreiter“. Die älteste Zeitung, die in Nürnberg erschienen und uns erhalten ist, trägt die Jahreszahl 1620, und die erste Zeitung, die von Hamburg ausgegangen, gehört in das Jahr 1631. In Wien sollen gleichfalls schon frühe Zeitungen entstanden sein, doch datieren die aus frühester Zeit noch erhaltenen Zeitungsexemplare erst aus dem dritten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Die ersten Zeitungen in München wurden wohl 1628, beziehungsweise 1629 ausgegeben; sie heißen „Wöchentliche Ordinari-Zeitungen“, beziehungsweise „Ordentliche Wochentliche Postzeitungen“. Auch in Köln gab es im Jahre 1636 eine Zeitung, die den Titel führte: „Wochentliche Postzeitungen“.

Die bis jetzt angeführten Zeitungen waren nur Wochenblätter. Die erste täglich erscheinende Zeitung kam 1660 in Leipzig zur Ausgabe. Der Titel der ersten Nummer ist folgender: „Erster Jahr Gang der Täglich neu umlauffenden Kriegs- und Welthändel oder zusammengetragene unparteyliche Nouvelles Wie sich die Im Jahr 1660 in und außer der Christenhait begeben und Von Tagen zu Tagen in Leipzig schriftlich einkommen In guter Ordnung und einem vornemlichen Stilo nebst einem Register unter Churfl. Durchl. zu Sachsen gnädigsten Freiheit also colligirt von Thimotheo Hitzschen. Lips. Not. P. C.“

Was das Erscheinen von Zeitungen außer Deutschland betrifft, so wurden solche zuerst zu Venedig seit 1536 als handschriftliche Notizen, notizie scritte, herausgegeben, und zwar aus Anlaß des Krieges dieser Republik mit der Türkei. Gegen Zahlung einer Gazzetta[111], einer Scheidemünze, konnten diese Blätter an öffentlichen Orten gelesen werden. In London erschienen auf Befehl Lord Burleighs beim Herannahen der Armada (1588) die ersten Zeitungen. Die erste regelmäßige wöchentliche Zeitung aber kam in England erst seit 1622 zur Ausgabe. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts erschienen in England: Die Londoner Post, das Paketboot aus Holland, die fliegende Post, der alte Postmeister, der Postillon, der Postreiter. Diese Namen beweisen zugleich, in welch engem Zusammenhang das Zeitungswesen und die Post von Anfang an gestanden. In der That konnte ja eine Zeitung überhaupt erst regelmäßig erscheinen, seit es[S. 161] regelmäßige Postverbindungen gab und Nachrichten aus den verschiedenen Orten zu bestimmten Zeitpunkten eintrafen. Die enge Verbindung von Post und Zeitungswesen zeigt sich übrigens auch darin, daß Postmeister vielfach als Herausgeber von Zeitungen auftraten, so z. B. der schon erwähnte Postmeister von den Birghden in Frankfurt; ja der Name Postmeister wird sogar ganz gleichbedeutend mit „Zeitungsschreiber“ gebraucht, so in Stielers Abhandlung „Zeitungslust und Nutz“ (1695). In Frankreich kennt man die ersten Blätter erst seit 1621.

Als die älteste gedruckte und regelmäßig ausgegebene Zeitung gilt die in Peking noch jetzt erscheinende Staatszeitung Sin-Pao (Neue Nachrichten).

Nach Mulhall[112] erschien die erste Zeitung

    im Jahre
in Großbritannien 1622
Skandinavien 1644
Spanien 1704
Rußland 1714
Holland 1757
Belgien 1764
der Union 1704
Spanisch-Amerika 1728
Westindien 1731
Canada 1765
Brasilien 1780
Indien 1781
der Türkei 1797
Australien 1803
Afrika 1824
auf den Sandwich-Inseln 1835

In neuester Zeit hat das Zeitungswesen einen ganz außerordentlichen Aufschwung genommen. Für Deutschland läßt sich dies aus nachstehender Übersicht über die in die Zeitungspreisliste der deutschen Reichspost aufgenommenen Zeitungen und Zeitschriften entnehmen.

Jahr. Gesamtzahl der
aufgenommenen
Zeitungen.
Zunahme
in
Prozenten.
Von der Gesamtzahl der Zeitungen erschienen
in den Ländern
des jetzigen Reichs-
postgebietes.
in Bayern
u. Württem-
berg.
in anderen
Ländern.
1823  474  243  41  190
1833 1159 140  646  67  446
1843 1310  13  788  71  451
1853 1751  34 1074 100  577
1863 2763  58 1642 148  973
1873 5579 102 2730 511 2338
1883 8529  53 4192 730 3607
1885 8925

1873 wurden im deutschen Reichspostgebiete durch die Postanstalten 248154482 Zeitungsnummern vertrieben. Für das Jahr 1884 stellt sich dieser Verkehr nach der Berner Statistik auf über 489 Mill. Nummern.

[S. 162]

Das bedeutendste Postzeitungsamt der Welt ist das von Berlin. Es werden durch dasselbe jährlich über 90 Millionen Zeitungsexemplare expediert. Der tägliche Versand beläuft sich auf 244000 Nummern, welche täglich an 4721 Postanstalten in 10566 Paketen mittels 448 Zeitungssäcken auf 46 Postfahrzeugen zur Eisenbahn befördert werden[113].

Die journalistisch produktivste Stadt der Welt ist in absoluter wie relativer Hinsicht Paris. Hier werden über 1500 Journale gedruckt, und auf 1000 Einwohner entfallen über 600 Exemplare.

Die Zahl der dermalen auf der Erde erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften wird auf rund 40000 geschätzt. Nach Erdteilen und Ländern verteilt, kommen in runder Summe auf

Europa 20000
Deutschland  5500
England  4000
Frankreich  4000
Italien  1500
Österreich-Ungarn  1200
Spanien   850
Rußland   800
Amerika 13600
Vereinigte Staaten 12900
Britisch Nordamerika   700
Asien  3000
Japan  2000
Australien   700
Afrika   200

Das zeitungsreichste Land der Erde ist hiernach die Union; ihr kommt zunächst Deutschland.

Ordnet man sämtliche auf der Erde erscheinenden Zeitungen nach den Sprachen, so finden wir in erster Reihe 16500 englische Publikationen, sodann 7800 deutsche, 6850 französische, 1600 spanische.

Das verbreitetste Blatt der Welt ist „Le petit Journal“ in Paris. Nach dem Rechenschaftsbericht der Gesellschaft für 1885 beträgt die Auflage 825000 Exemplare; gegenwärtig wird die Zeitung sogar in 886000 Nummern gedruckt, und an manchen Tagen erreicht die Auflage die Ziffer von einer Million. Die Aktionäre empfingen pro 1885 17% Dividende. Dann folgen nach der Zahl der Abonnenten zwei englische Zeitungen: „Daily Telegraph“ mit 265000 und „Standard“ mit 250000 Abonnenten. Letzteres Blatt zählt jedenfalls auch zu den bestrentierenden; denn pro 1883 soll es volle 100000 Pfd. St., also rund 2 Mill. M. Reingewinn abgeworfen haben. Der New-Yorker „Herald“ hat eine Auflage von 190000 Exemplaren.

Von den deutschen Zeitschriften werden gedruckt die „Modezeitung“ in 344000, die „Gartenlaube“ in 260000, „Über Land und Meer“ in 150000, „Der Bazar“ in 100000, „Daheim“ in 90000, die „Illustrierte Welt“ in 107000, „Schorers Familienblatt“ in 75000, „Vom[S. 163] Fels zum Meer“ in 60000 Exemplaren; auch humoristische Blätter brachten es auf eine hohe Zahl von Abonnenten: „Ulk“ auf 80000, „Fliegende Blätter“ auf 52000, „Kladderadatsch“ auf 40000.

Die nördlichste Zeitung der Erde erscheint in Hammerfest, 70° 63′ n. Br. — der „Hammerfestposten“, — und die südlichste in Dunedin auf Neuseeland, 45° s. Br. — „The Otago Daily“. In Kokomo bei Leadville (Staat Colorado) aber, 11860′ hoch, wird die höchste Zeitung gedruckt; sie trägt deshalb mit Stolz die Bemerkung an ihrem Kopf: „Published at a higher altitude then any other paper.“


Anhang.
Die finanziellen Ergebnisse des Postbetriebs

in den wichtigsten europäischen und außereuropäischen Staaten im Jahre 1884[114].

Länder. Einnahmen
in Franken.
Ausgaben
in Franken.
Mehr-Einn.
in Franken.
Minder-Einn.
in Franken.
Belgien  13913034.35   9160813.73  4752220.62
Dänemark   5991960.76   5422095.30   569865.46
Deutschland 233466422.14 200057079.26 33409342.88
Frankreich 162532411.15 134695101.30 27837309.85
Großbritannien
 und Irland
197660150.— 132930325.— 64729825.—
Italien
Niederlande  11368766.89   8692847.93  2675918.96
Norwegen   2951155.24   3026378.01    75222.77
Österreich  61873153.—  51024270.— 10848883.—
Portugal   3442379.39   3481051.80    38672.41
Rumänien   3981098.25   3268708.31   712389.94
Rußland  64470416.—  69938864.—  5468448.—
Schweden   8708900.—   7724100.—   984800.—
Schweiz  17329455.96  15808293.38  1521162.58
Spanien
Ungarn  21107567.30  16486731.42  4620835.88
Vereinigte Staaten
 v. Amerika
228235749.37 249031986.72 20796237.35
Canada  11653706.90  14656939.—  3003232.10
Brasilien   4330021.35  17288575.69 12958554.34
Argentinien   2904154.65   3382296.20   478141.55
Chile   1942122.50   1884900.10    38672.41
Britisch-Indien  26193000.—  26173625.—    19375.—
Niederländisch-
 Indien
  1650950.84   4261522.09  2610571.25
Ägypten   2743262.64   2176442.10   566820.54
Algier und Tunis   3661613.18   4136669.06   475055.88

[S. 164]

III.
Eisenbahnen.

Erstes Kapitel.
Geschichte der Eisenbahnen[115].

Die Geschichte der Eisenbahnen gliedert sich in die Geschichte der Spurbahn und in die Geschichte der Lokomotive. Verfolgen wir zunächst die Geschichte der Spurbahn!

Die ersten Anfänge der Spurbahn reichen bis in das graueste Altertum zurück. Schon im Lande der Pharaonen gab es meilenweit ausgedehnte, mit vertieften Geleisen versehene Steinbahnen, auf denen die Materialien zum Bau der Pyramiden herbeigeschafft wurden. Auch findet man deutliche Reste solcher Bahnen in den Ruinen von Palmyra und Baalbek und in der Umgegend von Cyrene; letzteres war mit vielen, heute in Trümmern liegenden Städten der libyschen Wüste durch derartige Verkehrswege verbunden. Eine besonders große Verbreitung hatten die Bahnen mit feststehenden Geleisen oder die Spurbahnen in Griechenland, und zwar dienten dieselben hauptsächlich als Tempelstraßen, welche von den Prozessionen, den heiligen Wagen und den Opferfuhrwerken benutzt wurden. Diese Bahnen waren sogar mit Ausweichestellen versehen, was sich an den noch erhaltenen Geleisen beim Cerestempel zu Eleusis deutlich erkennen läßt. Gleich den Griechen hatten auch[S. 165] die Römer derartige Kommunikationsmittel, wie die bei Pompeji gefundenen Steinbahnen zeigen. Späterhin traten an Stelle derselben die breiten ebenen Heerstraßen, auf welchen die gewaltigen Legionen des Weltreiches sich bewegten.

Nach der Völkerwanderung gerieten die alten Kunststraßen mehr und mehr in Verfall, und innerhalb des langen Zeitraums, welcher die Kreuzzüge, die Blüte der Hansa, Genuas und Venedigs und die Eroberung Amerikas umfaßt, war der Verkehr hauptsächlich auf die Wasserstraßen angewiesen. Es gab während dieser Zeit, abgesehen von den Schöpfungen der dem Untergang geweihten amerikanischen Kultur, den Heereswegen der Azteken und der Inkastraße auf dem Rücken der peruanischen Anden, kein einziges wirkliches Kunststraßen-System.

Den ersten Anfängen eines verbesserten Wegebaues begegnen wir neuerdings erst gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in den deutschen Bergwerken, in denen die Spurbahn in anderer Gestalt, und zwar als Holzbahn, wieder auftauchte. Diese Holz- oder Riegelbahn diente zur Beförderung der Erze aus den Gruben und bestand aus parallel liegenden starken Balken, welche auf Querhölzern ruhten. Da aber die hölzernen Balken, auf denen die Erzkarren geschoben wurden, sich schnell abnutzten, ging man bald dazu über, diese Holzschienen an den Krümmungen und an anderen der Abnutzung besonders ausgesetzten Stellen mit Bandeisen zu beschlagen, welche unter dem Namen „Reibeisen“ bereits in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts sehr gebräuchlich waren.

Von Deutschland gelangten die Holzschienen vermutlich schon zur Zeit der Königin Elisabeth, welche zur Hebung des britischen Bergbaues deutsche Bergleute berief, nach England. Nachweisbar wurde diese Einrichtung in dem genannten Lande erst vom Jahre 1620 benutzt, und zwar in den Steinkohlen-Bergwerken von Newcastle upon Tyne. Nach deutschem Vorgange sah man sich auch in den englischen Bergwerken bald genötigt, die hölzernen Schienen zur Vermeidung der schnellen Abnutzung mit Eisenstreifen zu benageln.

Derartige hölzerne Spurbahnen mit Eisenstreifen mußten anderthalb Jahrhunderte genügen, bis ein Zufall zur Verwendung von Schienen, die ganz aus Eisen hergestellt waren, Anlaß geben sollte. Als nämlich im Jahre 1767 die Eisenpreise außerordentlich niedrig standen, ließ das große Eisenwerk Colebrook-Dale den unverkäuflichen Eisenvorrat in Ermanglung einer bessern Verwertung in konkave Platten gießen und einstweilen an Stelle der Holzschienen auf eine Spurbahn legen, bis sich Gelegenheit zu günstigerem Verkaufe böte. Die neue Bahn bewährte sich indes derart, daß sie auch nach dem Wiedereintritt besserer Konjunkturen beibehalten wurde. Auf diese Weise sind die Eisenbahnen entstanden. Da jedoch die gußeisernen Platten sich als unvollkommen und zu kostspielig erwiesen, so ersetzte man dieselben später durch schmale, auf hölzernen Unterlagen ruhende gußeiserne[S. 166] Schienen. In dieser verbesserten Gestalt fanden dann die Eisenbahnen in dem Bergbau und dem Fabrikbetriebe Englands eine große Verbreitung. Auch in dem weniger eisenreichen Deutschland wurden in einzelnen Bergwerken, wie z. B. in der Grube Dorothea bei Klausthal, eiserne Schienenwege angelegt. Im allgemeinen verhielt man sich jedoch in unserem Vaterlande mißtrauisch gegenüber der Neuerung, und die Probeversuche tüchtiger Ingenieure fanden bei den Regierungen keine Unterstützung. Die wichtigeren Verbesserungen, welche in dieser Zeit an den Eisenbahnen vorgenommen wurden, rühren daher ausschließlich von Engländern her. So hat Benjamin Curr, von dem, nebenbei bemerkt, auch die Spurweite (1,436 m oder genau 5 engl. Fuß) unserer modernen Bahnen stammt, im Jahre 1776 an der Peripherie der Räder einen vorstehenden Rand angebracht, um hiedurch das Abgleiten derselben von den Schienen zu verhindern. Einen neuen Fortschritt bahnte dann Outram an, indem er steinerne Blöcke oder Tragsteine als Unterlagen statt der hölzernen Langschwellen in Verwendung brachte, so daß die Schiene innerhalb fester Stützen zu einer freischwebenden wurde.

Das Gußeisen erwies sich indes wegen seiner Sprödigkeit als Schienenmaterial nicht sehr geeignet; es war daher ein weiterer bedeutender Schritt in der Entwicklung der Eisenbahn, als 1805 Nixon auf der Walbottle-Grube Versuche mit schmiedeisernen Schienen machte; und als 1820 John Berkinshaw auf dem Bedlington-Eisenwerke bei Durham das Walzen der Schienen erfand, war die Grundlage für die Oberbausysteme der Eisenbahnen gegeben.

Fig. 47. Der Dampfwagen Cugnots.

Wenden wir uns nun zur Geschichte der Lokomotive!

Der erste, welcher die Möglichkeit, Vehikel mittels des Dampfes in Bewegung zu setzen, erfaßte, war Savery. Eine ähnliche Idee hatte ein Jugendfreund und Studiengenosse Watts, der Glasgower Student Robison. Unabhängig von ihnen hatte der Franzose Cugnot einen Dampfwagen konstruiert (Fig. 47, S. 166), der bereits die Rudimente der nachmaligen Lokomotive enthielt. Das merkwürdige Vehikel, das dermalen im Conservatoire des arts et des métiers zu Paris aufbewahrt wird, und das nachweislich die älteste Form der Lokomotive ist, lief zum erstenmale 1769 in den Straßen von Paris. Die Erfindung machte begreiflicherweise großes Aufsehen, aber schon gelegentlich der ersten Probefahrt rannte Cugnots Maschine eine Mauer ein, bei der zweiten stürzte sie vollends um und zerschellte. Da sich infolgedessen die öffentliche Meinung gegen ein so gefährliches Fortbewegungsmittel erklärte, so wanderte die „erste Straßenlokomotive, welche die Welt geschaut“, in die — Raritätenkammer. 1784 hatte auch James Watt ein Patent auf bewegliche Dampfmaschinen zur Fortschaffung von Wagen auf Eisenbahnen genommen; die Idee führte aber nicht Watt, sondern sein Schüler Murdoch aus, welcher in seiner Heimat Redruth in Cornwall das Modell eines Dampfwagens konstruierte, der die bedeutende Geschwindigkeit von[S. 167] 6–8 englischen Meilen per Stunde erreichte. Indes geschah weder durch Watt noch durch Murdoch irgend etwas in größerem Maßstabe, da beide mit dem Bau und der Einführung anderer Maschinen übergenug zu thun hatten. Der erste, welcher die Dampfkraft zum Fortziehen schwerer Lasten auf Schienenwegen benutzte, war Richard Trevithick. Er war wie Murdoch aus Redruth in Cornwall gebürtig und von der Natur mit allen Eigenschaften eines geschickten Mechanikers ausgestattet. Schon 1801 hatte er mit einem von ihm gebauten Dampfwagen (Fig. 48) die Bewohner des Städtchens Camborne an der äußersten Westspitze von Cornwall in gewaltige Aufregung[S. 168] versetzt, aber erst 1804 vollendete er die erste wirklich brauchbare Lokomotivmaschine. Auf der Eisenbahn von Merthyr Tydfil in Wales setzte er sein Vehikel in Bewegung, und zwar in der ersten Februarwoche des genannten Jahres. Es war die erste Lokomotivfahrt auf fixierter Spur. Die Wichtigkeit der Sache wurde indes nur von wenigen Geisteskämpfern erkannt. Ja Trevithick selber ward durch eine Reihe von Mißhelligkeiten genötigt, die betretene Bahn zu verlassen. Später weilte er mehrere Jahre in Südamerika, aber auch hier geriet er durch verschiedene Zwischenfälle in die bitterste Not. 1833 beschloß er in England im Alter von 62 Jahren in äußerster Armut seine Tage. Sein Mangel an Ausdauer machte sein ganzes Leben, wie Smiles sagt, nur zu einer Reihe von Anfängen.

Fig. 48. Dampfwagen, konstruiert von Trevithick.

Die Ideenreihe, welche Männer wie Cugnot, Murdoch und Trevithick repräsentieren, fand ihre Entwicklung und schließliche Vereinigung zu einer Gesamtheit durch Georg Stephenson, den Schöpfer der Lokomotiv-Eisenbahn.

Fig. 49. Georg Stephenson.

Georg Stephenson erblickte das Licht der Welt am 9. Juli 1781 zu Wylam, einem kleinen, von Kohlenbergleuten bewohnten Dörfchen in der englischen Grafschaft Northumberland. In einer elenden Lehmhütte mit unbeworfenen Wänden und nackten Dachbalken stand seine Wiege. Sein Vater war Heizer an der Dampfpumpe einer Kohlengrube mit einem Wochenlohn von 12 Schillingen (= 12 R.-M.). Die Familie war überdies zahlreich. In seinem achten Jahre wurde Georg Kuhhirt, was ihm täglich 2 Pence (ca. 16 Pf.) einbrachte. Schon damals aber verwendete er seine Mußestunden dazu, aus Thon Maschinen zu kneten und in den Bächen kleine Mühlen[S. 169] aufzustellen. Nebenbei lernte er auch mit Pferden umgehen, was ihm in der Folge den Posten eines Pferdelenkers mit 8 Pence Tagelohn verschaffte. Im 14. Jahre wurde er seinem Vater als Hilfsheizer zugeteilt; bald aber rückte er zum Maschinenwärter vor und erhielt hierdurch Gelegenheit, die Dampfmaschine in allen ihren Teilen kennen zu lernen. Das theoretische Studium blieb ihm jedoch verschlossen, da er nicht lesen konnte. Er war 18 Jahre alt, als er das Abc lernte, und im 19. Jahre, als er seinen Namen zum erstenmal schrieb. Das Rechnen kam noch später an die Reihe. Fleiß und Energie füllten aber rasch die bezüglichen Lücken aus. Letztere zeigt sich besonders darin, daß der unter Grubenarbeitern aufgewachsene Jüngling noch nach zwölfstündiger harter Tagesarbeit mit größtem Eifer die Nachtschulen besuchte. Als er Bremser geworden war, nahm er seine Wohnung in Willington Quay und gründete hier mit einem wöchentlichen Einkommen von 18–20 Schilling (18–20 M.) einen eigenen Hausstand. Aber nicht lange dauerte sein häusliches Glück. Nach drei Jahren schon starb ihm seine Frau. Stephenson übergab nun seinen Sohn Robert — nachmals der größte Eisenbahntechniker seiner Zeit — der Pflege wackerer Nachbarsleute und zog nach Schottland. Nach einem Jahre aber kehrte er von da wieder zurück, um Sohnespflicht an seinem inzwischen erblindeten Vater zu üben. Von nun an die einzige Stütze seiner Eltern, ging er mit ihnen Tagen bitterer Not entgegen, da die Stellung eines Ersatzmannes zum Militärdienst seine letzten Ersparnisse aufgezehrt hatte. Schon wollte er nach Amerika auswandern, um sich dort eine neue Existenz zu gründen, als ihn ein unerwarteter Umstand zu Ehren bringen sollte.

1810 war von den Grubenpächtern nächst Killingworth eine neue Zeche abgeteuft und zum Zwecke des Wasserauspumpens eine sogen. Newcomensche Maschine aufgestellt worden. Diese leistete jedoch nicht, was[S. 170] man erwartete, und ließ die erfahrensten Ingenieure ratlos. Da war es Stephenson, der binnen drei Tagen die Maschine gründlich umänderte und reparierte, so daß dieselbe zur vollsten Zufriedenheit arbeitete. Infolgedessen wurde derselbe in Killingworth mit einem Jahresgehalt von 100 Pfd. St. als Aufseher über sämtliche Maschinen in den von den Unternehmern in Pacht genommenen Kohlenwerken angestellt. In dieser seiner neuen Stellung hatte er mehr Freiheit als in den früheren; er arbeitete daher von jetzt an ganz systematisch an seiner eigenen Ausbildung und jener seines Sohnes Robert. Mit höchstem Interesse verfolgte er besonders alle Versuche einer Verbesserung der Lokomotive, und solche wurden in den Jahren 1804 bis 1814 in großer Zahl gemacht, so von Blenkinsop, der das Zahnradsystem ersann, von Jonathan Foster, von Chapman, Brunton u. a. Veranlaßt waren alle diese Bemühungen durch die von den Technikern der damaligen Zeit gehegte Meinung, daß die Reibung der glatten Wagenräder auf den Schienen nicht ausreiche, um mit schwer beladenen Wagenzügen größere Steigungen zu überwinden. Im Winter von 1813 auf 1814 ging nun Stephenson selbst daran, seine erste Lokomotive zu bauen. Nach zehn Monaten war sie vollendet; am 25. Juli 1814 versuchte sie ihre Kraft zum erstenmale auf der Killingworther Bahn. Die Maschine, die den Namen des großen deutschen Feldherrn Blücher trug und mit glatten Rädern auf glatten Schienen lief, zog bei einer Geschwindigkeit von vier englischen Meilen in einer Stunde acht Wagen mit dem Gesamtgewicht von 30 t (30000 kg). Die Konstruktion erwies sich übrigens noch ziemlich mangelhaft. Deshalb beschloß Stephenson, eine zweite Maschine nach einigermaßen verändertem Plane zu konstruieren, und ließ sich den Entwurf derselben im Februar 1815 patentieren. Diese Maschine zeigte sich auch in der That um vieles wirksamer als die erste.

1821 wurde Stephenson Bauleiter der Stockton-Darlington-Bahn, welche die Kohlenschätze der Grafschaft Durham mit der Nordsee zu verbinden bestimmt war. Noch ahnte niemand, Stephenson ausgenommen, daß hier die Dampfkraft an Stelle der Pferdekraft treten werde. Indes überzeugte sich Peace, einer der bedeutendsten Aktionäre, durch eine sorgfältige Prüfung der Maschinen von Killingworth vollkommen von dem Nutzen ihrer Anwendung, so daß er Stephenson eifrigst unterstützte. Am 22. Mai 1822 ward die erste Schiene gelegt, im darauffolgenden Jahre in Newcastle eine kleine Lokomotivfabrik erbaut, und am 27. September 1825 fand die Eröffnung der ersten Spurbahn mit Personenbeförderung statt. Die Maschine Nr. 1 — es waren deren drei bestellt worden — bewältigte eine Zuglast von 90 t mit einer Geschwindigkeit von 12, zuweilen sogar 15 englischen Meilen pro Stunde; befördert wurden 450 Personen. So bezeichnet die Eröffnung der Stockton-Darlington-Bahn eine neue Epoche des Verkehrswesens. Zunächst blieben allerdings für die[S. 171] Personenwagen noch eine Zeitlang die Pferde in Gebrauch; aber für den Kohlentransport wurden die von Stephenson gebauten Lokomotiven bereits dauernd verwendet.

Fig. 50. Eröffnung der Stockton-Darlington-Eisenbahn.

Um die Zeit, als man mit dem Bau der Stockton-Darlington-Bahn begann, wurde auch eine Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Knotenpunkten des englischen Handels, Manchester und Liverpool, projektiert. Die diesbezügliche Bill war im Parlament auch durchgegangen trotz aller Gegenanstrengungen der feindlichen Partei. In jenen Tagen stellte Stephenson, der auch hier auf Einführung der Lokomotive statt des Pferdebetriebes drang, die Behauptung auf, „er könne eine Lokomotive mit einer Geschwindigkeit von 20 Meilen pro Stunde bauen“. Diese Äußerung veranlaßte die berühmt gewordene Erwiderung in der englischen Zeitschrift „Quarterly Review“: „Was kann wohl handgreiflich lächerlicher und alberner sein, als das Versprechen, eine Lokomotive für die doppelte Geschwindigkeit der Postkutschen zu bauen? Ebensogut könnte man glauben, daß die Einwohner von Woolwich sich auf einer Congreveschen Rakete abfeuern ließen, als daß sie sich einer solchen Maschine anvertrauen würden!“

Fig. 51. Stephensons „Rocket“.

Der Bau der Bahn wurde endlich begonnen, und zwar fungierte hierbei Georg Rennie als beratender und Stephenson als oberster ausführender Ingenieur. Letzterer entwarf sämtliche Details der Linie, zeichnete die Maschinen, die Brücken, die Drehscheiben, die Weichen, die Kreuzungen und war für jeden Teil der Anlage verantwortlich. Als der Bau sich seinem Ende näherte und die Frage hinsichtlich der anzuwendenden Betriebskraft immer mehr zur Entscheidung drängte, trat Stephenson neuerdings nachdrücklichst für die endliche Einführung des Lokomotivbetriebs ein; aber erst, nachdem heftige Debatten im Schoße der Direktion der Bahn stattgefunden,[S. 172] wurde beschlossen, es mit der Lokomotive zu versuchen. Am 25. April 1829 wurde von dem Direktorium der Liverpool-Manchester-Bahn eine Belohnung von 500 Pfd. St. für eine Lokomotiv-Maschine ausgesetzt, die ihr dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 10 englischen Meilen (15 km) in der Stunde ziehen, auf Federn ruhen und nicht mehr als 550 Pfd. St. kosten sollte. Als Tag der Probe wurde der 6. Oktober festgesetzt. Vier Lokomotiven erschienen auf dem Kampfplatze: die „Novelty“ des Maschinenbauers Braithwaite, die „Sanspareil“ von Hackworth, einem ehemaligen Werkführer Stephensons, die „Rocket“ von Stephenson und die „Perseverance“ von Burstall. Die Wettfahrten fanden bei Rainhill, 15 km östlich von Liverpool, statt. Hierbei gewann nun Stephensons Maschine, deren Princip in allen Hauptteilen das noch heute gebräuchliche ist, nicht nur den Preis, sondern übertraf die gestellten Bedingungen beträchtlich, indem sie ihr fünffaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 20 englischen Meilen (30 km) zog. Als der Preis dem Sieger zuerkannt war, unternahm Stephenson, nun aller einschränkenden Verhaltungsmaßregeln ledig, eine Schlußfahrt mit der unerhörten Geschwindigkeit von 35 englischen Meilen (ca. 52 km) in der Stunde! Das war ein Erfolg, der selbst die kühnsten Erwartungen übertraf. Mit Recht sagt daher v. Weber: „Mit den Tagen von Rainhill war der eigentliche Schöpfungsakt des Eisenbahnwesens geschlossen. Was von nun an geschehen im[S. 173] Bereiche der Technik des Eisenbahnwesens, das war Ausbildung, Vervollkommnung, Verstärkung, Entwicklung von Keimen, die fast alle schon in Stephensons großer Schöpfung enthalten waren.“

Unverzüglich wurde nun die erforderliche Anzahl von Lokomotiven für die Liverpool-Manchester-Bahn beschafft, und im September 1830 ward die Linie in aller Form dem Verkehre übergeben. Es war ein Nationalfest, an dem sich nicht nur das Volk, sondern auch der Adel, hervorragende Politiker, die Repräsentanten der Regierung, der Kunst und Wissenschaft, kurz alles, was England an hervorragenden Geistern besaß, beteiligte. 600 Passagiere bestiegen den nach Manchester abgehenden Zug, der zeitweilig 20 bis 25 Meilen die Stunde zurücklegte. Die Volksmasse, die sich längs der Bahnlinie aufgestellt hatte, jauchzte dem seltsamen und für sie unbegreiflichen Schauspiele zu, und die Erzählung von den wunderbaren Leistungen, die an jenem Tage auf der neuen Bahn erreicht wurden, erfüllte das ganze Land und beschleunigte die allgemeine Einführung des neuen Verkehrssystems.

In den folgenden Jahren widmete Georg Stephenson seine ganze Zeit dem Bau der Eisenbahnen und der Verbesserung der Lokomotive. Hierbei wurde er von seinem Sohn Robert unterstützt, dem er schließlich auch sein Geschäft übergab; er selbst zog sich nach Tapton House an der Midlandbahn zurück und verbrachte hier den Rest seines Lebens.

Am 12. August des Jahres 1848 starb er, 67 Jahre alt, von allen geehrt und im Besitze eines unsterblichen Ruhmes. Kurz nach seinem Tode wurden ihm in Liverpool, Newcastle und London Bildsäulen errichtet. Das herrlichste Denkmal aber ist jenes, das er selbst durch seine menschenfreundlichen Stiftungen sich gesetzt hat, besonders durch ein wohlorganisiertes Versorgungssystem zum Besten seiner Arbeiter.

Überhaupt ist Stephensons Charakter nach jeder Seite hin gleich bewunderungswürdig. Ernst, schlicht und rechtlich gesinnt, mutig, unerschütterlich und von andauerndstem Fleiße, dabei launig, freundlich und mildherzig, war er ein Mensch, dessen Andenken noch lange lieb und wert gehalten werden wird, und dessen Beispiel noch in künftigen Zeiten die Jugend zu ernster Anstrengung und löblichem Ehrgeiz aneifern wird.

1830 wurde, wie erwähnt, die Liverpool-Manchester-Bahn dem Verkehre übergeben, und 10 Jahre später waren schon die Hauptstädte Englands sämtlich durch Eisenbahnen verbunden. Dieselbe Begeisterung für den Bau von Lokomotiveisenbahnen griff nun fast allerorten auch auf dem europäischen Kontinente Platz. 1835 bereits eröffnete Belgien die Linie Brüssel-Mecheln, Ende desselben Jahres Bayern die Linie Nürnberg-Fürth, 1837 Sachsen die Strecke Dresden-Leipzig, 1838 Preußen die Linie Berlin-Potsdam u. s. w. In den Vereinigten Staaten von Amerika rollte schon 1833 der erste Lokomotivtrain dahin, und selbst die alten Märchen[S. 174]länder des Ostens hat bereits der Dampfwagen aus ihrer beschaulichen Ruhe aufgerüttelt. Seine Rauchsäulen ziehen ebenso durch die Palmenwipfel des Nilthals, wie über die Tempel Delhis und Lahores der schrille Pfiff ins schwüle Gangesthal hinausgellt. Und so hat Viktor von Scheffel recht, wenn er singt:

Bald ist, soweit die Menschheit haust,
Der Schienenweg gespannt;
Es keucht und schnaubt und stampft und saust
Das Dampfroß rings durchs Land.

Zweites Kapitel.
Geographie der Eisenbahnen.

A. Die Eisenbahnen Europas[116].

Unser Erdteil Europa ist an der Entwicklung der Eisenbahnen in ganz hervorragender Weise beteiligt. Zwar steht derselbe bezüglich seines Netzes nicht mehr, wie noch vor kurzem, an der Spitze der Kontinente — er wurde hierin in jüngster Zeit von Amerika überflügelt —, doch ist er, Amerika ausgenommen, allen anderen Erdteilen hierin noch weit überlegen. Begründet ist diese großartige Entwicklung des Eisenbahnwesens namentlich in den äußerst günstigen geographischen Verhältnissen, durch welche dieser Erdteil vor allen übrigen in so hohem Grade ausgezeichnet ist. So entbehrt der Kontinent der himmelanstrebenden Gebirge und der undurchdringlichen Wüsten, wie solche in anderen Erdteilen sich finden. Auch die Flüsse bereiten dem Bahnbau keine unüberwindlichen Schwierigkeiten; sind sie doch im Vergleich zu denen der anderen Festlande weder sehr breit, noch sehr verheerend. Desgleichen ist das Klima, das sich fast überall von tropischer Hitze wie von polarer Kälte ferne hält, der Ausführung von Bahnbauten in keiner Weise hinderlich. Den hervorragendsten Einfluß auf die Ausbildung des europäischen Bahnnetzes übte aber der große Mineralreichtum einzelner Länder, sowie die hohe materielle und geistige Kulturstufe der Einwohner des Erdteils.

I. Übersicht über die europäischen Bahnen.
1. Die Bahnen Großbritanniens und Irlands.

Das britische Eisenbahnnetz stellt sich auf den ersten Blick als ein geradezu sinnverwirrendes Durcheinander von Linien dar, in welchem sich zurecht[S. 175]zufinden fast unmöglich erscheint. Und doch ist es nicht allzuschwer, eine gewisse Ordnung in der Anlage der Bahnlinien zu erkennen.

Englands Eisenbahnverbindungen zum Kontinent

Fig. 52.

Was zunächst England betrifft, so sind hier vor allem die Verbindungen mit dem Kontinent in hohem Grade entwickelt. Die wichtigsten sind: London-Harwich, London-Queenborough, London-Dover, London-Folkestone, London-Hastings, London-Newhaven, London-Brighton. — Verhältnismäßig spärlich sind die Linien in Wales und in dem gegenüberliegenden Norfolk. In ersterem steht der gebirgige Charakter des Landes der Anlage eines dichten Netzes hindernd entgegen, und Norfolk wird erdrückt durch die Konkurrenz des benachbarten London. Sehr zahlreich sind hingegen die Linien im Innern des Landes, dem Gebiete der großen englischen Verkehrs- und Industriecentren.

Unter den Bauwerken des englischen Eisenbahnnetzes verdient besonders der 1885 eröffnete Mersey-Tunnel Erwähnung, durch welchen Liverpool und Birkenhead in direkte Verbindung gesetzt werden. Derselbe ist nämlich der größte submarine Tunnel der Welt, gegen den selbst der altberühmte Themse-Tunnel vollkommen zurücktritt. Letzterer ist nur 396 m lang, 4,2 m breit und 4,8 m hoch. Der Mersey-Tunnel dagegen ist 1143 m lang, 8 m breit und 6½ m hoch. Auf der Sohle des Tunnels, dessen[S. 176] Endstationen 27 bis 30 m unter der Erdoberfläche liegen, laufen zwei Schienenstränge nebeneinander. Der Zugang zu den Endstationen wird einesteils durch Rampen und Treppen, andernteils durch mit hydraulischer Kraft senkrecht bewegte Plattformen vermittelt, welch letztere die beladenen Güterwagen herauf- oder hinunterbefördern. Auch für Personen sind Aufzüge vorhanden, welche nicht weniger als 100 Personen auf einmal fassen können. Die Fahrt durch den Tunnel dauert nur 3½ Minuten.

Nach englischen Blättern ist dieser Tunnel das größte Werk, das die Ingenieurkunst vollbracht hat. Selbst die Alpentunnels, die große Hängebrücke zwischen New-York und Brooklyn, der Suez- und Panamakanal könnten sich, was die Summe der zu überwindenden Schwierigkeit betrifft, dem Mersey-Tunnel nicht an die Seite stellen.

Ein zweiter großer Seetunnel, den England im Jahre 1885 vollendete, ist der Severntunnel; er ersetzt auf dem Eisenbahnwege von Bristol nach Newport und Cardiff die vielfach gestörte Fähre über den Severn und führt deshalb unter dem Meeresarm in einer Länge von 7000 m durch.

Das schottische Bahnnetz zerfällt in drei Teile: einen südlichen, einen mittlern und einen nördlichen. Die südlichen Linien haben hauptsächlich den Zweck, die Verbindung mit dem englischen Bahnsystem herzustellen. Die Linien des mittlern Schottland bedecken die großen schottischen Kohlendistrikte und die auf letzteren erwachsenen Industriebezirke; sie sind sehr dicht geflochten und reich verschlungen. Bedeutend spärlicher hingegen werden infolge des Gebirgscharakters der Landschaft die Bahnen im nördlichen Schottland. An die äußerste Spitze des Landes führt nur noch ein einziger Strang.

In Irland liegt der Schwerpunkt des Verkehrs an der England und Schottland zugekehrten Ostseite. Hier zieht auch die Hauptbahnlinie Belfast-Dublin-Cork.

2. Die Bahnen Mitteleuropas.

Die hier in Betracht kommenden Bahnen sind jene des Deutschen Reiches, Österreich-Ungarns und der Schweiz.

a. Bei Anlage der deutschen Eisenbahnen waren weder handelspolitische noch militärische Rücksichten maßgebend, sondern einzig und allein die Sonderinteressen der einzelnen Staaten und Landschaften. Dieser Zustand dauerte im wesentlichen bis zur Gründung des norddeutschen Bundes im Jahre 1866, von wo an wenigstens für Norddeutschland die Erweiterung des Eisenbahnnetzes nach einheitlichen Gesichtspunkten erfolgte. Seit Errichtung des Deutschen Reiches aber treten die kommerziellen und strategischen Rücksichten für das Ganze bei Anlage von Eisenbahnen immer deutlicher hervor.

Fig. 53. Die von Berlin auslaufenden Bahnen.

Charakteristisch für das deutsche Eisenbahnnetz ist, entsprechend der vormaligen politischen Zerrissenheit des Landes, das Vorhandensein[S. 177] einer großen Zahl von Knotenpunkten. Es ist infolgedessen ziemlich schwierig, einen klaren Überblick über die deutschen Bahnen zu gewinnen. Am besten faßt man vielleicht die deutschen Bahnen wohl in folgende Gruppen zusammen:

1. die niederrheinische Gruppe; sie ist die im deutschen Eisenbahnnetz am deutlichsten hervortretende;

2. die oberrheinische Gruppe; sie schließt sich südlich an die niederrheinische an, wird durch den Rhein in eine östliche und westliche geschieden und reicht bis zur Schweizergrenze;

3. die norddeutsche Gruppe; sie ist die am regelmäßigsten ausgebildete. Sie allein hat auch ein unverkennbares Centrum in der Reichshauptstadt Berlin, von der aus radienförmig eine Menge Linien in ziemlich gerader Richtung auslaufen. — Die regelmäßige Entwicklung der norddeutschen Gruppe hat ihren Grund teils in der Gunst des Terrains, das von der Zuidersee bis zur russischen Grenze eine großartige Fläche ist, teils in der großen Gleichförmigkeit der volkswirtschaftlichen Produktion, teils auch in den politischen Verhältnissen, welche nur hier den Verkehr einigermaßen aus der kleinstaatlichen Zerrissenheit des übrigen Deutschland erretteten;

[S. 178]

4. die schlesische Gruppe, deren Centralpunkte Breslau und Görlitz sind;

5. die sächsische Gruppe, hauptsächlich die Bahnen des Königreichs Sachsen umfassend;

6. die mitteldeutsche Gruppe, deren Linien ohne gemeinsamen Mittelpunkt das bergreiche Thüringen durchziehen; endlich

7. die süddeutsche Gruppe, aus den bayerischen und württembergischen Bahnen bestehend.

Die größte Dichtigkeit des Netzes weisen die großen Industrielandschaften auf: so die Rheinprovinz und Westfalen, dann das Königreich Sachsen; die weitesten Maschen zeigt dasselbe in sämtlichen Küstengebieten.

Fig. 54. Die von Wien auslaufenden Bahnen.

b. In Österreich ertönte der Pfiff der Lokomotive zuerst am Dreikönigstag 1838, und zwar auf der Linie Wien-Wagram; der große Aufschwung des Eisenbahnwesens datiert indes erst von 1866. In der westlichen Hälfte ist das Bahnnetz mehr ausgebaut als in Ungarn, am dichtesten ist es in den industriereichen Bezirken des nördlichen Böhmen. Das Hauptcentrum der Bahnen ist Wien; von ihm laufen die einzelnen Linien strahlen[S. 179]förmig nach allen Weltgegenden aus. Wien zunächst kommen an Bedeutung Prag und Budapest.

Die wichtigsten Linien des österreichisch-ungarischen Bahnnetzes sind folgende:

1. Wien-Oderberg(-Warschau-St. Petersburg). 2. Wien-Prag(-Dresden-Hamburg); Hauptweg für die Einfuhr der Kolonialwaren und englischen Fabrikate. 3. Wien-Budweis-Eger(-Mitteldeutschland). 4. Wien-Passau(-Nürnberg-Frankfurt-Köln). 5. Wien-Simbach(-München-Straßburg-Paris) und Simbach-(München-Lindau); auf der letztern Linie erfolgte bis zur Eröffnung der Arlbergbahn fast ausschließlich die Ausfuhr der Produkte der österreichisch-ungarischen Landwirtschaft nach dem Westen Europas. 6. Wien-Graz-Triest, Hauptverbindung der österreichischen Kronländer mit dem Meer und danach mit dem Orient. 7. Wien-Budapest-Semlin(-Nisch) und Wien-Budapest-Orsova(-Rustschuk-Varna), die wichtigsten Routen für den Verkehr mit den unteren Donauländern, dem Schwarzen Meer und Konstantinopel. — Andere bedeutsame Linien sind. 8. Kufstein-Innsbruck(-Verona), Hauptweg für den Transitverkehr zwischen Italien und Deutschland. 9. Budapest-Agram-Fiume, sehr bedeutsame Linie für den Absatz der Produkte Ungarns. 10. Krakau-Czernowitz(-Jassy-Odessa), wichtig für den Verkehr mit Südrußland und dem Orient. 11. Prag-Pilsen-Eger, große Verkehrsstraße zwischen Böhmen und Süddeutschland.

c. Wahrhaft Großartiges hat in der Herstellung und Verbesserung der Transportwege die Schweiz geleistet. Diese außerordentliche Fürsorge für Erleichterung des Verkehrs ist denn auch die Ursache, daß das schöne Land heutzutage von Hunderttausenden von Touristen aufgesucht wird. Stephenson und Swinburne entwarfen den Plan des herzustellenden Eisenbahnnetzes, und da dieser im wesentlichen eingehalten wurde, so hat sich das schweizerische Eisenbahnwesen von Anfang an einer geordneten und zweckmäßigen Anlage zu erfreuen gehabt. Gegenwärtig besitzt der Bundesstaat, selbstverständlich nur in seinem nördlichen, weniger gebirgigen Territorium, ein sehr praktisches Netz von Eisenbahnen, in dem die mannigfachsten Arten des Betriebes vertreten sind. Ein besonderes Charakteristikum des schweizerischen Eisenbahnwesens bilden die Bergbahnen. Von ihnen wird an anderer Stelle des nähern die Rede sein.

Zu den wichtigsten Linien zählen Basel-Olten-Luzern als Mittelglied der internationalen Route vom Rhein durch den St. Gotthard nach Italien und die Linien der Nordostbahn mit ihren Knotenpunkten Winterthur und Zürich; die letzteren Linien führen in ihrer Fortsetzung nach Genf und Lyon; auch beherrschen sie den Zugang zur Gotthardbahn von Nordosten her.

[S. 180]

3. Die Bahnen Westeuropas.

a. In Frankreich sehen wir die erste Lokomotivbahn, von Paris nach St. Germain, im Jahre 1837 erstehen. Bis zum Jahre 1842 nahmen indes die französischen Bahnen nur langsame Entwicklung, dann aber ging es ungemein rasch vorwärts, und ein wunderbar einheitliches Bahnsystem mit Paris als Mittelpunkt war die Frucht der Bemühungen. „Das französische Bahnnetz,“ sagt Peschel treffend, „ist ein Spinnennetz, das deutsche ein Fischernetz.“

Als die binnenländische Hauptpulsader des Verkehrs muß die Linie Havre-Paris-Dijon-Lyon-Marseille bezeichnet werden. Nächst ihr spielen die bedeutendste Rolle die Linien Paris-Brüssel, Paris-Straßburg, Paris-Bordeaux. Von internationaler Bedeutung ist ferner die von Mâcon abzweigende Linie der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn; sie läuft über Culoz zum Mont-Cenis-Tunnel und wird durch ihre Fortsetzung nach Italien (Brindisi) zur Trägerin des englisch-ostindischen Schnellverkehrs.

Die Dichtigkeit des französischen Bahnnetzes ist im Norden wesentlich größer als im Süden, was sich auch leicht aus den Boden- und Produktionsverhältnissen dieser Gebiete erklärt.

b. Der große Reichtum Belgiens an Mineralschätzen begünstigte den Eisenbahnbau in ganz außerordentlicher Weise. 1835 wurde hier, wie schon erwähnt, die erste Eisenbahn auf dem Kontinente (Brüssel-Mecheln) eröffnet; heute ist Belgien jenes Land, das mit Rücksicht auf den Flächeninhalt die meisten Bahnen unter allen Staaten der Erde aufweist. Seine Bahnen berühren nicht nur fast jeden Industrie-Ort des Landes, sondern sie setzen es auch mit den Nachbarstaaten in rasche und direkte Verbindung; sie machten Antwerpen und Ostende zu blühenden Handelsplätzen und Belgien selbst zur „Werkstätte des kontinentalen Europa“.

c. Die Niederlande haben, gestützt auf ihre vorzüglichen Wasserstraßen, länger als andere Länder den Bau von Eisenbahnen vernachlässigt. Die Folge hiervon war, daß nach Vollendung der durchlaufenden belgischen Bahnen der deutsche Handel von Amsterdam und Rotterdam sich nach Antwerpen und Ostende zog. Man schritt nun zwar zum Baue von Eisenbahnen, fehlte aber wieder insoferne, als die Linien ohne Rücksicht auf die Nachbarstaaten angelegt wurden, so daß sie abermals ohne Nutzen für die große Handelsbewegung blieben. Nur die von den Rheinlanden nach Vlissingen führende Linie macht eine Ausnahme; von letzterem Orte findet ein regelmäßiger Dampfschiffsverkehr nach England statt. Neuestens wurde übrigens der Anschluß an alle größeren benachbarten Linien Deutschlands und Belgiens hergestellt.

[S. 181]

4. Die Bahnen Südeuropas.

a. Iberische Halbinsel. Das Eisenbahnnetz der iberischen Halbinsel ist im Verhältnis zu dem der anderen Staaten Europas noch immer wenig entwickelt. Portugal treibt hauptsächlich Seehandel, und in Spanien waren die vielfach recht trüben politischen Verhältnisse dem Eisenbahnbau in hohem Grade hinderlich.

Was das letztere Land betrifft, so hat dasselbe eine doppelte Verbindung mit Frankreich, und zwar durch die Linien Irun-Bayonne an der Westgrenze der Pyrenäen und Gerona-Perpignan an der Ostseite dieses Gebirges. Nach Portugal läuft ein dreifacher Schienenstrang. Ferner haben alle größeren Hafenplätze Verbindung sowohl mit Madrid, als auch unter sich. Im Interesse des Handels sind indes weitere Linien dringend nötig. — Besonders bedeutsam ist der Anschluß des spanischen Netzes an das portugiesische; denn dadurch ist Portugal in Verbindung mit dem ganzen europäischen Netz, und besteht nunmehr eine ununterbrochene Linie vom Tajo bis zur Newa oder von Lissabon (über Madrid-Paris-Berlin) bis St. Petersburg. Diese Riesenstrecke von 4835 km wird gegenwärtig in der staunenswert kurzen Zeit von wenig mehr als 5 Tagen (in 123 Stunden) zurückgelegt; ja sie soll mittels eines (erst einzurichtenden) Expreßzuges sogar in 85 Stunden durcheilt werden.

b. In Italien standen der Entwicklung der Schienenwege mannigfache Hindernisse entgegen. Zunächst wiesen schon die günstige Küstenbeschaffenheit und die zahlreichen vorzüglichen Häfen das Land auf den Seeverkehr hin. Auch die Bodenplastik des Landes war dem Bahnbau nicht günstig; denn das Gebirge des Apennin durchzieht fast das ganze Land von Nord nach Süd; und dazu kam die allgemeine wirtschaftliche Unthätigkeit des südlichern Teiles der Halbinsel und ganz besonders die frühere arge politische Zersplitterung des Landes. Bis zum Jahre 1866 gab es in Italien nur ca. 4000 km Eisenbahnen. Seit der Einigung des Königreichs aber nahm das Eisenbahnwesen der Halbinsel einen mächtigen Aufschwung.

Das dichteste Bahnnetz weist infolge seiner großen Fruchtbarkeit, seiner bedeutenden Industrie und seiner sehr starken Bevölkerung Oberitalien auf. Letzteres steht außerdem durch die Linie Genua-Nizza und die Mont-Cenis-Bahn mit Frankreich, durch die Gotthardbahn mit der Schweiz und Deutschland, durch die Brennerbahn mit Österreich und Deutschland und durch die Linien Venedig-Udine-Pontebba und Venedig-Udine-Triest mit Österreich-Ungarn in Verbindung.

In Mittel- und Unteritalien wurde die Anlage des Schienennetzes hauptsächlich von der Streichung der Apenninen beeinflußt. Zu beiden Seiten wird hier von Nord nach Süd das Gebirge von Bahnlinien begleitet; frühzeitig schon wurde dasselbe aber auch überschient, und gegenwärtig giebt[S. 182] es sogar fünf Apenninen-Querbahnen: Alessandria-Genua, Bologna-Pistoja, Ancona-Foligno, Neapel-Foggia und Neapel-Tarent.

Eine hervorragende Rolle im Weltverkehr spielt die Bahnstrecke vom Mont Cenis über Turin und Bologna bis Brindisi als Vermittlerin des englisch-ostindischen Schnellverkehrs (siehe oben S. 180).

Fig. 55. Die wichtigsten Bahnen Italiens.

c. Noch sehr ungenügend ist das Eisenbahnnetz in der europäischen Türkei ausgebildet. Man beschränkte sich dort lange und selbst noch zu einer Zeit, als alle europäischen Staaten bereits Eisenbahnen besaßen, lediglich auf den Verkehr zu Wasser. Die wichtigsten gegenwärtig in Betrieb befindlichen Bahnen sind Konstantinopel-Adrianopel-Philippopel und Saloniki-Üsküb-Mitrowitza. Bereits sind aber auch die Linien festgestellt, welche die so wichtige Verbindung zwischen Wien und Konstantinopel einerseits und Wien und Saloniki andererseits herstellen werden.

[S. 183]

Die Verbindung mit Konstantinopel wird durch die Linie Semlin-Belgrad-Nisch-Pirot-Sophia-Bellova bewerkstelligt werden. Letzteres ist die Endstation der schon im Betriebe befindlichen Strecke Konstantinopel-Philippopel. Auch die Strecke Belgrad-Nisch ist bereits dem Verkehre übergeben und Nisch-Pirot gebaut. Es handelt sich somit nur mehr um die Fertigstellung der Strecke Pirot-Bellova.

Fig. 56. Die Bahnen der Balkanhalbinsel.

Die Verbindung zwischen Wien und Saloniki wird von Nisch aus über Vranja im Anschluß an die schon bestehende Linie Saloniki-Mitrowitza erfolgen.

Als Endtermin für den Ausbau sämtlicher zur Herstellung der Verbindung sowohl mit Konstantinopel, als auch mit Saloniki dienenden Strecken ist von der Conférence à quatre zu Berlin der 15. Oktober 1886 stipuliert worden.

Die Hauptbahn Rumäniens läuft von Orsowa, bis wohin die österreichisch-ungarische Bahn zieht, nach Bukarest und Giurgewo und[S. 184] findet auf bulgarischem Boden bis Varna am Schwarzen Meer ihre Fortsetzung. Auf dieser Linie bewegt sich bis zur Fertigstellung des Anschlusses der türkischen Bahnen an die österreichisch-ungarischen hauptsächlich der Landverkehr mit Konstantinopel.

In Griechenland gab es bis vor kurzem nur die 12 km lange Strecke von Athen nach dem Piräus. Der Verkehr vollzog sich eben, der Lage und Gliederung des Landes entsprechend, fast nur zu See. Doch ist seit jüngster Zeit ein Eisenbahnnetz in Angriff genommen, welches, wenn vollendet, nahezu 1000 km umfassen wird. Noch im Laufe dieses Jahrzehnts hofft man griechischerseits Piräus-Athen mit der Orientbahn Wien-Saloniki verbunden und hiermit die aufstrebende Hauptstadt Griechenlands nicht nur zum Mittelpunkt des griechischen Warenhandels, sondern auch an Stelle Brindisis zum Hauptverkehrspunkt zwischen Europa und dem überseeischen Orient erhoben zu haben. In der That wird nach Herstellung der Strecke Saloniki-Larissa-Athen die Abkürzung der bisherigen Fahrzeit nach Port Said von Pest 33 Stunden, von Berlin 20 und von St. Petersburg 26 Stunden betragen.

5. Die Bahnen Osteuropas.

In eine verhältnismäßig sehr frühe Zeit fällt die Eröffnung der ersten russischen Bahn; denn schon 1838 bestand eine Schienenverbindung zwischen St. Petersburg und der Sommerresidenz des Zaren zu Zarskoje-Selo — 27 km lang —; diese Anlage entsprang indes nur einem persönlichen Bedürfnisse des Kaisers Nikolaus (1825–1855). Sonst verhielt sich derselbe gegenüber der westländischen Neuerung feindselig, und thatsächlich hatte das Reich zehn Jahre nach Fertigstellung der vorher genannten Linie erst 381 km Schienenwege. Erst als der Krimkrieg (1854–1856) gezeigt hatte, wie notwendig für Rußland die Möglichkeit rascher Militärtransporte sei — Truppen und Kriegsmaterial wurden damals rascher von London nach Balaclava (auf der Halbinsel Krim) befördert als von Moskau nach Sebastopol —, kam Leben, und Bewegung in das russische Eisenbahnwesen, und seitdem hat die Entwicklung des russischen Bahnnetzes in der That auch großartige Fortschritte gemacht.

Die wichtigsten Knotenpunkte sind Petersburg und Moskau. Von ihnen strahlen folgende Hauptlinien aus:

[S. 185]

    1. a) Petersburg-Helsingfors-Hango-Abo,
    2. b) Petersburg-Reval-Baltisch Port,
    3. c) Petersburg-Dünaburg-Wilna-Warschau-Krakau. — Bedeutende Zweigbahnen dieser Linie sind: Dünaburg-Riga und Wilna-Eydtkuhnen-Königsberg.
    4. d) Petersburg-Moskau.
    1. a) Moskau-Smolensk-Warschau,
    2. b) Moskau-Petersburg,
    3. c) Moskau-Jaroslaw-Wologda,
    4. d) Moskau-Nischni-Nowgorod,
    5. e) Moskau-Woronesch-Rostow-Wladikawkas mit den Zweigbahnen nach Orenburg (über Samara), Saratow und Zarazyn,
    6. f) Moskau-Orel-Kursk-Charkow-Sebastopol. Hiervon zweigt bei Charkow die Bahn nach Odessa und weiter südlich jene nach Taganrog ab.

Fig. 57. Die wichtigsten Bahnen Rußlands.

6. Die Bahnen Nordeuropas.

a) Die dänischen Eisenbahnen zerfallen naturgemäß in die Bahnen des Festlandes und die der Inseln. Die ersteren verbinden alle bedeutenderen[S. 186] Orte Jütlands, und von den letzteren läuft die wichtigste Linie von Helsingör im Norden der Insel Seeland über Kopenhagen zum Masnedsund; sie hat dadurch internationale Bedeutung, daß sie den nächsten Verbindungsweg zwischen Deutschland und der skandinavischen Halbinsel bildet; von Kopenhagen aus bestehen nämlich mehrere Dampferverbindungen mit schwedischen Häfen.

Sonst bietet das dänische Eisenbahnwesen noch insofern eine bemerkenswerte Erscheinung, als es ausschließlich in den Händen des Staates sich befindet.

b) In Schweden und Norwegen begann der Eisenbahnbau erst 1854, hat aber seit 1856 einen mächtigen Aufschwung genommen. Freilich stellen ihm Bodenbeschaffenheit und Klima große Schwierigkeiten entgegen. — Das schwedische Netz hat zum Ausgangspunkt Stockholm, verzweigt sich am stärksten zwischen den großen Seen und sendet seine Ausläufer zur norwegischen Grenze, zum Kattegat, zum Sund und zur Ostsee. Die wichtigste Linie ist die Strecke Stockholm-Malmö. — Das nördliche Schweden entbehrte bis in die jüngste Zeit noch gänzlich der Eisenbahnen; doch ist man daran, die dortigen großen Reichtümer an Eisenerzen mittels neuer Schienenstränge auszunützen. Die Luleå-Ofoten-Bahn (Luleå am Bottnischen Meerbusen, 65° 35′ nördl. Br., und Ofoten an der Nordküste Norwegens, 68° 5′ nördl. Br.) ist bereits in Angriff genommen; sie wird zugleich die nördlichste Bahn der Erde. — Die bedeutendste norwegische Bahn führt von Christiania nach Drontheim.

II. Die Gebirgsbahnen Europas[117].

Die Gebirgsbahnen im allgemeinen zerfallen in zwei nach Zweck und Einrichtung wesentlich verschiedene Gruppen; man unterscheidet 1. solche Bahnen, die dem großen Weltverkehr dienen; dies sind die eigentlichen Gebirgsbahnen; hierher gehören z. B. unsere großen Alpenbahnen; 2. solche Bahnen, die im mittelbaren oder unmittelbaren Anschluß an Hauptverkehrswege lediglich den Verkehr in einem engern Bezirk des Gebirgslandes vermitteln; sie führen in der Regel den Namen „Bergbahnen“.

1. Eigentliche Gebirgsbahnen.

Fig. 58. Alpen-Querbahnen.

Solche sind in erster Linie unsere großen Alpenbahnen: die Semmeringbahn, die Brennerbahn, die Mont-Cenis-Bahn, die Gotthardbahn und die Arlbergbahn.

[S. 187]

Fig. 59. Weinzettelwand.

1. Die Semmeringbahn. Die Bahn, welche die Verbindung zwischen Wien und Graz und des weitern zwischen Wien und der Adria herstellt, erstreckt sich von Gloggnitz bis Mürzzuschlag. In der Reihe der Alpenbahnen ist sie die älteste. 1848 wurde mit ihrem Bau begonnen, und 1854 ward sie dem Verkehre übergeben. Für den Techniker bildete sie daher lange Zeit ein Demonstrationsobjekt der hervorragendsten Art. Aber auch das große Publikum zollte dem staunenswerten Werke lauten Beifall, und noch heute zieht es jeden, der nach der „Kaiserstadt an der Donau“ pilgert, nach jenen tannenfrischen Höhen, die „der steinerne Gurt“ von Aufdämmungen,[S. 188] Tunnels und Viadukten umschlingt. Im ganzen zählt die Bahn bei einer Länge von 41 km 15 Tunnels von zusammen 4267 m; der Haupttunnel mißt 1428 m; er war seiner Zeit einer der längsten Eisenbahntunnels, wird aber jetzt von vielen anderen übertroffen. Der Gotthardbahntunnel ist z. B. 3½mal länger als alle Semmeringbahntunnels zusammen. Im Haupttunnel überschreitet die Bahn auch ihren Höhepunkt (881 m). Besonders erwähnenswert ist von den Tunnels der Semmeringbahn jener durch die „Weinzettelwand“ (Fig. 59), da seine Anlage außerordentliche Schwierigkeiten bot. In seiner Mitte hat er eine offene Pfeilergalerie von gewaltigen Dimensionen. — Von den Viadukten, deren 16 vorhanden sind, ist jener über die Schwarza bei Payerbach der längste (228 m mit 13 Bogen), jener über die „Kalte Rinne“ der höchste (46 m). — Eines der eigenartigsten Merkmale der Semmeringbahn ist der großartige Aufwand von Mauerwerk, in welcher Beziehung sich keine Bahn der Welt mit ihr messen kann. — Der Vater der Semmeringbahn ist der österreichische Ingenieur Matthias Schönerer, der Schöpfer derselben Karl von Ghega (geb. 1802 zu Venedig, gest. 1860). — Die epochale Bedeutung der Bahn liegt einerseits darin, daß sie die erste aller Alpenbahnen war, andererseits in der durch sie geschaffenen Verbindung zwischen Meer und Binnenland.

Fig. 60. Viadukt über die „Kalte Rinne“.

Fig. 61. Wassertunnel bei Gossensaß.

2. Die Brennerbahn. Zehn Jahre nach Fertigstellung der Semmeringbahn, im Jahre 1864, wurde die zweite Überschienung der Alpen,[S. 189] der Bau der Brennerbahn, in Angriff genommen, und nach drei Jahren schon war das kühne Unternehmen glücklich zu Ende geführt. Am 24. August 1867 erfolgte die Eröffnung der Bahn. Dieselbe nimmt in Innsbruck (468 m) ihren Ausgang, erreicht ihren Scheitelpunkt (1367 m) bei der Station Brenner und senkt sich von hier aus über Sterzing und Brixen bis zu ihrem Endpunkte Bozen. Die Gesamtlänge der Bahn beträgt [S. 190]125,2 km, die Zahl der Tunnels 30. Der längste derselben ist der 867 m lange Mühlbacher Tunnel. Beachtenswert sind ferner die beiden Kehrtunnel; sie sind die ersten Anlagen dieser Art. Der eine davon befindet sich bei St. Jodok, der zweite zwischen den Stationen Schelleberg und Gossensaß. Die Krümmung, welche die Bahn im letztern Falle zurückzulegen hat, ist so bedeutend, daß man in Schelleberg den Zug verlassen, bis Gossensaß gehen und hier mit demselben Zuge, den man dort verließ, die Reise fortsetzen kann. Eine andere Eigentümlichkeit der Bahn bilden die vielen Kurven; man zählt deren nicht weniger als 289 von zusammen 60,6 km, so daß auf die geraden Strecken wenig mehr als die Hälfte der Gesamtlinie (64,6 km) entfällt. Viele dieser Kurven (77) sind überdies Krümmungen von dem kleinsten zulässigen Radius. — Was die Steigungsverhältnisse betrifft, so sind nur 11,6 km horizontale Strecken vorhanden; die ganze übrige Bahn (113,6 km) ist in Gefällen und Steigungen angelegt; fast der vierte Teil der Linie liegt sogar in Steigungen und Gefällen mit dem Maximalsteigungsverhältnis von 1: 40. — An Brücken überschreitet die Bahn 66 größere und viele kleinere; Viadukte giebt es nicht. — Der kühne Bau wurde von Karl von Etzel begonnen, doch nicht vollendet; 1865 ereilte diesen der Tod. — Die Kosten des ganzen Unternehmens beliefen sich auf 32 Millionen Gulden.

Österreichische Alpenbahnen

Fig. 62.

[S. 191]

Die wichtigste Folge der neuen Gebirgsbahn war ein gewaltiger Aufschwung des deutsch-italienischen Handels- und Verkehrslebens.

Bei Franzensfeste zweigt von der Brennerbahn die Pusterthalbahn ab, welche die beiden Schienenübergänge in den Ostalpen miteinander verbindet. Dieselbe ist zwar nicht so entschieden Gebirgsbahn wie die Semmering- oder Brennerlinie, aber an bedeutenden technischen Anlagen fehlt es auch hier nicht, besonders am Ausgangspunkte der Bahn. So ist namentlich der Viadukt, welcher die Thalschlucht des Eisackflusses übersetzt, durch seine außerordentliche Höhe (76,3 m über dem Wasserspiegel) bemerkenswert. Da der weltberühmte Varrugas-Viadukt in der Andenbahn zwischen Lima und Oroya 76,8 m größte Höhe aufweist, steht ihm jener nur um wenige Decimeter nach; unter sämtlichen eisernen Bahnbrücken der Welt wird er überhaupt nur noch von dem 1877 erbauten „Kentucky-Viadukt“, der eine Höhe von 84 m hat, und von dem in aller jüngster Zeit fertiggestellten Kinzua-Viadukt in Pennsylvanien (96 m Pfeilerhöhe) übertroffen. Der Erbauer des Viaduktes über den Eisackschlund ist Prenninger.

Bei Villach tritt die Pusterthalbahn auch in Verbindung mit der „Kronprinz-Rudolf-Bahn“, deren Hauptzweig St. Valentin-Tarvis-Laibach ist. An die Rudolfsbahn schließt sich dann an die sogen. Pontebbabahn. Diese jüngste unter allen östlichen Alpenlinien beginnt bei Tarvis, überschreitet bei dem interessanten Doppeldorfe Pontafel-Pontebba die österreichisch-italienische Grenze, durchzieht das Kanalthal und tritt bei Venzone in das Thal des Tagliamento, um es indes alsbald wieder zu verlassen und die Richtung aus Udine zu nehmen.

3. Die Mont-Cenis-Bahn. Die Mont-Cenis-Bahn ist ein Teil jenes Schienenstranges, welcher in den Westalpen Frankreich und Italien verbindet. Ihre Weltberühmtheit dankt sie bekanntlich jenem Riesentunnel, der gewöhnlich als Mont-Cenis-Tunnel bezeichnet wird, in der That aber unter dem 22 km südwestlich von dem gleichnamigen Paß gelegenen Col de Fréjus hinführt. Schon 1832 soll Giuseppe Medail dem König von Piemont, Karl Albert, den Plan eines Durchstichs der Alpen am Mont Cenis vorgeschlagen haben; aber erst 1857 war das Projekt so weit gediehen, daß die Tunnelierungsarbeiten eröffnet werden konnten. Die Durchführung des großen Werkes beanspruchte indes noch 14 Jahre. — Die ganze Mont-Cenis-Bahn, die bei Bussolino beginnt und bei St. Michel endet, zählt 38 Tunnels, deren Gesamtlänge 23814 m ausmacht. Da nun die ganze Strecke nur eine Entwicklung von 76 km hat, so liegt ungefähr der dritte Teil der Bahn unter der Erde. — Was den Haupttunnel betrifft, so durchsetzt derselbe den Col de Fréjus zwischen Modane und Bardonnèche in einer Länge von 12,2 km; er enthält auch den Kulminationspunkt der ganzen Bahn mit 1335 m. Die Ausmauerung des Tunnels erforderte 20000 Centner Kalk und ca. 16 Millionen Ziegel; die Masse des bei Sprengungen[S. 192] abgebrannten Pulvers betrug über eine Million Kilogramm, ein Quantum, mit welchem man 13 Jahre täglich ein Pelotonfeuer von 50000 Flintenschüssen (die Patrone zu 4½ g) hätte abfeuern können. — Die Schöpfer des großen Werkes waren die Ingenieure Sommeiller, Grattoni und Grandis; dessen Kosten beliefen sich auf 75 Millionen Francs. — Technisch bedeutsam ist der Tunnel besonders dadurch, daß er die erste Durchbohrung der Alpen repräsentiert; ferner dadurch, daß hier zum erstenmale die Tunnelierungsarbeiten mittels maschineller Apparate betrieben wurden. Den großartigen Eindruck, den dieses technische Meisterwerk auf den Beschauer ausübt, schildert die Dichterin Mander-Cecechetti also:

Lange genug voll Neid stand zwischen zwei schönen Geländen
Dieses Alpengebirg — nun ist die Scheide gefallen!
Falle mit ihr denn der Haß und der Zwist gleichnamiger Völker,
Schlinge die Liebe fortan ihr goldenes Band um die Länder,
Denen mit freundlichem Blick Natur und Gesittung gelächelt.
Nicht vergebens mögen in Zukunft sich reichen die Hände
Durch die Alpen hindurch die beiden lateinischen Schwestern.
Staunend hemmt nun der Wand’rer den Fuß vor dem mächtigen Bauwerk,
Das der menschliche Geist sich selbst als Trophäe geschaffen,
Unsern Tagen zum Ruhm, ein Triumph der emsigen Forschung.

Die Bahn vermittelt die direkteste Verbindung zwischen Frankreich und Italien und ist besonders für den englisch-indischen Verkehr von hoher Wichtigkeit. (Siehe S. 180 u. 182.)

In einem zu Turin errichteten großartigen Denkmal, welches den Sturz der Titanen durch den Geist des Menschen darstellt, hat Italien seiner Dankbarkeit gegen die Förderer des Riesenwerkes geziemenden Ausdruck verliehen.

Fig. 63. Louis Favre.

4. Die Gotthardbahn. Über die Geschichte der Bahn sei zunächst folgendes bemerkt: Am 15. Oktober 1869 wurde zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Italien zur Erbauung der Gotthardbahn ein Staatsvertrag abgeschlossen, welchem am 18. Oktober 1871 auch das Deutsche Reich beitrat. Derselbe bildet die staatliche Grundlage des Unternehmens und enthält die wesentlichen Bestimmungen, an welche sich die Baugesellschaft zu halten hatte. Seine Hauptpunkte lauten: Das auszuführende Netz soll folgende Linien enthalten: 1. Luzern-Immensee-Goldau; 2. Zug-Goldau; 3. Goldau-Brunnen-Flüelen-Göschenen-Airolo-Biasca-Bellinzona; 4. Bellinzona-Lugano-Chiasso; 5. Bellinzona-Locarno und 6. Bellinzona-Pino (am Langensee). Die Steigung der Bahn soll 25‰ nicht überschreiten. Der große Tunnel zwischen Göschenen und Airolo ist in gerader Linie und zweispurig anzulegen. Der Subventionsbeitrag à fonds perdu ist auf 85 Millionen Francs festgesetzt und wird folgendermaßen geleistet: Die Schweiz bezahlt 20, Italien 45 und Deutschland 20 Millionen. Am 6. Dezember 1871 konstituierte sich die[S. 193] Gotthardbahngesellschaft, am 1. Oktober 1872 begannen die thatsächlichen Arbeiten an dem großen Tunnel, und 10 Jahre später bereits, am 23. Mai 1882, erfolgte die offizielle Eröffnung des neuen Schienenweges. In den Dienst der Völker trat die Gotthardbahn am 1. Juni 1882.

Mit ihr ward ein Werk vollendet, das vermöge der Großartigkeit seiner Anlage und im Hinblick auf die riesenhaften Schwierigkeiten, welche die widerstrebenden Naturgewalten der Durchführung des Unternehmens entgegensetzten, sich den größten dem Dienste des Weltverkehrs gewidmeten Schöpfungen unseres Jahrhunderts würdig zur Seite stellt.

In erster Linie ist hier des großen Tunnels zwischen Göschenen und Airolo zu gedenken. Mit der Herstellung desselben war der bereits bei anderen großen Tunnelbauten hervorragend thätig gewesene Bauunternehmer Louis Favre aus Chêne bei Genf betraut worden. Leider sollte derselbe die Beendigung seines Werkes nicht erleben. Wie ein Soldat in der Schlacht, so starb Favre mitten in seiner unermüdlichen Thätigkeit am 19. Juli 1879 infolge eines Herzschlags im Tunnel selbst. Doch wurde die Arbeit nicht unterbrochen, und am 29. Februar 1880, morgens 9 Uhr, erfolgte der Durchbruch des Firststollens. Die Länge des ganzen Tunnels beträgt 14900 m, mit anderen Worten: er ist 6½mal so lang als alle Semmeringtunnels zusammen, mehr als 10mal so lang als der größte Semmeringtunnel und 1⅓mal so lang als alle 38 Tunnels der Schwarzwaldbahn. Am nächsten kommen ihm bezüglich der Längenausdehnung der Mont-Cenis-Tunnel mit 12233 m und der Arlbergtunnel mit 10270 m. Der [S. 194]höchste Punkt des Tunnels liegt 1154,69 m über dem Meeresspiegel.

Fig. 64. Die Zugangslinien des Gotthardtunnels. (Nach Helène, Les Nouvelles Routes.)


GRÖSSERE BILDANSICHT

Die Arbeit der Durchbohrung des Gebirges schildert uns ein Ingenieur wie folgt: „Die Tunnelmaschinen zerfallen in Bohrmaschinen und in Apparate an der Mündung des Stollens. Letztere sind mechanische Vorrichtungen, um die ersteren zu bewegen und die Arbeiter mit der notwendigen Lebensluft zu versehen. Vor dem Tunnel befinden sich kolossale Luftreservoirs, in welchen vermittels der Wasserkraft der Reuß und des Tessin[S. 195] das Luftvolumen auf mehr als seinen zwanzigsten Teil zusammengepreßt wird. Die komprimierte Luft wird in Röhren auf die Baustellen geleitet, wo sie in einen Cylinder tritt und, indem sie sich ausdehnt, den Kolben desselben mit ungeheurer Schnelligkeit vor- und rückwärts bewegt. Der Kolben wird mit dem Meißelbohrer in Verbindung gebracht. Bei jedem Stoß des erstern dringt der Bohrer tiefer in das Gestein ein. Die Maschinen, nach dem System von Ferroux, von denen stets vier bis sechs an der Arbeit sind, bohren zusammen 40 bis 50 Löcher; nach erfolgter Bohrung werden die Bohrmaschinen zurückgezogen, die Mineurs füllen Dynamit ein und zünden die Lunte an. Ein melancholisches Hornsignal mahnt die Arbeiter zum Rückzug; die Explosion der Dynamitfüllung erfolgt und mit ihr die Zersplitterung des Gesteins. Durch Öffnen eines Hahnens wird nun komprimierte Luft in den von Dunst erfüllten Raum eingelassen, welche mit Gewalt den Qualm der Tunnelmündung zutreibt. Das Gestein wird entfernt, und die Arbeit beginnt von neuem.“

Fig. 65. Gotthard-Bohrmaschine.

Die Hindernisse, auf die man beim Bau des Tunnels traf, waren mannigfach. Sie bestanden besonders in schwieriger Beschaffenheit des Gesteins, Zerklüftungen, Letteneinbettungen und mächtigem Wasserzudrang; höchst beschwerlich war ferner die hohe Temperatur, welche 30° bis 31° C. erreichte. Die Leute, erzählt Maury, der am Baue beteiligt war, arbeiteten fast vollständig entkleidet, und trotzdem waren sie einer ernstlichen Anstrengung unfähig. Alle wurden allmählich blutarm und waren gezwungen, die Baustelle zu verlassen. Eine Vorstellung von dem, was die Arbeiter während der letzten Monate vor dem Durchschlag an Beschwernissen zu ertragen hatten, giebt die Thatsache, daß die Pulsation des Herzens auf 155[S. 196] bis 160 Schläge in der Minute stieg und die innere Temperatur des menschlichen Körpers 39° überschritt.

Fig. 66. Brücke über die Maderanerschlucht bei Amsteg.

Die auf der ganzen Gotthardbahn während des Baues bis zum Schluß vorgekommenen Tötungen von Arbeitern betrugen die respektable Zahl von fast dritthalb Hunderten; verwundet ohne tödlichen Ausgang wurden[S. 197] ca. 600 Menschen; im ganzen wurden somit etwa 850 Menschen getötet oder krüppelhaft.

Außer dem Haupttunnel erregen noch ganz besonderes Interesse die zahlreichen Kehrtunnels (siehe Ziffer 1 u. 2 in Fig. 64). Auf der nördlichen Zufahrtslinie zum Haupttunnel beginnen dieselben hinter der Station Gurtnellen, mit welcher überhaupt die Glanzpartie der Gotthardbahn ihren Anfang nimmt. Es folgen hier aufeinander: der Pfaffensprung-, Wattingen- und Leggisteintunnel. Zwischen den beiden letzteren liegt die Station Wasen. Auf der südlichen Rampe finden sich solche bei Fiesso (Freggio-), bei Faido (Prato-), bei Lavorgo (Piano-Tondo-) und bei Giornico (Travi-Kehrtunnel). — Die Gesamtzahl der Tunnels auf der ganzen Linie ist 53 mit einer Länge von fast 41 km. Die Tunnels nehmen somit mehr als drei Vierteile der Länge ein, welche die Tunnels von ganz Deutschland besitzen.

Die Bahn hat außerdem 222 in Eisenkonstruktion hergestellte Brücken, von denen 42 über 20 m lang sind, und sieben künstlich aufgemauerte Galerieen zum Schutze gegen Lawinen und Felsabstürze. Die Zahl aller Kunstbauten beläuft sich auf fast 1000 (969).

Die Kosten des ganzen Unternehmens, welche ursprünglich auf 187 Millionen Francs veranschlagt waren, betrugen 228 Millionen Francs. Hierzu trugen Italien, die Schweiz und Deutschland außer den schon oben erwähnten 85 Millionen noch weitere 28 Millionen Francs bei. Der große Tunnel allein verschlang 56¾ Millionen Francs.

Was die Bedeutung der Gotthardbahn betrifft, so ist vor allem deren Wichtigkeit für die Handelsverbindungen Deutschlands mit den Mittelmeerhäfen und insbesondere mit Genua hervorzuheben. Durch vorzügliche Dampferverbindungen mit dem südlichen Italien, der Levante, Ostindien, sowie mit Südamerika ist ja diese wichtigste Handelsstadt Italiens in den Stand gesetzt, die Vermittlung des Verkehrs zwischen wichtigen Kulturgebieten zu übernehmen und den Erzeugnissen einer hochentwickelten Industrie neue Absatzgebiete zu erschließen. Der Export Deutschlands nach Italien hat denn auch seit Eröffnung der Gotthardbahn bedeutend zugenommen, während der französische zurückging. Es erhellt dies z. B. aus folgenden Zahlen, die dem „Chamber of Commerce Journal“ entnommen sind: In den Jahren 1881–1883 fiel der französische Export nach Italien um 105,6 Millionen Frcs., während der deutsche um 47,4 Millionen stieg. Daß dies wesentlich eine Folge der Eröffnung der Gotthardbahn ist, zeigen folgende Ziffern der Schweizer Zollbehörde; es betrug der Transit durch die Schweiz nach Italien:

1880   4719 t
1881   6293 t
1882  64182 t
1883 184360 t,

[S. 198]

der fortgesetzt abnehmende französische dagegen in denselben Jahren 65073, 43765, 41095 und 35406 t.

Des weitern kommen die erheblichen Vorteile der Gotthardbahnverbindung in mehr oder weniger erheblichem Maße zu gute Belgien und den Niederlanden, Nordfrankreich und Großbritannien.

5. Die Arlbergbahn. Sie beginnt bei Innsbruck als ein Seitenflügel der Linie Kufstein-Verona und folgt zunächst dem obern Laufe des Inn. Bei Landeck verläßt sie den letztern und wendet sich mittels eines großen Tunnels durch den Arlberg nach Bludenz, wo sie in die schon vorhandene Vorarlberger-Bahn Bludenz-Feldkirch-Bregenz einmündet.

Die Bahn, deren Gesamtlänge 137 km beträgt, wurde 1880 in Angriff genommen und am 1. September 1884 dem Verkehre übergeben.

Der große Tunnel durch den Arlberg hat eine Länge von 10270 m; der höchste Punkt des Tunnels und zugleich der ganzen Arlberglinie liegt 1310 m über dem Meere. Die Kosten des Tunnels betrugen ca. 32½ Millionen Mark (= 1800 Gulden ö. W. für das laufende Meter; die gleiche Strecke des Gotthardtunnels kostete 2400 Gulden und die des Mont-Cenis-Tunnels 4000 Gulden).

Im Durchschnitt betrug der Fortschritt im Haupttunnel 8,3 m pro Tag. Der durchschnittliche Fortschritt im Richtstollen des Gotthardtunnels erreichte pro Tag 5,1 m, in dem des Mont-Cenis nur 3,37 m. In der That, seit Nobel das Dynamit und die Spreng-Gelatine erfunden, und seitdem die Bohrmaschinen von Ferroux und Brandt auf ihrer heutigen Entwicklungsstufe stehen, giebt es nahezu kein Hindernis mehr für den Bergmann und für den Tunnelingenieur.

Von den sonstigen Bauwerken der Arlbergbahn verdient noch besonders hervorgehoben zu werden der Trisanna-Viadukt, der unbedingt zu den schönsten, kühnsten und schwierigsten Bauwerken der Erde zählt. Er überbrückt die in einer 90 Fuß tiefen Schlucht dahinbrausende Trisanna in einer Länge von 240 m, während die Eisenbahnbrücke eine Stützweite von 120 m besitzt.

Die Wichtigkeit der Bahn liegt zunächst darin, daß durch sie das westliche Tirol und Vorarlberg mit den übrigen Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie in engere Verbindung gesetzt werden. Noch weit bedeutsamer aber ist, daß durch sie ein direkter Schienenweg von der ungarischen Kornkammer und von der ganzen untern Donau und deren Stromgebiet, sowie von Triest und den Häfen des Adriatischen Meeres nach dem Bodensee, mithin nach Frankreich und dem Nordwesten Europas geschaffen wurde. Die gewaltigen Getreidemassen, namentlich jene, welche Ungarn, Rußland und Rumänien dem Westen Europas, besonders dem südwestlichen Deutschland, der Schweiz und Frankreich liefern, werden nunmehr größtenteils auf der Arlbergbahn befördert und nicht mehr, wie ehedem, an die bayerischen[S. 199] Eingangsstationen. Auch der Vieh-, Holz- und Wein-Transport der Bahn ist sehr bedeutend.

Fig. 67. Trisanna-Viadukt.

Vergleichende Übersicht über die Alpenbahnen.

Bahnen. Länge Kosten des
Haupttunnels.
Durch-
schnittliche
tägliche
Fortschritte
im Haupt-
tunnel.
Zeit der
Herstel-
lung des
Haupttun-
nels.
der Bahn. des Haupt-
tunnels.
  km km Mill.
Frcs.
m Jahre.
Semmeringbahn  41,9  1,1
Brennerbahn 125,2  0,8
Mont-Cenis-Bahn  76  12,2 75  2,35 13,1
Gotthardbahn
 
 99,3
 
14,9
 
56¾
Mill. M.
5,1   7,4
Arlbergbahn  64,5 10,2
 
32½ 8,3   3,4
Bahnen. Zahl der
übrigen
Tunnels.
Länge
aller
Tunnels.
Absolute
Höhe des
Kulmina-
tions-
punktes.
Maximal-
steigung.
    m m  
Semmeringbahn 14  4267  881 25‰
Brennerbahn 29  5512 1367 25‰
Mont-Cenis-Bahn 37 23814 1335 30‰
Gotthardbahn 52 40718 1155 27‰
Arlbergbahn 1310 30‰

Die großen Alpenbahnen sind keineswegs die einzigen Gebirgsbahnen des europäischen Kontinents. Linien, welche eine Steigung von 15–20 mm per Meter aufweisen, sind z. B. noch folgende: in Deutschland die Linie Forbach-Niederbronn im Elsaß, in Frankreich die Linien Moulins-Montluçon, Mézières-Hirsen, Lyon-Grénoble u. s. w., in Norwegen die Linie Christiania-Drontheim, in Spanien die Linie Irun-Madrid, in Italien die Linien Turin-Genua, Neapel-Foggia, Pistoja-Bologna u. s. w.

Schließlich sei noch der Schwarzwaldbahn gedacht, die in Bezug[S. 200] auf die Disponierung der Trace, die technischen Detailanlagen und die gesamte bauliche Ausführung ein würdiges Glied in der Reihe der europäischen Gebirgsbahnen bildet. Sie beginnt bei Offenburg in Baden und führt durch das Kinzigthal über Triberg (Paßhöhe 834 m), Villingen und Donaueschingen nach Schaffhausen und Konstanz. Die durchschnittliche Steigung auf der ganzen Gebirgsstrecke ist 1:55, die Maximalsteigung 1:50; die Zahl aller Tunnels beträgt 38, soviel wie auf der Mont-Cenis-Bahn. Der kürzeste Tunnel hat 13,6 m, der längste 1696,6 m. Die Gesamtlänge aller Tunnels beläuft sich auf 9,417 km auf 26 km Bahnlänge. Der ganze Bau der Bahn, die von dem großherzoglich badischen Baudirektor Robert Gerwig(† 1885) entworfen und ausgeführt wurde, währte 6 Jahre und 4½ Monate und machte auf der Gebirgsstrecke von Hausach bis Villingen (52,7 km) einen Kostenaufwand von 13,8 Millionen Gulden notwendig. — Die Bedeutung der Bahn liegt in der Vermittlung des Verkehrs zwischen dem Bodenseegebiet und den Gebieten am untern Rhein und der Mosel.

2. Bergbahnen.

Die ersten Bergbahnen waren lediglich zur Thalförderung von Bergwerksprodukten bestimmt. Dann trat auf einigen derselben erst eine fakultative, dann eine regelmäßige Personenbeförderung hinzu; in neuester Zeit endlich wurden teils durch Vervollkommnung der alten, teils durch Erfindung mehr oder weniger neuer Systeme Bergbahnen geschaffen, die, sowohl zum Thal- wie zum Bergtransport geeignet, vorwiegend oder selbst ausschließlich dem Personenverkehr zu dienen haben.

Der Art des Betriebes nach kann man folgende drei Klassen von Bergbahnen unterscheiden:

1. Seilbahnen; 2. Zahnradbahnen; 3. Adhäsionsbahnen.

a. Seilbahnen. Sie sind die einfachsten, daher auch ihre Anwendung am weitesten zurückreicht. Ihr Betrieb entstand aus dem Princip der Schwere, d. h. die schwerere Last auf der einen Seite zieht die leichtere auf der andern empor, geschehe dies nun durch Wasser-, Personen- oder Material-Füllung. Fehlten diese bedingenden Faktoren, so wurde das über Walzen laufende unendliche Seil auch durch Dampf in Bewegung gesetzt.

Beispiele solcher Bahnen sind die seit 1869 betriebene Ofener Drahtseilbahn, die Bahn Territet-Montreux-Glion[118] am Genfersee, die Gießbachbahn im Kanton Bern und die Vesuvbahn.

Die Gießbachbahn (Fig. 68) führt vom Ufer des Brienzersees zum Gießbachhotel, unweit der berühmten Wasserfälle des Gießbach. Ihre Länge erreicht 346 m, ihre Normalsteigung 28%. Eigenartig ist diese Bahn dadurch, daß sie auch noch Zahnrad-Konstruktion hat.

[S. 201]

Die Vesuvbahn (Fig. 69) weist unter allen Seilbahnen die stärkste Steigung auf; ihr Verhältnis ist 1:2. Die nur 800 m lange Linie überwindet auf dieser Strecke eine Höhendifferenz von 380 m; sie endet in einer Höhe von 1180 m, 70 m unter dem Gipfel des Vulkans.

Fig. 68. Gießbachbahn.


GRÖSSERE BILDANSICHT

b. Zahnradbahnen. Was diese betrifft, so ist zunächst zu bemerken, daß Blenkinsop, wie schon oben erwähnt wurde, zuerst das Zahnradsystem anwandte. Da er nämlich, wie manch andere in jener Zeit, nicht glaubte, daß die Reibung zwischen Rad und Schiene ausreichen würde zur[S. 202] Fortbewegung eines Zuges, so versah er die von ihm 1811 erbaute Lokomotive mit einem Zahnrad, das in eine in Mitte des Geleises gelegene Zahnstange eingriff. Nachdem aber bald darauf das bezügliche Problem durch Georg Stephenson gelöst worden war, geriet die ganze Sache in Vergessenheit.

Fig. 69. Vesuvbahn.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Der Ruhm, das Zahnradsystem zum erstenmale für eine eigentliche Bergbahn verwendet zu haben, gebührt dem Amerikaner Marsh aus Chicago, der 1855 das Projekt ins Auge faßte, den Mount Washington (2000 m) in New-Hampshire mittels einer Eisenbahn zugänglich zu machen. Unge[S. 203]heuer waren die Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte; aber er drang durch und erlebte den Triumph, 1868 seine Idee verwirklicht zu sehen. In Europa erwarb sich um Einführung und Verbesserung des Zahnradsystems die größten Verdienste der Schweizer Ingenieur Riggenbach.

Fig. 70. Lokomotive und Waggon der Bahn Vitznau-Rigi.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Zu den interessantesten Anwendungen des Marsh-Riggenbachschen Systems, das, nebenbei bemerkt, unter allen ähnlichen Systemen sich bis jetzt auch am besten bewährt hat, gehören die beiden Rigibahnen in der Schweiz und in Österreich die Bahnen auf den Schwabenberg bei Ofen und auf den Kahlenberg bei Wien.

[S. 204]

Fig. 71. Schnurtobelbrücke.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Die Bahn Vitznau-Rigi geht von Vitznau am Vierwaldstättersee aus und steigt bis Rigi-Kulm; ihre Länge beträgt 5144 m, ihre senkrechte Höhe 1113 m und ihre Maximalsteigung 25%. Die Bahn, 1871 beziehungsweise 1873 eröffnet, gelangte bald zu großer Berühmtheit, teils wegen ihrer zahlreichen Kunstbauten, wovon das beigegebene Bild der Schnurtobelbrücke ein großartiges Beispiel bietet, teils wegen der landschaftlichen Schönheiten, die sie dem Reisenden erschließt.

[S. 205]

Die Bahn Arth-Rigi beginnt bei Arth am Zugersee und führt ebenfalls bis Rigi-Kulm empor. Die ganze Bahnstrecke hat eine Länge von 11172 m; davon sind jedoch noch 1395 m Thalbahn, so daß 9777 m auf die Zahnradbahn treffen. Die senkrechte Höhe beträgt 1330 m, die Maximalsteigung 20%. Die Linie hat ferner drei Tunnels, sieben eiserne Brücken und eine Menge anderer Kunstbauten. Eine der großartigsten Partieen der ganzen Bahn ist die an der Kräbelwand. Zum Tracieren der Linie mußten hier Arbeiter an Seilen herabgelassen werden, so daß die jetzige Bahntrace faktisch nur mit Strickleitern und Seilen zu erobern war.

Eine dritte derartige Bahn in der Schweiz ist die Linie Rorschach-Heiden. Die zu ersteigende relative Höhe beträgt hier 383,5 m, die größte Steigung 9%. Die Landschaft, welche die Bahn durchfährt, bietet große Reize; einer der schönsten Punkte ist die Station Wienachten.

Deutschlands erste Zahnradbahn, von Königswinter (am Rhein, unweit Bonn) auf den Drachenfels, entstand erst 1883; sie ist 1520 m lang, die Höhendifferenz zwischen dem höchsten und niedrigsten Punkte beträgt 225 m, die größte Steigung ist 1:5.

Sonstige deutsche Bergbahnen sind Rüdesheim-Germaniadenkmal, Aßmannshausen-Niederwald und Stuttgart-Degerloch.

Von den verschiedenen anderen Zahnradsystemen sei noch das des genialen Schweizer Ingenieurs Wetli erwähnt. Dasselbe hat seine erste Anwendung gefunden auf der Bahn von Wädensweil am Zürichersee nach Einsiedeln. Infolge des Unglücksfalles, der sich auf der Bahn im November des Jahres 1876 bei der Probefahrt zutrug, gieng man jedoch davon wieder ab.

c. Adhäsionsbahnen. Es sind dies solche Bergbahnen, die ohne Zuhilfenahme außerordentlicher Vorrichtungen nach dem gewöhnlichen System der Thalbahnen betrieben werden, in ihren Steigungsverhältnissen aber bis an die äußerste Grenze des Möglichen innerhalb gewöhnlicher Anlagen vorgehen. Eine derartige Bahn ist die Ütlibergbahn, die von Zürich auf die Hohe des Ütliberges (873 m) führt. Ihre Länge beträgt 9167 m, wovon 53% in Kurven und nur 47% in Geraden liegen; die Maximalsteigung erreicht 70‰. Die Bahn erregte in allen fachlichen Kreisen großes Aufsehen und ist durch den Ingenieur Tobler aus Zürich erbaut.

Eine Übersicht über die Hauptbahnen Europas giebt Fig. 72.

Fig. 72. Die Hauptbahnlinien Europas.


GRÖSSERE BILDANSICHT

III. Projektierte Bahnen.
1. Eigentliche Gebirgsbahnen.

Fünf bedeutende Bahnen ziehen bereits teils durch, teils über die Alpen, und doch ist neuerdings die Rede von weiteren ähnlichen Projekten. So sind unter anderen Bahnen in Aussicht genommen:

[S. 206]

1. eine Simplonbahn. Sie soll die Verbindung zwischen dem schweizerischen Thal der Rhone und dem italienischen der Tosa herstellen und so den Weg zwischen Paris und Brindisi verkürzen. Nach einem Voranschlage würden sich die Kosten der Bahn auf 125 Mill. Francs belaufen; hiervon träfen allein auf den herzustellenden großen Tunnel volle 80 Mill. Dieser letztere würde bei Brieg, dem dermaligen Endpunkte der Rhonebahn, beginnen, bei Iselle endigen und eine Länge von ca. 18 km erhalten, also den größten aller bisherigen Tunnels, den Gotthardtunnel, um mehr als 3 km noch übertreffen;

2. eine Montblancbahn. Außer der Durchbohrung des Simplon steht auch noch die Durchstechung des Montblanc behufs Herstellung einer Verbindung zwischen Frankreich und Italien in Frage. Die in dieser Beziehung angestellten Untersuchungen haben ergeben, daß die Länge des Tunnels ca. 16 km betrüge und die Kosten hierfür 68 Mill. Francs ausmachten. Die Gesamtkosten der Bahn würden sich auf ca. 180 Mill. Francs belaufen;

3. eine Predil-Tauernbahn. Diese Bahn würde, von Görz aus im Isonzothal ansteigend, den Predil durchbrechen, in Tarvis einmünden, von Tarvis unter Benutzung der Rudolf- und Südbahn nach Villach und Sachsenburg und von da über die Malnitzer Tauern und Gastein zur Salzburger Bahn bei Schwarzach führen. Hierdurch würden Triest und das deutsche Mitteleuropa durchschnittlich um 200–300 km näher aneinander gerückt und ihre Verkehrsbeziehungen wesentlich erleichtert werden;

4. eine Bahn über den großen St. Bernhard.

Abgesehen von den in Aussicht genommenen Alpenbahnen, ist das bedeutendste dermalige Gebirgsbahnprojekt Europas die Durchbohrung der Pyrenäen. In dieser Beziehung sind neuestens die spanische und französische Regierung übereingekommen, die Genehmigung zum Bau zweier verschiedener Pyrenäenbahnen zu erteilen. Die eine Linie soll über Huesca und Canfranc nach Oloron in Frankreich führen; die andere Linie soll von Lerida durch die Thäler Noguera und Pallaresa nach dem französischen Departement Arriège ziehen. Die bezüglichen Haupttunnels durch die Pyrenäen werden eine Länge von 4, resp. 3 km erhalten. So wird denn auch in nicht zu ferner Zeit das Wort Ludwigs XIV. von Frankreich, das derselbe in Anspielung auf die Vereinigung des spanischen und französischen Thrones einst äußerte, sich erfüllen, das Wort: Il n’y a plus de Pyrenées (es giebt keine Pyrenäen mehr).

2. Bergbahnen.

In der Schweiz sollen demnächst Bergbahnen gebaut werden: auf den Pilatus am Vierwaldstättersee[119], auf den Salève bei Genf, auf den Gurten[S. 207] bei Bern und auf den Monte Salvatore bei Lugano; in Österreich ist eine solche geplant auf den Gaisberg bei Salzburg und von Jenbach nach dem Achensee.

3. Eisenbahnen unter dem Meere.

Fig. 73. Thomé de Gamond.

1. Schienenverbindung zwischen England und Frankreich[120]. Der Gedanke, zwischen England und dem Kontinente einen trockenen Verbindungsweg zu schaffen, ist keineswegs neu. Schon zu einer Zeit, da man von den Eisenbahnen noch keine Ahnung hatte, faßte ein französischer Ingenieur, Namens Mathieu, den Gedanken, eine unterseeische Fahrstraße zu bauen. Die Pläne hierzu wurden Napoleon, der damals erster Konsul war, vorgelegt und später im Luxemburgpalaste ausgestellt, sind aber unauffindbar in Verlust geraten. Kurz darauf projektierte man in Frankreich die Legung ungeheurer Eisenröhren auf den Meeresboden, dann wieder die Erbauung einer Brücke über den Kanal. Doch fanden all diese Vorschläge keinen Anklang; auch die im Laufe der zwei letzten Decennien aufgetauchten, teilweise geradezu verblüffenden und gewaltig kostspieligen Pläne wurden von der Mehrheit der Fachleute als unpraktisch verworfen, und die Sache ruhte, bis Thomé de Gamond um die Mitte der dreißiger Jahre deren Studium zur Hauptaufgabe seines Lebens machte. Anfänglich befürwortete derselbe Röhren, später entschied er sich für einen unterseeischen Tunnel. 1857 kam er nach England, erläuterte hier seine Pläne den Ingenieuren und hatte in dieser Sache Unterredungen mit dem Prinz-Gemahl und dem Premierminister Lord[S. 208] Palmerston. Gamond nahm seine Sache so ernst, daß er zu wiederholten Malen selbst auf den Meeresgrund hinabstieg, um sich über dessen geologische Beschaffenheit genau zu unterrichten; als er dies zum letztenmal that, wäre er beinahe ums Leben gekommen; denn gefräßige Raubfische setzten ihm so sehr zu, daß er fast das Bewußtsein verlor und nur mit genauer Not dem Tode entrann. 1856 ließ Napoleon III. die Gamondschen Pläne durch eine wissenschaftliche Kommission prüfen; diese beantragte, daß, da Gamonds Schlußfolgerungen ganz plausibel seien, die beiden Regierungen auf gemeinsame Kosten einige Versuchstunnelierungen veranlassen mögen, damit die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit der praktischen Durchführbarkeit des Projektes ermittelt werde. Doch wurde daraus nichts, und auch die Auslegung der Gamondschen Zeichnungen auf der Pariser Weltausstellung von 1867 förderte kein greifbares Ergebnis zu Tage. Erst 1872 wurde eine französisch-englische Kanaltunnelgesellschaft (engl. Channel Tunnel Company) gegründet, welcher L. Grosvenor für das englische Komitee und M. Chevalier für das französische Komitee präsidierten und Gamond, Hawkshaw und Brunlees als Ingenieure angehörten. Im August des Jahres 1875 wurde sodann seitens der Nationalversammlung der Bau einer von der französischen Küste zwischen Calais und Boulogne ausgehenden submarinen Eisenbahn bis zum Anschluß an eine gleiche englische Linie genehmigt und der französischen Gesellschaft die Konzession auf 99 Jahre ohne Subventionen oder Garantieen unter der Bedingung erteilt, daß die Konzession nach fünf, beziehungsweise acht Jahren erlösche, wenn bis dahin ein Einvernehmen mit der englischen Gesellschaft nicht erzielt oder der Bau aus anderen Gründen unmöglich werde. Als nun die geforderte Einigung mit der englischen Gesellschaft tatsächlich nicht zu stande kam, da trat 1881 der Präsident der englischen Südostbahngesellschaft, Sir Edward Watkin, hervor, der in Gemeinschaft mit den Ingenieuren Brady, Bramwell, Low und dem Obersten Beaumont die Sache zur Entscheidung zu bringen entschlossen war. Auf seine Anregung faßte die genannte Bahngesellschaft den Beschluß, die Vorarbeiten auf eigene Rechnung und Gefahr zu wagen. Nach wenigen Monaten schon ergaben die Bohrungen ein so überraschend günstiges Resultat, daß es leicht fiel, Anfang 1882 eine Aktiengesellschaft zu bilden, die der Südostbahn das Terrain, die Maschinen und die begonnenen Vorarbeiten abnahm und das zur Weiterführung erforderliche Kapital zur Verfügung stellte. Die neugegründete „Submarin-Kontinental-Eisenbahngesellschaft“ setzte die Bohrungen fort und stellte dadurch fest, daß der geplante Tunnel verhältnismäßig leicht herzustellen ist. Die Bohrungen haben nämlich die Richtigkeit der geologischen Voraussetzungen der Unternehmer vollständig erwiesen. Das Gestein war stets leicht zu bearbeiten, so daß es nicht, wie bei den großen Bergtunnels, des Dynamits, überhaupt keiner Sprengungen bedurfte. Auch Wassereinbrüche fanden nicht statt. Nach dem heutigen Stande der Geologie[S. 209] läßt sich aber mit höchster Wahrscheinlichkeit annehmen, daß diese Gesteinsschichte — sogen. graue Kreide — sich unter dem ganzen Kanal hinziehe.

Betreffs der Route, welche für den Tunnel zu wählen wäre, zeigten sich Meinungsverschiedenheiten. Die Ingenieure der älteren Kanaltunnelgesellschaft beabsichtigten, den Tunnel von der St. Margaretenbucht in England bis nach Sangatte in Frankreich zu bohren. Die Ingenieure der Südostbahn entschieden sich dagegen für Folkestone. Über die projektierten Kanaltunnellinien überhaupt orientiert das beigegebene Kärtchen (Fig. 74).

Der ganze Tunnel wird, die notwendigen Steigungen und Landzugänge inbegriffen, etwa 38 km lang sein. Übrigens denkt man auch daran, eventuell von Landzugängen und Steigungen Umgang zu nehmen und statt dessen die Züge bei ihrer Ankunft mittels mächtiger hydraulischer Winden sanft an die Oberfläche der Erde zu heben; dadurch würde sich die Tunnelstrecke auf kaum 30 km vermindern.

Fig. 74. Die projektierten Tunnellinien zwischen Frankreich und England.

Bezüglich des Betriebes der Tunnelbahn hat man vorläufig komprimierte Luft in Aussicht genommen. Durch sie würde nicht bloß der Zug getrieben, sondern der Tunnel gleichzeitig auch mit guter Ventilation versehen werden.

Die Herstellungskosten werden gegenwärtig auf 2–2½ Mill. Pfd. St. geschätzt. Früher freilich hegte man in dieser Beziehung arge Befürchtungen. P. J. Bishop z. B. meinte, der Tunnel müsse verhältnismäßig ebensoviel kosten, wie der Brunelsche Themsetunnel, also über 54 Mill. Pfd. St., und selbst diese Summe könne noch überschritten werden.

Auch rücksichtlich der Zeit, deren man zu dem Unternehmen bedarf, ist ein Umschwung in den Ansichten und eine praktische Klärung derselben eingetreten. Während Michel Chevalier und Lord Richard Grosvenor es noch für geraten hielten, sich eine Frist von 20 Jahren vorzubehalten, ist man jetzt zu der Überzeugung gekommen, daß der ganze Tunnel sich in etwa 5 Jahren herstellen ließe.

Wie sich die Rentabilität des Unternehmens stellen wird, läßt sich nur vermuten. Sollte es wirklich möglich werden, von England nach den Verkehrsmittelpunkten Europas rasch, ohne Erstickungsgefahr, ohne Seekrank[S. 210]heit, ohne durch Stürme entstehende Verzögerungen und Verluste, bei ununterbrochener Fahrt in hell erleuchteten Wagen zu gelangen, sowie Waren rasch, sicher, ohne Umladung und ohne Schiffbruchgefahr von und nach Großbritannien zu senden, so läßt sich billigerweise annehmen, daß die betreffenden Kompagnieen gute Geschäfte machen werden. Schon jetzt verkehren auf den verschiedenen vorhandenen Dampferlinien jährlich über eine halbe Million Passagiere zwischen dem Inselreich und dem Kontinente, und der Güterverkehr repräsentiert schon jetzt jährlich einen Wert von mehr als 80 Mill. Pfd. St.

Die wirkliche Ausführung des Tunnels ist indes nach der neuesten Wendung der Dinge für längere Zeit verschoben. England nämlich, das vor wenigen Jahren noch den Bau des Tunnels für höchst wünschenswert hielt, erblickt nunmehr in der Herstellung desselben eine ernstliche Bedrohung seiner insularen Unabhängigkeit, und infolgedessen ist von seiten der hervorragendsten Repräsentanten des englischen Volkes ein entschiedener Protest gegen das Tunnelprojekt erflossen. Ganz Frankreich, Lesseps an der Spitze, macht sich jedoch über diese Bedenken der Engländer ebenso lustig, wie einst über diejenigen John Bulls betreffs des Suezkanals, von dem England jetzt mehr Nutzen zieht als alle übrigen Völker zusammengenommen. „Heutzutage kann,“ wie der ‚Temps‘ mit Recht sagt, „unbedachtsamer Patriotismus dem Fortschritte der Civilisation und den wahren Interessen der Völker nicht lange hinderlich im Wege sein.“

2. Eisenbahn zwischen Italien und Sizilien. Von den zahlreichen Meerengen des Mittelmeeres bietet die Straße von Messina die günstigsten Verhältnisse für Herstellung einer Eisenbahn unter dem Meere. Die Breite der Straße beträgt nämlich an ihrer schmälsten Stelle nicht über 3 km und die mittlere Tiefe derselben nicht über 75 m. Da nun die Bahn 30–40 m unter der Sohle der Straße anzulegen wäre, so würde dieselbe 110–120 m unter dem Meeresniveau dahinführen. Neuestens hat die italienische Regierung dem Ingenieur Carlo Navone die Erlaubnis zu den bezüglichen Vorarbeiten erteilt. Die Länge des eigentlichen unterseeischen Tunnels hat man auf 4300 m berechnet, die Kosten auf 71 Mill. Francs. Für Fertigstellung des Unternehmens werden mindestens 4½, höchstens 6½ Jahre nötig sein.

3. Eisenbahn zwischen Spanien und Afrika. Nach den Plänen der „Compagnie du chemin de fer intercontinental“ würde der Ausgangspunkt der Bahn auf der spanischen Seite zwischen Tarifa und Algesiras und ihr Endpunkt an der Küste Marokkos zwischen Tanger und Ceuta liegen. Da jedoch die Tiefe der Straße von Gibraltar an der bezeichneten Stelle über 800 m beträgt, so erscheint die Ausführung dieser Bahn jedenfalls erst einer fernen Zukunft vorbehalten.

4. Eisenbahn zwischen Schottland und Irland. Sie soll unter dem 35 km breiten und 25 m tiefen Nordkanal von Port Patrick[S. 211] nach Larne (nördlich von Belfast) geführt werden und infolge ihrer politischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung Aussicht auf baldige Realisierung haben.

5. Eisenbahn zwischen Schweden und Dänemark. Der französische Ingenieur de Rothe hat der dänischen Regierung den Plan eines unterseeischen Tunnels durch den Sund zwischen Kopenhagen und Malmö vorgelegt. Der Tunnel soll eine Länge von 12 km erhalten und 30 Mill. Frcs. kosten.

B. Die Eisenbahnen Asiens[121].

Die Eisenbahnen nehmen in Asien noch eine sehr untergeordnete Stellung ein. Fast der ganze Kontinent liegt noch in denselben Verkehrsfäden gefangen, die sich schon vor Jahrtausenden über ihn spannten. Noch immer haben im weitaus größten Gebiete Asiens Boten und primitive Posten den Nachrichten-, Saumtiere, Pferde, Zugtiere und Kamele den Personen- und Frachtenverkehr zu vermitteln. Die geographischen Verhältnisse des Erdteils haben die Entwicklung des Eisenbahnwesens freilich auch nicht begünstigt. Der Erdteil ist seiner Bodengestalt nach überwiegend Hochland, das außerdem noch auf weiten Strecken Wüsten- und Steppen-Charakter an sich trägt. Die Flüsse treten vielfach, so Euphrat und Tigris, Ganges und Hoangho, über ihre Ufer und wirken weithin verheerend. Auch die klimatischen Verhältnisse erschweren in manchen Strichen die Anlage von Bahnen; besonders ist das der Fall im nördlichen Sibirien. In einigen Gebieten, so z. B. in Vorderasien, fehlt es an Kohlen, dieser Hauptnahrung des Dampfrosses. Die wichtigste Ursache der geringen Entwicklung der Bahnen bildet jedoch der tiefe Kulturgrad vieler asiatischen Völker und namentlich die bisherige hartnäckige Ablehnung aller europäischen Kultur seitens des chinesischen Reiches. Noch heute besitzen das ungeheure Territorium des chinesischen Reiches, jenes von Sibirien, Vorderasien, Arabien und Hinterindien, von einigen wenigen Kilometern in China, Balutschistan und Kleinasien abgesehen, gar keine Schienenstränge. Das einzige Gebiet Asiens, das ein ziemlich entwickeltes Eisenbahnnetz besitzt, ist Britisch-Indien.

I. In Betrieb befindliche Bahnen.

1. Britisch-Indien. Die erste Eisenbahn lief in Britisch-Indien 1853. In diesem nämlichen Jahre wurde auch der Plan zu den zwei großen Routen entworfen, welche die drei Hauptorte Indiens verbinden sollten:[S. 212] Calcutta, Bombay und Madras. Aber erst 1871 fand dieses Projekt seine Erfüllung. Zu diesen zwei Hauptlinien (Bombay-Calcutta und Bombay-Madras) kamen im Laufe der letzten Jahre verschiedene neue hinzu, so daß dermalen die großen Maschen des Netzes vollendet sind. Namentlich ist der Golf von Bengalen schon mit den Thoren von Afghanistan verbunden, und auch das Industhal hat eine Bahn bis Kurrachee.

Fig. 75. Felspartie
an der Kandy-Bahn.

Von den übrigen Bahnen Vorderindiens sei noch der Himalaja-Bahn Erwähnung gethan. Sie erstreckt sich von Calcutta bis Dardscheling, einem 7600 engl. Fuß über dem Meere gelegenen klimatischen Kurort im Himalaya, und ist eines der kühnsten Bauwerke unseres Jahrhunderts. Die durchschnittliche Steigung der Bahn ist etwa 1:36.

Die in Vorderindien noch fehlenden Hauptlinien sind folgende: eine direkte Verbindung Bombays mit Calcutta über Nagpur, zwei Bahnen längs der Ost- und Westküste der Halbinsel und ein Strang von Calcutta nach den Ufern des Irávadi in Hinterindien. Auch diese Bahnen werden in nicht zu ferner Zeit ausgeführt werden; denn an der Vervollständigung des Schienennetzes wird mit allem Eifer gearbeitet, da ja hiervon die Ausnützung der vorhandenen Kohlenschätze, die Hebung der verschiedenen Industriezweige und des Weizenexportes vor allem bedingt ist. — Von Bedeutung verspricht auch jene Linie zu werden, die von Sukkur am Indus durch Balutschistan über Sibi nach Quetta gebaut wird; denn in der Fortsetzung dieser Linie erfolgt wohl der Anschluß des indischen Bahnnetzes an das vom Kaspischen Meer vorrückende russische. (Siehe auch S. 217.)

Die Insel Ceylon besitzt 260 km Eisenbahnen. Bemerkenswert sind dieselben besonders dadurch, daß ihre Spurweite größer ist als die sogen. normale (1,677 m). Technisch am bedeutendsten ist die nach Kandy führende Linie.

[S. 213]

2. Asiatische Türkei. Dieses fast 2 Mill. qkm große Gebiet besitzt bis jetzt nur ca. 400 km Bahnen, darunter die Linien Smyrna-Aidin-Sarakio, Smyrna-Alaschehr und Skutari-Ismid.

3. Kaukasien. Hier sind im Betriebe die Linien Poti- oder Batum-Tiflis-Baku und Rostow-Wladikawkas. Erstere Linie stellt die Verbindung zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meere her.

4. China. Dieses Land ist der einzige Staat der Erde, der sich bisher hartnäckig dem Eisenbahnwesen verschloß. So wurde von einer englischen Gesellschaft eine Bahn von Shanghai nach Woosung gebaut, nach Fertigstellung aber von der chinesischen Regierung angekauft und alsbald wieder vernichtet. Gegenwärtig geht eine Bahn nach den Kohlenminen von Kaiping; sie hat 13 km und befördert auch Personen; das ist übrigens alles, was dieses Land, welches größer als ganz Europa ist, an Eisenbahnen zur Zeit aufweist. Neuestens wird aber auch im Reiche der Mitte die Herstellung von Schienenwegen ernstlich ins Auge gefaßt. — Die Ausbreitung des Eisenbahnwesens in China wird ohne Zweifel für das gesamte Kulturleben der Gegenwart die großartigsten Wirkungen im Gefolge haben, und zwar sowohl mit Rücksicht auf Handelspolitik und Güteraustausch, als auch bezüglich der Emigrations- und Arbeiterfrage.

5. Japan. Dieses Reich hat sich mit der Einführung des europäischen Eisenbahnwesens vollständig vertraut gemacht. An dem Ausbau des bereits bestehenden Netzes wird fleißig gearbeitet.

6. Niederländisch-Indien. Bahnen finden sich in diesem Gebiete, abgesehen von einer kleinen Strecke auf Sumatra, nur auf Java.

II. Projektierte Bahnen.

Was Asien dermalen an ausgeführten Bahnen aufzuweisen hat, ist, wie wir gesehen, im Verhältnis zu den gewaltigen Dimensionen des Erdteils wenig bedeutend. Um so zahlreicher sind dagegen die Bahnprojekte, die uns auf asiatischem Boden entgegentreten. Schweiger-Lerchenfeld nennt Asien geradezu „das große Aktionsgebiet der künftigen Weltschienenwege“. Manche dieser Projekte klingen uns gegenwärtig allerdings noch ganz fabelhaft an, aber der mächtige Geist, der die Alpenmauer durchbrochen, der dem Dampfroß durch Steppen und Wüsten den Pfad geebnet und es wiederum an der Lehne der Hochgebirge hinführt, wird auch den asiatischen Koloß zu bändigen wissen.

Die wichtigsten der in Aussicht genommenen Bahnen sind folgende:

1. Bahnen nach Indien, und zwar a) durch die asiatische Türkei und durch Persien; b) durch russisch Centralasien;

2. eine transasiatische Bahn.

[S. 214]

Fig. 76. Die Bahnen Asiens.


GRÖSSERE BILDANSICHT

1. Bahnen nach Indien.

a. Durch die asiatische Türkei und Persien.

α. Euphrat- und Tigrisbahn.

Das Projekt einer Euphratbahn ist schon in den dreißiger Jahren von England, das an der Verbesserung und Verkürzung des Weges nach Indien[S. 215] unmittelbares Interesse hat, aufgeworfen und seither wiederholt erörtert worden. Die wichtigsten der hier in Frage kommenden Linien sind folgende:

aa. Eine Linie von Alexandrette an der nordsyrischen Küste über Aleppo zum Euphrat, dann diesem folgend bis zum Persischen Meerbusen.

bb. Eine Linie von demselben Ausgangspunkt, aber durchs mesopotamische Binnenland, also am linken Euphrat- oder am rechten Tigrisufer, mit demselben Endpunkte, wie bei dem ersten Projekte (Kuweit, Kornea oder Basra).

Die englische Regierung scheint indes auf die Ausführung einer sogen. Euphratbahn verzichtet zu haben. Nach den Untersuchungen des deutschen Ingenieurs Pressel stellt sich nämlich dieselbe dar als ein Unding in bautechnischer, betriebstechnischer und in kommerzieller Beziehung. So haben die technischen Untersuchungen ergeben, daß die Linie im Euphratthale selbst wegen der periodischen Hochfluten des Stromes und der mäandrischen Windungen desselben absolut nicht geführt werden könne, sondern auf eines der beiden Ufer verlegt werden müsse. Die Uferstrecken aber sind auf einer Länge von 1200 km vollständig wüst. Was die betriebstechnische Seite betrifft, so spricht gegen eine solche Bahn der Umstand, daß fast nirgends Brennmaterial sich findet und der Wassermangel sehr bedeutend ist. In kommerzieller Beziehung ist die Bahn ein Unding, weil eine Bahn, deren Baukapital sich auf rund 500 Mill. Francs beläuft und mit mindestens 12% zu verzinsen wäre, täglich 40000 t Fracht und 10000 Passagiere befördern müßte.

Eine weit solidere und vertrauenerweckendere Grundlage als die erwähnten Euphratbahnprojekte hat

cc. das Tigrisbahnprojekt Pressels. Seine Linie geht von einem nordsyrischen Hafen über Diarbekr und Mosul nach Bagdad zum Persischen Golf. Freilich muß, wie Pressel ausführt, mit der Durchführung dieses Projektes auch eine große wirtschaftliche Aktion eingeleitet werden, wenn anders die Linie sich als rentables Unternehmen erweisen soll.

Schließlich sei noch eines vierten Projektes Erwähnung gethan! Man dachte nämlich auch an eine

dd. kleine Euphratbahn von Alexandrette über Aleppo bis an den Euphrat unter Einrichtung einer Dampfschiffahrt auf demselben; indes auch hiervon mußte wegen der ungünstigen Stromverhältnisse Abstand genommen werden; Euphrat und Tigris sind nämlich in ihrem Oberlaufe für Schiffe unfahrbar, da infolge der starken Geschiebebewegung sich fortwährend Untiefen bilden und überdies beide Ströme durch viele felsige Engpässe führen.

β. Die kleinasiatisch-mesopotamisch-persische und die kleinasiatisch-armenisch-persische Transitlinie.

Das ursprüngliche Projekt einer Euphratbahn erweiterte sich mit der Zeit zu jenen Projekten von allgemeinerer, internationaler Bedeutung, durch welche[S. 216] eine ununterbrochene Eisenbahnverbindung Europas mit Indien hergestellt werden soll. Angeregt wurden dieselben, wie die eben besprochenen, von England. Es sind denn auch von englischer Seite, so von Henry Rawlinson u. a., zahlreiche Vorschläge in dieser Beziehung gemacht worden; aber auch hier dürften sich die wohldurchdachten Pläne Pressels als die geeignetsten erweisen. Zunächst sei noch bemerkt, daß man hier eine kleinasiatisch-mesopotamisch-persische und eine kleinasiatisch-armenisch-persische Linie unterscheidet, je nachdem eben die Verbindung Indiens mit Kleinasien über Mesopotamien oder Armenien angestrebt wird. Nach Pressels Vorschlägen nun sollte

1. die kleinasiatisch-mesopotamisch-persische Linie von Skutari über Eskischehr, Konia und Adana nach Biredschik laufen, von wo eine Seitenlinie über Aleppo zum Mittelmeer sich abzuzweigen hätte, und dann Urfa, Diarbekr, Nisibin, Mosul, Bagdad, Kirmanschahan, Hamadan und Teheran berühren;

2. die kleinasiatisch-armenisch-persische Linie wäre von Skutari über Eskischehr, Siwas und Erzerum nach Täbris und Teheran zu führen.

Zum Anschluß an das indische Bahnnetz wird die Fortsetzung der Bahn über Mesched und Herat und von Herat aus entweder über Kabul nach Peschawar oder über Kandahar nach Schikarpur (am Indus) empfohlen. Freilich ist die Ausführung dieses Projektes einer türkisch-indischen Überlandbahn — so sehr eine solche Linie auch eine internationale Handelslinie im eminentesten Sinne des Wortes genannt werden muß — anbetrachts der vielen Hindernisse, die sich ihr entgegenstellen, noch in weite Ferne gerückt.

b. Durch Russisch-Centralasien.

Es ist begreiflich, daß bei der großen politischen, merkantilen und militärischen Bedeutung einer Schienenverbindung Rußlands mit Indien zahlreiche Projekte zur Herstellung einer solchen auftauchten. Sie alle hier zu erörtern, würde zu weit führen; nur der wichtigsten soll gedacht werden.

1. Der Ingenieur Baranowski plaidierte für eine Linie, die von Saratow an der Wolga ausgeht, das Ust-Urt-Plateau durchschneidet, Chiwa berührt und bis Balch führt. Ein Tunnel durch den Hindukusch soll dann die Fortführung der Bahn im Thal des Kabul bis zur indischen Grenzstation Peschawar ermöglichen.

2. Das Lesseps-Cotardsche Projekt zielt darauf, Rußland mit Indien durch eine Bahn zu verknüpfen, die von Orenburg am Ural über Taschkent und Kabul nach Peschawar liefe.

Die ebenerwähnten Projekte haben übrigens, wie viele andere, gleichfalls nur mehr historische Bedeutung; denn schon ist auf einem dritten Wege eine russisch-indische Verbindungsbahn in rascher Herstellung begriffen.[S. 217] Die Russen haben nämlich bei ihren Eroberungen in Turan den Bahnbau nicht außer acht gelassen; schon jetzt zieht hier vom Ostufer des Kaspischen Meeres eine Linie über Kisil-Arwat und Askabad bis Merw. Die Fortsetzung der Bahn nach Herat wird wohl in nächster Zeit in Angriff genommen. So wird ohne Zweifel auf diesem Wege der Anschluß an das indische Bahnnetz entweder in der Richtung nach Peschawar oder (was wahrscheinlicher) über Quetta nach Schikarpur erfolgen.

Der Verkehr von Westeuropa nach Indien wird dann folgenden Weg nehmen: Wien-Odessa-Schwarzes Meer-Batum-Tiflis-Baku-Kaspisches Meer-Askabad-Merw-Herat-Kandahar-Quetta-Schikarpur.

Die ganze Strecke von Paris oder London bis Schikarpur am Indus wird alsdann in 11–12 Tagen zurückgelegt werden können.

Zunächst ist indes von Rußland die Fortsetzung der Bahn von Merw nach Samarkand und Taschkent beabsichtigt.

2. Die transasiatische Bahn.

Die hier in Betracht kommende Linie ist jene, welche Europa, beziehungsweise Rußland dereinst mit China verbinden soll. Entwürfe hierfür haben geliefert:

1. Der deutsche Ingenieur Meyssel. Nach ihm wäre die Bahn von Jekaterinburg über Omsk, Irkutsk, Kiachta, Urga nach Peking und Tientsin zu führen.

2. Der russische Oberst Bogdanowitsch. Dieser läßt gleichfalls die Bahn bei Jekaterinburg beginnen und nach Omsk und Irkutsk ziehen. Dann aber hätte sie das Jablonoigebirge bei Tschita zu überschreiten und würde über Chailar und Dolon-nor Peking erreichen.

3. Der deutsche Freiherr von Richthofen. Auch nach diesem sollte die Bahn ihren Ausgang von Jekaterinburg nehmen, dann aber über Omsk, Semipalatinsk, die Oase Hami und Singan nach Hankau und Shanghai führen.

Diese weitreichenden Projekte finden allerdings noch nicht in der nächsten Zeit ihre Verwirklichung, aber gegen den gewaltigen und gewaltsamen Strom des 19. Jahrhunderts läßt sich nicht schwimmen, und auch die chinesische Mauer ist nicht stark genug gegen die Wucht seines Anpralles. Ist aber einmal die asiatische Transitbahn zur Wirklichkeit geworden, so wird auch „die Reise um die Welt in achtzig Tagen“ zu den Dingen gehören, die gewesen. Man wird von da an im stande sein, in nur zwei Monaten die beiden größten Kontinente und die beiden größten Oceane zu durchmessen. Dieser Zukunftsmusik des Weltverkehrs sind aber nicht bloß die harmonischen Accorde des friedlichen Völkerverkehrs und des gegenseitigen Austausches der Produkte der Völkerarbeit eigen, sie enthält auch schrille Töne. Unwiderstehlich, wie schon jetzt auf der pacifischen Route gegen Osten, würde sich[S. 218] die Flut chinesischer Auswanderer aus dem 400-Millionen-Reich westwärts wenden. „Mit dem daraus zu erwartenden Segen,“ sagt von Richthofen, „würden sie Gefahren bringen, welche das russische Reich neben den Vorteilen in erster Linie zu übernehmen hätte. Arbeitsamkeit, praktischer Verstand, Nüchternheit, schnelle Vermehrung und starres Festhalten am Überlieferten machen die Chinesen zu dem wichtigsten Elemente in der Verbreitung der Bodenkultur, aber auch, wo immer sie mit anderen Völkern in Berührung kommen, zu einer durch den Prozeß langsamen Verdrängens und Erdrückens furchtbaren Macht.“

Ein freilich sehr bescheidener Anfang zur transsibirischen Eisenbahn ist übrigens doch schon gemacht durch die Fertigstellung der 135 km langen Linie zwischen Jekaterinburg und Tjumen[122].

C. Die Eisenbahnen Afrikas.

Afrika ist bekanntlich unter allen Erdteilen der am meisten zurückgebliebene. Ganz besonders beweist dies auch die äußerst geringe Entwicklung seines Eisenbahnwesens. Es nimmt in dieser Beziehung unter sämtlichen Kontinenten die letzte Stelle ein. Begründet ist diese Erscheinung vor allem in den äußerst ungünstigen physikalischen Verhältnissen des Erdteils. So ist die Gliederung desselben äußerst mangelhaft; es fehlen ihm nicht bloß Halbinseln, auch seine Golfe sind nur sehr schwächlich angedeutet, oder sie bestehen nur aus einspringenden Winkeln, wie der Meerbusen von Guinea. Schon hierdurch war ein Eindringen in den Erdteil bedeutend erschwert. Ferner mangeln dem Kontinente aufschließende Ströme, wie solche Amerika im Mississippi, dem Amazonas und den La-Plata-Geschwistern besitzt, und zu dieser nautischen Verschlossenheit gesellt sich noch als Verschärfung die Unwegsamkeit großer Binnenräume. Der große Wüstengürtel im Norden namentlich scheidet den Weltteil für die Gesittungsgeschichte in zwei streng gesonderte Hälften. Einer nachhaltigen Ansiedelung fremder Kulturvölker stand auch das höchst ungesunde Klima mancher Küstenstriche entgegen. Afrika entbehrte überdies lange Zeit wirksamer Lockmittel; es bot weder Metalle noch Gewürze, weder Droguen noch andere vegetabilische Seltenheiten, die Kulturvölkern den Besitz des Erdteils wünschenswert machten; erst in neuester Zeit wurden solche Lockmittel auch in Afrika gefunden, besonders im Elfenbein. Nimmt man zu alledem noch die im Vergleich zu den Ariern entschieden geringere Rassenbegabung der Neger, so sind das Gründe genug für die niedrige Kulturstufe des Erdteils überhaupt, wie auch für den tiefen Stand seines Eisenbahnwesens. Neuestens ist übrigens auch in Afrika eine[S. 219] regere Thätigkeit im Eisenbahnbau bemerkbar. Die hie und da auftauchenden Projekte sind teilweise sogar sehr phantastischer Natur.

I. In Betrieb befindliche Bahnen.

Die hier in Betracht kommenden Gebiete sind besonders Ägypten, Tunis, Algier und das Kapland.

1. Ägypten. Das Eisenbahnnetz Ägyptens dehnt sich vorwiegend über das fruchtbare Nildelta aus. Die wichtigste Linie ist Alexandria-Kairo. Von ihr zweigt in Benha el Asl ein Schienenweg nach Suez ab. Er läuft über Zagazig nach Ismailia am Suezkanal und begleitet diesen längs der alten Bitterseen bis Suez. Diesen Weg nimmt auch die englisch-ostindische Post von Alexandrien nach Suez. Von Kairo setzt sich ein Arm nach Oberägypten fort bis Siut.

2. Tunis. Es besitzt dermalen ein nur wenig entwickeltes Netz; dasselbe wird sich aber unter dem Einflusse Frankreichs mehr und mehr ausbilden. Sehr bedeutsam ist jetzt schon die Verbindung seines Netzes mit dem algerischen.

3. Algier. Die wichtigsten Bahnen sind Algier-Oran und Bona-Constantine. Erweiterungen des Bahnnetzes, welche namentlich den südlichen Teil der Kolonie erschließen sollen, sind im Bau.

4. Kapkolonie. Das Kapland besitzt zur Zeit über 1600 km Eisenbahnen. Die Hauptlinie, von Kapstadt in nordöstlicher Richtung ziehend, ist bis nach Kimberley, der Hauptstadt des durch seinen Diamantenreichtum bekannten West-Grequalands, vollendet. Eine zweite Hauptlinie verbindet Port Elizabeth, nächst der Kapstadt die bedeutendste Handelsstadt der Kolonie, mit Graaf Reinet, während eine dritte Linie von Port Alfred aus sich nach De Aar, einer Station der Route Kapstadt-Kimberley, hinzieht. Die dritte Linie hat außerdem eine Abzweigung, durch welche die Verbindung mit der Route Port Elizabeth-Graaf Reinet hergestellt wird. Eine vierte Linie endlich führt von East London in nordwestlicher Richtung. — Eine Küstenbahn ist zur Zeit noch nicht vorhanden. Zwischen den Hauptorten Kapstadt und Port Elizabeth ist zwar eine ununterbrochene Eisenbahnverbindung hergestellt; deren Länge beträgt indes wegen des großen Umwegs 838 englische Meilen, während der Seeweg zwischen beiden Orten nur 430 englische Meilen ausmacht.

Außerdem besteht noch eine Bahn auf der Insel Réunion und zwischen St. Louis und Dakar. Die Erbauung der erstern namentlich war mit großen Schwierigkeiten verbunden. Galt es hier doch, einen Tunnel durch Basalt zu bohren in einer Länge von 10281 m. In 30 Monaten war das Riesenwerk vollendet.

[S. 220]

II. Projektierte Bahnen.

1. Trans-Sahara-Bahn. Ein diesbezüglicher Entwurf stammt von dem französischen Ingenieur Duponchel. Danach soll die künftige Saharabahn von Miliauah, einer Station der bereits bestehenden Linie Algier-Oran, ihren Ausgang nehmen, über Laghuat und el Golea nach Süden ziehen, um bei Bamba die nördliche Biegung des Niger zu gewinnen. Von dort soll sich die Bahn in der Weise verzweigen, daß ein östlicher Strang, der auch Sokoto und Kano berührt, bis nach Kuka am Tsadsee zieht, ein westlicher hingegen über Timbuktu den Niger aufwärts läuft, um sodann, in das Thal des Senegal übergehend, die französische Stadt St. Louis an der Senegalmündung zu erreichen. Die Länge dieser Linien betrüge 2500 km. — Das lebhafteste Interesse an der Ausführung dieses Projektes haben die Franzosen. Frankreich würde durch diese Bahn unzweifelhaft zur herrschenden Macht in Nordwestafrika und einem großen Teil von Centralafrika. Übrigens stehen der Durchführung des Unternehmens enorme Schwierigkeiten im Wege.

Auch der deutsche Afrikareisende Gerhard Rohlfs hat sich mit dem Plan einer Saharabahn beschäftigt. Er befürwortet, gegenüber dem französischen Projekte, die Erbauung einer Linie von Tripoli über Mursuk nach Kuka am Tsadsee.

2. Senegal-Niger-Bahn. Die in dieser Beziehung von französischen Ingenieuren ausgearbeiteten Projekte zielen darauf, von der Küste aus eine Verbindung mit dem Sudan zu schaffen. Da aber schon die erste Teilstrecke (zwischen Khay oder Medina und Bafoulabé) 35 Mill. Francs verschlang, so wurden die weiteren Kredite für diese Bahn vom französischen Senate Ende 1883 verweigert, und das Projekt ist vorläufig als aufgegeben zu betrachten.

3. Bahn nach dem ägyptischen Sudan. Durch die Herstellung dieser Linie hofft man die landwirtschaftliche Thätigkeit in den Sudanebenen neu zu beleben und für den Transport der Erzeugnisse Innerafrikas einen bequemen, rasch zurücklegbaren Weg zu schaffen. Eine großartige Erweiterung erhält dieses Projekt durch den in neuester Zeit aufgetauchten Gedanken, von Berber über Kassala eine Eisenbahn nach Massaua am Roten Meere zu führen. Hierdurch würde eine neue Route nach Ostindien geschaffen und die Fahrzeit dorthin im Vergleich zur Suezroute um etwa 3 Tage verkürzt. Infolge der jüngsten Vorgänge im Sudangebiet ist indes an eine baldige Ausführung dieses Projektes nicht zu denken. Weit mehr Aussicht auf Verwirklichung hat bei dem äußerst lebhaften Interesse, das fast alle schiffahrenden Nationen für das Kongogebiet bekunden, die

4. Kongobahn von Vivi nach Stanley Pool. Die Schiffahrt ist nämlich auf dieser Strecke infolge der vielen Stromschnellen des[S. 221] Flusses unmöglich. Die ganze Bahn würde 365 km lang werden und circa 20 Mill. M. kosten.

Nur angedeutet sei schließlich noch, daß man sogar schon von einer Bahn träumt, die in Fortsetzung der Saharabahn bis ans Kap der guten Hoffnung läuft, und von einer weitern Linie, die vom obern Nilthal zum Nyanza-See und von hier in zwei Linien einerseits der Mündung des Kongo, andererseits jener des Zambesi zustrebt.

D. Die Eisenbahnen Amerikas[123].

Amerika nimmt dermalen hinsichtlich der Entwicklung des Eisenbahnnetzes unter allen Erdteilen die erste Stelle ein. Es beträgt die Länge seiner Linien gegenwärtig fast 240000 km, während das alte Europa nur (rund) 190000 km besitzt. Nicht alle Teile Amerikas sind jedoch in gleicher Weise an diesem gewaltigen Schienennetze beteiligt; weitaus der größte Teil desselben (über 200000 km) entfällt auf das Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Verhältnisse waren hier dem Eisenbahnbau auch in hohem Grade günstig. Ein gewaltiger Antrieb hierzu lag schon in den riesigen Entfernungen, welche im Gebiete der Union stets nur mit großem Zeitaufwand zu überwinden waren. Auf dem weiten Raume zwischen dem Atlantischen Ocean und dem Felsengebirge gab es ferner nicht nur keine beträchtlichen Hindernisse zu bewältigen, vielmehr lud die Einförmigkeit der Bodengestaltung geradezu ein zur Überschienung. Auch das Klima übte nur im Gebirgsland des Westen einen entschieden hinderlichen Einfluß aus. Dann besitzt das Land einen großen Reichtum an Holz und Steinen, billiges Brennmaterial und wohlfeiles Eisen, lauter Faktoren, welche den Bahnbau wesentlich förderten. Auch seitens des Staates wurde der Bahnbau möglichst begünstigt. So wurde bei Erteilung von Konzessionen stets der Grundsatz größtmöglicher Freiheit in Wahl der Trace, in der Ausführung und im Betriebe von Bahnen festgehalten, so daß der private Unternehmungsgeist sich nirgends gehemmt sah; ja vielfach wurden sogar bedeutende Subventionen an Land und Geld gewährt. Bis zum 30. Juni des Jahres 1881 hatte z. B. der Kongreß an Landgrants in den verschiedenen Staaten für 15630 Meilen Eisenbahnen über 46 Mill. Acres votiert. Neben allen diesen Ursachen sind endlich nicht zu übersehen der kecke Unternehmungsgeist, der[S. 222] kaufmännische Sinn, die Energie und die technische Geschicklichkeit des Nordamerikaners.

Wesentlich anders sind die Verhältnisse bezüglich des Eisenbahnwesens in Mittel- und Südamerika gelagert. Was zunächst Mittelamerika betrifft, so ist hier schon die plateau- oder terrassenartige Bodengestaltung dem Bau von Eisenbahnen sehr hinderlich. Vielfach hemmend wirken dann die zahlreichen politischen Krisen und der geringe Kulturgrad der Bevölkerung. Dasselbe gilt bezüglich Südamerikas; nur kommt hier noch als neues und fast unüberwindliches Hindernis jene überquellende Fülle des Pflanzenlebens hinzu, wie sie in den ungeheuren Urwäldern uns so gewaltig entgegentritt. Gegenüber dieser großartigen Triebkraft der organischen Welt erweist sich alles menschliche Beginnen beinahe als bare Ohnmacht.

I. Die Eisenbahnen Nordamerikas.

Der Eisenbahnbau wurde in Nordamerika zuerst in den Vereinigten Staaten begonnen. Bald nachdem Stephenson seine zugkräftige Lokomotive erbaut hatte, rollten auch in der Union Eisenbahnzüge dahin, und seitdem hat sich das Eisenbahnwesen daselbst in großartigster Weise entwickelt. 1850 gab es schon 1451 km; 1857: 39413 km; 1864: 54695 km; 1872 schon 107782 km Bahnen und 1884 vollends 239468 km. Im übrigen Nordamerika findet sich nur noch in den an die Union grenzenden Teilen von Canada ein ziemlich entwickeltes Bahnnetz.

Wenn wir im folgenden uns mit dem Eisenbahnwesen Nordamerikas befassen, so kann es selbstverständlich nicht unsere Aufgabe sein, alle irgend größeren Linien dieses gewaltigen Territoriums zu behandeln; vielmehr wird unsere Darstellung sich nur auf die wichtigsten Schienenstränge erstrecken.

Weitaus die größte Bedeutung haben unter den Bahnen Nordamerikas die Pacific-Bahnen, d. h. jene Bahnen, welche, quer durch Nordamerika hindurchgehend, den Atlantischen Ocean mit dem Stillen Meer verbinden. Man unterscheidet dermalen deren sechs: die canadische Pacific-Bahn, die Nord-Pacific-Bahn, die Union- und Central-Pacific-Bahn, die Atchison-, Topeca- und Santa-Fe-Bahn, die Atlantic- und Pacific-Bahn und die südliche Pacific-Bahn. Von ihnen soll im folgenden des nähern die Rede sein[124] (Fig. 77).

Fig. 77. Die Pacific-Bahnen Nordamerikas.


GRÖSSERE BILDANSICHT

1. Die canadische Pacific-Bahn, die nördlichste aller pacifischen Linien; sie durchläuft das gesamte britische Territorium in Nordamerika zwischen Ottawa an der atlantischen und Vancouver an der pacifischen Küste,[S. 223] dabei nirgends das Gebiet der Union berührend. Die Linie zieht von Ottawa durch das Ottawa-Thal und längs des Nipissing-Sees durch Ober-Canada nach Fort William am Obern See. Von hier verläuft sie nach der Stadt Winnipeg, südlich der beiden Winnipeg-Seen, und überschreitet im Westen die Felsengebirge, um in Vancouver zu enden. Die Gesamtlänge der Bahn, die in einem Zeitraum von nur sechs Jahren gebaut wurde, beträgt circa 4461 km. Ihren Anschluß an den Atlantischen Ocean erhält die Canada-Pacific-Bahn mittels der Interkolonial-Bahn. Dieselbe beginnt in Halifax, der Hauptstadt der Halbinsel Neuschottland, und geht durch Neuschottland und Neubraunschweig über Point Levis (Quebec gegenüber) und Montreal nach Ottawa.

Die Aufgabe der canadischen Pacific-Bahn besteht vor allem darin, der Kultur den Weg in das Innere von Britisch-Amerika zu bahnen. Sie hat aber auch, wirtschaftlich betrachtet, ihre volle Berechtigung. Canada birgt ungeheure Schätze von Nutzholz, weltberühmt ist der Petroleumreichtum des Seengebietes, besonders zwischen dem Huronen- und Erie-See; in Britisch Columbia finden sich äußerst ergiebige Goldlager, ferner Platina, Silber und namentlich Kupfer in ungeheuren Quantitäten. Desgleichen sind die Fischereien Britisch Columbiens vielleicht die reichsten der Welt; hierzu kommt der große Reichtum von ganz Britisch Amerika an Pelztieren, um derentwillen ja das gesamte Gebiet zuerst besiedelt wurde.

Eine weitere Bedeutung der Bahn liegt darin, daß durch sie der ganze Orient und Japan dem Westen Europas wesentlich näher gerückt wird als durch die Route über New-York und San Francisco. Nach Tupper beträgt die Wegverkürzung nach dem Osten Asiens auf dieser Route sogar 1000 englische Meilen.

Auch im Kriegsfalle wird die Bahn dem britischen Reiche von großem Nutzen sein; denn in 14 Tagen kann England künftig Truppen und Kriegsmaterial von der britischen Küste nach der Küste des Stillen Oceans schaffen. Vancouver kann der Sitz einer militärischen Niederlassung werden, von wo aus die englischen Streitkräfte die Küsten von Rußland, China und Japan zu bedrohen und die britischen Kolonieen und Besitzungen in Australien und im Stillen Ocean zu decken im stande sein werden.

Von der Regierung wurden der Bahngesellschaft für den Bau dieser Bahn 11 Mill. Dollars Subvention bewilligt, ferner eine Schenkung von 25 Mill. Acres (10 Mill. Hektar) Land.

Seitens der Gesellschaft ist auch beabsichtigt, Dampferlinien auf dem Stillen Ocean zwischen dem Endpunkt ihrer Bahn und China und Japan einerseits und Australien andererseits zu errichten. Auf diese Weise werden Reisende von Europa aus Japan und Hongkong schon in circa 27, beziehungsweise 33 Tagen erreichen (Liverpool-Montreal 7–8 Tage, Montreal-Vancouver 90 Stunden, Vancouver-Yokohama 14 Tage).

[S. 224]

2. Die Nord-Pacific-Bahn[125]. Die Bahn, deren drei Ausgangspunkte Duluth und Superior in Wisconsin und St. Paul in Minnesota sind, führt durch Minnesota, Dakota, Montana, Idaho, Oregon und Washington an den Stillen Ocean. Die Nord-Pacific-Bahn im eigentlichen Sinne endet jedoch schon in Wallula Junction am Oregonflusse. Von hier geht eine Linie der Oregon-Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaft über Portland nach Olympia und Tacoma am Puget Sund. — Die Nord-Pacific-Bahn wurde, obwohl im Mai 1881 erst 150 englische Meilen fertig gebaut waren, doch schon im September des Jahres 1883 in ihrer ganzen Ausdehnung dem Verkehre übergeben[126]. Die Gesamtlänge der Bahn von St. Paul bis Portland mißt 3077 km, und die Entfernung von New-York (über Pittsburg, Chicago und St. Paul) nach Portland beträgt 5203 km. Der höchste Tunnel der Bahn, 1070 m lang, liegt im Felsengebirge in einer Höhe von 1696 m (zwischen den Orten Livingston und Bozema). Ihr Glanzpunkt in landschaftlicher Beziehung ist die Teilstrecke durch das bergerfüllte, romantische Montana. — Die vom Kongreß der Bahngesellschaft gewährten Landschenkungen betragen 46 Mill. Acres (18,4 Mill. Hektar), was, zum Preise von nur 2,5 Dollar per Acre, die hübsche Summe von 115 Mill. Dollars ausmacht.

Ein Hauptvorzug der Nord-Pacific-Bahn liegt in der Kürze der Linie zwischen den Wasserstraßen des Ostens und dem Stillen Ocean. Die ganze Strecke erfreut sich ferner eines gemäßigten Klimas; desgleichen sind die von der Bahn durchzogenen Provinzen ungemein reich an vorzüglichem Ackerland, sowie an vielen wertvollen Produkten. Minnesota z. B. besitzt die großartigsten Waldkomplexe; seine Wälder sind „die große Holzkammer“ für sämtliche Mississippi-Staaten; dazu sind alle Bedingungen zur Schöpfung eines „Agrikultur-Paradieses“ gegeben. Auch Dakotas Prärieboden ist zur Bodenkultur vorzüglich geeignet; ja es wird im Hinblick auf die grandiosen Weizenernten, die es mühelos gewährt, das „goldene“ genannt. Montana zählt zu den reichsten Erzgebieten der Union. Ihm gehören auch an die großartigen Wunder des „Yellowstone-Nationalparks“. Im Quellgebiete des Yellowstone liegt nämlich jenes merkwürdige Geisergebiet, das nach dessen Erforschern sämtlichen Wunderregionen des amerikanischen Kontinentes weit überlegen ist. Das Wasser wird hier in mächtigen Strudeln bis zu 80 m emporgeschleudert. Durch eine Zweiglinie der Nord-Pacific-Bahn sind[S. 225] diese Wunder der Welt jetzt leicht zu erreichen. Was endlich die Staaten Oregon und Washington betrifft, so besitzen dieselben neben fruchtbaren, dem Ackerbau dienstbar gemachten Bodenflächen großen Mineralreichtum, fast unerschöpflichen Bestand an Nutzholz und höchst einträgliche Lachsfischereien. Auch Futterkräuter giebt das Erdreich in Fülle, so daß das Terrain für die Produktion von Vieh sich höchst geeignet erweist. Schließlich sei noch erwähnt, daß die Scenerieen des Kolumbiaflusses, der zwischen Oregon und Washington die Grenze bildet, mit zu den schönsten Amerikas gehören; sie bilden eine unaufhörliche Folge fesselnder Landschaftsbilder bis Portland, bei welcher Stadt die Bahn den Fluß verläßt.

Eine große Bedeutung im Weltverkehr und als Vermittlerin des Waren- und Produktenaustausches zwischen zwei verschiedenen Weltgebieten wird die Nord-Pacific-Bahn dann erhalten, wenn die schon jahrelang betriebenen Arbeiten behufs Vertiefung und Verbreiterung derjenigen Kanäle, welche die großen amerikanischen Seen mit dem Atlantischen Ocean in Verbindung setzen, zum Abschluß kommen. Dann ist die Möglichkeit geboten, große Segelschiffe von den östlichen Ausgangspunkten der Bahn (Duluth, Superior) direkt nach Liverpool, Hamburg, Bremen u. s. w. gelangen zu lassen. Ein ungeheures Territorium tritt damit neu in den Weltverkehr ein. Die Folge davon wird nicht bloß darin bestehen, daß der ökonomische Schwerpunkt der Vereinigten Staaten vom Osten sich mehr nach der Mitte hin zieht; die durch die Nord-Pacific-Bahn geförderte Entwicklung des amerikanischen Wirtschaftslebens wird auch gar bald nachdrücklichst in die Interessensphäre der europäischen Welt eingreifen.

Fig. 78. Dale-Creek-Viadukt.

3. Die Union- und Central-Pacific-Bahn. Sie beginnt bei Omaha in Nebraska am Missouri und führt im allgemeinen längs des 41. Breitengrades nach San Francisco. Von Omaha durchzieht die erste Teilstrecke der Bahn das öde Nebraska. Im Anfange sieht man zwar noch einige Kulturen; sie werden aber immer seltener, je weiter die Bahn westwärts zieht. Bei Cheyenne endet die Ebene; die Bahn zieht sich nun an der Ostseite der Felsengebirge zum Evanspaß empor und hat bei Sherman in 2512 m Seehöhe ihren Kulminationspunkt. Hölzerne Dächer bieten Schutz vor den Bedrohungen der Natur, und über die wilde Schlucht des Dale-Creek führt eine 38 m hohe Brücke, aus mächtigen Hölzern erbaut (Fig. 78). Das nun folgende Gebiet zwischen den Rocky Mountains und den Wahsatch-Bergen ist eine ebene Steppe mit excessivem Klima; landschaftliche Abwechslung bietet nur die Partie am Green-River; in den Durchbrüchen durch die Wahsatch Mountains dagegen, im Echo- und Weber-Cañon, zeigt sich eine wild pittoreske Gebirgslandschaft. Von hier an senkt sich die Bahn gegen den großen Salzsee hinab, und in Ogden City wird die Endstation der Union-Pacific-Bahn erreicht. Die nun beginnende Central-Pacific-Bahn führt zunächst noch durch wohlkultiviertes Mormonengebiet; westlich des Salzsees[S. 226] aber folgt wieder Wüste und Steppe. Bei der Station Humboldt beginnt der Aufstieg in die hochromantische Gebirgswelt der Sierra Nevada. Diese Strecke ist der Glanzpunkt der ganzen interoceanischen Linie. Hier rauschen dunkle Nadelwälder, Wildbäche schäumen von der Höhe, und an Abgründen vorüber steigt die Bahn höher und höher, dabei ihren Weg vielfach durch Tunnels nehmend oder zwischen Galerieen und unter Schneedächern dahinziehend. In dieser Hochgebirgsnatur liegt in 2146 m Seehöhe die Station Summit, der Scheitelpunkt der ganzen Central-Pacific-Bahn. Hier, auf der Paßhöhe des Gebirges, ist auch die Scenerie am großartigsten; Abgründe mit einer Tiefe bis zu 600 m gähnen da in der Nähe der Trace, und 50 km lang dehnen sich die Galerieen und Schutzwälle aus. Wie es auf dieser Höhe im Winter aussieht, davon kann sich derjenige, welcher nicht selbst schon um diese Zeit die Bahn befahren, nur schwer einen Begriff machen. Ungeheuer sind die Schneemassen, die, vom Sturme gepeitscht, entweder meter[S. 227]hoch die Bahn verlegen oder als Lawinen in die Tiefe donnern. Mit sieben schweren Lokomotiven keucht hier im Winter der Kurierzug durch die wirren Massen, welche Sturm und Niederschläge hier angehäuft; ja, als der Reisende Gerhard Rohlfs im Winter 1876 die Sierra Nevada passierte und hierbei von einem Schneesturm überrascht wurde, da arbeiteten sogar zwölf der größten Maschinen, um des Elementes Herr zu werden. Um so herrlicher ist der Abstieg nach dem Goldlande. Lauer wehen die Lüfte, die Vegetation wird reicher, und zwischen den gigantischen Tannen und Cedern rauschen von den goldreichen Hängen die Wasseradern. Die erste Station im kalifornischen Tieflande ist Junction; dann folgt Sacramento, der eigentliche Endpunkt der Central-Pacific-Bahn. Die Schlußstrecke von hier bis San Francisco ist die „Western-Pacific-Bahn“, welche früher hergestellt wurde als die große interoceanische Schienenverbindung.

Von den beiden Hauptbahnen hat die Union-Pacific-Bahn von Omaha bis Ogden City eine Länge von 1662 km, die Central-Pacific-Bahn von Ogden-City bis Sacramento in Kalifornien 1123,6 km; die Western-Pacific-Bahn mißt nur 217 km. Die Gesamtlänge der Bahn (bis San Francisco) beträgt daher 3003 km. Von New-York aus gerechnet, mißt die Linie nicht weniger als 5260 km, eine Strecke, die, in gerader Richtung gemessen, derjenigen zwischen Paris und Tobolsk in Sibirien gleichkommt. Von den Bahnen mit durchgehendem Verkehr ist sie jedenfalls die längste der Welt. — Der Bau der Pacific-Bahn wurde 1863 begonnen und von den beiden Gesellschaften mit einer Energie betrieben, die in der Geschichte des Eisenbahnwesens unerreicht dasteht. Die größte Leistung der Union-Pacific-Eisenbahn-Gesellschaft war die Legung des Oberbaues von 7 engl. Meilen in einem Tage, die Central-Pacific-Eisenbahn-Gesellschaft brachte in der gleichen Zeit sogar 10½ Meilen des Oberbaues zuwege. Bereits am 10. Mai 1869, d. i. in der Hälfte der für die Vollendung des Baues stipulierten Zeit, wurde bei Promontory Point der letzte Nagel zur Befestigung der Verbindungsschwelle der beiden Bahnhälften eingeschlagen. An diesen Nagel hatte man damals den Pacific-Telegraphen befestigt und die Sache zugleich so eingerichtet, daß sämtliche Telegraphenstationen beim Einschlagen desselben ein Glockensignal erhielten. Als nun gegen 3 Uhr nachmittags des genannten Tages die Signale ertönten, flogen in Washington die Fahnen empor und donnerten die Kanonen. In New-York läutete das Glockenspiel des Trinity-Turms „Nun danket alle Gott“, und auf der Börse versammelte sich die Handelskammer, um das Schwesterinstitut San Francisco telegraphisch zu beglückwünschen. Hier selbst, an den Ufern des Pacific, veranstalteten in echt amerikanischer Weise 30 bekränzte und beflaggte Lokomotiven, zusammen mit den sämtlichen Dampfmaschinen der Stadt, ein kolossales Wettpfeifen. Es sei noch hinzugefügt, daß die Verbindungsschwelle von Lorbeerholz, jener letzte Nagel von Gold und die Klammern von Silber[S. 228] waren. — Die Staatsunterstützung für die Bahn betrug über 53 Mill. Dollars in Geld und 141600 qkm an Land. — Die Kosten für den Bau und dessen Ausrüstung beliefen sich bis 31. Dezember 1881 auf 290 Mill. Dollars. — Durch die Union- und Central-Pacific-Bahn wurden zuerst — denn sie ist unter allen Pacific-Bahnen die frühestvollendete — die weit ausgedehnten Gebiete des westlichen Amerika der Kultur erschlossen und dessen unerschöpfliche Mineralschätze zugänglich gemacht. Die Bahn ist aber auch von Einfluß auf die Bewegung des Welthandels, insofern sie bezüglich des europäisch-asiatischen Verkehrs wenigstens teilweise in Konkurrenz tritt mit dem Suezkanal. Unter allen dermaligen Pacific-Bahnen ist sie zur Zeit weitaus die wichtigste, die Pacific-Bahn κατ’ ἐξοχήν.

4. Die Atchison-Topeca- und Santa-Fe-Bahn[127] (auch kurz Santa-Fe-Bahn genannt). Sie beginnt in zwei Linien, die von Kansas City und Atchison am Missouri auslaufen, sich aber bei Topeca bereits wieder vereinigen; von hier an zieht sie über Trinidad und Albuquerque nach Deming, benützt dann bis Benson die Süd-Pacific-Bahn und läuft hierauf südlich nach ihrem Endpunkte Guaymas am Golfe von Kalifornien. Die Länge der Bahn von Kansas City bis Deming beträgt 1849 km und von Benson bis Guaymas 586 km. Die Gebiete, welche die Bahn durchzieht, sind Kansas, Colorado, Neu-Mejico und Teile von Arizona und Mejico. Was Kansas betrifft, so ist dasselbe ein in hohem Grade fruchtbares, durchaus ebenes Präriengebiet, das einst ohne Zweifel eine der größten und reichsten Kornkammern Nordamerikas wird. In Colorado, das zu ⅔ Gebirgsland ist, finden sich die höchsten Erhebungen des Felsengebirges. Die hervorragendste Stelle unter den Naturschönheiten des letztern nehmen die sogen. Cañons ein, vielfach gewundene, tief eingeschnittene, schluchtenartige Thäler, deren Sohlen fast durchgehends von schäumenden und brausenden Gewässern durchzogen und deren Seiten von steilen und mächtigen Felswänden begrenzt werden. Den Hauptreichtum des Landes bilden die Mineralschätze, hauptsächlich Gold und Silber. Im südlichen Colorado kommen überdies Petroleum, Eisen und Kohle in ungeheuren Mengen vor, so daß auch dieser Staat infolge seines natürlichen Reichtums in Bälde zu einem der bedeutendsten und volkreichsten Gebiete der Union sich emporschwingen wird. Neu-Mejico bietet der Rindviehzucht ausgedehnte Weideplätze, aber auch hier spielt der Bergbau eine bedeutende Rolle. Ein höchst merkwürdiges Land ist endlich Arizona. Die Vegetation besteht hier, wenn nicht ausschließlich, so doch vorzugsweise aus kakteenartigen Gewächsen, die zuweilen eine Höhe von 50 Fuß erreichen. Das größte Naturwunder ist aber auch hier der Coloradostrom, der namentlich in diesem Staate auf[S. 229] weite Strecken geradezu grausige Cañons bildet, so den großen Cañon, der eine Länge von 383 km hat, und dessen Wände 450–2100 m aufragen. „Nichts auf der Erde,“ sagt Hermann Klein, „läßt sich mit dem großen Colorado-Cañon vergleichen; man muß, um Formationen zu finden, die sich dem Schluchtensystem des Colorado an die Seite zu stellen vermögen, den Blick auf den Mond wenden.“ Die socialen Verhältnisse der letzteren Staaten lassen freilich noch viel zu wünschen übrig. Die neue Verkehrsader wird aber sicherlich, abgesehen von der materiellen Förderung dieser Gebiete, auch deren gesellschaftliche Zustände wesentlich heben. Ihre höchsten Stellen erreicht die Bahn im Raton-Paß-Tunnel (670 m lang) an der Grenze von Colorado und Neu-Mejico und in der Nähe der heilkräftigen Schwefelthermen (43–60° C.) von Gallinas und Las Vegas. Die ganze Entfernung von New-York über Kansas City, Deming und Benson nach Guaymas beträgt 4857 km. An dem letztgenannten Orte will die Gesellschaft zur Hebung des Dampferverkehrs mit Australien, China und Japan großartige Hafenanlagen schaffen.

Die Hauptbedeutung der Atchison-Topeca- und Santa-Fe-Bahn liegt wohl darin, daß durch sie auch die Republik Mejico dem Welthandel und Weltverkehr mehr und mehr erschlossen wird. Außerdem dürfte durch die neue Bahn die Besiedelungsfähigkeit mancher bisher unbeachteten Gebiete wesentlich gewinnen.

5. Die Atlantic- und Pacific-Bahn. Sie führt von St. Louis am Zusammenflusse des Missouri und Mississippi durch das Indianerterritorium, Neu-Mejico und Arizona nach dem südlichen Kalifornien, von wo sie ihren Lauf nordwärts nimmt, um in San Francisco zu münden. Die Atlantic- und Pacific-Bahn im eigentlichen Sinne erstreckt sich indes nur von St. Louis über Vinita und Albuquerque bis zu den sogen. Needles an der Grenze von Kalifornien und Arizona; von da an bildet ein Arm der sogen. Süd-Pacific-Bahn die Fortsetzung bis Mohave, von wo die Hauptlinie der Süd-Pacific-Bahn nach San Francisco führt. Aber auch die Strecke der Atlantic- und Pacific-Bahn zwischen St. Louis und Albuquerque ist noch nicht ganz ausgebaut; es fehlt noch die Linie von Tulsa bis Albuquerque. Die Atlantic- und Pacific-Bahn ist daher zur Herstellung der Verbindung zwischen New-York und San Francisco vorerst noch zur Benützung eines Teiles der Atchison-Topeca- und Santa-Fe-Bahn genötigt. Die Route dieser fünften Weltbahn verläuft zur Zeit demnach folgendermaßen: Von Kansas City am Missouri, bis wohin der Schienenweg von New-York her mit der alten Pacific-Linie ziemlich parallel läuft, zieht die Bahn auf dem Schienenstrang der Atchison-Topeca- und Santa-Fe-Bahn in südwestlicher Richtung bis Albuquerque. Hier beginnt dann der selbständige Strang der Atlantic- und Pacific-Bahn, mit dem sie in fast genau westlicher Richtung Neu-Mejico und Arizona durchzieht. Bei den Needles am Colorado[S. 230]flusse erfolgt der Anschluß an die Süd-Pacific-Bahn. — Die Entfernung von New-York nach San Francisco auf der Route der eigentlichen Atlantic- und Pacific-Bahn beträgt 5631 km.

Die Atlantic- und Pacific-Bahn ist außerordentlich reich an Naturschönheiten. 29 km nördlich von der Station Prach Spring in Arizona befindet sich z. B. der schon oben erwähnte „Große Colorado-Cañon“. Aber auch andere an der Atlantic- und Pacific-Bahn befindliche merkwürdige Scenerieen, wie der versteinerte Wald bei der Station Billings (363,7 km westlich von Albuquerque), eine Anzahl hieroglyphischer Inschriften, der Diablo-Cañon, der Pyramidenfels mit seiner bezaubernden Ausschau, der „Neue Göttergarten“ u. s. w., bieten ganz eigenartige, überaus sehenswerte Formen.

Mehr als jede andere Pacific-Bahn berührt die Atlantic- und Pacific-Bahn auch Forts oder kommt in der Nähe von solchen vorüber. Sie sind zum Schutz der weißen Bevölkerung gegen Indianerüberfälle errichtet.

6. Die Süd-Pacific-Bahn führt von New-Orleans über Houston, San Antonio und El Paso längs des 32. Breitengrads nach Deming und von da über Tucson, Yuma und Mohave nach San Francisco. Sie wurde am 12. Januar 1883 vollendet. — Die ganze Entfernung von New-Orleans nach San Francisco beträgt 4015 km. — Von New-York bis New-Orleans über Philadelphia, Baltimore, Washington, Richmond, Atlanta, Montgomery macht die Entfernung 2235 km aus; die ganze Strecke von New-York bis San Francisco auf diesem Weg mißt 6251 km. — Eine kürzere und natürlichere Verbindung mit den atlantischen Gestaden ist die über Dallas, Vicksburg, Montgomery nach Savannah. Diese Linie mißt in ihrer ganzen Ausdehnung 4207 km.

Die Süd-Pacific-Bahn durchzieht das südliche und westliche Texas, setzt sodann über den Rio Grande und kreuzt die südlichen Teile von Neu-Mejico und Arizona. Bei Yuma wird der Colorado überschritten, und erst jenseits Mohave beginnt der Abstieg in die fruchtbaren Regionen des San-Joaquin-Thales. Was Texas betrifft, so ist dasselbe nicht nur zur Viehzucht geeignet, sondern auch zum Anbau von Zuckerrohr, Baumwolle, Mais, Tabak, Reis und gar vielen Gemüsearten und halbtropischen Früchten.

Die Bahn dient dem direkten Personenverkehr von New-Orleans nach San Francisco, dürfte aber auch für den Absatz der Naturprodukte Kaliforniens von hoher Bedeutung werden.

Diese sechs Riesenbahnen zusammen haben eine Länge von über 21000 km; dabei sind indes nur die eigentlichen pacifischen Strecken und nicht die ganzen Überlandlinien in Betracht gezogen. Rechnet man die Strecken von Duluth, Omaha, Kansas City u. s. w. bis zur atlantischen Küste hinzu, so giebt das eine Länge von über 33000 km (Äquatorial-Umfang der Erde 40070 km).

[S. 231]

Tabellarische Zusammenstellung

der hauptsächlichsten auf die pacifischen Bahnen Nordamerikas bezüglichen Verhältnisse.

Name der Bahn. Eröffnungstermin. Östlicher Haupt-
ausgangspunkt.
Westlicher Endpunkt.
1. Canada-Pacific. Nov. 1885. Ottawa in
Canada.
Vancouver in Britisch
Columbia.
2. Nord-Pacific. 8. Sept. 1883. S. Paul in
Minnesota.
Portland in
Oregon.
3. a. Union- und 10. Mai
1869
a. Omaha in
Nebraska.
a. Ogden in
Utah.
 b. Central-Pacific. b. Ogden in
Utah.
b. San Francisco
in Kalifornien.
4. Santa-Fe-Bahn. 17. März. 1881. Kansas City in
Missouri.
Guaymas in
Mejico.
5. Atlantic und
Pacific.
Gänzliche
Vollendung
erst nach
einigen Jahren.
St. Louis in
Missouri.
San Francisco
in Kalifornien.
6. Süd-Pacific. 12. Januar 1883. New-Orleans in
Louisiana.
San Francisco
in Kalifornien.
Name der Bahn. Entfernung in km Höchster von
der Bahn
erreichter
Punkt.
m
Von New-York zum
westlichen Endpunkt
geht die Bahn über
die Hauptstationen
vom Haupt-
ausgangs-
punkt zum
Endpunkt.
von New-York zum
Hauptaus-
gangpunkt.
Endpunkt.
1. Canada-Pacific. 4461  690 5071 1670 Brockville, Winnipeg,
Calgary und Stephen.
2. Nord-Pacific. 3077 2128 5203 1096 Chicago, Bismarck,
Livingston u. Ainsworth.
3. a. Union- und a. 1662 a. 2256 a. 3919 a. 2512 a. Chicago, Cedar Rapids,
Cheyenne und Rawlings.
 b. Central-Pacific b. 1341 b. 3919 b. 5200 b. 2146 b. Elko, Winnemucca,
Sacramento u. Benicia.
4. Santa-Fe-Bahn 2715 2160 4875 2343 Topeca, Albuquerque,
Deming, Benson.
5. Atlantic und
Pacific.
3917 1714 5631 2224 Indianapolis, Wichita,
Albuquerque und
Wingate.
6. Süd-Pacific. 4015 2235 6251 1368 Washington, Richmond,
El Paso und Deming.

[S. 232]

Treffend hat Schweiger-Lerchenfeld diese gewaltigen eisernen Verkehrswege die großen Schlagadern der Union genannt. Durch sie strömt der Kulturüberschuß des Ostens nach dem Westen, aber auch der große Reichtum des Westens an Naturschätzen (Holz, Getreide und Erze) nach dem Osten.

Betrachtet man die Eisenbahnkarte der Union etwas genauer, so gewahrt man außer den pacifischen Linien auch noch große Transversallinien, welche erstere senkrecht schneiden, also von Süden nach Norden verlaufen. Eine solche große transversale Überlandlinie ist diejenige, welche das Unionsgebiet genau in der Mitte (westlich des Mississippi) von Süden nach Norden durchzieht. Sie beginnt bei Galveston am Golfe von Mejico, durchschneidet die vier pacifischen Bahnen und endet in Britisch Amerika. Andere derartige Transversallinien sind im Werden begriffen.

Im übrigen befindet sich, entsprechend dem außerordentlich gesteigerten Verkehrs- und Handelsleben und der hochentwickelten Industrie, das dichteste Netz der Linien im Osten der Union, und zwar zwischen dem Atlantischen Ocean und den großen Seen einerseits und dem Ohio und Mississippi andererseits.

II. Die Eisenbahnen Mejicos, Mittelamerikas und Westindiens[128].

a. Die älteste und bis vor kurzem einzige Bahn Mejicos war die Linie von der Hauptstadt Mejico nach dem Hafen von Vera-Cruz. Ihre Anlage war mit bedeutenden technischen Schwierigkeiten verbunden; sie steigt von der Küste bis zu 2533 m empor. — In neuester Zeit sind zahlreiche Bahnen im Bau; sie werden größtenteils von nordamerikanischen Kapitalisten erstellt. Die wichtigsten dieser Linien sind:

Die mejicanische Central-Eisenbahn; sie schließt sich in El Paso am Rio Grande an die Eisenbahnen der Vereinigten Staaten von Amerika an und durchzieht in südlicher Richtung den Staat Mejico bis zu seiner Hauptstadt; seit 9. März 1884 ist diese Strecke vollendet.

Die mejicanische National-Eisenbahn; sie führt von Laredo am Rio Grande über Monterey südlich nach der Hauptstadt Mejico.

Diese beiden Linien sollen durch Seitenzweige die Küsten des Stillen und Atlantischen Oceans miteinander verbinden. Gegenwärtig sind nicht weniger als sieben solcher Transkontinentalbahnen projektiert oder im Bau begriffen.

Mejico gehört ferner noch jener Teil der Atchison-Topeca und Santa-Fe-Bahn an, welcher von Deming nach Guaymas am Kalifornischen Meerbusen führt. Diese Bahnstrecke heißt in der Regel „Sonora-Bahn“.

[S. 233]

Ein großartiges Projekt ist endlich die Erbauung einer Schiffs-Eisenbahn über den Isthmus von Tehuantepek. Mittels derselben sollen selbst die größten der zur Zeit in Fahrt befindlichen Kriegs- und Handelsschiffe mit voller Ladung von der Küste des Atlantischen Oceans an die des Stillen Meeres befördert werden. Dem amerikanischen Ingenieur James Eads wurde zur Ausführung dieser Bahn seitens der mejicanischen Regierung die Konzession erteilt[129].

b. Die centralamerikanischen Republiken haben in jüngster Zeit die Bauthätigkeit wieder aufgenommen, einerseits um die Hauptstädte untereinander und mit den Hafenplätzen zu verbinden, andererseits um den Isthmus durch Transversallinien zu durchschneiden. Zunächst soll in Honduras eine interoceanische Eisenbahn von Truxillo am Karibischen Meer nach der Fonseca-Bucht am Stillen Ocean gebaut werden.

c. Wie auf dem Festlande, ist auch auf mehreren Inseln der großen und kleinen Antillengruppe ein Netz von Eisenbahnen angelegt und im Laufe der letzten Jahre weiterentwickelt worden.

[S. 234]

III. Die Bahnen Südamerikas.
a. In Betrieb befindliche Bahnen.

1. Columbia. Die bedeutendste Bahn dieses Gebietes ist die sogenannte Panama-Eisenbahn (76 km), welche Aspinwall-Colon am Atlantischen Ocean mit Panama am Stillen Ocean verbindet. Ihren höchsten Punkt (80 m) erreicht sie bei der Station Paraiso; in ihrer Konstruktion bietet sie übrigens nichts Besonderes. Der Verkehr auf dieser Bahn, die von 1850 bis 1855 gebaut wurde, war lange Zeit sehr bedeutend; seit der Vollendung der Union- und Central-Pacific-Bahn (1869) aber hat der Fracht- wie der Personenverkehr stetig abgenommen, wie folgende Zahlen zeigen:

Fig. 79. Eisenbahnkarte von Panama.

Fig. 80. Station an der Eisenbahn von Panama.

Im Jahre 1869 wurden transportiert 26853 Personen, und der Wert der Fracht in diesem Jahre betrug 70202028 Pfd. St.; im Jahre 1879 belief sich die Zahl der beförderten Personen nur auf 4469 und der Wert der Fracht auf 4947755 Pfd. St. Diese Zahlen werden noch weiter sinken, wenn der Kanal und die in Ausführung begriffenen übrigen transkontinentalen Bahnen vollendet sein werden.

Fig. 81. Eisenbahn auf der Panama-Landenge.

Für den Durchreisenden ist die Fahrt über den Isthmus ein seltener Genuß; namentlich derjenige, der die üppige Vegetation eines tropischen Urwaldes noch nicht kennen gelernt hat, ist ganz geblendet von der majestätischen Schönheit und der erhabenen Wildheit dieses Anblickes. In schnell wechselnden, mannigfaltigen Gestaltungen eilt die herrliche Scenerie an dem in raschem Fluge dahineilenden Beschauer vorüber. Leider ist aber auch hier das Schönste[S. 235] nur gleisnerische Hülle; denn unter den Palmen und Sykomoren brütet das schleichende Fiebergift, dieser Fluch so vieler herrlicher Erdstriche. Ganz besonders mußten das jene Arbeiter erfahren, welche die Aussicht auf hohen Lohn verlockte, sich zum Bau der Panama-Bahn zu verdingen. Der fürchterliche Ausspruch, „eine jede Schwelle, die auf dieser Bahnstrecke gelegt wurde, habe mit einem Menschenleben bezahlt werden müssen“, ist buchstäbliche Wahrheit. Für die Entwicklung des Fiebergiftes sind eben hier die Verhältnisse außerordentlich günstig. Die entsetzliche Hitze des Sommers, welche auf die ungeheuer starken Niederschläge der Regenzeit folgt, begünstigt in dem mit verwesenden Vegetabilien aller Art bedeckten Boden die Bildung giftiger Miasmen in hohem Grade. Welcher Art aber die Niederschläge auf diesem Teile des Isthmus sind, erhellt daraus, daß die jährliche Regenmenge, die in den mittleren Breiten Deutschlands zwischen 16–40 Zoll beträgt, bei Colon und an der Mündung des Chagres auf 10–14 Fuß sich beläuft. Landeinwärts beträgt sie mindestens ebensoviel, wahrscheinlich noch mehr. — Die 76 km lange Strecke wird in 3–4 Stunden durchfahren; der Fahrpreis beträgt 106 M. Die Bahnstrecke Colon-Panama ist sonach wohl die teuerste aller Bahnen.

[S. 236]

Fig. 82. Tunnel zwischen S. Mateo und Anchi.
(Nach „Vom Fels zum Meer“.)

2. Peru. Es besitzt, abgesehen von Brasilien und Argentinien, unter allen Staaten Südamerikas das ausgebildetste Bahnnetz. Die technisch[S. 237] großartigsten Bahnen des Landes sind die Linien Callao-Lima-Oroya und Mollendo-Arequipa-Puno.

Fig. 83. Kurven der Bahn beim Überschreiten des Rimac.
(Nach „Vom Fels zum Meer“.)

Fig. 84. Brücke über los infernillos.

a. Callao-Lima-Oroya-Bahn[130]. Der Ausgangspunkt der Bahn ist Callao, der Hafen von Lima. Sie führt zunächst am linken Ufer des Rimac stromaufwärts und tritt bei Chosica in das Gebirge ein. Bei dem Städtchen S. Bartolomé, nur 39 engl. Meilen von Lima entfernt, beträgt die Höhe der Bahn über dem Meeresspiegel bereits 4910 Fuß. Das eigentliche Hochgebirge aber mit seiner ganzen großartigen Schönheit und majestätischen Wildheit beginnt hinter Matucana. Alle Vegetation ist hier zu Ende, Schnee bedeckt die Höhen, und die zerrissenen und zerklüfteten Formen der gigantischen Felsmassen, die tiefen Abgründe, auf deren Sohle schäumende Wasser dahinbrausen, sind ganz geeignet, das Gemüt des ängstlichen Reisenden mit bangen Schrecken zu erfüllen. Es folgen nun Kurve um Kurve[S. 238] und Tunnel um Tunnel. Zwischen S. Mateo und Anchi (Fig. 82) durcheilt die Bahn drei derselben in kurzen Zwischenräumen, von denen überdies die beiden letzten nur durch die über einem gewaltigen Abgrund schwebende eiserne Brücke getrennt sind. Selbst den nervenstarken Mann durchzuckt hier ein Schauer beim Blick in die Tiefe; der Volksmund hat dieser Schlucht (Fig. 84) den Namen los infernillos (die kleine Hölle) beigelegt. Bei Anchi, das schon 11000 Fuß über dem Meere und so recht im Herzen des Hochgebirges liegt, beginnt der Reisende bereits unter einem Blutandrang nach den Lungen und einem der Seekrankheit ähnlichen, mit allgemeiner Schwäche verbundenen Zustand zu leiden, und doch ist die Höhe der Anden noch lange nicht erreicht. Im weitern Aufstieg stromaufwärts, im Thale des Rio Blanco, eines Nebenflusses des Rimac, und später des Rimac selbst, ist die Bahn neuerdings genötigt, gewaltige Kurven zu schlagen. In ähnlicher Weise setzt sich dann der Weg im Thale des Chin-Chan fort, gleichfalls eines Zuflusses des Rimac, hier in den wiederholten Windungen einen besonders prächtigen Anblick der großartigen Hochgebirgsscenerie gewährend. Endlich folgt in 4769 m Seehöhe, also fast in der Höhe des Montblanc, des höchsten Berges von Europa, der Scheitelpunkt der Bahn, der zugleich der erhabenste Punkt auf unserem Planeten ist, bis wohin die Lokomotive gedrungen. Und in dieser gewaltigen Höhe hat menschlicher Scharfsinn und menschliche Werkthätigkeit die Anden noch in einem 1860 m langen Tunnel durchbrochen. Er wird von den Europäern la Galera, in der Landessprache tunnel de la Cima genannt. In kurzer Entfernung von diesem Tunnel liegt der nach dem Erbauer der Bahn, dem amerikanischen Ingenieur Meiggs, benannte Mount Meiggs. Vom östlichen Ausgangspunkt der Galera beginnt die Senkung. Oroya, die Endstation der Bahn, liegt in 3712 m Seehöhe.

Die ganze Bahnstrecke hat eine Länge von ca. 200 km. Die Steigungen betragen stellenweise 4 auf 100, und an manchen Stellen war sogar die Anlage von sogen. „Spitzkehren“ nötig. Die Zahl der Tunnels, einschließlich des Scheiteltunnels la Galera, beläuft sich auf nicht weniger als 61. Zum Teil bedeutender noch sind die Brückenbauten. Ein Wunderwerk in seiner Art ist der Varraguas-Viadukt; er ist nicht allein das bedeutendste [S. 239]derartige Bauwerk auf dieser Linie, er war auch bis zur Fertigstellung des Kentucky- und Kinzua-Viadukts (S. 191) die höchste Brücke der Welt. Zu den Sprengungen des Gesteins wurden über 5 Mill. Pfund Pulver mit einem Kostenaufwande von 32 Mill. M. verwendet. Die Bahn wurde 1876 eröffnet.

b. Mollendo-Arequipa-Puno-Santa-Rosa-Bahn. Auch diese Bahn ist ein Meisterwerk der modernen Eisenbahntechnik. Nächst der Lima-Oroya-Linie ist sie die höchste aller Gebirgsbahnen der Erde; Puno am Titicaca-See hat eine Höhe von 4580 m. Die Herstellung der Bahn in dem wild zerklüfteten Gebirge war eine außerordentlich mühevolle und erforderte den Verbrauch von über 1 Mill. kg Sprengmaterial; im übrigen ist diese wunderbare Hochgebirgsbahn so geschickt angelegt, daß nur ein einziger kurzer Tunnel und acht Brücken nötig waren. Nach drei Jahren mühseliger Arbeit wurde das großartige Werk vollendet, und am Neujahrstage 1874 pfiff zum erstenmal die Lokomotive am Ufer des Titicaca-Sees. — Ihr Erbauer war ebenfalls Meiggs.

Fig. 85. Eisenbahn in den Cordilleren. (Der Varraguas-Viadukt zwischen Lima und Oroya)


GRÖSSERE BILDANSICHT

3. Chile. Im Verhältnis zur Größe des Landes hat Chile die meisten Eisenbahnen unter den südamerikanischen Staaten. Die bedeutendste Linie ist Valparaiso-Santiago-Angol.

4. Argentinien. Der Staat obliegt dem Bahnbau mit großem Eifer; absolut genommen, hat er nach Brasilien das größte Liniennetz in Süd[S. 240]amerika. Knotenpunkt der Bahnen ist die Hauptstadt Buenos Ayres. Sie ist bereits über Cordoba und Rosario mit Tucuman verbunden, und in westlicher Richtung läuft der Schienenstrang schon bis Mendoza.

5. Brasilien arbeitet mit den größten Anstrengungen an der konsequenten Erweiterung seines Schienennetzes, um die Landesprodukte, namentlich seinen Hauptstapelartikel, Kaffee, billig und rasch aus dem Innern zu den Exporthäfen (Ceara, Pernambuco, Bahia und Rio) zu bringen. 1867 waren erst 651 km in Betrieb, und Ende des Jahres 1884 besaß es schon an 6115 km. Dazu waren noch im Bau 1991 km, und für weitere 5472 km waren die technischen Vorarbeiten schon ausgeführt.

In den übrigen Staaten Südamerikas ist das Eisenbahnwesen noch ziemlich wenig entwickelt.

b. Projektierte Bahnen.

Das Streben der Staaten Südamerikas zielt hauptsächlich dahin, den Schienenstrang quer durch den Kontinent über die Cordilleren von der Westküste nach der Ostküste oder doch wenigstens bis an den Mittellauf der großen schiffbaren Ströme zu ziehen. Die diesbezüglichen Projekte sind folgende:

1. Die Linie Lima-Oroya — und darauf hat schon Meiggs hingewiesen — soll über Pozuzo bis zum Ucayali fortgesetzt werden, dem bedeutendsten Nebenfluß des Amazonas in dessen Oberlauf.

2. Die Arequipa-Puno-Bahn beabsichtigt man bis zum Madeira fortzuführen.

3. Mit großartigen Projekten trägt man sich in Brasilien. Als die wesentlichsten Grundlinien des geplanten Eisenbahnnetzes werden folgende bezeichnet[131]:

a. Eine große Ost-West-Linie; sie soll ausgehen von der am Atlantischen Ocean liegenden Stadt San Salvador da Bahia und, in westlicher Richtung vorgehend, Brasilien etwa in der Mitte seiner von Nord nach Süd gerichteten Längsausdehnung durchschneiden. Diese Bahn würde die Thäler der schiffbaren Flüsse Tocantins und Araguaya überschreiten und zunächst bis Goyaz, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, zu führen sein.

b. Eine nördliche Centralbahn; sie wird von der in der Provinz Bahia am San Francisco gelegenen Stadt Barra in nördlicher Richtung nach dem untern Laufe des Tocantins und der Stadt Pará ziehen.

c. Eine südliche Centralbahn; sie soll, von einem der schiffbaren Nebenflüsse des Paraná, dem Tibagy oder Ivahy, ausgehend, nach dem Thale des Flusses Iguassu führen und nach Überschreitung dieses Thales und des Uruguay-Flusses sich an das in der Provinz San Pedro do Rio Grande do Sul bereits bestehende Eisenbahnnetz anschließen. — Von der[S. 241] südlichen Centralbahn soll eine Linie in nördlicher Richtung nach dem obern Laufe des Paraná abgezweigt werden. An diese letztere Linie anschließend soll sodann eine vierte Hauptlinie,

d. die Nord-West-Bahn, nach der Schiffahrtsstraße des Paraguay führen und zunächst bei Miranda endigen.

4. Die Linie Buenos Ayres-Mendoza soll über die Anden nach San Felipe in Chile fortgeführt werden. Durch deren Herstellung erhielte endlich auch Südamerika eine Pacific-Bahn. Die Bahn würde den ganzen langwierigen Weg um das Kap Hoorn unnötig machen und die Staaten Chile, Argentinien, Uruguay und das südliche Brasilien in direkten Verkehr setzen.

E. Die Eisenbahnen Australiens[132].

Australien teilt mit Afrika fast die gleiche Ungunst geographischer Verhältnisse. Trotzdem hat sich dieser Erdteil im Völkerverkehr bereits eine achtbare Stellung errungen. 1846 wurde hier die erste Eisenbahn gebaut, und gegenwärtig ist der Kontinent schon, wenigstens in der auch geographisch mannigfach begünstigten Osthälfte, mit einem verhältnismäßig engmaschigen Netze von Schienenwegen überzogen.

I. In Betrieb befindliche Bahnen.

1. In der Kolonie Neu-Süd-Wales bestehen drei Hauptlinien, die alle ihren Ausgangspunkt von Sydney nehmen. Des nähern unterscheidet man:

a. Die große Westbahn; sie zieht von Sydney in westlicher Richtung über die Blauen Berge und ist jetzt bis Dubbo in einer Länge von 445 km vollendet. — Welche Schwierigkeiten der Bau dieser Bahn über die Blauen Berge, die wie eine Mauer aus der Ebene aufstreben, zu bewältigen hatte, erhellt aus folgendem. Die Bahn ersteigt die Höhe auf geneigten Flächen, deren steilste eine Steigung im Verhältnis von 1:30 aufweisen. Diese Steigung hat man aber nicht durch bogenförmige Schleifen überwunden, sondern durch spitzwinkelige Zickzacke, so daß die Bahn danach den Namen „Zickzackbahn“ führt. Bald ist die Maschine vorn, bald hinten, jetzt ziehend, dann schiebend, und den Weg, den man soeben zurückgelegt hat, sieht man gleich darauf senkrecht unter den Füßen. Ein noch kühneres Meisterwerk der Ingenieurkunst ist der Abstieg auf der andern Seite. Die Schwierigkeiten, welche es hier zu besiegen galt, waren so groß, daß nach langen, genauen Untersuchungen zur Feststellung der bequemsten Linie die Vermessungsbeamten mit Stricken an den Abhängen hinabgelassen werden mußten, um die Linie überhaupt nur ausmessen oder abstecken zu können.[S. 242] Die Bahn läuft hier an steil emporstrebenden Felsenwänden entlang, durchbricht dieselben und springt über gähnende Abgründe. — Ihren höchsten Punkt erreicht sie in dem 540 m langen Tunnel, welcher 1200 m über dem Meere durch den Mount Clarence gebrochen ist. Die Bahn soll eventuell bis Bourke am Darling fortgeführt werden.

b. Die große Südbahn; sie geht bis Paramatta in westlicher Richtung, dann südwestlich zum Murrayfluß. An Bedeutung steht sie der großen Westbahn weit voran, da sie jetzt bei Albury an die von Melbourne kommende Linie Anschluß hat. Sie hat eine Länge von 618 km. In der an das Südende der Blauen Berge anschließenden Cullarinkette übersetzt sie ebenfalls das Gebirge, und wenn die Natur hier auch nicht dieselben großartigen Hindernisse entgegenstellte, wie bei dem Bau der Westbahn über die Blauen Berge, so weist der Weg über das Gebirge dennoch einige bedeutende Bauten auf: den Fluß Nepean überspannt eine 660 m lange Brücke, und einer der Tunnels — er führt den Namen Gibraltartunnel — hat eine Länge von 190 m.

c. Die große Nordbahn; sie strebt über Newcastle der queensländischen Grenze zu.

2. In der Kolonie Victoria hat man bei Anlage der Eisenbahnen stets Melbourne als Ausgangspunkt gewählt. Außer einigen kleineren Linien strahlen von ihm vier Hauptlinien aus. Von den zwei zum Murray laufenden schließt sich die eine bei Albury an die von Sydney ausgehende Bahn an, die andere, mehr westlich gelegen, führt über den Murray nach Deniliquin in Neu-Süd-Wales. Eine dritte Linie geht nach Osten und eine vierte nach Südwesten. Die letztgenannte entsendet von Geelong eine wichtige Linie zu den Golddistrikten von Ballaarat und darüber hinaus. Kleinere Linien zweigen sich von diesen Hauptrichtungen an verschiedenen Stellen ab.

3. Das Eisenbahnnetz der Kolonie Süd-Australien hat sich von der Hauptstadt Adelaide aus um den Spencer- und St.-Vincent-Golf und die Encounter-Bai geschlungen. Eine Hauptlinie läuft von Adelaide nordwärts, berührt Port Augusta am Spencer-Golf und hat dermalen ihren Endpunkt in Farina Town. Demnächst geht auch die Verbindung Adelaide-Melbourne (495 engl. Meilen) ihrer Vollendung entgegen.

4. Die Eisenbahnen von Queensland bestehen aus mehreren getrennten Strecken, da sich die Ansiedelung nicht, wie bei den anderen Kolonieen, von einem Punkte aus, vielmehr von mehreren, aber weit voneinander entfernten Plätzen der Ostküste westwärts ausbreitete. So sind nach und nach fünf verschiedene Linien bei ebensovielen Hafenplätzen begonnen worden.

5. West-Australien entwickelt sich außerordentlich langsam; ihm fehlt, was der Osten des Kontinents hat: reiche Bergwerke und Ackerlandschaften.[S. 243] Die ganz kurzen Eisenbahnstrecken von Geralton nach Northampton und von Fremantle nach Guildford sind kaum nennenswert.

6. Das Nordterritorium entbehrt noch völlig der Bahnen.

Von den australischen Inseln besitzen bereits Bahnen: Tasmanien, Neu-Seeland, Tahiti und Hawaii.

II. Projektierte Bahnen.

Von den in Aussicht genommenen Bahnbauten verdienen besonders zwei unsere genauere Beachtung.

1. Das Projekt einer Eisenbahn quer durch den Kontinent von Südaustralien nach Port Darwin an der Nordküste. — Die technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich dem Bau dieser indo-pacifischen Überlandbahn entgegenstellen, erscheinen allerdings auf den ersten Blick als unüberwindliche. Die wasserlosen Spinifexwüsten[133] und Flugsandstrecken des australischen Innern, die als absolut unbewohnbar gelten, sowie die breite, sehr ungleichmäßig mit Wasser versorgte Randzone um dieselben, in der nur oasenartig hie und da gutes Weide- oder Buschland vorhanden ist, machen in der That eine Miene, als wollten sie es dem Herrn der Erde niemals gestatten, seine Eisenstränge durch sie hindurch zu legen. Die technischen Schwierigkeiten, welche dem Bau in den wasser- und menschenleeren Räumen des Innern erwachsen müßten, würden aber noch wesentlich erhöht durch zahlreiche Bergzüge, wie durch die breiten, tief eingeschnittenen Betten periodischer Ströme; vielleicht würden den Erbauern auch hie und da feindselige Eingeborene durch heimtückische Angriffe aus unnahbaren Schlupfwinkeln lästig fallen. Trotz dieser großen Hindernisse, die bei der Ausführung dieses Bahnprojektes zu überwinden wären, hat sich bereits der Regierung von Südaustralien eine amerikanische Gesellschaft erboten, die Bahn zu bauen, unter der Bedingung, daß ihr, wie das in Nordamerika geschieht, große Parzellen Landes an der anzulegenden Bahn kostenfrei überwiesen würden. Die Unterhandlungen haben sich indes zerschlagen. — Ein Zweigteil dieser projektierten, ca. 2800 km langen Überlandbahn ist die Linie von Adelaide nach Farina Town.

2. Das Projekt einer Eisenbahn von der Ostküste von Queensland nach der Südküste des Carpentaria-Golfs. — Um die Förderung dieses Projektes machte sich besonders die Redaktion einer Zeitung, des in Brisbane erscheinenden „Queensländer“, in hohem Grade verdient. Ähnlich wie der Besitzer des „New York Herald“, James Gordon Benett, den berühmten Stanley durch den afrikanischen Kontinent sandte, so rüstete Gresley Lukin, der Besitzer des „Queensländer“, im Interesse des transkontinentalen Schienenweges eine eigene Forschungsexpedition aus,[S. 244] die mit der vorläufigen Untersuchung und Aufnahme des fraglichen Terrains betraut wurde. Die Expedition hat in der That eine taugliche Route ausfindig gemacht, so daß eine Gesellschaft englischer Kapitalisten sich bereit erklärte, von Blackall am Victoriaflusse, bis wohin die Staatsbahn von Brisbane zu vollenden ist, eine Eisenbahn nach Point Parker am Golf von Carpentaria zu bauen, wenn anders ihr für jede englische Meile Bahnlinie auf der westlichen Strecke 4000 ha und in dem Golfgebiet 4800 ha des anliegenden Landes bewilligt werden. Auf diese Bedingungen einzugehen, zeigte sich die Regierung von Queensland nicht abgeneigt. Nachdem aber eine von ihr abgesandte Expedition sehr vorteilhaft über die zu passierende Gegend berichtet hatte und das Londoner Syndikat nach einer durch den Generalmajor Fielding angestellten Untersuchung der Strecke seine Forderung erhöht hatte, wurden die Verhandlungen abgebrochen. Sehr wahrscheinlich wird nun die Bahn von der Regierung selbst gebaut werden.

Die Bedeutung dieser transkontinentalen Schienenwege liegt für Australien in der Verkürzung der Raumdistanzen in der Richtung der altweltlichen Kulturländer, insbesondere in der Beschleunigung und Erleichterung des Verkehrs mit Europa.

Anhang.

1. Die Stadtbahnen.

Stadtbahnen, d. h. Lokomotiveisenbahnen für die Zwecke des städtischen Personenverkehrs, giebt es dermalen nur in London, New-York, Berlin und Rotterdam. In Paris, Rom, Wien und Brüssel wird die Anlage von Stadtbahnen erst vorbereitet.

1. Londoner Stadtbahnen. Das Londoner Eisenbahnwesen zeigt im Vergleich zu dem aller anderen Städte der Erde die großartigste Entwicklung. Täglich laufen in den Bahnstationen der Stadt — und dabei ist die Untergrundbahn außer Ansatz gelassen — ca. 4400 Züge ein und aus. Auf einzelnen Stationen ist das Getriebe wieder ganz besonders stark. So verkehren täglich von 5 Uhr morgens bis 12 Uhr nachts in Victoria 622, in Liverpool Street 642 und in Broad Street 790 Züge[134]. — Der größere Teil des Eisenbahnnetzes liegt im Norden der Themse; dagegen befinden sich südlich derselben die merkwürdigsten Verknotungen und Verschlingungen des Netzes. Einzig in seiner Art ist z. B. das Schienengewirre der Clapham-Junction (Fig. 86).

In bautechnischer Beziehung sind namentlich die gigantischen Personenhallen zu erwähnen. Die größte derselben ist die der Kings-Croß-Station. Sie hat eine Länge von 258 m, zwei Spannweiten von zusammen 64 m und[S. 245] Raum für 14 Geleise. Der von ihr bedeckte Flächenraum beträgt 15700 qm. An zweiter Stelle steht die Personenhalle der Paddington-Station, und die drittgrößte ist jene der Pancras-Station (Fig. 87). Die bedeutendste Güterstation Londons ist die der Great-Northern-Bahn, unweit von Kings Croß. Zahlreiche hydraulische Krähne, vorteilhaft disponierte Drehscheibensysteme, hydraulische Hebungsanstalten, all das verleiht dieser Anlage in Verbindung mit den grandiosen Hochbauten das Gepräge höchster Vollendung und Leistungsfähigkeit.

Fig. 86. Die Geleis-Verknotungen der Londoner Stadtbahnen bei der Clapham Junction.

Das bedeutendste bahntechnische Werk Londons sind jedoch die unterirdischen Bahnen[135] (Fig. 88). Sie wurden auf der Nordseite der Themse zur Verbindung der wichtigsten Bahnhöfe durch die Ingenieure J. Fowler und Maon Johnson erbaut und umfassen die Metropolitan District Railway und die Metropolitan Railway; erstere, über 6,5 km lang, beginnt am Mansion House in der Queen Victoria Street und endet bei South-Kensington; letztere, über 13 km lang, nimmt ihren Anfang bei South-Kensington und erreicht ihr Ende in Morgate Street, unweit der Ausgangsstation Mansion House. Sie steht zugleich mit den großen Linien des nördlichen London in Verbindung und vermittelt so den Verkehr nach allen Richtungen. Der unterirdische Schienenweg im ganzen umschließt den[S. 246]jenigen Teil Londons, der die reizenden Parks, die königlichen Schlösser, die wichtigsten öffentlichen und die der Kunst und Wissenschaft dienenden Gebäude, die schönsten und großartigsten Straßen, sowie den eigentlichen Industrie- und Luxus-Verkehr enthält. — Die größte Schwierigkeit bei Erstellung dieser Schienenwege bildeten einerseits der sehr wasserhaltige Grund, andererseits die zahlreichen Wasser-, Gas-, Telegraphen-Leitungen u. s. w. Die Kosten des ganzen Unternehmens beliefen sich auf 22½ Mill. Mark.

Fig. 87. Front der Pancras-Station in London.


GRÖSSERE BILDANSICHT

[S. 247]

Der Verkehr auf diesen Bahnen ist ein ganz außerordentlicher. Von der Mansion-House-Station gehen z. B. täglich ungefähr 190 Züge ab, ebensoviele im Durchschnitt von der Morgate-Station. Da nun die gleiche Zahl von Zügen in den genannten Stationen eintrifft, so verkehren hier durchschnittlich beinahe 400 Züge im Tage, und zeitweilig erhöht sich die Zahl derselben sogar auf 500 und 600. Trotz dieses gewaltigen Verkehrs — es benützen diese Bahnen jährlich etwa 50 Mill. Menschen — sind Unfälle äußerst selten[136].

Londons unterirdische Bahnen

Fig. 88.

Die Benützung der Bahn ist übrigens auch mit einer großen Menge von Unannehmlichkeiten verbunden. So steigt man schon durch ziemlich enge und düstere Treppen zu den Stationen hinab; diese sind zwar meistens noch durch Tageslicht erhellt, aber durch ihre dicke, feuchte Atmosphäre machen sie auf den Reisenden den Eindruck des Kellerartigen. Das hierdurch hervorgerufene Unbehagen wird noch gesteigert, sobald die Fahrt beginnt. Der Zug tritt nämlich beim Verlassen der Station sofort in einen Tunnel und bewegt sich naturgemäß in demselben mit größerem Geräusch als ein Zug auf freier Strecke an der Oberfläche der Erde. Das Geräusch wird vollends zum widerwärtigen Lärm, sobald der Zug, was häufig vorkommt, scharfe Kurven befährt. Auf solchen Strecken befindet sich an der Innenschiene durch die ganze Ausdehnung der Kurven eine sogen. Streichschiene zur[S. 248] sichern Führung der Fahrzeuge. An diese Streichschiene streifen aber die Räder der Fahrzeuge infolge der Centrifugalkraft dicht an und erzeugen so ein fast unerträgliches Quietschen. Dazu kommt infolge der beständigen Fahrt im Tunnel eine immer mehr und mehr gesteigerte Hitze in den Coupés und ein durch die Fenster eindringender, von der Kohlenfeuerung der Maschinen herrührender unangenehmer Schwefelgeruch.

Fig. 89. Der Bahnhof von Baker Street.


GRÖSSERE BILDANSICHT

[S. 249]

2. New-Yorker Stadtbahnen[137]. Sie sind sogen. Hochbahnen (elevated railways), welche, auf Eisenkonstruktionen ruhend, die Stadt der ganzen Länge nach in je zwei parallel laufenden Linien durchziehen. Die einzelnen Stationen sind durchschnittlich 2 km voneinander entfernt und werden von der Straße aus mittels bequemer eiserner Treppen erreicht.

Fig. 90. Die Pfeiler-Eisenbahn in New-York.

Der Fahrpreis beträgt, gleichviel, ob man bis zu einer der nächsten Stationen oder bis zum weitest entfernten Punkte der Bahn fährt, 10 Cents = 40 Pfennig; daher ist auch jede Kontrolle unnötig und der ganze teure Apparat von Schaffnern, Kontrolleuren etc. überflüssig. Durch einen engen Eingang, an welchem ein Beamter sitzt, gelangt man auf den Perron, nachdem man beim passieren der engen Pforte das Billet in einen Glaskasten geworfen hat, und erwartet hier den Zug. Sobald derselbe angekommen, öffnet der Kondukteur das Eisengitter der Plattform der Wagen und läßt die Passagiere aus- und einsteigen. Das alles geht fast lautlos und in wenigen Augenblicken vor sich, und in kaum mehr als einer halben Minute braust ohne Glockensignal oder ohrenzerreißenden Pfiff der Zug weiter. Frei[S. 250]lich muß man den Plan der Stadt einigermaßen im Kopfe haben und wissen, wo ein- und aussteigen, denn der Kondukteur pflegt den Namen oder die Nummer der nächsten Straße, an welcher gehalten wird, mehr oder weniger unverständlich in den Wagen zu rufen.

Die Eisengerüste dieser Hochbahnen verunstalten die Straßen allerdings in hohem Grade und machen sie oft recht düster, zumal man kein Bedenken trug, die Bahnen selbst durch ganz enge Gebiete zu führen. Auch ist für die anstoßenden Häuser das Getöse und die Erschütterung durch die ununterbrochen vorübersausenden Züge durchaus nicht zuträglich; ja die nach vorn gelegenen Räume sind vielfach kaum bewohnbar und nur zu Magazinen und Lagerräumen zu gebrauchen. Auch in den höheren Stockwerken macht sich der Rauch und das Tag und Nacht andauernde Geräusch in höchst unangenehmer Weise fühlbar.

Dessenungeachtet hat sich das Verkehrsmittel der städtischen Hochbahnen als so zweckmäßig, ja unentbehrlich erwiesen, daß man heutzutage nicht begreift, wie ohne dieselben der riesige Verkehr dieser Weltstadt bewältigt werden konnte; denn sie haben auch der Entwicklung der übrigen Verkehrsmittel, besonders der Pferdebahnen, keinen Eintrag gethan.

Täglich verkehren 500 Züge in Zeitabständen von 1½-8 Minuten, je nach der Tageszeit, und 240 Lokomotiven schleppen diese Züge, welche zusammen täglich einen Weg gleich dem Äquatorialumfange der Erde zurücklegen.

Die Gesamtlänge der Bahnen beträgt ca. 40 km.

3. Berliner Stadtbahn[138] (Fig. 91). Seit dem Jahre 1882 erfreut sich auch Berlin einer Stadtbahn. Dieselbe ist als viergeleisige Hochbahn ausgeführt und durchschneidet die Stadt in der Richtung von Ost nach West. Die Höhenlage der Bahn beträgt durchschnittlich 6 m über dem Terrain und wurde, abgesehen von zwei kurzen Dammschüttungen, durch einen fortlaufenden Viaduktbau von 11,25 km erzielt. Letzterer, fast 16 m breit, besteht der Hauptsache nach aus massiven Bogen von Ziegelmauerwerk, zu einem bedeutenden Teil aber auch aus eisernen, nach den verschiedensten Systemen konstruierten Überbrückungen der Straßen und Wasserläufe (Fig. 92). Die Zahl dieser Bauten beträgt nicht weniger als 64.

Daß ein derartiges Bauwerk, das durch die belebtesten Teile der Stadt sich hinzieht, großartige Umwälzungen und Neugestaltungen nach sich ziehen mußte, ist selbstverständlich. Da galt es, Straßenviertel zu durchbrechen, viele Wohnhäuser, Fabriken und sonstige gewerbliche Anlagen abzureißen, Gräben zuzuschütten, Straßen zu verlegen und neue zu bauen.

Die Bauten der Stadtbahn selbst sind überall den Anforderungen des[S. 251] Geschmacks und der Schönheit gemäß in charakteristischer, oft origineller Weise durchgeführt.

Übersicht der Berliner Stadt- und Ringbahnen

Fig. 91.


GRÖSSERE BILDANSICHT

[S. 252]

Was den Betrieb der Bahn betrifft, so sind zwei Geleise ausschließlich für den Lokalverkehr, die beiden anderen für den Durchgangsverkehr der in dieselben mündenden Bahnen bestimmt; im Lokalverkehr folgen die Züge in Zeitabständen von je fünf Minuten in beiden Richtungen und verweilen nur je eine Minute auf den Stationen. Glockensignale zum Ein- und Aussteigen werden nicht gegeben, ebensowenig Signale mit der Dampfpfeife zum Halten und Abfahren der Züge; auch haben die Fahrgäste selbst die Wagenthüren beim Verlassen des Zuges zu öffnen. Die Billetkontrolle findet beim Betreten und Verlassen der Perrons statt.

Fig. 92. Übergang am Bahnhof „Friedrichstraße“ in Berlin.

[S. 253]

Der Nutzen der Stadtbahn ist ein mannigfacher. Vor allem ermöglicht sie, da sie die von Osten und Westen in Berlin mündenden Bahnen verbindet, einen direkten Verkehr nach diesen Richtungen. Sie ist ferner ein Hauptverkehrsmittel in der Stadt und nach den Vororten. Ganz besonders hoch aber ist der Gewinn anzuschlagen, welcher der Stadt durch die Bahn in sanitärer Beziehung erwächst. Denn dadurch, daß es nunmehr den Einwohnern der Stadt mittels des neuen Schienenweges möglich gemacht ist, auch entlegenere Quartiere zu beziehen, wird die Bevölkerungsdichtigkeit der übermäßig stark bewohnten Gebiete sich verringern, der hygienische Zustand derselben aber sich wesentlich bessern.

Über den auf dieser Bahn herrschenden Verkehr geben folgende Zahlen Aufschluß. Regelmäßig werden per Tag 280 Züge abgelassen, die nur dem Stadtverkehr dienen; hierzu kommen noch 74 Vorortszüge und 90 Externzüge, so daß schon im regelmäßigen Betriebe täglich 444 Züge expediert werden müssen. Im Sommer kommen hierzu, je nach Bedarf, an den Wochentagen 12–30 Extrazüge, an den Sonntagen deren bis zu 72; bei außergewöhnlichem Verkehr steigert sich die Zahl der Züge noch wesentlich und beträgt bis zu 562 an einem Tage. Die Zahl der beförderten Passagiere der Stadtbahn belief sich im ersten Geschäftsjahre (1880) auf 8396460 und ist im Jahre 1884–1885 auf 14256490 gestiegen. Sicher wird diese Zahl sich noch bedeutend steigern.

Die Stadtbahn Rotterdams ist ebenfalls Hochbahn.

2. Die elektrischen Eisenbahnen[139].

Der erste ernstliche Versuch einer Anwendung der Elektricität auf die Lastenbeförderung wurde 1879 in Berlin gelegentlich der dortigen Gewerbeausstellung gemacht. Seitdem sind mehrere elektrische Bahnen ins Leben getreten, so die Lichtenfelder Bahn in Berlin (2,5 km lang), die Bahn zwischen Charlottenburg und dem sogen. Spandauer Bock bei Berlin (2,5 km lang), die 800 m lange Bahn im königlich sächsischen Bergwerk Zaukerode, die 10 km lange Bahn bei Portrush in Irland, die Bahn Landvoort-Kostverloren in Holland (2 km lang) und die Linie Frankfurt-Offenbach. Viele andere derartige Bahnen sind bereits in Angriff genommen oder wenigstens projektiert, so eine Linie zwischen St. Moritz und Pontresina (Engadin), ferner eine Untergrundbahn zwischen Charing-Croß und Waterloostation in London und ein vollständiges elektrisches Hochbahnnetz für die Stadt Wien.[S. 254] Die Gesamtlänge der in Europa und Amerika bis jetzt fertiggestellten elektrischen Bahnen wird auf mehr als 160 km berechnet.

Das Hauptverdienst um die Verwendung der Elektricität im Dienste des Eisenbahnwesens erwarb sich Werner Siemens in Berlin; er ist der Vater der elektrischen Eisenbahn.

Die Kraft wird bei diesen Bahnen durch eine stehende Dampfmaschine erzeugt und mit Hilfe von Drähten entweder durch die Schienen oder durch eine besondere neben dem Geleise hinlaufende Leitung auf die Betriebsmaschine übertragen. Letztere befindet sich entweder auf einer besondern Lokomotive oder sie ist unter einem Wagen angebracht.

Fig. 93. Elektrische Eisenbahn bei Charlottenburg.

Die Vorteile der elektrischen Bahn im Vergleiche mit der Dampfbeförderung sind namentlich folgende:

Ein Hauptvorzug ist die gänzliche Abwesenheit von Feuer, Rauch und Dampf, ohne welche der Dampfbetrieb undenkbar ist. Diese Übelstände machen sich, wie begreiflich, besonders bei den städtischen Bahnanlagen sehr fühlbar. In London werden über die mit Verbrennungsgasen erfüllte Luft in den Tunnels der unterirdischen Bahnen lebhafte Klagen geführt; in New-York, wo die oberirdischen oder Hochbahnen beliebt wurden, haben zwar die Reisenden nicht darunter zu leiden, wohl aber die Anwohner. Sehr beachtenswert ist ferner die Ruhe und Geräuschlosigkeit, womit sich die ganze Bewegung der elektrischen Bahn vollzieht. Die Elektromotoren schweben in fast geheimnisvoller Weise über die Schienen dahin, wie ein[S. 255] Schraubendampfer, wenn sein Schlot keinen Rauch ausstößt. — Eine weitere Überlegenheit der elektrischen Bahn über den Dampfbetrieb ist die sehr erhebliche Verminderung des toten Gewichts der Züge. Weshalb sind z. B. die Eisenbahnbrücken so fest gebaut, Schienen und Schwellen so schwer? Hätten diese Teile einer Eisenbahn nur das verhältnismäßig unbedeutende Gewicht der Wagen zu tragen, so wäre ein solch cyklopischer Ober- und Unterbau nicht mehr erforderlich. Die Bahnen werden aber jetzt nicht mit Rücksicht auf die nutzenbringenden Züge selbst, sondern mit Bezug auf die bis tausend Centner schweren unproduktiven Lokomotiven angelegt. Das tote Gewicht der elektrischen Züge besteht hingegen, abgesehen von den Wagen selbst, nur aus der sehr leichten Dynamomaschine, die oft zwischen den Wagenachsen angebracht ist. Hieraus ergiebt sich, daß die elektrische Beförderung gestatten würde, die Widerstandsfähigkeit der Brückenträger, Gewölbe, Schienen und Schwellen mindestens um ein Drittel zu vermindern, da der schwerste Wagen nur 400 Centner wiegt. Diese Verminderung bedeutet aber, auf das Bahnnetz der ganzen Welt angewendet, eine Ersparung von Milliarden von Mark. Allerdings wird noch geraume Zeit verstreichen, bis die elektrische Beförderung auf Vollbahnen Anwendung finden kann, und die in dem allzufesten Ober- und Unterbau steckenden Unsummen sind auf Nimmerwiedersehen verloren; aber übersehen darf man nicht, daß das Weltbahnnetz noch lange nicht ausgebaut ist, und daß die Frage der Neben- oder Lokalbahnen jetzt mehr denn je auf der Tagesordnung steht. — Ein vierter Hauptvorzug der elektrischen Bahn ist die Möglichkeit — und diese ist namentlich in Gebirgsgegenden gegeben —, zur Erzeugung des elektrischen Stromes die Dampfmaschine ganz entbehren zu können und zu diesem Zwecke die Strömung selbst von abseits der Bahn fließenden Flüssen zu benützen. In Flachländern aber, wo Wasserkraft kostspieliger ist, weil sie erst durch Wehranlagen und Flußsperren gewonnen werden muß, bietet die Elektricität immerhin den Vorzug, daß man zur Hervorbringung derselben stehende Dampfmaschinen gebrauchen kann; stehende Dampfmaschinen arbeiten aber ökonomischer als Lokomotiven. — Der elektrische Bahnbetrieb benötigt auch weniger Dienstpersonal als der Dampfbetrieb. Der Betrieb einer Dampfeisenbahn erfordert ja für jede Lokomotive mindestens einen Heizer und einen Führer; eine große tausendpferdige Dampfmaschine aber, welche die zur Fortbewegung aller Züge auf einer längern Bahnstrecke nötige Elektricität liefern könnte, bedarf ebenfalls nur eines Maschinisten und etwa zweier Heizer. Die Kostenersparnis hieraus springt sofort in die Augen. Und was die Führung selbst betrifft, so bedarf es nicht eines geschulten Technikers, es genügt der erste beste Bremser, da es ja bloß gilt, eine Kurbel rechtzeitig zu drehen. — Endlich löst die elektrische Bahn das so schwer wiegende Problem des Lokal-Bahnverkehrs und damit zusammenhängend der Decentralisierung der Groß[S. 256]städte in ausgezeichneter Weise. Auf die elektrischen Zugkosten hat es nämlich kaum einen Einfluß, ob in stündlichen Abständen oder in Abständen von 10 Minuten je ein Wagen abgelassen wird. Viel ungünstiger liegen diese Verhältnisse bei der Dampfeisenbahn. Soll nämlich die Ablassung eines Zuges einigermaßen lohnen, soll das Personengeld die Zugkosten decken, so ist eine größere Anzahl Reisender erforderlich, so müssen mindestens 4–5 Wagen annähernd gefüllt werden. Dazu bedarf es aber Zeit und somit ein längeres Intervall zwischen den Zügen.

Nach Werner Siemens wird übrigens die Elektricität auf den großen Verkehrsadern der Lokomotive keine Konkurrenz machen. Derselbe beansprucht für die Elektricität die Stadt- und Gebirgsbahnen, den Tunnel- und Bergbaubetrieb sowie die Lokalbahnen. Auf diesen Gebieten wird wohl bald die Dampfbahn von der elektrischen verdrängt werden und so sich das berühmte Wort Viktor Hugos erfüllen: Ceci tuera cela!


Drittes Kapitel.
Statistik des Eisenbahnwesens.

I. Das Eisenbahnnetz der fünf Erdteile am Schlusse des Jahres 1884[140].

1. Europa.

Länder. km.
Deutschland 36720
Frankreich 31216
Großbritannien-Irland 30370
Rußland, einschl. Finnland 25767
Österreich-Ungarn 21850
Italien 10138
Spanien  8281
Schweden  6600
Belgien  4319
Schweiz  2797
Niederlande mit Luxemburg  2654
Türkei, europ., Bulgarien,
Rumelien, Bosnien
 1765
Dänemark  1900
Norwegen  1562
Portugal  1527
Rumänien  1602
Serbien   244
Griechenland   175

Europäische Staaten zusammen 189487 km.

An erster Stelle steht hiernach unter den europäischen Staaten bezüglich der Länge des Eisenbahnnetzes Deutschland mit 36720 km, an letzter Griechenland mit 175 km.

[S. 257]

2. Amerika.

Länder. km.
Vereinigte Staaten 201735
Britisch-Nordamerika  15000
Mejico   5200
Central-Amerika, Antillen,
Columbien u. Venezuela
  2210
Brasilien   6115
Argentinien   4100
Paraguay     72
Uruguay    470
Chile   1850
Peru   2600
Bolivia     56
Ecuador     60

Amerika zusammen 239468 km.

Weitaus das größte Eisenbahnnetz in Amerika haben somit die Vereinigten Staaten; dasselbe ist sogar größer als das von Europa. Ihnen folgen Britisch-Nordamerika, Brasilien, Mejico und Argentinien.

3. Asien.

Länder. km.
Britisch-Indien 18100
Niederländisch-Indien  1150
Japan   426
Kleinasien   372
Ceylon   260
Das transkaspische
Gebiet (russisch)
  231

Asien zusammen 20539 km.

4. Afrika.

Länder. km.
Kap-Kolonie 2487
Algier 1900
Ägypten 1500
Tunis  246
Natal  158
Mauritius und sonstige
Länder
 270

Afrika zusammen 6561 km.

5. Australien.

Länder. km.
Victoria 2676
Neu-Süd-Wales 2666
Neu-Seeland 2527
Queensland 1942
Süd-Australien 1704
Tasmanien  348
West-Australien  190

Australien zusammen 12053 km.

Die Zusammenstellung der Angaben für die einzelnen Weltteile ergiebt folgende Totalziffern für das

[S. 258]

Eisenbahnnetz der Erde (1884).

1. Amerika 239468 km
2. Europa 189487
3. Asien  20539
4. Australien  12053
5. Afrika   6561
  Total 468108 km.

II. Relative Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Europa

(Ende des Jahres 1884[141])

Länder Es entfallen Kilometer
Eisenbahnen auf
100 qkm. 10000 Einw.
Belgien 14,7  7,8
Großbritannien und Irland  9,6  8,6
Niederlande einschließlich Luxemburg  7,5  6,3
Schweiz  6,8  9,8
Deutschland  6,8  8,1
Frankreich  5,9  8,3
Dänemark  4,9  9,6
Österreich-Ungarn  3,5  5,9
Italien  3,4  3,5
Portugal  1,7  3,7
Spanien  1,6  5 
Schweden  1,5 14,5
Rumänien  1,3  3 
Norwegen  0,5  8,2
Rußland einschließlich Finnland  0,5  3,1

Hiernach nimmt bezüglich der Dichtigkeit des Eisenbahnnetzes den ersten Platz Belgien ein (mit 14,7 km auf 100 qkm); Deutschland steht hier erst in vierter Linie, und Rußland, das hinsichtlich der Länge der Eisenbahnen nur von drei anderen Staaten übertroffen wird, rückt bezüglich der Dichtigkeit unter den oben angeführten Staaten (mit Norwegen) sogar auf die letzte Stelle.

Mit Rücksicht auf das Verhältnis der Linienlänge zur Bevölkerungszahl behauptet den ersten Rang Schweden (mit [S. 259]14,5 km auf 10000 Einwohner).

In den Vereinigten Staaten von Amerika entfielen 1884 2,2 km auf 100 qkm Flächeninhalt und 38,8 km auf 10000 Einwohner.

III. Entwicklung des Eisenbahnnetzes der Erde[142].

Hierüber geben folgende Tabellen Aufschluß:

1. Gesamtlänge am Ende der Jahre:

1830    332 km
1840   8591
1850  38022
1860 106886
1870 221980
1871 235375
1872 251032
1873 270071
1874 283090
1875 294400
1876 309641
1877 322517
1878 334666
1879 351002
1880 367235
1881 393232
1882 421566
1883 443441
1884 468108

2. Jährlicher Zuwachs.

1830–40 im Durchschnitt   826 km
1840–50  2943
1845–60  6886
1860–70 11509
1871     13395
1872     15657
1873     19039
1874     13019
1875     11310
1876     15241
1877     12876
1878     12149
1879     16336
1880     16233
1881     25997
1882     28334
1883     21875
1884     24667

Die letztere Tabelle ist von besonderem Interesse, da aus ihr die Pulsschläge der Weltwirtschaft deutlich zu erkennen sind.

IV. Betriebsmittel und Betriebsleistung.

In Europa standen 1882 auf den Eisenbahnen in Verwendung:

  52000 Lokomotiven,
 120000 Personenwagen und
1250000 Lastwagen.

Die Transportleistungen in Europa stellen sich für das Jahr 1882 wie folgt: es wurden 1371 Mill. Personen und circa 715 Mill. metrische Tonnen Güter befördert.

[S. 260]

Betriebsmittel und Betriebsleistungen der europäischen Staaten.

Länder. Jahr. Anzahl Anzahl der
beförderten
Passagiere
Tonnen
trans-
portierter
Frachten
der Lo-
komo-
tiven[143].
der Per-
sonen-
wagen.
der
Last-
wagen.
in Tausenden.
Deutschland 1882 11250 20843 235798 224267 180190
Großbritannien
  u. Irland
1882 14128 43010 419050 654838 264480
Frankreich 1881  7635 17378 198528 179730  84647
Rußland 1881  5690  7230 110026  33295  12442
Österreich-
 Ungarn
1882  3613  7444  85032  47032  63144
Italien 1882  1626  4943  28693  34372  10370
Spanien 1880  1245  3669  21949  14813   8088
Schweden 1881   598  1389  15385   6882   5893
Belgien 1881  1977  3772  50127  57240  34077
Schweiz 1882   595  1702   8720  22658   6366
Niederlande 1881   485  1346   6749  15205   5804
Dänemark 1881   333   687   2537   6696   1114
Norwegen 1881    94   370   2229  1800    676
Finnland 1881    98   247   2176  1715    620

Die Zahl aller Lokomotiven der Erde betrug 1882 circa 83000, jene der Personenwagen circa 144000 und die der Lastwagen 2100000.

An Personen wurden auf der ganzen Erde im Jahre 1882 befördert 2300–2400 Mill. und an Frachten 1150–1200 Mill. Tonnen.

Im Durchschnitt verkehren jetzt täglich nahezu 7 Mill. Personen auf allen Schienenstraßen der Erde und werden täglich 3,3 Mill. Tonnen Güter an ihren Bestimmungsort gebracht.

Die Zahl der Kilometer, welche von den sämtlichen Lokomotiven der Erde jährlich durchlaufen werden, dürfte auf circa 10500 Mill. zu schätzen sein, so daß diese Maschinen im Jahre einen 70mal größern Weg zurücklegen, als die Entfernung der Erde von der Sonne beträgt.

V. Personen- und Güterverkehr im Verhältnis zur Bevölkerung.

Es treffen auf einen Einwohner:

Länder. Passa-
giere.
Tonnen
Güter.
in Großbritannien u. Irld. 22   7  
Frankreich  5  
Deutschland  5   3  
Rußland   ½  ½
Österreich  1¼
Italien  1¼  ⅓
Spanien  1½  ½
Belgien 10   7  
der Schweiz  8   2  
d. Vereinigten Staaten  5   6  
Canada  3  
Australien  1½

[S. 261]

VI. Eisenbahnkapital und Nationalvermögen.

Länder. Eisenbahnkapital
in Millionen
Pfd. St.
Zinsen-
Ertrag in
Prozenten.
National-
vermögen in
Millionen
Pfd. St.
Anteil des
Eisenbahn-
kapitals in
Prozenten.
Großbritannien
 und Irland
 770 4,20  8720  8,8
Frankreich  494 4,12  8060  6,1
Deutschland  467 4,21  6320  7,1
Rußland  309 2,20  4050  7,7
Österreich  265 3,76  3920  6,5
Italien  108 2,48  2230  4,8
Spanien   79 3,78  1570  5,1
Portugal   12 2,55   360  3,3
Belgien   61 3,66  1180  5,3
Holland   27 3,46  1120  2,4
Dänemark   10 2,10   354  2,8
Schweden und
 Norwegen
  32 2,42   738  4,3
Schweiz   33 3,03   310 10,7
Türkei   24 2,17   720  3,3
Europa 2691 3,80 39652  6,7
Vereinigte Staaten 1190 4,81 10370 11,4
Canada   72 1,86   650 11,1
Australien   56 3,60   598  9,3
Total 4009 51270  7,8

Nach Neumann-Spallart beläuft sich der gesamte Betrag der bis 1882 im Eisenbahnnetze der ganzen Erde angelegten Kapitalien auf die kolossale Summe von rund 91500 Millionen Mark[144], und zwar entfallen davon auf

Europa 52370,014 Mill. M.
Amerika 33510,866
Asien  3244,224
Australien  1245,815
Afrika   951,512
Total 91322,431 Mill. M.

„Nichts,“ ruft Neumann-Spallart mit Recht aus, „vermag das Zeitalter des Dampfes prägnanter zu bezeichnen, als diese drei Zahlen: 91½ Milliarden Mark Eisenbahnkapital, jährlich 2400 Millionen Reisende und 1200 Millionen Frachten-Tonnen!“

[S. 262]

VII. Fahrpreise.

Diese sind in den einzelnen Ländern sehr verschieden. In Europa sind sie am niedrigsten in Belgien, am höchsten in der Türkei. Nachstehende Tabelle giebt eine diesbezügliche Übersicht betreffs der europäischen Länder (Preise in Pfennigen pro Kilometer bei den gewöhnlichen Personenzügen und für die einfache Fahrt).

Länder. I. Klasse. II. Klasse. III. Klasse. Total.
Norwegen  7½  5½ 33⁄10 163⁄10
Belgien  6    4½ 3   13½
Süddeutschland  8    5½ 32⁄5 167⁄10
Dänemark  7⅘  5⅗ 3⅖ 166⁄10
Schweden  8    5⅔ 3⅗ 173⁄10
Norddeutschland  8    6   4   18  
Schweiz  8½  6   4⅓ 18⅚
Portugal  8½  6⅔ 4⅔ 19⅚
Niederlande  8½  6⅘ 20  
Rußland  9½  7   4  20½
Österreich-Ungarn  9½  7  21¼
Frankreich 10    7½ 5⅖ 229⁄10
Spanien 10½  8  5   23½
Großbritannien 11½  8⅓ 5   24⅚
Türkei 15½ 11⅖ 344⁄10

Der Zuschlag für Expreß-, Kurier- und Schnellzüge differiert zwischen 10 und 30% der vorstehenden Sätze.

VIII. Passagierverkehr mit Rücksicht auf die Fahrklasse.

Länder. Prozente der Passagiere.
I. Klasse. II. Klasse. III. Klasse.
Großbritannien und Irland 6 10 84
Frankreich 8 32 60
Deutschland 1 13 86
Indien 1  2 97

IX. Die höchsten Bahnen der Erde.

  Höchster Punkt
Lima-Oroya-Bahn 4769 m
Arequipa-Puno-Bahn 4580
Veracruz-Mejico-Bahn 2533
Union-Pacific-Bahn 2512
Brenner-Bahn 1367
Mont-Cenis-Bahn 1335
St.-Gotthard-Bahn 1154
Semmering-Bahn  898

[S. 263]

X. Die längsten Tunnels[145].

  m.
St.-Gotthard-Tunnel 14990
Mont-Cenis-Tunnel 12220
Arlberg-Tunnel 10270
Haupttunnel der Giovi-Bahn in Italien (noch im Bau)  8260
Hoosac-Tunnel in Massachusetts (Vereinigte Staaten von Amerika)  7640
Tunnel unter dem Severn-Flusse in England  7250
Tunnel von Marianopoli (Catania-Palermo) in Italien (noch im Bau)  6480
Sutro-Tunnel in Nevada (Vereinigte Staaten von Amerika, nur für kleine Bergwerks-Fahrzeuge)  6000
Tunnel bei Slandridge (London-Birmingham)  4970
Nerthe-Tunnel (Marseille-Avignon)  4620
Tunnel unter dem St.-Lorenzo-Strom bei Montreal, Canada (noch im Bau)  4570
Tunnel bei Belbo (Bra-Savona) in Italien  4240
Kaiser-Wilhelm-Tunnel bei Kochem (Moselbahn, der längste in Deutschland)  4220
Blaisy-Tunnel (Paris-Lyon)  4100
Tunnel von Monte Bove (Rom-Solmona in Italien, noch im Bau)  3870
Summit-Tunnel, Anden-Bahn Lima-Oroya, Südamerika  3850
Tunnel unter dem Hudson-Flusse, Vereinigte Staaten von Amerika  3620
Tunnel bei Strood (London-Dover)  3530
Tunnel von Cocullo (Rom-Solmona, noch im Bau)  3500
Rilly-Tunnel (Paris-Reims)  3450
Tunnel von Bramhope, North-Eastern-Bahn in England  3440
Tunnel bei Leeds (London-Birmingham)  3390
Tunnel von Arriano (Foggia-Neapel)  3200
Tunnel unter dem Mersey-Flusse bei Liverpool  3200
Krähberg-Tunnel im Odenwald  3100
Tunnel bei Ruta (Spezia-Nizza)  3050
Brandleite-Tunnel in Thüringen  3030
Chinon-Tunnel (Sables d’Olonne-Tours) in Frankreich  3020
Tunnel von La Croix in der Schweiz  3000

XI. Geschwindigkeit der Züge[146].

Die schnellsten Züge auf längeren Strecken (von mehr als 500 km) verkehren auf den Routen London-Edinburg mit 0,91 Minute per Kilometer und Berlin-Köln mit 1,01 Minute per Kilometer. Die raschesten Züge auf[S. 264] Strecken von mittlerer Länge (300–500 km) laufen zwischen Berlin-Jüterbogk-Dresden mit 0,98, London-Salisbury-Plymouth mit 1 und Paris-Boulogne-Calais mit 1,01 Minute per Kilometer. Die am geschwindesten durchlaufenen kleineren Strecken (200–300 km) sind London-Sittingburne-Dover mit 0,837 und Stendal-Lehrte mit 0,838 Minute per Kilometer. Bei allen diesen Angaben sind die Aufenthalte auf den Stationen mitgerechnet.

In Deutschland werden durchschnittlich von Personenzügen 35 km, von Kurierzügen 45–50 km, von Expreßzügen 60 km per Stunde zurückgelegt.

XII. Wichtige Reiseverbindungen[147].

Von Berlin
nach
Kürz.
Beför-
derung.
Stun-
den.
Beförderungswege
über
Schnellzugspreise in Mark.
I. Kl. II. Kl. III. Kl.
Amsterdam 12 Hannover-Rheine    57    43,40
Antwerpen 15 Wesel-Boxtel    65,30  49  
Athen 97 München-Brindisi  
Barcelona 51 Paris-Bordeaux  
Basel 20 Nordhausen-Frankfurt    84,20  62,40 45,30
Bordeaux 33 Paris  
Brüssel 15 Wesel-Boxtel-Antwerpen    75,50  54,80
Budapest 20 Dresden-Bodenbach-Gänserndorf    88,30  64,30 45,20
Bukarest 41 Gänserndorf-Orsova  
Christiania 37 Frederikshavn-Gothenburg    99,70  78,40 51,80
Dartmouth 33 London  
Dublin 38 Hannover-London  
Edinburg 37    „„  
Florenz 35 Hof-Wiesau-München-Verona   144,10 106,60
Genf 30 Frankfurt-Basel   110,80  82  
Genua 39 Frankfurt-Chiasso   140,80 103,40
Haag 15 Hannover-Emmerich    60,10  45,50
Helgoland 14 Nauen-Hamburg    39    32,10 26,30
Konstantinopel 71 Wien-Orsowa-Varna  
Kopenhagen 12 Neustrelitz-Warnemünde    40,90  30,90 20,30
Lissabon 81 Köln-Paris-Madrid  
Liverpool 31 Hannover-London  
London 24 Oberhausen-Goch-Vlissingen   100,30  72,80
Lyon 33 Magdeburg-Aachen-Paris  
Madrid 58 Paris  
Mailand 33 Chiasso   127,60  94,30
Manchester 31 Hannover-London  
Marseille 42 Hannover-Köln-Paris  
Moskau 59 Breslau-Warschau-Minsk  
Neapel 50 Hof-Wiesau-Verona-Foggia   203,70 148,40
Odessa 50 Breslau-Lemberg   158,70 118,90
[S. 265] Ostende 20 Stendal-Köln    84,20  61,30
Paris 21 Stendal-Köln-Verviers 101,90  74,70
 „ 21 Hamm-Hagen-Verviers
Plymouth 33 London  
Queenstown 49 Hannover-Köln-London-Dublin  
Rom 43 Hof-Wiesau-München-Verona   175,90 128,90
Rotterdam 13 Hannover-Rheine    56,70  42,80
St. Petersburg 36 Eydtkuhnen  
Southampton 28 Hannover-London  
Stockholm 28 Stralsund-Malmö I. Kl.
I. Kaj.
 97,70
II. Kl.
I. Kaj.
 75,10
II. Kl.
II. Kaj.
 70,60
Triest 33 Breslau-Wien  
Turin 36 Hof-Wiesau-München-Verona   146,90 108,60
Venedig 33  „„„„   129    96  
Warschau 16 Frankfurt-Alexandrowo  
Wien 14 Zossen-Dresden-Bodenbach    65,50  50,80
Zürich 24 Hanau-Stuttgart    92,80  69  

Sonstige bedeutende Reiserouten sind:

Routen. Beförderungszeit. Entfernung. Preis (I. Kl.).
a. in Europa.      
Paris-Rom 36  Stunden
Paris-Konstantinopel 84½
London-Brindisi 53 
b. außer Europa.      
Alexandria-Suez 10   225 engl. Meilen
Melbourne-Sydney 20   574
Bombay-Calcutta 45  1400 280 Mark
New-York-San Francisco  5½ Tage   5259 km   131½ Doll.
New-York-Mejico  7    6023  

Der zwischen Paris und Konstantinopel verkehrende Expreßzug führt gewöhnlich den Namen Orient-Expreßzug[148]. Er steht hinsichtlich der Bequemlichkeit und des Komforts den amerikanischen Schnellzügen gleich, wenn er sie nicht noch übertrifft.

Der Orient-Expreß ist stets von einigen Dolmetschern begleitet, hat Betten der vortrefflichsten Art für 50–60 Reisende, ferner einen Speisesalon für 24 Gedecke, eine Küche, ein Rauchzimmer, ein Damenzimmer und ein Toilettenzimmer mit kalter und warmer Douche; überdies sind alle Räume[S. 266] des Zuges telegraphisch miteinander verbunden. Was er freilich nicht hat, ist die auf dem Hauptzuge der Central- und Union-Pacific-Bahn befindliche Zeitungsdruckerei, die den „Transkontinental“ druckt, zu welchem Zweck auf allen Stationen Nachrichten in Bereitschaft gehalten werden. Eines solchen Mittels bedarf aber der Orient-Expreß nicht; denn an jedem Haltpunkt werden den Reisenden Zeitungen angeboten.

Der Zug besteht ein wie das andere Mal aus Lokomotive mit Tender, einem Kopfwagen, zwei oder drei Schlafwagen, je nach der Zahl der angemeldeten Reisenden, einem Restaurationswagen und einem Schlußwagen. Die Lokomotive ist nach dem System Crampton gebaut, hat Triebräder von 2,30 m Durchmesser, die bei jeder Umdrehung 7,25 m zurücklegen. Jeder der Schlafwagen hat 20 Plätze. Die Länge eines solchen ist 20 m, dessen Gewicht 27500 kg. Für die Nacht werden die Sitze in Betten mit Matratzen, Kissen, Leintüchern und Decken verwandelt. Während der kalten Jahreszeit wird in diesen Räumen mittels Dampfheizung eine angenehme, stets sich gleichbleibende Wärme unterhalten. Die Beleuchtung geschieht durch Gas, das jedoch demnächst elektrischer Beleuchtung wird weichen müssen.

Im Speisesalon sind stets 24 Gedecke aufgelegt, die auf acht kleine Tische verteilt sind. Die Reisenden können sich daher nach Belieben gruppieren. Die Einrichtung einer Table d’hôte zu bestimmter Stunde besteht nicht; jeder kann seine Mahlzeiten zu beliebiger Zeit zu sich nehmen, vorausgesetzt natürlich, daß die Tische nicht besetzt sind. An den Salon stößt die Küche, wo zwei Kochkünstler miteinander wetteifern, den verschiedenartigen Geschmack der Reisenden zufriedenzustellen. Unsere Abbildung (Fig. 93) liefert einen Begriff von der Einrichtung eines solchen Prachtwagens.

Um die Zollunkosten zu sparen, wird in jedem der durchreisten Länder nur der dort wachsende Wein verabfolgt. Die übrigen Weine bleiben inzwischen, jeder in einer besondern Kiste, unter Verschluß.

Was den Kopf- und Schlußwagen betrifft, so befinden sich darin das Gepäck, die Vorräte, die Post und das Toilettenzimmer.

Sämtliche Waggons sind selbstverständlich von der vorzüglichsten Bauart und der ausgesuchtesten Arbeit. Alle Wagen sind untereinander durch Plattformen oder Brücken verbunden, die es den Reisenden ermöglichen, sich stets von einem Ende des Zuges zum andern zu bewegen.

Außer den aufgezählten Bequemlichkeiten bietet der Orient-Expreßzug den Reisenden noch den Vorteil, daß sie an den Grenzen der verschiedenen Länder nicht zur Zollrevision auszusteigen brauchen. Diese Untersuchung wird während der Fahrt vorgenommen in der Weise, daß die Zollbeamten an der Grenzstation einsteigen und bis zur nächsten Station mitfahren, von wo sie mit einem andern Zuge wieder an ihren Standort zurückkehren. Endlich brauchen die Reisenden an den Anschlußstationen, wie Avricourt, Wien, Bukarest u. s. w., nicht auszusteigen, um den neuen Zug zu erwarten, was oft einen[S. 267] mehrstündigen Aufenthalt verursacht. Der durch den Orient-Expreß verursachte Zeitgewinn beläuft sich auf 25% gegen andere Schnellzüge, während der Fahrpreis den der ersten Klasse eines Schnellzugs nur um 20% übersteigt.

Fig. 94. Speisesaal im Orient-Expreßzug.

Außer dem Orient-Blitzzug verkehrt ein solcher auch zwischen Paris und Rom, via Nizza. Beabsichtigt oder schon in Bildung begriffen sind die Blitzzüge Paris-Petersburg-Moskau über Berlin und Warschau, sowie Paris-Lissabon über Bordeaux und Madrid.

[S. 268]

Die beiden Blitzzüge Paris-Lissabon und Paris-Moskau werden durch Vermittlung der Pariser Gürtelbahn den europäischen Blitzzug bilden, der eine Strecke von 4800 km in gerader Linie zu durchmessen haben wird.

XIII. Eisenbahnunfälle.

Die Eisenbahnunfälle sind entweder Entgleisungen oder Zusammenstöße. Erstere entstehen durch schlechte Beschaffenheit des Geleises oder durch Achsenbrüche. Was das Geleise betrifft, so liegt hier die Ursache meist in der schlechten Beschaffenheit der Schwellen, dann auch in der mangelhaften Befestigung der Schienen, in der Schädigung des Geleises durch atmosphärische Einflüsse, in böswilliger Zerstörung desselben u. s. w. Die Ursache der Zusammenstöße beruht größtenteils in verkehrter Weichenstellung, wodurch der Zug einem Geleise überwiesen wird, das ein anderer Zug befährt. Bekanntlich haben diese Unfälle in früherer Zeit eines der wichtigsten Argumente gegen die Einführung der Eisenbahnen gebildet. Durch die Statistik aber ist dieses Argument längst entkräftet oder wenigstens auf sein richtiges Maß zurückgeführt worden. Ohne Gefahr ist das Reisen per Bahn selbstverständlich nicht, aber diese Gefahr ist verhältnismäßig viel geringer als bei Reisen mit Wagen und Pferden, wie die folgenden Angaben darthun.

Nach Mulhall treffen an Getöteten und Verletzten auf eine Million Passagiere:

in Großbritannien und Irland  8,1
Frankreich 15,8
Deutschland 12,2
Rußland 29,2
Österreich 13,5
Italien 28,4
Spanien 14,8
Holland  4,4
Belgien 11,7
Schweden und Norwegen  5 
der Schweiz  5,4
Europa 10,8
den Vereinigten Staaten von Amerika 41,1

Zur thunlichsten Verhütung der Eisenbahnunfälle im allgemeinen wird von den Eisenbahnverwaltungen stete Vervollkommnung der Eisenkonstruktionen und Betriebseinrichtungen mit größtem Eifer angestrebt. So haben namentlich die Achsenbrüche gegen früher infolge der verbesserten Konstruktion der Achsen wesentlich abgenommen. Auch bezüglich der Zusammenstöße infolge verkehrter Weichenstellung ist eine bedeutende Minderung eingetreten, seitdem man eine der hier waltenden Grundursachen, die Farben[S. 269]blindheit, erkannt hat. Es werden daher jetzt sämtliche Beamten, bevor man sie dem praktischen Dienste zuteilt, auf Farbenblindheit untersucht. Da aber der Nachtdienst auf den Bahnhöfen, besonders solchen mit starkem Verkehr, immer große Gefahren birgt, so ist die Einrichtung von Centralweichen, von wo aus sämtliche Weichen eines Bahnhofs oder doch der größte Teil derselben bedient werden kann, wohl das wirksamste Mittel zur Verhütung von Zusammenstößen. Dieselben gelangen denn auch auf den großen Bahnhöfen in jüngster Zeit in immer größerem Umfange zur Einführung.

Die Verpflichtung der Eisenbahnen bei Unfällen gegenüber den Verunglückten ist im Deutschen Reich durch Gesetz (betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersatz der bei dem Betriebe von Eisenbahnen etc. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen) vom 7. Juni 1871 geregelt.

Webers „Schule des Eisenbahnwesens“[149] enthält bezüglich der vergleichenden Unfallstatistik folgende Angaben:

In der Zeit vom Jahre 1835 bis zum Jahre 1859 kam in Frankreich ein getöteter Passagier auf 1955555 und ein verletzter Passagier auf je 496551 Passagiere; in England ein Toter auf je 5256290 und ein Verletzter auf je 311345; in Belgien endlich ein Toter auf je 8861804 und ein Verletzter auf je 200000. In der folgenden Periode, nämlich in den Jahren 1859–1869, ist eine wesentliche Besserung zu bemerken. In Frankreich zählte man einen Toten auf je 13323014 und einen Verletzten auf je 673927; in England einen Toten auf je 15229073 und einen Verletzten auf je 407260; in Belgien endlich einen Toten auf je 13000000 und einen Verletzten auf je 1793108. — Was die jüngsten Zeitperioden betrifft, so zeigte sich in Frankreich und Belgien eine Tendenz zur Verminderung der Unfallsrate, in England dagegen eine Tendenz zur Zunahme derselben. Frankreich zeigte in den Jahren 1872–1879 einen Toten auf je 27879000, England auf je 13423000, Belgien auf je 25289421. — Die wiederholt beobachtete Thatsache, daß Unfälle sich nichts weniger als gleichmäßig über bestimmte Perioden verteilen, wird auch hier wieder bestätigt. Die sechs großen Eisenbahngesellschaften Frankreichs hatten z. B. in den Jahren 1868–1877 im ganzen 773 Eisenbahnunfälle zu verzeichnen, bei welchen insgesamt 218 Personen getötet und 2158 verwundet wurden. Die Ungleichmäßigkeit war hierbei jedoch eine so starke, daß im Jahr 1871 nicht weniger als 155 Unfälle stattfanden, während sich im Jahr 1873 nicht ein einziger ereignet hat, welcher die Tötung oder Verletzung eines Passagiers zur Folge gehabt hätte. — Erwähnt sei ferner noch, daß die mit der Vervollkommnung der Eisenbahntechnik fortschreitende Abnahme der Unfälle zunächst mehr den Reisenden als den Bahnbediensteten zu gute kommt. Auf den deutschen Bahnen wurde 1875 von den im Betriebsdienst beschäftigten[S. 270] Beamten jeder 648ste getötet und jeder 161ste verletzt. Dagegen ist die Gefahr für einen Passagier, bei normalem Betriebe auf den Eisenbahnen zu verunglücken, wesentlich geringer. Nach einer Berechnung wird ein Reisender, wenn er auf preußischen Eisenbahnen Tag und Nacht fährt und 21,3 km in der Stunde zurücklegt, nach 307 Jahren verletzt und nach 1540 Jahren getötet werden.

Im Jahre 1872 verunglückten in Preußen durch Landfuhrwerke 546, durch Eisenbahnen aber nur 460 Personen.


Viertes Kapitel.
Die Eisenbahnsysteme der Hauptkulturvölker[150].

Wie die Physiognomie der Pflanzen- und Tierwelt eines Landes das Produkt seiner gesamten Physis ist, so ist auch die Form des Verkehrswesens irgend eines Gebietes durch dessen Klima, Boden und Wettercharakter, Bevölkerung und Regierungsform bedingt. Das zeigt sich in ganz eminentem Grade auch bei den Eisenbahnen. Auch auf sie äußern die physikalischen, politischen und ethnographischen Verhältnisse eines Landes ihre gestaltenden Einflüsse und drücken ihnen eine ganz bestimmte Physiognomie auf. Von dieser durch die genannten Momente begründeten Eigenartigkeit der bedeutendsten Eisenbahnsysteme soll nun im folgenden eingehender die Rede sein.

Was zunächst England betrifft, so charakterisiert sich dessen Eisenbahnwesen vor allem durch das Streben nach möglichster Beschleunigung des Verkehrs. Die Überfülle von Verbrauchs- und Produktionsstoffen, wie sie diesem Lande eigen ist, seine geschäftige und reiche Bevölkerung erklären dies auch sattsam. Zudem ist dieses Streben durch die physisch-geographischen Verhältnisse des Landes wesentlich begünstigt. Die Bodenerhebungen sind mäßig, und die zu durchmessenden Strecken sind verhältnismäßig kurz. Diese auf Erzielung möglichst großer Schnelligkeit gerichtete Tendenz spiegelt sich besonders in der Konstruktion der Lokomotiven, die vor allem rasche Beförderung der Lasten anstrebt. Auch die langen kontinentalen Güterzüge sind infolge dieser Tendenz in England fast unbekannte Erscheinungen.

Der physikalische Reichtum der Insel an Brennstoffen spiegelt sich in dem einfachen Bau der Lokomotiven, deren Konstrukteure die Anbringung mancher ökonomisierender Apparate verschmähen, weil der niedere Preis des Brennstoffes deren Herstellung nicht lohnt.

[S. 271]

Die geographisch beschränkte Fahrdauer, das Bestreben, die Züge rasch zu füllen und zu entleeren, sowie die Vertrauensbeziehung des englischen Publikums zum Eisenbahnpersonal erhalten ihre Erscheinung in der geringern Accommodation der Personenwagen und in der Form der Gepäckbeförderung. Was letztere betrifft, so werden jährlich über 500 Mill. Stück Gepäck ohne jegliche Wägung, ohne Schein und Quittung zwischen Passagieren und Beamten ausgetauscht, und dabei kommen nicht mehr Stücke abhanden, als das bei dem schwerfälligen kontinentalen Systeme der Fall ist.

Die Konstruktion der Wagenräder, Gestelle und Kasten ist besonders darauf gerichtet, durch thunlichste Vermeidung von Geräusch eines, wie die Engländer sagen, der besten Güter ihres Volks, „die guten Nerven“, zu konservieren. Der englische Eisenbahnbetrieb kennt daher im gewöhnlichen Verkehr nichts von dem ohrenverletzenden, nervenzerstörenden Geräusch, mit dem kontinentale Bahnverwaltungen die Akte ihres Betriebes zu begleiten für nötig finden. Selten ertönt ein Lokomotivpfiff; selbst auf Stationen, auf denen täglich Hunderte von Zügen verkehren, gleiten diese fast lautlos aus und ein. Der Engländer ist aber auch stolz auf diese Selbstverständlichkeit des Dienstes, die fast kein leitendes äußeres Zeichen nötig macht, auf diese Schulung des Publikums, das, selbst aufmerksam, selbst denkend, der Führung und Hinweisung nicht bedarf, vor allem aber stolz auf die Disciplin und das Verständnis seines Beamtenpersonals.

Der bedeutende Wert von Grund und Boden, von Zeit und Menschenarbeitskraft findet seinen Ausdruck in der Anordnung der englischen Stationen, deren verhältnismäßig kleine Räume so reich mit allen mechanischen Hilfsmitteln der Arbeitsleistung ausgestattet erscheinen, daß sie auf kleinen Arealen eine gewaltige Leistungsfähigkeit entwickeln.

Auf dem Gebiete des Signalwesens spielen infolge des nordischen Inselklimas, das namentlich durch häufige Trübungen der Atmosphäre gekennzeichnet ist, die sogenannten Knallsignale eine besonders große Rolle. Letztere machen durch ihre Explosionen geradezu den Eindruck fortwährenden lebhaften Geschützfeuers, während der rasche Wechsel zahlreicher farbiger Lichter vor der Einfahrt großer Stationen den Anblick reicher, bunter Leuchtkugelspiele gewährt.

Das englische Eisenbahnwesen kennzeichnet hiernach ein fortwährend gesteigertes Streben nach Ausnutzung des Wertes der Zeit durch Vermehrung der Zahl und der Schnelligkeit der Züge und durch Abkürzung der Routen, ferner eine ausgezeichnete Schulung des Personals und eine überaus große Ruhe und Geräuschlosigkeit im Manipulationswesen, aber auch ziemlicher Mangel an Komfort, der freilich bei der Kürze der Fahrten nicht sehr von Belang ist.

Das Eisenbahnnetz Frankreichs veranschaulicht vor allem das alle Verhältnisse beherrschende Schwergewicht der Hauptstadt des Landes. Alle Haupt[S. 272]linien laufen hier von der Hauptstadt Paris aus, wie die Schlagadern eines tierischen Organismus vom Herzen. Desgleichen ist Paris der Ausgangspunkt der gesamten theoretischen Thätigkeit, die zu ihrem Brennpunkt jene technische Musteranstalt hat, die unter dem Namen „École des Ponts et Chaussées“ weltbekannt ist. Ein anderer eigentümlicher Zug des französischen Eisenbahnwesens ist eine gewisse Schemastarre. Derselbe gallische Geist, dessen reglementierender Begabung schon Cäsar in seinen Kommentarien gedenkt, machte auch das Bahnwesen zu einer Domäne der vom Staate gegebenen technischen und administrativen Schemas. Der Begriff „Klasse“ namentlich durchdringt das gesamte Verkehrsleben. Charakteristisch ist endlich die Monopolherrschaft; sechs große Aktiengesellschaften teilen sich fast ausschließlich in die Ausbeutung des gesamten Eisenbahnwesens.

In Deutschland spiegelt die Eisenbahnkarte, wie schon erwähnt wurde, in erster Linie die frühere politische Zersplitterung in zahlreiche souveräne Einzelstaaten wieder. Regellos verteilt, mit vielen kleinen und größeren Centren, die nicht immer die Schwerpunkte des Verkehrs bilden, bedecken hier die Eisenbahnen das Land. Auch in anderer Beziehung haben die politischen Verhältnisse das deutsche Eisenbahnwesen beeinflußt. Da nämlich das Deutsche Reich schützender natürlicher Grenzen entbehrt, so wurden hier bei Wahl der Tracen, bei Ausrüstung der Bahnen mit gewissen Vorkehrungen, bei Konstruktion der Betriebsmittel u. s. w. die militärisch-politischen Gesichtspunkte wichtiger als anderswo. Das Betriebswesen selbst zeigt durchweg stramme Organisation und infolgedessen eine ziemlich weitgehende Bevormundung der Passagiere; doch erscheint diese nicht als Eingriff in die individuelle Freiheit, sie ist vielmehr im deutschen Volksgeiste begründet. Der Deutsche verläßt sich auf die Organe und erwartet von ihnen Unterstützung und Teilnahme; der Engländer dagegen kümmert sich nicht um die Funktionäre, es sind im Gegenteil diese, welche in der Ausübung ihres Dienstes die Unterstützung der Passagiere beanspruchen. Der Genius des deutschen Eisenbahnwesens ist nach Webers Ausdruck die „wohlgeregelte Disciplin“. Der frappanteste Zug in der Physiognomie der deutschen Bahnen ist indes wohl sein soldatischer Typus. Begründet ist dieser in der streng militärischen Erziehung des Volkes überhaupt und namentlich auch in der fast durchweg militärischen Vergangenheit der untergeordneten Funktionäre. Er spiegelt sich in allen Erscheinungen des Verkehrs und seiner Manipulationen und verleiht allen Kundgebungen im Bereiche derselben einen kategorischen Ton.

Von den äußerlichen charakteristischen Merkmalen des deutschen Eisenbahnwesens sei hervorgehoben, daß sich die Bahnhöfe durch Pracht und Eleganz auszeichnen, sowie daß alle Wagenklassen einen weit größeren Komfort aufweisen als die betreffenden Wagenklassen aller anderen Länder. Das Reisen ist denn auch in Deutschland entschieden viel behaglicher, als in irgend einem Lande der Alten oder Neuen Welt.

[S. 273]

Das Eisenbahnsystem Österreichs hat zunächst durch die Physis des Landes seine hauptsächlichsten Charakterzüge erhalten. Die Bahnen dieses schönen Reiches waren die ersten, welche große Gebirgsstöcke überstiegen und dadurch den weitaus bedeutsamsten Fortschritt einleiteten, welchen das Eisenbahnwesen überhaupt auf dem Kontinente gemacht hat. Den Charakter Österreichs als Agrikulturstaat hinwiederum bringen dessen Eisenbahnlinien insofern zum Ausdruck, als sie mit weiten Maschen die Landbauflächen Ungarns, Galiziens, der Bukowina bedecken und sich nur in Mähren und Böhmen zu jenem dichten Geflecht von Industriebahnen zusammendrängen, das sich über einem mineralreichen Boden zu bilden pflegt. — Das Talent der Gesamtbevölkerung für die Manipulationen des Eisenbahnwesens ist ziemlich gering. Weder die fast ausschließlich imitatorische Begabung des Nordslaven, noch die behagliche Leichtlebigkeit des Deutsch-Österreichers, noch die administrative Lockerheit des Magyaren, noch die schwer civilisierbare Leidenschaftlichkeit des Südslaven sind dem Geiste des Eisenbahnwesens kongenial. Es bedurfte daher in der That des mächtig disciplinierenden, straff verwaltenden Einflusses der großen französischen Gesellschaften, in deren Händen und Verwaltung sich die Hauptbahnkomplexe Österreichs befinden, um das Eisenbahnwesen dieses großen Reichs auf seinen heutigen vorzüglichen Standpunkt zu heben. — Durch das geschmackvolle und elegante Wesen im Äußern der Anlagen, die freundliche Erscheinung und das urbane Benehmen des Personals erhält überdies die Physiognomie des österreichischen Eisenbahnwesens so viele liebenswürdige Züge, daß auch die Kritik manchen Mangel an Lebendigkeit und manches langsame Tempo im Dienste gerne übersieht. — Im Verkehr dominiert, mehr noch als in Deutschland, der Gütertransport.

Die dem Wesen der Eisenbahn durchaus heterogene Natur des Italieners, die ihm jede Begabung für deren Manipulationen versagte, hat auch die Ausbildung eines nationalen Gepräges im Eisenbahnsysteme der italienischen Halbinsel verhindert. Um so entschiedener hat, wie oben bereits betont wurde, die physische und geographische Beschaffenheit des Landes die Anlage des Bahnnetzes beeinflußt. Da ferner Italien seine Brenn-, Nähr- und Baustoffe, die es bedarf, hauptsächlich durch den Seeverkehr empfängt, so giebt dem italienischen Eisenbahnsystem besonders der Personenverkehr seine charakteristische Physiognomie. Diesem Verkehre sind denn auch die Betriebseinrichtungen der italienischen Bahnen in ganz hervorragender Weise angepaßt.

Die Eisenbahnkarte Rußlands zeigt die größte Dichtigkeit im Westen. Dieses dichtere Netz bekundet hier jedoch nicht bloß das größere Verkehrs- und Kulturbedürfnis des Westens, es kommt darin auch die politisch-militärische Tendenz greifbar zum Ausdruck: die rasche und ausgiebige Zugänglichkeit dieses Grenzgebietes, das sowohl in offensiver wie defensiver Beziehung für Rußland von allergrößter Wichtigkeit ist. Daß übrigens die Verbindung des russischen Westens mit dem übrigen Europa in keine Verschmelzung[S. 274] übergehe, hierfür hat die Eisenbahnpolitik Rußlands dadurch gesorgt, daß sie eine kräftige Scheidewand, trennender als Fluß oder Gebirge, zwischen ihr Bahnsystem und das der anderen Kulturstaaten legte: die Verschiedenheit der Spurweite. Erwähnt sei noch, daß die großen Reisedistanzen und die Rauhheit des Klimas den Personenwagen der russischen Bahnen und den Personendiensträumen einiger Routen gewissen Komfort verschafften: den ersteren gute Heizbarkeit, ausreichende bequeme Raumverhältnisse, Doppelfenster und sonstige Schutzmittel gegen Kälte, den letzteren gute Verpflegung in unwirtlichen Gegenden u. s. w. Im übrigen zeigt das russische Eisenbahnwesen keine besonderen eigenartigen Formen.

Einen von den kontinentalen Bahnsystemen gänzlich abweichenden, d. h. specifisch charakteristischen Typus zeigt dasjenige Skandinaviens. Die Natur des Landes, die Art und Gestaltung des Verkehrs und nicht zuletzt die Individualität des Bevölkerungselementes haben in Schweden und Norwegen dem sogen. Sekundärbahnsystem, beziehungsweise Schmalspursystem in einem Grade Anwendung und Ausdehnung verschafft, wie sonst nirgends in Europa. In technischer Beziehung ist beachtenswert, daß die Anwendung des Eisens als Konstruktionsmaterial sehr selten ist. Die meisten Viadukte, Brücken und Stationsgebäude sind aus Holz, das ja hier billig und leicht zu beziehen ist. Der schmalen Spur entsprechend sind ferner die Fahrbetriebsmittel in den Dimensionen sehr beschränkt, ein Übelstand, der namentlich bei den Personenwagen in fast belästigendem Grade zum Ausdrucke kommt. Daß unter solchen Umständen beispielsweise eine Reise auf der 600 km langen Linie Kongsvinger-Drontheim, der längsten Schmalspurbahn in Europa, kein besonderes Vergnügen sein kann, liegt auf der Hand. Diese Einrichtung ist überhaupt nur in einem Lande möglich, in welchem die Bevölkerung abgehärtet und anspruchslos ist.

Ganz neue Aufgaben erhielt das Eisenbahnwesen bei seinem Übergange nach Amerika zugewiesen. Hier galt es nicht, wie in Europa, volkreiche Gegenden zu durchziehen und Produkte der Industrie auszutauschen, vielmehr sollten die Bahnen weiten Landstrichen Bevölkerung erst zuführen, dieselben erst kulturfähig machen, materiellen und geistigen Verkehr erst schaffen. Der Dampfwagen wurde daher in Amerika zum eigentlichen Pionier der Civilisation. Die ungeheure räumliche Ausdehnung des Landkomplexes, der hier europäischer Kultur erschlossen werden sollte, bedingte jedoch ein rascheres Vorgehen, als das in der Alten Welt üblich war. Aber eben diese Schnelligkeit, mit welcher die großen Überlandlinien in Amerika ins Leben gerufen wurden, führte zu Konstruktionsnormen, die der Technik des Eisenbahnwesens einen gänzlich neuen, specifisch „amerikanischen“ Stempel aufdrückten.

Charakteristisch für diese neugeschaffenen Linien ist namentlich die saloppe Bauart. Wo die Natur des Bodens es gestattete, nahm man von dem[S. 275] eigentlichen Unterbau ganz und gar Abstand, man legte sogleich die Schwellen. Im kompliziertern Terrain umging man ängstlich jeden langwierigen oder kostspieligen Kunstbau, schmiegte die Schienenstränge möglichst dem Terrain an und scheute nicht zurück vor Steigungen und Krümmungen, wie sie anderwärts erst eine langjährige Praxis im Gebirgsbahnbau wagte. Die Ausnützung der lokalen Verhältnisse ging so weit, daß man allerorts zu der billigern und raschern Konstruktionsart — dem Holzbau — griff und die Anwendung dieses Materials selbst dort nicht ausschloß, wo es sich um die solide Unterlage für die Bahn handelte; daher die meilenlangen Holzviadukte — Trestle Works — in unebenem oder sumpfigem Terrain an Stelle von Dämmen oder Aufmauerungen. Nachträglich hat man freilich diese Gerüstbrücken zugeschüttet und dem Unterbau die übliche Gestalt gegeben. Ja in neuester Zeit leisteten die Amerikaner hinsichtlich des Bahnbaues wahrhaft Großartiges, besonders auf dem Gebiete des Brückenbaues. Zu den hervorragendsten diesbezüglichen Werken gehören die eisernen Trestle Works und die meist grandiosen Viadukte. Von letzteren wurden schon oben (S. 191) erwähnt: der Kentucky-Viadukt und der Kinzua-Viadukt, dermalen die zwei höchsten eisernen Viadukte der Welt. Die längste Eisenbahn-Gitterbrücke in Amerika ist die neue bei Montreal über den Lorenzo-Strom führende Royal-Albert-Brücke. Sie ist fast drei englische Meilen lang und überhaupt die längste Brücke der Welt. Ein anderes gewaltiges Werk ist die Mississippi-Brücke zu St. Louis; sie ist keine Gitter-, sondern eine Bogenbrücke und als solche sogar die bedeutendste. Die wunderbarsten Leistungen des amerikanischen Brückenbaues sind indes die Drahtseilbrücken. Die erste derartige Eisenbahnbrücke war die Niagara-Brücke, welche von John Röbling, einem deutschen Ingenieur, 1855 gebaut wurde und seitdem durch bildliche Ansichten und Beschreibungen weltberühmt geworden ist. Derselbe Röbling hat ferner das Projekt zu dem größten Brückenbau der Welt — der Drahtseilbrücke über den East River (Fig. 96) zwischen New-York und Brooklyn — ausgearbeitet und einige Zeit auch noch den Bau derselben geleitet. Von der Großartigkeit dieses modernen Weltwunders zeugen folgende Angaben.

Fig. 95. Die New-York-Brooklyner-Hängebrücke.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Die East-River-Brücke ist 5989 Fuß = 1825 m lang und 85 Fuß oder fast 26 m breit. Sie wird von 4 Hauptkabeln, deren jedes einen Durchmesser von 40 cm hat und aus 5282 einzelnen Drähten von 3 mm Stärke besteht, getragen. Diese 4 Kabel sind in New-York verankert, schwingen sich auf den Brückenturm, gehen von da über den an dem andern Ufer befindlichen, 486,30 m entfernten zweiten Turm und von da in die Widerlager in Brooklyn. Die Türme dienen nur als Auflager für die Taue und haben eine Höhe von 84 m. — Die eigentliche Brücke besteht aus einem großartigen Stahlgitterwerke, welches auf 4 Parallelträgern aufliegt. Der Boden der[S. 276] Brücke liegt wiederum auf 2¼ m voneinander entfernten Querbalken und zwar 41 m über der gewöhnlichen Wasserhöhe in der Mitte, 36½ m hoch bei den Türmen und 27 m hoch bei den Verankerungen. Sie ist der Länge[S. 277] nach in 5 parallele, 5 m breite Wege eingeteilt (Fig. 96), welche durch Gitter getrennt sind. Die beiden äußersten dienen für den Wagenverkehr. Der mittelste, um 3½ m höhere Weg ist nur für Fußgänger bestimmt und gestattet, weil höher, eine freie Aussicht auf den Fluß und beide Städte. Rechts und links vom Fußweg laufen die Bahnen.

Fig. 96. Wege über die East-River-Brücke.

Die Ankergründe auf beiden Ufern sind kolossale Massen von Mauerwerk mit einigen bogenartigen Durchlässen. Die Kabel stecken in dem Mauerwerk gegen 8 m tief; die Verankerung ist einfach, dabei aber so massiv hergestellt, daß keine denkbare Kraft sie aus ihren Lagern entfernen oder lösen kann. Der Endpunkt der Befestigung an beiden Enden liegt in einer schmiedeisernen, über 20 t schweren massiven Platte, die in den Boden des gigantischen Steinmauerwerkes eingelassen ist.

Ungemein schwierig war dann auch der Bau der aus dem Meere emporragenden beiden Pfeilertürme, zu deren Fundamentierung der Meeresgrund gegen 80 Fuß tief ausgehoben und mit Steinen und Cement gefüllt werden mußte. Die Schwierigkeit lag besonders darin, daß die Arbeiten alle unter dem Wasserniveau in sogen. Caissons (großen, massiven, das Meer abhaltenden Holzkästen) auszuführen waren.

Außergewöhnliche Schwierigkeiten bot noch das Spannen der Hauptkabel, deren jedes, wie schon erwähnt, aus 5282 einzelnen Drähten bestand,[S. 278] die zu 19 Büscheln à 278 Stück vereinigt gezogen wurden, um dann zu einem Ganzen zusammengesponnen zu werden. Die Auffahrtsrampen, die sowohl in New-York wie in Brooklyn wegen der großen Höhe der Brücke bis weit in die Städte selbst reichen, sind aus Quadern gemauert und enthalten in den Gewölben Verkaufslokale für Großgeschäfte.

Große Aufmerksamkeit wurde schließlich der Beleuchtung der Brücke zugewendet. Auf beiden Seiten des Fußweges, auf den Gitterträgern, strahlen 70 elektrische Lampen mit je 2000 Kerzen Lichtstärke und verbreiten Tageshelle über die Brücke.

Wenn so das Werk die Bewunderung der Jetztzeit und kommender Geschlechter herausfordert, so ist dies vor allem das Verdienst John Röblings und seines Sohnes Washington A. Röbling, von denen der eine, wie bereits mitgeteilt, mit genialem Geiste den Bau plante und begann, der andere ihn trotz aller Hindernisse zum glücklichen Ende führte; sein Leben hat der eine, seine Gesundheit der andere geopfert, aber ihre Namen werden fortleben, solange die Wasser des East River gegen die gewaltigen Granitpfeiler schlagen, zwischen denen die Brücke schwebt.

Bemerkt sei übrigens, daß auch Europa in neuester Zeit großartige Brückenbauten aufzuweisen hat, voran die eben ihrer Vollendung entgegengehenden Bauten der Tay- und der Forth-Brücke in Schottland, die wohl zu den bedeutendsten Bauwerken der Jetztzeit zählen dürften. Die erstere wird durch ihre Länge (3300 m) alle anderen Brücken der Welt übertreffen, die letztere durch die ganz unerhörte Spannweite (521 m) der beiden Mittelbogen.

Ein ebenso großes Wunderwerk wie die Riesenbrücke über den East River verspricht der in Aussicht genommene New-York-Jersey-Tunnel zu werden. Die Anlage dieses Tunnels ist nämlich aus dem Grunde besonders schwierig, weil die Öffnung nicht durch Felsengestein oder festen Boden, sondern durch vom Wasser durchtränkten losen Sand und Schlamm hindurchgeführt werden muß.

Was die Betriebseinrichtungen der Eisenbahnen Amerikas, besonders der Vereinigten Staaten, betrifft, so unterscheiden sich dieselben in sehr vielen Punkten von denen der europäischen Bahnen[151].

Die Bahnhöfe sind im allgemeinen so einfach hergestellt, daß sie den Eindruck provisorischer Bauten machen. Massive und nach einem einheitlichen Plan oder durchdachten System aufgeführte Bahnhöfe, wie man sie in Deutschland sieht, sind eine Seltenheit. Scheidung der Wartesäle nach[S. 279] den Klassen der Fahrscheine findet man nirgends. Nur für ein Damenzimmer ist stets gesorgt, dessen Einrichtung sich übrigens von derjenigen des Herrenzimmers fast gar nicht unterscheidet. Die Wartesäle sind stets gut ventiliert, erleuchtet und erwärmt; nur selten aber findet der Reisende mit Fahrschein zweiter Klasse den Komfort, welchen er in Deutschland selbst auf mittleren Bahnstationen zu beanspruchen gewohnt ist. Tische werden in den Wartesälen als überflüssiger Luxus betrachtet; der Reisende ist lediglich auf Bänke angewiesen, welche häufig noch durch eiserne Stangen in einzelne Sitze geteilt sind. Dafür befindet sich aber in jedem Wartesaale ein cylindrisches Blechgefäß mit reinem und kaltem Trinkwasser zur unentgeltlichen Benutzung der Reisenden. Die zum Verkauf der Fahrscheine bestimmten Schalter liegen meist in den Wartesälen selbst. Gelegenheit zur Restauration ist nur an einzelnen Stationen geboten; im allgemeinen werden Restaurationsräume nicht als notwendige Bestandteile der Bahnhöfe angesehen, sondern nur da angelegt, wo die auf weite Entfernungen gehenden Expreßzüge anhalten, um den Reisenden das Einnehmen von Mahlzeiten zu gestatten. Gewöhnlich ist dann das eigentliche Speisezimmer (dining-room) von dem Frühstückzimmer (lunch-room) getrennt. Als Übelstand macht sich fühlbar, daß in den meisten Restaurationen nur Thee, Kaffee und Gebäck, aber keine Spirituosen, Bier, Wein etc. verabreicht werden.

Die wenigsten Reisenden kaufen die Fahrscheine am Bahnhofsschalter, sondern bei den innerhalb der Städte gelegenen Verkaufsstellen der Bahn. Der Fahrschein nach irgend einer Stadt der Staaten-Union, ja selbst nach den größeren Städten Europas und Asiens, ist in allen Hauptstädten Amerikas käuflich und nicht, wie in Europa, nur für einen bestimmten Tag, sondern für lange Zeit hinaus gültig. Diese Einrichtung ist insofern von wesentlicher Bedeutung, als dadurch das in Europa häufig störende Gedränge an den Schaltern der Bahnen vermieden wird. Im Notfalle ist auch die nachträgliche Lösung des Fahrscheines durch den Schaffner des Zuges (doch dann mit einem kleinen Preisaufschlage) möglich.

Die Perrons der Bahnhöfe sind meist aus Holz hergestellt und nicht höher als die obere Kante der Schiene. Nur die bedeutendsten Bahnhöfe haben gepflasterte oder mit Steinplatten belegte Perrons. Bedeckte Perrons, namentlich aus Eisen konstruierte Hallen, werden nicht häufig gefunden.

Die Beförderung des Gepäcks zwischen dem Bahnhofe und der Wohnung, beziehungsweise dem Hotel des Reisenden wird durch Privatgesellschaften, die sogenannten Expreßkompagnieen, vermittelt. Auf den pacifischen Bahnen werden 100 Pfund (engl.), auf den meisten anderen 150 Pfund Freigepäck gewährt. Eine Beklebung der Gepäckstücke mit Papierzetteln findet nicht statt. Es wird vielmehr an einer Handhabe des Gepäckstückes mittels eines kleinen Lederriemens eine Messingmarke befestigt, welche den Namen der Eisenbahngesellschaft, eine Nummer, die Angabe der Route[S. 280] und den Bestimmungsort trägt. Eine zweite Marke mit der gleichen Nummer erhält der Reisende. Da jedes Gepäckstück in dieser Weise behandelt wird, so müssen dem Reisenden so viele Marken eingehändigt werden, als er Gepäckstücke mit sich führt. Am Ankunftsorte werden die Marken gegen Herausgabe des Gepäcks abgeliefert, um demnächst mit anderen Gepäckstücken wieder an den Abgangsort zurückzugehen.

Das Abrufen der Reisenden aus den Wartesälen ist durchweg nicht üblich. — Eine Benutzung der Dampfpfeife der Lokomotive findet weder bei der Abfahrt noch zum Zeichen des Bremsens noch beim Rangieren der Eisenbahnwagen statt. Die Dampfpfeife, welche keinen schrillen, sondern einen dumpfen und tiefen, aber trotzdem sehr weit schallenden Ton von sich giebt, kommt nur während der Fahrt zu gewissen Signalen und bei wirklich drohender Gefahr zur Anwendung. Ein um so ausgedehnterer Gebrauch wird aber von der Signalglocke gemacht, welche sich an jeder Lokomotive befindet. Die Glocke ertönt bei Abgang des Zuges, bei der Einfahrt desselben in den Bahnhof, vor und bei dem Passieren von Niveauübergängen, Brücken, Tunnels u. s. w. Hornsignale sind nicht üblich; auch findet man auf den Perrons keine Glocken angebracht, um das Publikum von der Ankunft oder dem Abgange der Züge in Kenntnis zu setzen. Letzteres hat seinen Grund darin, daß auf allen Stationen, mit Ausnahme der großen Endstationen, die Abfahrt des Zuges nicht vom Stationsvorsteher, sondern vom Zugführer angeordnet wird, welcher durch den Ruf „all aboard“ zum Einsteigen auffordert und gleich darauf das Signal mit der Glocke auf der Lokomotive giebt.

An den Zügen selbst oder auf den Perrons sind bewegliche Schilder oder transportable Wegweiser in genügender Zahl angebracht, um das Publikum über die Richtungen, nach welchen die Züge fahren, zu orientieren und dasselbe vor dem Einsteigen in einen unrichtigen Zug zu bewahren.

Die Lokomotiven sind größer als die in Deutschland gebräuchlichen und vorne mit einem aus dicken Holzstäben bestehenden, schneepflugartigen Rechen, dem sogenannten cow-catcher (Kuhfänger)[152] versehen, um die auf den Schienen etwa liegenden Hindernisse zu beseitigen. Die Erleuchtung der Maschine erfolgt nicht, wie in Deutschland, durch zwei Laternen, sondern durch eine mächtige Lampe, welche auf gußeisernen Konsolen angebracht ist und die Bahn 50–300 Schritte vor der Maschine vollständig erhellt.

Bahnwärter sind in Amerika auf freier Strecke unbekannt. Dagegen wird der Aufstellung von Achtungssignalen an Wegübergängen und Bahnkreuzungen im Niveau eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet, da jene Niveau-Übergänge weder bewacht noch mit einer Barriere abgesperrt[S. 281] werden. In der Regel ist 300–400 m vor dem Punkte, an welchem die Bahn von einer Straße im Niveau gekreuzt wird, ein Pfahl aufgestellt, welcher dem Lokomotivführer die Annäherung an einen solchen Übergang anzeigt und ihn zu besonderer Achtsamkeit mahnen und veranlassen soll, die vorgeschriebenen Signale zu geben. Am Wegübergang selbst und dem kreuzenden Wege zugekehrt sind zur Warnung des Publikums zwei hohe Pfähle aufgerichtet, an welchen quer ein breites Brett befestigt ist, das in großen Buchstaben die Worte trägt: Look out for the engine (oder locomotive). Nur bei den Niveaukreuzungen von belebten Straßen in den größeren Städten sind Wärter angestellt, welche mit einer kleinen Flagge sowohl dem Publikum, als auch dem Zuge die notwendigen Signale geben. Ferner ist zur Orientierung für den Lokomotivführer 300–400 m vor jedem wichtigen, auf der Strecke gelegenen Bauwerk (Brücke, Tunnel, Schneedach u. s. w.) eine Tafel aufgestellt, welche den Namen des Bauwerkes und die Entfernung bis zu demselben bezeichnet, um den Lokomotivführer zum vorsichtigen und gewöhnlich langsamern Fahren zu veranlassen, da viele, besonders hölzerne Brücken und auch andere Bauwerke nur mit einer geringen Geschwindigkeit passiert werden dürfen. An den Brücken, Tunnels u. s. w. selbst ist sowohl beim Eingange wie beim Ausgange ein großes Schild angebracht, auf welchem die zulässige Fahrgeschwindigkeit verzeichnet ist.

Fig. 97. Amerikanische Lokomotive der Neuzeit.

Auch Niveaukreuzungen zweier Bahnen, die verschiedenen Verwaltungen angehören, sind äußerst selten bewacht. Gewöhnlich ist 400–800 m vor der Kreuzung, und zwar an beiden Bahnstrecken, eine Tafel mit der Aufschrift Railroad crossing und dicht vor der Kreuzung eine solche mit der Bezeichnung Stop here errichtet. Jeder Zug ohne Ausnahme muß vor einer solchen Kreuzung halten und darf dieselbe erst passieren, nachdem der Zugführer sich davon überzeugt hat, daß beide Bahnen frei sind. Halten auf beiden kreuzenden Geleisen zu gleicher Zeit vor dem Übergangspunkte Züge, so giebt das Bahnreglement genau an, welcher Zug die Kreuzung zuerst passieren darf.

[S. 282]

Auf einzelnen Bahnen führt das Zugpersonal eine kleine elektrische Batterie mit sich, welche an fast jeder Telegraphenstange eingeschaltet werden kann und die Möglichkeit bietet, mit der vor- oder rückwärts liegenden Station in Verbindung zu treten.

In der Regel steigen auf der letzten Station vor einer größern Stadt Agenten einer Expreßkompagnie in den Zug, welche die Auftrage bezüglich der Besorgung des Reisegepäcks entgegennehmen. Bei der Ankunft hat alsdann der Reisende nicht nötig, sich um sein Gepäck zu bekümmern.

Die Fahrgeschwindigkeit der Schnell- und Expreßzüge aller amerikanischen Bahnen ist durchschnittlich geringer als diejenige der deutschen Bahnen. Diese Thatsache ist in der ganzen Einrichtung der Bahnen begründet. Da eine Bewachung oder Einfriedigung des Bahnkörpers durchweg nicht stattfindet, der letztere vielmehr von jedermann auf eigene Gefahr nach Belieben begangen werden darf, so haben die Eisenbahngesellschaften sich bemüht, den daraus entstehenden Gefahren durch besondere technische Einrichtungen, z. B. durch die Einführung der kontinuierlichen Bremsen und insbesondere durch eine zweckmäßige Organisation des Fahrdienstes vorzubeugen. — Eine eigentümliche Erscheinung ist es, daß die Züge auf den westlich vom Missouri angelegten Bahnen durchweg erheblich langsamer fahren als die Züge in den östlich von dem Flusse gelegenen Staaten. In dem weiten, vom Missouri bis an den Stillen Ocean sich ausdehnenden Gebiete giebt es nach deutschen Begriffen auf keiner Bahn einen Schnellzug; die sogenannten Expreßzüge sind in Wirklichkeit nur gewöhnliche Personenzüge. Kein regelmäßiger Zug in den Vereinigten Staaten erreicht auch nur annähernd die Schnelligkeit von rund 60 km in der Stunde, wie der Expreßzug zwischen Berlin und Köln. Die mittlere Fahrgeschwindigkeit bei den schnellsten Zügen auf den östlich vom Missouri gelegenen Bahnlinien beträgt in der Stunde 44,14 km, westlich vom Missouri sogar nur 33,7 km, während bei den von Berlin nach Köln, Aachen, Eydtkuhnen, München und Trier laufenden Zügen eine Fahrgeschwindigkeit von durchschnittlich 50 km in der Stunde erzielt wird. Die größte Geschwindigkeit der amerikanischen Expreßzüge ist per Stunde 55 km.

Die Eisenbahnwagen sind im allgemeinen elegant ausgestattet und mittels großer, von der Decke herabhängender Lampen gut erleuchtet. In Bezug auf die Bauart unterscheiden sie sich jedoch wesentlich von den in Deutschland gebräuchlichen Wagen, indem sie viel länger, ungleich höher und ohne Zwischenteilung sind, auch in der Regel 50–60 Sitzplätze für Erwachsene enthalten. Die Räder werden in neuerer Zeit vielfach nicht aus Eisen, sondern aus Papier hergestellt. An jeder Stirnseite des Wagens befindet sich eine Plattform, welche auf einer an derselben befestigten, aus drei Stufen bestehenden Treppe erreicht wird und den Zugang in das Innere des Wagens vermittelt. Die bequemen, für je zwei Personen berech[S. 283]neten Sitze sind durch Umlegen der Lehnen derart verstellbar, daß man nach Belieben vor- oder rückwärts fahren kann[153]. Zwischen den Sitzen führt in der Längsrichtung des Wagens von der einen Plattform zur andern ein Mittelgang, auf welchem man ohne Schwierigkeit während des Fahrens durch sämtliche Wagen hindurchgehen kann, da dieselben so miteinander verkuppelt sind, daß die Plattformen eng anschließen. Durch sämtliche Wagen hindurch bis zur Glocke der Lokomotive läuft eine für das Notsignal bestimmte Leine, welche auf geschmackvollen, an dem erhöhten Mitteldache des Wagens befestigten eisernen Aufhängungen ruht und von einem aufrechtstehenden Erwachsenen bequem erreicht werden kann. Diese im Interesse der Sicherheit der Reisenden geschaffene Einrichtung hat sich in jeder Beziehung höchst zweckmäßig erwiesen.

In die Seiten des an den Personenwagen angebrachten erhöhten Mitteldaches sind schmale Fenster zum Zweck der Ventilation eingelassen, durch welche der Aufenthalt in dem Wagenraume auch bei starker Sommerhitze erträglich wird. Die Fenster sind nicht mit Vorhängen, sondern mit hölzernen Jalousieen bekleidet, welche einen wirksamern Schutz gegen die Sonnenstrahlen gewähren. In einer Ecke jedes Personenwagens befindet sich ein hohes, rundes, aus lackiertem Blech hergestelltes Gefäß, das stets mit trinkbarem Eiswasser gefüllt ist und Tag und Nacht von den Reisenden zur Erfrischung benutzt werden darf. Außerdem ist den Reisenden durch einen in einer Ecke jedes Wagens angebrachten eleganten Verschlag die Möglichkeit geboten, sich zu jeder beliebigen Zeit den Blicken der Mitreisenden zeitweise zu entziehen. Bei kalter Witterung wird eine wohlthuende Wärme durch zwei große, in jedem Wagen befindliche eiserne Öfen hergestellt, die auch während des Sommers an kühlen Tagen, namentlich bei den Fahrten in den höheren, kälteren Regionen der Felsengebirge, zur Benutzung kommen. Ab und zu bemerkt man an einer Wagenwand eine in einem Kästchen befindliche Bibel, welche meistens von der American Bible Society geschenkt ist. Ferner sind in manchen Wagen an einer Wand verschiedenartige Handwerkszeuge (Axt, Säge) mittels eines Riemens befestigt, welche leicht herabgenommen und bei Unglücksfällen benutzt werden können.

In jedem Personenzuge befindet sich ein besonderer Rauchwagen (smoking-car), welcher infolge der oben beschriebenen Zusammensetzung des Zuges auch im schnellsten Fahren leicht erreicht werden kann; infolgedessen ist in den übrigen Wagen des Zuges das Rauchen, auch bei Abwesenheit von Damen, untersagt. Dieser Rauchwagen unterscheidet sich von den anderen Wagen nur durch einfachere Ausstattung und spärlichere Beleuchtung. Da merkwürdigerweise für Spucknäpfe und Aschenbecher nicht gesorgt ist, so läßt das Innere des Wagens an Sauberkeit oft viel zu wünschen übrig.[S. 284] Die beiden vordersten Bänke sind während der Tagesstunden nicht für das Publikum bestimmt, da dort der News Agent gegen Bezahlung einer Bauschsumme sein Quartier aufschlägt, um die in zwei schweren hölzernen Koffern mitgebrachten amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften, sowie die neuesten Romane, Novellen u. s. w. den Reisenden zum Verkaufe anzubieten. Im Westen Amerikas beschränkt sich dieser fahrende Buchhändler nicht auf den Verkauf geistiger Nahrung, er führt auch Kästchen, Kreuze, Cigarren, Kautabak, Süßigkeiten, Früchte, Sodawasser, Butterbrote, selbst Hosenträger und Plaidriemen mit sich. Im Rauchwagen findet auch die Beförderung der Deserteure, Gefangenen und Verbrecher unter der nötigen Bedeckung statt.

Fig. 98. Äußeres eines Pullmanschen Schlafwaggons.

Jeder Personen- oder Schnellzug, der größere Strecken zu durchfahren hat, führt je nach Bedürfnis einen oder mehrere Schlafwagen (sleeping-cars) mit sich; sie tragen wie die Schiffe besondere Namen und sind durch Pracht und Bequemlichkeit ausgezeichnet. Die Herstellung und Ausstattung eines solchen Wagens kostet 14000–16000 Dollars. In demselben können bequem 40–50 Personen in Betten schlafen, welche denen eines guten Hotels um nichts nachstehen. Am Ende der Fahrt bleibt der Wagen den Reisenden bis 8 Uhr morgens zur Verfügung und wird zu diesem Zweck auf ein Nebengeleis geschoben. Ebenso kann der Wagen an der Abgangsstation schon um 9 Uhr abends bestiegen werden, selbst wenn der Zug erst um Mitternacht oder später abfährt. Die Betten sind, wie in den Kajüten der Schiffe, übereinander angebracht, aber viel breiter und bequemer; auch können sie durch eine sinnreiche Vorrichtung jederzeit in Sitze umgewandelt werden. Als Schmuck dienen Teppiche, an den Wänden Vertäfelungen und Spiegel in großer Zahl. Gut schließende Doppelfenster und Jalousieen verhindern das Eindringen von Staub und Zugluft und schützen vor den lästigen Sonnenstrahlen, während eine vortrefflich angelegte Ventilation fortwährend für frische Luft sorgt. Daß die Schlafwagen in dem Lande der größten Entfernungen eine wirkliche Notwendigkeit sind und in der ausgedehntesten Weise benutzt werden, ist selbstverständlich. — Amerika besitzt drei Schlafwagen-Kompagnieen, von denen die Pullmansche die älteste und größte ist.

[S. 285]

In einzelnen Zügen laufen auch sogenannte Palastwagen. Diese Wagen sind, ähnlich den Salonwagen der europäischen Fürsten, mit drehbaren oder auch nach rückwärts zu bewegenden Fauteuils versehen und zeigen in jeder Beziehung eine bewundernswerte Eleganz.

Fig. 99. Inneres eines Pullmanschen Palastwaggons.

Auf einigen Bahnen sind noch Hotelwagen und Restaurationswagen (dining-cars) in Gebrauch. Diese Wagen unterscheiden sich dadurch, daß die ersteren während der Nacht als Schlafwagen dienen und erst dann, wenn sie am frühen Morgen gelüftet, gereinigt und durch Aufstellen von Tischen für ihren fernern Zweck eingerichtet worden sind, als Speiselokal benutzt werden, während die Restaurationswagen nur zur Einnahme von Mahlzeiten dienen. In einem solchen zweckmäßig eingerichteten und luxuriös ausgestatteten Restaurationswagen befinden sich stets sauber und geschmackvoll gedeckte Tische, an welchen gleichzeitig 40 Personen bequem speisen können.

[S. 286]

Jede größere Bahn besitzt noch andere, aber nur bei außerordentlichen Anlässen in Gebrauch kommende Wagen, die eine sinnreiche Vereinigung von Hotel-, Schlaf- und Personenwagen sind. Ein solcher Wagen enthält eine für kleinere Gesellschaften bestimmte vollständige Hoteleinrichtung: Salon, Schlafzimmer, Küche mit Eisbehälter und zwei mit der Bezeichnung For Ladies versehene elegante Verschläge, sowie einen großen Arbeitstisch und ein Büchergestell.

Schließlich bestehen noch die gleichfalls nur in besonderen Fällen zur Verwendung gelangenden Aussichtswagen (observation-cars), deren Einrichtung darauf berechnet ist, den Reisenden einen möglichst freien Blick auf das zu durchfahrende Terrain genießen zu lassen[154].

Begründet sind die erwähnten vortrefflichen Einrichtungen der Wagen in der Länge der Reisen und in der Unwirtlichkeit der Gegenden, die zu durchfahren sind.

Auf allen größeren westlichen Bahnen, sowie auf allen Bahnen in Kalifornien sind in geeigneten Zwischenräumen Speisestationen eingerichtet, um den Reisenden wenigstens dreimal täglich die Möglichkeit zu geben, während eines Aufenthaltes von 20–30 Minuten in schönen, hohen und luftigen Speisesälen für den Preis von einem Dollar eine ordentliche Mahlzeit einzunehmen.

Das Zugpersonal, dessen äußere Erscheinung eine durchweg anständige ist, tritt im allgemeinen sicher, aber dabei höflich gegen die Reisenden auf[155]. Die Bevormundung der letzteren durch den Zugführer oder das übrige Begleitpersonal ist in Amerika ganz unbekannt. Das wiederholte Mahnen zum Einsteigen, das Ausrufen der Stationsnamen und der Aufenthaltsdauer an den einzelnen Stationen wird man niemals hören. Der Reisende empfängt, nachdem er den Zug bestiegen hat, von dem den Fahrschein durchlochenden Schaffner einen „Zwischen-Fahrschein“ (intermediate ticket), einen schmalen, farbigen Karton von etwa 5–6 cm Länge, dessen Rückseite mit den Namen aller jener Stationen bedruckt ist, auf welchen der Schaffner den Zug begleitet.

Die in Deutschland so beliebten Retour- und Rundreise-Fahrscheine sind im Osten der Vereinigten Staaten so gut wie unbekannt; da[S. 287]gegen finden westlich vom Missouri die Retour- und Rundreise-Fahrscheine in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober mehr und mehr Eingang.

Das auf den Bahnhöfen stationierte Eisenbahnpersonal versieht den Dienst ohne Uniform, der Bahnhof-Inspektor ist daher nicht ohne weiteres kenntlich. — Eine Verspätung der Züge, sowie die mutmaßliche Dauer ihres Ausbleibens wird an den Bahnhöfen nicht bekannt gegeben. Das Fehlen einer dahin gehenden Vorschrift macht sich in Amerika um so fühlbarer, als bei den großen von den Zügen zu durchlaufenden Strecken Verspätungen, die sich auf Stunden belaufen, nicht zu den Seltenheiten gehören.

Seit Anfang 1884 ist in den Vereinigten Staaten eine neue Eisenbahnzeit eingeführt. Das System, auf dem diese Neuerung beruht, ist auf folgendem basiert[156].

Die allgemeine Zeitrechnung beruht bekanntlich auf der Umdrehung der Erde um ihre Achse, und die Zeit einer solchen Umdrehung ist in 24 Abschnitte, Stunden genannt, eingeteilt. Ferner ist der Umkreis der Erde zur Messung der Entfernungen von Ost nach West in 360 gleiche Teile geteilt, sogen. Längengrade, so daß also ein bestimmter Punkt der Erdoberfläche in 24 Stunden alle 360 Längengrade durchwandert. Auf dieser Rechnung beruht nun auch die neue Eisenbahnzeitrechnung, als deren Grundlage die Zeit der Greenwich-Sternwarte in London (England), durch welche der Nullmeridian läuft, angenommen worden ist.

Das Gebiet des nordamerikanischen Kontinents, für welches die neue Zeitrechnung gilt, ist in fünf verschiedene Distrikte von je 15 Längengraden eingeteilt, und für jeden Distrikt gilt diejenige Zeit, welche durch den ihn in der Mitte durchschneidenden Meridian bedingt ist. Die Zeiten dieser fünf Distrikte sind um je eine Stunde verschieden.

Für den am weitesten östlich gelegenen Distrikt ist der 60. Meridian maßgebend, und da dieser um 60 Längengrade westlich vom Greenwich-Observatorium liegt, so ist die für diesen Distrikt geltende Zeit um vier Stunden hinter der Greenwich-Zeit zurück. Der Distrikt umfaßt die kanadischen Provinzen Neu-Schottland und Neu-Braunschweig, und die für denselben geltende Zeit heißt fortan die Internationalzeit.

Der zweite Distrikt, der vom 75. Meridian durchschnitten wird, umfaßt die Neu-England-Staaten, New-York, Pennsylvanien und die Staaten südlich von Pennsylvanien. Die für denselben geltende Zeit ist um fünf Stunden hinter der Greenwich-Zeit zurück und heißt die östliche Zeit.

Die Zeit des dritten Distrikts, welche durch den 90. Meridian bedingt wird, um sechs Stunden hinter der Greenwich-Zeit zurückliegt und Centralzeit heißt, ist maßgebend für die Staaten Illinois, Ohio, Indiana, Missouri, Kansas und die südlich und nördlich davon liegenden Staaten.

[S. 288]

Für den vierten Distrikt gilt die Bergzeit (mountain time), welche um sieben Stunden hinter der Greenwich-Zeit zurückliegt und durch den 105. Meridian bedingt wird. Der Distrikt umfaßt die Bahnen westlich vom Missouri-Fluß, das heißt den Staat Colorado, den größten Teil von Utah und die südlich und nördlich davon liegenden Staaten und Territorien.

Der fünfte Distrikt endlich, für welchen die Pacific-Zeit gilt, die um acht Stunden hinter der Greenwich-Zeit zurück ist und durch den 120. Meridian bedingt ist, umfaßt das Gebiet an der Pacific-Küste, die Staaten Nevada, Kalifornien, Oregon, Washington und die westliche Hälfte von Idaho.

Für alle in dem betreffenden Distrikt liegenden Orte gilt die gleiche Zeit, und sobald man einen Distrikt weiter westlich rückt, geht die Zeit um eine Stunde zurück.

Wie die äußere Erscheinung des Eisenbahnwesens Amerikas wesentliche Unterschiede zeigt gegenüber dem europäischen, so ist auch die innere Physiognomie desselben von der des europäischen beträchtlich verschieden. Es sei in dieser Beziehung vor allem daran erinnert, daß das Eisenbahnwesen der Union aus freier Initiative des Volkes hervorging und ohne militärische und administrativ-politische Einflüsse sich entwickelte.

Nicht unerwähnt soll ferner bleiben, daß Amerika nicht bloß die längsten, sondern auch die höchsten und tiefsten Bahnen der Erde hat. Abgesehen von den schon besprochenen südamerikanischen Bergbahnen, sind die höchsten Bahnen in Colorado, wo die Denver-South-Park- und Pacific-Eisenbahn den Kenosha-Paß in einer Höhe von 3091 m überschreitet. Mit der Denver- und Rio-Grande-Bahn fährt man über den 2847 m hohen La-Veta-Paß, und die Colorado-Central-Bahn steigt hinan zu den Städten Georgetown, 2577 m hoch, und Central City, 2530 m hoch. Im Bau begriffen ist in Colorado sogar eine Bahn auf den Pike’s Peak (4300 m). Dieser Staat hat, nebenbei bemerkt, auch das großartigste schmalspurige Eisenbahnsystem ganz Nordamerikas, und ebenso werden nirgends auf der Erde solche Schluchten von Eisenbahnen durchzogen wie in Colorado (Fig. 100). Mit der Union-Pacific-Bahn erreicht man die 2512 m über dem Meere in Wyoming gelegene Station Sherman, und die Central-Pacific-Bahn überschreitet die Sierra Nevada in einer Höhe von 2146 m über dem Meere. Andererseits fährt man auf der Süd-Pacific-Bahn im südlichen Kalifornien bis zu 266 Fuß unter den Meeresspiegel hinab und auf einer Strecke von 61 englischen Meilen (= 98 km) durch unter der Meeresoberfläche gelegene Gegenden.

Charakteristisch ist endlich für das Verkehrswesen der Union die Monopolherrschaft. So besitzen einzelne der Eisenbahngesellschaften ein Eigentum im Werte von fast 1000 Mill. Dollars, was etwa einem Drittel der gesamten Bundesschuld gleichkommt, und ebenso großartig ist das[S. 289] Vermögen einzelner sogenannter Eisenbahnkönige, wie der Vanderbilts, Jay Goulds, Huntingdons, Garrets und Roberts.

Fig. 100. Schmalspurige Eisenbahn im Arkansas Cañon.

Wenn nun auch die Einflüsse, welche die geographische Lage und die Physis der Länder auf die technische und administrative Physiognomie ihrer Eisenbahnsysteme ausüben, in jenen großen Bereichen, in welchen diese zu hoher Entwicklung gelangten, am unverkennbarsten hervortreten, so ent[S. 290]behren doch auch die Anfänge von Eisenbahnnetzen, wenn sie nur in Gegenden von ausgesprochenem geographischem Charakter liegen, jener physiognomischen Züge nicht, welche sie als Produkte ihrer Gegend kennzeichnen. In Indien z. B. mußten im Hinblick auf die tropischen Regen, die Gewalt der Tornados und die raschen Stromschwellungen für die Tracierung der Bahnen neue Principien zur Anwendung kommen.

So erscheint das Eisenbahnsystem eines jeden geographisch bestimmt charakterisierten Bereichs ebenso als Produkt von dessen natürlichen Verhältnissen, wie seine Fauna und Flora; nur daß dort der Menschengeist als gestaltender Vermittler zwischen die Naturbedingungen und ihr Erzeugnis tritt.


[S. 291]

IV.
Schiffahrt.

Erstes Kapitel.
Die Anfänge der Schiffahrt[157].

Der Ursprung der Schiffahrt verliert sich bis in die graue Zeit der Mythe. Alle Nachforschungen, denjenigen ausfindig zu machen, der zuerst die Idee erfaßte und ausführte, sein Leben einem schwimmenden Gegenstande anzuvertrauen, blieben fruchtlos. Trotzdem fehlt es uns nicht an Mitteln, uns über die Entwicklung dieser Kunst näher zu unterrichten; denn noch heute sind bei den Naturvölkern vielfach die rohesten Formen von Flößen und Booten im Gebrauch.

Die einfachste Form des Floßes bildet eine Kokosnuß, wie sie z. B. auf den Südsee-Inseln die Kinder mit ins Wasser nehmen, oder das „hölzerne Pferd“ des Hottentotten, d. h. ein schwimmender Weidenstamm, auf den er sich setzt, wenn er mit seinen Ziegen einen Fluß passiert. In Australien kommen die Eingeborenen an unsere Schiffe heran, rittlings auf Baumstämmen sitzend, die an einem Ende zugespitzt sind, und mit den Händen rudernd, und in Kalifornien bedienen sich die eingeborenen Fischer eines Bündels Binsen, die in Form einer Hängematte zusammengebunden sind. So roh nun diese Vorrichtungen auch sind, so beweisen sie doch, daß die Verfertiger bereits den Vorzug erfaßten, den ein zugespitztes Fahrzeug vor einem Baumstamm mit stumpfem Ende besitzt.

Fig. 101. Rindenkahn der Australier.
(Aus Hellwald, Naturgeschichte des Menschen. Bd. I. Verlag von W. Spemann.)

Ein Fortschritt der Schiffahrt ist es — und wir finden denselben in allen Teilen der Erde —, wenn das Floß ausgehöhlt wird; dessen Schwimmkraft wird hierdurch gesteigert, es wird zum Boot. Das einfachste Boot wird erzeugt durch Aushöhlen eines Baumstammes. Für Wilde, die nur[S. 292] mit Steinäxten versehen sind, ist dies jedoch, besonders wenn das Holz hart ist, eine sehr mühsame Arbeit. Sie nehmen daher oft Feuer zu Hilfe, indem sie den Baumstamm an der Stelle, an welcher er ausgehöhlt werden soll, anzünden und das brennende Holz weghauen. Kolumbus sah solche Fahrzeuge in Westindien, und zwar von einer Größe, daß er darüber höchlich erstaunt war. In manchen dieser Kanoes war nach seinen Briefen für 70 bis 80 Ruderer Raum. Die Spanier nahmen den haitischen Namen canoa an, aus welchem das englische Wort canoe entstand. Solche Boote waren indes nicht nur in Amerika, sondern auch in anderen Ländern bekannt. Auch in Europa waren sie in der vorhistorischen Zeit sehr verbreitet, wie die aus Torf- und Sand-Ablagerungen ausgegrabenen und in den Museen aufbewahrten Exemplare beweisen. Selbst der lateinische Name für Kahn, scapha, der dem griechischen skaphê[158] entspricht, ist ein Beweis für die Thatsache, daß in alter Zeit Boote durch Aushöhlen von Baumstämmen verfertigt wurden; ja sogar die englischen Worte skiff (Kahn) und ship (Schiff), sowie das deutsche Wort Schiff, die offenbar mit scapha zusammenhängen, erinnern uns an diesen Ursprung der Schiffsbaukunst. — In sehr einfacher Weise verfertigen die Australier Boote, indem sie ein Stück von der Rinde eines gewissen Baumes ablösen und es an den Enden zusammenbinden. Soll dasselbe mehr als einmal gebraucht werden, so werden die Enden zusammengenäht, und im Innern werden Querstäbe eingesetzt, um die Form des Bootes zu erhalten. Dieses Rindenboot ist auch in Asien und Afrika bekannt und erreicht seine höchste Ausbildung in Nordamerika. Hier besteht es aus einem Gerüst aus Cedernholz, welches mit Birkenrinde bedeckt ist,[S. 293] deren einzelne Teile mit faserigen Cedernwurzeln zusammengenäht werden. Solche Boote sind noch in der Umgebung der Hudsons-Bai und in anderen Gegenden im Gebrauch, da sie sich besonders für die Fahrt auf solchen Flüssen eignen, wo Boot und Ladung zur Umgehung von Stromschnellen oder, um von einem Flusse zu einem andern zu gelangen, zuweilen auf dem Lande weiterbefördert werden müssen. Ganz ähnliche Boote wie diese werden auch aus Tierhäuten verfertigt. Nordamerikanische Indianer benützen zuweilen beim Übersetzen über einen Fluß Boote, die aus denselben Häuten bestehen, die sonst ihre Zelte bilden. Nicht viel höher als diese stehen die in Mesopotamien gebrauchten, aus gebogenen Zweigen und Häuten verfertigten runden Boote, sowie die tragbaren Lederboote der alten Briten. Noch heute benutzen die Fischer am Severn und Shannon tragbare Boote, die zwar ein vollkommeneres Gerüst besitzen als die alten, und die nicht mehr mit Häuten, sondern mit geteertem Segeltuch bedeckt sind, die aber noch gänzlich die alte Form aufweisen. Die Kajaks der Eskimos bestehen aus einem Gerüst aus Knochen oder Treibholz, das in der Weise mit Seehundfellen überzogen ist, daß nur auf Deck eine Öffnung bleibt, in welcher der Kajaker sitzt. Was Sicherheit und Schnelligkeit der Bewegung betrifft, so leisten diese Kajaks das Unglaubliche. Sie bilden eine Art wasserdichte Rettungsboje, die nicht leicht aus der Gleichgewichtslage zu bringen ist, selbst[S. 294] wenn der Ruderer sich nach einer Seite überneigt. Briten und Amerikaner, diese gründlichen Kenner der Seefahrzeuge, reden deshalb mit Bewunderung, mit Neid sogar von dem Eskimo, der mit seinem Doppelruder und den Gleichgewichtskünsten eines Seiltänzers seinen Kajak über die rauhen Wogenkämme hüpfen läßt. Unsere modernen sogen. Kanoes sind Nachahmungen dieser Boote in Holz.

Fig. 102. Eskimo im Kajak.

Sobald in dem ausgehöhlten Baumstamm ein Brett als eine Art Deck angebracht wird, oder wenn das ganze Fahrzeug aus Brettern hergestellt wird, die anstatt der Häute oder der Rinde auf die Rippen genäht werden, so kommt dasselbe in seinem Bau unseren modernen Schiffen schon näher. Von Afrika bis in den malayischen Archipel bildeten und bilden zum Teil bis auf den heutigen Tag solche genähte Boote das Hauptverkehrsmittel der Eingeborenen. Die Kanoes der Südsee-Inseln z. B., die in einer Weise durch Kokosnußfaser zusammengefügt sind, daß man die Fugen kaum bemerkt, bilden ein wahres Wunder barbarischer Zimmerkunst. Im Golf von Oman setzen die Eingeborenen, mit Werkzeugen versehen, auf die Kokosnußinseln über, fällen einige Palmen, verarbeiten das Holz zu Planken, nähen dieselben mit Seilen zusammen, die sie aus dem Bast anfertigen, machen aus den Blättern Segel, beladen die neuen Boote mit Kokosnüssen und kehren mit ihnen nach dem Festlande zurück.

Werfen wir auch einen Blick auf die Ruderflöße! — Zwei oder drei miteinander verbundene Stämme bilden bekanntlich ein Floß. Dasselbe hat trotz seiner schwerfälligen Bewegung den Vorteil, daß es nicht umschlägt und eine schwere Ladung zu tragen vermag. Auch diese Art von Fahrzeugen tritt bei den Völkern schon sehr frühzeitig auf. Zur Zeit der Entdeckung Perus trafen die Spanier zu ihrem großen Erstaunen bereits ein Floß an, mit welchem die Eingeborenen den Ocean befuhren, und das durch ein Segel gelenkt wurde. Die Flöße, welche den Euphrat und Tigris herab Waren befördern, werden durch aufgeblasene Schafshäute schwimmend erhalten. Am Ende der Reise wird das Floß auseinandergenommen und das Holz verkauft, so daß nur die leeren Schafshäute zurücktransportiert werden müssen. Auf dem Nil braucht man anstatt der Schafshäute irdene Gefäße, die am Ziel der Reise ebenfalls verkauft werden, so daß gar nichts zurücktransportiert zu werden braucht. Flöße von Zimmerholz, welche, wie auf dem Rhein, die Flüsse herabgeführt werden, läßt man einfach durch den Strom treiben. Wenn aber ein Floß durch Ruder oder Segel bewegt werden soll, so leistet es einen bedeutenden Widerstand. Die Fidschi-Insulaner, sowie die Bewohner anderer Inseln machten nun die Erfahrung, daß ein aus zwei durch Querbalken verbundenen Stämmen gebildetes und mit einer erhöhten Plattform versehenes Floß leichter zu bewegen sei. Diese Beobachtung hat wahrscheinlich die Veranlassung zur Erfindung der sogen. Ausleger gegeben, die im alten Europa bekannt waren und auf den[S. 295] Inseln des Stillen Oceans jetzt noch allgemein in Gebrauch sind. Einer der beiden ursprünglichen Stämme ist zum Kanoe geworden, während der andere als sogenannter Ausleger durch Querbalken mit dem Fahrzeug verbunden ist, um ein Umschlagen desselben bei stürmischem Wetter unmöglich zu machen. Auch beide Stämme können in Kanoes umgewandelt und die Plattform beibehalten sein. So entsteht das polynesische Doppelkanoe oder die polynesische Doppelpirogue. Vor nicht langer Zeit wurde der Versuch gemacht, diese Idee in der Konstruktion eines Doppeldampfers zu verwerten, welcher für die Überfahrt zwischen Dover und Calais dienen sollte.

Fig. 103. Doppelpirogue der Fidschi-Insulaner.

Was die Fortbewegung der Boote betrifft, so lehrt uns der Australier, der auf seinem zugespitzten Stamm sitzt und mit den Händen rudert, oder der Fischer am obern Nil, der auf einem Bündel Halmen sitzt und sich durch Treten mit den Füßen vorwärtsbewegt, deutlich genug, in welcher Weise das Ruder erfunden wurde. Das einfachste hölzerne Ruder, das in seiner Form die flache Hand oder den Fuß nachahmt, deren Arbeit es zu verrichten bestimmt ist, ist den Wilden wohl bekannt, die in der Regel ein einfaches Ruder mit einem blatt- oder schaufelförmigen Ende benutzen. Das an beiden Enden erweiterte Ruder, welches unsere Ruderer von den Eskimos entlehnt haben, ist bereits eine verbesserte Form. Dies in freier Hand geführte Ruder ist für Rindenkanoes oder ausgehöhlte Baumstämme das zweckmäßigste. Für größere Fahrzeuge ist dagegen ein Ruder, welches[S. 296] gegen den Rand des Bootes angelehnt wird und als Hebel wirkt, bei weitem vorzuziehen, da bei diesem die Kraft des Ruderers besser ausgenutzt wird und der Stoß desselben ein gleichmäßigerer ist. Der große Unterschied in der Kenntnis mechanischer Principien tritt uns deutlich entgegen, wenn wir ein Kanoe der Südsee-Inseln mit zwanzig das Wasser schaufelnden Insassen mit einem unserer achtsitzigen Ruderboote vergleichen. — Die einfachste Form des Segels ist vielleicht diejenige, welche wir in einer Skizze von Catlin abgebildet finden. Eine Anzahl nordamerikanischer Indianer steht in Kanoes, und jeder von ihnen hält mit ausgebreiteten Armen eine Decke, die mit ihrem untern Ende an seinem Bein befestigt ist, gegen den Wind. Das einfachste wirkliche Segel besteht aus einer Matte oder einem Tuch, das unten befestigt ist und an den oberen Ecken von zwei Stäben gehalten wird oder an einer aufrechten Stange mit einem Querstab, Mast und Rahe in ihrer einfachsten Form, festgemacht ist. Bei niederen Stämmen vermissen wir den Gebrauch des Segels so allgemein, daß wir annehmen müssen, sie seien mit demselben nicht bekannt gewesen. Durch die Anwendung des Segels wird nämlich mit einem sehr geringen Aufwand von Mühe eine so bedeutende Arbeit geleistet, daß wir nicht annehmen können, die Kunst des Segelns sei bei irgend einem Volke bekannt gewesen, aber in Vergessenheit geraten. Wahrscheinlich wurde das Segel erst in einer Periode vorgeschrittener Civilisation erfunden.

Im Vergleich zu den vielfach sehr primitiven Fahrzeugen der wilden Völker bekundet die Schiffsbaukunst der Gegenwart freilich die großartigsten Fortschritte; allein auch an den modernen Seeriesen erkennen wir noch deutlich genug, wie sie sich nur durch allmähliche Umformungen aus dem einfachen Kanoe entwickelt haben.

Schließlich sei noch darauf verwiesen, daß nichts so sehr die Ausbildung der Seetüchtigkeit der Völker begünstigt, als Inseln, die einer Küste naheliegen. Darum zählen die Eskimos im Norden Amerikas zu den seekundigsten Völkerschaften, sind die Papuanen und Malayen vorzügliche Seefahrer und bildeten sich an der Berührungsstelle der Antillen und des südamerikanischen Festlandes die Kariben für ihre Piratenzüge aus. Desgleichen lockte die Phönizier die Nähe der Inseln aufs Meer, hat die griechische Inselwelt tüchtige Seefahrer entwickelt und haben die britischen Inseln nach und nach Bevölkerungen an sich gezogen, die sich an Seetüchtigkeit überboten. Es erhellt hieraus, daß die nautischen Leistungen der Völker auch an gewisse physische Begünstigungen des Wohnortes gebunden sind[159].


[S. 297]

Zweites Kapitel.
Die Schiffahrt der Kulturvölker[160].

1. Die Schiffahrt der Alten.

Dasjenige Land, in dem die Schiffszimmerkunst sich zuerst entwickelte, und von dem aus sie sich nach anderen Ländern verbreitete, ist wohl Ägypten. Eine größere Rolle haben indes die Ägypter als Seefahrer in den ältesten Zeiten nicht gespielt. Das bedeutendste Seevolk des Altertums waren vielmehr die Phönizier, welche man wegen ihres Unternehmungsgeistes, ihres Handels- und Gewerbsinnes und ihrer vielen Entdeckungen nicht ohne Berechtigung die „Engländer des Altertums“ nennt. Ihre Fahrten erstreckten sich vom östlichsten Gestade des Mittelmeeres bis über die Säulen des Herkules, wie man damals die Straße von Gibraltar nannte. Auch das Rote und Indische Meer befuhren phönizische Schiffe, und nach Herodot sollen unter dem ägyptischen König Necho phönizische Schiffer vom Roten Meere aus Afrika umsegelt haben.

Würdige Nachkommen der Phönizier waren die Karthager. Das nächste Ziel ihrer Schiffahrt bildeten Sizilien und Süd-Italien; bald aber dehnten sie ihre Reisen weiter aus, und die schönste Illustration des altphönizischen Unternehmungsgeistes sind die Nordlandfahrten Himilcos und Hannos. Ersterer kam bis an die Küste Albions und zur Bernsteinküste, also den dermaligen deutschen Gestaden der Nord- und Ostsee; letzterer hat wahrscheinlich das Grüne Vorgebirge, vielleicht auch die westlich davon gelegenen Inseln erreicht.

Von den Phöniziern erbten wiederum die Griechen die nautische Fertigkeit. Ihre Schiffe besuchten das Schwarze Meer, die Küsten Kleinasiens und die europäischen Küsten des Mittelmeeres. Die wichtigste Gründung im Westen des letztern war Massilia (Marseille). Von den berühmt gewordenen Seereisen des hellenischen Zeitalters seien erwähnt die Entdeckungsfahrt des Pytheas, der um die Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. an der Küste von England landete, von hier weiter nordwärts[S. 298] bis „Thule“ (vielleicht Island) steuerte und bis zur Bernsteinküste vordrang, und die See-Expedition Nearchs, des Flottenbefehlshabers Alexanders des Großen. Durch letztere ward nicht nur der Weg nach Indien eröffnet, man wurde auch mit den Erscheinungen der Ebbe und Flut vertrauter und lernte die Monsune kennen.

Wenig geachtet war das Seewesen bei den Römern. Der Seedienst wurde nur von Bürgern der niedersten Klasse, von Freigelassenen oder gar von Sklaven besorgt. Erst die punischen Kriege und später die Seeräuber- und Bürgerkriege brachten in diese Verhältnisse einigen Aufschwung; aber sogar noch unter Augustus Octavianus galt der Seedienst als entehrend oder zum mindesten nicht ehrenvoll. So begreift es sich wohl, daß das römische Seewesen sich niemals zu größerer Bedeutung erhob.

Fig. 104. Altes Nilboot. (Nach Siebert-Tylor, Anthropologie und Civilisation.)

Fig. 105. Querschnitt einer griechischen Quinquereme.
(Nach dem Buch von der Weltpost.)

Die Schiffahrt des Altertums beschränkte sich übrigens nicht allein auf die Völker des Mittelmeeres; auch der Norden Europas entbehrte derselben nicht. Die Briten z. B. fuhren bereits vor dem Einfalle Cäsars in ihr Land nicht nur nach den Küsten Nordfrankreichs und der Niederlande, sondern auch an die französischen Küsten der Bucht von Biscaya. Ja es giebt im Norden Europas sogar zahlreiche Belege für die Pflege der Schiffahrt in vorhistorischer Zeit.

Über Größenverhältnisse, Gestalt, Konstruktion und innere Einrichtung der Seefahrzeuge des Altertums sind uns leider genauere Angaben nicht erhalten. Die gewöhnliche Form der auf den altägyptischen Wandgemälden abgebildeten Schiffe ist die Kombination einer Rudergaleere mit einem Segelschiff. Die Ruderer sitzen auf Querbänken und ziehen die durch Ringe geführten Ruder an. Am Hinterteil des Schiffes befindet sich das große Steuerruder. Wir sehen ferner einen durch Taue in seiner Stellung[S. 299] befestigten Mast mit Rahen und Tauen zum Ausspannen und Einreffen der Segel. Am vordern und hintern Ende des Schiffes bemerken wir bereits erhöhte Teile, die man heute als Kastelle (Back und Schanze) bezeichnet. Auf den ägyptischen Kriegsschiffen standen auf diesen Teilen, durch eine Brustwehr geschützt, die Bogenschützen. Auf der Spitze des Mastes befindet sich ein „Krähennest“, welches dem „Top“ unserer Schiffe entspricht, und aus welchem Schleuderer Steine auf den Feind herabwarfen. Das altägyptische Schiff enthält somit schon alle wesentlichen Teile eines heutigen Schiffes. Die Phönizier hatten zwei Arten von Schiffen: Kriegs- und Handelsschiffe; die ersteren waren lang und zugespitzt, letztere mehr von rundlicher Form. Die Römer und Griechen unterschieden die Schiffe nach der Zahl der Ruderbänke, die in verschiedenen Reihen übereinander lagen, in Zweiruderer (biremes), Dreiruderer (triremes) u. s. w.

Fig. 106. Griechische Pentere (Seitenansicht).

Nach Graser hatten die griechischen Trieren etwa 149 Fuß Länge, 14–18 Fuß Breite, 8½ Fuß Tiefgang, 19½ Fuß Gesamthöhe vom Kiel bis zum Deck und einen Raumgehalt von 232 Tonnen[161]. Die Besatzung bestand aus 174 Ruderern, 20 Matrosen, 10 Soldaten und zählte mit Einschluß der Offiziere u. s. w. im ganzen 225 Köpfe.

[S. 300]

Fig. 107. Staatsschiff des Hiero von Syrakus.

Einzelne Schiffe des Altertums zeichneten sich bereits durch außerordentliche Größe aus. So führte der in allen Zweigen des Kriegswesens hervorragende Demetrius Poliorketes (der Städtebezwinger) in der 306 v. Chr. bei Salamis auf Cypern gegen den ersten in Ägypten herrschenden Ptolemäer, Soter oder Lagi, und dessen Bruder Menelaos gelieferten Seeschlacht außer anderen Großschiffen auch ein Sechzehnreihenschiff in den Kampf, für welches wenigstens 1000 Ruderer nötig gewesen. Ptolemäus Philadelphus, der Nachfolger des Soter in Ägypten, ging noch weiter bei Entwicklung seiner bewunderungswürdigen Seemacht. Es befanden sich unter[S. 301] seinen Schiffen Dreißigreihenschiffe, für deren Bemannung wohl mindestens 2000 Ruderer erforderlich waren. Zwanzig Ruderreihen wiederum besaß die „Alexandria“ Hieros von Syrakus (269–215 v. Chr.). Das Schiff war nach einem Entwurf des Archias von Korinth und unter der Oberleitung des Archimedes gebaut worden und kam an Größe unserem Panzer „König Wilhelm“ gleich. Etwa zu gleicher Zeit ließ Ptolemäus Philopater sogar ein Vierzigreihenschiff und zwar als Doppelschiff erbauen, einen fast rätselhaften „Leviathan“, länger noch als „Italia“ und „Lepanto“ der jetzigen italienischen Marine, für 4000 Ruderer. Welches die bauliche Anordnung dieser Schiffe für die Ausübung der Ruderkraft gewesen, ist freilich noch heute nicht hinlänglich bekannt.

2. Die Schiffahrt des Mittelalters.

Fig. 108. Drache.

Unter den seefahrenden Völkern des Mittelalters verdienen in erster Linie die Normannen im Norden Europas Erwähnung. Vom achten bis zum elften Jahrhundert finden wir sie in den europäischen Meeren als die herrschenden „Seekönige“. Sie befuhren nicht allein Skandinaviens Küsten, sie steuerten auch nördlich bis nach Archangel und östlich bis nach Preußen und Esthland, und im Süden beschifften sie den westlichen Teil des Mittelmeeres. Leute ihres Schlages waren es auch, welche (867) nach Island kamen und es besiedelten, die unter Erich dem Roten (983) Grönland entdeckten und im Jahre 1000, also ein halbes Jahrtausend vor Kolumbus, Amerika fanden, und das alles ohne Kompaß und Karten und mit sehr primitiven, wenig seetüchtigen Fahrzeugen. Die letzteren hatten Segel und Ruder und führten infolge davon, daß sie in ihrer ganzen Form die Gestalt eines Drachen oder einer Schlange zeigten, den Namen „Drachen“. Ein solch historisches „Drachenschiff“ war das des Seekönigs Olaf Trygvason, des Beherrschers von Norwegen, der um 780 einen Überfall auf die englische Küste vollführte, obwohl kurz vorher König Alfred von England die „britische Flotte gegründet hatte“. Das Schiff soll 35 m lang gewesen sein und 34 Ruderbänke besessen haben. Es war also jedenfalls ein See-Ungetüm ganz außergewöhnlicher Art. Kleinere Fahrzeuge hießen Schnecken.

[S. 302]

Fig. 109. Venetianische Galeere.

Deutschland errang sich im Mittelalter eine bedeutende Stellung zur See durch die Hansa, deren Bund in der Blütezeit mehr als 70 Städte umfaßte, und deren Faktoreien bis nach dem äußersten Norden, südwärts bis nach Italien, nach Westen bis an den Atlantischen Ocean und gegen Osten weit nach dem Innern Rußlands vorgeschoben waren. 248 Kriegsschiffe mit einer Bemannung von mehr als 12000 Streitern durchfurchten den Ocean und erzwangen dem deutschen Namen Achtung und Ansehen. Leider hat es der Bund nicht verstanden, den durch die transoceanischen Entdeckungen herbeigeführten wesentlichen Veränderungen Rechnung zu tragen und seine Handelspolitik den neuen Anforderungen gemäß umzugestalten, und da auch noch Streitigkeiten innerhalb des Bundes ausbrachen, so begann gegen Ende des 14. Jahrhunderts der Glanz der deutschen Seeherrschaft zu erblassen.

Im Süden Europas lag die Herrschaft zur See erst in den Händen der Araber; in der zweiten Hälfte des Mittelalters aber ging sie, und zwar hauptsächlich infolge der durch die Kreuzzüge hervorgerufenen regen Beziehungen mit dem Orient, an die italienischen Freistaaten über, besonders an Genua und Venedig. Letzteres besaß am Ende des 14. Jahrhunderts eine Handelsflotte von nicht weniger als 3000 Schiffen. Alljährlich fuhr denn auch der Doge von Venedig mit allen Senatoren am Himmelfahrtstage auf dem Prachtschiffe[S. 303]Bucentoro“ ins Meer hinaus, um in dasselbe einen goldenen Ring zu werfen, zum Zeichen der Vermählung mit dem Meere und der Herrschaft über dasselbe. Es geschah dieser Akt bekanntlich zur Erinnerung an den denkwürdigen Tag des Jahres 1177, an welchem der Doge Ziani in der Bucht von Pirano (Istrien) die vereinigten Geschwader der Genuesen, Pisaner und Friedrich Barbarossas vernichtete. Was den „Bucentoro“ betrifft, so war derselbe circa 30 m lang und der Länge nach in zwei Stockwerke geteilt; er besaß 43 Ruder, die von 168 Ruderknechten gehandhabt wurden. Der obere Stock bildete den Saal für die Edlen, und in dem anstoßenden kleinen, aber prachtvoll ausgeschmückten Thronsaal saß der Doge mit seinen Räten und den fremden Gesandten. Der Schiffskörper war vom Kiele bis zur Balustrade übermäßig reich dekoriert mit Blumenguirlanden, Muschelmosaik, mythologischen Figuren u. s. w. Karyatiden trugen das scharlachrote Samtdach, und auf den zwei langen Schiffsschnäbeln waren Symbole[S. 304] der Herrschaft Venedigs über das Meer angebracht; ein vergoldeter Mast trug das Banner der Republik.

Die gewöhnlichsten Fahrzeuge der Mittelmeerstaaten waren die Galeeren, d. i. Schiffe, welche Ruder und Segel zugleich gebrauchten. Schiffe mit größerer Tragfähigkeit (bis zu 700 t) waren die Carrequen und Galeassen. Zu besonderer Berühmtheit sind endlich noch die Caravellen gelangt, da auf solchen Kolumbus und seine Begleiter nach Amerika fuhren. Diese Art von Schiffen hatte vier Masten, von denen drei mit lateinischen Segeln versehen waren.

3. Die Schiffahrt der Neuzeit.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts war die Kompaßnadel, die vermutlich aus China stammt, auch in Europa bekannt geworden. An ihre Erfindung knüpft sich der größte Fortschritt in der Schiffführungskunst; denn erst von da an war es möglich, bei Tag und Nacht zu segeln, und Nebel und Regenwetter konnten nicht mehr wie ehedem den Seemann zur Unthätigkeit zwingen. Ein Fall, wie jener der Pisaner, die zu Anfang des 12. Jahrhunderts im Verein mit den Seeleuten von Lucca bei schönem Wetter Blanes in Catalonien anliefen, in der Meinung, in Malorca zu sein, war fortan ausgeschlossen. Allerdings gewahren wir im 13. Jahrhundert noch eine gewisse Ängstlichkeit in der Schiffahrt, aber das Emporblühen der italienischen Städte des Mittelalters, der immer regere Verkehr im Mittelmeere und die Ausdehnung der Schiffahrt selbst jenseits der Säulen des Herkules sind doch schon Folgen des Kompasses. Am meisten jedoch kam derselbe zu statten den großen Reisenden im Zeitalter der Entdeckungen. Letztere gingen vor allem von zwei Nationen aus: den Portugiesen und Spaniern.

In Portugal erwarb sich besonders Prinz Heinrich, genannt der Seefahrer, große Verdienste um die Schiffahrt. Unter ihm entstand die erste nautische Schule der Welt, und auf seine Veranlassung gingen zahlreiche Expeditionen aus, die Westküste Afrikas zu erforschen. 1486 drang Bartolomeo Diaz schon bis zum Kap der guten Hoffnung vor, und 1498 fand Vasco de Gama den Seeweg nach Indien. Die höchste Blütezeit der portugiesischen Seemacht fällt in die Zeit von 1495–1557.

Fig. 110. Schiff des Kolumbus.
(Nach Lindsay, History of the Merchant Shipping.)

Wie die Portugiesen sich nach Osten wandten, um den Weg nach Indien, dem „Lande der Gewürze und des Goldes“, zu finden, so sehen wir die Spanier nach Westen ziehen. Auch der große, im Dienste Spaniens stehende Genuese Christoph Kolumbus wollte Kathai (China) und Zipangu (Japan) auf dem Seewege finden, aber er entdeckte am 12. Oktober 1492 eine neue Welt — Amerika. Von nun an folgt eine Entdeckung der andern, und Spaniens Seemacht nimmt immer größern Aufschwung. Die berühmteste spanische Flotte war die sogen. unüberwindliche Armada,[S. 305] die 1588 im Kampfe mit England zu Grunde ging. Seit dieser Zeit hat Spanien auch nie mehr die frühere Machtstellung zur See sich zu erringen gewußt.

Von den Männern, welche im Zeitalter der Entdeckungen der nautischen Wissenschaft große Dienste leisteten, seien besonders Martin Behaim aus Nürnberg und Gerhard Mercator aus Duisburg genannt. Ersterem (gest. 1507) verdankt man, wenn auch nicht ganz, so doch in hohem Grade, die Verbesserung des Astrolabiums, letzterer (gest. 1594) ist der Erfinder der nach ihm benannten Projektion, nach der noch heute alle Seekarten gezeichnet werden.

Den Portugiesen und Spaniern folgten in der Seeherrschaft zunächst die Niederländer. Wie ehedem Venedigs Seemacht, so entstand auch die holländische aus der Fischerei. Diese war Grundlage und Schule für das Anwachsen der holländischen Schiffahrt, die den Namen des kleinen Landes bald über alle Meere trug. 1599 schon brachte die holländische Gesellschaft „Für die Ferne“ ein Handelsbündnis mit Indien zu stande, und 1602 wurde die „Holländische vereinigte ostindische Gesellschaft“ gegründet. Etwa zwei Jahrzehnte später erfolgte die Errichtung der „Holländischen westindischen Kompagnie“ und der „Nordischen Gesellschaft“, und zur leichtern Betreibung des Fischfanges an der Neufundland-Bank und des Pelzhandels mit den Indianern wurden auch am untern Hudson Kolonieen angelegt. Die Hauptstadt dieses Gebietes war Neu-Amsterdam, das jetzige New-York. Die Blütezeit der niederländischen Seemacht fällt in die Zeit von 1600–1650, wo sie über 70000 Handelsschiffe verfügte.

Den Grund zur Seeherrschaft Englands legte die Königin Elisabeth (1558–1603). Das ganze Sinnen und Trachten dieser Regentin galt der Hebung der Schiffahrt. In ihre Zeit fällt denn auch die Weltumsegelung Drakes, der Beginn der nordischen Entdeckungsfahrten, das traurige Ende der unüberwindlichen Armada Philipps II., sowie die Gründung der ostindischen Kompagnie. Ganz besonders wurde der Aufschwung der britischen Handelsflotte durch die unter Oliver Cromwell 1651 erlassene Navigationsakte gefördert, laut welcher die in englische Häfen einlaufenden fremden Fahrzeuge nur solche Erzeugnisse einführen durften, die ihren Ursprung im eigenen Lande hatten. Am härtesten wurden hierdurch die Niederländer betroffen, die bis dahin gerade aus dem Zwischenhandel den größten Nutzen gezogen. In dem nun zwischen Holland und England ausbrechenden Kriege vermochten auch die Ruyter und Tromps die Bestimmung des Schicksals nicht aufzuhalten. Das stolze Holland wurde besiegt und geschlagen. England aber glänzt seit jener Zeit als die erste Seemacht der Erde, und noch immer gilt das Wort: Britannia rule the waves.

Die großartigste Pflege wurde seitens der Engländer auch den nautischen Wissenschaften zu teil. Von Halley wurden Oktant und Sextant erdacht und konstruiert, Harrison erfand die Zeitmesser (See-Uhren, Chrono[S. 306]meter), und der deutsche Astronom Tobias Meyer hat auf Veranlassung Englands die für die Bestimmung der geographischen Länge so wichtigen Mondtafeln berechnet.

Die französische Seemacht nahm besonders im 17. Jahrhundert durch den berühmten Minister Colbert einen sehr bedeutenden Aufschwung; die Größe der englischen oder holländischen Flotte vermochte sie indes nicht zu erreichen.

Seit 1783 sind auch die Vereinigten Staaten von Amerika unter die seefahrenden Nationen getreten.

Deutschland war seit dem Verfall des Hansabundes aus den Reihen der Seemächte gewichen und blieb es auch bis fast in unsere Tage. Den einzigen Lichtpunkt in der ganzen neuern Geschichte unseres Vaterlandes bilden in dieser Beziehung die Unternehmungen des großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. (1640–1688) von Brandenburg-Preußen. Der geniale Herrscher hatte nämlich seine Jugend in den Niederlanden zugebracht und dort die Wichtigkeit des Seewesens kennen gelernt. Nach seiner Thronbesteigung ließ er es sich daher eifrigst angelegen sein, eine preußische Flotte zu gründen. Königsberg wurde Kriegshafen, und unter dem Befehl des brandenburgischen Admirals Cornelius Klaus von Beveren kreuzte eine Flotte im Golf von Mejico, wo siegreiche Gefechte gegen die Spanier geliefert wurden. Auch Kolonialprojekte tauchten auf, und in der That legte der Kammerjunker Otto Friedrich von der Gröben 1683 an der Goldküste von Afrika ein Fort an, das er „Groß-Friedrichsburg“ taufte. Ebenso wurde unter Friedrich Wilhelm der Sitz der Flotte, da sich die Ostsee für deren Entwicklung nicht günstig erwies, nach Emden an der Nordsee verlegt. Mit dem Tode des Großen Kurfürsten zerfiel jedoch sein Werk, und die afrikanischen Kolonieen gingen an die Holländer verloren. Erst 1848 erwachte wieder das Bedürfnis, eine Kriegsflotte zu besitzen, und bald schwamm auch ein kleines Geschwader, die Deutsche Reichsflotte, auf dem Meere; aber nur kurze Zeit währte dieser Aufschwung, denn schon im Herbste 1852 verkündigte der verhängnisvolle Hammerschlag des Flottenauktionators Hannibal Fischer den Verkauf der deutschen Kriegsschiffe. Auch das ist anders geworden seit den großen Jahren 1870/71. In ehrfurchtgebietender Macht durchkreuzt heute die „Kaiserlich Deutsche Marine“ den Ocean, und auch die deutsche Handelsschiffahrt ist in mächtigem Aufschwunge begriffen, seit die Flagge des Kaiserreichs an der Gaffel des deutschen Kriegsschiffs weht.

Was die technische Seite des Schiffswesens in dieser Periode betrifft, so wurde nun mehr und mehr das Segel das einzige Mittel der Schiffsbewegung; man hat daher die Zeit von 1500 bis ca. 1840 auch die Periode der wirklichen Segelschiffe genannt. Die neueste Zeit hat an die Stelle des Windes als zuverlässigern und stärkern Motor den Dampf gesetzt, die treibende Kraft der modernen Industrie. Seine Nutzbarmachung hat bekanntlich auf dem maritimen Gebiet eine völlige Umwälzung hervorgerufen.


[S. 307]

Drittes Kapitel.
Geschichte der Dampfschiffahrt[162].

Der erste Versuch, ein Schiff durch Dampfkraft fortzubewegen, soll nach spanischen Überlieferungen bereits im Jahre 1543 von Blasco de Garay im Hafen von Barcelona ausgeführt worden sein. Laut der angeblich im Archiv von Simancas aufgefundenen Urkunde hatte das Schiff 20 t Gehalt und wurde durch Schaufelräder getrieben. Mac Gregor hat indes nachgewiesen, daß hier ein Mißverständnis vorliegt und nur von Experimenten in dem Sinne die Rede sein kann, Schiffe durch Schaufelräder mittels Handbetriebs in Bewegung zu setzen. Das erste, tatsächlich durch Dampfkraft bewegte Schiff war jenes auf der Fulda, welches der Franzose Denis Papin 1707 erbaute; als sich jedoch Papin mit seinem Schiff auf die Weser wagte, wurden Schiff und Maschine von den Schiffern, die durch das Dampfboot ihr Gewerbe für bedroht hielten, zerstört. Papin selbst flüchtete nach England, wo er 1714 mittellos starb. Weitere Versuche auf diesem Felde machten die Engländer Savery († 1716), Dickens und Hull; dieselben führten indes zu keinem Resultate. Im Jahre 1753 setzte dann die Pariser Akademie der Wissenschaften einen Preis auf die Erfindung eines Mechanismus, durch welchen man die Kraft des Windes ersetzen könnte. Nachdem sich mehrere Gelehrte um die Lösung dieses Problems vergeblich bemüht hatten, erhielt Bernoulli den Preis, der bewies, daß nach dem damaligen Stande der Wissenschaften die Erfindung eines solchen Mechanismus unmöglich sei.

Um 1770 beschäftigten sich die französischen Offiziere Graf d’Auxiron und Chevalier Monin de Follenai bei der Schwaneninsel nächst Paris mit Dampfschiffahrtsversuchen, ohne zu wissen, daß ein gewisser Marquis Jouffroy dieselben Ideen verfolge und vorläufig die hierzu nötigen Kapitalien ansammle. Die beiden Offiziere hatten schon ein fertiges Dampfschiff hergestellt, als ihnen das unglückliche Los des Papin zu teil wurde. Eines Morgens fanden sie das Schiff zerstört, und zur weitern Ausführung ihrer Projekte fehlten ihnen die Geldmittel. D’Auxiron nahm sich das Mißlingen seiner Sache, von welcher er den besten Erfolg erwartete, derart zu Herzen,[S. 308] daß er aus Gram darüber starb. Unterdessen hatte Jouffroy eine genügende Summe Geldes gefunden und ein Dampfschiff gebaut; die diesbezüglichen Experimente, auf der Seine ausgeführt, mißlangen jedoch völlig. Jouffroy zog sich nun nach seiner Heimat Baume-les-Dames (am rechten Ufer des Doubs) zurück und setzte hier seine Versuche fort, indem er sich mit unzulänglichen Werkzeugen und der plumpen Arbeit eines ländlichen Grobschmieds behalf. Am 15. Juli 1783 fand auf der Saône in Gegenwart einer Zuschauermenge von 10000 Personen das erste Experiment mit dem von ihm konstruierten Radschiff statt. Nachdem der Versuch vollständig gelungen und man sich überzeugt hatte, daß jenes Schiff, gegen die Strömung fahrend, eine ansehnliche Geschwindigkeit erreiche, wollte Jouffroy sofort eine Dampfschiffahrts-Gesellschaft gründen. Der Umstand aber, daß die Probe nicht in Paris vorgenommen wurde, diente der Pariser Akademie zum Vorwande, mit ihrer Beurteilung zurückzuhalten, und ebenso der Regierung, die Verleihung des vom Erfinder nachgesuchten Monopols zu verweigern. Verarmt und entmutigt, gab dieser endlich alle Hoffnung auf, seine Pläne jemals durchführen zu können, und trat wieder in die Armee ein. 1816 machte Jouffroy nochmals einen erfolglosen Versuch; 1830 starb er im Invalidenhause zu Paris.

Auch in England hatte unterdessen das unverminderte Interesse an der Einführung der Dampfschiffahrt zahlreiche Experimente veranlaßt. James Taylor hatte erkannt, daß die Dampfmaschine die einzige geeignete Bewegungskraft für Schiffe wäre, und riet dem Ingenieur Patrick Miller, sich der Sache anzunehmen. Letzterer ging auf den Vorschlag ein und ließ durch den Ingenieur William Symington eine kleine Schiffsmaschine bauen. Die Versuche fielen zur größten Befriedigung aus; das Boot legte per Stunde 5 Meilen zurück. Ermutigt durch diesen Erfolg, ließ Miller 1789 ein größeres Dampfschiff bauen. Die Schaufelräder desselben waren aber zu leicht, so daß sie schon bei der ersten Probe brachen. Sie wurden deshalb durch stärkere ersetzt, und im Dezember 1789 legte das Boot in der Stunde 7 Meilen zurück. Miller scheint indes, wie mancher andere Erfinder, das Interesse an der Sache verloren zu haben, sobald ein Erfolg erreicht war; er ließ das Projekt fallen und widmete sich dem Landbau. Um so eifriger beschäftigte sich der Ingenieur Symington mit der Sache. Lord Dundas, einer der reichsten Pairs, stellte ihm auch seine riesigen Kapitalien zur Verfügung, und 1802 bereits war das erste Boot, das Symington für Dundas baute, und welches als das erste wirklich praktische Dampfschiff angesehen wird, zur Probe fertig. Einer Tochter des Lords zu Ehren erhielt es den Namen „Charlotte Dundas“. Die Probe selbst wurde im März des Jahres 1802 vorgenommen und ergab ein sehr günstiges Resultat. Das Schiff legte in 6 Stunden 20 Meilen zurück und das bei widrigem Winde; dabei hatte das Schiff zwei Lastboote von je 70 t[S. 309] geschleppt. Lord Dundas trug nun die Angelegenheit dem Herzog von Bridgewater vor, und dieser erteilte auch Symington den Auftrag, acht Boote wie die „Charlotte Dundas“ für seinen Kanal zu bauen. Der Tod des Herzogs verhinderte jedoch die Ausführung der Bestellung, und Symington gab sein Projekt verzweifelnd auf.

In Amerika hatte bereits 1784 James Rumsey auf die Bewegung von Riemen (Rudern) durch Dampf ein Patent vergeblich erstrebt; er ging deshalb nach England, sah sich dort aber schon überflügelt.

Wenige Jahre später erhielt Fitch in den Staaten Pennsylvanien und New-York das ausschließliche Recht, Dampfer auf den dortigen Gewässern einzustellen. Er fand jedoch für seine Unternehmungen keine Unterstützung und ertränkte sich, in Armut und Verzweiflung geraten, 1798 im Alleghany. Nach seiner letztwilligen Verfügung wollte er am Ufer des Ohio begraben sein, „wo der Gesang des Schiffers die Stille seiner Ruhestätte beleben und die Musik der Dampfmaschine seinen Geist beruhigen werde“. Fast wie eine Prophezeiung klingt jetzt sein wiederholter Ausspruch: „Es wird ein Tag kommen, wo ein Mächtigerer Ruhm und Reichtum durch meine Erfindung ernten wird; allein niemand will glauben, daß der arme Fitch etwas Beachtenswertes zu leisten vermag.“ Vor seinem Tode übergab er seine Pläne und Skizzen der philosophischen Gesellschaft in London, damit, wenn sich ein anderer finden sollte, der den Mut hätte, sich jener Sache anzunehmen, er von Fitchs Wahrnehmungen Nutzen ziehen könne.

Auch die Versuche Cox Stevens aus New-York verliefen, ebenso wie die Samuel Moreys aus Connecticut, resultatlos. 1786 baute dann der Amerikaner Oliver Evans einen Kessel für sehr hohen Druck und experimentierte damit auf dem Delaware; aber erst Robert Fulton war es, der 1807 das schwierige Problem glücklich löste.

Fig. 111. Robert Fulton.

Robert Fulton, 1765 in Little-Britain (Pennsylvanien) geboren, war seines Zeichens Uhrmacher, pflegte jedoch schon seit seiner frühesten Jugend Studien über Mechanik und Malerei. Zur Vervollständigung seiner Bildung hielt er sich zwei Jahre in der eminent industriellen Stadt Birmingham auf. Hierauf übersiedelte er nach Paris und begann dort seine Experimente mit[S. 310] Torpedos und Torpedobooten. Von der französischen Regierung unterstützt, brachte er ein solches Fahrzeug zu stande; die Versuche ließen indes keinen Zweifel übrig über die Unzweckmäßigkeit seiner Erfindung. Schon war Fulton bereit, die Alte Welt zu verlassen, um sich nach seiner Heimat zu begeben, als er die Bekanntschaft Livingstons machte, der damals (1801) als Gesandter der Union in Paris weilte. Livingston und Fulton vereinigten nun ihre Kräfte, und während ersterer die Herbeischaffung der nötigen Kapitalien besorgte, machte sich Fulton daran, ein Dampfschiff zu konstruieren. Am 9. August 1803 steuerte sein erstes fertiges Dampfschiff stromaufwärts auf der Seine und erreichte eine Geschwindigkeit von 6 km per Stunde. So erfolgreich dieser Versuch genannt werden mußte, so bemühte sich Fulton doch umsonst, für sein Unternehmen die Unterstützung des ersten Konsuls Bonaparte zu erlangen. Dieser machte sich vielmehr über Fultons Erfindung lustig und nannte sie einen „Schwindel“. Infolgedessen verließen Livingston und Fulton Europa, um ihre Erfindung in Amerika zur vollen Geltung zu bringen. Fulton hatte aber wohl erkannt, daß die üblen Ausgänge der bisherigen Unternehmungen größtenteils in den mangelhaften und unkräftigen Dampfmaschinen ihren Grund hatten; er wandte sich deshalb an die damals beste Firma der Welt, Boulton & Watt in England, um eine Maschine, wie er sie brauchte. Sie wurde 1806 nach New-York geliefert, und Fulton gab nun sofort den Befehl zum Bau des Bootes, auf welches sie gesetzt werden sollte. Fultons Landsleute zeigten nun freilich seinem Unternehmen gegenüber ganz denselben Mangel an Verständnis und Vertrauen, wie das große Publikum der Alten Welt. Der im Entstehen begriffene „Clermont“ war die Zielscheibe beißender Kritiken und Spöttereien: man nannte das Schiff nicht anders als „Fultons Narrheit“. Als dasselbe zur ersten Probefahrt fertig war, bestieg es Fulton unter dem Hohngelächter von vielen Tausenden, das sich noch wesentlich steigerte, als das Fahrzeug auf das Signal zur Abfahrt sich zwar eine kleine Strecke bewegte, dann aber ruhig stehen blieb. Fulton hatte indes den Fehler in der Maschinerie bald gefunden und beseitigt, und als dann das Schiff mit zunehmender Geschwindigkeit vom Werft in den Hudson einlief, verwandelte sich der Spott in Staunen, und brausender Jubel empfing den Erfinder. Der „Clermont“ hatte eine Länge von 44 m und eine Tragkraft von 160000 kg; die Maschine war 18 Pferdekräfte stark.

Am 17. August 1807 unternahm Fulton die erste größere Probefahrt, und zwar von New-York bis Albany und wieder zurück. Hierbei legte das Schiff die Entfernung von 150 Meilen bei der Hinfahrt in 32, bei der Rückfahrt in 30 Stunden zurück.

Dies war die erste größere Reise, die je auf einem Dampfer gemacht worden war.

Nachdem Fulton noch manches schöne Schiff gebaut hatte, beschloß er seine Laufbahn mit einem seiner würdigen Werke, einer mächtigen Dampfer[S. 311]fregatte, die der Kongreß infolge der im Jahre 1814 eingetretenen kriegerischen Aussichten erbauen ließ. Es war dies die erste Anwendung der Dampfmaschine für Kriegsschiffe, die für die damalige Zeit zugleich als vortrefflich gelungen zu bezeichnen ist. Fulton erlebte jedoch die Vollendung seiner schwimmenden Festung nicht; er starb, erst 50 Jahre alt, am 24. Februar 1815. Sein Tod wurde als ein nationales Unglück betrauert. Materiellen Erfolg scheint Fulton übrigens nicht erzielt zu haben; denn bei seinem Tode hinterließ er eine Schuldenlast von 100000 Dollars.

Gegenüber den amerikanischen Erfolgen konnte man nun auch in Europa und vor allem in England nicht gleichgültig bleiben. Im Kometenjahre 1811 baute der schottische Ingenieur Heinrich Bell das Dampfschiff „Komet“, das die Verbindung zwischen Glasgow und Greenock zu unterhalten bestimmt war. Es fand sich indes niemand, der sich ihm anschließen wollte, und selbst nachdem Bell mit seinem Schiffe eine Fahrt um ganz England gemacht hatte, waren seine Geschäfte noch so schlecht, daß er kaum die Betriebskosten deckte. Selbst an formeller Opposition fehlte es nicht, namentlich seitens der Bootführer. Die Klagen kamen 1817 sogar ins Parlament, aber der Ausschuß wies die Beschwerde ab, da „die Einführung des Dampfes ein mächtiges Agens von fast universeller Anwendbarkeit sei“. Bald bedeckten sich auch alle Ströme und Flüsse der civilisierten Länder mit Dampfbooten. Auf dem Mississippi war schon 1811 das erste Dampfschiff vom Stapel gelassen worden, in Schottland betrug 1815 die Zahl der im Betrieb befindlichen Dampfer bereits 20; auch auf den deutschen Flüssen begann die Dampfschiffahrt schon 1816, und die französischen Gewässer befuhren Dampfschiffe seit 1820. Die Flußdampfschiffahrt war somit gesichert.

Fig. 112. Älterer transatlantischer Raddampfer.

Länger verzögerte sich die Entwicklung der Dampfschiffahrt auf hoher See. Die erste Dampfschiffahrt über den Ocean wurde zwar schon 1819 gemacht. Am 20. Juni dieses Jahres war nämlich in Liverpool die „Savannah“ eingetroffen, welche in 26 Tagen die Reise von dem amerikanischen Seehafen gleichen Namens zurückgelegt hatte. Der Versuch der „Savannah“ war jedoch noch nicht entscheidend; denn für einen Teil der überseeischen Reise waren auch die Segel benutzt worden. In England fanden daher in jener Zeit über das Für und Wider dieser Angelegenheit zahlreiche Diskussionen statt, und noch 1836 reiste der englische Professor und Physiker Dionysius Lardner eigens nach Bristol, um daselbst vor der britischen wissenschaftlichen Gesellschaft eine Vorlesung über die Unmöglichkeit einer transatlantischen Dampfschiffahrt zu halten. „Der Gedanke, eine oceanische Dampfschiffahrt eröffnen zu wollen, gleicht vollkommen jenem andern einer Reise nach dem Monde“, das waren die Schlußworte dieser berühmten Rede. So waren 19 Jahre vergangen, ehe ein zweiter Versuch einer transoceanischen Fahrt, diesmal von englischer Seite, angestellt wurde. Derselbe war jedoch von glänzendem Erfolge begleitet. Im April des Jahres 1838 verließen die[S. 312] Dampfer „Sirius“ und „Great Western“ die englische Küste, ersterer am 4., letzterer am 8. April, und beide kamen in New-York am gleichen Tage — am 23. April — an. In New-York wurden die Schiffe mit dem größten Enthusiasmus empfangen. Von den Forts wie von den im Hafen liegenden Kriegsschiffen wurden sie mit Freudenschüssen begrüßt; die Kauffahrer neigten ihre Flaggen, die Bürger versammelten sich auf dem Hafendamm und fuhren[S. 313] ihnen jubelnd entgegen. Die Tagesblätter waren voll von Berichten über die Reise, sowie von den Beschreibungen der Dampfer und ihrer Maschinen. Wenige Tage später traten die beiden Schiffe ihre Rückfahrt nach England an. Der „Sirius“ erreichte Falmouth pünktlich in 18 Tagen, der „Great Western“ gelangte nach Bristol in 15 Tagen. Damit war der Sieg des Dampfers über das Segelschiff entschieden, und es eröffnete sich dem transatlantischen Handel eine großartige Perspektive. Die ersten, welche, von der Überlegenheit des Dampfschiffes Gebrauch machend, Postdampfschiffskurse zwischen England und Nordamerika errichteten, waren die praktischen Engländer. Im Jahre 1840 schloß die englische Regierung mit dem Reeder Samuel Cunard in Halifax einen Vertrag, nach welchem sich letzterer verpflichtete, gegen Gewährung einer jährlichen Subvention von 65000 Pfd. St. eine monatlich einmalige regelmäßige Dampfschiffverbindung für den Post- und Personenverkehr zwischen Liverpool und Halifax (Boston) zu unterhalten. Am 4. Juli 1840 lief denn auch das erste Schiff Cunards, die „Britannia“, von Liverpool aus. Dies war der Anfang des jetzt so großartig entwickelten transatlantischen Dampferverkehrs, der, von etwa zweihundert Dampfern vermittelt, gleich einer mächtigen Brücke Europa und Amerika verknüpft.

Fig. 113. Skizze zur Darstellung der Schraube und des Steuers.

Zur höchsten Vollendung sollte indes die Dampfschiffahrt erst nach Erfindung der Schraube kommen. Denn die Raddampfer haben, vom Standpunkt des Seemanns aus, manch unliebsame Eigenschaften. Das erste Schraubenboot in Europa soll Joseph Ressel, aus Chrudim in Böhmen gebürtig, 1829 in Triest gebaut haben. Ein Unfall bei der Probefahrt, so wird weiter berichtet, habe jedoch die Polizei zum Verbote weiterer Versuche veranlaßt, und so sei die Sache in Deutschland nicht weiter verfolgt worden. In Frankreich gilt Frederic Sauvage, dem in Boulogne ein Denkmal errichtet wurde, als Erfinder der Schraube, während England die endgültige Einführung des neuen Motors von den durch den schwedischen,[S. 314] seit 1839 in New-York wohnenden Ingenieur-Kapitän John Ericsson vorgenommenen Verbesserungen datiert, auf Grund deren sein Schiff „Francis Ogden“ 10 Knoten Geschwindigkeit erreichte. Schon 1845 war der „Great Britain“ als erstes Schraubenschiff über den Ocean gedampft, und seitdem hat die verbesserte Schiffsschraube die Räderdampfer fast gänzlich vom hohen Meere verdrängt.


Viertes Kapitel.
Die Fortschritte der Nautik in neuester Zeit.

Die Fortschritte, welche die Nautik, das Wort in seinem weitesten Sinne genommen, in jüngster Zeit gemacht hat, sind teils wissenschaftliche, teils technische. Von beiden soll im folgenden des nähern gehandelt werden.

I. Oceanographie[163].

Unter allen wissenschaftlichen Disciplinen steht an Bedeutung für die Schiffahrt obenan die Oceanographie. Die Resultate dieses gerade in der jüngsten Zeit so eifrig gepflegten Zweiges der Nautik dürfen daher wohl in keinem Werke, das sich mit der Schiffahrt beschäftigt, ignoriert werden. Allerdings kann es sich hier nur darum handeln, die bedeutsamsten Ergebnisse der Wissenschaft vom Meere den Lesern vorzuführen.

Was zunächst die Gesamtfläche der Oceane betrifft, so nimmt dieselbe (nach Krümmel) 72% der Erdoberfläche ein, während auf das Land nur 28% entfallen.

Die Hauptmeere der Erde sind, ihrer Größe nach geordnet, nach Guthe-Wagner folgende:

Meere. Q-Meilen. qkm. Nördl. Eis-
meer = 1.
1. Nördliches Eismeer  278000  15,3 Mill.  1 
2. Südliches Eismeer  372000  20,5  1,3
3. Indischer Ocean 1340000  74   4,8
4. Atlantischer Ocean 1610000  88,6  5,8
5. Großer Ocean 3190000 175,6 11,5

[S. 315]

Hiernach ist das Südliche Eismeer 1⅓mal, der Indische Ocean 4⅘mal, der Atlantische Ocean 5⅘mal und der Große Ocean 11½mal größer als das Nördliche Eismeer.

Einen umfassenden und ideenreichen Versuch, die Meeresflächen nach Umriß-, Tiefen- und Strömungsverhältnissen zu klassifizieren, hat neuestens Krümmel gemacht; doch kann hier nicht weiter die Rede davon sein.

Fig. 114. Verteilung der Land- und Wassermassen.

In Bezug auf die Oberflächengestalt des Meeres ist besonders das Niveauverhältnis beachtenswert. Auf Grund der hydrostatischen Gesetze sollten nämlich die verschiedenen Teile des Weltmeeres, da sie unter sich zusammenhängen, mit einander kommunizieren, in Bezug auf ihre Oberflächen einander entsprechen, d. h. alle in einer sphärisch gekrümmten Fläche — man nennt diese Fläche in der Theorie eben den Meeresspiegel oder das Niveau des Meeres — zusammenfallen. In der That erfahren jedoch die Niveauflächen des Meeres mannigfache Störungen, z. B. durch die von den Kontinenten auf das Wasser ausgeübte Attraktion, durch die stete Wellenbewegung, durch Ebbe und Flut, wechselnden Luftdruck u. s. w.[S. 316] Die Erde hat daher auch keine rein sphäroidale Gestalt, vielmehr hat man die ihr eigentümliche Oberflächenform das Geoid genannt.

Die Tiefe des Meeres ist sehr ungleich. Die größte bis jetzt ermittelte Tiefe findet sich im Großen Ocean südöstlich von Japan unter 44° 45′ n. Br. und 152° 26′ östl. L. und beträgt 8513 m (Mount Everest 8840 m). Die größte bekannte Tiefe des Atlantischen Oceans, 100 Seemeilen nordwestlich von St. Thomas, erreicht 8341 m. Im ganzen haben die neueren Messungen nur sehr selten eine Tiefe von mehr als 6000 m ergeben, dagegen hat man Tiefen bis zu 5000 m (Montblanc 4800 m) in fast allen Oceanen gefunden. Die mittlere Tiefe der großen Oceane beträgt gegen 3700 m. Da nun die Kontinente eine Mittelhöhe von 440 m haben, so liegen die großen Thalebenen der Oceane etwa achtmal so tief unter dem Meeresspiegel, als sich die Gesamtheit der Ländermassen darüber erhebt. Da ferner die Volumina der Kontinente, soweit sie über dem Meeresspiegel liegen, und jene der Weltmeere sich zu einander verhalten wie 1:21,4, so könnten die festländischen Massen auch 21,4mal in die vom Meere erfüllten Räume hineingeschüttet werden. Die Weltmeere erlitten daher, würden alle Unebenheiten der Festländer bis zum Wasserspiegel abgetragen und in jene geworfen werden, einen kaum merklichen Verlust an Tiefe. Krümmel schätzt diesen Tiefenverlust auf nur 160 m.

Der Meeresgrund ist vor allen jenen zerstörenden Einwirkungen geschützt, die an der trockenen Oberfläche eine der Hauptursachen der Unebenheiten sind. Die Weltmeere haben daher auf ihrem Grund und Boden keine Gebirge und Thäler, wie die Kontinente. Wohl zeigt das Meer Unebenheiten, aber diese Niveau-Unterschiede sind durch sehr sanft geböschte Abhänge miteinander verbunden. Eine Ausnahme machen nur die vulkanischen und die Korallen-Inseln, die oft plötzlich aus großen Meerestiefen aufsteigen.

Die Farbe des Meeres ist nach den neueren Beobachtungen ein schönes, reines Blau. Sehr salzhaltige Gewässer, wie der Golfstrom, der Kuro Siwo, haben eine rein indigoblaue Farbe. Im übrigen sind auf die Farbe verschiedene Ursachen von Einfluß, wie das Hindurchschimmern des Untergrundes, dem Meere zugeführter Schlamm, Infusorien und Korallenbänke.

Eine über alle Beschreibung prächtige Erscheinung ist das Leuchten des Meeres; es wird durch kleine Meertiere verursacht, besonders aus den Klassen der Krebse und Quallen, welche, ähnlich unseren Johanniswürmchen, während ihres Lebens Licht zu entwickeln im stande sind.

Der Salzgehalt des Meeres beträgt im freien Ocean durchschnittlich 3½%; er ist geringer in Binnenmeeren, in welche viele Flüsse münden, wie im Schwarzen Meere (2%), größer in geschlossenen Binnenmeeren, die eine sehr starke Verdunstung haben, wie im Mittelmeer (4%); in letzterem würde infolge der starken Verdunstung das Wasser unfehlbar beständig abnehmen, wenn nicht eine durch die Straße von Gibraltar aus dem Atlantischen Ocean eintretende Strömung das Gleichgewicht herstellte.

[S. 317]

Was die Meerestemperatur betrifft, so erwärmt sich die Oberfläche der Tropenmeere bis zu 32° C., dagegen zeigt die Oberfläche der Polarmeere eine Temperatur selbst bis zu -3°. Es ist ferner bemerkenswert, daß in den offenen Meeren der gemäßigten und heißen Zone die Temperatur erst ziemlich rasch, dann langsamer abnimmt, bis sie auf 4° C. gesunken ist; letzteres ist der Fall bei einer Tiefe von 730–1100 m. Von da ab fällt die Temperatur noch langsamer, bis sie auf dem Meeresboden zwischen 2° und 0° und in den kälteren Meeren sogar bis zu -2,5° beträgt. Die Bodentemperaturen des Meeres schwanken somit zwischen -2° und -2,5°, die der Oberflächen der Meere aber zwischen +32° und -3°. — Daß die Temperatur der Tiefsee in den wärmeren Meeren verhältnismäßig niedriger ist als diejenige, welche ihr nach den bekannten niedersten Oberflächen-Temperaturen zukäme, erklärt sich aus einer mächtigen, aber langsamen Wasserbewegung der gesamten unteren Meeresschichten von den Polen nach dem Äquator zu.

Fig. 115.
Schlick oder Tiefseeschlamm vom Grunde des
Atlantischen Oceans.
(Nach Geikie.)

Das Meer ist nicht eine leblose, öde Wasserwelt, sondern wird von einer zahllosen Menge organischer Wesen belebt. Außerordentlich mannigfach ist z. B. die Tierwelt; es finden sich nicht bloß Fische im Meere, sondern Tiere aller Klassen in großer Masse, besonders gewisse mikroskopische Schalen-Organismen. Dabei ist die Thatsache höchst bemerkenswert, daß die Tierwelt des Meeres keine Tiefengrenze hat; denn Tiere wurden am Meeresboden in allen Tiefen gefunden. — Die Flora des Meeres besteht, wenige Ausnahmen abgerechnet, aus Tangen, die bekanntlich zu den elementarsten Gebilden des Pflanzenlebens gehören.

Bezüglich der Bewegung des Meeres unterscheidet man eine dreifache: Wellenbewegung, Ebbe und Flut (Gezeiten oder Tiden) und Strömungen.

Die Wellenbewegung entsteht durch den Druck des Windes auf die Oberfläche des Wassers. Eigentümlich ist dabei, daß die Wasserteilchen sich wesentlich nur auf und ab bewegen, aber nicht seitwärts fortschreiten. Die Wasserteilchen beschreiben Kreise oder Ellipsen um ihre Ruhelage, nur die Bewegungsform pflanzt sich fort. Von dieser Art der Bewegung überzeugt schon ein einfacher Versuch. Wirft man einen Stein in einen Teich, auf dessen Oberfläche Blätter schwimmen, so sieht man letztere wohl sich heben und senken, aber ihren Ort verändern sie nicht. — Der große, lange und breite Wogengang, den man auf offener See bemerkt, und der in majestätischer Gemessenheit voranschreitet, wird Dünung genannt. — Bei[S. 318] der Welle unterscheidet man Wellenthal und Wellenberg. Der vertikale Abstand ihrer äußersten Punkte ist die Höhe der Welle. Diese erreicht auf hoher See wohl nicht über 15 m; jedenfalls sind die früheren Erzählungen von turm- und berghohen Wellen stark übertrieben. Wo dagegen Steilufer dem Anpralle des Meeres sich entgegensetzen, wird der Gischt der Wellen wohl um das Vierfache höher geschleudert. — Von der Höhe der Wellen ist auch die Tiefe abhängig, bis zu welcher das Wasser an der schwingenden Bewegung teilnimmt; nach den Versuchen der Gebrüder Weber ist dieselbe 350mal größer als die Höhe. Die höchsten Wellen des Oceans würden also das Wasser bis zu einer Tiefe von ca. 4500 m aufwühlen, aber schon in 130–260 m Tiefe beträgt die Wellenhöhe nur mehr 1⁄500 derjenigen an der Oberfläche. — Die Gewalt der Wellen, besonders der brandenden, ist zuweilen eine ganz außerordentliche; so werden am Bell-Rock-Leuchtturm an der schottischen Küste oft bis 40 Centner schwere untermeerische Rollsteine an den Leuchtturm emporgerissen, und bei der Insel Barbados trugen die Sturmwellen untergesunkene Kanonenrohre ans Land. — Wie die Höhe der Wellen, wird auch gerne deren Steilheit überschätzt; bei den steilsten verhält sich nach Klein Höhe zur Breite wie 1:12; bei Wellen von 8 m Höhe haben also die Thäler gegen 100 m Länge. Man kann daraus auf das imposante Aussehen dieser bewegten Wassermasse schließen. — Die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Wellen beträgt bis 30 m per Sekunde; sie ist also eine dreimal größere als die eines schnellen Windes; ein hoher Seegang kann dem Seefahrer darum schon einen Sturm ankünden, bevor noch andere Anzeichen desselben eingetreten sind.

Fig. 116. Die Bewegung der Wellen.

Wesentlich verschieden von den Windwellen sind die Seebebenwellen, die mit den Erdbeben in Verbindung stehen. Von einer solchen Seebebenwelle war z. B. der Ausbruch des Vulkans der Insel Krakatau vom 26. August 1883 begleitet. Dieselbe, von der Sundastraße ausgehend, erschütterte nicht nur den ganzen Indischen Ocean, sondern pflanzte sich auch in den Pacifischen fort und wurde sogar noch im Atlantischen Ocean (an der französischen Küste des Biscaya-Golfes) verspürt.

Fig. 117.

Unter Ebbe und Flut versteht man das regelmäßige, zweimal des Tages (genauer 24 Stunden 50 Minuten) eintretende Anschwellen und Zurückweichen des Meeres. Die Ursache dieser Erscheinung ist vorzugsweise die Anziehungskraft unseres nächsten Weltkörpers, des Mondes, zum geringern Teil der Sonne. Es sei in Fig. 117 M der Mond und ABCD die Erde,[S. 319] die wir uns ganz mit Wasser bedeckt denken wollen. Die Erdstelle A, weil dem Monde näher als der Mittelpunkt O, wird stärker angezogen als dieser, sobald der Mond über A kulminiert. Andererseits wird aus dem gleichen Grunde O stärker vom Monde angezogen als die Gegend bei B. Dadurch erfährt nun allerdings die feste Masse der Erde keine Veränderung ihrer Gestalt, wohl aber das Meer mit seinen leicht verschiebbaren Teilchen. Dieses schwillt nämlich sowohl bei A, als auch bei B zu einer flachen Welle an, weil es beiderseits das Streben erhielt, sich vom Anziehungspunkte O zu entfernen; es ist Flut. Dagegen ist auf den von der beiderseitigen Welle um 90 Längengrade entfernten Meridianen Ebbe, weil von dort die Wasserteilchen nach den Flutseiten abgelenkt werden; es geht also in C das Wasser nach C1 zurück und ebenso in D nach D1. — Die Gezeiten wirken jeden Monat zweimal, zur Zeit des Neu- und Vollmondes, am stärksten (Springfluten), und zweimal, zur Zeit des ersten und letzten Viertels, am schwächsten (Nippfluten). Bei Neumond, wo Sonne und Mond auf derselben Seite der Erde stehen und in derselben Richtung die Erde anziehen, wird durch das Zusammenwirken die Zenithflut verstärkt; bei Vollmond stehen sich Sonne und Mond diametral gegenüber, und die Sonne verstärkt durch ihre Anziehung die Nadirflut. Beim ersten und letzten Viertel stehen Sonne und Mond rechtwinklig zur Erde, und der Mond bewirkt da eine Flut, wo die Sonne eine Ebbe hervorruft. Daher ist die Flut geringer, eine Nippflut; beide Wirkungen schwächen einander. — Im offenen Weltmeere beträgt der Unterschied zwischen Ebbe und Flut höchstens 2½ m, in engen Kanälen aber steigt die Flut weit höher; so im Kanal von Bristol bis auf 15 m, im hintersten Ende der Fundy-Bai (Nordamerika) sogar bis auf 30 m. — Sehr bedeutend wird Höhe und Gewalt der Flutwellen, wenn die Richtung von Orkanen mit der Flut zusammentrifft. In diesem Falle entstehen dann sogenannte Sturmfluten, welche, wenn sie niedrige Küsten erreichen, in Verbindung mit dem während des Sturmes niederstürzenden wolkenbruchartigen Regen weite Landstrecken plötzlich unter Wasser setzen. Die Sturmchroniken der Nord- und Ostseegestade sind voll von derlei furchtbaren Elementarereignissen. So entstanden im 12. und 13. Jahrhundert durch solche Sturmfluten Dollart- und Jadebusen. Aus gleichem Grunde stieg am 4. Februar 1825 der Spiegel der Nordsee in der Jade um 6 m und ebenso am 13. November 1872 der Spiegel der Ostsee um 4 m über den mittlern Wasserstand.

[S. 320]

Die Meeresflut dringt auch in die Flüsse ein, wo sie zuweilen als eine brandende Wassermauer von mehreren Metern Höhe stromaufwärts läuft. Das Gefälle des Flusses wird dadurch vermindert, ja häufig wird seine Strömung völlig zum Stillstand gebracht. Natürlich ist dieses Phänomen nur bei oceanischen Flüssen von Bedeutung. So dringt die Flutwelle in der Weser 67, in der Elbe 148, in den Hauptarmen des Ganges ca. 250, im Amazonas sogar 320 km flußaufwärts. Ihr Endpunkt ist die eigentliche Grenze von Land und Meer. — Daß die Kenntnis dieser Verhältnisse für die Schiffahrt von großer Bedeutung ist, liegt auf der Hand; denn soweit die Flut einen Fluß aufwärts zieht, soweit vermögen auch die großen Seeschiffe einzudringen. An diesen Endpunkten des Flutstroms entwickelten sich deshalb auch zahlreiche bedeutende Handelsstädte. — Den Zeitunterschied zwischen der Kulmination des Mondes und dem wirklichen Eintreffen des Hochwassers nennt man Hafenzeit. Sie ist für verschiedene Punkte eine verschiedene. Namentlich bewirken Untiefen des Meeres, daß selbst sehr nahe gelegene Häfen von den Flutwellen zu sehr verschiedener Zeit erreicht werden. — Linien, welche die Orte mit gleicher Hafenzeit verbinden, heißen Isorachien[164] (auch cotidal lines). Karten mit solchen Linien (bezogen auf den Meridian von Greenwich) konstruierte zuerst der Engländer Whewell. Diese Linien stimmen zwar mit den beobachteten Hafenzeiten an den Küsten überein, aber ihre Verlängerung in das Meer hinaus ist lediglich ein Phantasiegemälde. Nach dieser Darstellung trifft z. B. an der Themsemündung die Flut 11h nach dem Meridiandurchgang in Greenwich ein. Es ist klar, daß auch die Kenntnis der Hafenzeit dem Seefahrer unerläßlich ist.

Die Bewegung der Ebbe und Flut erfordert zu ihrer Hervorbringung eine Kraft, die ganz ungeheuer ist. Nimmt man, sagt Klein, die Höhe der Flut nur zu 1 Fuß an, so ergiebt sich, daß im Laufe eines jeden Tages eine Wassermasse von 120 Kubikmeilen um die Erde bewegt wird. Bedenkt man nun, daß das größte Bauwerk der Menschen, die große ägyptische Pyramide, etwa den millionsten Teil von einer Kubikmeile beträgt, so erhält man wenigstens eine Ahnung von der enormen Arbeitsleistung. Vielleicht kommt man noch darauf zurück, die in den Flutwellen liegenden ungeheuren Kraftquellen auch zu mechanischen Zwecken zu verwenden. — Die Erscheinung der Flut spielt auch noch eine wichtige Rolle in der Physik der Erde. Da sich nämlich die Erde von West nach Ost um ihre Achse dreht, während die Flutwellen die direkt entgegengesetzte Bewegung haben, so muß die durch die Strömung der Gewässer bewirkte Reibung und insbesondere der Druck, den die Flutwellen gegen die festen Rindenteile der Erde, die Kontinente, ausüben, die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde vermindern, respektive die Gesamtdauer von Tag und Nacht verlängern. Die Verlangsamung ist übrigens praktisch[S. 321] nur eine sehr geringe; sie beträgt im Laufe mehrerer hunderttausend Jahre kaum eine Sekunde.

Fig. 118. Isorachien.

Endlich verdient wohl noch Erwähnung, daß alle barbarischen Küstenvölker eine Theorie von Ebbe und Flut in ihren symbolischen Dichtungen aufstellten. Die skandinavischen Sagas stellen Thor, den Gott der Luftgewalten, dar, wie er aus einem Horne, das in die Tiefen des Oceans taucht, das Wasser aufsaugt und mit seinem gewaltigen Atem die Fluten abwechselnd sich heben und senken macht. Noch im 17. Jahrhundert meinte Fournier, daß Ebbe und Flut etwas Ähnliches seien, wie das Fieber im menschlichen Körper. Selbst der geniale Kepler glaubte, die Erde sei ein mit Vernunft begabtes Untier, dessen Respiration, Schlaf und Erwachen, die Ebbe wie die Flut hervorbringe.

Wir gehen über zu den Meeresströmungen. Die bedeutendsten derselben sind folgende: Aus dem Nördlichen Eismeere kommt der Polarstrom oder die arktische Strömung; sie geht zwischen Grönland und Island in den Nordatlantischen Ocean, wendet sich dann zurück gegen Norden in die Davisstraße und, vereinigt mit der Strömung der Hudsonsbai, abermals gegen Süden nach Neufundland; hier begegnet sie dem aus der Straße von Florida kommenden und die Ostküste Nordamerikas begleitenden Golfstrom. — Aus dem Südlichen Eismeere zieht die antarktische Strömung ohne Widerstand bis zur Südspitze Amerikas und teilt sich[S. 322] hier in zwei Arme, von denen der eine der Richtung der Südwestküste Amerikas nach Norden folgt und der Peruanische Strom oder die Humboldts-Strömung heißt, der andere Arm aber um das Kap Hoorn herumbiegt und sich ebenfalls nach Norden in den Atlantischen Ocean wendet. — Auch an der Südspitze Afrikas geht eine Abzweigung der antarktischen Strömung an der Westküste Afrikas — als Westafrikanischer Strom — gegen Norden.

Fig. 119. Meeresströmungen.
Die Pfeile deuten die Richtung der Ströme an, die warmen Ströme
sind durch die ganzen Linien, die kalten Polarströme
durch die punktierten Linien angedeutet.

Den Atlantischen Ocean durchschneidet längs des Äquators von Ost nach West der warme Äquatorialstrom; er teilt sich an der äußersten Ostspitze Südamerikas (Kap S. Roque) in zwei Arme: einen südlichen, die Brasilianische Strömung, und einen nördlichen, den Guyana-Strom, der durch die Karibische See in den Golf von Mejico geht, aus welchem er durch den Kanal von Florida als sogen. Golfstrom heraustritt; dieser begleitet dann die Küste Nordamerikas, bis ihm bei Neufundland eine kalte Polarströmung (die arktische oder Labrador-Strömung) entgegentritt, wodurch er sich teils gegen Nordosten wendet und bis ins Nördliche Eismeer vordringt, teils gegen Südosten der Küste Afrikas zugeht als Nordafrikanische Strömung. — Innerhalb des großen nordatlantischen Stromwirbels liegt eine ruhige See, welche schwimmende Tangmassen vom Sargassumgeschlecht bedecken, und die unter der stark übertriebenen Bezeichnung Sargassomeer bekannt ist. — Charakteristisch für den Golfstrom ist die schöne blaue Farbe seines Wassers, die sich scharf gegen die Ränder hin abgrenzt; besonders merkwürdig aber ist er durch die hohe (bis 24°)[S. 323] Temperatur seiner Gewässer, wodurch er sehr wohlthätig auf das Klima von Nordwesteuropa einwirkt. Doch ist seine Bedeutung in dieser Beziehung bisher ohne Zweifel überschätzt worden. An der beträchtlichen Temperaturerhöhung des genannten Gebietes sind wohl weit mehr die aus den tropischen Gegenden langsam nach Nordost fließenden Oberflächenwasser beteiligt. — Der Golfstrom bildet auch die Bahn mächtiger Wirbelstürme, weshalb ihn der Seemann gerne den „Sturmkönig“ nennt.

Was die Strömungen des Indischen Oceans betrifft, so wechseln dieselben im nördlichen Teile halbjährig ihre Richtung nach den Monsuns. Im südlichen Teil herrscht eine beständige Strömung des warmen Wassers dieses Oceans nach Südwest gegen Afrika, durch dessen Ostküste sie gegen Süden in den Kanal von Mozambique und nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung gedrängt wird; sie geht aber nicht in den Atlantischen Ocean, sondern biegt hier um und geht wieder nach Osten zurück.

Dem Großen Ocean strömt von Süden her eine Strömung kalten Wassers zu, die schon genannte Peruanische oder Humboldts-Strömung an der Westküste Südamerikas; ebenso mündet in denselben aus dem Nördlichen Eismeere ein Strom kalten Wassers. — Zwischen den Wendekreisen strömt die warme Äquatorialströmung westwärts nach Australien und zur hinterindischen Inselwelt. Bei letzterer beginnt eine nordöstliche Strömung, welche durchaus dem Golfstrom des Atlantischen Oceans entspricht. Es ist der Kuro Siwo der Japaner, d. h. Schwarzer Strom, der den äußersten Saum der ostasiatischen Inselreihen begleitet, an den Küsten Nordamerikas umbiegt, um sich dann wieder mit der großen Äquatorialströmung zu vereinigen. Ihm verdanken die Alëuten und Kamtschatka ebenso ihr milderes Klima, wie das nördliche Skandinavien dem Golfstrome. Ein anderer Teil der Äquatorialströmung fließt an der Ostküste von Australien nach Süden. — In der Äquatorialregion ist ferner (wie auch im Atlantischen Ocean) eine rücklaufende, von West nach Ost gerichtete Strömung bemerkbar. — Wie das nordatlantische Becken, zeigt auch der Nordpacifische Ocean eine Kreisströmung, in deren Mitte sich eine ruhige Meeresfläche befindet, die gleichfalls von Seetang bedeckt ist. — Als die wichtigste Ursache der Meeresströmungen gelten die Winde. Es geht dies hervor aus der großen Übereinstimmung zwischen vorherrschenden Winden und vorherrschenden Oberflächenströmungen der Meere. Der Richtung der Passate entsprechen z. B. die großen äquatorialen, von Ost nach West gerichteten Ströme. Die Strömungen des Indischen Oceans stimmen mit den Monsuns überein. Außerdem kommen noch in Betracht: Ungleiches Meeresniveau, verursacht durch beträchtliche Unterschiede in der Verdunstung des Wassers und der Regenmenge; so ergießen sich in das so ungemein stark verdampfende Mittelmeer vom Atlantischen Ocean wie vom Schwarzen Meere her Strömungen zur Ausgleichung der so erzeugten Niveau-Differenz; ferner Unterschiede in[S. 324] der Temperatur sowie im Salzgehalte und dadurch bedingte Ungleichheit des specifischen Gewichtes. So fließt das schwere kalte Polarwasser in der Tiefe von den Polen zum Äquator und das leichte warme Wasser der Tropenmeere an der Oberfläche vom Äquator zu den Polen. — Auf die Richtung der Meeresströmungen ist von wesentlichem Einfluß die Rotation der Erde. Jeder Meeresstrom nämlich, welcher aus höheren Breiten in niedrigere vordringt, muß, weil er aus Gegenden geringerer Rotationsgeschwindigkeit in solche größerer Rotationsgeschwindigkeit eindringt, zurückbleiben und wird daher in westlicher Richtung abgelenkt; jeder Meeresstrom dagegen, welcher aus niedrigen in höhere Breiten vordringt, wird aus dem entgegengesetzten Grunde in östlicher Richtung abgelenkt. — Die Bedeutung der Meeresströmungen ist eine mannigfache. Sie sind von großer Wichtigkeit zunächst für das Klima, so der Golfstrom und der Kuro Siwo; auch für die Verbreitung von Organismen. Es ist z. B. ziemlich wahrscheinlich, daß die Kokospalme von den Küsten Amerikas durch die Äquatorialströmung des Stillen Oceans bis nach Ceylon gekommen ist; ferner für den Fischfang. So folgen z. B. der Polar- oder Labrador-Strömung unzählige Massen von Fischen, denen aber das warme Wasser des Golfstromes nicht zusagt, so daß sie sich an seinen Rändern wie an einer undurchdringlichen Mauer sammeln. Daher liegen hier die unerschöpflichen Fischereigründe auf der Neufundlands-Bank. Endlich sind die Meeresströmungen ganz besonders wichtig für die Schiffahrt; denn seit der genauen Kenntnis derselben ist die Schiffahrt viel weniger gefahrvoll geworden, und die Wege werden in viel kürzerer Zeit durchmessen.

Wir schließen diesen Abschnitt mit der Betrachtung der Wirkungen des Meeres.

Fig. 120. Beispiel von Felsauswaschungen.

Die Wirkungen des Meeres sind, wie die des fließenden Wassers, chemische und mechanische. Was die chemischen Wirkungen betrifft, so bestehen sie hauptsächlich in dem Absatze der in ihm gelösten Salze. Ein solcher Absatz findet hauptsächlich dort statt, wo das Meerwasser in abgeschlossenen Buchten oder Becken durch Verdunstung und fortgesetzte Salzzufuhr nach und nach zu einer übersättigten Salzlauge wird, aus der sich dann die im Überschuß gelösten Salze absetzen. Auf solche Weise sind z. B.[S. 325] alle unsere zahlreichen Steinsalz-Ablagerungen in den Alpen und in den Karpaten entstanden. Die mechanischen Wirkungen des Meeres sind vor allem zerstörender Art. Großartig treten diese Zerstörungen besonders an der Wind- und Wetterseite der Festlande auf. Dabei ist nicht ohne Belang die Beschaffenheit des Ufergesteins, die Höhe, Richtung und Geschwindigkeit der Wellen. Die Küste von Suffolk z. B. (in England) ist in wenigen Jahren um 16 m zurückgewichen, und gleichzeitig nahm die Meerestiefe so zu, daß Fregatten gefahrlos da segeln, wo sich vor einem halben Jahrhundert ein Fels erhob. Reich an Beispielen von der landzerstörenden Wut des Meeres ist auch die Küste der Nordsee von Holland bis Jütland. Von Texel bis zur Eider waren zu der Römer Zeiten noch 23 Inseln vorhanden; 7 von ihnen sind spurlos verschwunden, und die übrigen gehen alle demselben Schicksale entgegen. Noch zu Anfang des 13. Jahrhunderts war keine Spur von den großen Meerbusen vorhanden, die jetzt als Dollart und Jadebusen einen Raum von über 300 qkm einnehmen. Ebenso wurde die große Zuyder-See vom Meere (1219–1287) in einen Meerbusen verwandelt. An manchen Stellen wirkt das Meer aber auch aufbauend, besonders da, wo es an sandige, flache Küsten grenzt, wenn anders die Verhältnisse von Wind und Wetter hierzu günstig sind.

II. Meteorologie[165].

Außer dem wässerigen Ocean hat für den Schiffer auch der Luftocean die größte Bedeutung. Schon im Altertum hat sich deshalb die Schiffahrt mit der Erforschung desselben beschäftigt, aber erst der neuesten Zeit ist es gelungen, eine gründlichere Kenntnis des Luftmeeres und seiner Gesetze anzubahnen. Nicht alle Teile der Meteorologie haben indes für die Schiffahrt gleich große Wichtigkeit; obenan steht in dieser Beziehung die Wissenschaft von den Winden. Ihre wichtigsten Lehren sollen daher im folgenden nach dem dermaligen Stande der Forschung im Überblick dargelegt werden.

Winde überhaupt sind Luftströme, die von Stellen höhern Luftdruckes nach Stellen niedrigern Luftdruckes gehen. Ihre Richtung wird stets durch den Ort des niedrigern Luftdruckes bestimmt, und ihre Stärke hängt ab vom Gradienten. Unter letzterem versteht man die Abnahme des Luft[S. 326]druckes in Millimetern von Isobare zu Isobare. Je größer nun der Gradient ist, desto größer ist die Geschwindigkeit des Windes. — Von besonderer Bedeutung sind die Maxima und Minima des Luftdruckes. Die Stelle, wo das Barometer höher steht, der Luftdruck somit größer ist als in der ganzen Umgebung, nennt man das barometrische Maximum. Es ist dadurch charakterisiert, daß die Luft nach allen Seiten von ihm wegströmt. Die Stelle, wo das Barometer tiefer steht, der Luftdruck also geringer ist als in der ganzen Umgebung, heißt das barometrische Minimum. Es ist dieses der Ort, wohin von allen Seiten am Boden die Luft zuströmt. Die Luftbewegung vom Gebiete des hohen Druckes nach demjenigen des niedern erfolgt indes nicht direkt in gerader Linie, sondern die Luft wird auf ihrer Bahn auf der nördlichen Hemisphäre nach rechts, auf der südlichen nach links abgelenkt. Dadurch ist die Bewegung der Luft im Wirbel bestimmt, die Luft umkreist das Minimum in spiralförmigen Bahnen. Auf der nördlichen Halbkugel ist diese Bewegung der Drehung des Uhrzeigers entgegengesetzt (cyklonale Luftbewegung). Die Luftbewegung im Maximum erfolgt ebenfalls in spiralförmigen Bahnen, nur drehen sich in diesem Falle die Luftmassen wie die Zeiger einer Uhr (anticyklonale Luftbewegung). Die Ursache dieser Ablenkung der Winde ist die Rotation der Erde, infolge deren horizontale Bewegungen von jeder beliebigen Richtung auf der nördlichen Halbkugel rechts, auf der südlichen links abgelenkt werden.

Fig. 121.

Cyklonale Bewegung um ein
Luftdruckminimum.
Anticyklonale Bewegung um ein
Luftdruckmaximum

Was die Verteilung der Winde auf der Erde betrifft, so sei hierüber folgendes bemerkt: In der Nähe des Äquators wird infolge der starken Erwärmung durch die scheitelrechte Sonne die Luft in viel stärkerem Grade als in den höheren Breiten aufgelockert und ausgedehnt. Da demnach die Flächen gleichen Luftdruckes in der Äquatorialgegend mehr gehoben werden[S. 327] als die Flächen desselben Luftdruckes in den benachbarten Gegenden, so findet in der Höhe ein Abfließen der Luft nach den beiden Polen statt. Die nächste Folge aber dieses Abfließens der Luft über dem Äquatorialgebiete ist die, daß der Luftdruck hier sinkt; denn das Gewicht der drückenden Luftsäule hat sich um die abgeflossene Luftmenge vermindert. Etwa 30° nördlich und südlich von diesem Hitzegürtel sinkt, wenigstens großenteils, die oben abfließende Luft wieder auf die Oberfläche der Erde herab; es geschieht das vor allem infolge der in der Höhe eintretenden Abkühlung. Dadurch nun, daß in diesen höheren Breiten die Luft wieder herniedersteigt, entsteht hier eine Erhöhung des Luftdruckes, und infolge davon tritt ein Abströmen vom Orte des höhern gegen den des niedrigern Luftdruckes ein, d. h. aus den höheren Breiten strömt die Luft an der Erdoberfläche beiderseits gegen den Äquator. Zwischen Äquator und etwa 30° findet also ein vollständig geschlossener Kreislauf statt. Jenseits dieser Breiten und dieses Gürtels hohen Luftdruckes folgen die Zonen der veränderlichen Winde, die unter dem wechselnden Einflusse des Äquatorial- und Polarstromes stehen. — Nach dem bereits oben erwähnten Gesetze der Ablenkung der Winde erfahren die Winde der nördlichen Halbkugel eine Ablenkung nach rechts, die der südlichen Halbkugel nach links. Daher erscheinen die unteren Luftströmungen zwischen 0° und 30° als nordöstliche auf der nördlichen und als südöstliche auf der südlichen Halbkugel; es sind das die sogen. Passate, die ihren Namen davon haben, daß die Segelschiffe ihn zur Überfahrt (passata) von Spanien nach Brasilien benützen. Die oben abfließenden Winde der Tropenzone und die polwärts gerichteten Winde der höheren Breiten, die sogen. Antipassate, werden dagegen auf der nördlichen Halbkugel zu südwestlichen, auf der südlichen Halbkugel zu nordwestlichen Winden. — Die westliche Richtung der Antipassate ist durch verschiedene Beobachtungen bestätigt worden. So kann man an den mehr gegen die Tropenzone liegenden hohen Bergen, wie an dem Pic de Teyde (auf Teneriffa) oder an den Vulkanen Mauna-Loa und Mauna-Kea der Sandwich-Inseln, bemerken, wie die unteren Teile unter dem Einflusse des Passates, die Spitzen dagegen unter jenem des Antipassates stehen.

Die Engländer in ihrem auf das Kaufmännische gerichteten Sinne nennen die Passatwinde „Handelswinde“ (trade-winds), der galante Spanier jedoch Vientes de las Señoras — „Damenwinde“. Letzterer Ausdruck hat auch seine volle Berechtigung, da hier die Schiffahrt so wenig schwierig ist, daß selbst die zartesten Hände das Steuer zu führen vermöchten.

Der schmale Gürtel zwischen den beiden Passaten heißt der Kalmengürtel (vom lat. calmus, ruhig, still) des Äquators, weil hier fast immer Windstille herrscht; er bezeichnet im allgemeinen die Zone der größten Erwärmung und folgt der Sonne im Laufe des Jahres gegen Norden und Süden. Die Luft steigt hier, infolge ihrer Erhitzung besonders leicht gemacht, nur[S. 328] aufwärts, es herrscht der Ascensionsstrom, eine wagerechte Luftbewegung kommt nicht zu stande. Ebenso sind die Gebiete des hohen Luftdruckes an der Polargrenze der Passate, etwa 30° nördlich und südlich vom Äquator, durch größere Ruhe charakterisiert; man bezeichnet sie als „Roßbreiten“, wohl auch als Kalmen der Wendekreise. Der erstere, etwas seltsame Name kommt daher, daß früher die von Neu-England nach Westindien mit einer Deckladung von Pferden bestimmten Schiffe in dieser Kalmenregion oft so lange aufgehalten wurden, daß man aus Mangel an Wasser einen Teil der Pferde über Bord werfen mußte.

Ein Bild der Windverteilung auf der Erde giebt Fig. 122.

Fig. 122. Windverteilung auf der Erde.

Das hier geschilderte herrschende Windsystem erfährt freilich mannigfache Abänderungen, besonders durch die kalmenbildende Kraft der Kontinente. Am großartigsten tritt diese Erscheinung im nördlichen Teile des Indischen Oceans auf. Hier weht im Winterhalbjahr (vom Oktober bis April) Nordostwind und im Sommerhalbjahr (vom April bis Oktober) Südwestwind. Diese Winde heißen Monsune, ein Name, der wohl von dem arabischen Worte mausim = Jahreszeit abgeleitet ist, also einen mit den Jahreszeiten wechselnden Wind bezeichnet. Die Erklärung dieser Erscheinung liegt in folgendem: Die über Arabien, Persien und Indien im Sommerhalbjahre gesteigerte Hitze und die große Erwärmung der Landmasse von Asien überhaupt hat einen luftverdünnten Raum zur Folge, der die kühlere Luft des Indischen Oceans gewaltsam herbeizieht. So entsteht ein Südwind, der durch die Ablenkung nach rechts ein Südwest wird. Im Winterhalbjahre dagegen ist das Festland kühler als der Ocean; die Luft fließt daher von dem kältern Lande nach dem wärmern Meere; durch die Ablenkung wird nun aus dem Nordwind ein Nordost. Dieser Nordost ist aber nichts anderes als der gewöhnliche Passat, der nur hier den Namen Nordost-Monsun führt.

Wie die Monsune von den Jahreszeiten, so hängen die Land- und Seewinde von den Tageszeiten ab. Bei Tag ist das Land bekanntlich wärmer als das Meer, daher weht bei Tag Seewind; nachts ist das Land kühler als das Meer, daher weht Landwind. In den Tropen ist der Seewind sehr kräftig, erfrischend und gesund, so daß er hie und da geradezu „der Doktor“ genannt wird.

Durch Einwirkung von Gebirgen, Flußthälern, Wüsten u. s. w. werden ganz specielle, nur in beschränkten Gebieten auftretende Winde hervorgerufen.[S. 329] Ein solch lokaler Wind ist z. B. der Föhn auf der Nordseite der Alpen; derselbe hat durchaus nicht seinen Ursprung in der Sahara, wie lange behauptet worden, sondern ist einfach ein über die Alpen herabgestiegener und dadurch in seinen Eigenschaften abgeänderter Luftstrom. Nach Hann tritt der Föhn auf der Nordseite der Alpen nur dann auf, wenn hier der Luftdruck geringer ist als auf der Südseite. In diesem Falle strömt die Luft vom Südabhange über die Pässe in die nördlichen Alpenthäler hinein und kommt hier, da durch die Abkühlung der aufsteigenden Luft am Südabhang häufig Niederschläge erzeugt werden, ziemlich trocken an. Indem dann der Luftstrom in die nördlichen Alpenthäler infolge des hier herrschenden geringen Luftdrucks gleichsam herabgesaugt wird, gelangt er zugleich unter höhern Luftdruck und wird also durch Volumverminderung auch erwärmt. Wärme und Trockenheit sind aber die charakteristischen Eigenschaften des Föhns. Föhnwinde giebt es übrigens nach Hann überall dort, wo höhere Gebirgsketten von stürmischen feuchten Winden überweht werden. Es hat deshalb auch die Südseite der Alpen ihren Nordföhn. Andere Beispiele lokaler Winde sind die Bora am Nordende des Adriatischen Meeres und der Mistral in Südfrankreich; beides kalte Winde. — Der Samum in Arabien, der Chamsin in Ägypten sind staubreiche, versengende Wüstenwinde.

Stürme, d. i. Winde mit 30–50 m Geschwindigkeit per Sekunde, sind Wirbelbewegungen der Luft um ein Minimum des Barometerstandes. Die heftigsten Stürme sind die Cyklone der tropischen Gegend, die Hurricanes in den westindischen und die Teifune in den chinesischen Gewässern. — Die Stärke eines Sturmes wächst von außen nach innen; in der Mitte selbst aber herrscht entweder völlige Windstille, oder es wehen nur schwächere und unregelmäßige Winde. — Sehr bedeutend ist in den Tropen die Luftdruckerniedrigung im Centrum des Wirbelsturmes. Auf der Insel Nassau (Bahama) fiel z. B. das Barometer gelegentlich des Sturmes am 1. Oktober 1866 in einer Stunde um 18 mm, und bei dem Cyklon am 12. Oktober 1846 zu Havannah soll sogar die Abnahme des Luftdrucks so rasch gewesen sein, daß die Fenster nach außen gedrückt wurden.

Die Bewegung der Stürme ist eine zweifache: eine kreisende und eine fortschreitende. Die kreisende erfolgt, entsprechend dem Ablenkungsgesetze, auf der nördlichen Halbkugel entgegengesetzt der Uhrzeigerrichtung, auf der südlichen Halbkugel mit dieser übereinstimmend; die fortschreitende besteht darin, daß das Minimum und mit ihm der ganze Wirbelsturm oft Hunderte von Meilen fortzieht. Fig. 123, die einen Wirbelsturm der nördlichen Halbkugel darstellt, läßt entnehmen, wie die Windrichtung wechselt an einem Orte, über den ein Wirbelsturm hinwegschreitet. Liegt der Ort z. B. in der Bahn des Centrums, so wütet der erste Teil des Sturmes unaus[S. 330]gesetzt aus Nordost; den heftigsten Stößen folgt, während das Centrum passiert, eine unheimliche Totenstille; nachher bricht der Sturm mit erneuter Wut aus Südwest herein.

Fig. 123.

Aus der Art der kreisenden Bewegung folgt von selbst die Buys Ballotsche Regel, daß, wenn man dem Sturme den Rücken kehrt, das Centrum sich zur Linken in der nördlichen Halbkugel und zur Rechten in der südlichen Halbkugel befindet, und zwar in beiden Fällen ein wenig nach vorne. Die Sturmbahnen sind bei den Wirbeln der gemäßigten Zone meist östlich; bei den tropischen Cyklonen (Fig. 124), und zwar auf der nördlichen Halbkugel, zieht die Sturmbahn in der heißen Zone von Südost nach Nordwest; auf dem Wendekreise aber biegt dieselbe um und verläuft nach Nordost. In der südlichen Halbkugel haben die Cyklone gerade umgekehrt in der heißen Zone eine südwestliche und in der gemäßigten Zone eine südöstliche Richtung.

Die Erkenntnis der Gesetze der Cyklone ist für die Schiffahrt von ganz eminent praktischer Bedeutung. Aus dem Fallen des Barometers und der Art, in welcher sich die Windrichtung ändert, erkennt der Seefahrer, welcher Partie des Sturmfeldes er sich nähert, und in welcher Richtung das gefährliche Centrum liegt. Er kann daher davon wegsteuern, ja er kann sogar die regelmäßigen Winde, die es umkreisen, zu einer raschern Fahrt benützen. Nach Piddington sollte überhaupt jeder tüchtige Seemann auch im „Cyklonensegeln“ geübt sein; er sagt: „Im südlichen Indischen Ocean sind die Wirbelstürme jetzt manchen Kapitänen wohlbekannt, und dieselben machen kapitale Fahrten nach Indien und Australien, indem sie nach ihnen aussehen; finden sie einen solchen geeignet, um zur Nordseite seiner Bahn hinüberzugehen, so halten sie sich auf diese Seite, welche ihnen einen stetigen und steifen westlichen Wind giebt, jedoch in solcher Entfernung vom Centrum, daß sie sicher vor dem Winde laufen können. Das nennt man einen Cyklonenritt.“ In unserer Hemisphäre ist die gefährlichste Partie eines[S. 331] Wirbelsturmes die rechte oder vordere, weil die Winde das Schiff rasch in den Mittelpunkt des Cyklons treiben.

Hinsichtlich der Entstehung der Stürme ist zwar sicher, daß sie stets durch große Unterschiede im Barometerstande nahe bei einander liegender Orte veranlaßt werden, also durch starke Gradienten; aber die erste Entstehung jener bedeutenden Verminderung des Luftdruckes über einer Stelle der Erdoberfläche, die zu einem Sturmcentrum wird, ist noch nicht hinlänglich aufgeklärt.

Fig. 124. Sturmbahnen der tropischen Cyklone

Jene Männer, welche durch ihr rastloses Forschen sich die größten Verdienste um die Ermittlung der Gesetze der Stürme und dadurch um die ganze Schiffahrt erwarben, sind besonders der Deutsche Dove, die Amerikaner Maury und Redfield, die Engländer Piddington, Reye, Reid und der Niederländer Buys Ballot.

Von der entsetzlichen Wirkung der Wirbelstürme wird an anderem Orte gehandelt werden, desgleichen von der Pflege der Witterungskunde durch die hydrographischen Institute und vom Sturmwarnungswesen.

III. Seemännische Instrumente[166].

1. Das wichtigste aller Instrumente des Seefahrers ist der Kompaß. Über die Geschichte desselben sei kurz folgendes bemerkt. Im Altertum[S. 332] war der Kompaß unbekannt; damals diente den Völkern der Nordstern als Leiter während ihrer nächtlichen Fahrten. In Europa scheint man anfangs nur die Tragkraft des Magneten bewundert zu haben; denn hätte man seine eigentümliche Richtkraft gekannt, so lag die Anwendbarkeit desselben als Führer bei Land- und Seereisen so nahe, daß sie wohl kaum übersehen worden wäre. Die Chinesen dagegen hatten schon tausend und mehr Jahre vor unserer Zeitrechnung kleine magnetische Wagen, welche ihnen den Weg durch die unermeßlichen Steppen der Tatarei wiesen. Im dritten Jahrhundert n. Chr. bedienten sich dieselben schon einer an einem Faden aufgehängten Magnetnadel. Im Abendlande, und wahrscheinlich zuerst bei den seefahrenden Nationen des Nordens, hing man den Magnetstein selbst an einem Faden auf oder legte ihn auf ein Brettchen und ließ ihn auf ruhigem Wasser schwimmen.

Wem die Erfindung des Kompasses zuzuschreiben, wurde noch nie mit Genauigkeit ermittelt; nur soviel weiß man, daß er im zwölften Jahrhundert in Frankreich unter dem Namen „Marinette“ bereits bekannt und auf Schiffen benutzt wurde. Bedeutend verbessert wurde er im 14. Jahrhundert durch die Italiener Gioja und Giri, und 1436 wird schon in einem Portolano des Andrea Bianco der magnetischen Abweichung erwähnt. Den Engländern verdanken wir die sinnreiche Einrichtung der schwebenden Scheibe des Schiffskompasses, den Holländern die Benennung der Weltgegenden nach Strichen auf der Windrose.

Fig. 125. Schiffskompaß in
Cardanischer Aufhängung.

Der Schiffskompaß besteht aus einer geteilten Kreisscheibe von Papier, auf Marienglas oder Glimmer geklebt, die, mit der Nadel fest vereinigt, sich mit dieser dreht und die Abweichung durch eine außerhalb liegende Marke (Steuerstrich), welche der Kiellinie des Schiffes entspricht, bezeichnet. Diese Kreisscheibe, „Windrose“ genannt, auf der die 32 Windstriche enthalten sind, dreht sich, mit einem harten Achatlager (Achathütchen) auf einer Metallspitze (Pinne) ruhend, in einer Büchse von Messing oder Kupfer, die frei in doppelten Bügeln hängt (Cardanische Aufhängung), allen Bewegungen des Schiffes leicht nachgiebt und somit die Scheibe stets horizontal erhält.

Schon bei seiner ersten Reise nach Amerika bemerkte Christoph Kolumbus, daß die Spitze der freischwebenden Magnetnadel nicht die Polgegend der Erde anzeigte, sondern daß dieselbe mehr oder weniger von der wahren Nordrichtung abwich. Diese Abweichung des magnetischen vom astronomischen Meridian nennt man Variation (Deklination) oder Mißweisung der Magnetnadel, und da sie bald größer, bald kleiner, bald[S. 333] östlich, bald westlich, und nur an wenigen Orten der Erdkugel gleich Null ist, so muß sie der Seemann genau kennen, um danach seine Kurse zu korrigieren. Diese Variation ist außerdem langsamen Abänderungen (säkularen Variationen) unterworfen. So betrug z. B. in Paris dieselbe im Jahre 1580 11½ Grad östlich, dagegen fiel schon 1663 der astronomische Meridian mit dem magnetischen zusammen; 100 Jahre später wich die Magnetnadel um 8° 10′ nach Westen, 1814 um 22° 34′ nach derselben Richtung ab. Seit dieser Zeit geht die Nadel wieder zurück, und 1852 betrug die westliche Ablenkung daselbst nur noch 20° 22′. Diese Veränderung macht somit eine Korrektur der Seekarten von Zeit zu Zeit nötig. Die erste dieser Deklinationskarten wurde 1530 vom Kosmographen Alonzo de Santa Cruz gezeichnet und veröffentlicht.

Eine weitere Erscheinung ist die Neigung der Magnetnadel in vertikaler Richtung, Inklination genannt, welche sich dadurch zeigt, daß die eine Spitze, bei völligem Gleichgewicht der Nadel, sich gegen den Horizont neigt. Bei Polarexpeditionen und auf Schiffen in hohen Breiten wird diese Neigung sehr fühlbar, doch kann man ihr leicht durch ein kleines Gegengewicht von Wachs, Siegellack oder Blei abhelfen. Am Äquator ist diese Neigung beinahe Null.

Linien, welche die Orte gleicher Deklination miteinander verbinden, heißen Isogonen[167]; Linien, welche die Orte gleicher Inklination verbinden, nennt man Isoklinen[168].

Eine fernere Ablenkung der Magnetnadel ist die Lokalattraktion oder die örtliche Abweichung. Der Betrag, um welchen hierdurch die Deklination oder Mißweisung geändert wird, heißt die Deviation. Beobachtet wurden diese Unregelmäßigkeiten in der Abweichung der Bussole schon gegen das Ende des 18. Jahrhunderts, und man beklagte sich damals allgemein über die Unverläßlichkeit der magnetischen Daten. Niemand aber konnte eine Erklärung dieser sonderbaren Erscheinung geben bis herab auf Kapitän Flinders, der ganz richtig erkannte, daß die Ursache dieser Störungen in den Eisenmassen des Schiffes zu suchen sei. Die Unregelmäßigkeiten in der lokalen Abweichung wurden noch großartiger, als durch den Holzmangel in England und durch die bereits auf hoher Stufe stehende Eisenindustrie der Holzschiffbau immer mehr verdrängt und zuerst durch den gemischten, dann durch den vollständigen Eisenschiffbau ersetzt wurde. Selbst in maßgebenden Kreisen machte sich infolgedessen die Befürchtung geltend, daß eiserne Schiffe zum Seedienst sich kaum geeignet erweisen würden. Der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts ist es indes gelungen, auch diese Schwierigkeit im Schiffahrtsbetriebe zu überwinden. Um die Theorie der Deviation[S. 334] erwarben sich große Verdienste der englische Astronom Airy und der französische Akademiker Poisson. Ersterem und Barlow verdankt man auch die Erfindung geeigneter Kompensationen (zur Paralysierung der Wirkung der Schiffseisenmassen). Die Airysche Kompensation, aus einem Systeme permanenter und induzierter Magnete bestehend, war bis in die jüngste Zeit bei den meisten Schiffen der Kauffahrteimarine die gebräuchliche. Man bemerkte aber, sobald die Schiffe auf See kamen und den Ort wechselten, Änderungen in den Deviationen der Kompasse, die man sich nicht erklären konnte, und die den Schiffen noch immer Gefahr brachten. Da die Frage namentlich seit Einführung der Dampfkraft in der Seeschiffahrt eine immer brennendere wurde, indem es nun immer mehr darauf ankam, einen genauen Kurs auf See einzuhalten, und der Kompaß eine größere Bedeutung erlangte, so bildete sich, um mehr Klarheit in die Sache zu bringen und praktisch verwertbare Resultate betreffs des Verhaltens und der Änderungen des Schiffsmagnetismus zu gewinnen, in Liverpool ein besonderes Komitee von Reedern, Schiffsbauern, Gelehrten, Versicherern und Seeleuten. Dieses Komitee, dem zu Experimenten Schiffe zur Verfügung gestellt wurden, hat in den fünf bis sechs Jahren seines Bestehens durch seine mit großer Sachkunde ausgeführten Forschungen die Kompaßfrage außerordentlich gefördert und dieselbe in eine richtigere und bessere Bahn gelenkt. Von der englischen Admiralität wurde nun auch ein besonderes Departement für Kompaßfragen begründet, in dem sich namentlich Evans, der Hydrograph der Admiralität, große Verdienste erwarb. Derselbe konstruierte nach verschiedenen praktischen Versuchen und Berechnungen eine Kompaßrose mit einem System von mehreren Magnetnadeln, die noch jetzt als Admiralty Standard Compass Card sowohl in der englischen, als auch in der deutschen Marine, sowie bei vielen Kauffahrteischiffen in Gebrauch ist und dem verfolgten Zwecke wenigstens in den meisten Fällen entsprach.

Infolge der weitern Fortschritte der Schiffsbautechnik und der größern Entwicklung des Dampferverkehrs wurde indes auch diese Kompaßrose unruhig und bei stärkerer Bewegung des Schiffes unbrauchbar. Bessere Maschinen bewirkten größere Schnelligkeit, die Kurse mußten immer genauer eingehalten werden, und die Bedeutung des Kompasses steigerte sich in demselben Maße, wie die Schwierigkeiten, einen unter allen Verhältnissen ruhig arbeitenden Kompaß herzustellen.

Bei Begründung der deutschen Seewarte im Jahr 1875 wurde denn auch die Kompaßfrage mit in das Programm aufgenommen und eine Abteilung zur Prüfung nautischer Instrumente, sowie zur Regulierung der Kompasse und Förderung der Deviationslehre geschaffen. Professor Dr. Neumayer, der zum Direktor der Seewarte ernannt worden, hatte schon früher als Hydrograph der Admiralität in Verbindung mit einem tüchtigen Mechaniker, Karl Bamberg in Berlin, viel zur Verbesserung der Kompasse[S. 335] gethan und in der kaiserlichen Marine sowohl den englischen Standard-Kompaß, als auch die sogen. Fluidkompasse eingeführt. Die letzteren sollten dazu dienen, eine größere Ruhe der Rose herzustellen, ohne jedoch die Empfindlichkeit derselben zu beeinträchtigen.

Großen Beifall fand inzwischen die Rose des englischen Physikers Sir William Thomson. Sie wurde auf den großen Postdampfern, die von Liverpool nach New-York fahren, eingeführt, desgleichen ist sie auf einigen Postdampfern der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft, sowie auf den Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyd in Gebrauch. Zur allgemeinen Einführung konnte indes dieser Kompaß bei der Schwierigkeit der Herstellung und dem hohen Preise (der Kompaß kostet mit Kompaßhaus und Nachthaus zusammen 1000 Mark) nicht gelangen. Die Seewarte stellte deshalb neue Versuche an und gab dem Hamburger Mechaniker G. Hechelmann diesbezügliche Aufträge. Derselbe hat denn auch seine Aufgabe in den letzten Jahren in äußerst scharfsinniger Weise gelöst, so daß dessen Kompaßrose in der kurzen Zeit ihres Bestehens in über 200 Exemplaren auf den verschiedensten deutschen und auf einigen fremden Schiffen verbreitet ist und sich eines immer mehr zunehmenden Rufes erfreut. Mit diesen Kompaßrosen, verbunden mit den Fluidkompassen, ist die Kompaßkonstruktion jetzt auf einen Standpunkt gebracht, daß damit allen Anforderungen der Neuzeit entsprochen werden kann.

Hand in Hand mit der Verbesserung der Kompasse ging natürlich die Regulierung der Kompasse an Bord der eisernen Schiffe, die Unschädlichmachung der durch den Schiffsmagnetismus verursachten Störungen der Kompaßnadel und das Studium der Änderungen der Deviation. Zur Förderung der schiffsmagnetischen Lehre dienen namentlich die von der Seewarte geführten, die Beobachtungen der Schiffe enthaltenden Deviationsbücher. Die Beobachtungen stammen aus den Deviationsjournalen, welche die Schiffe, ebenso wie die meteorologischen Journale, von der Seewarte empfangen, während der Reise ausfüllen und bei der Heimkehr abliefern. Durch ein solches Verzeichnis von an Bord der verschiedensten Schiffe gemachten Beobachtungen ist man schon jetzt im stande, die magnetischen Eigenschaften eines neuen Schiffes mit einer gewissen Sicherheit vorauszusagen, den günstigsten Ort für den Kompaß zu bestimmen und zuweilen auch die Kompensation von vornherein so einzurichten, daß sie allen Breiten gerecht wird.

So darf denn wohl behauptet werden, daß nicht zum geringsten Teile durch die Arbeiten und Forschungen der deutschen Seewarte die Kompaßfrage in heutiger Zeit einen Standpunkt errungen, der geeignet ist, die aus den störenden Einflüssen des Schiffsmagnetismus für die Seefahrt entstandenen Gefahren in bedeutendem Maße zu verringern. Der Kompaß ist somit wieder, wenn anders die gewonnenen Erfahrungen beachtet und die Schiffe mit guten Instrumenten ausgerüstet werden, wie ehedem ein treuer Wegweiser über den Ocean.

[S. 336]

Die Hauptarten von Kompassen sind die Steuerkompasse und die Azimut- oder Peilkompasse. Der Unterschied derselben liegt hauptsächlich in der verschiedenartigen Einrichtung der Kompaßrosen. Während dieselbe nämlich bei den Steuerkompassen in 32 Kompaßstriche und jeder derselben wiederum in halbe und Viertel-Striche geteilt ist, befindet sich am äußersten Rande der Peilkompaßscheibe noch eine Gradeinteilung. Außerdem ist bei letzterem der Glasdeckel des Gehäuses mit einem beweglichen Ringe, an dem zwei Diopter mit farbigen Gläsern befestigt sind, ausgerüstet, um die Sonne oder Landobjekte auf Grade und Minuten genau peilen (bestimmen) und ablesen zu können.

Regelkompaß oder Normalkompaß ist derjenige Kompaß an Bord des Schiffes, nach welchem der Kurs des Schiffes bestimmt und aufgegeben wird. Alle übrigen Kompasse werden mit diesem verglichen.

Fig. 126. Brookes Apparat zum Messen
großer Meerestiefen.

(Nach W. Schütte, Das Wasser.)
a Metallstab, b Flügelapparat, c Anfügung der Lotleine,
d Kugelhalter, e zugehörige Drähte od. Schnüre,
f Höhlung für Grundproben.

2. Anker. Soll ein Schiff an einer bestimmten Stelle über dem Grunde festgehalten werden, so bedient man sich des Ankers. Ursprünglich mußte ein vorteilhaft gewachsener Baumstumpf, am dicken Ende durch aufgebundene Steine beschwert, dem Zweck genügen. Später versah man den primitiven Schaft mit einem oder mehreren genügend großen Haken, die sich in den Grund eingruben. Die Formen dieses Ankers sind im Laufe der Jahrtausende sehr vervollkommnet worden, das Princip an ihm ist dasselbe geblieben.

Der Anker ist mit einem starken Tau oder einer Kette versehen, welche, am Schiffe befestigt, die Verbindung zwischen diesem auf dem Wasser und dem Anker im Grunde herstellt. Man ankert bei der Ankunft auf der Reede oder im Hafen, wenn man nicht sogleich das Schiff an den Quai oder das Bollwerk legen kann; man liegt vor Anker in genügend flachem Wasser an einem geschützten Ort, wenn Gezeitenströmung oder Wind und Wetter die Reise fortzusetzen nicht gestatten; man reitet vor Anker an einer Leeküste, wenn Sturm und See das gefährdete Schiff auf sie zutreiben, angesichts der Brandung, wenn die Kraft des Dampfes den Erfolg versagt, ein Entkommen mit Hilfe der Segel aussichtslos geworden. In dem letztgenannten Falle ganz besonders ist der Anker mit seinem starken Tau, seinen schweren Ketten der einzige Freund, die letzte Zuflucht in Todesnot; hält jener nicht fest im Grunde oder bricht Tau und Kette vorm stampfenden Bug unterm Andrang der überbrechenden Wellen, dann ist es zu Ende mit Menschenmacht und Menschenklugheit. Notschuß und Todesschrei verhallen ungehört, und die Brandung donnert zum Drama das wilde Finale. — Man lichtet Anker, wenn man den Ort des Schiffes verändern, bezw. die Reise fortsetzen will.

Je nach dem Orte der Lagerung am Bord haben die Anker verschiedene Namen: Buganker, Rüstanker, Heckanker u. s. w.

Ferner benennt man die Anker nach der Art ihrer Verwendung; mit Bezug hierauf unterscheidet man Stromanker, Hafenanker, Flut- und Ebbanker u. s. w.

[S. 337]

Das Gewicht mancher Anker ist sehr bedeutend. Die Bug-, beziehungsweise Rüstanker des deutschen Panzerschiffes „König Wilhelm“ sind z. B. 5000 kg schwer; auf Handelsschiffen von 500–600 Tonnen Raumgehalt beträgt das Gewicht der gleichen Anker 28 Centner (deutsch). Viel geringer ist die Schwere der Strom-, Warpanker u. s. w.

An Stelle der früheren Hanftaue verwendet man jetzt allgemein Ankerketten, da dieselben, ausgenommen vielleicht für Reisen in polaren Gebieten, wo die hohe Kälte das Eisen spröde und leichter zu Brüchen geneigt macht, vor jenen viele Vorteile voraus haben. Das auf Schiffen befindliche Kettenquantum sowie der Durchmesser solcher Ankerketten ist zuweilen sehr beträchtlich. Auf dem deutschen Panzerschiff „König Wilhelm“ z. B. sind an Ketten für die vier Bug-, bezw. Rüstanker im ganzen 700 m mit einem Durchmesser von 60 mm und 100 m mit einem solchen von 63 mm vorhanden.

Fig. 127. Schleppnetz.

3. Tieflot, Wasserschöpfflasche, Tiefseethermometer, Schleppnetz. Für Erforschung der Tiefsee sind heutzutage eine Reihe vortrefflicher Apparate zur Verfügung. — Das einfachste Mittel zur Ermittlung der Wassertiefen ist das Lot oder Senkblei, ein an einem graduierten Faden hängendes Gewicht; der Zug desselben hört auf in dem Augenblicke des Aufstoßens auf den Boden. Man wendet dabei für Tiefen bis zu 800 Faden einen ca. 60 cm langen und 40–60 kg schweren prismatischen Bleiblock an, den man, um zugleich eine Probe des erreichten Bodens heraufzubringen, mit einer dicken Talgschicht überzieht. Diese Vorrichtung ist indes für größere Tiefen selbst[S. 338]verständlich unbrauchbar, da das Gewicht viel zu klein ist, um das Lot rasch und vertikal in die Tiefe zu ziehen, und von Meeresströmungen aus seiner Richtung gebracht werden kann. Es wurden deshalb geraume Zeit hindurch behufs Verbesserung des Tiefseelotes alle erdenklichen Anstrengungen gemacht.

Die bekanntesten Patentlote sind von Brooke, Hook, Massey, Belknap, Sigsbee, Bailey u. a. Brookes Tiefenmesser besteht aus einer durchbohrten, mit kleinen Furchen versehenen Kanonenkugel, durch welche ein Stab gesteckt ist mit einem beweglichen Arme an seinem obern Ende. Dieser Arm ist, wenn das Instrument hängt, nach oben gerichtet und so mit der Leine verbunden. An einem Haken dieses Arms hängt ein Band, welches um die Kugel herumführend dieselbe trägt. Stößt der Stab auf den Grund, so senkt sich der bewegliche Arm, das Band gleitet von dem Haken, und die Kugel löst sich los. Der Stab enthält eine mit Gänseposten (Gänsekielen) gefüllte Höhlung und bringt durch diese Grundproben mit zur Oberfläche.

Den bedeutendsten Fortschritt in dieser Beziehung bekundet wohl das Patentlot von Sir William Thomson, dessen man sich jetzt auch meistenteils zur Erforschung der großen Tiefen im Ocean bedient. Mittels desselben ist man nunmehr im stande, Tiefen bis zu 5000 Faden zu ermitteln. Ein solcher Lotwurf dauert etwa eine bis anderthalb Stunden. — Neben den eigentlichen Loten spielen dermalen noch zwei andere Instrumente bei Tiefseeforschungen eine hervorragende Rolle. Es sind dies die Wasserschöpfflasche und das Tiefsee-Thermometer. Mittels der erstem vermag man Meerwasser aus beliebigen Tiefen zu holen, das letztere giebt uns Aufschluß über die Temperatur des Meeres in den verschiedenen Tiefenschichten. — Ein weiterer Apparat, der sich neuestens für die Tiefseeforschung von gleich großer Bedeutung erwies, ist das sogen. Schleppnetz oder Scharrnetz; durch dasselbe erhalten wir Aufschluß über die Beschaffenheit des Meeresbodens, über die Tiefsee-Organismen u. s. w.

4. Taucherapparate. Die Untersuchung des Meeresgrundes in nicht allzugroßer Tiefe oder die Beförderung von dort lagernden Gegenständen an die Oberfläche erfolgt mittels der Taucherglocke oder auch der Taucheranzüge und anderer ähnlicher Apparate.

[S. 339]

Fig. 128. Taucher bei der Arbeit.
T und t Luftschläuche.

5. Log (Logg). Das Log dient zum Messen der Geschwindigkeit eines Schiffs. Das gewöhnliche Log zeigt noch heute dieselbe Einrichtung, welche sein Erfinder, der Engländer Lock, ihm vor etwa 220 Jahren gegeben. Es besteht aus einer auf eine Rolle gewickelten dünnen Leine, der Logleine (von 5–6 mm Stärke und 200 bis 250 m Länge), an deren Endpunkt sich ein Brettchen von der Form eines Kreisausschnittes befindet, das sogen. Logbrettchen oder Logschiffchen. Der Bogen dieses Ausschnitts ist soweit mit Blei beschwert, daß das Brettchen aufrecht im Wasser steht, aber gerade noch schwimmt. Durch diese Stellung soll es Widerstand leisten und der schnell und leicht abrollenden Leine als fester Punkt im Wasser dienen. — Die Logleine selbst ist, mit Ausnahme eines längern Stücks, welches man den Vorlauf nennt, mit Knoten versehen, deren jeder einer Seemeile entspricht. Soviel Knoten also durch die Hand des Mannes, der die Leine hält, ablaufen, soviel Seemeilen legt das Schiff zurück. — Als Zeitmesser dient eine Sanduhr von 14 oder 28 Sekunden. — Zum Loggen sind drei Personen nötig: der Mann, welcher die Spule mit der Log[S. 340]leine hält, ein zweiter, der die Leine durch seine Hände gleiten läßt, dieselbe dirigiert und durch einen Ruf den Moment anzeigt, wenn der Vorlauf sich abgespult hat und der geknotete Teil der Leine abläuft, und ein dritter, der die Sanduhr (das Logglas) bedient. — Selbstverständlich ist die Berechnung der Geschwindigkeit, mit der ein Schiff seinen Weg zurücklegt, niemals genau, sondern nur annähernd richtig; denn trotz des Widerstandes, den das Logscheit dem Zuge entgegensetzt, rückt es dennoch von der Stelle. Man hat daher auch in dieser Beziehung an eine Verbesserung des Apparates gedacht, und in neuester Zeit werden denn auch sogenannte Patentlogs als Geschwindigkeitsmesser auf Schiffen verwendet. Indes erscheint dermalen noch immer die alte Methode als die beste und einfachste. Gewöhnlich wird halbstündlich geloggt und die Schnelligkeit des Schiffs sowie der Kurs, den dasselbe während der letzten Stunde zurückgelegt, in das Schiffstagebuch (Logbuch) eingetragen. Aus den auf diese Weise gewonnenen Resultaten wird die sogenannte Schiffsrechnung (Koppelkurs) für je 24 Stunden um 12 Uhr mittags zusammengestellt.

Fig. 129. Das Log.

6. Nautisch-astronomische Instrumente. Zur Bestimmung der geographischen Länge und Breite auf hoher See mittels astronomischer Messungen gebraucht man in neuerer Zeit ausschließlich die sogen. Reflexionsinstrumente. Solche sind der Oktant, Sextant u. s. w. Infolge der hochentwickelten Technik der Gegenwart werden diese Instrumente heutzutage mit weit größerer Präcision hergestellt als ehedem.

Außer den Sextanten dienen zur Längenbestimmung auf Seereisen in neuerer Zeit die See-Uhren oder Chronometer. Zur Erfindung derselben gab die englische Regierung die Veranlassung, welche 1714 einen Preis von 20000 Pfund Sterling (400000 Mark) demjenigen aussetzte, der es verstünde, die Länge zur See bis auf ½° genau zu bestimmen. Der Engländer Henry Sully (geb. 1679, gest. 1728 in Paris) beschäftigte sich schon seit seiner frühesten Jugend mit der Lösung des Längenproblems und brachte 1724 auch eine Marine-Uhr zu stande; sie bewährte sich jedoch nicht bei den Versuchen zur See; erst John Harrison, der ursprünglich Zimmermann war und sich später als vollständiger Autodidakt[S. 341] mit der Uhrmacherei beschäftigte, hat 1728 die Aufgabe in vollendeterer Weise gelöst und ist daher als der eigentliche Erfinder der Chronometer zu betrachten. Von der englischen Regierung erhielt er 10000 Pfund als Belohnung, unter der Bedingung, daß er seine Uhr genau beschreibe, was er in der Schrift „Principles of time-keeper“ auch that. Die heutigen[S. 342] Uhrmacher haben die Chronometer durch unendlichen Aufwand von Kunst und Scharfsinn zu solcher Vollkommenheit gebracht, daß jenes alte Ideal mit ½° Ungewißheit bedeutend überholt ist. Trotz dieser großen Fortschritte bildet die Chronometrie auch heute noch einen Teil der Nautik, der sowohl durch die Wissenschaft wie durch die Mechanik gefördert werden kann. — Die Zuverlässigkeit des Chronometers beruht vor allem auf dessen sorgfältiger Behandlung und Aufbewahrung; übrigens gewährt ein Chronometer allein nicht immer die genügende Sicherheit, weshalb auf Kriegsschiffen gewöhnlich drei mitgeführt werden.

7. Barometer, Thermometer. Was zunächst das Barometer betrifft, so ist es besonders in solchen Gegenden höchst notwendig, die von Orkanen und Wirbelstürmen heimgesucht werden; denn der jeweilige Stand des Barometers ist hier für die Maßnahmen des Schiffskapitäns von größter Wichtigkeit. Auf Kriegsschiffen werden Quecksilberbarometer, von denen sich die bei weitem größte Zahl auf die Torricellische Röhre gründet, und Aneroidbarometer, deren Erfindung in ihrer Form von einem Franzosen Vidi (1844) herrührt, verwendet. — Das Thermometer verrät in Meeresgegenden, die in undurchdringliche Nebel gehüllt sind, oft einzig und allein die Nähe eines gefahrdrohenden Eisberges.

Fig. 130. Zeitballsäule.

8. Zeitball. Zur Kontrolle des Standes und Ganges der Chronometer dienen die Zeitbälle. Es sind das schwarze, ballonähnliche Körper von 1–2 m Durchmesser, die weithin sichtbar an Masten angebracht sind, genau zu einer bestimmten Normalzeit herabgleiten und hierdurch den Seefahrern ein Mittel zur Berichtigung ihrer Uhren bieten. Ein solcher Zeitballapparat steht mit einer Sternwarte in elektrischer Verbindung, wo in der Regel eine Normaluhr durch Schließung oder Öffnung des elektrischen Stromes in dem betreffenden Augenblick die Auslösung eines Sperrhakens vermittelt, der den Ballon bis dahin auf der Höhe des Mastes festhielt. Der erste Zeitball wurde 1833 in Greenwich eingerichtet; seitdem haben viele Hafenplätze derartige Apparate.

9. Fern- und Sprachrohr. In der Reihe der Instrumente, die dem Seemann nicht fehlen dürfen, sind endlich noch das Fern- und Sprachrohr zu erwähnen.

IV. Seekarten[169].

Zu den wichtigsten nautischen Hilfsmitteln zählen neben den seemännischen Instrumenten auch die Seekarten; es ist das dermalen in um so höherem Grade der Fall, als die nautische Kartographie in den letzten Jahrzehnten ganz enorme Fortschritte gemacht hat.

[S. 343]

Die Seekarten, deren man sich jetzt allgemein bedient, sind nach Mercators (s. S. 305) System; sie weichen ihrer Konstruktion nach von den Landkarten dadurch ab, daß die Meridiane alle parallel miteinander laufen und von den Breitenparallelen im rechten Winkel durchschnitten sind. Man nennt sie wachsende Karten. Die Längengrade in ihnen sind auf allen Breiten einander gleich, also nach den Polen hin zu groß; dafür aber sind die Meridiane nach den Polen hin verlängert, so daß die parallelen der Breite immer weitere Abstände voneinander erhalten, daher der Name „wachsende Karten“. Diese Verlängerung der Paralleldistanzen ist jedoch derart vorgesehen, daß das wahre Verhältnis zwischen den Längen- und Breitengraden überall gewahrt bleibt. — Die wachsenden Karten bieten den Vorteil, daß die loxodromischen Linien, d. h. die schiefen Linien der Schiffskurse, einen gleichen Winkel mit allen Meridianen bilden, die von denselben durchschnitten werden, wodurch die Schiffsrechnung (Besteck) bedeutend vereinfacht wurde. — In neuester Zeit wurden die Seekarten durch die mannigfachen wissenschaftlichen Expeditionen und die aufopfernden Bestrebungen einzelner bedeutend vervollkommnet, so daß eine moderne Seekarte in der That eine Fülle von Material dem betrachtenden Auge darbietet; man ersieht da nicht nur die Inseln und sichtbaren Felsen, sondern auch die verborgenen Riffe, Klippen und Sandbänke, die örtliche Tiefe des Wassers in Faden oder Metern, den Ankergrund, die Strömungen, die Zeit des Hochwassers am Neu- und Vollmondstage an verschiedenen Punkten, die Leuchttürme, Seezeichen und Baken, die Fluß- und Hafenmündungen, die Leuchtschiffe und Tonnen zur Bezeichnung der Untiefen, die Mißweisung des Kompasses etc. Auch Windrosen sind an verschiedenen Stellen der Karte angebracht, um mit ihrer Hilfe schnell den innegehaltenen Kurs des Schiffes bezeichnen zu können. Endlich finden sich oft auch die besten von einem Hafen zum andern führenden Wege als Linien eingezeichnet. Ferner verdient ganz besonders hervorgehoben zu werden, daß in jüngster Zeit fast alle kultivierten Staaten von ihren Küsten genaue und zuverlässige Aufnahmen veranlaßten. In den unkultivierten Erdteilen haben sich wiederum die am meisten beteiligten Handelsnationen den Küstenvermessungen unterzogen.

Hervorragende Verdienste um die nautische Kartographie erwarb sich der Nordamerikaner Maury († 1874). Welchen Nutzen derselbe durch seine Wind- und Stromkarten, sowie durch seine Segelanweisungen der Schiffahrt gewährt hat, ist kaum zu berechnen. Mit den Spurkarten an der Hand wird jede Reise schneller zurückgelegt, da diese Karten für alle Monate des Jahres die kürzeste einzuschlagende Route auf Grund der durch reiche Erfahrungen gesammelten Kenntnisse über herrschende Winde und Strömungen angeben. „Solange daher die oceanischen Strömungen das Meer durchfurchen und die Winde den Luftraum durcheilen werden, solange wird der Ruhm des verewigten Seemannes bleiben.“

[S. 344]

V. Hydrographische Institute.

Deutsche Seewarte.

Anstalten, welche im Dienst einzelner seemännischer Hilfswissenschaften stehen, besitzen die größeren Seestaaten zum Teil schon seit Jahren. Die größte praktische Bedeutung hat unter ihnen das National-Observatorium in Washington gewonnen, welches unter Maury zum erstenmal das bis dahin bekannt gewordene meteorologische und hydrographische Beobachtungsmaterial in umfassender Weise zur Vorzeichnung von Seewegen für alle möglichen Reisen ausbeutete. Um ähnliche Anstalten haben sich Fitz-Roy in England, Buys Ballot in den Niederlanden verdient gemacht. Auch in Deutschland war durch v. Freeden im Jahre 1867 zu Hamburg die „Norddeutsche Seewarte“ gegründet worden, aber erst durch kaiserliche Verordnung vom Januar 1875 wurde eine Anstalt ins Leben gerufen, welche für sämtliche Zweige der seemännischen Wissenschaften und die zugehörige Technik, mit Ausnahme der dem hydrographischen Amte der Admiralität anvertrauten Kartenzeichnung, sowohl selber eine Pflegestätte, als auch ein zwischen der Schiffahrt und ihren Hilfswissenschaften vermittelndes Organ sein sollte. Diese Anstalt ist die Deutsche Seewarte zu Hamburg, eines der hervorragendsten Institute des Deutschen Reichs. Indem wir im folgenden die Organisation dieser großartigen Anstalt des nähern darlegen, glauben wir unsere Leser zugleich über Zweck und Aufgabe der hydrographischen Institute überhaupt am besten zu orientieren. Wir folgen hierbei der ausgezeichneten Arbeit Nees’ von Esenbeck, die derselbe über die deutsche Seewarte im elften Jahrgang der „Deutschen Rundschau“ veröffentlichte.

Die deutsche Seewarte zu Hamburg gliedert sich in vier Abteilungen:

Abteilung I: Maritime Meteorologie.

Abteilung II: Beschaffung und Prüfung der Instrumente (Chronometer ausgenommen), schiffsmagnetische Arbeiten, Verwaltung der Instrumenten-Sammlung.

Abteilung III: Witterungskunde, Küstenmeteorologie, Sturmwarnungswesen.

Abteilung IV: Chronometer-Prüfung.

In dienstlicher Hinsicht steht die Seewarte unter der Admiralität, unterhält jedoch den vielseitigsten selbständigen Schriftverkehr mit deutschen und ausländischen wissenschaftlichen Anstalten.

Abteilung I.

Aufgabe der Abteilung I ist die Sammlung und Verwertung der meteorologischen Beobachtungen. Die Sammlung derselben erfolgt auf Grund eines an die Schiffsführer ausgegebenen[S. 345] Journals, welches nicht nur die Anstellung bestimmter Beobachtungen zu bestimmten Zeiten sichert, sondern durch die Frage nach den Korrektionen der benutzten Instrumente dem Eindringen der gefährlichen unzuverlässigen Beobachtungen in die Rechnung steuert. Das Journal schreibt für sechs bestimmte Tageszeiten einen Beobachtungssatz vor, bestehend in Angabe der Zeit, des Ortes, des Kurses, des Windes nach Richtung und Stärke, des Barometer-, Thermometer-, Psychrometer-Standes, der Wolkenbildung, des Wetters (ob Regen u. s. w.), des specifischen Gewichts und der Temperatur des Wassers, der Strömungen, des Aussehens der Meeresoberfläche. Solcher Journale wurden von der Seewarte und ihren Nebenstellen in den sechs Jahren von 1875 bis 1881 über 1400 ausgegeben, abgesehen von den durch die dazu angewiesenen deutschen Konsulate der Hauptwelthäfen verliehenen, sowie den ganz gleich geführten Journalen der Kriegsmarine. Bereits Ende des Jahres 1879 wurde das Journal von rund dreihundert deutschen Kauffahrteischiffen geführt.

Zur Gewinnung und Heranziehung guter Beobachter wird den Schiffsführern, welche sich zur Anstellung der Beobachtungen bereit erklären, unentgeltlich die ausgedehnteste Unterstützung seitens der Seewarte zu teil, bestehend in Untersuchung der Schiffsinstrumente und Chronometer, Raterteilung in Bezug auf Seewege, Gebrauch der Bibliothek, Mitteilung von Schriften und anderem mehr. Außerdem ist für solche Schiffsführer, welche sich im Dienst der Seewarte besonders auszeichnen, eine in Instrumenten oder wissenschaftlichen Büchern bestehende Prämie ausgesetzt worden.

Die an Bord benutzten Instrumente werden vor Beginn und womöglich auch am Schluß der Seereisen mit den Normalinstrumenten der Anstalt verglichen und die Korrektionen in das Journal eingetragen. Es liegt in der Absicht, die Beobachtungen an Bord künftig nur mit von der Seewarte zu entleihenden Instrumenten machen zu lassen — ein Ziel, dem nur langsam, in dem Maße, als die alten Instrumente abgenutzt werden, näher zu kommen ist. Ende 1880 waren z. B. 131 Barometer, 652 Thermometer aus den Beständen der Seewarte verliehen.

Um auch eine korrekte, den Einrichtungen der Instrumente, sowie den internationalen Abmachungen entsprechende Ablesung und Beobachtung zu sichern, wird den Schiffsführern bei Empfang der Journale eine Unterweisung erteilt, welche sich einer dem Journal beigefügten Instruktion anschließt und insbesondere auch die Anbringung der Instrumente berücksichtigt — ein Punkt, in dem vielfach gefehlt worden ist; so dürfen gerade die bequemsten Plätze, in der Nähe von Deckfenstern und Niedergängen, wo die Instrumente vor Stößen am sichersten sind, wegen der durch die Schiffsluft bewirkten Störungen nicht gewählt werden.

Obgleich in solcher Weise fehlerhafte Beobachtungen möglichst ausgeschlossen werden, sind die Angaben der einlaufenden Journale doch von[S. 346] sehr verschiedenem wissenschaftlichem Wert. Es werden daher die Journale bei ihrem Eintreffen nach Maßgabe einer Reihe von vorgeschriebenen Fragen in Betreff ihrer Zuverlässigkeit abgeschätzt und erhalten je nach dem Ausfall eine der Qualitätsnoten 1–5, von denen 5 soviel wie „unbrauchbar“ bedeutet. Von 405 Segelschiffsjournalen, welche in der Zeit von 1875 bis 1879 eingingen, erhielten in runden Zahlen: 4% die Note 1, 26% die Note 2, 52% die Note 3, 17% die Note 4 und 1% die Note 5.

Seit dem Bestehen der Seewarte ist bereits eine bedeutende Verbesserung wahrzunehmen; unter den vor dieser Zeit eingelaufenen Journalen befanden sich 58% von den Qualitätsnoten 1, 2 und 3, 37% von Note 4, 5% von Note 5, während nachher die Sätze 81%, 18%, 1% lauten.

Was die Verwertung der Beobachtungen betrifft, so sind praktische und wissenschaftliche Zwecke zu unterscheiden. Unmittelbar praktischen Wert haben die größtenteils aus den Bemerkungen der Journale zusammengestellten Reiseberichte, welche unter dem Namen „Auszüge aus eingelieferten Schiffsjournalen“ in den vom hydrographischen Amt herausgegebenen „Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie“ erscheinen. Diese Aufsätze werden auch als Sonderabzüge herausgegeben und erfüllen, jahrgangsweise geordnet, einen ähnlichen Zweck wie die systematischer verfaßten Segelhandbücher. Eine besondere Verwendung finden zweitens die aus dem Nordatlantischen Ocean stammenden Beobachtungen, indem dieselben zur Herstellung des Abschnitts „Atmosphärische Vorgänge über dem Atlantischen Ocean“ in der von der Seewarte herausgegebenen Monatsschrift „Monatliche Übersicht der Witterung“ dienen. Hierzu gehören die den Witterungszustand für acht Uhr morgens angebenden synoptischen Karten, d. h. Karten, welche den gleichzeitigen Zustand der Atmosphäre über dem Gebiet der Karte angeben. Da die hierfür erforderlichen Beobachtungen zum größten Teil von den Dampfern der deutsch-amerikanischen Gesellschaften geliefert werden, daher sehr schleunig und regelmäßig einlaufen, haben die „Monatlichen Übersichten“ einen besondern Wert für die Berechnung der Ankunftszeiten der im Nordatlantischen Ocean unterwegs befindlichen Segelschiffe.

Wir kommen zu derjenigen Verwertung der Journale, welche das Hauptziel der ganzen Arbeit darstellt und neben ihrem praktischen Nutzen auch eine hervorragende wissenschaftliche Bedeutung hat. Es ist die Diskussion der Beobachtungen für denjenigen Teil des Meeres, welchen bei der internationalen Verteilung des meteorologischen Gebietes Deutschland übernommen hat, nämlich für den Atlantischen Ocean östlich von 30° w. L. und zwischen 50° und 20° n. Br. An eine endgültige Zusammenstellung des Beobachtungsmaterials kann erst bei einem Stande der Sammlung gedacht werden, welcher die Wahrscheinlichkeit bald erforderlich werdender Veränderungen ausschließt. Auf diesem Stande jedoch ist die Arbeit noch nicht angelangt, und zwar in Deutschland hauptsächlich deshalb, weil das Londoner Meteorological Office auf den Aus[S. 347]tausch der beiderseitigen Beobachtungen bis jetzt nicht eingegangen ist. Wohl aber erfolgt der Austausch zwischen der deutschen Seewarte und dem holländischen meteorologischen Institut. Beide Anstalten haben sich auch über eine Form der vorläufigen Veröffentlichung geeinigt, welche eine Benutzung des vorhandenen Beobachtungsstoffs, sowie eine bequeme Eintragung des neu hinzukommenden gestattet.

Eine fernere Aufgabe der Abteilung I ist die Herstellung von Segelhandbüchern. Ein solches für den Atlantischen Ocean, zu welchem ein die physikalischen Verhältnisse und Verkehrsstraßen darstellender Atlas gehört, ist bereits erschienen, andere Handbücher sind in Arbeit.

Abteilung II.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Abteilung II ist die Prüfung der nautischen Instrumente. Dieselbe erstreckt sich auf die Vergleichung mit den der Seewarte gehörenden Normalinstrumenten (bei den Barometern, Thermometern, Psychrometern, Aräometern), auf die Bestimmung der Fehler bei den Winkelmaßinstrumenten (Sextanten, Oktanten, Spiegelkreisen), auf die Feststellung der magnetischen Kraft bei den Kompassen und den Magnetometern.

Diese Untersuchung der Instrumente kommt ebensowohl der deutschen Instrumententechnik, wie auch der Schiffahrt unmittelbar zu gute. So hat die Seewarte durch ihren Verkehr mit den Instrumentenmachern einerseits und den seemännischen Kreisen andererseits die Einbürgerung deutscher Instrumente auch in der Kauffahrtei-Schiffahrt erfolgreich angebahnt. Dank ihren Bemühungen wird es auch, wenigstens in Hamburg, mehr und mehr Regel, daß Instrumente von den Reedern nach oder vor dem Ankauf und selbst von den Instrumentenmachern ihr zur Prüfung zugeschickt werden.

Dieser Abteilung ist auch die Führung der schon oben besprochenen Deviationsbücher zugeteilt.

Der Abteilung II liegt ferner die Aufsicht über die Instrumenten-Sammlung ob. Obgleich die Seewarte nur meteorologische Instrumente, welche den Schiffen für die Dauer der Reise geliehen werden, in größerer Anzahl selber beschafft, muß doch die Anstalt allen übrigen nautischen Instrumenten ihre Aufmerksamkeit zuwenden, um für Beschaffung und Gebrauch derselben den Seeleuten und Reedern Rat und Unterweisung erteilen zu können. Bei der Menge der alljährlich auftauchenden Erfindungen kann das Urteil, welches Instrument jeder Gattung im Augenblick das beste ist, nur dann ein zuverlässiges sein, wenn es sich auf die Anschauung einer fortdauernd ergänzten Sammlung stützt. Eine solche Sammlung von Instrumenten zu meteorologischen, magnetischen, hydrographischen Beobachtungen, von Chronometern und Uhren ist daher in Bildung begriffen.

[S. 348]

Fügen wir noch hinzu, daß die meteorologischen Beobachtungen der Seewarte, als einzelner meteorologischer Station, von dieser Abteilung angestellt werden, so ist damit die Aufgabe der Abteilung II erschöpft.

Abteilung III.

Dieser Abteilung obliegt die Pflege der Witterungskunde, der Küstenmeteorologie und des Sturmwarnungswesens. Bei der großen Bedeutung dieser Materie ist es wohl gestattet, etwas näher auf die Sache einzugehen[170].

Was vorerst das Material betrifft, welches für die Pflege der Witterungskunde auf der deutschen Seewarte zusammenfließt, so hat dasselbe durch die Bemühungen der Seewarte sich im Laufe der Zeit bedeutend vermehrt und jetzt einen sehr ansehnlichen Umfang erreicht. Gegenwärtig erstreckt sich das Gebiet, von welchem die Seewarte täglich Telegramme erhält, von West-Irland bis zur Linie Archangelsk-Charkow und von Bodö im arktischen Norwegen südwärts bis zur Südspitze Italiens, so daß im Laufe des Vormittags aus dem Inlande von etwa 30, aus dem Auslande von etwa 70, also zusammen von ungefähr 100 Stationen Wettertelegramme einlaufen.

Sofort nach ihrem Eingange werden die Telegramme bearbeitet, und zwar werden dieselben entziffert, in die dazu bestimmten Formulare und Karten eingetragen und gleichzeitig die Wetterberichte für die Zeitungen, Häfen, Institute u. s. w. ausgearbeitet und die Wetterkarten für den Druck vorbereitet.

Das Eintragen der Beobachtungsdaten in die Karten geschieht auf folgende Weise. Die zu diesem Zweck verwendeten Karten (Skelettkarten) enthalten außer Gradnetz und Küstenumriß eine große Anzahl kleiner Kreise, welche die Stationsorte angeben. Neben diesen wird zunächst der (auf 0° C. und das Meeresniveau reduzierte) Barometerstand der betreffenden Station eingetragen, dann die Windrichtung durch einen kleinen Pfeil angegeben, so daß dieser mit dem Winde fliegt, und die Windstärke durch angehängte Federn bezeichnet. Bei Windstille wird um den Stationskreis noch ein zweiter Kreis gelegt. Die Bewölkung wird durch die Ausfüllung der Kreise veranschaulicht. Die im Momente der Beobachtung stattfindenden Hydrometeore werden durch internationale Zeichen neben die Stationsorte gesetzt (siehe Fig. 131).

Die Temperaturen werden ohne Rücksicht auf die Seehöhen der Stationen (die Temperatur nimmt nämlich mit der Zunahme der Seehöhe um ungefähr 1° auf 200 m im Durchschnitt ab) neben der Station eingetragen, und gleichzeitig werden auf der Karte die Hydrometeore und die gefallenen Niederschlagsmengen der letzten 24 Stunden eingezeichnet.

[S. 349]

Hieraus geht hervor, daß das so gewonnene Kartenmaterial ein umfassendes und sehr anschauliches Bild der gesamten Wetterlage und ihrer Änderungen enthält.

Fig. 131. Wetterkärtchen.

Die tägliche Berichterstattung der Seewarte an das Publikum erfolgt sowohl telegraphisch wie durch die Post.

Die telegraphische Berichterstattung umfaßt:

  1. die Hafentelegramme,
  2. die telegraphischen Abonnementsberichte für die Zeitungen etc.,
  3. besondere tägliche Mitteilungen für Zeitungen und an Private in kürzeren, vollbezahlten Telegrammen und
  4. die Telegramme zur Konstruktion von Wetterkarten außerhalb Hamburgs (Isobarentelegramme).

Die Berichterstattung der Seewarte durch die Post erfolgt durch autographierte Wetterberichte, welche die Seewarte als eigene Publi[S. 350]kation herausgiebt, und welche die dieser zur Verfügung stehenden Daten am vollständigsten und vielseitigsten wiedergeben.

Mit dem 1. September 1876 wurde in dem autographierten Wetterbericht eine ständige Rubrik mit der Bezeichnung: „Witterungs-Aussichten“ am Fuße der Wetterkarten eingefügt und diese Rubrik allmählich weiter ausgebildet. Die verhältnismäßig günstigen Erfolge, welche mit diesen Wetter-Vorhersagungen erzielt wurden, veranlaßten die Seewarte, im Sommer des Jahres 1877 einen Schritt weiter zu thun und die Vorhersagungen auch telegraphisch an Zeitungen u. s. w. abzugeben. Diese telegraphische Herausgabe wurde indes im Sommer 1884 wieder eingestellt.

Die von der Seewarte ausgegebenen Wetter-Vorhersagungen werden auf ihre Treffsicherheit einer strengen Prüfung unterworfen, wobei man die in denselben enthaltenen Elemente in drei Gruppen einteilt, und zwar: in Treffer, Halbtreffer und Mißerfolge. Von den Halbtreffern wird sodann noch die Hälfte den Treffern und die andere Hälfte den Mißerfolgen hinzugefügt. Auf diese Weise ergiebt sich für die Jahre von 1877–1882 folgende Zusammenstellung der Ergebnisse an vollen Treffern der für das nordwestdeutsche Küstengebiet aufgestellten Vorhersagungen, wie sie in den Zeitungen Hamburgs und der Umgegend zum Abdruck gekommen sind.

Jahr. Wetter. Wind. Temperatur. Übersicht.
1878 80 % 81 % 82 % 81 %
1879 77 „ 81 „ 77 „ 78 „
1880 82 „ 82 „ 80 „ 81 „
1881 81 „ 85 „ 84 „ 83 „
1882 79 „ 77 „ 77 „ 78 „
Mittel 80 % 81 % 80 % 80 %

Es dürfte nicht zweifelhaft sein, daß diese Wetter-Vorhersagungen mit durchschnittlich 80% Treffern, die sich ziemlich gleichmäßig auf alle Monate des Jahres verteilen, wohl im stande sind, dem praktischen Leben, besonders aber der Landwirtschaft, erhebliche Dienste zu leisten.

Fig. 132. Wetter-Signal-Apparat

Das Sturmwarnungswesen, wie es gegenwärtig gehandhabt wird, wurde im Herbst 1876 in vollem Umfange für die ganze deutsche Küstenstrecke eröffnet. Der Zweck desselben ist, die an- und auslaufenden Schiffsführer, sowie die Küstenbevölkerung über die jeweilige Wetterlage und ihre wahrscheinliche Änderung, insbesondere wenn dieselbe gefahrdrohend erscheint, zu unterrichten. Diese Mitteilungen erfolgen entweder regelmäßig durch die bereits erwähnten Hafentelegramme oder durch besondere Telegramme an die Signalstellen der Seewarte, deren Zweck es ist, möglichst rasche und allseitige Verbreitung der Sturmwarnungen sowohl durch Anschlag, als auch durch Signale zu bewerkstelligen. Der Mast, welcher zum Signalisieren in Anwendung kommt (siehe Fig. 132), trägt oben eine[S. 351] Raa; an der einen Seite derselben werden die Signalkörper, an der andern die Signalflaggen angebracht. Die Signalkörper, deren Durchmesser 1 m beträgt, bestehen aus einem Ball, zwei Kegeln und einer Trommel, so daß dieselben in der Ferne überall als Kreis, gleichseitige Dreiecke und Quadrate gesehen werden. Die Anordnung und Bedeutung der Signale ist aus Fig. 133 ohne weiteres verständlich. Die Signale beziehen sich immer auf die nächsten 36 Stunden.

Die Warnungstelegramme, welche außer dem Signal auch den Grund der Warnung in möglichster Kürze enthalten, werden, nachdem das Signal gehißt, sofort dem Publikum zugänglich gemacht, und der Signalist übermittelt der Seewarte als Empfangsbestätigung unverzüglich ein kurzes, den augenblicklichen Zustand der Atmosphäre und der See enthaltendes Telegramm, welches dieselbe in den Stand setzt, sich schon wenige Stunden nach gegebener Warnung ein Bild über die Witterungsverhältnisse der Küste zu verschaffen und hiernach unter Umständen weitere Anordnungen zu treffen. Auch ohne vorhergegangene Warnung berichtet der Signalist telegraphisch an die Seewarte, sobald stürmische Winde zur Entwicklung kommen.

An allen Signalstellen wird regelmäßig Tagebuch über Wind und Wetter geführt, und zwar werden die Beobachtungen um 8 Uhr morgens, 2 Uhr mittags und 8 Uhr abends eingetragen; zur Zeit unruhiger Witterung werden in noch kürzeren Zwischenräumen Beobachtungen angestellt und aufgezeichnet. Damit die Seewarte die Sturmanzeichen schon bald nach ihrem Auftreten verfolgen kann, sind alle Signalisten mit Postkarten versehen, welche zur Zeit unruhiger Witterung auszufüllen und an die Seewarte einzusenden sind. Durch diese Einrichtung erhält die Seewarte ein sehr umfassendes und wertvolles Material, wodurch es möglich wird, die Wetterlage und deren Änderung an der Küste in sehr kurzen Zeitabschnitten bis ins kleinste zu verfolgen. Nach Ablauf eines jeden Monats werden die Sturmwarnungen einer sorgfältigen Prüfung unterzogen, deren Ergebnis alljährlich zur Veröffentlichung gelangt. Die folgende Übersicht giebt eine annähernde Vorstellung über die bisher erzielten Erfolge. In derselben sind[S. 352] die Signalstellen nach den bei denselben erzielten Prozenten der eingetroffenen Warnungen in folgende Gruppen geordnet: 1. von 50% und darunter, 2. über 50 bis einschließlich 60%, 3. über 60 bis einschließlich 70%, 4. über 70 bis einschließlich 80%, 5. über 80%. Für die einzelnen Gruppen sind dann noch die Mittelwerte und die Durchschnittszahl der Anordnungen gebildet, und in der letzten Spalte ist schließlich die Anzahl der Anordnungen aufgeführt, welche zum Hissen und Senken der Signale von der Seewarte gegeben wurden.

Fig. 133. Sturmsignale.

Die Flaggen deuten auf vermutliches Umlaufen des Windes,
und zwar:
1 Flagge = rechtsdrehend (N E, S W),
2 Flaggen = zurückdrehend (N W, S E).

Jahr. Gruppen der Signalstellen. Anzahl
der
Anord-
nungen.
1.
50% und
darunter.
2.
über 50 bis
einschl. 60%.
3.
über 60 bis
einschl. 70%.
4.
über 70 bis
einschl. 80%.
5.
über 80%.
 
Anzahl. %. Anzahl. %. Anzahl. %. Anzahl. %. Anzahl. %.
1877 11 42 7 55  9 66  5 73 1 82  880
1878  7 44 7 56 14 66  3 72 1 82 1489
1879 15 33 8 56  6 62  4 78 1 81 1098
1880 10 43 6 55  9 63 12 74 1 86 2463
1881 15 43 4 56  7 67  2 73 4 87 1621
Durch-
schnitt bz.
Summe
12 41 6 56  9 65  5 74 2 84 7551

Jedenfalls ist es als ein entschieden günstiges Ergebnis der Sturmwarnungen anzusehen, daß nur höchst selten ausgedehnte, besonders heftige Stürme, die schwere Verluste an Menschenleben und Hab und Gut veranlaßten, ungewarnt die Küste trafen. Ausführliche Mitteilungen hierüber sind in den von der kaiserlichen Admiralität herausgegebenen Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, Januarheft 1882, und in der Einleitung zum Jahrgang 1882 der „Monatlichen Übersicht der Witterung“ (Herausgeber: Deutsche Seewarte) enthalten. Daß die deutsche Seewarte auch nach dieser Richtung hin einen vollen Erfolg zu verzeichnen hat, wird durch eine Reihe von Gutachten bestätigt, welche ihr von zuständiger Seite,[S. 353] und zwar von Lootsencommandeuren, Hafenmeistern und Vorständen der Signalstellen u. s. w. zugestellt worden sind. Sie alle sprechen sich fast ausnahmslos sowohl über die Einrichtung, als auch über die Wirksamkeit des Sturmwarnungswesens sehr günstig aus[171].

Gegenwärtig haben fast alle civilisierten Staaten auf der Nord- und Südhalbkugel einen telegraphischen Witterungsdienst eingeführt, in großartigster Weise aber die Vereinigten Staaten von Amerika. Um sich wenigstens annähernd eine Vorstellung von der großartigen Organisation dieses Dienstes machen zu können, erwähnen wir, daß die Ausgaben des Signal Office nach dem Report of the chief signal office for 1881/82 nicht weniger als 1021614,84 Dollar betrugen[172].

Abteilung IV.

Diese hat es mit der Chronometerprüfung zu thun. Die Untersuchung derselben geschieht in einem durch besondere Heizvorrichtungen auf bestimmte Temperaturen (zwischen +5° und +30°) zu bringenden Raume. Auf Grund genauer Beobachtungen der Gänge erfolgt dann die Ausrechnung der Temperatur- und Zeit-Koefficienten, die entweder mitsamt dem Stand im Augenblick der Abgabe an die Schiffe im Chronometerjournal bemerkt und während der Reise beständig auf den Gang angewendet werden, oder, wenn es sich um ein von einem Chronometermacher erbetenes Gutachten handelt, den Maßstab für die Güte des Instruments liefern.

Zur Beobachtung werden die Chronometer der deutschen und auch ausländischer Schiffe, zur Prüfung nur diejenigen deutscher und ausnahmsweise schweizerischer Fabrikanten zugelassen. Für diese Leistungen wird eine mäßige Gebühr erhoben, von welcher nur die das meteorologische Journal führenden Schiffer und die ein neues Modell vorlegenden Chronometermacher frei sind.

[S. 354]

Da die Aufgaben der Seewarte großenteils einen unmittelbaren Verkehr mit den Schiffsführern, oft auch den Besuch eines Vertreters auf den Schiffen erfordern, so sind außer der Hauptanstalt eine Reihe von Nebenstellen an den wichtigsten deutschen Küstenplätzen errichtet worden. Es sind dies die Agenturen, Normalbeobachtungsstationen und die schon erwähnten Signalstationen.

Fig. 134. Dienstgebäude der deutschen Seewarte.

Stolz erhebt sich das Gebäude der Seewarte — eine Zierde Hamburgs — auf dem Aussichtsplatz „Stintfang“, dem Ausgangspunkt der öffentlichen Anlagen an der Elbe, herabblickend auf die den Hafen füllende deutsche Kauffahrteiflotte, deren Bestem sie dient, und dieser ein unmittelbares Wahrzeichen der Fürsorge des Reichs[173]. — Möge die Anstalt den gesteigerten[S. 355] Anforderungen der fortschreitenden Technik und Wissenschaft stets wie bisher gewachsen bleiben und bei dem durch die überseeischen Erwerbungen bedingten, hoffentlich mächtigen Aufschwung der deutschen Schiffahrt, soweit dies an ihr liegt, gebührend mitwirken!

VI. Schiffsbau.

Schon der Gebrauch von Dampf und Schraube hat hinsichtlich des Baues und der Ausrüstung der Schiffe große Veränderungen nach sich gezogen; im Laufe der Zeit sind aber noch sehr wesentliche Verbesserungen hinzugekommen.

Einer der bedeutsamsten Fortschritte im Schiffsbau ist die Verwendung des Eisens an Stelle des Holzes als Schiffsbaumaterial. Der Vorteile, die hierdurch erzielt werden, sind mehrere. So wird die Tragfähigkeit der Schiffe wesentlich gesteigert, der Raum für die Fracht beträchtlich vergrößert und die Stabilität der Fahrzeuge bedeutend erhöht. Die Einführung des Eisens in den Schiffsbau beginnt um das Jahr 1810 mit den dahingehenden Vorschlägen Trevethicks und Dickensons; 1818 wurde das erste eiserne Schiff erbaut; die ausgedehntere Verwendung des Eisens im Schiffsbau gehört indes erst den letzteren Jahrzehnten an; jetzt hat es freilich das Holz als Schiffsbaumaterial fast gänzlich verdrängt. Neben dem Eisen beginnt übrigens neuestens auch der Stahl mehr und mehr im Schiffsbau Bedeutung zu gewinnen. Das zeigt sich namentlich auf den Werften des Clydeflusses. Erst vor wenigen Jahren wurde dort das erste Stahlschiff vom Stapel gelassen, und vor vier Jahren noch betrug der Gesamtraumgehalt der daselbst aus Stahl gebauten Schiffe nur 18000 Tonnen. 1882 stieg diese Zahl schon auf 100000 Tonnen und 1883 auf fast 130000 Tonnen, d. i. etwa ein Drittel des Tonnengehalts aller am Clyde gebauten Schiffe.

Sehr folgenreich wurde ferner die Einführung der sogen. Compound-Maschinen wegen der durch sie ermöglichten Ersparung an Feuerungsmaterial. Letztere ist sogar so bedeutend, daß beispielsweise der tägliche Kohlenverbrauch bei den Schiffen der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft, nachdem die bisherigen gewöhnlichen Niederdruckmaschinen gegen compound engines ausgewechselt waren, sich um ca. 50% verminderte. Außerdem nehmen diese Maschinen im Vergleiche zu anderen Systemen auch den geringsten Raum ein.

Trotz dieser großen Vervollkommnung der Schraubendampfer führen letztere gleichwohl auch heute noch eine mehr oder minder vollständige Takelung. Es erscheint dies als Aushilfe bei solchen Beschädigungen der Schraube oder Schraubenwelle, die während der Fahrt schwer repariert werden können, dringend geboten. Zudem wird die Schwierigkeit, mit voller[S. 356] Takelage gegen einen heftigen Wind zu kämpfen, während einer langen Reise mehr als genügend aufgewogen durch den Vorteil, den die ausgespannte Leinwand bei günstigem Winde darbietet.

Eine andere wichtige Neuerung, welche die jetzigen Eisenschiffe aufweisen, sind die wasserdicht voneinander abgeschlossenen Abteilungen, die sogen. water-tight-compartments. Der Vorteil, der hierdurch erzielt wird, besteht darin, daß, selbst wenn eine Abteilung des Schiffes leck wird, doch der Untergang des ganzen Schiffes verhütet wird.

Als ein Fortschritt muß es auch bezeichnet werden, daß im Vergleich zum frühern Schiffsbau in neuester Zeit der Rumpf des Schiffes bedeutend verlängert wurde; denn gerade durch diese Konstruktionsart wird der Widerstand von Wind und Wasser am leichtesten überwunden. Auf ihr beruht denn auch zu nicht geringem Teile die große Schnelligkeit, welche die jetzigen Dampfer durchschnittlich erzielen.

Was diese letztere betrifft, so hielt man in den 50er Jahren 16 Tage für eine angemessene Geschwindigkeit, um den Ocean von Europa nach New-York zu kreuzen. Dann sank die Durchschnittsdauer der Reise zum Erstaunen der Welt auf 11 Tage herab. Aber auch damit gab sich der spekulative Unternehmungsgeist nicht zufrieden. Im konkurrierenden Wettstreit führten die Schiffe der 1856 gegründeten Inmanlinie, welche Liverpool über Queenstown mit New-York und Philadelphia verbindet, und die zwischen Liverpool und New-York laufenden White-Star-Dampfer eine Reihe immer rascherer Fahrten aus und machten dadurch für sich Reklame. Vom 10. bis 17. August 1877 legte der der letztgenannten Gesellschaft gehörige Dampfer „Britannic“ die Strecke von Queenstown nach Sandyhook (Feuerturm bei New-York) in 7 Tagen 10 Stunden 53 Minuten zurück. Um Minuten verkürzten sich dagegen die Fahrten der „Servia“ und „Arizona“. Die Dampfer des Norddeutschen Lloyd machen dermalen mit beinahe zuverlässiger Regelmäßigkeit die Fahrt von New-York nach Southampton und umgekehrt in 8mal 24 Stunden. Von Southampton nach Bremen benötigen sie noch circa 20–24 Stunden. Die schnellste aller Fahrten über den Atlantischen Ocean hat bis jetzt der Cunard-Dampfer „Etruria“ ausgeführt; er machte die Reise von Queenstown (Südirland) nach New-York sogar in 6 Tagen 5 Stunden 32 Minuten. Der vor kurzem untergegangene Dampfer „Oregon“ von derselben Linie, der bisher im Rufe stand, die größte Schnelligkeit erreicht zu haben, bedurfte zu der nämlichen Fahrt 6 Tage 9 Stunden 22 Minuten. Auch die „Eider“, eines der Schnellschiffe des Norddeutschen Lloyd, befuhr im April 1884 die Strecke von Southampton nach New-York in 7 Tagen 16 Stunden, welche Leistung einer Passage von 6 Tagen 21½ Stunden auf der Route Queenstown-New-York entspricht, somit nur wenig hinter den Ergebnissen des „Oregon“ zurückbleibt.

[S. 357]

Welch gewaltiger Fortschritt in dieser Beziehung in jüngster Zeit gemacht wurde, erhellt am besten aus dem Hinweis auf die Zeitdauer ähnlicher Fahrten in früheren Perioden. So durchfuhr, wie schon erwähnt, 1819 die „Savannah“ den Atlantischen Ocean in 26 Tagen. Benjamin Franklin bedurfte 1775 zu seiner Reise von Amerika nach Europa 42 Tage, und Christoph Kolumbus erreichte die Bahama-Inseln erst nach 70 Tagen.

Gleich großartig ist die Verkürzung der Fahrten nach Indien und Australien. Vasco de Gama fuhr von Lissabon nach Calicut 314 Tage, während der erste Dampfer, der von Falmouth nach Calcutta ging, in nicht ganz 4 Monaten (vom 16. August bis 9. Dezember 1825) den Weg zurücklegte. Gegenwärtig beträgt die gewöhnliche Fahrzeit von Plymouth (Süd-England) nach Sydney (via Kapstadt) 45–50 Tage; ja vom Dampfer „Orient“ wurde die Reise von England nach Australien, und zwar ebenfalls um das Kap der guten Hoffnung, 1879 in 38 Tagen 14½ Stunden ausgeführt. Noch rascher kann die Fahrt nach Indien und Australien über Suez erfolgen, und vollends dann, wenn man auch noch die Bahnen benutzt. In diesem Falle ist z. B. Calcutta von London aus in nur 18 Tagen zu erreichen. Die schnellste Reise von China nach England wurde 1882 von dem Dampfer „Stirling Castle“ in 29 Tagen 22 Stunden gemacht.

Bezüglich der Fahrten über den Atlantischen Ocean sei übrigens noch bemerkt, daß Reisen wie die der „Etruria“ oder des „Oregon“ zu den seltensten Ausnahmen zahlen. Kürzlich sind von der White-Star-Linie zwei neue Zwillingsschrauber in Auftrag gegeben worden; sie sollen täglich nicht mehr als 100 t Kohlen verbrauchen, 3000 t Güter laden bei einem mittlern Tiefgange von 8 m, 200 Salonpassagiere aufnehmen und — die Reise in 7 Tagen machen, d. h. von Sandyhook nach Queenstown. Damit ist das Ziel ausgedrückt, welches alte, erfahrene, große Gesellschaften als für jetzt erreichbar anstreben. Allerdings erhebt sich in neuester Zeit, besonders von amerikanischer Seite, immer mehr der Ruf nach Sechstage-Dampfern. Die Erfüllung dieser Forderung ist indes wohl nur möglich mit Schiffskesseln, welche Dampf von einer Spannung bis zu 12 Atmosphären liefern, ohne zu lecken, und mit dreicylindrigen Expansionsmaschinen großen Stils[174].

Die mittlere Geschwindigkeit der Dampfer der größeren Schiffahrtsgesellschaften ist auf den Linien nach Amerika 13–14 Knoten[175] per Stunde. Die sogenannten Schnelldampfer hingegen erzielen auf den transatlantischen Fahrten eine solche von 16–17 Knoten per Stunde. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der „Etruria“ gelegentlich der oben erwähnten[S. 358] Schnellfahrt von Queenstown nach New-York betrug sogar an 19 Knoten per Stunde. — Auf den Linien nach Asien und Australien kommen derartige Verhältnisse vorerst nicht in Frage. Die für die ostasiatische und australische Fahrt bestimmten Schiffe des Norddeutschen Lloyd müssen nach der mit der deutschen Regierung getroffenen Vereinbarung eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 12, beziehungsweise 11½ Knoten pro Stunde erzielen. Trotzdem ist dies eine Geschwindigkeit, welche nach den vertragsmäßigen Festsetzungen von den Dampfern keiner einzigen fremden Nation für die asiatischen und australischen Linien verlangt wird. Es sind nämlich vertragsmäßig vorgeschrieben: a. von Frankreich für die Linie Indien-China 9½ Knoten, für die Linie Marseille-Numea 11–2⁄10 Knoten; b. von England für die Linien Brindisi-Alexandrien und Suez-Bombay 11 Knoten, für die Linie Suez-Shanghai 10½ Knoten; c. von den australischen Kolonieen für die Linie San-Francisco-Auckland-Sydney 11 Knoten, für die Linie Aden-Brisbane 9⅙ Knoten; d. von Österreich für die Linie Triest-Singapore gar nur 8 Knoten.

Das zur Zeit schnellste Seeschiff überhaupt ist vor kurzem von der Fabrik Schichau in Elbing an die chinesische Regierung abgeliefert worden. Das Fahrzeug ist ein sogenanntes Ocean-Torpedoboot von 45 m Länge und 6 m Breite; es hat eine Maschine von 1500 Pferdekräften und läuft mit voller Ausrüstung und Besatzung an Bord 24–25 Knoten (47 km) in der Stunde. Beachtenswert ist dieses Fahrzeug auch um deswillen, als die gesamte Dampfkraft für die Leistung von 1500 Pferdekräften in nur einem Dampfkessel erzeugt wird, eine Einrichtung, die bis jetzt ebenfalls als einzig in der Maschinentechnik dasteht und berufen sein wird, eine große Umwälzung im gesamten Schiffsmaschinenbau hervorzurufen[176].

Neuestens behauptet der Kapitän John Giles in den Vereinigten Staaten von Amerika, daß man durch Veränderung sowohl der Lage der Schraube, als auch ihrer Neigung zur Längsachse des Schiffes eine weit größere Geschwindigkeit erzielen könne, als das bisher der Fall gewesen. Er will die Schraube unter dem Kiel, etwas vor dem Besanmast, anbringen und ihr eine Neigung von 45° zur Ebene der Schiffsbewegung geben. Mit einer derart angebrachten Schraube glaubt der Erfinder die Geschwindigkeit der Schiffe auf 40 Knoten in der Stunde steigern zu können, während jetzt bei den schnellsten Dampfern etwa 21 Knoten als Maximum gelten[177].

Gewaltig ist auch die Größe der Oceandampfer gewachsen[178]. Die in neuerer Zeit für die Hauptverkehrslinien erbauten Postdampfer haben[S. 359] meist einen Gehalt von 4000–5000 t. Die zwischen Europa und Nordamerika fahrenden englischen, französischen und deutschen Postdampfer gehen selbst noch über 5000 t hinaus in ihrem Gehalte. Beispielsweise hat die „Aller“, einer der Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd, einen Brutto-Raumgehalt von 5380,7 t. Von den englischen Dampfern erreichen „Austral“ 5589, „Amerika“ 5528, „Alaska“ 6932, „Aurania“ 7269, „Servia“ 7342, „Umbria“ und „Etruria“ je 7718 Brutto-Tonnen. Die drei letztgenannten Dampfer sind Eigentum der Cunard Steamship Company. Ferner besitzt die Compagnie générale transatlantique Schiffe mit einem Brutto-Gehalt von 6800 t.

Der größte Postdampfer der Welt ist dermalen die „City of Rome“. Sie ist Eigentum der englischen Anchor-Linie, hat eine Länge von 560,2, eine Breite von 52,3 und eine Tiefe von 37 englischen Fuß. Getrieben wird das Schiff durch eine Schraube von 24 Fuß Durchmesser, und diese erhält wiederum ihre Bewegung durch Dampfmaschinen von zusammen 10000 Pferdekraft. Der Raumgehalt des Schiffes beträgt 8144 Brutto-Tonnen. In Bezug auf den Netto-Raumgehalt nimmt übrigens die City of Rome mit 3453 t unter allen Dampfern der Erde erst die zehnte Stelle ein; die erste Stelle behauptet in dieser Beziehung die der englischen Cunard Steamship Company gehörige „Aurania“ mit 4030 t.

Dampfer wie die eben erwähnten sind in der That kleine schwimmende Städte, die sogar mit Bezug auf die an Bord vorkommenden Geburten und Todesfälle ihr eigenes Standesamtsregister führen.

Das größte Schiff, das überhaupt jemals konstruiert worden, ist der „Great Eastern“. Dieses Schiff, 1854–59 von dem Ingenieur Brunel auf den Werften von Scott Russel & Komp. in Millwall an der Themse erbaut, ist 679,6 englische Fuß lang, 82,8 Fuß breit, 31,6 Fuß tief und hat einen Brutto-Raumgehalt von 18915 t. Die Motoren des Schiffes sind Schaufelräder von dem kolossalen Durchmesser von 17 m und eine aus vier Flügeln bestehende Schraube (mit 60 t Gewicht und 7⅓ m Durchmesser), zu deren Betrieb 10 Dampfkessel mit 5 Schornsteinen und 112 Feuerstellen vorhanden sind. Die Radmaschinen allein entwickelten einen Effekt von 1000, die Schraubenmaschinen einen solchen von 1600 Pferdekräften. Außer den Betriebsmaschinen hat das Schiff noch sechs andere Maschinen zur Verrichtung einer Menge von einzelnen Arbeiten, sowie einen vollständigen Apparat zur Beleuchtung aller Schiffsräume mit Gas, und eine Telegraphenleitung vom mittlern Teile des Schiffes nach beiden Enden hin, zu den Maschinenräumen und zu allen Stellen, wohin die Anordnungen des Kapitäns gelangen müssen. In unbeladenem Zustande ist das Schiff so geräumig, daß es in seinen vier übereinander liegenden Verdecken 10000 Menschen fassen kann. Der Innenraum desselben ist größer als der des Kölner Doms. An Feuerungsmaterial ver[S. 360]mochte der „Great Eastern“ 10000 t Kohle zu fassen, ein Quantum, das zu einer Reise um die Erde ausreichen dürfte, da der tägliche Kohlenverbrauch auf 360 t veranschlagt wird. Der praktische Erfolg des Schiffes war freilich kein großer. Der ursprünglich für 3000 Passagiere eingerichtete Dampfer wurde bald nur zur Legung von Telegraphenkabeln verwendet, und vor kurzem wurde derselbe um den geringen Betrag von 524000 Mark verkauft, um in Gibraltar als schwimmendes Kohlenlager benutzt zu werden[179]. Auf dem Gebiete des Kriegsschiffbaues sind dermalen die großartigsten Schöpfungen die italienischen Schlachtschiffe „Italia“ und „Lepanto.“ Die Italia hat eine Länge von fast 400,3 englischen Fuß, ist 74 Fuß breit und hat bei einem Tiefgang von 27,8 Fuß ein Deplacement von 13680 t. Um diese gewaltige Eisenmasse in Bewegung zu setzen, bedarf es vier getrennter Maschinen zu je drei Cylindern; jede dieser Maschinen repräsentiert 4500 indizierte Pferdekräfte, so daß alle vier zusammen eine Leistungskraft von 18000 Pferdekräften repräsentieren; es ist hierdurch möglich, dem schwimmenden Ungetüm trotz seines enormen Gewichts in der Fortbewegung eine Geschwindigkeit von 17 Knoten zu geben. An Kohlen führt das Schiff bei normaler Ausrüstung nicht weniger als 1600 t, kann aber dieses Quantum bei Hinzuziehung der Zellen im Deckgebälke auf 3680 t oder 73600 Ctr. erhöhen — eine ganz fabelhafte Fracht.

Auch die Größe der Segelschiffe ist, um dies nebenbei zu erwähnen, zuweilen sehr bedeutend. Die zwei größten von den in Verwendung stehenden sind „Palgrave“ und „Three Brothers“; ersteres hat 3112, letzteres 2936 Netto-Tonnen; beide sind Eigentum der britischen Handelsmarine.

Die Kosten solcher Seeriesen sind nun freilich auch ganz enorm. So belief sich der Aufwand für den Schnelldampfer „Fulda“ des Norddeutschen Lloyd auf 3380000 M. Das Prachtschiff „City of Rome“ kostete 6 Mill. M., und das Kriegsschiff „Lepanto“ verschlang mit seiner vollständigen Ausrüstung volle 22 Mill. M.

Am besten veranschaulicht wohl dem Leser all die Fortschritte der Nautik in technischer Beziehung die genauere Schilderung eines speciellen Dampfers. Wir wählen hierzu einen der neuesten Dampfer des Norddeutschen Lloyd, die „Ems[180].

Das Dampfschiff „Ems“ ist der fünfte Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd, der auf der Werft von John Elder & Komp. in Govan bei Glasgow erbaut wurde. Die Dimensionen des Schiffes sind: Länge über Deck 450 englische Fuß, Breite 47 englische Fuß, und Tiefe 36,5 englische Fuß. Sein Raumgehalt beträgt 5250 t. Es zählt demnach mit der[S. 361]Eider“, welche denselben Tonnengehalt besitzt und der gleichen Gesellschaft gehört, zu den größten unter deutscher Flagge fahrenden Passagierdampfern resp. Seeschiffen. Die Maschine ist nach dem Dreicylindersystem, welches von John Elder & Komp. zuerst adoptiert wurde, konstruiert. Der Hochdruckcylinder hat einen Durchmesser von 62 Zoll, die beiden Niederdruckcylinder von je 86 Zoll bei einem Hub von 5 Fuß. Sechs Doppelkessel von je 14½ Fuß Durchmesser und 16½ Fuß Länge mit je 6 Feuerungen, also 36 im ganzen, und einer Gesamtheizfläche von über 20000 Quadratfuß erzeugen den für den Betrieb der Maschine erforderlichen Dampf. Die Kessel sind von den besten Stahlblechen für einen Druck von 95 Pfd. auf den Quadratzoll gebaut und auf einen Maximaldruck von 190 Pfd. auf den Quadratzoll geprüft. Außerdem befindet sich in der Höhe des Hauptdeckes ein Krankessel von 800 Quadratfuß Heizfläche, welcher während der Liegezeit im Hafen den zum Betriebe erforderlichen Dampf erzeugt. Die Wellenleitung ist durchaus von Vickers Stahl, die Schraubenflügel von Manganbronze, dem zähesten Metall, welches bis jetzt erfunden; die Schraube hat einen Durchmesser von 21 Fuß 6 Zoll und eine Steigung von 30 Fuß 6 Zoll; die Schraubenflügel sind jeder mit 10 Bolzen an der Nabe befestigt, können einzeln abgeschraubt und, wenn schadhaft, durch neue ersetzt werden, welche stets in Reserve vorrätig sind.

Fig. 135. Schnelldampfer „Ems“.

[S. 362]

Die Maschinen indizierten auf der Probefahrt 7260 Pferdekräfte, womit die „Ems“ eine Geschwindigkeit von 18,3 Seemeilen per Stunde erreichte; während der Reise nach New-York beträgt die gewöhnliche Durchschnitts-Fahrgeschwindigkeit nahezu 17 Seemeilen die Stunde. Die „Ems“ ist ebenso, wie sämtliche Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd, nach den Erfordernissen der höchsten Klasse des Bureau Veritas gebaut und entspricht zudem allen Anforderungen, welche das englische Board of Trade an Passagierdampfer stellt.

Sie hat vier eiserne Pfahlmasten und zwei Schornsteine; der Fockmast trägt Rahen, die übrigen Gaffelsegel. Die Laderäume haben einen Raumgehalt von 1400 t, die Kohlenbunker einen solchen von 1500 t. Vier Luken (von denen die größte 12 Fuß im Geviert mißt), welche zu den Laderäumen führen, sowie sechs Dampfwinden von je 25 Pferdekraft ermöglichen ein rasches Entlöschen und Beladen des Schiffes; drei dieser Dampfwinden sind zugleich mit sechszölligen Druckpumpen versehen, mit denen sowohl aus dem Schiffsraume, als auch aus See gepumpt werden kann.

Außerdem sind zwei siebenzöllige Downston-Druckpumpen, je eine auf dem Vorder- und eine auf dem Hinterdeck in der Nähe der Dampfwinden aufgestellt, welche mit Hilfe der letzteren und einer endlosen Kette, aber auch mit der Hand getrieben werden können; auch liegen stets 1500 Fuß teils Leder- teils Hanfschlauch in Bereitschaft, um an die verschiedenen Pumpen angeschraubt zu werden; sie sind wohl mehr als hinreichend, um ein etwa ausbrechendes Feuer sofort zu löschen.

Noch einer andern Einrichtung verdient Erwähnung gethan zu werden, welche die Gefahr eines Feuers an Bord für die Dampfer des Lloyd vollständig beseitigt; nach jedem Teile des Schiffes, nach jedem Raume und Kompartiment ist nämlich ein zweizölliges Dampfrohr geleitet; sollte nun in irgend einem Teile des Schiffes Feuer ausbrechen, so läßt man sofort den Dampf einströmen und erstickt dadurch jedes Feuer im Keime.

Das Schiff ist durch sieben wasserdichte Schossen in acht vollständig voneinander getrennte Kompartiments eingeteilt; die Gefahr eines etwaigen Sinkens des Schiffes infolge eines Leckes ist dadurch auf ein Minimum beschränkt; die in diesen wasserdichten Schossen befindlichen Thüren und Schleusen sind sämtlich vom Hauptdeck aus zu öffnen und zu schließen.

Die „Ems“ hat eine Einrichtung für 1100 Zwischendeckspassagiere, 150 Passagiere der ersten und 170 Passagiere der zweiten Kajüte, also im ganzen für 1420 Passagiere. Sämtliche Einrichtungen entsprechen den höchsten Anforderungen an Ventilation und Komfort.

Die Zwischendecksräume sind luftig, geräumig und hell; auch hat jedes Gemach seinen eigenen Eingang.

Die zweite Kajüte liegt im Hinterteile des Schiffes und ist durch zwei Oberlichter von 16 Fuß Länge und 6 Fuß Breite erhellt und ventiliert; die Seitenwände dieser Kajüte sind von poliertem Satin- und Mapleholz ange[S. 363]fertigt und mit polierten Nußbaumsäulen und vergoldeten Kapitälen geschmückt; eine sehr gefällige geschnitzte Leiste in Blau und Gold dient als Abschluß gegen die Decke, welch letztere, in Weiß und Gold gehalten, einen sehr freundlichen Eindruck macht. Zu beiden Seiten des Salons liegen die sehr geräumigen Schlafzimmer, mit je vier Betten und sonstiger zweckgemäßer Ausrüstung versehen. Unmittelbar vor dem Salon führt eine bequeme Treppe direkt auf das Oberdeck und das Promenadendeck der Passagiere der zweiten Kajüte; im Treppenhause befindet sich auch das Rauchzimmer zweiter Kajüte, welches, geschmackvoll dekoriert und prächtig ventiliert, ein Lieblingsaufenthalt derjenigen ist, welchen Gott Neptun den Geschmack am edlen Kraut nicht zu verderben im stande war.

Vor dem zweiten Salon liegt noch das helle und mit seinem blanken Silbergeschirr gar verlockend aussehende Speise-Anrichtezimmer.

Von der zweiten Kajüte führt auf beiden Seiten an Maschinen- und Kesselräumen vorbei ein heller, luftiger Gang nach den ausschließlich für die Reisenden erster Klasse reservierten Räumen; von jedem Gange aus führt ein Eingang in den ersten Salon, welcher vor dem Kesselraume liegt; die Gänge selbst sind mit Brüsseler Teppichen belegt. Ganz besonders feine Ausführung zeigt der große Speisesaal von 50 Fuß Länge und 46 Fuß Breite; hier herrscht reiche Pracht, feiner Geschmack, künstlerische Darstellung und höchste Eleganz in voller Harmonie. Die Möbelstoffe von apfelgrünem Sammt harmonieren mit den Farben des reichen türkischen Teppichs, welcher den Boden deckt, sowie mit den mit schweren altdeutschen Borten verzierten Tischdecken und den aus Seidenchenille angefertigten Fenstergardinen und Portieren; die getäfelten Wände aus poliertem Ahorn- und Nußbaumholz sind mit reichen Schnitzereien verziert, die freien Felder mit prächtigen Gemälden geschmückt. Die Mitte des Saales nehmen zwei lange Tafeln ein, während vier kleinere Tische an jeder Seite zu je acht Personen den Passagieren Gelegenheit bieten, en famille zu speisen. Trotz dieser Tische und 120 vor denselben angeschraubten sehr bequemen Dreharmstühlen bleibt noch genügender Raum zu freier Bewegung. Der Haupttreppeneingang zum Salon, sowie die Treppe selbst zeigen reiche Holzschnitzereien; zwei ruhende Löwen bilden die beiden untersten Treppenpfeiler. Das Treppenhaus schließt nach oben mit einem glatten Glasdache mit überraschend schöner Glasmalerei ab. Den Glanzpunkt des Salons indessen bildet der überaus prachtvolle Lichtschacht von 24 Fuß Höhe und 17 Fuß im Geviert, dessen Glasdach ähnliche Glasmalerei zeigt, wie das Dach des Treppenhauses.

Das geräumige Rauchzimmer von 20 Fuß Länge und 18 Fuß Breite, auf dem Hauptdeck gelegen, ist luxuriös und mit Komfort ausgestattet. Sofas und Lehnsessel mit Gobelinpolstern, viereckige Spieltische und runde Tische mit eingelegten Schachbrettern, polierte Teakholzwände mit Schnitzereien und Ledertapeten, Ölgemälde mit allegorischen Figuren, welche die sämtlichen[S. 364] bekannten Getränke darstellen, lassen vergessen, daß man sich auf einem Schiffe befindet.

Das am luxuriösesten eingerichtete Zimmer im ganzen Schiffe ist jedoch der Damensalon, über dem Rauchzimmer in der Höhe des Promenadendeckes gelegen. Die schwellenden Divans und Sessel mit echtem genuesischen Sammet in Terracotta und Altgold, der kostbare türkische Teppich, in welchen der Fuß weich und tief einsinkt, das schwarze Ebenholzmeublement, die Thüren, die Täfelung der Wände mit ihren reichen Schnitzereien und Seidendamasttapeten, die Zimmerdecke von poliertem Satinholze in verschiedenen Farbentönen und reich vergoldet, die drei prachtvollen Ölgemälde von Dielitz, welche die Wände schmücken, all dies Schöne und Liebliche macht in dem angenehm gedämpften Lichte des Salons den Eindruck des Trauten und Kosigen und erweckt ein Gefühl unendlicher Behaglichkeit.

Die Schlafzimmer für die Passagiere der ersten Klasse liegen teils hinter, teils vor dem Speisesalon, sämtlich an den Schiffsseiten, und sind hell, luftig, geräumig und mit allem Komfort ausgestattet. Jedes Schlafzimmer ist zudem mit einer pneumatischen Klingel versehen, welche mit dem Servicezimmer in Verbindung steht. — Drei luftige Badezimmer mit Marmorbadewannen und Kalt- und Warmwasserleitung, sowie die elektrische Beleuchtung aller Räume sind weitere Vorzüge dieses Dampfers.

Das Promenadendeck für die Passagiere der ersten Kajüte befindet sich in der Mitte des Schiffes und ist 180 Fuß lang; der Zugang zu demselben wird durch die Haupttreppe, welche ihren Anfang im ersten Salon hat und an Rauchzimmer und Damensalon vorbeiführt, sowie durch eine andere, welche direkt von den hinteren Gängen zwischen Maschinen- und Kesselraum nach oben führt, vermittelt; im Treppenhause der letztern ist auf dem Promenadendeck noch ein Entrezimmer eingerichtet, welches zum Rauchzimmer benutzt wird und einen Lieblingsaufenthalt der Passagiere bildet.

Die „Ems“ ist mit zehn großen Rettungsbooten ausgerüstet, welche, sämtlich von Metall gebaut, stets fertig und mit ihrer Ausrüstung komplett versehen, in drei Minuten zu Wasser gelassen werden können.

Auch die Dienst- und Wohnräume der Besatzung vom Schiffsführer herab bis zum Schiffsjungen sind behaglich und wohnlich eingerichtet; dieselben befinden sich größtenteils auf dem Oberdeck unter dem Promenadendeck, wie auch die Küchen, Bäckereien und sämtliche zum Passagierbetriebe nötigen Räumlichkeiten; die Besatzung der „Ems“ besteht bei voller Passagieranzahl aus 175 Mann.

Selbstverständlich ist die „Ems“ mit den denkbar besten Einrichtungen und Instrumenten zur sichern Führung des Schiffes ausgerüstet; an verschiedenen Teilen des Schiffes sind Kompasse aufgestellt, und auf der Kommandobrücke selbst befindet sich ein Patentkompaß von Sir William Thomson mit Azimutvorrichtung etc.

Fig. 136. Dampfer „Elbe“, gebaut 1881 bei John Elder & Komp. in Glasgow.


GRÖSSERE BILDANSICHT

1. Ruder. — 2. Schraube. — 3. Sternbuchse. — 4. Dampfsteuerung. — 5. Stewards. — 6. Zwischendeck. — 7. Oberlicht. — 8. Luke. — 9. Dampfwinde. — 10. Oberlicht. — 11. Zweiter Salon. — 12. Zwischendeck. — 13. Laderaum. — 14. Wellentunnel. — 15. Niedergang — 16. Zweites Rauchzimmer. — 17. Luke. — 18. Niedergang. — 19. Luke. — 20. Dampfwinde. — 21. Pantry für den zweiten Salon. — 22. Drucklager. — 23. Maschinen-Oberlicht. — 24. Maschine. — 25. Promenadendeck. — 26. Oberdeck. — 27. Hauptdeck. — 28. Zwischendeck. — 29. Kohlenbunker. — 30. Kesselraum. — 31. Erste Küche. — 32. Erste Pantry. — 33. Niedergang. — 34. Niedergang. — 35. Laderaum. — 36. Kohlenbunker mit Tunnel. — 37. Damensalon. — 38. Rauchzimmer. — 39. Oberlicht. — 40. Erster Salon. — 41. Zwischendeck. — 42. Kartenhaus. — 43. Ruderhaus. — 44. Zimmermann. — 45. Niedergang. — 46. Luke. — 47. Dampfwinde. — 48. Hauptdeck. — 49. Luke. — 50. Laderaum. — 51. Laderaum — 52. Zwischendeck. — 53. Wassertank. —- 54. Dampfküche. — 55. Laufbrücke. — 56. Leuchtturm. — 57. Dampfwinde. — 58. Eiskeller. — 59. Luke. — 60. Proviantraum. — 61. Luke. — 62. Fleischräume. — 63. Wassertanks. — 64. Dampfspill. — 65. Ankerkran. — 66. Ankerwinde. — 67. Mannschaftsräume. — 68. Ankerkettenkasten. — 69. Kettenklüse. — 70. Kartoffelraum. — 71. Inventarienraum.

[S. 365]

Eine Telegraphenleitung verbindet die Kommandobrücke mit der Maschine, dem hintern Steuerhause und dem hintern Turtledeck; die besten Patent-Lot- und Log-Apparate erleichtern dem Schiffsführer seinen schwierigen Beruf und tragen zur sichern Navigierung wesentlich bei; ein Dampfsteuerapparat von Muir & Caldwell in Glasgow, der vollkommenste seiner Art, ermöglicht eine Kursveränderung resp. Drehung des Schiffes in kürzester Frist und trägt zur Verhütung von Kollisionen bei; kurz, es ist nichts unterlassen und nichts gespart, was zur Sicherheit des Schiffes und seiner wertvollen Fracht beitragen kann.

Ebenso vortrefflich, wie Ausstattung und Einrichtung des Schiffes, ist auch die leibliche Verpflegung. In den Vorratsmagazinen liegen gewaltige Mengen von Nahrungsmitteln aufgespeichert: Gemüse aller Art aus den berühmtesten Konservenfabriken, Südfrüchte von Malaga, Smyrnaer Traubenrosinen, amerikanische Schnittäpfel, pulverisierter Zucker, kondensierte Milch in Blechdosen, aller Art konservierte Früchte zu Kompotts, kalifornische Aprikosen, englisches Tafelsalz, westfälische Schinken; dann Austern-, Sardinen-, Hummer-, Lachs- und Anchovis-Konserven, Kaffee, Zucker, frische Gemüse und frisches Obst, Fleischmassen in Eisbehältern u. s. w. Ein Blick in den Kellerraum zeigt uns wiederum ein reichhaltiges Lager der mannigfaltigsten Rot- und Rheinweine, von Champagner, Cognac etc. der berühmtesten Firmen u. s. w.

So ist die „Ems“ ein Schiff, das den besten Dampfern der Jetztzeit gleichkommt; es vereinigen sich in demselben Gefälligkeit im Äußern, Schönheit der Linien, Stärke, Schnelligkeit, Eleganz und Komfort. Hiezu kommt noch vorzügliche leibliche Verpflegung, wie überhaupt das Bestreben, dem verwöhntesten Geschmacke des reisenden Publikums Rechnung zu tragen und das Beste zu bieten, was die mannigfachen Erfindungen der Neuzeit und die Verbesserungen im Schiffsbau erreichen lassen.

Dampfer ähnlicher Art sind die gleichfalls dem Norddeutschen Lloyd gehörigen Schnelldampfer „Elbe“ (siehe Beilage Fig. 136), „Weser“, „Werra“, „Fulda“, „Eider“, „Aller“, „Saale“ und „Trave“. An Bord der „Trave“ z. B. befinden sich 33 selbständige Dampfmaschinen mit 65 Cylindern[181].

„Die Großartigkeit der modernen Seeriesen,“ sagt darum v. Henk mit Recht, „erregt denn selbst noch in unserem Zeitalter Staunen und Bewunderung. Fast alle realen Wissenschaften — Mathese, Physik, Ingenieurkunst, Chemie und Astronomie — haben sich ja verbunden, diese schwimmenden Kolosse zu schaffen und zu lenken, und so sind sie in der That die gewaltigsten und imposantesten Schöpfungen kalkulierenden Geistes und werkthätiger Hand.“


[S. 366]

VII. Seebauten und Hafenanlagen.

1. Interoceanische Kanäle.
a. Ausgebaute Kanäle.

Der Suezkanal[182]. 1. Geschichtliches. Die ersten Bemühungen, eine zunächst freilich nur indirekte Verbindung zwischen dem Mittelländischen und dem Roten Meer herzustellen, gehören schon dem Zeitalter der Pharaonen an. Champollion schreibt die Erbauung des ersten Kanals vom Nil zum Roten Meer dem König Ramses II. zu, der etwa 1300 v. Chr. regierte. Geschichtlich sicher ist die Thatsache, daß Necho, der Sohn Psammetichs, einen solchen Kanal zu bauen beschloß und den Bau auch wirklich begann. Dies war etwa 650 v. Chr. Er hielt jedoch inmitten des Unternehmens ein, weil ein Orakel verkündet hatte, daß er mit dem Kanal den Fremden den Weg nach Ägypten erleichtere. Zunächst nahm Darius Hystaspes († 485 v. Chr.) das Werk wieder auf; aber auch er ließ den Bau wieder unterbrechen, da man ihm vorstellte, daß infolge des höhern Niveaus des Roten Meeres das ganze Land überschwemmt würde. So hat denn erst Ptolemäus II. den Kanal 277 v. Chr. vollendet. Die kostspielige Unterhaltung und der geringe Verkehrsnutzen desselben scheinen indes später seinen Verfall herbeigeführt zu haben. Die Kaiser Trajan und Hadrian stellten ihn jedoch zum Teil wieder her, und noch in der Mitte des sechsten Jahrhunderts war er schiffbar. Um 650 regte Amru, der arabische Eroberer Ägyptens, die Idee eines direkten, beide Meere verbindenden Kanals an. Der Kalif Omar verwarf dieselbe aber, hauptsächlich um den Korsaren des Mittelmeeres nicht die Pforten zum Roten Meere zu öffnen. Dafür ließ Amru zum Zwecke der Verbringung von Getreidevorräten nach Arabien am alten Kanal nicht unerhebliche Verbesserungen vornehmen. Von da, also von der Mitte des siebenten Jahrhunderts an, blieb der Kanal offen und schiffbar bis 767, in welchem Jahre der Kalif Almansor die Verschüttung des Kanals befahl, um einem von seinem Oheim zu Medina angeführten Rebellenheer die Zufuhr zu erschweren. Überdies erschien es der Handelspolitik des Kalifates zweckmäßiger, den indischen Handel über den persischen Golf und das aus den Trümmern des alten Babylon neugeschaffene Bagdad zu leiten. So endete der „Kanal der vier Könige“ (Ramses, Necho, Darius und Ptolemäus). Dreimal noch tauchte die Idee Amrus auf, den Isthmus von Suez[S. 367] zu durchstechen: um das Jahr 1500 bei den Venetianern und später wieder seitens des Sultans Mustapha III. (1757–1773) und des Konsuls Bonaparte. Aber erst dem Franzosen Ferdinand von Lesseps gelang es, den Plan trotz aller sich auftürmenden Hindernisse durchzuführen und damit den Traum eines Jahrtausends zu erfüllen.

Fig. 137. Ferdinand von Lesseps.

Ferdinand von Lesseps, geb. 1805 in Versailles, trat in jungen Jahren, dem Beispiel seines Vaters folgend, in die diplomatische Laufbahn ein. Im Jahr 1825, also kaum zwanzig Jahre alt, war er Konsulatsattaché in Lissabon, dann wurde er in den Bureaus der Handelsdirektion des Auswärtigen Amtes beschäftigt. 1828 erhielt er eine Sendung nach Tunis, und erst die folgenden Jahre führten ihn nach Ägypten. Zuerst Konsulatseleve und Vicekonsul in Kairo, wurde er daselbst 1833 zum Konsul zweiter Klasse befördert. In dieser Zeit nun erwachte in Lesseps auch die Idee von der Herstellung des Suezkanals. Zurückzuführen ist dieselbe auf das Studium einer Denkschrift von Lepère (über die Verbindung des Mittelländischen mit dem Roten Meere), auf die ihn sein Vorgesetzter, der[S. 368] Generalkonsul Mimaut, aufmerksam gemacht hatte[183]. 1842 wurde indes Lesseps durch seine Ernennung zum Konsul in Barcelona dem Pharaonenlande wieder entrückt. Er bekleidete dann noch die Stelle eines Gesandten am Hofe von Madrid und wurde auch noch mit einer Mission nach Rom betraut. Der Ausgang dieser Sendung aber schreckte Lesseps für immer von der Diplomatie und Politik ab. Er zog sich nach seinem Landsitze in Berry zurück und befaßte sich von jetzt an ausschließlich mit dem Projekte des Suezkanals. 1854 erlangte er denn auch die Konzession zur Herstellung des Kanals von seiten Said Paschas, dem zu Ehren später die Stadt am nördlichen Ausgang des Kanals den Namen Port-Said erhielt; jedoch erst 1858 konnte sich die Baugesellschaft La Compagnie Universelle du Canal maritime de Suez konstituieren. Am 25. April 1859 erfolgte bei Port-Said der erste Spatenstich, und Lesseps selbst hatte sich mit den oberen Beamten und Ingenieuren der Kompagnie zu diesem Zwecke nach dem Orte der künftigen Mündung des Kanals begeben. Eine angemessene Feier weihte hier den Beginn der Arbeiten ein, welche, indem sie zwei Weltteile zu trennen schienen, zur Herstellung einer engern Verbindung von vier Weltteilen bestimmt waren. Der Bau selbst währte von 1859–1869 und war mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Wie mühevoll war nur die Versorgung der Arbeiter mit Trinkwasser in diesem Wüstengebiet! 1862 waren von den 1800 Lastkamelen der Kompagnie allein 1600 für den täglichen Transport des Trinkwassers für 20–25000 Mann in Anspruch genommen. Die tägliche Gesamtausgabe für diesen Zweck betrug 8000 Francs. Sehr bedeutend fielen neben den Wasserkarawanen auch die Transporte der Nahrungsmittel, Werkzeuge, Kleider und Schuhe und der Wäsche ins Gewicht; denn die Verwaltung mußte für alles bis auf die Nähnadeln, Knöpfe und Kämme sorgen, da für die in der Wüste von aller Kommunikation abgeschnittenen Leute durchaus keine Gelegenheit bestand, diese Artikel sich zu beschaffen. Zu alledem kamen dann noch politische und finanzielle Schwierigkeiten und 1865 der Ausbruch der Cholera unter der Arbeiter-Kolonie. Von den 8000 Arbeitern von damals hatten nicht weniger als 5000 die Flucht ergriffen. Über die Großartigkeit des Unternehmens in technischer Beziehung geben wohl folgende Angaben genügenden Aufschluß. Die Maschinenwerkstätte der Firma Borel, Lavalley & Komp. in Port-Said, welche die Austiefung des Kanals übernommen hatte, verwendete 1868 außer 10000 Menschen noch 10000 Pferdekräfte Dampf mit einem täglichen Verbrauch von 12000 Centner Kohlen. Infolge dieser gewaltigen Betriebskräfte waren damals in Gang 10 mechanische Zermalmer, 4 Hand-Baggermaschinen, 18 kleine und 58 große Baggermaschinen, 30 Schuttdampfschiffe mit Seitenplatten, 79 Schuttdampfschiffe mit Grundklappen,[S. 369] 68 Elevatoren, 90 Barken mit Schuttkisten, 30 Dampfwidder, 15 Dampfbarken, 60 Lokomobilen, 15 Lokomotiven, 20 Dampf-Erdheber für den trockenen und nassen Boden, 1800 Erdwagen, 25 Dampfcanots und Remorqueurs und 200 eiserne Barken. Ein anderes hochwichtiges Etablissement zu Port-Said war die Steinfabrik der Gebrüder Dussaud, in der jene riesigen künstlichen Blöcke erzeugt wurden, die zur Herstellung der Moli dienten. Jeder dieser Blöcke maß 10 cbm, wog 400 Centner und kostete ungefähr 300 Francs.

Die Masse des auf der ganzen Kanalstrecke abgehobenen Materials beträgt 74 Mill. cbm, ein Quantum, das hinreichen würde zum Baue einer Pyramide, deren Grundflächenkante 1 km und deren Höhe 225 m betrüge.

Gleichzeitig mit dem Beginne der Arbeiten am Kanal schritt man auch zur Anlage eines Süßwasserkanals, ohne dessen Existenz das ganze Unternehmen unmöglich gewesen wäre. Die Eröffnung dieses Kanals, der das notwendige Trinkwasser zuführte, erfolgte 1864. Derselbe nimmt vom Nil unterhalb Kairo seinen Ausgang und zieht über Ismailia nach Suez; ein Arm führt nach Port-Said.

Die feierliche Eröffnung des Kanals erfolgte am 16. November 1869 unter der Regierung Ismail Paschas. Die Kaiserin Eugenie von Frankreich, der Kaiser von Österreich, der Kronprinz von Preußen, viele andere Fürstlichkeiten und über 30000 anderweitige Besucher aus allen Weltteilen waren Zeugen dieses welthistorischen Ereignisses.

Seinem Werk zuliebe und auch vermöge seiner Blutsverwandtschaft mit Eugenie de Montijo hatte sich Lesseps mit dem Kaiserreiche und dem Kaiser versöhnt, obwohl er einer der aufrichtigen Gegner des Staatsstreiches gewesen und anläßlich des Plebiscites gegen Napoleon III. gestimmt hatte. Die Kaiserin insbesondere wandte ihm ihre Protektion zu, und mehr als einmal dankte es Lesseps der Verwendung des Kabinetts der Tuilerien und der persönlichen Gunst des Kaisers, daß die Intriguen der Engländer fehlschlugen. Zum Lohne dafür beschützte Lesseps am 4. September 1870 die Kaiserin Eugenie auf ihrer Flucht aus den Tuilerien.

Auch die Pariser Akademie der Wissenschaften hatte Lesseps zu ihrem Mitgliede ernannt und dadurch eines der thätigsten und rührigsten Mitglieder gewonnen. Auf ihre Einladung legte er jene fünfbändige Urkundensammlung an, die vereint mit seinen Briefen und dem an Frau Delamalle gerichteten Tagebuche die ganze Geschichte des Suezkanales bietet und den Titel trägt: Lettres, Journal et documents pour servir à l’histoire du Canal de Suez (Paris 1875–1881, 5 Bde. in gr. 8o). Namentlich aber sind es drei große Projekte, die er im Schoße der Akademie vertrat: die Schaffung eines Binnenmeeres im Innern von Nordafrika, das Projekt des verstorbenen Majors Roudaire, der Bau einer Eisenbahn durch das Innere von Asien, für deren Studium sein ältester Sohn große Forschungsreisen an Ort und Stelle unter[S. 370]nommen hat, und die Durchstechung der Landenge von Panama. Lesseps’ indirektes Werk ist auch der in Ausführung begriffene Kanal von Korinth.

Kein Franzose ist in seinem Lande so allgemein und unbestritten anerkannt, wie der Schöpfer der Seewege über die Landenge von Suez; er heißt einfach der „große Franzose“.

Versailles ließ an seinem Geburtshause eine Marmortafel mit der Inschrift anbringen: „In diesem Hause ist Ferdinand von Lesseps, der große Franzose, geboren, welcher die Welt durch friedliche Thaten und ohne Blutvergießen umgestaltet hat.“

Fig. 138. Der Suezkanal.

2. Die Kanalroute. Am Nordende des Kanals, am Mittelmeer, liegt Port-Said mit 16500 Einwohnern. Die Stadt ist mit allen Erfordernissen eines guten Hafenplatzes versehen; es finden sich hier Agenturen der großen Dampfschiffahrtsgesellschaften, Konsulate, Post- und Telegraphenämter; vor allem aber besitzt sie einen ausgezeichneten Hafen; zwei ungeheure Molen von 2300 m und 1600 m Länge erstrecken sich frei in das Meer hinaus. 1859 betrug die Bevölkerung dieses Erdfleckens 12 Europäer und 100 Fellahs. — Von Port-Said geht der Kanal zuerst durch die Lagune des Menzaleh-Sees, dann durch den Landrücken von Kantara in den kleinen Ballah-See, weiter durch die 16 m hohe Schwelle El Gisr in den Timsah-See. An letzterem liegt die junge Stadt Ismailia, die zu Ehren des Vicekönigs Ismail Pascha ihren Namen trägt. Sie verdankt ihre ganze Existenz dem Süßwasserkanal. Von Ismailia führt die Kanalroute zunächst nach dem durch Kalksteinfels gebrochenen Durchstich von Tussum; hierauf in die großen Bitterseen. Aus diesen Seen ausgetreten, durchzieht der Kanal[S. 371] die Schwelle Schaluff und tritt dann in den Bereich von Ebbe und Flut des Roten Meeres, das er bei Suez erreicht. Die Kanalrinne selbst ist noch 4 km weit in das Meer hineingeführt. Auch Suez, vor dem Kanalbau noch ein elender Ort, ist jetzt zu einer Stadt von 11000 Einwohnern emporgewachsen. Früher wurde hier mitunter ein Schlauch (3 Eimer) süßen Wassers mit 300 Francs bezahlt, jetzt quillt dieses Lebenselement in unerschöpflicher Fülle.

Der ganze Kanal hat von Port-Said bis Suez eine Länge von 160 km, eine Breite von 58–100 m am Wasserspiegel und von 22 m an der Sohle, sowie eine Tiefe von 8 m. Von fünf zu fünf Seemeilen sind Ausweichestationen errichtet, da des engen Fahrwassers halber stets nur ein Schiff die Strecke zwischen zwei solchen Stationen passieren kann. Die Stationen selbst stehen denn auch untereinander in telegraphischer Verbindung und signalisieren durch Semaphoren den Schiffen die entsprechenden Avisos. Die durchschnittliche Dauer der Fahrt durch den Kanal beträgt 43 Stunden.

Sehr bemerkenswert ist der Einfluß, welchen der Kanal auf das Klima seiner Nachbarschaft ausgeübt hat. Von 1854–1870 regnete es in der Umgebung desselben äußerst selten, jetzt taut es stark und regnet wenigstens zweimal im Monat. Die Bewohner von Suez beklagen sich weniger als früher über die Hitze des Sommers, und längs des Kanals bildet sich eine Vegetation, die ihren Ursprung den neu hervorgerufenen atmosphärischen Niederschlägen verdankt.

3. Entwicklung des Verkehrs. Dieselbe hat alle Erwartungen weit übertroffen. Ja der Kanal vermag den Bedürfnissen der Schiffahrt schon nicht mehr zu genügen, so daß eine Erweiterung desselben bereits in Angriff genommen ist[184]. Über den Umfang des Kanalverkehrs giebt die nachstehende Tabelle Auskunft, welche zugleich den überwiegenden Anteil der englischen Schiffahrt erkennen läßt:

Jahr. Gesamtverkehr. Britischer Verkehr. Kanalabgaben
der Schiffe
in Mill. Frcs.
Zahl der
Schiffe.
Netto-
Tonnengehalt.
Zahl der
Schiffe.
Netto-
Tonnengehalt.
1869
(30 Tage.)
  10    6576    9    6286
1870  486  435911  314  289234  5,1
1871  765  761467  502  546453  8,9
1872 1082 1160754  761  835490 16,4
1878 1593 2269678 1268 1809887 31 
1880 2026 3057421 1592 2432932 39,8
1882 3198 5074808 2565 4126245 60,5
1883 3307 5776823 65,8
1884 3284 5871501 2474 64,4
1885 3624

[S. 372]

Im Jahre 1884 verteilten sich die Schiffe nach ihrer Flagge wie folgt:

Flagge. Schiffe. Tonnen.
Englische 2474 4466930
Französische  300 567874
Niederländische  145 264240
Deutsche  130 168904
Italienische   54 114246
Österreichische   65 106368
Spanische   46  96351
Russische   17  29616
Schwedische und
 Norwegische
  18  24236
Japanische   13  12566
Belgische    5   7162
Türkische und
 Ägyptische
   8   4507
Portugiesische    4   2824
Andere    5   5677
Zusammen 3284 Schiffe mit 5871501 t.

Der prozentuale Anteil der einzelnen Handelsflaggen im ersten Jahrzehnt des Suezkanalverkehrs von 1870–1879 betrug:

Länder. nach der
Anzahl
d. Schiffe.
nach der
Tonnen-
zahl.
England 73,50 75,98
Frankreich  6,67  8,63
Österreich-Ungarn  4,18  2,87
Italien  3,98  2,64
Niederlande  3,40  4,14
Deutschland  1,79  1,24
Spanien  1,40  1,57
Ägypten  1,27  0,55
Türkei  1,23  0,52
Andere Länder  2,58  1,87

Im Jahre 1882 war Englands Anteil an dem Tonnengehalt der durch den Kanal gegangenen Schiffe sogar auf 81% gestiegen[185]; indessen ergiebt ein Vergleich der Jahre 1881 und 1882 für Deutschland, Frankreich und Italien relativ nicht unerheblich höhere Steigerungen; denn es betrug

der Gesamtverkehr 5074808 t, Zunahme  23 %
für England 4126245 t,  20
Italien  102047 t,  28
Frankreich  239042 t,  63
Deutschland[186]  122557 t, 226

Ganz außerordentlich ist hiernach die Steigerung des deutschen Verkehrs[186]. Hoffentlich ist sie keine zufällige und vorübergehende, sondern ein Beweis von dem zunehmenden und nachhaltigen Erfolge der deutschen Bestrebungen zur Hebung des direkten Exports.

[S. 373]

Die Zahl der Reisenden, welche den Kanal 1885 passierten, belief sich auf 205951 (gegen 151916 im Jahre 1884), darunter 43813 Engländer.

Im allgemeinen haben zu dieser günstigen Verkehrsentwicklung auf dem Suezkanal vor allem die guten Ernten der letzten Jahre an Reis, Getreide, Baumwolle und Thee in Indien, China und Australien, ferner die Verdrängung der Segelschiffahrt durch die Dampfschiffahrt und endlich die Zunahme des direkten Verkehrs mit Australien am meisten beigetragen. Andererseits hat der Suezkanal befruchtend auf den Handel gewirkt und namentlich den indischen Handel, welcher im Jahre 1882 zu 86,61% über den Kanal verkehrte, rasch anwachsen lassen. Nach konsularischen Ermittlungen gestaltete sich der Warenverkehr wie folgt:

Warenbewegung durch den Suezkanal im Jahr 1882, in Tonnen.

Von Europa.
Fabrikate 1830197
Kohlen  474440
Eisen, Schienen   17150
Petroleum    9950
Salz    6150
Kabeldraht    3880
Zusammen 2341767
Nach Europa.
Getreide  462380
Ölsamen  359510
Reis  344850
Thee  147020
Jute und Hanf   68680
Baumwolle   64810
Zucker   38930
Kupfer, Zink   31340
Häute   25400
Kaffee   18340
Tabak   17400
Wolle   15800
Verschiedenes  216325
Zusammen 1810785

Bezüglich der Kanalabgaben sei noch bemerkt, daß der Zoll vom Netto-Tonnengehalt der Schiffe in Höhe von 9,50 Frcs. per Tonne erhoben wird. Da die Schiffe im Durchschnitt einen Netto-Raumgehalt von 2000 t haben, so beträgt die Kanalabgabe für ein Schiff im Durchschnitt die respektable Summe von 19000 Frcs. Auch jeder Passagier hat für die Kanalfahrt 10 Frcs. zu entrichten.

4. Finanzielle Verhältnisse. Das kühne und bedeutsame Unternehmen der Durchstechung der Landenge von Suez hat sich auch als ein geschäftlich glückliches erwiesen[187]. Das nominelle Aktienkapital verzinste sich 1882 auf 20%. Das Jahr 1872 ergab zuerst einen Überschuß und zwar von 2071279 Frcs.; derselbe hat sich im Jahre 1883 auf 35,8 Mill. Frcs. gesteigert (1884: 34 Mill. [S. 374]Frcs., d. i. 17,45%).

Die Gesamtkosten für den Bau und die erste Einrichtung des Kanals (inkl. der Kosten für die Verbesserung des Kanals und die Anleihen) betrugen bis Ende 1878: 479175683 Frcs.

5. Bedeutung des Kanals für den Weltverkehr. Die große Umwälzung, welche durch den Suezkanal im Weltverkehr hervorgerufen wurde, besteht vor allem darin, daß der Handel zwischen Europa einerseits und Ostasien und Australien andererseits den Weg um das Kap größtenteils verlassen und nunmehr die weit kürzere Route an der Ostseite Afrikas benützt. Diese Wegverkürzung beträgt von Southampton in England, von wo die meisten großen ostasiatischen Dampfer ausgehen:

nach ums Kap
Seemeilen.
über Suez
Seemeilen.
Unterschied.
Seemeilen. Tage für Dampfer
à 200 Seemeilen.
Sansibar  8000  6040 1960 10
Bombay 10740  5940 4800 24
Point de Galle 10500  6580 3920 19
Calcutta 11600  7680 3920 19
Singapur 11780  8070 3710 18
Hongkong 13180  9500 3680 18
Melbourne 11140 11200   60

Die Wegeunterschiede zwischen anderen europäischen Häfen und Bombay sind folgende:

nach ums Kap
Seemeilen.
über Suez
Seemeilen.
Unterschied.
Seemeilen. Tage.
Brindisi 11107 3703 7404 37
Triest 11504 4100 7404 37
Genua 10696 4208 6488 32
Marseille 10560 4280 6280 31
Bordeaux 10640 5752 4868 24
Liverpool 10896 6008 4888 24
London 10912 6024 4888 24
Amsterdam 10694 6076 4618 23
Hamburg 11222 6332 4890 24

Noch viel größer ist natürlich die Zeitersparnis eines via Suez gehenden Dampfers gegen einen via Kap gehenden Segler. In diesem Falle beträgt die Reise von Southampton:

nach ums Kap
per Segelschiff.
über Suez
per Dampfer.
Ersparnis.
Bombay 100 Tage 27 Tage 73 Tage
Calcutta 103 37 66
Hongkong 100 44 56

[S. 375]

Übrigens hat die Ausdehnung des Kanalhandels, so groß die Zeitersparnis auch ist, und so sehr dieselbe vom Kaufmann wegen des Zinsengewinns, der Erhaltung der Waren in gutem Zustande, der Versicherungsprämie u. s. w. veranschlagt werden muß, doch auch ihre Grenzen. Der Dampferverkehr via Suez ist nämlich gegenüber der Segelschiffahrt um das Kap kostspieliger als letztere. Diese Mehrauslagen können aber nur dann getragen werden, wenn die zu transportierenden Güter einen so hohen Wert haben, daß sich die Mehrkosten der Fracht durch Ersparnis an Zinsen des in den Waren engagierten Kapitals und die verminderte Versicherungsprämie wieder einbringen lassen. Im allgemeinen nimmt man an, daß Waren kanalfähig, d. h. rentabel durch den Suezkanal zu führen sind, wenn ein Centner derselben 30 M. kostet.

Durch die Umlegung der asiatischen Welthandelsstraße vom Kap nach Suez sind ferner die Mittelmeerhäfen mehr und mehr wieder in jene begünstigte Stellung eingerückt, die ihnen einst so große Blüte und Bedeutung verschaffte. Die Seestädte am Mittelmeere, Triest, Genua, Marseille u. s. w., liegen wieder an der Weltpassage und sind aufs neue befähigt, England, das bisher auf Grund seiner Überlegenheit zur See in Mitteleuropa sein Großhandelsmonopol geübt, an die Peripherie zu drängen, wo es sich bis zur Entdeckung der Seewege nach Ost- und Westindien befunden. Dermalen zwingt England mit seiner gewaltigen Kapitalkraft freilich noch viele aus Indien und Ostasien kommende und dorthin gehende Waren, an den Mittelmeerhäfen vorbei ihren Weg nach und von den mitteleuropäischen Bestimmungsorten über London, Liverpool und Southampton u. s. w. zu nehmen. Baumwolle und Wolle aus Indien und Australien, Thee und Kaffee aus China, Java und Ceylon, Indigo und Gewürze aller Art aus Ostasien u. a. m. werden, selbst wenn sie für Österreich und Süddeutschland bestimmt sind, an Triest und Genua vorbei nach England geführt, um von dort aus über die niederrheinischen und deutschen Nordseehäfen nach Mitteleuropa verbracht zu werden. Ebenso schlagen deutsche Ausfuhrartikel nach dem fernen Orient, namentlich Erzeugnisse der Textilindustrie, Nürnberger- und Kurzwaren u. s. w., vielfach den Weg über England ein, anstatt die kürzere Straße nach den Mittelmeerhäfen zu nehmen. Gleichwohl lassen sich die ersten Anfänge des Umschwungs zu Gunsten der Mittelmeerhäfen bereits erkennen, und die englischen Handelsämter selbst sind es, die nicht ohne Besorgnis darauf hinweisen, zunächst in Bezug auf die Handelsbeziehungen zwischen England und Ostindien.

Ähnliche Beobachtungen haben, nebenbei bemerkt, auch die Niederländer in Bezug auf die Entwicklung ihrer Handelsbeziehungen zu ihren ostindischen Kolonieen gemacht.

So waren also die Engländer und Niederländer von ihrem besondern Interessenstandpunkt aus im Recht, als sie sich seiner Zeit gegen die Durch[S. 376]stechung der Landenge von Suez sträubten und in der Verkürzung des Seeweges nach Ostindien nur eine Benachteiligung ihres Handels und ihrer Schiffahrt erblickten. Einen nicht unbeträchtlichen Einfluß auf die Verwaltung des Kanals hat sich die englische Regierung übrigens dadurch zu verschaffen gewußt, daß sie die im Besitze des Khedive von Ägypten befindlichen Kanalaktien in der Höhe von 176602 Stück für 80 Mill. M. erworben hat[188].

Der Tag der Eröffnung des Suezkanales wird endlich auch in der Geschichte der Nautik immer höchst denkwürdig bleiben; denn die Fahrten via Suez sind in erster Linie nur für Dampfer praktisch; dieser Umstand aber beförderte die Umgestaltung der Handelsflotten von Segel- zu Dampferflotten in ganz außerordentlichem Maße.

Nur angedeutet sei schließlich die großartige Rolle, welche der Kanal auch in kultureller Beziehung spielt. Unaufhaltsam dringt jetzt die Phalanx der abendländischen Kultur nach dem Orient vor.

b. Im Bau befindliche Kanäle.

a. Der Panama-Kanal[189]. Die Untersuchungen und Arbeiten zur Herstellung einer direkten Seeverbindung zwischen dem Atlantischen und Stillen Ocean in Mittelamerika datieren schon seit der Entdeckung dieser Länder. Daß aber die Ausführung des interoceanischen Kanals in Mittelamerika erst in allerneuester Zeit energisch in die Hand genommen worden, hat in Verschiedenem seinen Grund. Zunächst wollte Spanien, das ja im Besitze dieser Gebiete sich befand, in kürzester Zeit möglichst viel Gold aus seinen Besitzungen ziehen, aber nicht große Summen für die wirkliche Erschließung dieser Länder opfern. Dazu kamen dann in der ersten Zeit der Besitznahme dieser Gebiete die blutigen Fehden der Eroberer untereinander, später die berechtigte Sorge, durch leichte Zugänglichkeit auch die grimmigen Feinde der Spanier, die Engländer und die Filibusteros (Seeräuber), in die Länder zu locken. Neuerdings war der Ausführung des Riesenwerkes besonders das Sinken der Macht Spaniens hinderlich, und dann erklärt — bis in die neueste Zeit — die Schwierigkeit, aus den zahlreichen verschiedenen Projekten das beste zu erwählen, in erster Reihe die Thatsache, daß erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Kanalbau in Angriff genommen wurde.

Groß ist die Anzahl der im Verlaufe von über drei Jahrhunderten aufgetauchten Projekte und Routen. Fast jeder „Entdecker“ pries seine Route[S. 377] als die beste der möglichen. Aber gerade infolge davon wurden Staatsmänner, Geographen und besonders Kapitalisten sehr mißtrauisch gegen alle derartigen Pläne. In dieser Beziehung besserten sich die Verhältnisse in neuester Zeit, und zwar einerseits durch die Fertigstellung der Panama-Bahn und des Suezkanals, wodurch die Möglichkeit der Herstellung und Erhaltung solcher Riesenwerke, sowie die Rentabilität derselben nachgewiesen wurde, andererseits hatten die verschiedenen Expeditionen, welche zur Prüfung einer Anzahl von Routen ausgesandt worden waren, in die ganze Angelegenheit mehr Licht gebracht. Durch die Berichte der letzteren wurde bald eine große Zahl von Projekten als wertlos dauernd beseitigt, so daß schließlich nur noch drei ernstlich in Erwägung gezogen wurden; es sind dies die Route Atrato-Cupica-Bai, dann ein Kanal durch den Nicaragua-See und ein solcher von der Limon-Bai nach Panama. Man entschied sich in letzter Instanz für die Panama-Route.

Der Isthmus von Panama hat schon vom 16. Jahrhundert an als Transitweg gedient. Balboa und Morgan machten zuerst auf den Wert desselben aufmerksam. Das erste wissenschaftliche Nivellement des Isthmus ließ Bolivar 1828 aufnehmen, und die erste Gesellschaft, die sich zur Erbauung eines Kanals an dieser Stelle bildete, war die von Salomon und Talie (1838). 1844 ließ die französische Regierung den Isthmus aufnehmen; dabei wurde die Möglichkeit einer Eisenbahn festgestellt. Energisch ging man indes erst ans Werk seit der glücklich erfolgten Erbauung des Suezkanals durch Lesseps. Im Auftrage einer 1875 zusammengetretenen Kommission erforschten 1877 und 1878 unter anderen Reclus und Wyse die Panama-Routen, und 1879 entschied sich die internationale Kommission in Paris für den Kanal Colon-Panama. Unter Lesseps’ Leitung sind denn auch die Arbeiten 1881 begonnen worden. Der Kanal beginnt in der Bai von Limon, westlich von der Insel Manzanillo, auf welcher Aspinwall erbaut ist. Er durchschneidet die Sümpfe von Mindi und erreicht den Fluß Chagres bei Gatun. Er bleibt dann in der Nähe desselben, ihn mehrfach durchschneidend, und verläßt ihn bei Matachin; hier befinden sich die tiefsten Durchstiche. Der Kanal verläuft dann weiter in der Nähe des Rio Obispo bis zum Thale des Rio Grande. Er endet in der Bucht von Panama.

Die Hauptschwierigkeit, welche der Ausführung des Panama-Kanals entgegensteht, bildet der Rio Chagres, in dessen Thal der Kanal gegraben werden muß, und dessen vielfach gewundenen Lauf er mehrfach durchschneidet. Dieser Chagresfluß nimmt nämlich eine sehr große Anzahl von Wasserläufen der verschiedensten Dimensionen in seinem Laufe auf, schwillt in der Regenzeit ganz ungeheuer an und überschwemmt dann weithin seine Ufer. So stieg er einmal in zwölf Stunden um 42 Fuß. Er bedarf also einer sorgfältigen Regulierung.

[S. 378]

Die Länge des Kanals ist auf 75 km (gegen 160 km des Suezkanales) festgesetzt, die Tiefe wird 8,5, die Breite an der Sohle 22,5, an der Wasserlinie 32–60 m betragen; der Kanal wird also ähnliche Maße zeigen, wie der Suezkanal. Doch soll er nicht, wie letzterer, getrennte Ausweichestellen, sondern nur eine einzige große von 5 km Länge zwischen km 26 und 31 erhalten. Die auszuhebenden Erdmassen betragen nach dem ursprünglichen Plane ca. 120 Mill. cbm[190]. Der letzte Verwaltungsbericht vom 29. Juli 1886 deutet übrigens eingreifende Entwurfsänderungen an, welche die Eröffnung des Kanals vor Ende 1889 und mit der bisher in Aussicht genommenen Gesamtaufwendung von etwa 1200 Mill. Frcs. sicherstellen sollen. Die jährlichen Einnahmen dürften nach Vollendung des Kanals bei einem Durchgangsverkehr von 5 Mill. t und einer Abgabe von 12 M. pro Tonne 60 Mill. M. erreichen[191].

Fig. 139. Der Panama-Kanal.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Was den Nutzen des Kanals für den Welthandel betrifft, so wird zunächst England großen Vorteil aus demselben ziehen. Zwar wird er den Verkehr zwischen England und Indien, China oder Japan vom Suezkanale nicht ableiten können, und ebenso dürfte sein Einfluß betreffs des[S. 379] englischen Handels mit den meisten australischen Kolonieen ein verschwindend geringer sein. Dagegen wird derselbe dem Verkehr Großbritanniens und Europas überhaupt mit der gesamten Westküste Amerikas jeder andern Route gegenüber großartige Vorteile bieten. Es werden nicht nur die Gefahren, welche der Schiffahrt aus der gewundenen Magellanstraße und den schweren Stürmen beim Kap Hoorn erwachsen, vermieden, sondern auch gewaltige Entfernungen auf der Seekarte gleichsam mit dem Zauberstabe beseitigt werden, wie aus folgender Tabelle hervorgeht.

Von nach via Raum-
ersparnis.
Seemeilen.
Kap Hoorn.
Seemeilen.
Panamakanal.
Seemeilen.
Hamburg Valparaiso  9528 8110 1418
Callao 10947 7393 3554
San Francisco 16037 9413 6624
Liverpool Valparaiso  9528 8110 1418
Callao 11370 6581 4789
San Francisco 16463 8598 7865

Die Entfernung zwischen Europa und der Westküste von Mittel- und Nordamerika wird also um die Hälfte, jene nach der Westküste von Südamerika um ca. ⅓ abgekürzt werden. Die Stadt San Francisco wird für unsere Schiffe in derselben Zeit zu erreichen sein, wie das Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas, Valparaiso ebenso schnell wie Montevideo, die Hauptstadt von Uruguay. Die Segelschiffe werden zur Fahrt nach San Francisco 60 Tage, zu jener nach Valparaiso 30 Tage weniger brauchen als dermalen.

Darf somit der englische Handel bedeutende Vorteile von dem Kanale erwarten, so wird doch der Löwenanteil am Gewinne dem nordamerikanischen Verkehr zu gute kommen. New-York besonders rückt den Handelsemporien auf beiden Seiten des Stillen Oceans ganz wesentlich näher.

Es beträgt z. B. die Entfernung

von New-York nach Hongkong:
durch den Suezkanal 11796 engl. M.
um das Kap der guten Hoffnung 14701
um das Kap Hoorn 17680
durch den Panama-Kanal 11238
von New-York nach Yokohama:
durch den Suezkanal 13471 engl. M.
um das Kap der guten Hoffnung 15690
um das Kap Hoorn 17180
durch den Panama-Kanal  9563

[S. 380]

Direkte Verschiffungen zwischen China bezw. Japan und den am Atlantischen Ocean gelegenen nordamerikanischen Häfen, insbesondere auch die gewaltigen Theesendungen, welche schon jetzt vielfach die Route über San Francisco benutzen, werden daher sich fortan dem Panama-Kanal zuwenden.

Die Wegverkürzung zwischen dem Westen und Osten der Vereinigten Staaten veranschaulichen die nachstehenden Zahlen.

Von New-York nach San Francisco:
um das Kap Hoorn 13601 engl. M.
durch den Panama-Kanal  5260

Auch der nordamerikanische Handel mit Australien und Neuseeland dürfte rasch in großartiger Weise aufblühen. Es beträgt der Abstand

von New-York nach Melbourne:
durch den Suezkanal 13162 engl. M.
um das Kap der guten Hoffnung 13030
um das Kap Hoorn 12900
durch den Panama-Kanal 10260
von New-York nach Auckland:
durch den Suezkanal 14637 engl. M.
um das Kap der guten Hoffnung 14505
um das Kap Hoorn 11860
durch den Panama-Kanal  8940

So wird der Panama-Kanal, der allerdings dem Suezkanal an kommerzieller Bedeutung nicht gleichkommen wird, den seefahrenden Völkern der Erde meist große Vorteile bieten.

2. Der Kanal durch den Isthmus von Korinth[192]. Der Gedanke, die Korinther Landenge zu durchstechen, ist älter als das Christentum. Schon Periander, der Tyrann von Korinth (628 v. Chr.), trug sich mit diesem Plane, desgleichen Julius Cäsar; unter Caligulas Regierung wurde das Terrain vermessen, und Kaiser Nero legte selbst Hand ans Werk, indem er den ersten Spatenstich that. Von den Versuchen des letztern sind noch heute Spuren vorhanden. Kriegerische Wirren und ungünstige Orakelsprüche haben indes den Bau wieder ins Stocken geraten lassen. Seitdem ruhte die Idee 1800 Jahre, bis der ungarische General Türr dieselbe 1856 wieder aufnahm und im Jahre 1881 von der griechischen Regierung die Konzession zur Durchstechung der Landenge erhielt. 1882 konstituierte sich unter dem Vorsitz des genannten Generals die „Internationale Gesellschaft[S. 381] des Kanals von Korinth“ mit einem Kapital von 30 Mill. Frcs. Dieselbe übergab die Ausführung der Arbeiten einer französischen Generalunternehmung. Die für die Anlage des Kanals gewählte Stelle ist die gleiche, welche Nero in Aussicht genommen hatte. Die Länge des Kanals wird 6342 m, seine Sohlenbreite 22 m und seine Tiefe 8 m betragen. — Der neue Weg wird den für die Schiffahrt ganz erheblichen Vorteil bieten, daß das für dieselbe von jeher gefährliche Kap Matapan (Malea) vermieden wird. Ferner werden Schiffe aus der Adria nach Vollendung des Kanals 342 km, Schiffe aus dem Mittelmeer 178 km ersparen. — Die Eröffnung des Kanals wird für das Jahr 1887 in Aussicht gestellt.

3. Nordostsee-Kanal[193]. Schon gegen das Ende des 15. Jahrhunderts schufen die Lübecker im Interesse ihres weit ausgreifenden Handels eine Verbindung zwischen der Trave und der Elbe durch den noch heute für kleinere Fahrzeuge benutzten sogen. Stecknitzkanal, und das im 16. Jahrhundert aus kleinen Anfängen mächtig emporblühende Hamburg stellte sich im Jahre 1525 eine noch kürzere Wasserstraße her unter Benützung der Alster und Beste.

Den Gedanken einer direkten Aneinanderkettung der beiden Meere finden wir aber zuerst ausgesprochen in einem interessanten, auf der Universitätsbibliothek zu Kiel aufbewahrten Schreiben des Herzogs Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorp an den Kaiser Maximilian II., datiert vom 16. August 1571; darin heißt es u. a.: „Undt wirdt bey meiner Stadt Kiell an der Ost Sehe belegen die gelegenheit erspüret und befunden das man einen graben ungefehrlich zweytausent Rutten lang eine Schiffarth durch etzlichen Sehe undt Awen bis In den Wasserfluß, die Eider genennt, kant gemachet werden.“

Widrige politische Verhältnisse mögen in jener Zeit die Ausführung dieses Wasserweges verhindert haben, aber die in jenem Schreiben angegebene Route war so augenscheinlich die brauchbarste, daß sie unmittelbar zur Grundlage desjenigen Projektes wurde, welches die dänische Regierung im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts bearbeiten und endlich in den Jahren 1777–1784 ausführen ließ. Es war ein für damalige Verhältnisse immerhin großartiges Unternehmen, der alte Eiderkanal, dessen hundertjähriges Bestehen im Jahre 1884 gefeiert werden konnte. Der Bau hatte über 9 Mill. M. heutiger Währung erfordert und war seiner Zeit — die ganze Wasserstraße ist 180 km lang — die größte künstliche Kanalverbindung in Europa. Der Verkehr steigerte sich sehr schnell: 1805 wurden bereits von 3417 Fahrzeugen die Kanalgebühren erhoben, und im Durch[S. 382]schnitt der letzten zehn Jahre ist der Kanal von je 4500 Schiffen passiert worden.

Fig. 140. Der Nordostsee-Kanal.

Trotz dieser anscheinend bedeutenden Schiffsbewegung ist jedoch nicht zu verkennen, daß dem Eiderkanal heute nur ein kleiner Bruchteil der Gesamtheit derjenigen Verkehrsrelationen zufällt, die zwischen Ost- und Nordsee bestehen, daß er überhaupt nur dem örtlichen und dem nahegelegenen Küstenverkehr dient. Den gewaltigen Dimensionen und dem Tiefgang unserer modernen Seeriesen entspricht er nicht, im besondern ist er auch für Kriegsfahrzeuge, ganz flachgehende Kanonen- und Torpedoboote ausgenommen, gänzlich unbenutzbar. Zudem nimmt die Fahrt durch den Kanal eine unverhältnismäßig lange Zeit in Anspruch, und die Schleusen erschweren den geordneten Schlepptrieb und das Freihalten vom Eise. Schon frühzeitig traten aus diesen Gründen verschiedene Projekte, sowohl für einen direkten anderweitigen Durchstich, wie für einen Umbau des alten Eiderkanals auf; aber erst nach der Einverleibung der meerumschlungenen Herzogtümer in Deutschland gewannen dieselben positivere Fassung, und nunmehr ist die Sache bereits so weit gediehen, daß das seitens der deutschen Reichsregierung[S. 383] dem Reichstage vorgelegte und von diesem genehmigte Projekt schon in Angriff genommen wird.

Dem Kanal ist der Entwurf des Geh. Oberbaurats Lentze und des in dieser Sache unermüdlich thätigen Hamburger Kaufmanns Dahlström zu Grunde gelegt. Danach wird derselbe drei Meilen oberhalb Brunsbüttel an der Elbemündung beginnen, von da unter Benutzung der Kudensee- und Gieselau-Niederung nach Wittenberge an der Eider gehen, dann sich dieser und später dem jetzigen Eiderkanal anschließen und bei Holtenau in die Kieler Bucht einmünden. — Die Länge des Kanals wird 99 km betragen.

Die Gesamtherstellungskosten sind auf 156 Mill. M., die jährlichen Unterhaltungskosten, einschließlich einer Erneuerungsrate für die der Abnutzung unterliegenden Bauteile, auf 1900000 M. veranschlagt.

Der Kanal soll einerseits den Anforderungen der Kriegsflotte genügen, andererseits dem zu erwartenden Handelsverkehr eine schnelle und sichere Durchfahrt gewähren. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist für den normalen Querschnitt des Kanals eine Breite von 60 m im Wasserspiegel, von 20 m in der Sohle und eine Tiefe von 8,5 m projektiert. Der Kanal erhält also hiernach Dimensionen, welche diejenigen des jetzigen Suezkanals noch übertreffen.

Nach einem Auszug aus der Kostenrechnung sind veranschlagt für Grunderwerb 9900000 M., für Erd- und Baggerarbeiten 70900000 M., für Befestigung der Ufer und Böschungen und für Bezeichnung des Fahrwassers in den Seen 7200000 M., für Hafen- und Quai-Anlagen, Schleusen, Siele und dergleichen 36250000 M., für Brücken und Fähren 6700000 M., für Militaria 1000000 M., für Gebäude 1300000 M., für Betriebseinrichtungen und Maschinenanlagen 2250000 M., für insgemein 20500000 M., Gesamtsumme 156000000 M.

Was die Bedeutung des Kanals betrifft, so ist dieselbe vor allem eine strategische. Der Kanal allein ist im stande, die positive Unabhängigkeit der Hälfte der deutschen Seekräfte gegenüber den nordischen Nachbarn sicherzustellen. Nur der Kanal garantiert, vorausgesetzt natürlich, daß seine Endpunkte in ausreichendster Weise durch Befestigungen gesichert sind, das Zusammenwirken der beiden in der Nord- und Ostsee stationierten Teile unserer Flotte, er schafft die Möglichkeit, überraschend mit geeinten Kräften östlich wie westlich der Herzogtümer aufzutreten, den Schwerpunkt der aktiven Verteidigung unserer Küstengebiete je nach Bedürfnis zu verschieben.

In hervorragender Weise wird der Kanal aber auch wirtschaftlichen Interessen sich zweckdienlich erweisen. Die Handelsschiffahrt mußte bisher infolge der mit erheblicher Gefahr verbundenen Fahrt um das Kap Skagen bedeutende Opfer an Geld und Zeit bringen. Der Kanal aber kürzt die Seereise um mindestens 237 Seemeilen ab, und die Ersparnis an Zeit ist um so größer, je weiter südlich das Ziel der aus der Ostsee kom[S. 384]menden Schiffe liegt. Segelschiffe ersparen bei Benutzung des Kanals mindestens drei Tage, Frachtdampfer 22 Stunden. Der Verkehr im Nordostsee-Kanal dürfte sich sehr rasch großartig gestalten, wenn man bedenkt, daß zur Zeit durchschnittlich im Jahre 35000 Schiffe den Sund passieren, von denen sicher 18000 den Kanal benutzen werden. Welche Opfer die Fahrt durch den Sund erfordert hat, ergiebt sich aus der Thatsache, daß in den fünf Jahren 1877–1881 auf der Fahrt zwischen Ost- und Nordsee um das Kap Skagen in den Meeren, welche bei derselben berührt werden müssen, allein 92 deutsche Schiffe — durchschnittlich per Jahr 18 — mit rund 20000 Registertonnen Raumgehalt und einem Gesamtwert von 3–4 Mill. M. verloren gegangen sind. Durchschnittlich sollen nach früheren Berechnungen bei der Fahrt um Skagen an Schiffen aller Nationen jährlich an 200 verunglücken. — Auch verschiedene Handelskammern, so die von Bremen und Köln, haben sich dahin erklärt, daß der Kanal für die Interessen des überwiegenden Teils des gesamten Reichsgebiets, insbesondere aber für den ackerbautreibenden Osten und den industriellen Südwesten Deutschlands von hervorragender Wichtigkeit sei.

Die zu erwartende Verkehrsmasse wird auf 18000 Schiffe mit 5½ Millionen Reg.-Tonnen veranschlagt. Bei einer durchschnittlichen Abgabe von 75 Pf. für die Reg.-Tonne werden daher Einnahmen in der Höhe von 4125000 M. erwachsen, welchen wiederum Unterhaltungs- und Erneuerungskosten von 1900000 M. jährlich gegenüberstehen. Der Rest von 2225000 M. würde fast genau zu 4% Verzinsung von 55 Mill. M. genügen, welche von dem 156 Mill. M. betragenden Baukapital übrig bleiben, wenn man die Aufwendungen zu Zwecken der Kriegsführung (51 Mill. M.) und die seitens Preußens von vornherein bewilligte Summe von 50 Mill. M. in Abzug bringt. Insofern ist also zu hoffen, daß sich mindestens derjenige Kostenanteil verzinsen wird, welcher lediglich dem Nutzen des allgemeinen Verkehrs gewidmet ist.

Die Bauzeit des Kanals wird auf 8–9 Jahre geschätzt, so daß man, wenn alles sich günstig gestaltet, zum Sommer 1895 der Eröffnung des Kanals entgegensehen darf. „Mögen sich die Hoffnungen in reichem Maße erfüllen, welche sich an das großartige Werk knüpfen; möge es dem Vaterlande dienen im Frieden zum Nutz, im Kriege zum Trutz!“

4. Der Seeschiffskanal nach Manchester. Gleich Brüssel, das die Abhängigkeit von Antwerpen nicht mehr länger ertragen will, sondern selbst den Charakter eines Seehafens erstrebt, ist auch Manchester, die gewaltigste Fabrikstadt der Welt, bestrebt, sich von der Vermittlung Liverpools zu emancipieren. Der breite, mächtige Mersey, an dessen Mündung Liverpool liegt, gestattet nämlich wegen seiner riesigen Schwankungen zwischen Ebbe und Flut nicht die unmittelbare Annäherung von Schiffen an das Ufer. Schon seit alten Zeiten ist deshalb das Ufer mit künstlichen, mit[S. 385] Schleusen verschlossenen Häfen (Docks) besetzt. Ihre Bewirtschaftung ist aber kostspielig, um so mehr, da der größte Teil derselben alt ist und daher keine Verbindung mit der Eisenbahn hat und wegen des engen, felsigen Terrains auch keine mehr bekommen kann. Die Ware muß also mit Rollfuhrwerk das steile Ufer hinangeschleppt und zur Bahn gefahren werden; kommt sie vor der Verladung mit der Eisenbahn auf Lager, so muß sie gar zweimal verfahren werden, was Kosten verursacht, die auf jeden großen Umschlagverkehr lähmend wirken. Manchester, das etwa 7½ deutsche Meilen landeinwärts von Liverpool liegt, wollte sich diese Kosten, die seine Einfuhr und Ausfuhr belasten, nicht länger gefallen lassen. Jahrelang hat es alle Energie darangesetzt, um vom Parlamente die Ermächtigung zum Bau eines Kanals für Seeschiffe von der Merseymündung nach Manchester zu bekommen. Jahrelang hat sich aber auch Liverpool mit ebenso großer Zähigkeit dagegen gewehrt; endlich hat nun doch Manchester im August 1885 seinen Willen durchgesetzt. Das Parlament hat einen sogen. „Trust“, wir würden etwa sagen eine Selbstverwaltungsbehörde, eingesetzt, welche den Bau und später die Verwaltung des Kanals in die Hände nimmt. Der „Trust“ wird auf Grund des Gesetzes gewählt; er besteht aus Delegierten des Staates und der beteiligten Grafschaften, der beteiligten Städte, der Kaufleute und Fabrikanten von Manchester und seiner Vorstadt Salford; der Bau ist also kein Aktien-, sondern ein halböffentliches Unternehmen. Kürzlich wurden die Wahlen vollzogen. Der „Trust“ ist bereits im Besitze des zum Bau erforderlichen Kapitals, das nicht als am Gewinn beteiligtes Aktienkapital, sondern als einfache Anleihe aufgebracht ist. Das Kapital beträgt nicht weniger als 200 Mill. M.

Der Kanal wird 56 km lang; die Schleusen, deren nur wenige vorhanden sein werden, sollen eine Breite von 20 m erhalten, und die Tiefe des Kanals wird 8⅔ m betragen, so daß die größten Schiffe ungehindert aus- und einfahren können. In Manchester selbst werden große künstliche Häfen mit allen bewährten Einrichtungen der Neuzeit hergestellt, und namentlich werden dieselben auch mit Schienensträngen unmittelbar an den Quais ausgestattet, so daß die Ware mittels hydraulischen Krans unmittelbar aus dem Schiff auf den Eisenbahnwagen gehoben werden kann. Manchester eignet sich daher in Zukunft auch als Speditionsplatz für die dichtbevölkerte Umgegend besser als Liverpool.

c. Projektierte Kanäle.

In Europa.

Kanal zwischen Bordeaux und Narbonne. Die Länge dieses Kanals, welcher eine Verbindung zwischen dem Golf von Biscaya und dem Mittelmeer bezweckte, würde 407 km betragen und ca. 550 Mill. M. kosten. Den Schiffen wäre hierdurch der Weg durch die Straße von Gibraltar erspart.

Ferner ist noch die Rede von Kanälen zwischen dem Weißen Meer und der Ostsee, sowie zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer; dann von der[S. 386] Durchstechung der Landenge, welche den Liimfjord in Jütland vom Kattegat trennt, von der Durchbohrung des Isthmus von Perekop, welcher das Schwarze vom Asowschen Meer scheidet, und von der Verbindung des Golfes von Saros mit dem Marmara-Meer.

In Asien.

1. Malakka-Kanal. Hierbei handelt es sich um die Durchstechung der Halbinsel Malakka im Südosten Asiens. Als die geeignetste Stelle hierzu wird die Landenge von Krah hart an der Grenze des britischen Tenasserim bezeichnet. Die Masse der zu bewegenden Erde wird auf 30–38 Mill. cbm geschätzt bei einer Gesamtlänge des Kanals von 109 km; die Gesamtkosten werden zu 80–100 Mill. Frcs. veranschlagt. — Durch die Herstellung dieses Kanals würde der Weg nach den chinesischen Häfen um ca. 1500 km abgekürzt. — Die Naturhindernisse sind nicht übermäßig groß, und die Unternehmer hätten nur 11 km eigentlichen Kanal zu graben; soviel beträgt nämlich die Entfernung zwischen den äußersten schiffbaren Punkten der sich in den Bengalischen, resp. Siamesischen Meerbusen ergießenden gegenüberliegenden Flüsse. Das Projekt wird indessen von England scheel angesehen, einmal weil es von Franzosen ausgeht, sodann aber, weil es der englischen Kolonie Singapore am Südende der Halbinsel Malakka den Todesstoß versetzen würde.

2. Palästina-Kanal. Dieses Projekt ist darauf gerichtet, das Mittelmeer durch einen von der Bucht von Acca ausgehenden Kanal mit dem Jordanthal und dieses durch einen zweiten Kanal mit dem Busen von Akaba zu verbinden.

In Afrika.

Durchstechung der Landenge von Gabes[194]. Hier handelt es sich allerdings nicht um die Verbindung zweier Meere, sondern um die Herstellung eines Kanals zwischen einem Meere (dem Mittelmeer) und einem Seengebiet (den algerisch-tunesischen Schotts); immerhin mag das Projekt hier seine Besprechung finden.

Das algerisch-tunesische Schottgebiet liegt unter dem Spiegel des Mittelmeeres, ist also eine sogenannte Depression. Diese Thatsache gab vor allem dem französischen Generalstabskapitän Roudaire († 1885) Veranlassung, die Möglichkeit einer Unterwassersetzung des ganzen Gebietes mittels Durchstichs der Landenge von Gabes zu untersuchen. Auf Grund dieser Untersuchung hielt er sich zu der Erklärung berechtigt, daß die Herstellung eines solchen Binnenmeeres (in sehr übertriebener Weise von den Franzosen „Saharameer“ genannt) leicht auszuführen sei; außerdem versprach er sich sowohl in kom[S. 387]merzieller, als auch in klimatischer Hinsicht die besten Erfolge. Eine Kommission, welche von dem Präsidenten der französischen Republik 1882 zur Prüfung des Projekts nach seiner physischen, politischen und ökonomischen Seite berufen worden war, erklärte sich indes gegen dessen Ausführung. In neuester Zeit ist übrigens neben dem Jugendfreund Roudaires, dem Major Landas, auch Lesseps, der Erbauer des Suez- und Panama-Kanals, zum eifrigsten Verfechter des Projektes geworden, so daß zu vermuten steht, daß das Unternehmen schließlich doch zu einem glücklichen Ende gelange. Allerdings werden nach Vollendung des großen Werkes nicht die früher gehofften großartigen Änderungen in den Verhältnissen Nordafrikas eintreten; jedenfalls aber werden die klimatischen Verhältnisse der zunächstgelegenen Landschaft eine Verbesserung erfahren; auch wird die Anlage des künstlichen Binnenmeeres für die Urbarmachung der in unmittelbarer Nähe gelegenen Ländereien sich vorteilhaft erweisen, und der Schottbezirk, der zur Zeit unter der Geißel des Sumpffiebers leidet, wird bewohnbarer werden. — Die Oberfläche des künstlichen Binnenmeeres würde höchstens ca. 13000 qkm betragen, das Saharameer somit von der wirklichen Sahara mit 6,3 Mill. qkm nur den 485. Teil einnehmen.

In Amerika.

1. Nicaragua-Kanal[195]. In neuester Zeit besteht seitens der Vereinigten Staaten von Amerika die Absicht, dieses Projekt, das schon 1879 in Paris auf dem internationalen Kanal-Kongreß erörtert, damals aber abgelehnt wurde, zur Ausführung zu bringen. — Der Kanal soll vom Hafen von San-Juan del Norte oder Greytown am Antillenmeer zunächst als selbständige Wasserstraße westwärts ziehen, dann den San-Juan-Fluß bis zum Nicaragua-See benutzen, diesen See bis zur Einmündung des Rio del Medio durchlaufen und sich von da nach dem Hafen Brito am Stillen Ocean wenden. —- Die ganze Länge des Kanals würde 279,4 km betragen, die Länge des künstlich herzustellenden eigentlichen Kanals nur 85,4 km (der Panama-Kanal wird 75 km lang). — Die Dauer der Fahrt wird von einigen auf 4½ Tage, von anderen auf 36 Stunden berechnet. — Die Baukosten des Kanals werden auf 100 Mill. Doll. veranschlagt. — Die hauptsächlichsten Einwände, welche man gegen die Wahl der Nicaragua-Linie erhoben, sind ihre bedeutende Länge, der Mangel guter Häfen an den Endpunkten, ihre Lage in vulkanischer Gegend und das Erfordernis von Schleusen, wodurch namentlich die Dauer der Fahrt verlängert würde. Diesen Bedenken werden nun freilich von anderer Seite auch die Vorzüge gegenübergestellt, welche zu Gunsten der Linie sprechen. Dieselben sind:

a. Der Kanal liegt geographisch in günstiger Lage, weil außerhalb des Gebietes der Windstillen.

[S. 388]

b. Seine Herstellung an dieser Stelle wird weniger als die Hälfte derjenigen Summe kosten, die für einen Kanal an irgend einer anderen Stelle Central-Amerikas erforderlich sein würde.

c. Der Nicaragua-Kanal durchschneidet ein Gebiet, das reich an Naturschätzen und hinlänglich entwickelt und bebaut ist, um die Unterhaltung der Arbeiterscharen während der Ausführung des Werkes sicherzustellen. Der Boden ist fruchtbar, die Weidegründe haben einen ausgezeichneten Viehstand, und alle zur Herstellung des Kanals erforderlichen Baustoffe an Hölzern, Steinen und Mörtelgut sind in nächster Nähe überall in reicher Auswahl vorhanden.

d. Der Ausführung stehen nur solche technische Schwierigkeiten entgegen, die leicht und mit mäßigem Kostenaufwand überwunden werden können.

e. Das Werk ist ein Süßwasser-Kanal, der auf die Reinigung der Schiffswände sehr günstig wirken wird. Erfahrungsmäßig sterben die Seetiere und Pflanzen, welche sich an die Schiffskörper ansetzen, alsbald ab, sowie das Fahrzeug in süßes Wasser gelangt.

f. Am Nicaragua-See bieten sich vortreffliche Gelegenheiten zur Anlage von Docks, Reparatur-Werften und Werkstätten.

g. Alle Lieferungen können abgabefrei auf bereits vorhandenen Wasserwegen bewirkt werden. Außerdem bestehen zwischen dem See und dem Stillen Ocean schon fahrbare Wege.

h. Die jährliche Regenhöhe ist im Durchschnitt eine verhältnismäßig geringe: am See etwa 130 cm, oberhalb der Mündung des San Carlos 200 und im untern Thalgebiete des San Juan 215 cm.

i. Der hauptsächlichste Vorzug der Linie besteht in den natürlichen Vorteilen, die der Nicaragua-See selbst gewährt. Er vermag das Zwanzigfache von der Wassermenge zu liefern, welche die Handelsflotte der ganzen Welt für das Durchschleusen ihrer Schiffe erfordern würde. Der See ist 176 km lang bei einer durchschnittlichen Breite von 48 km und einer in der Entfernung von 15 km vom Ufer ab bis zu 370 m anwachsenden Tiefe. Die Schwankungen im Wasserstande gehen nicht über 1,5 m hinaus. Der San-Juan-Fluß ist überall mindestens 9 m tief. Er führt bei höheren Wasserständen des Sees 340 bis 420 cbm Wasser in der Sekunde aus demselben ab; sein Gefälle beträgt auf 45 km nur etwa 0,6 m; auf der folgenden 15 km langen Strecke steigert es sich bis zu 3,65 m. In seinem Oberlauf beträgt die Breite 350 bis 450 m; an der Stelle, wo die Anlage eines Dammes beabsichtigt wird, findet sich bei einer Breite von 180 m seine größte Tiefe.

k. Es ist leicht nachzuweisen, daß der Kanal eine gute Rente gewähren wird, selbst wenn seine Herstellungskosten doppelt so hoch ausfallen sollten, wie der Voranschlag sie ermittelt hat. Bei einem Frachtsätze von 2 Dollars für die Tonne würde sich ein Kapital von 100 Mill. Doll. mit wenigstens 8% verzinsen.

2. Florida-Kanal. Bei der Umfahrung der Halbinsel Florida am Südostende von Nordamerika sind die Schiffe auf einer Strecke von[S. 389] 334 km großen Gefahren ausgesetzt, weil die Küste von einer Unzahl von Sandbänken, Riffen und kleinen Inseln eingefaßt ist. Daher hat sich in Nordamerika eine Gesellschaft gebildet, um durch Erbauung eines Schiffahrtskanals diese Gefahren möglichst zu verringern und zugleich den Seeweg nach dem Meerbusen von Mejico abzukürzen. Der Kanal soll durch den nördlichen Teil der Halbinsel gehen, bei Jacksonville an der Mündung des St. Johnflusses in den Atlantischen Ocean beginnen und beim Flusse Suwannee, der in den Mejicanischen Golf mündet, enden. Die ganze Strecke, etwa 221 km, bietet fast gar keine Hindernisse, da das Land beinahe vollkommen eben und zum Teil sumpfig ist. Die Kosten sind auf 230 Mill. Frcs. veranschlagt; davon träfen 180 Mill. auf den eigentlichen Kanal und auf die Erbauung zweier Häfen. Das New-Yorker Handelsamt schätzt den Verkehr durch die Florida-Bucht auf das Dreifache des Verkehrs durch den Suezkanal. Die Entfernung von New-York bis Pensacola, dem bekannten nordamerikanischen Kriegshafen am Mejicanischen Meerbusen, würde um 1100 km abgekürzt, die bis New-Orleans um 900 und der Weg von Liverpool nach New-Orleans um 763 km. Nach den amerikanischen statistischen Quellen haben in den letzten fünf Jahren 362 Schiffbrüche stattgefunden, bei denen an Waren für 15 Mill. Frcs. zu Grunde gingen. Die Versicherungsprämien sind daher für die Schiffahrt an den Küsten Floridas sehr hoch; sie sind um 2500–4000 Frcs. höher als für die nach Südamerika fahrenden Schiffe. Der jährliche Verlust, welchen die Schiffahrt an den Küsten von Florida sowohl an Fahrzeugen, als auch an Waren erleidet, beläuft sich auf 25 Mill. Frcs.

2. Hafenanlagen.

Eine hervorragende Stelle in der Reihe der Hafenbauten nehmen die Dockanlagen ein. Man versteht darunter künstlich geschaffene Wasserbassins, die durch eine Einfahrt mit dem Außenwasser in Verbindung stehen und zur Aufnahme jener Schiffe bestimmt sind, die zu löschen[196] oder zu laden haben. Solche Docks, auch nasse, Waren- oder Handelsdocks genannt, werden überall da nötig, wo das Ufer dem wachsenden Schiffsverkehr nicht mehr hinreichenden Platz oder die Veränderlichkeit des Wasserstandes zum Löschen und Laden nicht Ruhe genug bietet. In den Emporien des Welthandels sind derartige Anlagen in der großartigsten Ausdehnung vorhanden, so vor allem in London und Liverpool[197].

Die Entstehung der Londoner Docks (mit Ausnahme eines einzigen kleinen, auf dem südlichen Ufer der Themse gelegenen und für die Walfischfänger bestimmten, das schon 1660 als erstes Dock Englands erbaut wurde) fällt in das letzte Jahr des vorigen und die ersten Jahre dieses Jahrhunderts.[S. 390] Der Handel der Themse-Metropole, der im 16. Jahrhundert den Händen der Hanseaten entrissen und auf Grund ähnlicher Privilegien, wie sie diese einst besaßen, in die Hände der Engländer gegeben worden war, hatte schon eine Zeit erheblichen Wachstums hinter sich. Aber der Hafen Londons hatte bis zum Schluß des 18. Jahrhunderts unter vollständig ungenügenden Hafenanstalten zu leiden. Die Legal Wharves, die einzigen für die vom Ausland kommenden Schiffe zulässigen Landungsplätze, alle auf der kurzen Stromstrecke zwischen Tower und London Bridge gelegen, waren nur 460 m lang und vollkommen unfähig, den riesigen Verkehr zu bewältigen. Der langjährige Kampf, den die Kaufleute und Reeder gegen die monopolisierten Besitzer der Legal Wharves führten, war vergeblich; der größte Schaden durch Zeitverlust, Diebstahl (bis über 200000 Pfd. St. in einem einzigen Jahre[198]) und Gefahr mußte ertragen werden, weil jene nicht auf ihre Vorrechte verzichten wollten. Doch endlich schwand auch der Glaube an die unantastbare Heiligkeit solcher Monopole, und 1799 wurde den westindischen Kaufleuten die Erbauung großer künstlicher Häfen freigegeben. Dieselben schufen sich in den noch heute bestehenden Westindia-Docks die ersten großen modernen und leistungsfähigen Kunsthäfen. Im Widerstreit mit dieser Unternehmung setzten andere Kaufleute ein Jahr später den Bau der viel näher bei der City gelegenen London-Docks durch. Im Jahre 1806 wurde dann für den Handel der ostindischen Kompagnie das Eastindia-Dock gebaut. Ungefähr gleichzeitig ging auch das alte Grönland-Dock in den Besitz einer neuen Gesellschaft über, die am südlichen Ufer der Themse neue Docks und Floßteiche für den Holzhandel schuf. Allen diesen Unternehmungen waren wiederum gewisse Monopole erteilt worden, und zwar für 21 Jahre, so daß für diesen Zeitraum an Neubauten nicht zu denken war. Obwohl nun im Vergleich zu den Nöten des frühern Zustandes unendlich viel gewonnen war, so empfanden viele Kaufleute auch die Privilegien der neuen Docks als einen harten Druck, und kaum war die 21jährige Frist abgelaufen, so bildete sich eine neue Gesellschaft, um hart an den Wällen des altersgrauen Tower und nahe der City die St.-Katherines-Docks zu errichten. Seitdem sind noch entstanden die Surrey- und Commercial-Docks, die Millwall-Docks, das Victoria-Dock, das Albert-Dock und das Tilbury-Dock.

Wir wollen nun einzelne der Londoner Docks des nähern kennen lernen.

Diejenigen Docks, die der Fremde als Sehenswürdigkeit am ersten zu sehen bekommt, sind die London-Docks. Hier kommen großartige Quantitäten von Waren zur Lagerung; denn die gesamte Landfläche (24 ha) ist beinahe ausschließlich von Speichern, in zweiter Linie auch von Schuppen in Anspruch genommen. Trefflich ist namentlich die Ausstattung der Speicher.[S. 391] Mächtige Kellergewölbe dienen zur Lagerung von Wein, Spirituosen und Öl. Die langen Reihen von Pfeilern, zwischen denen die aufgestapelten Fässer hohe Wälle bilden, lassen nur schmale Gänge und Rollpfade für die Fässer frei. Aus den dunkeln Tiefen schimmern vereinzelte Gasflammen zweifelhaft hervor, und noch unheimlicher wirkt es, wenn man im tiefen Hintergrunde die Lichter sich bewegen sieht, ohne einen Menschen zu hören; denn der Fußboden ist dicht mit Sägespähnen belegt. Für das bequeme Rollen der Fässer sind flache Schienen angebracht, welche ihnen ein Abweichen von der Richtung unmöglich machen. Die sämtlichen Keller können 50000 Pipen Wein, 50000 Oxhoft Cognac, 8000 Puncheons Rum und 2500 Tons Öl fassen.

In den oberen Räumen, aus denen kleine praktische hydraulische Winden hervorragen, lagern Waren verschiedener Art, namentlich dienen einige Speicher ganz der Aufnahme von Wolle, andere bergen Thee, Gewürze oder Zucker. Hier hat man durchweg vortrefflich für Licht gesorgt; denn hier ist stets große Warenschau. Die obersten Böden haben durch breite und lange Fenster ein schönes Licht; aber auch in den unteren Böden ist teilweise die ganze Wand in eine Fensterreihe aufgelöst, oder es sind breite senkrechte Lichtschachte zu beiden Seiten der Böden hinabgeführt. Im Wollspeicher liegen die Ballen womöglich einzeln aufgeschnitten und ungestapelt nebeneinander; abwärts transportiert man sie auf Rutschbahnen, oder man wirft sie auch wohl einfach zur Luke hinaus. Ein solcher Speicher faßt ein Quantum Wolle von solchem Werte, daß die Versicherung erschwert wurde; deshalb zerlegt man eben jetzt die Speicher durch Aufführung von Brandmauern in mehrere Gelasse. Auch kommt niemals künstliches Licht in diese Räume. Abends oder an dunkeln Tagen leuchten Lampen mit Reflektoren von außen in die Speicher. Ihre Lagerkapacität beträgt 100000 Ballen.

Auf besonders lichtreichen Böden lagern die Gewürze, welche dem ganzen Gebäude einen wunderbaren Wohlgeruch verleihen. Hier stehen in langen Reihen die Zimmet-, Nelken-, Muskatnuß-, Chinarinde-Ballen; hier liegen überraschende Quantitäten von Elfenbein, teils ganz roh, teils in verschiedene Teile durchsägt, so daß die ganz hohlen und ziemlich wertlosen hinteren Teile von den schon kompakteren und endlich von den ganz massiven vorderen Teilen gesondert verkauft werden können.

Im London-Dock sind zu Zeiten 1200 Arbeiter in Thätigkeit.

Eine eigenartige Lagergelegenheit besitzt das Victoria-Dock in den unter einigen Schuppen befindlichen Kellern für gefrorene Schafe, die auf Schiffen mit Refrigerationsmaschinen von Australien kommen. Die Keller, welche ebenfalls eine solche Kältemaschine haben, werden auf -8° R. gehalten. Das Fleisch der Hämmel, die alle einzeln in Kattun eingenäht und alsdann aufgestapelt sind, ist denn auch steinhart gefroren. Das Lager reicht für 40000 Schafe aus.

Eines der am vorteilhaftesten angelegten Docks ist das Albert-Dock.[S. 392] Vor allem ist hier die Verbindung zwischen Eisenbahn und Schiffahrt am glücklichsten durchgeführt. Zwischen Schuppen und Quai ist nämlich ein breiter Raum gelassen, auf dem zwei Schienenstränge für die Eisenbahn und ein dritter, breiterer für die hydraulischen Laufkräne liegen. Die Beleuchtung ist elektrisch. Nicht weniger als 45 hydraulische Laufkräne mit einer Stärke von à 1500 kg sind hier in Thätigkeit, außerdem noch vier schwimmende Riesenkräne mit Dampfbetrieb von 15, 20, 30 und 60 t Tragfähigkeit. — Die Landfläche des Albert-Dock beträgt 136½ ha.

Das jüngste Dock ist das Tilbury-Dock. Es besteht aus einem Hauptdock von 488 m Länge und 183 m Breite nebst drei sich rechtwinklig anschließenden Querdocks. Die Uferlänge des Docks beträgt ca. 3950 m und ermöglicht es, daß 42 der größten Dampfer gleichzeitig landen. Auch von vielen Schienensträngen ist dasselbe umzogen; ungefähr 80 km sollen sich in und am Dock befinden. Seine Wasserfläche wird auf 28,8 ha angegeben, die dazu gehörige Landfläche auf 210,2 ha. Der Kostenpreis der ganzen Anlage einschließlich des Landerwerbs beträgt 2 Mill. Pfd. St. (= 40 Mill. M.).

Die Gesamtheit der von den Londoner Dockgesellschaften engagierten Kapitalien beträgt:

London-St.-Katherines-Dock-Kompagnie 10609648 Pfd. St.
East-West-India-Dock-Kompagnie  4237700
Milwall-Dock-Kompagnie  1125000
Surrey-Comercial-Dock-Kompagnie  1716654
  17689002 Pfd. St.

Einschließlich der für das Tilbury-Dock erwachsenen Kosten beziffert sich demnach der Aufwand für die Dockbauten Londons rund auf 20 Mill. Pfd. St. (= 400 Mill. M.).

Die Wasserfläche aller Londoner Docks beträgt heute nicht weniger als 223,2 ha, also zehnmal soviel wie die der drei prächtigen Docks zu Bremerhaven. Dazu gehören nicht weniger als 600 ha Landfläche, welche mit Schienensträngen, Fahrstraßen, Schuppen, Speichern, Kränen, Maschinenhäusern u. s. w. bedeckt sind. Die Quais sind etwa 30000 m lang, würden also, wenn sie alle in einer Linie lägen, eine Längsausdehnung von vier deutschen Meilen haben. Die Zahl der in ihnen ein- und auslaufenden Seeschiffe beträgt per Jahr über 50000.

In Liverpool beträgt die Wasserfläche der Docks 204,4 ha, bleibt also nur wenig hinter jener der Londoner Docks zurück. Auch verschlangen die Mersey-Docks ungefähr dieselbe Summe wie die Londoner: 20 Mill. Pfd. St.

Fig. 141. Die Tilbury-Docks.

Außer den nassen oder Handelsdocks giebt es noch sogen. Trockendocks, die vorzugsweise bei Reparaturen von Schiffen Verwendung finden. Dieselben sind aus dem Erdreich ausgehobene Räume, im Grundzuge von der Form eines Rechtecks, dessen Längsrichtung senkrecht zur Uferlinie steht. Die ins Land hinein gelegenen drei Wände sind fest mit Steinplatten aus[S. 393]gemauert und zeigen ringsumlaufende Stufen in amphiteatralischer Anlage, welche die Fußpunkte für die Stützen abgeben, mittels deren das Schiff in aufrechter Stellung erhalten wird. Die Größenverhältnisse der sogen. Dockkammer sind dem lokalen Bedürfnis angepaßt; die Länge wechselt zwischen 60 und 300 m. In der mittlern Längsachse stehen die Kielklötze, auf welchen der Kiel des gedockten Schiffes ruht, und ihnen zur[S. 394] Seite auf Gleitbahnen eine Anzahl Kimmschlitten, die den Schiffsboden in der Kimm stützen. Die nach dem Wasser zu gelegene Seite der Dockkammer zeigt zwischen zwei das Dockhaupt bildenden Einfassungsmauern eine Öffnung von genügender Größe, um ein Schiff bequem durchholen zu können. Die Benützung dieses Docks geschieht nun auf folgende Weise: Soll ein Schiff repariert werden, so fährt es aus dem Bassin oder Hafen, mit dem ein solches Trockendock kommuniziert, durch die Einfahrt ins Trockendock. Ist dies geschehen, so wird das Dock entweder durch Schleusenthore geschlossen, oder es wird ein aus Eisen gefertigtes Verschlußponton „eingefahren“, versenkt und dadurch die Einfahrtsöffnung wasserdicht abgesperrt. Jetzt wird das Wasser, welches im Hohlraume des Trockendocks vom Wasser des Hafenbassins abgeschlossen ist, mittels kräftiger Pumpen ins Hafenbassin zurückbefördert und der Raum, in welchem sich das Schiff befindet, vollständig trockengelegt. Die Arbeiten am Schiff können nun beginnen. Sind dieselben beendet, und soll das Schiff wieder in See gehen, so füllt man das Dock durch Öffnungen in den Seitenmauern oder im Dockhaupt wieder mit Wasser, hebt das Verschlußponton durch Auspumpen des Wassers aus den Kasten der obern Etage, führt es wieder aus und holt das Schiff aus dem Dock.

Fig. 142. Schwimmdock bei Steinwärder.

Trockendocks anderer Art sind die Schwimmdocks; die neuere Technik erbaut dieselben ganz aus Eisen. Boden und Seitenwände enthalten zellenförmig angelegte wasserdichte Abteilungen; die Querwände fehlen ganz.[S. 395] Um ein Schiff einzubringen, wird das Dock versenkt, indem man die entsprechende Anzahl Zellen sich mit Wasser füllen läßt. Ist das Schiff im Dock, so pumpt man das Wasser durch das aus einer Längswand aufgestellte Schöpfwerk aus und verholt unter Umständen den ganzen schwimmenden Apparat nach der zur Vornahme der Bauarbeiten bestimmten Stelle.

Sonstige Trockendocks sind noch die hydraulischen und die Rostdocks.

Auf dem Kontinente hat in jüngster Zeit besonders Antwerpen gewaltige Summen für die Verbesserung seiner Hafenanlagen aufgewendet. Die Gesamtausgabe für die neuen Quaibauten an der Schelde betrug nicht weniger als 80 Mill. Frcs.

Bedeutende Hafenbauten werden gegenwärtig auch in den beiden wichtigsten deutschen Seehandelsplätzen ausgeführt: in Bremen und Hamburg.

Bremen (Stadt) sah entsprechend der alten Fahrwassertiefe der Unterweser (5–6 Fuß) bis vor wenigen Jahren fast nur leichtere Fahrzeuge. Der Seeverkehr konzentrierte sich fast ganz in den Unterweserhäfen und war an der Stadt äußerst winzig; dem entsprechend waren auch die Lösch- und Ladevorrichtungen ganz primitiv. Bis noch vor einem Jahrzehnt fand eine Verbindung zwischen Schiff und Eisenbahn nur am Weserbahnhof statt. Später kam dann der „Sicherheitshafen“ hinzu, ein sehr kleines, aber mit Schuppen, Schienen, Dampfkraft, Getreide-Elevatoren, Gaskränen u. s. w. gut ausgestattetes offenes Bassin, das 450 m Ladequai hat. Zur Zeit aber wird der sogen. „Freihafen“ gebaut, der nach Umfang und Tiefe geeignet ist, dem Schiffsverkehr zu dienen, wie er sich nach Vollendung der Weserkorrektion gestalten wird. Er ist ebenfalls offen, 1850 m lang, 120 m breit und 6½ m unter Null tief. Diese Tiefe reicht für Schiffe von 5 m, kann aber noch um 1 m vermehrt werden. Die Wasserfläche des Freihafens beträgt 22 ha, die Landfläche 68 ha. Die Quaimauer erhält eine Länge von 3750 m; Schienenstränge für Eisenbahn (zwei) und hydraulische Laufkräne liegen am Ufer; hinter ihnen befinden sich 40 m breite Schuppen, dann eine Straße mit Schienen, dann Speicher, dann wieder Schienen. Alle Fußböden haben Perronhöhe. Die Kraftleistung von Kränen, Winden, Drehscheiben und Spillen geht von einer hydraulischen Centralleitung aus.

Hamburg hatte bis vor wenigen Jahrzehnten seine Seeschiffe sämtlich auf dem offenen Strom liegen; von dort holten die Schuten die Waren ab, um sie vor die an den Fleeten liegenden Speicher zu bringen. Die ersten eigentlichen Häfen im modernen Sinn hat es vor 20 Jahren in dem Sandthorhafen und dem Grasbrokhafen erbaut; jener ist 1030 m lang und in der Mitte ca. 100 m breit; dieser ist an seiner längsten Seite 880 m lang. Beide Häfen sind ohne Schleusen. Die Rückseite der Landzunge, die den Grasbrokhafen bildet (der Strandhafen), ist ebenfalls Ladequai, so daß die ganze Quailänge dieses Hafenkomplexes 4113 m beträgt. In diesen mäßig großen, aber vorzüglich ausgestatteten Häfen liegen vorzugsweise die Dampfer der großen Fahrt. An den Quais liegen zunächst verschiedene Eisenbahn[S. 396]geleise, sowie Schienen für fahrbare Dampfkräne, die hier zahlreich aufgestellt sind. Sodann kommen Durchgangsschuppen, hinter welchen abermals zahlreiche Schienenstränge liegen. Am linken Elbe-Ufer liegt sodann der Petroleumhafen, ein ca. 500 m langes, offenes, nur mit einer Spuntwand eingeschlossenes Bassin, ohne Eisenbahnverbindung.

Durch den Eintritt Hamburgs in das Zollgebiet des Deutschen Reichs werden indes die bisherigen Hafenverhältnisse gänzlich umgestaltet. Der oberhalb des Grasbrokhafens gelegene Baakenhafen wird in einen tiefen Hafen für überseeische Dampfer verwandelt. Auch dieser 1200 m lange Hafen wird offen bleiben. An beiden Seiten wird er eine Reihe Durchgangsschuppen und eine Anzahl Schienenstränge erhalten. Außerdem wird die Stromseite der den Hafen bildenden Landzunge mit Quaimauern versehen, so daß die Gesamtquailänge hier auf 4000 m geschätzt wird. Gegenüber, am linken Ufer, wird, abgesehen von dem Oberländerhafen für Fluß- und Kanalschiffe, der ebenfalls offene Segelschiffhafen mit ca. 3100 m Quaimauern, mit Schuppen und Schienensträngen ausgestattet werden. Das sind also 7100 m neue Quais zu den 4000 m alten, im ganzen also 11100 m, ausschließlich des Petroleumhafens, der Häfen für oberländische Schiffe und des alten Schiffslagers auf dem offenen Strom, betreffs dessen es allerdings fraglich ist, ob es noch fernerhin benutzt werden kann.

Die Kosten dieser Umgestaltung, einschließlich der im übrigen Freigebiet gebauten Speicher, werden auf nicht weniger als ca. 106 Mill. M. geschätzt. Dafür wird aber der Hafen von Hamburg nach Vollendung dieser Bauten auch einer der besteingerichteten und schönsten der Welt sein.

In der That großartig und staunenerregend sind die Fortschritte, welche Wissenschaft und Technik auf dem Gebiete des Seewesens in neuester Zeit gemacht haben. Und gleichwohl gelten noch immer, wie sogleich das nächste Kapitel des nähern zeigen wird, die ergreifenden Worte des englischen Dichters:

Wog, Ocean, du dunkelblauer, wog!
Zehntausend Kiele furchen dich vergebens!
Wohl zwang der Mensch die Erde in sein Joch,
Du aber bist die Grenze seines Strebens.
Er nennt sich stolz den mächt’gen Herrn der Welt,
Doch sieht an dir er seine Macht zerschellen.
Du spottest sein! und wenn es dir gefällt,
Begräbst du ihn im Gischte deiner Wellen.
Er sandte Flotten ohne Zahl hinaus,
Im grimmen Kampfe sich mit dir zu messen.
Wo sind geblieben sie? Im Sturmgebraus
Sind sie verweht, versunken und vergessen.
Du aber wogest fort! Es grub die Zeit
In deine Azurstirne keine Falten;
Wie Gott dich anfangs schuf, so wogst du heut’,
So wird in Ewigkeit er dich erhalten.
[S. 397]
Ob wilde Stürme — peitschend deine Flut —
Am eisumstarrten Pole dich umtosen,
Ob in des milden Südens Sommerglut
Balsam’sche Lüfte linde mit dir kosen —
Du bleibst dir gleich! Erhaben, mächtig, groß,
Abbild der Ewigkeit, der Schöpfung Krone —
So wallest du, — unendlich, bodenlos,
Unwandelbar von Zon’ zu Zone.

Fünftes Kapitel.
Gefahren der Schiffahrt[199].

Bei der Großartigkeit des heutigen Verkehrs auf den Oceanen kann es nicht überraschen, wenn zwischen den durch weite Wasserwüsten getrennten Kontinenten auch die Unfallsstatistik eine hervorragende Rolle spielt. Die Zahl der Fahrzeuge, welche alljährlich auf dem Ocean Beschädigungen erleiden oder ganz verloren gehen, ist geradezu ungeheuer; der Verlust an Menschenleben geht in die Tausende und jener an Hab und Gut in die Millionen. Allerdings hat die Vervollkommnung der Schiffahrtskunde den Seeleuten manche Mittel an die Hand gegeben, Gefahren zu vermeiden oder Schwierigkeiten zu begegnen, welchen die Nautik früherer Zeiten nicht gewachsen war; aber das menschliche Vermögen gegenüber den Naturgewalten hat am Ende doch seine bestimmten Grenzen, und es treten im Seeverkehr häufig genug Momente ein, wo alle technischen Errungenschaften, alle Erfahrungen und Hilfsmittel der Wissenschaft, einschließlich der todestrotzigen Energie der Mannschaften, nichts gegen die furchtbare Zerstörungswut der Elemente auszurichten vermögen.

Ganz besonders gefürchtet sind von den Schiffern die Wirbelstürme im Atlantischen, Indischen und Stillen Ocean. Die Chroniken der oceanischen Schiffahrt sind voll von diesbezüglichen Mitteilungen. Einer der verrufensten Wirbelstürme Westindiens war z. B. jener vom 10. Oktober 1780. „Sein Lauf begann in der Nähe der Insel Barbados, einer der südlichen Kleinen Antillen. Vor ihm blieb nichts aufrecht stehen, keine Wohnung, kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm. Die in die Keller geflüchteten Einwohner der Hauptstadt merkten vor dem wilden Tosen des Oceans nicht, daß über ihren Häuptern die Gebäude zusammengestürzt waren. Aber nicht überall gab es so sichere unterirdische Räume, und Tausende von[S. 398] Unglücklichen wurden unter den Trümmern zerschmettert. Keine Feldschlacht zwischen zwei feindlichen Armeen richtet ähnliche Greuel an, wie dieser Cyklon es gethan. Weiter voranrückend traf er in den Gewässern von Santa Lucia eine ganze englische Kriegsflotte und versenkte sie mit Mann und Maus in die Abgründe des tobenden Meeres. Die Insel verwüstete er ebenso vollständig wie Barbados und begrub 6000 Einwohner unter den Trümmern der Wohnungen. In der Nähe von Martinique ergriff er die französische Transportflotte, und, mit ihr ebenso kurzen Prozeß machend, begrub er in den Wogen 40 Schiffe mit 4000 Mann Truppen. Auf dem Lande aber fegte der Sturm und die ihm folgende Flutwelle die Stadt St. Pierre und andere Ortschaften einfach vom Boden weg, so daß hierbei allein 9000 Menschen ums Leben kamen. So ging er von Insel zu Insel, auch nach St. Thomas, alles mit Entsetzen, Verzweiflung und Tod erfüllend. Sogar weiter nördlich bei den Bermudas, weit außerhalb seines Centrums, fand er noch Kraft genug, mehrere englische Kriegsschiffe zu versenken, die eben auf der Rückkehr in ihre Heimat begriffen waren.“

Furchtbar war auch der Cyklon bei Guadeloupe vom 26. Juli 1825. „Die Schiffe auf der Reede von Basse Terre verschwanden, und einer der Kapitäne, der dem Tode entrann, erzählte, daß seine Brigg vom Sturm aus dem Wasser gehoben worden sei und sozusagen in der Luft Schiffbruch gelitten habe. Die Häuser von Guadeloupe wurden teilweise zertrümmert, zerbrochene Möbel wurden fortgeschleudert und gelangten über den zehn Meilen breiten Meeresarm bis Montserrat; man sah auch, wie ein dritthalb Centimeter dickes Brett, vom Sturme gepackt, einen Palmstamm von fast einem halben Meter Dicke durchschnitt.“

Zu den schrecklichsten Taifunen, die je erlebt worden, zählt ferner derjenige vom 22.-23. September 1874, der in Hongkong und Macao die greulichsten Verheerungen anrichtete. Im erstgenannten Hafen gingen allein 14 große Hochseefahrer zu Grunde, und vier weitere scheiterten an der Küste, darunter der große Postdampfer „Alaska“; 15 verloren die Masten oder erlitten andere Havarieen, sechs verschwanden spurlos. Im ganzen Bereiche der Stadt sah man nur Ruinen. Alle Hafendämme, mit Ausnahme eines einzigen, wurden zerstört. Die materiellen Verluste waren enorm. Fast alle Wohnungen wurden mehr oder weniger beschädigt, und die stärksten Bäume lagen geknickt auf dem Erdboden. Die Zahl der bei diesem Elementarereignisse ums Leben gekommenen Menschen schätzten die damaligen Berichte auf 2000–5000. Die Wogen trieben Stunden hindurch unausgesetzt Leichen ans Land. Mehr als die Hälfte der chinesischen Schiffsmannschaften hatte das Leben verloren. In dem Augenblicke, wo die Dampfer „Albay“ und „Leonor“ mit ihren Mannschaften und Passagieren scheiterten, schloß sich dem Schrecken dieser Nacht noch der einer Feuersbrunst an. Zum Glücke wurde das Feuer durch die ungeheuer heftigen Windstöße und die vom Himmel[S. 399] herabrauschende gewaltige Regenflut in kurzer Zeit wieder gelöscht. Als der Tag angebrochen war, hätte man glauben können, die Stadt sei durch ein Bombardement vernichtet worden.

Womöglich noch ärger wütete der Orkan in Macao. In wenigen Stunden wurde die Stadt in einen Schutthaufen verwandelt, ihr gesamter Wohlstand vernichtet. Am Abend des 22. September kündigten atmosphärische Symptome und der Stand des Barometers an, daß sich etwas sehr Bedenkliches vorbereite. Indessen war der Wind nicht stark, aber das Meer sehr erregt. Es war noch nicht der eigentliche Sturm, aber man verspürte bereits etwas von seiner Wut, wenn sich die Wogen auf die Küste warfen. Der Wind blies aus Norden und nahm fortschreitend an Heftigkeit zu. Um Mitternacht fing das Innere des Hafens an, das Schauspiel der Zerstörung darzubieten; die Vertäuungen und Ankerkabel zerrissen, und im Nu lagen die vielen Dschonken in einem wirren Haufen aufeinander und zerschellten.

Große Gefahren bereiten den Schiffen in den höheren Breiten die Eismassen, die oft einen Meeresraum von vielen Quadratmeilen bedecken. Als Kapitän Mac Clintock, dem wir Aufklärung über Franklins Schicksal verdanken, mit seinem Schiffe „Fox“ 1857 von der Melville-Bai querüber nach dem Lancastersunde zu fahren gewillt war, wurde er von Eismassen eingeschlossen, fror fest und trieb nicht weniger als 242 Tage in und mit diesem Eise 1194 Seemeilen südwärts. Die „Hansa“, ein deutsches Nordpolfahrerschiff, wurde 1869 am 19. Oktober unter 70° 50′ n. Br. gegenüber der Küste von Ostgrönland vom Eise zerquetscht. Das Eisfeld, auf welches sich die Mannschaft rettete, war 15 m dick, und der Umfang desselben, der sich allmählich stark verminderte, betrug anfänglich 2½ Stunden. Die Mannschaft legte bekanntlich auf dieser Scholle in 243 Tagen eine Strecke so weit wie die von Konstantinopel nach Berlin zurück. — Weiter als die Eisfelder dringen die Eisberge von beiden Polen her gegen den Äquator vor. Sie kommen in den Golfstrom und selbst bis in die Westindischen Gewässer, und antarktische Eisberge sind schon bis ans Kapland gelangt. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß viele von den Schiffen, die von Europa nach Amerika fuhren, und von denen nie wieder eine Kunde zu uns drang, an Eisbergen Schiffbruch litten und in den Abgrund des Meeres versanken. Das Schicksal des Dampfers „Pacific“, der 1861 sein Ziel nicht erreichte, wurde z. B. nur durch eine Notiz in einer treibenden Flasche aufgeklärt, welche besagte, daß er durch einen Eisberg zum Sinken gebracht worden sei. So wurde auch am 7. November 1879 dem Dampfer „Arizona“ bei Neufundland durch Zusammenstoß mit einem Eisberge der Bug weggerissen, so daß die Rettung des Schiffes nur mit Mühe gelang. Am 24. Mai 1882 passierte ein nach New-York bestimmter deutscher Postdampfer während 24 Stunden nicht weniger als 351 Eisberge der verschiedensten Größe. Der Anblick solcher Eisberge ist übrigens ein majestätisches Schauspiel.[S. 400] Ihre phantastischen Gestalten prangen in der herrlichsten Farbenpracht. Bei Nacht und bei Tage glänzen sie an den weißen Stellen wie Silber und an den übrigen in den lebhaftesten Regenbogenfarben. Im Sommer vollends, wenn das Eis durch die Wirkungen der Sonnenstrahlen geschmolzen wird, strömt das Wasser in großen Wasserfällen vom Kamme solcher Eisgebirge hernieder.

Zu den schlimmsten Feinden der Schiffahrt zählen ferner die Nebel; denn selbst auf den bekanntesten Straßen, dicht vor dem Hafen kann ein Nebel alle menschliche Kunst nutzlos machen, wie uns noch in jüngster Zeit der Untergang der „Cimbria“ gezeigt hat. Ein echtes „Nifelheim“ ist besonders die nördliche Hälfte des Südsee-Beckens, das zuweilen wochenlang in undurchdringlichen Nebel gehüllt ist. Eine Fahrt durch solch ein Nebelmeer gehört in der That zu den unheimlichsten und aufregendsten Vorkommnissen des menschlichen Lebens. Bald droht ein Zusammenstoß mit einem in entgegengesetzter Richtung steuernden Dampfer; bald verkündet der tiefe Stand des Thermometers die unheilvolle Nähe eines gewaltigen Eisberges; bald besteht die Gefahr, an einer Klippe zu scheitern u. s. w. Die Schiffsmannschaft ist in ununterbrochener Thätigkeit. Da wird gelotet, laviert, manövriert, die Dampfpfeife oder das Nebelhorn in Aktion gesetzt, langsamer oder schneller gefahren, bald mit halber Dampfkraft, bald mit gerefften Segeln; es ist ein ununterbrochenes Tappen und Suchen, Ausforschen und Ausklügeln mit furchtbar angespannten Sinnen, bis endlich der Glanz der Sonne den Nebelschleier durchbricht. Wer solch eine Fahrt mitgemacht, der hat die Sonne gewiß so freudig begrüßt, wie der Gefangene, der am Tage der Begnadigung aus seinem finstern Kerker zu neuem Leben in die sonnige Welt hinausschreitet.

Vielen Schiffen bringt die Küste Verderben und Untergang; namentlich sind es die Flachküsten, welche der Schiffahrt infolge der Sandbänke, von denen dieselben umgürtet sind, oft recht verhängnisvoll werden. Ein Meer, reich an solchen Sandbänken, ist z. B. die Nordsee. Die Westküste von Jütland führt geradezu den Namen der „eisernen“ Küste; denn jedes Schiff, welches auf diese Sandbänke gerät, ist unrettbar verloren und in der kürzesten Zeit in Sand begraben. Von ähnlicher Beschaffenheit ist auch die Küste der Sahara. Ganz besonders gefährlich sind solche Küsten dann, wenn in einiger Entfernung vom Ufer die Tiefe des Meeres plötzlich zunimmt. Da nämlich im tiefen Wasser die Wellen rascher gehen als im seichten, so überholen sich an der Grenze des seichtern und tiefern Wassers die Wellen und bilden auf diese Weise furchtbare Brandungen. An der Koromandelküste ist diese Erscheinung unter dem Namen des Surf bekannt. Hier ankern die Schiffe im offenen Meere, und nur die Eingeborenen verstehen es, mit ihren Booten durch den Wasserwall sich hindurchzuarbeiten. — Außer den Flachküsten sind auch die Klippenküsten den Schiffen vielfach verderblich. Es sind das Meeresbegrenzungen aus zerstückelten Felsen, die oft regellos, labyrinthisch zerstreut den Küstensaum bilden. Diese Klippen bestehen bald[S. 401] aus größeren oder kleineren Inseln, bald erreichen sie eben die Meeresoberfläche, bald bleiben sie als blinde Klippen in der Tiefe. Dadurch wird das Fahrwasser, welches zu den auf solche Weise von der Natur verschanzten Häfen führt, häufig bis zu äußerst geringer Breite eingeengt, und seine Richtung in dem Insel- und Klippengewirr wechselt mit Wind und Jahreszeiten. An solchen Küsten vermag sich nur der Einheimische zurechtzufinden. Der Fremde wird nur schwer dem Verderben entgehen. In Europa gewährt für diese Küsten ein ausgezeichnetes Beispiel Norwegen. Hier schneiden tiefe Spalten, die sogen. Fjorde, mit steil geneigten Hängen in das Plateau des Landes ein und gewähren den größten Seeschiffen den Zugang ins Innere; aber die Eingänge zu diesen Buchten sind durch ein Gewirr unzähliger Inseln, Inselchen und Klippen, die sogen. Schären, verschlossen. Eine besondere Art von Klippenküsten sind die Korallenküsten, d. i. solche Küsten, denen Korallenriffe vorgelagert sind. Im Stillen Ocean erstreckt sich z. B. von der durch Koralleninseln fest vermauerten Torresstraße fast 300 Meilen weit an der Ostküste von Australien das große australische Barrière-Riff; ähnliche Riffe finden sich auch in Westindien, und das warme Wasser des Golfstroms ermöglicht noch das Vorkommen von riffbauenden Korallen bei den Bermudas-Inseln. Sichere Küsten sind nur die Steilküsten; sie haben keine Klippen und Sandbänke und sind meist reich an einschneidenden Buchten und Häfen. Eine derartige Küste ist die Ostküste der Vereinigten Staaten bis zum Kap Hatteras, und in Europa zeigen das ausgezeichnetste Beispiel die Küsten Englands von der Mündung der Themse bis nach Liverpool hin.

Nicht so selten, als man glauben möchte, gehen Schiffe auch durch Feuersbrünste zu Grunde[200]. Einer der erschütterndsten diesbezüglichen Seeunfälle in neuerer Zeit war z. B. der Brand des englischen Auswandererschiffes „Cospatrick“ am 19. November 1874. Inmitten des Atlantischen Oceans, Hunderte von Seemeilen vom nächsten Lande entfernt, ward das Riesenschiff ein Raub der Flammen, und alle Eingeschifften, drei Personen von der Equipage abgerechnet, fanden ihren Tod in den Wellen.

Viele Unfälle sind ferner der Gewissenlosigkeit von Schiffsgesellschaften zuzuschreiben; denn manche derselben verwenden noch Schiffe im Seeverkehr, die nicht mehr seetüchtig sind, oder sie versäumen es, ihre Fahrzeuge mit den im Interesse der Sicherheit nötigen Instrumenten, Apparaten und Karten zu versehen.

Zuweilen werden Schiffbrüche auch durch die Pflichtvergessenheit des diensttuenden Personals veranlaßt, manchmal sogar durch Verbrecherhand. Eines der schaurigsten Beispiele in letzterer Beziehung ist die Frevelthat eines gewissen Thomas, der vor mehreren Jahren in Bremerhaven ein eben zur Abfahrt nach Amerika bereitliegendes Schiff durch einen teuflischen Apparat mitsamt der ganzen Besatzung in die Luft sprengte.

[S. 402]

Zahlreich waren in früherer Zeit die durch Blitzschläge verursachten Schiffbrüche. Nach dem von der britischen Admiralität im Jahre 1854 dem Parlamente vorgelegten Blaubuche wurden in den Jahren 1805–1815 nicht weniger als 40 Linienschiffe, 20 Fregatten und 10 Korvetten vom Blitze getroffen und manche dieser Fahrzeuge hierdurch für längere Zeit dienstuntüchtig gemacht; ebenso sind in der englischen Handelsmarine von 1820 bis 1854 nicht weniger als 33 Schiffe durch den Blitz völlig zerstört und 45 schwer beschädigt worden. In unseren Tagen macht man von der Erfindung Franklins auch auf den Schiffen den ausgedehntesten Gebrauch, und der Blitzableiter erweist sich auch hier als wahrer Schutzengel.

In früherer Zeit erlitt endlich die Schiffahrt noch große Schädigung durch die Piraterie oder den Seeraub. Klagen hierüber kommen schon aus dem fernsten Altertum. Als Telemach, des Odysseus Sohn, mit Mentor aus Ithaka in Pylos bei Nestor eintrifft, wird an beide die Frage gerichtet:

„Fremdlinge, sagt, wer seid ihr? Woher durchschifft ihr die Wogen?
Trieb ein Geschäft euch über die See her? Schweifet ihr planlos
Über das Meer in der Irre dahin, wie Räuber umherzieh’n,
Keck einsetzend ihr Leben, um anderen Not zu bereiten?“

Wie beschwerlich die Korsaren den Römern geworden, weiß jeder Kenner der Geschichte. Auch während des Mittelalters dauert der Seeraub im Mittelmeer fort, aber erst anfangs des 16. Jahrhunderts gelangte hier die Piraterie zu solcher Entwicklung, daß sie fast eine eigene Epoche des Seeverkehrs bildet. Um diese Zeit entstanden nämlich an der Nordküste Afrikas die mohammedanischen Barbareskenstaaten, deren Flotten Jahrhunderte hindurch der Schrecken aller Seefahrer waren. Noch 1817 jagte ein Korsar aus Algier einen Kauffahrer aus Lübeck bis in die Nähe von Island. Erst 1830 wurde der beispiellosen Wirtschaft durch die Landung der Franzosen in Algier ein Ende bereitet. Wie das Mittelmeer, so wurden auch Nord- und Ostsee geraume Zeit hindurch von Seeräubern durchschwärmt. Daß die Normannen ihre Herrschaft zur See als Piraten begannen, ist jedem bekannt, der von „Wikingerzügen“ gehört oder altnordische Geschichte gelesen. Die vielgenannten Seekönige waren im Grunde nichts anderes als gekrönte Korsarenhäuptlinge, deren Ressourcen hauptsächlich im Seeraube lagen. Später, besonders seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, waren wieder die Vitalienbrüder oder Likendeeler[201] fast ein halbes Jahrhundert lang eine wahre Geißel der nordischen Meere und Küsten. —[S. 403] Ein anderer Schauplatz der Seeräuberei waren die westindischen Gewässer, wo in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Boucaniers und Flibustiers ihr Unwesen trieben; ja dieselben waren — unterstützt durch den zwischen Spanien und England bestehenden Antagonismus — sogar so übermütig geworden, daß sie an die Gründung eines selbständigen Staates dachten. Den großartigsten Umfang nahm die Piraterie jedoch im indischen Archipel an, wo sie mit dem gesellschaftlichen und staatlichen Leben vieler Stämme innig verwachsen war und zugleich durch die örtlichen geographischen Verhältnisse in hohem Grade begünstigt wurde. Selbst bis heute ist weder hier noch an den Küsten des chinesischen Reichs dem Unwesen völlig gesteuert.

In diesem Zusammenhange sei auch der Seekrankheit gedacht. Zwar ist sie nicht lebenbedrohend, aber doch sehr belästigend. „Man stirbt nicht daran, aber wenn man sie hat, möchte man doch am liebsten tot sein.“ Noch ist es der ärztlichen Kunst nicht gelungen, ein wirksames Mittel gegen dieses Übel zu finden, ja alle ihre physiologische Weisheit vermag nicht einmal deren Entstehung zu erklären. „Wann wird der Wohlthäter geboren werden, der diese schreckliche Plage aus der Welt schafft?“[202]


Sechstes Kapitel.
Mittel zur Sicherung des Seeverkehrs[203].

Angesichts der vielen Gefahren, welche der Schiffahrt drohen, war man seit alter Zeit schon bedacht, sich Mittel zur Sicherung des Seeverkehrs zu schaffen. Auch in neuerer und neuester Zeit ist man in diesem Streben nicht müde geworden, und so bestehen denn dermalen eine ganze Reihe von Vorkehrungen zur Minderung der Schiffsunfälle.

Bereits im grauen Altertum machte sich die Notwendigkeit geltend, die Häfen und mit der Zunahme der Schiffahrt auch einzelne wichtige Punkte an den Küsten während der Nacht durch Leuchtfeuer kenntlich zu machen. Seit aber der Verkehr sich vervielfacht hat und namentlich die Fahrzeiten sich nicht mehr auf den Tag beschränken, die Fahrgeschwindigkeit selbst bei den Segelschiffen eine bedeutend größere geworden, trat dieses Bedürfnis nach ausreichender Beleuchtung der befahrensten Wasserstraßen selbstverständlich noch weit dringender zu Tage. Besonders wichtig wurde eine solche Beleuchtung, seit sich die Kraft des Dampfes auf dem Wasser geltend machte; denn[S. 404] „Zeit ist Geld“, sagt ein altes Sprichwort, Zeitersparnis ein Faktor, der bei dem Kohlenverbrauch der Dampfschiffe ganz speziell in Betracht kommt. Der berühmteste unter allen Leuchttürmen des Altertums war der zu Alexandria, der nach der kleinen Insel, aus welcher er stand, Pharos hieß, welcher Name später mit Leuchtturm überhaupt gleichbedeutend wurde. Der Pharos von Alexandria gehörte zu den sogenannten sieben Wunderwerken des Altertums und wurde von Sostratus aus Knidos erbaut. Seine Höhe wird auf 550 Fuß angenommen, seine Vollendung fällt in das Jahr 283 v. Chr. Nach Plinius kostete sein Bau 800 Talente (4 Mill. M.). Mehr als 1500 Jahre warf er seine Strahlen über die unruhigen Gewässer des Mittelländischen Meeres, nocturnis ignibus cursum navium regens, wie Plinius sagt. — Die Erbauung des Pharos von Alexandria gab die Anregung zur Errichtung vieler anderer Leuchttürme. Es ist wahrscheinlich, daß Karthago seine Seefahrer durch Leuchttürme zu schützen suchte, und es ist gewiß, daß die Römer solche in Caprea, Ostia, Puteoli und Ravenna errichteten. Letztere ließen es übrigens nicht bei der Aufführung der segenspendenden Baulichkeiten an der italienischen Küste bewenden, sondern erbauten sie auch in Ländern, die sie eroberten, so daß sich unter ihrem Scepter die Linie der Leuchttürme vom Atlantischen Ocean bis zum Euxin, von Britannien bis zum Pontus erstreckte. Besonders bemerkenswert von römischen Leuchttürmen ist die Säule des Pompejus, die merkwürdigerweise nach Pompejus genannt wurde, obwohl sie unter Diokletian errichtet wurde.

Nach der Ausbreitung des Christentums machten sich Klöster und Mönchsorden um die Sicherheit auf dem Meere verdient. Sie unterhielten die Feuer der Leuchttürme, und wo sich solche nicht vorfanden, entzündeten sie Holzstöße oder Teerfackeln. So warnten zu Sagres, am Kap St. Vincenz, einem der wildesten Vorgebirge Europas, das ewig gepeitscht wird von den donnernden Wogen des Atlantischen Oceans, die menschenfreundlichen Patres durch ihre Feuerzeichen den Schiffer, in offene See zu stechen.

Zu den berühmteren Leuchttürmen der Neuzeit gehören der zu Corduan auf einer Felsbank vor der Mündung der Garonne, der Turm auf Eddystone (Fig. 143), einer Klippe im englischen Kanal, 14 Seemeilen südlich vom Kriegshafen von Plymouth, der im Firth of Forth auf dem Bell Rock stehende u. a.

Ein Denkmal fortgeschrittener Technik ist auch der am 1. November 1885 in Betrieb gesetzte Weserleuchtturm auf dem Roten Sande.

Der Turm selbst ist ganz aus Eisen gebaut und hat unten einen annähernd ovalen Querschnitt von 114 qm, oben ist derselbe dagegen kreisrund mit 5,1 m Durchmesser. Die ganze Konstruktionshöhe des Turmes vom Fundament bis zur Spitze beträgt 52,5 m. Davon ist der untere Teil in Höhe von 30 m massiv in Portlandcementbeton hergestellt und kann als Monolith angesehen werden. Zur Aufbewahrung des Trinkwassers befindet sich in diesem massiven Körper eine hinreichend große Cisterne. Der[S. 405] Oberbau, dessen Wände durch doppelte Luftschichten gegen die Temperatureinflüsse geschützt sind, enthält vier Räume übereinander, welche zum Lagern, Kochen, Wohnen u. s. w. dienen; darüber erhebt sich die 3 m im Durchmesser haltende Hauptlaterne mit einer kleinern Nebenlaterne. Der Turm ist oben durch drei erkerartige runde Ausbauten gekrönt, von denen zwei zum Auslugen dienen und die Orientierungsfeuer aufnehmen. Im dritten Erker ist die nach der Laterne führende Wendeltreppe untergebracht.

Fig. 143. Eddystone.

In den 8 m über der Ebbe liegenden Unterraum, dessen zwei Thüren wasserdicht verschlossen werden können, gelangt man mittels eiserner Steigtreppen, während in den Turmräumen sich bequeme Wendeltreppen vorfinden. Der Fuß der Laterne ist mit einer Galerie umgeben; auch ist in dieser Höhe ein leichtes Rettungsboot untergebracht. Der Anstrich des[S. 406] Turmes ist sehr glücklich gewählt, indem die etwa 4 m breiten roten und weißen Streifen, welche über dem schwarz angestrichenen Fuß in horizontalen Linien abwechseln, dem Auge schon auf zehn bis zwölf Seemeilen sichtbar werden und jede Verwechslung mit anderen Körpern ausschließen.

Das Fundament des Turmes ist, unter Anwendung von starkem Luftdruck, 14 m tief in den festen Sand getrieben, und die Umgebung des Turmes hat in 15 m Breite ein mit großen Steinen beschwertes Bett von Senkfaschinen erhalten. Die Befestigung des Sandes ist damit vollständig gelungen, so daß die Sicherheit des Bauwerks gegen Unterspülung über allen Zweifel gestellt ist.

Auf dem Leuchtturm befindet sich eine Telegraphenstation, deren Bedienung durch die angestellten drei Turmwärter wahrgenommen wird. Dieselbe meldet nicht nur die aus- und eingehenden Schiffe u. s. w., sondern befördert auch alle daselbst aufgegebenen Telegramme. Von großem Wert, namentlich in wissenschaftlicher Beziehung, ist ferner der am Turm aufgestellte, selbstregistrierende Flutmesser, besonders weil wegen der flachen Ufer an den vorgeschobenen Punkten der deutschen Nordseeküste zuverlässige Beobachtungen über die Wasserstandsverhältnisse kaum ausführbar sind[204].

Im ganzen besitzt Deutschland an seinen Küsten 32 Feuerschiffe und 130 Leuchttürme. — Die Zahl der Leuchttürme an der Küste von Großbritannien und Irland beträgt über 600. Über alle Leuchttürme der Erde wird Register geführt; die Art ihres Lichtes und ihr Standpunkt sind genau bekannt. Der großartigste Leuchtturm der Gegenwart ist wohl der auf Hallets Point bei New-York. Er ist völlig aus Eisen konstruiert, hat eine Höhe von 85 m und neun große elektrische Bogenlampen mit einer Stärke von je 6000 Kerzen.

Wo Leuchttürme sich nicht anbringen lassen, werden Leuchtschiffe verankert, welche, außenbords mit einem roten Anstrich versehen, zu beiden Seiten mit großen weißen Lettern den Namen ihrer Station führen. Bei Tage haben sie die Nationalflagge am Heck gehißt; ihr Mast, resp. ihre Masten sind am Top mit großen Ballen oder Kugeln aus Flechtwerk versehen, entsprechend der Zahl der Laternen, die sie bei Nacht führen. Neustens ist man bemüht, die Leuchtschiffe telegraphisch mit der Küste zu verbinden, um auf diese Weise die Herbeirufung von Rettungs-Booten und -Mannschaft in Fällen der Gefahr zu ermöglichen. Leuchtschiffe waren übrigens schon den Römern bekannt. — Zur Unterscheidung der an den einzelnen Orten aufgestellten Leuchtfeuer bedient man sich am Lande teilweise farbiger Gläser der Laternen, ferner außer den festen Feuern der sogen. Drehfeuer, Blickfeuer u. s. w. Auch kommt erfreulicherweise in neuester Zeit das elektrische Licht bei den Leuchtfeuern erster Ordnung zur Verwendung. So ist z. B. vor dem Hafen von New-York eine Laterne mit elektrischem Licht angebracht, die eine Lichtstärke von 54000 Kerzen und[S. 407] eine Sichtweite von 40 Meilen besitzt. Freilich ist dieses Leuchtfeuer auch das stärkste der Erde. — Die Zahl der ausschließlich der Seeschiffahrt dienenden Leuchtfeuer erreicht nahezu 4000; ihre Herstellung hat Milliarden erfordert, und auch ihre Unterhaltung beansprucht jährlich viele Millionen. Beispielsweise kostete der Bell-Rock-Feuerturm an der Ostküste Schottlands 61350 Pfd. St. (1227000 M.), das Feuerschiff „Weser“ 212466 M. Die durchschnittlichen Unterhaltungskosten eines Leuchtturms betragen in England 200–400 Pfd. St., in Frankreich 8000 Frcs., in Deutschland 5500 M.

Seit alten Zeiten errichtet man ferner an den Küsten zur Bezeichnung der Sandbänke hohe turmartige Gerüste aus eichenen Balken oder Eisenstäben, die sogen. Baken, während das Fahrwasser, wie auch verborgene Klippen, gesunkene Schiffe u. dgl. durch vor Anker liegende, grell angestrichene eiserne Tonnen, sogen. Bojen, bezeichnet sind. Da Bojen nicht immer weit sichtbar sind, so hat man sie hörbar gemacht; man benutzt nämlich Luft und Wasser, um einer Dampfpfeife ähnliche Töne hervorzubringen.

Fig. 144. Leuchtschiff mit Bake.

Von wesentlichem Belange für die Sicherung des Seeverkehrs ist dann das Lootsenwesen. Wo nämlich die Einfahrt in einen Hafen oder in eine Strommündung mit Schwierigkeiten verbunden, wie das ja meistens der Fall ist, da legt der Kapitän die Führung des Schiffes nieder und nimmt als Kommandanten einen Lootsen an Bord, der mit den Lokalverhältnissen aufs genaueste vertraut ist. Gegenwärtig sind die Lootsen wohl überall, wo geordnete Zustände herrschen, von Behörden geprüfte und angestellte Leute. Ihr Geschäft ist vielfach recht mühsam und gefahrvoll, für alle Falle sehr verantwortlich. — Zu den anerkannt tüchtigsten und unerschrockensten Lootsen zählen die norwegischen. Aber auch die englischen und die an den deutschen Nordseeküsten angestellten kommen an Gewandtheit, Pflichttreue und Aufopferung ihren nordischen Genossen fast völlig gleich.

[S. 408]

In Großbritannien hat man in jüngster Zeit auch die Küstenbeobachtungsstationen durch Telephonleitungen mit den nächstgelegenen Hafenplätzen in Verbindung gesetzt, um eintretenden Falls Schiffe in Not den Lootsenstationen melden zu können; und diese Einrichtung hat sich bisher durchaus bewährt.

Die Einführung des Dampfes als Treibkraft der Schiffe, durch welchen dieselben unabhängig vom Winde wurden, machte die Navigierung oder Führung eines Schiffes während der Nacht unsicher und gefährlich. Begegneten sich früher Segelschiffe, so konnte der Seemann aus dem Winde schließen, welche Richtung das entgegenkommende Fahrzeug nehmen werde, und sich danach richten. Dies fiel nun weg, und so ergab sich für die Schiffahrt treibenden Nationen die Notwendigkeit, einheitliche internationale Vorschriften über das Ausweichen der Schiffe auf See und über das Führen von Lichtern während der Nacht zu vereinbaren. So müssen z. B. Dampfschiffe, welche in Fahrt sind, an oder vor dem Fockmast (vorderer Mast) in einer Höhe von mindestens 6 m über dem Schiffsrumpf ein helles weißes Licht führen, und zwar von solcher Lichtstärke, daß es in dunkler Nacht bei klarer Luft auf eine Entfernung von mindestens fünf Seemeilen (9 km) sichtbar ist; ferner an der Steuerbordseite[205] ein grünes Licht und an der Backbordseite[206] ein rotes Licht. Ein Dampfschiff, welches ein anderes schleppt, muß zur Unterscheidung von anderen Dampfschiffen außer den Seitenlichtern zwei helle weiße Lichter führen und zwar senkrecht übereinander, nicht weniger als ein Meter voneinander entfernt. Ähnlich genau sind die Vorschriften über das Ausweichen der Schiffe, ebenso bezüglich der Schallsignale bei Nebel. Bei Nebel, unsichtigem Wetter oder Schneefall muß z. B. ein Dampfschiff in Fahrt mittels einer Dampfpfeife oder eines andern Dampfsignalapparats mindestens alle zwei Minuten einen langgezogenen Ton geben. Dampfschiffe und Segelschiffe, welche nicht in Fahrt sind, müssen mindestens alle zwei Minuten die Glocke läuten etc. etc. — Wie notwendig derartige Vorschriften sind, erhellt am besten daraus, daß trotz derselben fast täglich Zusammenstöße und Havarieen gemeldet werden, die mit dem Verlust von Menschenleben verbunden sind. — Im Interesse der Sicherung des Schiffsverkehrs ist, um dies gleich hier zu erwähnen, auch die Einführung einheitlicher Ruderkommandos auf den Schiffen sämtlicher civilisierter Nationen dringend zu wünschen. Die folgenden Beispiele werden selbst dem Laien das Ge[S. 409]fahrvolle der bestehenden Bestimmungen vor Augen führen. Wenn z. B. auf einem französischen oder schwedischen Schiffe den Leuten am Ruder das Kommando gegeben wird: „Steuerbord“, so bedeutet dasselbe: die nach vorn zeigende Ruderpinne soll nach „Backbord“ gelegt werden, so daß der Kopf des eventuell in Fahrt befindlichen Schiffes sich nach „Steuerbord“ dreht. Auf englischen Schiffen bedeutet es das Gegenteil; dort wird auf dies Kommando die nach vorn zeigende Ruderpinne nach „Steuerbord“ gelegt, so daß der Kopf des eventuell in Fahrt befindlichen Schiffes sich nach „Backbord“ dreht. Möglichkeit zu Irrtümern und Verwirrungen ist unter solchen Verhältnissen nicht ausgeschlossen.

Mit Hilfe der Meteorologie und Telegraphie weiß man heutzutage, wie oben des nähern bereits dargethan wurde, auch dem Sturme oftmals zu begegnen.

Viele Unfälle werden auch dadurch verhütet, daß die Anforderungen bezüglich der Ausbildung der Seeleute im Vergleich zu früher wesentlich gesteigert wurden. So kann jetzt in Deutschland kein der Seefahrt Beflissener eine Stelle als Steuermann erhalten, ohne seine Befähigung zur Übernahme eines so schweren und wichtigen Postens im Steuermannsexamen theoretisch bewiesen zu haben. Die Vermittlung geeigneter Schiffahrtskenntnisse besorgen dermalen die Navigationsschulen, die in allen größeren seefahrenden Staaten zu finden sind. Von den Navigationsschulen sind zu unterscheiden die Seemannsschulen, welche dazu bestimmt sind, junge Leute, die sich dem Seewesen widmen wollen, praktisch zu demselben heranzubilden, damit sie schneller das Stadium des Schiffsjungen überschreiten und zu Matrosen vorrücken können. Eine solche ist die Schule zu Steinwärder bei Hamburg.

Ferner sei noch erwähnt, daß im Interesse der Sicherheit des Seeverkehrs das Projekt besteht, im Atlantischen Ocean eine Reihe von Wachtleuchtschiffen zu stationieren. Da die einzelnen Schiffsstationen sowohl unter sich, als auch mit dem Festlande durch ein Kabel in Verbindung stehen und nur 200 km voneinander entfernt sein sollen, so würde kein deren Linie folgendes Schiff von einem Kommunikationspunkte mit dem Festland, beziehungsweise von einem Zufluchtsorte für Passagiere und Mannschaften im Falle eines Schiffsunglückes weit entfernt sein. Es könnten dann auch die Bewegungen des Schiffsverkehrs fast täglich der kaufmännischen Welt mitgeteilt und außerdem die so wichtigen Nachrichten über Witterungsveränderungen, das Treiben von Eisbergen, das Herannahen von Stürmen u. s. w. den Häfen des Festlandes wie den aus See befindlichen Dampfern, letzteren durch Vermittlung der Schiffsstationen, telegraphisch übermittelt werden.

Wird nun aber trotz aller Vorsichtsmaßregeln ein Schiff von einem Unfalle betroffen, so sind es die Seeversicherungsgesellschaften,[S. 410] welche dem Eigentümer den erlittenen Schaden ersetzen[207]. Freilich übernimmt eine derartige Versicherungsgesellschaft das Risiko, für Schiffsunfälle aufkommen zu müssen, nur dann, wenn das Schiff in dem Augenblicke, da es eine Seereise antritt, seetüchtig ist. Darüber wachen nun wieder besondere Vereinigungen, die sogen. Klassifikationsgesellschaften[208], die sich ausschließlich damit befassen, die Schiffe nach dem Grad ihrer Seetüchtigkeit zu qualifizieren. Die Höhe der Versicherungssumme eines Schiffes richtet sich darum stets nach dem von einer solchen Gesellschaft ausgestellten Certifikat.

Das älteste und bedeutendste Klassifikationsinstitut in England und auf der ganzen Erde überhaupt ist Lloyd’s Register of British and Foreign Shipping in London. Von der ausgedehnten Thätigkeit dieser Gesellschaft, die an allen größeren Hafenplätzen der Erde vertreten ist, erhält man eine Vorstellung, wenn man erfährt, daß von den im Jahre 1885 auf der ganzen Erde gebauten 692 Schiffen (von 100 t und darüber) mit einem Raumgehalt von 624658 t mehr als die Hälfte der Schiffe (355) mit über ⅔ ihres Tonnengehaltes (427045 t) von Lloyd’s Register klassifiziert wurden. In Großbritannien und Irland steht nahezu der gesamte Schiffsbau unter der Aufsicht von Lloyd’s Register; denn 1885 wurden in dem Vereinigten Königreiche nur 382 Schiffe mit 449875 t gebaut. Die Gesamtzahl der von Lloyd’s Register klassifizierten Schiffe beträgt bis jetzt 8374.

Die sonstigen größeren Klassifikationsgesellschaften der Erde, abgesehen von Lloyd’s Register, sind folgende:

Name der Gesellschaften. Zahl der klassi-
fizierten Schiffe.
Liverpool Underwriter’s Registry[209]  994
Bureau Veritas (Paris) 6960
Germanischer Lloyd (Berlin) 1812
Nederlandsche Vereeniging van Assuradeuren 1997
Norske Veritas 3642
Registre Maritime  544
Record of American and Foreign Shipping 2374
Registro Italiano  915
Veritas Austro-Ungarico  796
Veritas Ellenico  216

[S. 411]

Siebentes Kapitel.
Das Rettungswesen[210].

Trotz aller Vorsichtsmaßregeln, die jetzt zur Verhütung von Schiffsunfällen getroffen sind, ist die Zahl der Schiffbrüche noch immer eine bedenklich hohe. Es begreift sich, daß man angesichts dieser Thatsache eifrigst auf Mittel dachte, den in Seenot Befindlichen zu Hilfe zu eilen.

Die Anfänge des organisierten Rettungswesens reichen bis ins vorige Jahrhundert zurück. Das erste Rettungsboot zum Zwecke der Bergung von Schiffbrüchigen, von welchem wir Kenntnis haben, wurde im Jahre 1784 für den Dienst auf der Themse fertiggestellt. Konstrukteur und Erfinder desselben war ein gewisser Lukin. Aus wasserdichten Luftbehältern im Innern bestehend, mit Korkgürteln an den äußeren Rändern und einem schweren, mit Eisen beschlagenen Kiel versehen, behufs Vergrößerung der Stabilität und Schwimmkraft, leistete dieses Boot vorzügliche Dienste und rettete noch im selben Jahre mehrere Menschen aus der Sturmnot. Das allgemeine Interesse an der Sache war indes vorerst noch gering; erst als 1789 das Newcastler Handelsschiff „Adventure“ hart an der Mündung des Tyne-Flusses mit Mann und Maus zu Grunde ging, da wurden die Geister nachhaltig aufgerüttelt. Es ward ein Preis für das beste Rettungsboot ausgeschrieben, und ein gewisser Greathead aus Süd-Shields stellte das beste Modell eines solchen Fahrzeuges fertig. Es war ähnlich wie das Lukinsche Boot konstruiert, nur hatte es statt der luftdichten Behälter auch im Innern einen Korkgürtel. Nach diesem Modelle wurde 1789 das erste zu Rettungszwecken bestimmte Boot gebaut und sofort in Dienst gestellt. Im Laufe der nächsten 10 Jahre wurden mit solchen Booten allein in der Mündung des Tyne 200 Menschen dem Wellengrabe entrissen. Greathead erhielt vom Parlamente eine Belohnung von 1500 Pfd. St. und ward auch sonst vielfach ausgezeichnet. 1824 trat auf Anregung Sir William Hillarys in England die erste organisierte Lebensrettungs-Gesellschaft in Thätigkeit, und in den nächsten 25 Jahren wurden durch sie über 6700 Schiffbrüchige vom Ertrinkungstode gerettet. Trotzdem war die Beteiligung noch immer sehr gering, und erst als 1850 der Herzog von Northumberland die Angelegenheit in die Hand nahm und die Gesellschaft organisierte — sie führte von nun an den Namen „National[S. 412] Lifeboot Institution“ —, da kam in das Rettungswesen ein dauernder Aufschwung. Der Herzog von Northumberland hatte gleichzeitig auch einen Preis in der Höhe von 100 Pfd. St. für das beste Modell eines Rettungs-Bootes ausgeschrieben. Als Sieger unter den Bewerbern ging ein gewisser Blanching hervor, doch erwies sich sein Boot in der Praxis als nicht sonderlich verwendbar, so daß das betreffende Komitee durch eines seiner Mitglieder, den Bootsbauer Peake, einen andern Plan einreichen ließ. So entstand das Peakesche Rettungsboot, das noch heute allenthalben in Verwendung steht. Das erste derartige Boot hatte eine Länge von 30 Fuß, 8 Fuß Breite und 3½ Fuß Höhe. Das Selbstaufrichten nach dem Kentern (Umschlagen) erfolgt in 2 Sekunden, die Wasserentleerung in kaum einer Minute. Dermalen besitzt die „National Lifeboot Institution“ über 250 Rettungsboote, die fast alle nach dem Peakeschen Systeme gebaut sind.

Nach dem englischen Muster bildeten sich bald auch in den übrigen Ländern Rettungsgesellschaften; in Deutschland entstand die erste 1860. Hier haben besonders Bermpost und Kuglmay, später Breusing und Merk sich um das Rettungswesen große Verdienste erworben. 1865 wurde die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ (mit dem Sitze in Bremen) gegründet, und zur Zeit (1886) giebt es im ganzen an der deutschen Küste 100 Rettungsstationen, von denen 43 an der Nordsee liegen und 57 an der Ostsee. Unter diesen befinden sich 33 Doppelstationen, mit Rettungsboot und Raketenapparat ausgerüstet, 47 Bootsstationen und 20 Raketenstationen. Für die Anerkennung und den Anklang, den das hochherzige Unternehmen überall gefunden hat, sprechen die Tatsachen, daß zur Gesellschaft 57 Bezirksvereine und 217 Vertreterschaften gehören, sowie das stetige Wachstum an Mitgliederzahl und Einnahmen. Im Jahre 1865 zählte die Gesellschaft 3874 Mitglieder mit einer ordentlichen Jahreseinnahme von 14179 M. 25 Pf., 1875 bereits 26319 Mitglieder mit 94679 M. 52 Pf., am 1. Juni 1886 aber 45516 ordentliche Mitglieder mit 140055 M. Jahresbeiträgen. Die Zahl der außerordentlichen Mitglieder betrug zur gleichen Zeit 1728, und die Gesamtsumme der Jahreseinnahmen erreichte 217416 M. Die Gesamtzahl der geretteten Menschenleben beläuft sich auf 1578 oder auf einen jährlichen Durchschnitt von 77 Personen.

Obige Zahlen sind Erfolge, auf die wir mit Befriedigung blicken dürfen, die aber dazu aufmuntern sollen, daß sich noch immer weitere Kreise unseres Volkes an dem segensreichen Werke bethätigen. Die Zahl der Mitglieder macht jetzt kaum den hundertsten Teil der Einwohner Deutschlands aus, und es ist deshalb dringend zu wünschen, daß die Beteiligung eine noch regere werde, zumal der Jahresbeitrag nur die geringfügige Summe von M. 1,50 beträgt. Ein sehr erfreuliches Resultat haben die aller Orten aufgestellten Sammelbüchsen ergeben; sie brachten 1884/85 nicht weniger als 20000 M. auf, und ebenso ist hervorzuheben, daß sich nach dem Vorbilde anderer Länder,[S. 413] namentlich Englands auch die Legate zu mehren beginnen; einzelne derselben erreichen sogar eine beträchtliche Höhe. Selbst ein Franzose, Herr Emil Robin aus Paris, hat der deutschen Gesellschaft 10000 M. mit der Bestimmung überwiesen, die Zinsen dieser Gabe alljährlich demjenigen deutschen Kapitän in transatlantischer Fahrt auszuzahlen, welcher während des letzten Jahres die Mannschaft eines Schiffes irgend welcher Nationalität aus Lebensgefahr errettet hat. Auch den Seerettungsgesellschaften anderer Länder hat Robin ein gleich hohes Kapital zu demselben Zwecke übergeben.

Fig. 145. Rettungsboot mit Transportwagen.
(Aus Spemanns illustrierter Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“.)

Was die einzelnen Rettungsmittel betrifft, so sind die wichtigsten die Rettungsboote. Bei ihrer Konstruktion legte man, nach englischem Muster, ein wesentliches Gewicht auf Selbstentleerungs- und Selbstaufrichtungsfähigkeit; sie waren aus Holz gebaut. Da sie aber wegen ihrer Schwere und ihres Tiefganges sich für die flachen, sandigen Küsten Deutschlands weniger geeignet erwiesen haben, so gebraucht man jetzt andere von deutscher Konstruktion aus Eisenblech, mit Luftkasten vorn und hinten, sowie zu beiden Seiten. Füllen sie sich mit Wasser, so müssen sie freilich ausgeschöpft werden, auch fehlt ihnen die Selbstaufrichtungsfähigkeit; dagegen sind sie verhältnismäßig leicht, und die Luftkasten halten sie über Wasser.

Fig. 146. Raketenapparat.
(Aus Spemanns illustrierter Zeitschrift
„Vom Fels zum Meer“.)

Andere Auskunftsmittel in Fällen von Schiffsnot sind die Mörser- und Raketenapparate, mittels welcher Wurfleinen auf beträchtliche[S. 414] Entfernungen geschleudert werden können. Diese Leinen sind wahre „Rettungsfäden“; denn so dünn sie auch sein mögen, sie stellen die Verbindung zwischen der Küste und dem Wrack her, und wenn einmal die Wurfleine über das Schiff sich gelegt hat, so genügen einige rührige Hände, um der dünnen Leine ein starkes Seil, das an jene befestigt wird, folgen zu lassen. Ein solches Seil aber hat seine ausreichenden Rettungsvorrichtungen. Es läuft vom Schiff zum Festlande hinüber und wieder zurück, und jede Tour bringt ein gerettet Menschenleben. — Gewissermaßen die Vermittlung zwischen den Rettungsbooten und den Rettungsgeschossen bildet das Cordessche Handgewehr, da es dazu dient, in dem Falle, daß ein Rettungsboot wohl auszulaufen, aber der Wogen wegen nicht an das Wrack zu kommen vermag, die Verbindung zwischen diesem und dem Boot durch Hinüberschießen einer Leine herzustellen. Die Tragweite dieses Geschosses beträgt etwa 70 m. — Ein weiteres Rettungsmittel bilden die Rettungsringe. Sie sind aus großen Korkstücken zusammengesetzt und mit einem hellfarbigen Stoffe überzogen, so daß sie, den Sinkenden zugeworfen und auf dem Wasser schwimmend, weithin gesehen werden können. In Fällen, wie „Mann über Bord“, d. h. wenn jemand ins Meer gestürzt ist oder ein Boot umschlägt (kentert), sind diese Ringe das nächste Rettungsmittel, und das nicht bloß für Passagiere, sondern auch für Matrosen und Seeleute überhaupt, da, sonderbar genug, die letzteren bisher grundsätzlich nicht schwimmen lernten, weil dadurch, wie sie sagen, in vielen Fällen der Todeskampf in den Wellen nur verlängert werde. — Endlich ist noch der Korkjacken zu erwähnen. Dieselben sind aus einzelnen dicken, auf Segeltuch genähten Korkstücken zusammengesetzt und umschließen in einem Ringe von ziemlich großem Umfange die ganze Brust. Jede Korkjacke wird auf größte Tragfähigkeit geprüft. Die Jacke muß 10 kg Eisen 24 Stunden lang im Wasser tragen können und darf in dieser Zeit nicht über 500 g Wasser ziehen. Eine solche Korkjacke läßt erfahrungsmäßig auch den schwersten Mann, bekleidet mit dickem Wollenzeug[S. 415] und Seestiefeln, nicht untersinken, sondern trägt ihn 24 Stunden lang und länger mit den Schultern über Wasser. Die Mannschaften in den Rettungsbooten der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger müssen stets, sowohl auf Rettungs-, wie auch auf Übungsfahrten, mit Korkjacken bekleidet sein. Die deutschen Passagier-Dampfschiffe zwischen Hamburg oder Bremen und Amerika haben sowohl für jeden Mann der Besatzung, als auch für die volle möglicherweise anzunehmende Anzahl der Passagiere Korkjacken an Bord, was von großer Wichtigkeit ist. Es kommt z. B. öfter vor, daß, wenn ein Schiff strandet, von den über das Schiff brechenden Sturzseen einige „Mann“ der Besatzung über Bord gespült werden, bevor man ihnen vom Lande aus Hilfe leisten kann. Tragen die Fortgespülten Korkjacken, so ist es in der Regel der Fall, daß sie von den Wellen dem Strande zugetrieben und vom Lande aus durch zugeworfene Leinen dem Wassertode entrissen werden, wogegen sie sonst in der Regel rettungslos verloren sind.

Fig. 147. Rettungsleine mit Hosenboje.
(Aus Spemanns illustrierter Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“.)

Wir geben hier noch drei Rapporte wieder, welche von einzelnen Stationen an das Bureau der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger eingegangen sind, und welche mit schlichten Worten thatsächliche Vorkommnisse schildern.

Fig. 148. Korkjacke und Korkring.
(Aus Spemanns illustrierter Zeitschrift
„Vom Fels zum Meer“.)

1. Am 30. April 1882 wurde der deutsche Schooner „Henriette“, Kapitän Hansen, mit Kohlen von Warkworth nach Wyck auf Föhr bestimmt, in der Nähe der Insel Sylt von einem orkanartigen Sturm aus WSW. überfallen, welcher die See fortwährend hoch über das Schiff trieb und die Besatzung zwang, in die Masten zu flüchten. Da auch die Ladung überschoß und das Schiff auf die Seite legte, so befand sich die Besatzung in der größten Gefahr. Glücklicherweise wurde auf Sylt die Not des Schiffes rechtzeitig bemerkt und der Raketenapparat der Station Rantum sofort nach derjenigen Stelle gefahren, in deren Nähe das Schiff mutmaßlich stranden würde. Dies geschah auch bald darauf; gleich durch die erste Rakete wurde die Verbindung mit dem Lande hergestellt und die aus fünf Personen bestehende Besatzung mittels des Rettungskorbes gerettet.

2. Nach Aussage der Besatzung der deutschen Bark „Ceres“, Kapitän Bartels, hat dieses Schiff in der Nacht vom 17. auf den 18. November 1882 vor Zingst geankert, ist aber, in der Befürchtung, auf den Strand zu geraten, gegen drei Uhr unter Segel gegangen, hat dann später auf der Prerowbank heftig gestoßen, ist leck geworden und darauf ungefähr um[S. 416] 6½ Uhr auf dem Darserort-Riff gestrandet. Die furchtbare Brandung ging sofort über das Schiff hinweg und riß Boote, Schanzverkleidung u. s. w. von Bord; der Besanmast brach, der Hauptmast mußte, um das Kentern und Zerbrechen des Schiffes zu verhüten, gekappt werden, zwei Leute wurden über Bord gerissen, und die übrige Mannschaft mußte sich am Maststumpf etc. festbinden.

Um 7 Uhr erhielt die Rettungsstation Prerow Nachricht, und schon um 7½ Uhr fuhr das Rettungsboot „Graf Behr-Negendank“, mit sechs Pferden bespannt, aus dem Schuppen dem Strande zu und ging um 8 Uhr zwischen Prerow und Zingst in See. Bei der furchtbaren Brandung, den hohen Wellen und dem rasenden Strome erreichte es, nachdem es wiederholt vollgeschlagen worden, nach unsäglicher Anstrengung ungefähr um 12 Uhr das verunglückte Schiff. Über dasselbe rasten aber die Wellen förmlich hinweg, und Trümmer trieben auf der Leeseite daneben, so daß es dem Rettungsboote unmöglich war, sich an das Schiff zu legen. Es mußte also so nahe wie irgend thunlich vor Anker gehen. Das Rettungswerk geschah nun in der Weise, daß jeweils ein Mann sich an die dem Wrack zugeworfene Leine befestigte, dann von dem bereits glatt rasierten Verdeck in die Brandung sprang und darauf ins Boot gezogen wurde. Als nun auf diese Weise sechs Mann in anderthalbstündiger schwerer Arbeit mit größter Lebensgefahr vom Rettungsboote aufgenommen waren, erfuhr die Bootsbesatzung, daß der Kapitän allein noch in der Kajüte sei, welche er vorhin auf Bitten und Zureden sowohl des Steuermanns als auch der Leute nicht habe verlassen wollen, vielleicht auch nicht habe verlassen können. Da derselbe trotz Rufens auch jetzt noch nicht zum Vorschein kam, vom Rettungsboote es aber unmöglich war, an Bord zu kommen, auch das Boot sich nicht mehr aufhalten konnte, da die See noch wilder wurde und letzteres immer wieder vollschlug, so mußte man den Kapitän leider zurücklassen. Auch die Rückfahrt war mit größter Gefahr verknüpft; jedoch erreichte das Boot gegen 2 Uhr glücklich das Ufer, seine Besatzung freilich total durchnäßt und entkräftet, die Schiffbrüchigen in einem traurigen Zustande; keiner konnte mehr gehen, und der Koch starb bald nach der Ankunft, wogegen die übrigen sich bald erholten. Alsbald nachdem nun bekannt wurde, daß der Kapitän noch an Bord sei, versuchten acht kühne und gewandte Männer noch einmal an das Wrack zu kommen; aber bevor sie dasselbe erreichen konnten, wurde es vollständig zertrümmert. Bald war nichts mehr von dem Schiffe zu sehen als die Trümmer, die ans Ufer trieben, so daß bestimmt anzunehmen ist, daß der Kapitän in den Wellen sein Grab gefunden.

3. Am 3. Dezember 1882, circa 5½ Uhr nachmittags, sah man vom zweiten Elbleuchtschiff „Kaspar“ einen Schooner auf Scharhörn auf Grund kommen und Notsignale machen, worauf das Rettungsboot sofort fertig gemacht wurde. Da es mittlerweile aber Hochwasser geworden war, so konnte[S. 417] man wegen des herrschenden schweren Schneesturmes aus Südost erst um 11½ Uhr nachts mit der kommenden Flut abfahren; man hatte aber in der Zwischenzeit Raketen steigen lassen, um den Schiffbrüchigen anzuzeigen, daß Hilfe geleistet würde. Nachdem das Rettungsboot um 1½ Uhr nachts die Unglücksstelle erreicht hatte, war das Boot, Bootsgerät und selbst die Mannschaft von einer dicken Eiskruste umgeben, so daß es erst nach sehr schwerer und gefährlicher Arbeit gelang, die aus fünf Mann bestehende Besatzung im Rettungsboot aufzunehmen. Um 3½ Uhr morgens wurde das Leuchtschiff erreicht, woselbst die Insassen des Rettungsbootes, des furchtbaren Seeganges halber, einzeln mit einem Tau übergeholt werden mußten, eine gefährliche und mühevolle Arbeit, so daß das Rettungsboot, welches eher einem Eisklumpen als einem Boote ähnlich sah, erst um 5¾ Uhr wieder auf Seite geholt werden konnte. Das verunglückte Schiff war der deutsche Schooner „Geskea“, Kapitän Sielmann, von Danzig nach Harburg bestimmt.

Wenn nun auch schon schöne Erfolge im Gebiete des See-Rettungswesens errungen worden sind, so ist doch noch nicht genug geschehen. Unsere Küsten sind noch nicht genügend mit Hilfsmitteln ausgerüstet; noch stehen uns andere Länder im Rettungswesen voran, und das ist die Ursache, daß noch so mancher Schiffbrüchige, der gerettet werden könnte, sein Grab in der Tiefe findet.

„Wenn der Orkan durch die Straßen heult und die Gebäude in ihren Grundfesten erschüttert, wenn die Wolken, am düstern Himmel dahinjagend, Regen und Schlossen herniederpeitschen, dann fühlt sich der Landbewohner behaglich und glücklich im warmen Zimmer und empfindet wohlthuend den Gegensatz zwischen dem Sturm draußen und dem Frieden des Hauses. Möge er dann nicht vergessen, wie der Orkan die Meereswogen zu gigantischer Höhe türmt, Schiffe entmastet und sie steuerlos der Küste zutreibt, über deren Riffe sich die Brandung donnernd wälzt und ihren Gischt himmelan sprüht! Möge er sich dann erinnern, für wie viele seiner Mitmenschen sich in solchem Sturme ein nasses Grab öffnet! Möge er aus dem Brausen des Windes stets die Mahnung heraushören: Gedenket eurer Brüder zur See!“[211]


Achtes Kapitel.
Die bedeutendsten Dampfschiffahrts-Gesellschaften der Erde.

Der Erfolg der ersten oceanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft, welche durch Stephan Cunard 1840 gegründet und von der englischen Regierung subventioniert wurde, regte allenthalben die Idee an, Dampferlinien ins Leben zu rufen. Zunächst freilich stellten sich der Entwicklung der überseeischen Dampfschiffahrt noch mancherlei Hindernisse und Schwierigkeiten ent[S. 418]gegen, trotzdem aber bildeten sich in verhältnismäßig kurzer Zeit zahlreiche Dampfschiffahrts-Gesellschaften, die für einen regelmäßigen Verkehr zwischen den Haupthandelshäfen der Welt sorgten. In Europa sind die bedeutendsten derselben, nach Ländern geordnet, folgende:

I. Deutsches Reich.

In Deutschland stehen unter den Dampfschiffahrts-Gesellschaften obenan der Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft. Beide Gesellschaften unterhalten vorzugsweise den Verkehr mit Amerika.

Der Norddeutsche Lloyd[212] wurde am 20. Februar 1857 durch den vielverdienten Konsul H. H. Meier in Bremen gegründet und gelangte allmählich zu solcher Blüte, daß er nun das erste und bedeutendste See-Institut Deutschlands ist[213]. Die Gesellschaft, welche anfänglich nur über vier Schiffe verfügte, besaß Ende 1885 eine Flotte von 40 Seedampfern mit rund 100000 t (genau 103466 t). Die gesamte Flotte des Norddeutschen Lloyd hatte im gleichen Jahr (ohne die Schleppkähne) einen Brutto-Raumgehalt von 106838 t und einschließlich der Schleppkähne mit 11501 Registertonnen 118339 t. Der Anschaffungswert der Schiffe betrug im ganzen 69½ Mill. M.

[S. 419]

Größe und Preis der acht Schnelldampfer
des Norddeutschen Lloyd.
Name des
Dampfers.
Brutto-
Tonnengehtalt.
Totalpreis
in Mark.
Elbe 4510 3150000
Werra 4815 3600000
Fulda 4814 3830000
Eider 4719 3770000
Ems 4728 3710000
Aller 5380
Trave
Saale

An Bequemlichkeit der Passagierräume, an Sauberkeit und Reinlichkeit, an Behaglichkeit und luxuriöser Ausstattung der Salons, an Vorzüglichkeit und Reichhaltigkeit des Tisches stehen die Lloyddampfer, wie uns bereits früher die Betrachtung der „Ems“ dargethan, unerreicht da. Jedem Schiffe ist auch ein Arzt beigegeben.

Ebenso vereinigen die Dampfer alle Fortschritte im Bau der Schiffsmaschinen und Motoren.

Gegen Unglücksfälle ist jede denkbare Fürsorge zur Rettung getroffen. Jeder Dampfer ist mit 8–10 Rettungsbooten versehen; letztere führen Wasservorrat, Kompaß und Ruder. Die Mannschaft ist in der Bedienung der Boote besonders eingeübt, und die zu jedem Boote gehörenden Leute sind im voraus bestimmt. Unter dem Kopfende der Matratze findet jeder Passagier einen Rettungsgürtel aus Kork. Zur Sicherung gegen Feuersgefahr bestehen strenge Verordnungen, die auch unnachsichtig durchgeführt werden. In der That sind denn auch in der Zeit von 1858–1881 im oceanischen Verkehr, obwohl in diesem Zeitraum 1761 oceanische Rundreisen gemacht und in diesem Verkehr 967582 Passagiere befördert wurden, nur vier Strandungen vorgekommen, und nur eine derselben war von Menschenverlust begleitet.

An Bord eines jeden Schiffes befindet sich auch eine Reserveschraube (das Gewicht einer solchen schwankt zwischen 11000–16000 Pfd.), sowie überhaupt für alle beweglichen Teile der Maschinen Reservestücke.

Die Zuverlässigkeit der Bemannung wird verbürgt durch die menschenfreundliche Fürsorge, welche die Gesellschaft selbst für ihre Bediensteten bekundet. Im ganzen befinden sich auf der Flotte des Lloyd 3600 Seeleute, in seinen Werkstätten und Bureaus etwa 2000 Arbeiter und Beamte.

Für die Beliebtheit des Lloyd und für das allgemeine Vertrauen zu seinen zuverlässigen und schnellen Fahrten spricht wohl am meisten der Umstand, daß, obwohl er an den höchsten Fahrpreisen hält, dennoch während der Saison seine Schiffe in der Regel 2–3 Monate im voraus bis auf den letzten Platz besetzt sind.

Der gesamte Passagier- und Güterverkehr auf den transatlantischen Linien stellte sich in den Jahren 1884 und 1885 folgendermaßen:

[S. 420]

An Personen wurden befördert:

Fahrten. 1885 1884
ausgehend. einkommend. ausgehend. einkommend.
New-Yorker
 Fahrt
77394 30780  74130 26634
Baltimore-Fahrt  7473  2009  30322  2867
Galveston-Fahrt   582    38    915    29
Südamerikanische
 Fahrt
 5252  1086   3088  1014
  90701 33913 108455 30544
  124614 138999

An Gütern wurden befördert:

nach 1885 1884
New-York 114486 cbm  99480 cbm
Baltimore   9094  14530
Galveston    307    169
südamerikanischen
 Häfen
 74073  82892
  197960 cbm 197071 cbm

Die Zahl der Reisen betrug im Jahre 1885 nach New-York 105 (1884: 95), nach Baltimore nur 19 (1884: 44).

Der Kohlenverbrauch der Dampfer des Lloyd belief sich 1881 auf 164000 t à 1000 kg[214].

Wie groß der Verbrauch an Nahrungsmitteln auf den Lloyddampfern im Jahre 1881 gewesen, erhellt aus folgenden Angaben. Es wurden konsumiert:

Fleisch 1840000 Pfund,
Fische, frische   37500
Geflügel   31600 Stück,
Kartoffeln   34500 Ctnr.,
Käse   30900 Pfund,
Melis-Zucker  105300
Milch, kondensierte   70600 Büchsen,
Roggenbrot  418500
Schnittäpfel   36300
Sauerkohl  201500
Schinken    3350 Stück,
Thee    7850 Pfund,
Wurst   12200
Wild     250 Stück,
Weizenzwieback und
Cakes
 216100 Pfund.
u. s. w.

[S. 421]

Der Verbrauch an Getränken betrug u. a.:

Champagner 1⁄1 Flaschen   4500,
1⁄2   3000,
Medoc 1⁄1  60000,
St. Julien 1⁄1  42000,
Geisenheimer 1⁄1   6600,
Cognac 1⁄1   5000,
Rum 1⁄1   5000,
Genever 1⁄1  11000,
Culmbacher Bier ½  44000,
Lagerbier 1⁄1 530000,
Bayerisch-Bier, Schoppen 250000,
Selterswasser 1⁄1 Flaschen  40000,
Apollinaris 1⁄1     15000[215].

Neuestens ist dem Norddeutschen Lloyd der subventionierte Postdampferdienst des Deutschen Reichs zur Vermittlung des Verkehrs mit Ostasien (mit Anschlußlinie nach Korea und Japan) und mit Australien (mit Anschlußlinie nach den Samoa-Inseln) unter Errichtung einer Zweiglinie von Triest über Brindisi nach Alexandrien seitens der deutschen Regierung übertragen worden. Für diese Linien wurden sechs neue Dampfer eingestellt, von denen drei für die ostasiatische und die australische Hauptlinie und drei für die ostasiatische und australische Anschlußlinie bestimmt sind. Sämtliche Schiffe wurden bei der Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft „Vulkan“ in Bredow bei Stettin gebaut. Die für die Hauptlinien bestimmten Dampfer „Preußen“, „Sachsen“ und „Bayern“ haben eine Tragfähigkeit von 3600 t, sowie eine Geschwindigkeit von 14 Knoten. Die Dampfer der Anschlußlinien, „Stettin“, „Lübeck“ und „Danzig“, besitzen eine Tragfähigkeit von 1550 t und eine Geschwindigkeit von 12½ Knoten. Sämtliche sechs Dampfer sind außerdem mit allen für die Fahrt in den Tropen erforderlichen und empfehlenswerten Einrichtungen versehen, sowie mit dem größten Komfort für die Passagiere ausgestattet, so daß sie in ihrer Konstruktion und Einrichtung den auf denselben Linien laufenden Postdampfern anderer Nationen nicht nur nicht nachstehen, sondern dieselben übertreffen. Auch die älteren Dampfer, welche in die neuen Linien eingestellt wurden, sind durch Dampfsteuerung, elektrische Beleuchtung, Eismaschinen neuester Konstruktion, vorzügliche Ventilation u. s. w. aufs sorgfältigste für die Tropenfahrt eingerichtet.

Einschließlich dieser sechs neuen Dampfer sowie der drei neuen Schnelldampfer für die transatlantische Route („Aller“, „Trave“, „Saale“), erreicht der Brutto-Raumgehalt der Dampfer der Gesellschaft rund 150000 t, so daß der Norddeutsche Lloyd, abgesehen von der englischen[S. 422] Peninsular and Oriental Steam Navigation Company und der französischen Gesellschaft Messageries Maritimes unter allen Dampfergesellschaften der Erde die erste Stelle einnimmt.

Die Hamburg-Amerik. Paketfahrt-Aktiengesellschaft[216] verdankt ebenso wie der Bremer Lloyd ihre Entstehung der Energie einiger Kaufleute.

Die Herren Adolf Godeffroy, Ernst Merck und F. Laeisz waren es, welche, von der Einsicht durchdrungen, daß die in Hamburg vorhandenen Verkehrsmittel zur Verbindung mit den Vereinigten Staaten von Amerika dem rasch wachsenden Personen- und Warenverkehr dahin nicht mehr genügten, am 7. Mai 1847 die Hamburg-Amerikanische-Paketfahrt-Aktiengesellschaft ins Leben riefen.

Bescheiden anfangend, eröffneten sie mit drei Segelschiffen eine regelmäßige monatliche Paketschiffahrt nach New-York. Bald aber erwies sich die Segelschiffahrt allein als unzureichend, und so reifte im Jahre 1854 der Entschluß, die Fahrt auch mit Dampfschiffen zu betreiben. Am 1. Juni 1856 erfolgte die Eröffnung der ersten deutschen transatlantischen Dampfschiffsverbindung. 1885 besaß die Gesellschaft bereits 23 Schiffe mit einem Brutto-Raumgehalt von 61213 t. Der Gesamtwert der Schiffe betrug 1885 16,19 Mill. M. Der größte Dampfer der Gesellschaft ist die „Hammonia“ mit 4247 Brutto-Tonnen[217]. 1885 wurden von den Schiffen der Gesellschaft auf der Route Hamburg-New-York 77 und auf der westindisch-mejikanischen Route 46 Doppelreisen ausgeführt[218].

Andere bedeutende Dampfschiffahrts-Gesellschaften Deutschlands sind:

Die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrts-Gesellschaft; ihre Dampfer laufen über Lissabon nach Bahia oder Pernambuco und Rio de Janeiro, sowie nach Montevideo und Buenos Aires.

Der Kosmos in Hamburg; er befährt den fast 11000 Seemeilen langen Seepostkurs Hamburg-Callao.

Die Deutsche Dampfschiffsreederei in Hamburg; ihre Hauptroute ist Hamburg-Suez-Hongkong-Yokohama.

Die Australia-Sloman-Linie (Aktiengesellschaft); sie verkehrt nach Australien via Suez.

Die Dampfschiffsreederei Hansa; sie unterhält eine Verbindung mit Canada.

Die Afrikanische Dampfschiffs-Aktiengesellschaft (Woermann-Linie); ihre Dampfer gehen nach Westafrika.

[S. 423]

Die größeren deutschen Dampfschiffahrt-Gesellschaften
nach Zahl und Tonnengehalt der Schiffe[219].
Dampfschiffahrts-Gesellschaften. Zahl der
Schiffe.
Brutto-
Tonnengehalt.
Norddeutscher Lloyd 57 106838
Hamburg-Amerikan. Paketfahrt-Aktiengesellschaft 23  61213
Hamburg-Südamerik. Dampfschiffahrts-Gesellsch. 16  32070
Kosmos 12  19300
Deutsche Dampfschiffsreederei 11  17289
Australia-Sloman-Linie 6  10825
Hansa 4   6031
Afrikanische Dampfschiffs-Aktiengesellschaft 5   5469

II. England.

Die bedeutendste der englischen Gesellschaften und aller Dampfschiffahrts-Gesellschaften überhaupt ist die Peninsular and Oriental Steam Navigation Company, gewöhnlich nur kurz mit P. a. O. St. N. C. bezeichnet[220]. Ihre Dampfer besorgen die Verbindung mit den Mittelmeergebieten, besonders aber durch den Kanal von Suez mit Süd- und Ostasien und Australien. Die Anfänge dieses Unternehmens reichen bis ins Jahr 1837 zurück. Damals wurde die englisch-indische Post, welche bis dahin den langwierigen, 13600 Seemeilen messenden Weg um das Kap der guten Hoffnung genommen hatte, nach der Landenge von Suez instradiert und der direkte Segelschiffskurs von Falmouth nach Gibraltar und weiter nach Alexandria ins Leben gerufen. In Suez übernahmen dann die Dampfer der ostindischen Kompagnie die Post und beförderten dieselbe nach Bombay. Da aber die Segelschiffe von Falmouth nach Gibraltar und weiter nach Alexandria eine sehr bedeutende Fahrdauer beanspruchten, ersetzte man sie durch Dampfschiffe, und so entstand 1840 die P. a. O. St. N. C. Ihren Namen erhielt sie davon, daß sie in ihrem Dienste die Iberische Halbinsel (Halbinsel lat. peninsula) berührte und die orientalische Post besorgte.

Dieses Unternehmen hat im Laufe der Jahre einen wahrhaft großartigen, in der gesamten modernen Schiffahrt unerhörten Aufschwung genommen. Die Gesellschaft besaß Ende 1885 52 Dampfer mit einem Brutto-[S. 424]Raumgehalt von 177381 t. Was die Größe der Schiffe betrifft, so haben nur zwei Dampfer über 5000 Brutto-Tonnen; dagegen haben 13 Schiffe mehr als 4000, 18 zwischen 3000–4000 und 19 zwischen 1835 und 2984 Brutto-Tonnen.

Die Ausgaben für den Schiffahrtsbetrieb, also für Kohlen, Fracht, Schiffs- und Maschinenmaterialien, Hafen- und Leuchtfeuer-Abgaben, Lootsengelder, Schlepplohn und verschiedene Schiffsunkosten, Gagen und Heuer an Kapitäne, Offiziere und Mannschaften, Provisionen für die Schiffsbesatzungen und Passagiere betrugen 1885: 1215085 Pfd. St. (= 24⅓ Mill. M.). Der bedeutendste Posten unter diesen Ausgaben entfällt auf Kohlen- und Kohlentransport (300000–400000 Pfd. St., also 6–8 Mill. M.).

Aus den Einnahmen sind vor allem die Passage- und Frachtgelder hervorzuheben; die Passagiergelder betrugen 1885: 808188 Pfd. St. (= 16163760 M.); die Frachtgelder im gleichen Jahre: 1109592 Pfd. St. (= 22191840 M.). Hierzu kommen noch Postsubsidien (1885) mit 465944 Pfd. St.

An Dividende und Superdividende wurden den Aktionären 1885 7% bezahlt (1884: 6%).

Der Wert der Schiffe belief sich 1885 auf 2517603 Pfd. St. (= 50352060 M.). Die Kohlenvorräte hatten einen Wert von 62669 Pfd. St. (= 1253380 M.); die Docks, der Grund- und Gebäudebesitz aller Art 269798 Pfd. St. (= 5395960 M.).

Das Handbook of Information, das die Peninsular and Oriental Steam Navigation Company jeden Monat ausgiebt, enthält eine Menge für den Versender und Passagier wissenswerter Details. Es sei beispielsweise nur auf die Rundreisebillets zu ermäßigten Preisen für Touren nach Indien, Australien und um die Erde verwiesen.

Nach Asien und Australien verkehren von englischen Dampfschiffahrts-Gesellschaften außerdem noch die British India Steam Navigation Company und die Orient Steam Navigation Company.

Englische Gesellschaften, welche die Verbindung mit Afrika unterhalten, sind: Die Castle Mail Packets Company (Colonial Mail Line), die Union Steamship Company, die British and African Steam Navigation Company und die African Steamship Company.

Die bedeutendsten der nach Nordamerika verkehrenden englischen Linien sind: Die Cunard-, Guion-, Anchor-, Dominion-, White Star-, National- und Inman-Linie.

Mit Central- und Südamerika vermitteln die Verbindung die Dampfer der Royal Mail Steam Packet Company und der Pacific Steam Navigation Company.

[S. 425]

Die größeren englischen Dampfschiffahrt-Gesellschaften
nach Zahl und Tonnengehalt der Schiffe[221].
Dampfschiffahrts-Gesellschaften. Zahl der
Schiffe.
Brutto-
Tonnengehalt.
Peninsular and Oriental Steam Navigation Company 52 177381
British India Steam Navigation Company 69 133096
Henderson Bros. (Anchor Line) 39 113825
Wilson T. Sons & Company 67  95474
Cunard Steamship Company 29  90775
Pacific Steam Navigation Company 38  86328
Allan J. & A. 26  80764
Leith, Hull and Hamburg Steam Packet Company 49  79357
Liverpool, Brazil and River Plate Steam Navigation Company 39  71917
Cayzer Irvine & Company 25  68236
Royal Mail Packet Company 24  60288
National Steamship Company 13  57837
Ocean Steamship Company 33  57835
Oceanic Steam Navigation Company (White Star Line) 14  55115
Union Steamship Company 17  47981
British and African Steam Navigation Company 24  32912
Orient Steam Navigation Company  6  26379
African Steamship Company 12  19831

III. Frankreich.

Die zwei hervorragendsten französischen Dampfschiffahrts-Gesellschaften sind die Compagnie générale transatlantique und die Messageries Maritimes.

Die Compagnie générale transatlantique besorgt den Verkehr mit Amerika und teilweise auch im Mittelmeer. Ihre Dampfer, 65 an der Zahl, laufen aus von St. Nazaire an der Mündung der Loire und von Havre. Der Brutto-Raumgehalt derselben beträgt, abgesehen von den drei Dampfern „Gascogne“, „La Bourgogne“ und „La Champagne“, für welche das Universal Register for 1886 Angaben nicht enthält, 118597 t. Einschließlich dieser, von welchen jeder nach den in dem Jahresbericht der Gesellschaft vom 28. April 1884 enthaltenen Angaben einen Brutto-Raum[S. 426]gehalt von 6800 t, eine Länge von 150 m, eine Breite von 15,70 m und eine Tiefe von 11,70 m hat, beziehungsweise erhält, beziffert sich der Brutto-Raumgehalt der Flotte auf 138997 t (rund 140000 t).

Die Kurse der Messageries Maritimes umfassen das ganze Mittelmeer, dann Süd- und Ostasien und Australien mit Neu-Caledonien. Hierzu kommt noch eine Linie nach Südamerika (Buenos-Aires). Der Ausgangshafen der Dampfer ist Marseille. Die Zahl derselben beträgt 58, deren Brutto-Raumgehalt 151151 t[222].

IV. Die Niederlande.

Die wichtigste Gesellschaft der Niederlande ist die Stoomvaart Maatschappij Nederland, deren neun Dampfer einen Brutto-Raumgehalt von 26206 t haben[223]. Sie unterhält die Verbindung mit den Kolonieen im Indischen Archipel.

V. Österreich-Ungarn.

Das größte österreichische See-Institut ist der Österreichisch-Ungarische Lloyd[224]. Die Gründung desselben ging aus der Initiative der Triester Versicherungsgesellschaften hervor, die nach dem Vorbilde der gleichnamigen Institutionen in London und Triest sich die Aufgabe stellten, einen Organismus zu schaffen, der den Kaufleuten und Versicherern die genauesten Nachrichten über Handel und Schiffahrt der Hauptplätze Europas und der Levante vermitteln sollte. Bald jedoch trat zu dieser ursprünglichen Aufgabe eine zweite, nämlich die Errichtung von regelmäßigen Dampferlinien zwischen den österreichischen Häfen einerseits und den Ionischen Inseln, Griechenland, dem Archipel, Konstantinopel, Smyrna und Syrien andererseits; am 2. August 1836 erfolgte die Konstituierung des Unternehmens mit einem Gründungskapital von 1 Mill. Gulden. Das Unternehmen machte gleich anfangs mächtige Fortschritte, und schon nach Ablauf des ersten Decenniums seiner Thätigkeit war das Kapital desselben auf 3,15 Mill. Gulden, die Zahl der Dampfschiffe von 7 auf 20, die durchlaufene Meilenzahl von 43652 auf 334495, die Zahl der Reisenden von 7967 auf 104091, der Betrag der beförderten Gelder von 4,13 auf[S. 427] 33,418 Mill. Gulden und das Gewicht der beförderten Güter von 5383 auf 133769 Metercentner herangewachsen. Seitdem hat der Österreichisch-Ungarische Lloyd sich in großartiger Weise entwickelt. Am Ende des Jahres 1885 schloß die Gesellschaft ab mit einem Kapitalfond von 19½ Mill. Gulden und einer Flotte von 84 Dampfern (mit einem derzeitigen Werte von über 16 Mill. Gulden). Die durchlaufene Meilenzahl ist auf 1752519, die Zahl der Reisenden auf 380129, das Gewicht der expedierten Waren auf über 6 Mill. Metercentner und der Betrag der beförderten Gelder auf 108½ Mill. Gulden gestiegen. — Der Brutto-Raumgehalt der Flotte betrug Ende 1885 119787 t, die Zahl der 1885 gemachten Reisen 1687. — Den regsten Verkehr unterhält die Gesellschaft mit der Levante, doch besteht auch eine Linie nach Ostasien.

VI. Italien.

Das großartigste Schiffahrtsunternehmen Italiens ist die Allgemeine italienische Dampfschiffahrts-Gesellschaft (Navigazione generale italiana). Dieselbe ist hervorgegangen aus der vor kurzem erfolgten Verschmelzung der bisher selbständigen Gesellschaften R. Rubattino & Compagnia und Florio & Compagnia. — Raffaele Rubattino († 1881) eröffnete 1850 mit äußerst bescheidenen Mitteln die von ihm geleitete Reederei-Gesellschaft. Die Staatsregierung gewährte aber der Gesellschaft alsbald bedeutende Subventionen und setzte dieselbe dadurch in den Stand, ihre Flotte zu vergrößern und der Handelsmarine Italiens die heutige achtunggebietende Stellung zu erringen. Rubattino machte es sich zunächst zur Aufgabe, der italienischen Flagge im Mittelmeere Geltung zu verschaffen, dann aber auch außerhalb desselben; er schuf infolge der erheblichen Chancen, welche die Eröffnung der Gotthardbahn der Wiederbelebung des Handels von Genua bot, die Dampferlinien Genua-Bombay und Genua-Singapore. Hand in Hand damit ging die Erwerbung der Bai Assab im Roten Meere, wodurch der Grund zu der daselbst bestehenden italienischen Kolonie gelegt wurde.

Dem Namen Rubattino steht der Name des Reeders Vincenzo Florio würdig zur Seite. Florios Gesellschaft verlegte den Schauplatz ihrer Thätigkeit mehr in die östliche Hälfte des Mittelmeeres und trat hier mit dem Österreichisch-Ungarischen Lloyd in Wettbewerb.

Die Allgemeine italienische Dampfschiffahrts-Gesellschaft verfügt jetzt über eine Flotte von 102 Dampfern mit 145609 Brutto-Tonnen[225]. Der Wert derselben stellt sich auf mehr als 63 Mill. Lire[226].

[S. 428]

VII. Sonstige europäische Staaten.

Von den Dampfschiffahrts-Gesellschaften der übrigen europäischen Staaten seien noch folgende erwähnt:

Die Compania trasatlantica zu Cadiz mit 261, die Russische Dampfschiffahrts- und Handelsgesellschaft zu St. Petersburg mit 80 und die Vereinigte Dampfschiffahrts-Gesellschaft zu Kopenhagen mit 81 Schiffen[227].

VIII. Vereinigte Staaten von Amerika[228].

Obwohl die Ocean-Dampfschiffahrt, wie die Dampfschiffahrt überhaupt in den Vereinigten Staaten von Amerika ihre Wiege gehabt hat, so ist dieselbe doch später von den Vereinigten Staaten hinsichtlich der Errichtung eigener transoceanischer Schnelldampferlinien nicht in dem Maße weiter ausgebildet worden, wie an sich hatte erwartet werden dürfen. Der Grund hiervon dürfte darin liegen, daß von England von vornherein und dann auch von Deutschland und Frankreich für vollkommen ausreichende Verbindungen mit Nordamerika Sorge getragen wurde. Die Vereinigten Staaten von Amerika konnten sich unter diesen Umständen in der Hauptsache darauf beschränken, die zahlreichen Verbindungen Europas, welche nach Nordamerika liefen, sowie auch die von Europa nach anderen Ländern ausgehenden Linien ihren eigenen Zwecken dienstbar zu machen. Es geschah dies in einer für die Staatsinteressen fast zu weitgehenden Weise; denn lange Zeit hindurch besaßen die Vereinigten Staaten nicht einmal eine direkte Postdampfer-Verbindung nach Südamerika. Die nach Südamerika bestimmten Waren und Posten Nordamerikas nahmen den Weg über Europa, kreuzten also den Ocean zweimal, um ihren Bestimmungsort zu erreichen.

Zur Zeit verfügen die Vereinigten Staaten von Amerika über eigene direkte Dampferlinien nach Mejico, Centralamerika, Südamerika, Japan und China. An der Spitze der betreffenden Unternehmungen steht die Pacific Mail Steamship Company (45313 Brutto-Tonnen) mit dem Sitze zu New-York; sie verkehrt nach Japan und China.

Weitere Dampfschiffahrts-Unternehmungen sind:

a) die New-York Havanna and Mejican Mail Steamship Company, welche alle 10 Tage eine Verbindung zwischen New-York über Havanna, Progreso, Campêche und Frontera nach Veracruz unterhält.

b) die Reederei-Gesellschaft Macheco Brothers, welche von New-Orleans eine dreiwöchentlich einmalige Verbindung über Tampico[S. 429] (Mejico), Puerto Cortez (Honduras), Truxillo (Honduras) und Livingstone (Guatemala) nach Belize (Britisch Honduras) unterhält;

c) die United States and Brazil Steamship Company, welche für ihre Fahrten von New-York nach Pará eine Zeitlang eine Subvention von 37500 Dollars bezog;

d) die Occidental and Oriental Steamship Company, welche ihre Dampfer, wie die Pacific Mail Company, monatlich einmal von San Francisco über Jokohama nach Hongkong laufen läßt — diese Gesellschaft ist mit der Pacific Mail Steamship Company neuerdings zu einem Unternehmen verschmolzen — und

e) die Oceanic Steamship Company, welche monatlich zwei Hin- und Rückfahrten zwischen San Francisco und Honolulu mit ihren Dampfern verrichtet.

Stand der zehn größten Dampfschiffahrts-Gesellschaften der Erde Ende 1885[229]

(geordnet nach dem Brutto-Raumgehalt der Dampfer).

Name der Gesellschaft. Sitz der
Gesellschaft.
Zahl
der
Schiffe.
Brutto-
tonnen-
gehalt.
Peninsular and Oriental Steam Navig. Comp. London  52 177381   
Messageries Maritimes Marseille  58 151151   
Navigazione gener. ital. Rom 102 145609   
British India Steam Navigation Company London  69 133096   
Österr.-Ungar. Lloyd Triest  84 119787   
Comp. génér. transatl. Paris  65 118597[231]
Henderson Bros. (Anchor Line) Glasgow  39 113825   
Norddeutscher Lloyd Bremen  57 106838[233]
Wilson T. Sons & Comp. Hull  67  95474   
Cunard Steamsh. Comp. Liverpool  29  90775   
Name der Gesellschaft. Größtes Schiff.
Name. Brutto-
tonnen-
gehalt.
Netto-
tonnen-
gehalt.
Länge Breite Tiefe
in englischen Fuß.
Peninsular and Oriental Steam Navig. Comp. Rome 5013 2558 430,1 44,4 33,5
Messageries Maritimes Océanien 4039 2965 416,7 41,7 30,9
Navigazione gener. ital. Raffaele
Rubattino
4538 3023 399,3 44  31,4
British India Steam Navigation Company Goorkha 4104 2660 390  42,2 21,6
Österr.-Ungar. Lloyd Poseidon[230] 3874 2510 386  42,6 34 
Comp. génér. transatl. Normandie[232] 6083 3326 459,3 49,2 37,4
Henderson Bros. (Anchor Line) City of Rome 8144 3453 560,7 52,3 37 
Norddeutscher Lloyd Aller 5380 2779 455  48,2 34,7
Wilson T. Sons & Comp. Martello 3709 2409 370  43,1 28,4
Cunard Steamsh. Comp. Umbria 7718 3268 501,6 57,2 38,2

[S. 430]

IX. China und Japan.

Die bedeutendsten Gesellschaften dieser Länder sind: die China Merchants Steam Navigation Company in Shanghai und Nippon-Yusen-Kaisha in Hiogo (Japan). Erstere besitzt 21, letztere 54 Schiffe.

X. Australien.

Eine hervorragende Gesellschaft dieses Kontinents ist die Union Steamship Company of New Zealand in Dunedin (Neu-Seeland); sie verfügt über 30 Schiffe.

Übersicht über die Verkehrsbewegung einiger Dampfschiffahrts-Gesellschaften im Jahre 1883[234].

Es beförderte Personen. Güter in
Tonnen à
1000 kg.
Bargeld Gesamt-
leistung in
Seemeilen.
die Compagnie générale transatlantique 334532 712176
die Compagnie der Messageries Maritimes 108988 393420 127 Mill. Frcs.  573818
der Österreich-Ungar. Lloyd 289847 538276 118 Mill. Guld. 1675560
der Norddeutsche Lloyd 132590 167294 1500000
die Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktiengesellsch.  67295 212282 7½ Mill. M.

Erträgnisse einiger Dampfschiffahrts-Gesellschaften[235].

Dampfschffahrts-Gesellschaften. 1880 1881 1882 1883 1884 1885
Procente.
Norddeutscher Lloyd 5  12  5 10   6½  5 
Hamburg-Amerikan. Paketfahrt-Aktiengesellsch. 10  12  9  4 
Kosmos (Hamburg) 11⅔ 16 20  9⅓ 10 
Peninsular and Oriental Steam Navigation Comp.  7  6 
Messageries Maritimes  7   7  6  6   5  5 
Compagnie générale transatlantique  7  7  8 
Österreichisch-Ungarischer Lloyd  5   62⁄7

Fig. 149. Linien zwischen Europa und Asien.


GRÖSSERE BILDANSICHT


[S. 431]

Neuntes Kapitel.
Übersicht über die hauptsächlichsten überseeischen Dampfschiffverbindungen Europas[236].

A. Linien zwischen Europa und Asien (Süd- und Ostasien).

1. Über Suez.

a. Deutsche Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld
in Mark.
Eigentümer
I. Kl. II. Kl. III. Kl.
Bremerhaven Shanghai 11083 48 ab Bremen
Nord-
deutscher
Lloyd.
(Triest-)
 Brindisi
32 1750 1000  440

Zweiglinie: Hongkong-Japan-Hongkong.

Von Oktober bis März dauert die Fahrt von Aden nach Shanghai 2–3 Tage länger wegen der Nordost-Monsune. Von April bis September dauert die Fahrt von Shanghai nach Aden 3–5 Tage länger wegen der Südwest-Monsune.

Hamburg Shanghai 10974   54    —  1200  —  Deutsche Dampf-
schiffsreederei.
Yokohama 11755   62    —  1200  — 

b. Englische Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld
in Mark.
Eigentümer
I. Kl. II. Kl.
London Bombay 6274 27 ab Brindisi
Peninsular and
Oriental Steam Navi-
gation Company.
Brindisi 15 1260  640
Brindisi Shanghai 36 1660  900
Zweiglinien: Colombo-Calcutta und Hongkong-Yokohama.
London Calcutta 40 British India Steam
Navigation Company.
London Bombay
über Kurrachee.
42
Liverpool Calcutta City Line

c. Französische Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld
in Franken.
Eigentümer
I. Kl. III. Kl.
Marseille Shanghai 9030 41 2075 830 Messageries
Maritimes.
Zweiglinien: Colombo-Calcutta, Singapore-Batavia, Hongkong-Yokohama.

[S. 432]

d. Österreichische Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld
in österr. Guld.
Eigentümer
I. Kl. II. Kl.
Triest Hongkong
über Bombay.
8345 51 730 440 Österr.-Ungarischer
Lloyd.
Triest Hongkong 7921 46
Zweiglinie: Colombo-Calcutta.
e. Italienische Linien.
    ab Genua
    Navigazione
generale italiana.
Genua Bombay 4557 19
f. Spanische Linie.
Barcelona Manila 7697 37
g. Niederländische Linien.
Marseille Batavia 6868 31 Gesellschaft
„Nederland“.
Rotterdam Soerabaya Rotterdamsche
Lloyd.
2. Über New-York und San Francisco.
Von nach Entfernung
in Seemeilen.
Fahrzeit
in Tagen.
Personen-
geld in
Dollars.
Eigentümer.
      von San Francisco
Von San Francisco mit
Schiffen der amerikanischen
Gesellschaften Pacific Mail
Steamship Company und
Occidental and Oriental
Steam Navigation Company.
Queenstown Yokohama 4750 21 250
Hongkong 6370 30 300

B. Linien zwischen Europa und Afrika.

1. Zwischen Europa und der Westküste von Afrika.

a. Deutsche Linie.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld
in Mark.
Eigentümer
I. Kl. II. Kl.
Hamburg Loanda 5868 53 Afrik. Dampfschiffs-
Aktiengesell.
(Woermann-Linie).
b. Englische Linien.
Liverpool Lagos African Steamship Comp.
und British and African
Steam Navigation Comp.
Liverpool Loanda 52
c. Französische Linie.
Bordeaux Dakar  9 Messageries Maritimes.
d. Portugiesische Linie.
Lissabon Mossamedes 5250 31 Empresa Nacional.

[S. 433]

2. Zwischen Europa und Kapstadt-Natal.

Englische Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld
in Mark.
Eigentümer
I. Kl. II. Kl.
        von London
 
Plymouth Kapstadt 5951 20 735 315 Union Steam-
ship Comp.
Natal 6796 25
Dartmouth Kapstadt 20 882 378 Colonial Mail
Line.
Natal 24

Beide Linien zweigen auch nach St. Helena ab und haben Anschluß von dort nach Ascension; ebenso zweigt eine Linie von Natal nach Mauritius ab.

3. Zwischen Europa und der Ostküste von Afrika.

Englische Linien.

An der Ostküste verkehren in Fortsetzung der Route Dartmouth-Natal die Dampfer der Colonial Mail Line von Natal nach Mozambique und von Aden nach Mozambique in Fortsetzung der Route Brindisi-Aden, welche die Peninsular and Oriental Steam Navigation Company befährt, die Dampfer der British India Steam Navigation Company.

Dartmouth-Mozambique 41 Tage, Brindisi-Zanzibar 21 Tage,
Brindisi-Natal 48 Brindisi-Mozambique 30

Schiffe der Messageries Maritimes gehen von Marseille über die Seychellen und Réunion nach Mauritius.

Entfernung von Marseille nach Mauritius 5433 Seemeilen; Fahrzeit 22 Tage.

C. Linien zwischen Europa und Australien.

1. Über Suez.

a. Deutsche Linien.

Von nach Entfernung
in Seemeilen.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld in Mark. Eigentümer.
I. Kl. II. Kl. III. Kl.
Bremerhaven Sydney 12368 54 ab Bremen
Norddeutscher
Lloyd.
(Triest-)
 Brindisi
38 1350 800 250
Zweiglinie: Sydney-Samoa-Sydney.

b. Englische Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in
Tagen.
Personengeld
in Mark.
Eigentümer.
I. Kl. II. Kl.
Brindisi Sydney
über Colombo.
 9668 41 1300 700 Peninsular and Oriental
Steam Navigation Company.
London Sydney 12029 49 Orient and Pacific Steam
Navigation Company.
London Brisbane
über Batavia.
12311 57 British India Steam
Navigation Company.

[S. 434]

Fig. 150. Linien zwischen Europa und Afrika. (Zu S. 432.)


GRÖSSERE BILDANSICHT

c. Französische Linie.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in
Tagen.
Personengeld. Eigentümer.
I. Kl. II. Kl.
Marseille Sydney
über Mauritius.
10783 45 Messageries Maritimes.
2. Über Kapstadt.
Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahrzeit
in
Tagen.
Personengeld. Eigentümer.
I. Kl. II. Kl.
Plymouth Auckland 13694 45 New Zealand
Shipping Company.

[S. 435]

Fig. 151. Linien zwischen Europa und Australien.


GRÖSSERE BILDANSICHT

3. Über New-York und San Francisco.
Von nach Entfernung
in Seemeilen.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld. Eigentümer.
I. Kl. II. Kl.
Liverpool Sydney ab S. Franc.
7331
ab Liverpool.
41
Von S. Francisco bis Honolulu:
Oceanic Steamship Comp.;
von da: Union Steamship
Comp. of New Zealand.

[S. 436]

D. Linien zwischen Europa und Amerika.

1. Zwischen Europa und Nordamerika.

Fig. 152. Linien zwischen Europa und Nordamerika.


GRÖSSERE BILDANSICHT

I. Nach New-York.

a. Deutsche Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahr-
zeit in
Tagen.
Personengeld in Mark. Eigentümer.
I. Kl. II. Kl. Deck.
Hamburg New-York 3675 12 250 100 Hamburg-Amerikan.
Paketfahrt-Aktienges.
Bremerhaven New-York 3565 9–10 350–500 250 120 Norddeutscher
Lloyd
mit Schnellschiffen.
225 110
mit gewöhnl. Schiffen.

[S. 437]

b. Englische Linien.

Von nach Entfernung
in Seemeilen.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld. Eigentümer.
        in Pfd. St.  
Liverpool New-York 3028  9 12–26 Inman Line.
Liverpool New-York 3028  9 12–26 White Star Line.
Liverpool New-York 3028  9 12–26 Cunard Line.
Liverpool New-York 3028 Guion Line.
Glasgow New-York Anchor Line.
c. Französische Linie.
Havre New-York 3130  9 in Franken.
500–125
Compagnie
générale
transatlantique.
d. Niederländische Linie.
Amsterdam New-York Niederländisch-
Amerik. Dampf-
schiffgesell-
schaft.
Rotterdam
e. Belgische Linie.
Antwerpen New-York 12 in Mark.
100–380
Red Star Line.

II. Nach anderen Plätzen.

a. Deutsche Linien.

Von nach Entfernung
in Seemeilen.
Fahrzeit
in Tagen.
Personengeld. Eigentümer.
        in Mark.  
Bremerhaven Baltimore 3879 14 100–250 Norddeutscher
Lloyd.
Bremerhaven Galveston 140–500
b. Englische Linien.
Liverpool Quebec in Pfd.St.
12,12–18,18
Allan u.
Dominion Line.
Liverpool Halifax 12,12–18,18 Allan Line.
Liverpool Boston 14 12,12–26   Cunard Line.
Liverpool Philadelphia 15 18,18 u. 12,12
c. Belgische Linie.
Antwerpen Philadelphia 15 in Mark.
100–380
Red Star Line.
2. Zwischen Europa und Südamerika (Brasilien, La Plata, Chile, Peru).

a. Deutsche Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahr-
zeit in
Tagen.
Personengeld
in Mark.
Eigentümer.
I. Kl. II. Kl. III. Kl.
Hamburg Callao 10962 65 1200 750 360   Kosmos.
durch die Magellanstraße.              
Hamburg Buenos-Aires  6630 30  600 240 Hamburg-Süd-
amerikan. Dampf-
schiffahrts-Gesell.
  Bis Rio de Janeiro  5585 26  510 195
Hamburg Santos 5775 29
Bremerhaven Buenos-Aires  6745 33 760 Norddeutscher
Lloyd.
  Bis Rio de Janeiro  5850 31 500
Bremerhaven Santos 6040 39

[S. 438]

Fig. 153. Linien zwischen Europa und Südamerika.


GRÖSSERE BILDANSICHT

b. Englische Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahr-
zeit in
Tagen.
Personengeld
in Pfd. St.
Eigentümer.
I. Kl. II. Kl. III. Kl.
Liverpool Callao 11061 49 75 50 25 Pacific Steam Navi-
gation Company.
Southampton Buenos-Aires 26 35 20 Royal Mail Steam
Packet Company.
Southampton Buenos-Aires Lamport & Holt.
Liverpool Buenos-Aires
Liverpool Ceara Booth Steamsh. Com-
pany u. Red Croß Line.

[S. 439]

c. Französische Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahr-
zeit in
Tagen.
Personengeld
in Francs.
Eigentümer.
I. Kl. II. Kl. III. Kl.
Bordeaux Buenos-Aires 6194 26 1000 700 300   Messageries Maritimes.
Marseille Buenos-Aires 6176 24 Société génér. des
transports marit.
Havre Santos Chargeurs réunis.
Havre Buenos-Aires
d. Italienische Linien.
Genua Buenos-Aires 6207 23   La Veloce.
Genua Buenos-Aires 6192 22 Navigazione gene-
rale italiana.
e. Belgische Linie.
Antwerpen Buenos-Aires 6400 31   Lamport & Holt
in Liverpool.

Fig. 154. Linien zwischen Europa einerseits und Mittelamerika Westindien andererseits.


GRÖSSERE BILDANSICHT

3. Zwischen Europa einerseits und Mittelamerika und Westindien andererseits.

a. Deutsche Linien.

Von nach Entfer-
nung in
Seemeil.
Fahr-
zeit in
Tagen.
Personengeld
in Mark.
Eigentümer
II. Kl.
Hamburg Colon
über St. Thomas.
5580 30 210 für
Zwischendeck.
  Hamburg-Amerik.
Paketfahrt-Aktien-
gesellschaft.
Hamburg Colon
über Kap Haiti.
5690 29
Hamburg Tampico 6145 30
Hamburg Cartagena 5660 34
b. Englische Linien.
        Personengeld
in Pfd. St.
   
Liverpool Colon
über Barbados.
5097 27 28 West-India and
Pacific Steamship
Co. u. Harrison Line.
Liverpool Colon
direkt.
Liverpool Veracruz
Southampton Savanilla Royal Mail Steam
Packet Company.
Southampton Greytown
Zweiglinien der Royal Mail Steam Packet Company:
a. Barbados-St. Thomas, b. Barbados-Demerara,
c. Barbados-Trinidad-La-Guayra; ferner Jamaica-Veracruz.
c. Französische Linien.
St. Nazaire Colon 4926 21   Compagnie générale
transatlantique.
Havre Colon
St. Nazaire Veracruz 5597 24
Zweiglinien: St. Thomas-Cayenne, St. Thomas-Kingston.
[S. 440] d. Spanische Linien.
Cadiz Havana  
Santander Havana  
e. Niederländische Linie.
Amsterdam La Guayra  

Anschlüsse in Colon (Panama).

(Zwischen Colon und Panama Eisenbahnverbindung; 47 englische Meilen in 3–4 Stunden, 25 Doll.)

1. Panama-Callao-Valparaiso (Pacific Mail Packet Service). Fahrtdauer von Panama nach Valparaiso: 24 Tage (3077 Seemeilen).

2. Panama-San Francisco (Pacific Mail Steamship Company). 3241 Seemeilen in 17 Tagen.

Aus diesem Überblick über die wichtigsten Dampferlinien ergiebt sich zunächst, daß das dichteste Netz von Schiffskursen das atlantische Becken aufweist und hier vor allem wieder die Wasserräume des nordwestlichen Europa. Von dort gehen, wie v. Schweiger-Lerchenfeld sagt, die Dampferrouten wie Strahlenbündel von einem Brennpunkte — dem Ärmelkanal und der Nordsee — aus. Dicht aneinandergedrängt liegen dort die bedeutendsten Seehandelsplätze an den englischen, französischen, holländischen und deutschen Küsten. Und die ausschwärmenden Linien, welche das nord- und südatlantische Becken in dichten Reihen durchfurchen, streben fast allesamt nach den Küsten des neuen Erdteils hinüber, wo eine andere Reihe bedeutsamer Hafenplätze die Maschen dieses Verkehrsnetzes schließen hilft. Wenn wir über die kulturellen Verhältnisse der amerikanischen Gebiete auch gänzlich ununterrichtet wären: jenes Liniennetz müßte uns sofort über die größere oder geringere Bedeutung derselben aufklären.

An dem transatlantischen Dampferverkehr sind dermalen etwa 30 Dampfer-Gesellschaften beteiligt mit rund 1000 Dampfern.

Die wenigsten Dampferkurse entfallen auf den pacifischen Ocean. Zwischen Südamerika und Australien besteht nicht eine einzige Linie, zwischen San Francisco und Ostasien nur zwei, zwischen San Francisco und Australien vollends nur eine. Freilich wird sich das mit Vollendung des Panama-Kanals wesentlich ändern.

Am zweitdichtesten ist das Netz der Dampferkurse im Mittelmeerbecken. Die große Zahl von Schiffslinien wird hier indes nicht allein durch den Verkehr der Mittelmeerländer veranlaßt; denn seit Eröffnung der Suezpassage nehmen auch die Schiffe nach Ostafrika, Süd- und Ostasien, dem hinterindischen Archipel und Australien ihren Kurs über das Mittelmeer.

[S. 441]

Der Indische Ocean steht infolge des großen Produktenreichtums seiner Gebiete hinsichtlich der Dichtigkeit der Schiffahrtslinien an dritter Stelle.

Den dunkeln Erdteil umschwärmen im Westen und Osten nur einige wenige Linien.

Prüft man die oben angeführten Schiffahrtslinien hinsichtlich der Länge des Weges, so stehen in dieser Beziehung obenan die australischen Routen, und zwar unter diesen wieder die von der New Zealand Shipping Company befahrene Route Plymouth-Auckland mit 13694 Seemeilen; es ist dies die größte von ein und demselben Schiffe im Weltverkehr zurückzulegende Entfernung; es folgen die Linien Bremerhaven-Sydney mit 12368 Seemeilen, London-Brisbane mit 12311 und Marseille-Numea (Neu-Caledonien) [Messageries Maritimes] mit 11841 Seemeilen. — Den australischen Linien reihen sich an jene nach dem südamerikanischen Westen und Ostasien. Es beträgt z. B. die Entfernung zwischen Hamburg-Callao 10962, zwischen Liverpool-Callao 11061 Seemeilen; ferner die Entfernung zwischen London-Shanghai 10669, zwischen London-Yokohama 11591, zwischen Bremerhaven-Shanghai 11083 und zwischen Marseille-Yokohama 9853 Seemeilen. — Auf 5000–8000 Seemeilen beläuft sich die Entfernung auf den Linien nach Vorderindien, der südamerikanischen Ostküste, nach Mittelamerika, dann West- und Südafrika; so z. B. zwischen London-Calcutta auf 8083, zwischen London-Bombay auf 6274, zwischen Bremerhaven-Buenos-Aires auf 6745, zwischen Hamburg-Colon auf 5580, zwischen Hamburg-Tampico auf 6145, zwischen Lissabon-Mossamedes auf 5250 und zwischen Plymouth-Kapstadt auf 5951 Seemeilen. — Zu den kürzesten überseeischen Routen zählen jene nach den Vereinigten Staaten von Amerika (Bremerhaven-New-York 3565, Hamburg-New-York 3675 Seemeilen).

Vergleicht man die verschiedenen Schiffahrtskurse nach der Zeitdauer, die sie beanspruchen, so erfordert die längste Zeit die Linie Hamburg-Callao (65 Tage). — Nach Australien und Ostasien währt die Fahrt von Brindisi aus ca. 32–40 Tage. — Die Häfen der südamerikanischen Ostküste (Rio de Janeiro, Montevideo, Buenos-Aires), sowie jene von Mittelamerika (Colon, Veracruz) erreicht man von Hamburg und Bremerhaven in ca. 30 Tagen. — Nach Südafrika (Kapstadt) gelangt man von England aus in 20 Tagen, in der gleichen Zeit (21 Tagen) auch von Brindisi nach Zanzibar, nach Ober- und Nieder-Guinea dagegen sowohl von England wie auch von Deutschland aus erst in ca. 32–53 Tagen. — Nach den vorderindischen Häfen Bombay und Calcutta beträgt die Fahrtdauer von Brindisi aus nur 15, bezw. 26 Tage. — Zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten verkehrt man in 9–12 Tagen.

[S. 442]

Stellen wir endlich auch noch die Preise für die verschiedenen Seefahrten ab deutschen Häfen zusammen, so ergiebt sich folgendes Resultat:

Von nach Personengeld
in Mark.
Eigentümer.
I. Kaj. Zwischend.
Hamburg New-York 250 100 Hamburg-Amerikan. Paket-
fahrt-Aktiengesellschaft.
Bremerhaven New-York 350–500 100   Norddeutscher Lloyd.
Hamburg Colon od.
Veracruz
210 Hamburg-Amerikan. Paket-
fahrt-Aktiengesellschaft.
Hamburg Buenos-Aires 600 240 Hamburg-Südamerikanische
Dampfschiffahrts-Gesellschaft.
Bremerhaven Buenos-Aires 760   Norddeutscher Lloyd.
Hamburg Callao 1200 360   Kosmos.
Bremerhaven Sydney 1350 250 Norddeutscher Lloyd.
Bremerhaven Shanghai 1750 440

Über die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Dampferlinien urteilt der vielgereiste Heinrich Semler also[237]:

Was die englischen Dampfer betrifft, so haben die Zwischendeckspassagiere gerechten Grund zur Klage einerseits über die schlechte Verpflegung, andererseits über die rohe Behandlung seitens des Schiffsvolks. Die Beköstigung ist in den Zwischendecken geradezu erbärmlicher Art. Was in dieser Hinsicht geboten wird, sind klebrige Hafergrütze, ungeschälte Kartoffeln und schlechtes Fleisch. Außerdem wird eine widerliche schwarze Brühe verabreicht, die morgens Kaffee und abends Thee genannt wird. — Das Benehmen der Schiffsmannschaft gegen die Passagiere, namentlich gegen solche, die nicht englisch sprechen, ist häufig empörend. „Ich habe gesehen,“ sagt Semler, „daß Seekranke im buchstäblichen Sinne des Wortes aus ihren Kojen geprügelt wurden, weil sie nicht aufstehen wollten, als gereinigt werden sollte. Die Roheit und Ungeschliffenheit des englischen Schiffsvolks, vom Kapitän bis zum Schiffsjungen herab, ist übrigens sprichwörtlich.“ Bezeichnend für die Behandlung der Zwischendeckspassagiere auf englischen Dampfern ist u. a. auch dies, daß sie auf Deck durch ein Seil von den Kajütenpassagieren getrennt werden. Mag das Zwischendeck überfüllt, mag die Kajüte nur spärlich besetzt sein, gleichviel, die Passagiere des erstern werden durch ein Seil eingepfercht, das ein Matrose zu überwachen hat.

Aber auch für deutsche Kajütenpassagiere empfehlen sich, wo immer thunlich, die englischen Dampfer nicht. Die Speisen in der Kajüte sind zwar vortrefflich, aber eben nach englischen Begriffen, nicht nach deutschen. So verlangt unser nationaler Geschmack eine gute Suppe; die Engländer ver[S. 443]stehen aber eine solche nicht zu bereiten. Das Gemüse kochen sie nur halb gar, und vollends als eine Strafe muß es betrachtet werden, englischen Kaffee trinken zu müssen. — Eine weitere Schattenseite der englischen Dampfer besteht darin, daß der Obersteward nicht dem Befehl des Kapitäns unterstellt ist; er verfährt ganz als Selbstherrscher an Bord, und vollständig nutzlos ist es, beim Kapitän Beschwerde zu führen.

Die französischen Dampfer sind in einigen Beziehungen besser als die englischen. Die Küche ist vorzüglich und das Schiffsvolk höflich.

Volles Lob verdienen nur die deutschen Linien. Wiederholt haben Passagiere, welche den Ocean unter verschiedenen Flaggen gekreuzt, es ausgesprochen, daß sie nur mit deutschen Dampfern fortan eine atlantische Seefahrt machen werden. Semler berichtet von englischen Kaufleuten, die jährlich nach New-York zu reisen haben, daß sie, trotzdem selbe eifrige Patrioten sind, jedesmal in Southampton auf einem deutschen Dampfer sich einschiffen.

Die Schiffe des Österreichischen Lloyd sind nicht ganz das, was sie sein sollen. Die konkurrierenden englischen und französischen Dampfer sind reinlicher, komfortabler und führen eine bessere Küche.

Die italienischen Dampfer dürften reinlicher gehalten sein; ihre Küche verdient die Bezeichnung „mager“.

Die spanischen Dampfer wimmeln in der Regel von Ungeziefer, und wer den Steward darauf aufmerksam macht, erhält die Antwort, daß er solches an Bord gebracht haben müsse, da man nie zuvor davon geplagt worden sei. Die Küche läßt viel zu wünschen übrig.

Die amerikanischen Seedampfer endlich stehen an Eleganz, Reinlichkeit und Verpflegung den viel gerühmten Flußdampfern der Union wesentlich nach.

Was die Befähigung der verschiedenen Nationen für den Seedienst betrifft, so sind nach dem Zeugnisse vieler erfahrener Reisenden jene, welche der deutschen Nordseeküste entstammen, die besten Seefahrer der Welt. Intelligent in ihrem Fache, kaltblütig in der höchsten Gefahr und gehorsam den Befehlen der Vorgesetzten — so stehen sie unerreicht da. — Ihnen zunächst kommen die Norweger, die ihnen ebenbürtig sein würden, wenn sie weniger dem Trunke frönten. Selbstverständlich kann auch die seemännische Befähigung der Engländer nicht geleugnet werden; aber während der deutsche Seemann in der Gefahr nüchtern bleibt und nur an seine Pflicht denkt, trinkt sich der englische Matrose in der Stunde der Gefahr Mut an, er flucht und schilt und ist geneigt, den Gehorsam zu verweigern. Auch die französischen Seeleute sind nicht so zuverlässig, wie die nordischen Germanen, und ebensowenig sind in dieser Beziehung die Italiener zu loben, jene an der Riviera ausgenommen; die Spanier vollends sind als Seevolk nur mehr der Schatten ihrer Vorfahren.

[S. 444]

Über die körperliche Leistungsfähigkeit der verschiedenen Seemannschaften gestattet ein häufig wiederholter und jeden Einwand ausschließender Versuch ein unmittelbares Urteil. Wenn nämlich in demselben Hafen Kriegsschiffe verschiedener Flaggen längere Zeit zusammen liegen, so daß sich außer gewissen dienstlichen, von alters her üblichen Beziehungen auch ein freundschaftlicher Verkehr herausbildet, dann werden oft großartige Bootswettfahrten nach gegenseitiger Verabredung veranstaltet — einzig dastehende internationale Wettkämpfe, bei welchen der Eifer durch das Nationalgefühl aufs äußerste gesteigert wird. Nach diesen Versuchen nun gebührt der Preis der höchsten körperlichen Tüchtigkeit dem deutschen Matrosen[238].


Zehntes Kapitel.
Die Dampfschiffahrt im Dienste der Weltpost[239].

Seit Cunards Dampfer „Britannia“ im Jahre 1840 die Fahrt von Liverpool nach Boston in 14 Tagen 8 Stunden zurückgelegt hatte, war auch die Unentbehrlichkeit der Dampfschiffe für den Postverkehr entschieden.

Nach dem Stande vom 1. Juli 1886 beträgt die Zahl sämtlicher überseeischer Dampferlinien im Weltpostverkehr 147. Hiervon entfallen auf Asien 27, auf Afrika 32, auf Amerika 50 (Nordamerika 10, Mittelamerika und Westindien 26, Südamerika 14), auf Australien 9, auf Griechenland und die Türkei (Levante) 29 Linien.

Die Zahl der sämtlichen überseeischen deutschen Postdampferlinien beläuft sich auf 21. Hiervon berühren:

Asien 3, und zwar: Bremerhaven-Shanghai und Hongkong-Japan-Hongkong (Norddeutscher Lloyd); Hamburg-Yokohama (Deutsche Dampfschiffsreederei).

Afrika 2, und zwar: Triest-Brindisi-Alexandria (Norddeutscher Lloyd); Hamburg-Loanda (Afrikanische Dampfschiffs-Aktiengesellschaft).

Amerika 14. Nordamerika 3, und zwar: Bremerhaven-New-York und Bremerhaven-Baltimore (Norddeutscher Lloyd); Hamburg-New-York (Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktiengesellschaft). Mittelamerika und Westindien 6, und zwar: Hamburg-Veracruz-Tampico, Hamburg-St. Thomas-Colon, St. Thomas-Haiti, Hamburg-Cartagena, St. Thomas-San Domingo-Haiti und Hamburg-Haiti-Colon (Hamburg-Amerikanische[S. 445] Paketfahrt-Aktiengesellschaft). Südamerika 5, und zwar: Hamburg-Santos und Hamburg-Buenos-Aires (Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktiengesellschaft); Hamburg-Callao (Kosmos); Bremerhaven-Santos und Bremerhaven-Buenos-Aires (Norddeutscher Lloyd).

Australien 2, und zwar: Bremerhaven-Sydney und Sydney-Samoa-Sydney (Norddeutscher Lloyd).

Von den verbleibenden 126 Linien treffen auf:

England 35 (Asien 5, Afrika 9, Amerika 15, Australien 6), Frankreich 35 (Asien 7, Afrika 13, Amerika 8, Australien 1, Griechenland und Türkei 6), Österreich 16 (Asien 3, Afrika 1, Griechenland und Türkei 12), Italien 12 (Asien 2, Afrika 4, Amerika 2, Griechenland und Türkei 4), Spanien 4 (Asien 1, Afrika 1, Amerika 2), Rußland 4 (Griechenland und Türkei), Niederlande 3 (Asien 2, Amerika 1), Portugal 2 (Afrika), Belgien 1 (Amerika), Griechenland 1 (Griechenland und Türkei), Amerika 8 (Asien 1, Amerika 7), Ägypten 3 (Asien 1, Griechenland und Türkei 2), Japan 2 (Asien).

Diese kostspieligen Unternehmungen sind in finanzieller Beziehung in erster Linie allerdings auf die Einnahmen aus dem Personen- und Güterverkehr angewiesen, immerhin aber ist ihre Lebensfähigkeit zu nicht geringem Teil von ihren Beziehungen zu den Postverwaltungen und von den Bewegungen im Weltpostverkehr abhängig. Es betragen z. B. die Subventionen für Beförderung der überseeischen Posten jährlich

in Frankreich über 20  Mill. M.,  
Großbritannien 15   
Italien rund  7   
Österreich-Ungarn  4   
Japan  1   
Belgien etwa   ¾  
den Niederlanden   ¼  
den Verein. Staaten Amerikas 1882/83 fast  1,2 [240]
Mejico über  2   

Die Aufwendungen Deutschlands für die Leistungen der deutschen Schiffsunternehmungen im überseeischen Postbeförderungsdienst betrugen bisher nur 330000 M. jährlich. Von nun an sind aber zur Unterhaltung von regelmäßigen Postdampfschiffsverbindungen zwischen Deutschland einerseits und Ostasien und Australien andererseits per Jahr 4,4 Millionen M. ausgesetzt. Von besonderem Interesse hierbei ist, daß gegen die Geschwindigkeit der deutschen Dampfer auf diesen Linien, welche, wie schon erwähnt, an den Norddeutschen Lloyd vergeben wurden, alle bisherigen Dampfschiffsverbindungen nach Ostasien und Australien zurückbleiben. Beispielsweise[S. 446] beträgt die Fahrzeit der englischen Dampfer nach Ostasien auf der Strecke von Suez nach Hongkong 28¼ Tage, der französischen 28 Tage, der deutschen nur 24½ Tage. Auf der australischen Linie wird die Strecke von Suez nach Melbourne von den englischen Dampfern in 34 Tagen, von den französischen in 35 Tagen, von den deutschen in 32 Tagen zurückgelegt. Wer demnach von Europa aus eine Reise nach Ostasien oder Australien in kürzester Zeit und zugleich auf die angenehmste Weise (siehe S. 443) ausführen will, wird sich künftig deutscher Dampfer bedienen müssen. So hat der Herzenswunsch des hochverdienten Schöpfers des Norddeutschen Lloyd, H. H. Meiers, die Engländer auf ihrem eigenen Felde zu schlagen, vollauf Erfüllung gefunden.

Durch ihre häufigen und regelmäßigen Fahrten haben die Ocean-Postdampfer in ungeahntem Verhältnisse zur Entwicklung und Hebung des Welthandels beigetragen. Ihrem Einflusse ist es hauptsächlich zuzuschreiben, wenn der Wert des Welthandels von 31 Milliarden Mark im Jahre 1862 auf 67 Milliarden Mark im Jahre 1883 (wovon 36 Milliarden auf die Einfuhr, 31 Milliarden auf die Ausfuhr kommen) gestiegen ist. Diese mächtige Einwirkung der überseeischen Postdampfschiffslinien auf die Vermehrung der Umsätze im Weltverkehr, im besondern auf die Hebung des Exports und Imports jener Länder, in welchen diese Linien entspringen, ist von mehr als einer Seite anerkannt worden, und hierin liegt, abgesehen von der schnellen und prompten Beförderung der Post, ihre große nationale Bedeutung.

Zum Beleg dieser behaupteten Thatsache sei nur folgendes angeführt[241]:

Der von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Prüfung der Handelsverhältnisse und Handelsverbindungen mit Südamerika Ende der 70er Jahre beauftragte Abgesandte berichtete:

„Es ist unzweifelhaft, daß die Einrichtung regelmäßiger, durch die Regierung unterstützter Postdampfschiffsverbindungen der Vorläufer gewesen ist des kommerziellen Übergewichts von Großbritannien auf den großen Handelsplätzen Central- und Südamerikas zu beiden Seiten. Es steht nicht weniger fest, daß die Bemühungen anderer Nationen, nämlich Deutschlands, Frankreichs und Italiens, an diesem nutzbringenden Verkehr Anteil zu nehmen, in dem Verhältnisse von Erfolg begleitet gewesen sind, als sie regelmäßige Postdampfschiffsverbindungen nach denjenigen verschiedenen Märkten einführten, mit welchen sie Handelsverbindungen anknüpfen wollten.“

Bei Beratung des neuen französischen Gesetzes wegen Subventionierung von Postdampfschiffslinien nach New-York, nach den Antillen und nach Mejico kamen vor der französischen Deputiertenkammer folgende Ziffern über die Wirkung subventionierter Linien zur Sprache:

[S. 447]

„Vor Errichtung der subventionierten Dampferlinie von Bordeaux nach Brasilien, Argentinien und Uruguay hat der französische Handel mit diesen drei Ländern nur 200 Millionen Franken betragen, während er sich nachher um 237 Prozent gehoben hat, also um 475 Millionen Franken gestiegen ist. Vor Einrichtung des Postdienstes nach Indien und China (1860) hat der ganze Handel Frankreichs mit Hinterasien 97 Millionen Franken nicht überstiegen. Im Jahre 1879 erreichte derselbe die Höhe von fast 400 Millionen Franken, und Lyon war in Europa (an Stelle von London) der Hauptmarkt für chinesische und japanesische Seide geworden.“

In neuester Zeit hat sich der französische Postminister Cochery in einem Bericht an den Präsidenten Grévy über die Ergebnisse, welche Frankreich durch die den überseeischen Dampferlinien gewährten Zuschüsse erzielt hat, wie folgt ausgesprochen:

„Wir sind nicht mehr auf die Notwendigkeit hingewiesen, die kostspielige Hilfe fremder Postdampfer für die Beförderung unserer Korrespondenz nach Australien in Anspruch zu nehmen. Dieses reiche Land ist in direkte Verbindung mit unseren Häfen getreten. Unserem Handel und unserer Industrie sind auf diese Weise neue Absatzgebiete erschlossen worden. Die wichtigen Resultate, welche die australische Linie für unsern Handel bereits erzielt hat, und welche dieselbe in noch erhöhtem Maße in Zukunft ergeben wird, rechtfertigen überreichlich die Opfer, welche die französischen Kammern für ihre Einrichtung in so bereitwilliger Weise gebracht haben. Die subventionierten überseeischen Dampferlinien tragen in der That zur Entwicklung des Handels bei. Um sich hiervon zu überzeugen, genügt es, auf die Thatsache hinzuweisen, daß, sobald eine subventionierte Dampferlinie die direkte Verbindung zwischen Frankreich und einem überseeischen Lande herstellt, alsbald der französische Handel mit dem betreffenden Lande größere Proportionen annimmt. Man hat dies in Indien und China, am La Plata, in Brasilien, in den Antillen, in Mejico und Nordamerika gesehen. Diese Verbindungen kosten uns jährlich im Budget etwa 27 Millionen. Aber man kann dreist behaupten, daß diese Summe verschwindend gering ist im Vergleich zu den Vorteilen, welche unser Handel und unsere Industrie aus ihr ziehen. Selbst der Staatsschatz verliert hierdurch nichts. Seine Einnahmen steigern sich im gleichen Verhältnis.“

In welch hohem Grade die direkten Postdampferverbindungen zur Entwicklung des Handels eines Landes beitragen, wird endlich deutlich illustriert durch den Österreichisch-Ungarischen Lloyd sowohl, als auch durch die von Genua mit Asien unterhaltene italienische Linie. Beide fingen im Jahre 1870 an, mit kleinen Dampfern nach Bombay zu fahren, zuerst etwas unregelmäßig, weshalb die Erfolge schleppend waren. Kaum aber waren pünktliche große Dampfer auf der Linie eingeführt, als auch der Verkehr sich in einem Maße entwickelte, wie besonders die Italiener nicht im entferntesten geahnt hatten.[S. 448] Durch die Postdampfschiffslinien wurden neue große Industrieen in Italien ins Leben gerufen. Es haben sich neue Spinnereien in Oberitalien gebildet, man hat Ölmühlen eingerichtet und andere Großindustrien, so daß durch die wachsenden Bezüge die Zahl der Dampfer allein von Bombay nach Genua während der Hauptsaison schon bis auf zehn in einem Monat gestiegen ist.

Auch die Herstellung der deutschen Postdampferlinien nach Ostasien und Australien wird dazu beitragen, die Art und den Grad der Beteiligung Deutschlands am Welthandel und Weltverkehr wesentlich zu heben.

In diesem Zusammenhange wird wohl auch am besten der „indischen Überlandpost“ gedacht.

Die „gewöhnliche“ indische Überlandpost geht an jedem Freitag abends von London (über Calais, Paris, Mâcon, Mont-Cenis, Turin, Bologna, Brindisi) ab und endigt auf der ostindischen Halbinsel, Bombay und Ceylon berührend, in Calcutta. An jedem zweiten Freitag wird die „große“ Überlandpost befördert, die Indian and Australian Mail, die ihren Weg noch weiter nimmt, bis nach Ostasien und Australien. Die Zahl der Postsäcke beträgt oft gegen 800, die natürlich weitaus englischen Ursprungs sind. Im Jahre 1883 umfaßte die gesamte indische Überlandpost auf dem Wege über Brindisi 51593 geschlossene Postsäcke; hiervon entfielen 40329 Postsäcke auf die Richtung aus Europa nach Indien, 11264 auf die Richtung aus Indien nach Europa. Von den ersteren rührten von England her 33185 Stück, von den letzteren waren für England bestimmt 8732 Stück. Die Zahl der geschlossenen Säcke aus, beziehungsweise nach Deutschland belief sich auf 775. Das Gewicht der englisch-indischen Posten betrug im Jahre 1883: 842448 kg. Zur Beförderung der Poststücke der indischen Überlandpost müssen vielfach Extrazüge auf italienischem Gebiete eingelegt werden, im Jahre 1883: 180[242].

Wenn nun auch der überseeische Postverkehr dermalen eine so hohe Ausbildung erfahren hat, so giebt es trotzdem selbst heute noch Orte, die verhältnismäßig selten vom Postverkehr berührt werden. Auf Reykjavik, dem Hauptorte von Island, kommt z. B. die Post nur zehnmal im Jahre an; Ochotsk hat nur einmal per Monat und der Peter-Pauls-Hafen auf Kamtschatka vollends nur einmal per Jahr Postverbindung mit der übrigen Welt.


[S. 449]

Elftes Kapitel.
Schiffahrtsstatistik.

1. Entwicklung der Handelsmarine der Erde seit 1820[243].

Jahr. Tausende von Register-Tonnen. Effekt. Trag-
fähigkeit der
Dampfer in
Prozenten
Segler. Dampfer. Zusammen. Effektive
Tragfähig-
keit[244].
1820  3140    6  3146  3170  1  
1830  3022   28  3050  3162  4  
1840  4560  116  4676  5140 11  
1850  6513  392  6905  8473 23  
1860  9586  820 10406 13686 30  
1870 13868 1918 15576 23458 41  
1881 15002 5644 20646 43222 66  
1885 11216 6693 17909 44682 72 [245]

Aus der vorstehenden Übersicht ergeben sich folgende sehr bemerkenswerte Thatsachen:

1. Der effektive Tonnengehalt der Handelsmarine der Erde hat stetig zugenommen.

2. Die Zunahme des Tonnengehaltes der Segler war in dem Jahrzehnt 1870–1880 eine wesentlich geringere als in den Jahren 1860 bis 1870. Neuestens hat der Tonnengehalt der Segler sogar abgenommen. Hingegen erfuhr

3. die Leistungsfähigkeit der Dampfer eine enorme Steigerung; denn während dieselbe 1820 erst 1%, 1830 4%, 1840 11% der effektiven Tragfähigkeit der gesamten Handelsmarine betrug, repräsentierte sie 1885 bereits 72%, also über ⅔ hiervon.

Diese stete Zunahme des Tonnengehaltes der Dampfer einerseits und die steigende Abnahme des Tonnengehaltes der Segelschiffe andererseits bilden eine der bezeichnendsten Eigentümlichkeiten des modernen Schiffahrtswesens.

[S. 450]

2. Der Bestand der Welthandelsflotte im Jahre 1885[246].

Länder. Segelschiffe mit 100 t
Gehalt u. darüber.
Dampfschiffe mit
100 t Gehalt u. dar.
Zahl
der
Schiffe.
Registrierter
Tonnen-
Gehalt.
Zahl
der
Schiffe.
Registrier-
ter Tonnen-
Gehalt.
1. England:        
  Großbrit. u. Irl.  5114  3248807 5020 3897165
  Kolonieen  2767  1376662  692  223968
  Zusammen:  7881  4625469 5712 4121133
2. Amerika
 (V. Staat.)
 3542  1587140  388  358653
3. Argentinien  3542  1587140  388  358653
4. Belgien     9     5283   63   67784
5. Bolivia    1     772
6. Brasilien   116    20701   86   32578
7. Chile   119    64174   40   27710
8. China     2      655   23   21143
9. Columbia     2      477
10. Costa Rica     1      140    2     425
11. Dänemark   658   127595  206   96311
12. Deutschland 1794  806197  559  409558
13. Frankreich  1194   318712  508  492692
14. Griechenland  1251   318712   74   36689
15. Haiti    5    1597
16. Hawaii     5     2273   20    6943
17. Japan   120    31662  104   49958
18. Italien  1674   705283  153  123003
19. Mejico    11     2174   15   11470
20. Montenegro     7     1179
21. Niederlande   542   228668  152  130317
22. Norwegen  3369  1351986  282  104704
23. Österreich   375   194189  115   87453
24. Persien    1     579
25. Peru    18     5373    7    5731
26. Portugal   214    51040   25   14441
27. Rumänien    4    2405
28. Rußland   931   270940  209  106741
29. Sansibar    1     138
30. Sarawak     1      347    3     622
31. Schweden  1130   331061  421  114824
32. Siam    16     6414    4     684
33. Spanien   655   159116  401  239148
34. Tahiti     1      244
35. Türkei   102    22889   32   19764
36. Uruguay     2      342    7    1172
37. Venezuela     1      170    2     399
  Zusammen: 25766 11216615 9642 6603136
Länder. Segel- und Dampfschiffe zusammen.
Zahl
der
Schiffe.
Registrierter
Tonnen-
Gehalt.
Effektive
Tonnen-
Tragfähigk.
1. England:      
  Großbrit. u. Irl. 10134  7145972 22734632
  Kolonieen  3459  1600630  2496502
  Zusammen: 10134  7145972 22734632
2. Amerika
 (V. Staat.)
 3930  1943793  3380405
3. Argentinien    40    11232    33612
4. Belgien    72    73067   344203
5. Bolivia     1      772     3860
6. Brasilien   202    52979   183291
7. Chile   159    91884   202724
8. China    25    21798   106370
9. Columbia     2      477      477
10. Costa Rica     3      565     2265
11. Dänemark   864   223906   609150
12. Deutschland  2353  1215755  2853987
13. Frankreich  1702   811404  2782172
14. Griechenland  1325   326074   472830
15. Haiti     5     1597     7985
16. Hawaii    25     8616    33988
17. Japan   224    81620   281452
18. Italien  1827   828286  1320298
19. Mejico    26    13644    59524
20. Montenegro     7     1179     1179
21. Niederlande   694   358985   880253
22. Norwegen  3651  1456690  1875506
23. Österreich   490   281642   631454
24. Persien     1      579     2895
25. Peru    25    11104    34028
26. Portugal   239    65481   123245
27. Rumänien     4     2405    12025
28. Rußland  1140   377681   804645
29. Sansibar     1      138      690
30. Sarawak     4     969     3457
31. Schweden  1551   445885   905181
32. Siam    20     7098     9834
33. Spanien  1056   398264  1354856
34. Tahiti     1      244      244
35. Türkei   134    42653   121709
36. Uruguay     9     2114     9202
37. Venezuela     3      569     2165
  Zusammen: 35408 17909751 44682295

[S. 451]

Was uns aus vorstehender Tabelle zuerst in die Augen springt, das ist die ungeheure Überlegenheit der englischen Handelsmarine im Vergleich zu den Flotten aller übrigen Staaten. Der nominelle oder Register-Tonnengehalt der englischen Flotte (ohne jene der Kolonieen) beträgt von jenem der Flotten der gesamten Erde fast 40% und von jenem der europäischen Flotten 50%. Von dem Tonnengehalt aller Dampfer der Erde entfallen auf Englands Flotte 58% und von dem der europäischen Dampfer sogar 60%.

Was den effektiven Tonnengehalt der britischen Flotte betrifft, so ist sie an der Gesamttragfähigkeit aller Flotten der Erde mit rund 50% beteiligt und an jener der europäischen Flotten mit 70%.

Die zweitgrößte Handelsflotte der Erde (mit ca. 10% des nominellen und 7½% des effektiven Tonnengehaltes der gesamten Handelsmarine) besitzen die Vereinigten Staaten von Amerika.

In Bezug auf den Register-Tonnengehalt folgen England und der Union: Norwegen, Deutschland und Frankreich.

Anders gestaltet sich jedoch die Reihenfolge dieser drei Staaten mit Bezug auf den effektiven Tonnengehalt. In dieser Hinsicht nimmt Deutschland unter allen Staaten der Erde die dritte, unter den europäischen bereits die zweite Stelle ein. Ihm folgt Frankreich, und diesem erst schließt sich Norwegen an. Ihren Grund hat diese Thatsache in der großen Zahl der Dampfer, welche Deutschland und Frankreich besitzen.

Was endlich in obiger Tabelle deutlicher als in irgend einem andern Zweige der Verkehrsstatistik zum Ausdruck gelangt, das ist die primate Stellung Europas im Welthandel. Von den nahezu 18 Millionen Register-Tonnen der gesamten Handelsmarine treffen auf die Staaten Europas rund volle 14 Millionen oder nahezu 80%, und von den mehr als 44 Millionen Tonnen der effektiven Tragfähigkeit aller Handelsflotten entfallen auf dieselben fast 38 Millionen oder 85%.

3. Der Schiffsbau.

Unter den Ländern, die sich mit Schiffsbau befassen, steht allen weit voran Großbritannien. Die bedeutendsten Werften desselben sind die am Clyde, am Tyne und am Wear. An der Spitze der Schiffsbauer am Clyde steht die Firma John Elder & Comp. in Govan bei Glasgow (jetzt Fairfield Shipbuilding and Engineering Company); es folgen die Firmen Russel & Comp. in Port Glasgow und R. Napier in Govan; unter den Geschäften am Tyne behauptet die Palmer-Schiffsbau- und Eisengesellschaft den ersten Rang; letztere Firma ist zugleich die erste von ganz Großbritannien und vielleicht der ganzen[S. 452] Welt[247]. Von den sonstigen Schiffsbau-Anstalten Großbritanniens sind zu bemerken: Die Werften des Tee, von West Hartlepool, des Mersey, von Belfast, von Southampton, von Hull, Dundee und von Leith[248]. — England zunächst kommt hinsichtlich des Schiffsbaues die Union.

Über den Schiffsbau Großbritanniens in den Jahren 1880–1882 orientiert folgende Übersicht:

Werften. Tonnen.
1880 1881 1882
Am Clyde 237000 332000  389000   
Tyne 149000 177000  208000   
Wear 140000 148000  212000   
Übrige 180000 203000  385000   
Zusammen 706000 860000 1194000[249]

Da der nominelle Tonnengehalt der auf der ganzen Erde per Jahr gebauten Schiffe ca. 1800000 t beträgt, so entfallen auf Großbritannien, das 1882 fast 1200000 t lieferte, volle ⅔ des gesamten Schiffsbaues der Erde.

Noch günstiger gestaltet sich das Verhältnis für Großbritannien bezüglich der effektiven Tragfähigkeit; es treffen nämlich von der Gesamttragfähigkeit der 1882 auf der Erde gebauten Schiffe (7010000 t) auf Großbritannien mehr als 7⁄10 (5040000 t).

Flaggen. Tonnengehalt der 1882
erbauten Schiffe.
Prozentanteil.
Nomineller
Tonnengehalt.
Effektive Trag-
fähigkeit.
am nomi-
nellen Ton-
nengehalt.
an der effek-
tiven Trag-
fähigkeit.
Britische 1194000 5040000  66   72   
Amerika-
nische
 281000 1080000  15,6  15,4  
Sonstige  330000  890000  18,4  12,6  
Zusammen 1805000 7010000 100  100[250]

[S. 453]

Im Jahre 1883 gestaltete sich der britische Schiffsbau wie folgt[251]:

Werften. Tonnen. Zahl der Schiffe.
Dampfer. Segler. Zusammen.
Am Clyde  417880 240 86 326
Tyne  216573 169 169
Wear  212313 125  1 126
Übrige  410063 267
Zusammen 1256829 888

Der Wert dieser 888 Schiffe beziffert sich auf 19 Mill. Pfd. St. (= 380 Mill. M.)[252].

Interessante Aufschlüsse über das Schiffsbauwesen der verschiedenen Länder der Erde giebt folgende Tabelle[253].

Zahl und Tonnengehalt aller in den einzelnen Ländern der Erde gebauten und noch in Verwendung stehenden Schiffe von 100 t und darüber.

Länder. Segler. Dampfer. Zusam-
men.
Eisen-
schiffe.
Stahl-
schiffe.
Holz-
schiffe.
Schiffe
gemisch-
ten Sys-
tems.
Großbritannien
 u. Irland
5016 7200 12216 8262 562 3231 161
Britische
 Kolonieen
3420  221  3641   89   1 3541  10
Amerika
 (Ver. Staaten)
4164  472  4636  215   2 4417   2
Dänemark  541   87   628   76   5  547
Deutschland 1880  432  2312  476  19 1813   4
Frankreich 1109  202  1311  200  24 1084   3
Griechenland 1093    1  1094    1 1093
Italien 1690   12  1702   14 1688
Niederlande  438   92   530  100  17  391  22
Norwegen 2022  154  2176   97   3 2073   3
Österreich  457   69   526   59   5  462
Rußland  755   34   789   26   3  759   1
Schweden  883  470  1353  306  47  932  68
Spanien  536   11   547    4  543

Hiernach hat das gesamte britische Reich 44% aller Schiffe gebaut, und Großbritannien und Irland für sich allein 34%. Am Eisen- und Stahlschiffsbau ist Großbritannien und Irland sogar mit fast 82% beteiligt.

[S. 454]

Die großartige Bedeutung des englischen Schiffsbaues für die übrigen Länder der Erde erhellt daraus, daß von den 12216 in Großbritannien und Irland gebauten Schiffen 3316 (darunter 1186 Segelschiffe und 2130 Dampfer) in den Besitz fremder Nationen übergingen[254].

Es kamen hiervon

nach Deutschland 330, wovon 153 Segler, 177 Dampfer,  
Österreich  93,  34  59  
Frankreich 395,  86 309 [255].

Über den Stand des Schiffsbaues im Jahre 1885 giebt folgende Übersicht Aufschluß[256]. Es wurden gebaut

in den Ländern Schiffe[257]
von 100 t
und darüber.
Tonnen.
Großbritannien und Irland 382 449825
Vereinigte Staaten von Amerika  57  39995
Britische Kolonieen  68  34946
Deutschland  42  26993
Frankreich  21  24122
Niederlande  15  13232
Norwegen  30  12465
Österreich   7   5968
Italien  21   4430
Schweden  12   3474
Griechenland  16   3126
Dänemark   7   3058
Rußland   8   2027
in den anderen Ländern   6    997
Zusammen 692 624658

Was den Schiffsbau in Deutschland betrifft, so konnte vor zehn Jahren von deutschem Eisenschiffsbau kaum gesprochen werden. Dermalen aber besitzt Deutschland schon sehr leistungsfähige diesbezügliche Anstalten. Die bedeutendste deutsche Privatwerft ist der „Vulkan“ bei Stettin.

Den größten Einfluß auf das Gedeihen des Eisen- und Stahlschiffsbaues in Deutschland übte die Entwicklung der deutschen Marine. Nach dem Vorgange der englischen Marine wurden nämlich auch für die Schiffe der[S. 455] deutschen Marine Vorschriften über die Qualität des zu verwendenden Materials festgesetzt; das Verfahren dieser Materialsprüfungen übertrug sich dann auf die Bauten für die Handelsmarine, so daß auch hier nicht mehr so dürftiges Material verwendet werden konnte, wie es früher häufig der Fall war. Bis 1870 waren indes die Schiffswerften noch immer genötigt, das Material aus England und Belgien zu beziehen; einmal konnten die deutschen Industriellen nicht mit den Preisen der englischen konkurrieren, dann ermöglichten die Einrichtungen jener auch nicht die Auswalzung von Material zum Schiffsbau. Mittlerweile aber ist in dieser Beziehung ein völliger Umschwung eingetreten. Besonders in Westfalen und Schlesien sind die Stahlwerke heute nicht allein bezüglich der Preise in der Lage, mit England erfolgreich zu konkurrieren, sondern sie sind auch mit allen Arten von Walzen wohl assortiert, um dem Schiffsbau diejenigen Profile liefern zu können, deren er bedarf; desgleichen hat sich die Hütte in Dillingen a. d. Saar zur Anfertigung von Panzerplatten eingerichtet. Dasselbe Werk hat neuestens gezeigt, daß es auch die weit schwieriger herzustellenden Compoundplatten (aus Eisen und Stahl zusammengeschweißt) in vorzüglicher Qualität und so rechtzeitig anzufertigen im stande ist, daß dadurch bereits die völlige Unabhängigkeit von England hinsichtlich des Bezuges von Panzerplatten erreicht wurde. Auch die übrigen zum Schiffsbau notwendigen Materialien, nur Teak und Pitchpine ausgenommen, die nicht in Deutschland wachsen, können nunmehr aus Deutschland bezogen werden.

So hat sich der deutsche Eisen- und Stahlschiffsbau in der kurzen Zeit seines Bestehens nicht allein fast völlige Unabhängigkeit vom Auslande erworben, sondern es sind demselben auch schon größere Aufträge auf Kriegsschiffe von auswärtigen Mächten und ebenso auf Handelsschiffe von auswärtigen Bestellern übertragen worden, so daß sein Anteil an der Förderung des Wohlstandes in Deutschland nicht mehr zu unterschätzen ist. Es sei in dieser Beziehung nur erwähnt, daß auf dem „Vulkan“ seit dem Bestehen des Werkes 154 Schiffe abgeliefert wurden, unter denen 11 Panzerschiffe und Kriegsschiffe, 24 Torpedoboote und Fahrzeuge aller Art zu nennen sind. Zu den größten dieser Schiffe zählen die beiden Panzerschiffe der kaiserlich deutschen Marine „Sachsen“ und „Württemberg“, sowie die beiden kaiserlich chinesischen „Ting Yuen“ und „Chen Yuen“. Erstere haben ein Deplacement von 7000 t, sowie Maschinen von 5600 Pferdekräften, letztere 7500 t Deplacement und Maschinen von 6000 Pferdekräften. Der größte bis jetzt auf dem „Vulkan“ gebaute Handelsdampfer ist „Rupia“, ein Schiff, das ein Deplacement von 5500 t und Maschinen von 2200 Pferdekräften besitzt. Von den 2312 in Deutschland gebauten und noch verwendeten Schiffen gingen in fremde Länder 513, darunter 437 Segler und 76 Dampfer[258].

[S. 456]

Um auch die Bedeutung, die der deutsche Eisen- und Stahlschiffsbau für die Eisenindustrie hat, durch Zahlen zu beweisen, sei es gestattet, noch folgendes anzuführen: Es wurden verwendet zu den beiden chinesischen Schiffen „Ting Yuen“ und „Chen Yuen“ 4980000 kg Eisenplatten, 1544000 kg Profileisen, 3128000 kg Compound-Panzerplatten, 1076000 kg diverses Eisen. Zu den sechs für den Norddeutschen Lloyd in jüngster Zeit gelieferten Dampfern kamen zur Verwendung: Stahlplatten 5380000 kg, Eisenplatten 1020000 kg, Stahlwinkel 2000000 kg, Eisenwinkel und Bulbs 429000 kg, diverses Eisen 1868000 kg. Und dieses gesamte Material wurde bis auf einen kleinen Teil in deutschen Werken angefertigt!

4. Wert der Handelsflotten.

Rechnet man die Baukosten für eine Dampfertonne auf 400 und für eine Segelschifftonne auf 200 M., so stellt sich das in der ganzen Handelsmarine der Erde angelegte Kapital auf rund 5300 Mill. M.[259]

5. Die Pferdekräfte aller Schiffsmaschinen der Erde

(verglichen mit jenen der feststehenden Maschinen und der Lokomotiven)[260].

Jahr. Freistehende
Maschinen
Lokomo-
tiven
Schiffs-
maschinen
Zusammen Prozentanteil der
feststehenden
Maschinen.
Lokomo-
tiven.
Schiffs-
maschinen.
in Tausenden.
1840 1290   960  106  2356 55 41  4
1850 1780  4190  340  6310 28 68  6
1860 2450  7900 1050 11400 22 69  9
1870 3650 13700 2190 19540 19 70 11
1880 7415 17618 3891 28924 25 61 14

6. Schiffbrüche.

a. Jährlicher Verlust an Schiffen (in Tonnen ausgedrückt)[261].

Flotten. Dampfer. Segelschiffe. Zusammen. Prozente des
Tonnen-
gehaltes
der gesamten
Flotte.
Britische  90000 170000 260000 3,50
Französische   7000  22000  29000 3,60
Deutsche   6000  40000  46000 3,80
Russische   3000  18000  21000 4  
Österreichische   3000   9000  12000 4  
Italienische   1500  27500  29000 2,90
Spanische   3500  13500  17000 3,70
Niederländische   3000  14000  17000 4,05
Der Vereinigten Staaten  16000 112000 128000 4,90
Sonstige Flotten  59000 130000 189000 4  
Zusammen 191000 556000 747000 3,80

[S. 457]

Hiernach hat den höchsten Verlust die Flotte der Vereinigten Staaten, den geringsten die italienische.

Einschließlich der durch Abnützung unbrauchbar gewordenen Schiffe beträgt der durchschnittliche jährliche Verlust an Schiffen 1200000 Registertonnen[262].

b. Zahl der zu Verlust gegangenen Schiffe[263].

Es sind Durchschnitt
1866–1879.
Jahr
1880.
verschollen   93  101
gesunken durch Zusammenstoß  182  205
verbrannt  191  229
gestrandet 1171 1108
zu Grunde gegangen infolge anderer
Unfälle, z.B. durch Leckwerden u. s. w.
 534  550
Zusammen 2171 2193

Was das Verhältnis der Sicherheit von Segel- und Dampfschiffahrten betrifft, so ergiebt sich mit Rücksicht auf die größere Zahl der Reisen, welche die Dampfschiffe machen, etwa eine viermal größere Sicherheit der letzteren[264].

In Lloyd’s „General Report“ für 1884 finden sich folgende Angaben über zu Verlust gegangene Schiffe[265]: Es betrug deren Zahl auf der ganzen Erde:

Jahr. Segler. Dampfer. Zusammen.
1860 2657  88 2745
1870 2288 204 2492
1875 2205 348 2553
1883 1936 628 2564
1884 1536 591 2127

Ganz besonders häufig kommen Kollisionen von Schiffen vor, wie aus folgender Tabelle erhellt[266]:

[S. 458]

Jahr. Segler. Dampfer. Zusammen.
1866 1614  344 1958
1870 1788  502 2290
1875 2012  798 2810
1883 1700 1223 2923
1884 1360  999 2359

c. Verlust an Vermögenswerten und Menschenleben infolge von Schiffbrüchen (per Jahr)[267].

Flagge. Wert der Schiffe
und Ladungen
in Tausenden
von Pfd. St.
Verlust an
Menschen-
leben.
Britische 18900 2090
Französische  2100  250
Deutsche  3400  400
Russische  1500  200
Österreichische   800  110
Italienische  2050  250
Spanische  1200  150
Holländische  1200  150
Vereinigte Staaten
 von Amerika
 9400 1100
Verschiedene  6300  700
Zusammen 46850 5400

Der Totalwert von Schiffen und Waren, die über die See gehen, beträgt jährlich fast 1400 Mill. Pfd. St.; der Verlust macht somit circa 3¼% oder weniger als 1% per Seereise aus.

7. Die Mannschaft der Handelsmarine[268].

Länder. Mann.
Großbritannien u. Irland 193000
Schweden und Norwegen  79000
Italien  52000
Deutschland  40000
Frankreich  35000
Spanien  23000
Rußland  23000
Niederlande  18000
Griechenland  11000
Türkei  10000
Österreich   7000
Dänemark   7000
Portugal   5000
Europa 503000
Vereinigte Staaten
 von Amerika
120000
Canada  50000
Australien  11000
Brasilien   6000
Argentinien   2000
Total 692000

Nach Neumann-Spallart beträgt das Heer der Handelsmarine rund 900000 Mann.

[S. 459]

Anhang.

1. Münztabelle.

Staaten. Münz-Einheiten. Deutsche
Reichswährung.[269]
Mark. Pfennig.
Belgien 1 Frank = 100 Centimes 80   
Dänemark 1 Krone = 100 Öre  1 12,5  
Deutsches Reich 1 Mark = 100 Pfennig  1
Frankreich 1 Frank = 100 Centimes 80   
Griechenland 1 Drachma = 100 Lepta = 1 Frank 80   
Großbritannien u. Irl. 1 Pfd. Sterl. = 20 Shilling zu 12 Pence 20 40   
Italien 1 Lira = 100 Centisimi 80   
1 Dukato = 100 Grani  3 44,147
Luxemburg 1 Frank = 100 Centimes 80   
Niederlande 1 Gulden = 100 Cents  1 70   
Österreich, 1 Gulden österr. Währ. = 100 Kreuzer    
Lichtenstein  Silber oder Papier  1 70   
Portugal 1 Milreïs = 1000 Reïs  4 50   
Rumänien 1 Piaster   30   
1 Leu zu 100 Ban Para   80   
Rußland 1 Papier-(Silber-)Rubel = 100 Kopeken  2 25   
1 Gold-Rubel  3 20   
Schweden,
Norwegen
1 Krone = 100 Öre  1 12,5  
Schweiz 1 Frank = 100 Centimes (Rappen) 80   
Spanien 1 Peseta = 100 Cents 80   
1 Duro = 20 Reales  4 14   
1 Piaster = 100 Centavos  4
100 spanische Realen 21
Türkei 1 Piaster = 40 Para zu 3 Kurant-Asper 18   
Verein. Staaten von A. 1 Dollar = 100 Cents  4 25   

2. Vergleich wichtiger Maße.

1 englische Meile = 1,60 km. 1 geogr. Meile = 7,42 km.
1 Seemeile = 1,85 km. 1 engl. Faden = 1,83 m.

1 m = 3,08 Paris. Fuß = 3,28 engl. Fuß = 0,55 engl. Faden.

1 km = 0,54 Seemeile = 0,13 deutsche geogr. Meile = 0,94 Werst.

1 qkm = 0,39 engl. Q.-Meile = 0,018 geogr. Q.-Meile = 0,88 Q.-Werst.

1 deutsche geogr. Q.-Meile = 55,06 qkm.

[S. 460]

3. Direkte Billets von Berlin nach überseeischen Häfen[270].

Preise in Mark. Wo mehrere Preise für ein und dieselbe Klasse angegeben sind, gelten die höheren Preise für die am günstigsten gelegenen Kajüten.

Wo I./II. angegeben, bezieht sich die I. Klasse auf das Schiff, die II. auf die Bahn.

[S. 461]

4. Reise um die Erde.

(wie sie bereits wiederholt von dem Stangenschen Reisebureau in Berlin durchgeführt wurde).

Berlin-Bremen-New York-Philadelphia-Washington-Niagara-Chicago-St. Louis-Kansas City-Denver-Rocky Mountains-Salt Lake City-San Francisco-Yosemitethal-Yokohama-Jeddo-Nikko-Hiogo-Osaka-Kioto-Nagasaki-Shanghai-Hongkong-Canton-Singapore-Batavia-Ceylon-Calcutta-Dardschiling (Himalaya)-Benares-Lucknow-Agra-Delhi-Jeypore-Bombay-Suez-Kairo-Alexandria-Triest-Wien-Berlin.

Dauer 8 Monate, Preis für die ganze Tour 12000 M. (Eisenbahn und Schiff I. Klasse).


Schlußkapitel.
Wirkungen der modernen Verkehrsmittel.

Daß mit der Entwicklung der modernen Verkehrsmittel eine neue Kultur- und Civilisationsepoche, ein allgemeiner Fortschritt der Menschheit begonnen, wird heutzutage von niemand bestritten. Nicht immer aber herrscht darüber volle Klarheit, worin die großartigen Wirkungen derselben im einzelnen bestehen. Staatssekretär Herzog hat diese Materie im 42. Bande der von Julius Rodenberg redigierten Zeitschrift „Deutsche Rundschau“ (Berlin, Gebrüder Partel) zum Gegenstande einer äußerst gediegenen Abhandlung gemacht. Wir geben dieselbe in folgendem in der Hauptsache wieder[271].

1.

Am bedeutendsten und zugleich am sichtbarsten sind die durch die modernen Verkehrsmittel hervorgebrachten Veränderungen auf wirtschaftlichem Gebiet.

Betrachten wir zunächst den Güteraustausch, welchen der Handel vermittelt! In seinen neuesten „Übersichten der Weltwirtschaft“ hat Dr. von[S. 462] Neumann-Spallart das Gewicht der Gütermenge, welche die Eisenbahnen im Jahre 1882 insgesamt befördert haben, auf 1200 Millionen metrische Tonnen berechnet, die Leistung der Dampfschiffe, die übrigens noch dadurch an Bedeutung gewinnt, daß die Beförderung in der Regel auf lange Strecken geschieht, auf etwa die Hälfte jenes Gewichts.

Die Bezifferung des Gewichtes der durch den Handel in Bewegung gesetzten Gütermassen gewährt indes nur eine unvollkommene Einsicht in die Bedeutung dieser enormen Bewegung; fehlt doch schon der auf die Anschauung beschränkten Vorstellungskraft der Maßstab für deren Größe. Weit belehrender ist ein Blick auf die räumliche und sachliche Ausdehnung, welche der Handel durch die modernen Verkehrsmittel erfahren hat.

In ersterer Beziehung sind nicht nur Teile der Erde in den Bereich des Güteraustausches einbezogen worden, welche bisher völlig außerhalb solcher Verbindung lagen, sondern es ist auch innerhalb der Kulturländer das Absatzgebiet beträchtlich erweitert worden. Belege dafür giebt das tägliche Leben in Hülle und Fülle. In der Vielartigkeit und dem Preise unserer Nahrungsmittel, in der Weise unserer Bekleidung, in der Bauart, in der Heizung und Beleuchtung unserer Wohnungen liegen sie vor Augen. Kaffee, Thee, Gewürze und andere Erzeugnisse der Tropen, die ehedem nur für den Wohlhabenden zu erlangen waren, sind jetzt Volksnahrungsmittel und Gegenstände des Massenverbrauchs. Man genießt im Norden frische Südfrüchte von den Küsten des Mittelmeeres und aus Kleinasien zu Preisen, die selbst dem Armen ihren Genuß ermöglichen. Frische Seefische werden in das Binnenland auf Hunderte von Meilen ohne erhebliche Verteuerung befördert; im Winter sendet uns Algier frische Gemüse und sommerliche Früchte, die Riviera frische Blumen; Rhein- und Moselwein, die sonst im Osten Europas nur vereinzelt getrunken wurden, sind zur Zeit daselbst voll eingebürgert, und das bayerische Bier hat sich in allen Zonen der Erde, nicht allein da, wo Deutsche wohnen, heimisch gemacht. Corned-beef aus den Vereinigten Staaten und aus Argentinien, australische Rinderzungen, amerikanisches Schweinefleisch füllen die Fleischmärkte von London; ebendorthin sendet Frankreich täglich Millionen von Eiern. Californischer Wein und preußischer Sprit ergänzen in Bordeaux die Lücken, welche durch die Verheerungen der Phyloxera entstanden sind; norddeutsche Brenner machen Branntwein aus amerikanischem Mais; Europas Bedarf an Weizen bringen im Wetteifer die Dampfer aus dem Norden und Westen Amerikas, aus Chile, aus den La-Plata-Staaten, aus Indien und Australien. Dies sind nur einige Beispiele, die leicht vermehrt werden könnten.

Im Bereich der Kleidung tritt mehr die Ermäßigung der Preise, zu welcher Eisenbahnen und Dampfschiffe durch billige Zuführung der Rohstoffe und Verbreitung der Fabrikate mitwirken, in die Erscheinung, als die[S. 463] Beschaffung neuen, bisher unbekannten oder nicht erreichbaren Materials. Nur der Jute möchte in letzterer Beziehung zu gedenken sein. Daß Seide, die zu tragen in früherer Zeit ein Vorrecht der Reichsten war, jetzt auch von den Frauen der minder wohlhabenden Klassen getragen werden kann, und daß baumwollene Stoffe, die noch vor hundert Jahren ebenfalls ein Luxusartikel waren, heutzutage auch von dem geringsten Haushalt zur Bekleidung des Körpers und der Lagerstätten beschafft werden können, ist nicht zum kleinsten Teil den modernen Verkehrsmitteln zu danken, wenngleich einen wesentlichen Faktor auch die durch den Dampfbetrieb erleichterte und vermehrte Fabrikation bildet. Das Gleiche gilt für viele ähnliche Stoffe.

Die Verdienste endlich, welche Eisenbahnen und Dampfschiffe sich um unsere Wohn- und andere Bauten erworben haben, liegen zu Tage in der Verwendung soliden Materials, wie von Sandstein und Marmor, auch in solchen Gegenden, die dem Gewinnungsorte fernliegen, in den mächtigen Trägern und anderen Bauteilen von Eisen an Häusern und Brücken, in den Granitplatten, mit denen wir die Straßen pflastern, in den riesigen Eisen- und Thonröhren großstädtischer Wasserleitungen und Kanäle. Die Kohlen, mit denen wir heizen, und aus denen das Leuchtgas bereitet wird, das Petroleum, das in der Lampe des kleinen Mannes brennt, alle diese dem modernen Leben unentbehrlich gewordenen Dinge, die vermöge ihrer Schwere ehedem in den engsten Umkreis ihres natürlichen Vorkommens gebannt waren, befördern Lokomotive und Dampfschiff nunmehr in die entlegensten Thäler und an transoceanische Küsten, wo immer nur Menschen wohnen. Welche Summe von Verbesserungen des menschlichen Daseins, welche Erleichterung in Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse, welche Erhöhung und Erweiterung der Genüsse ist uns jetzt Lebenden hiedurch beschieden!

Der Handel hat sich übrigens nicht bloß räumlich und sachlich erweitert, es hat sich derselbe unter dem Einflusse der modernen Verkehrsmittel auch hinsichtlich der Art des Betriebes geändert. So hat sich dermalen namentlich die Menge der Mittelspersonen zwischen getrennt wohnenden Käufern und Verkäufern durch die Eisenbahnen und Dampfschiffe im Vergleiche zu früheren Zeiten wesentlich vermindert. Selbst auf die weitesten Entfernungen besteht gegenwärtig direkte Verbindung zwischen Absender und Empfänger.

Wie Eisenbahn und Dampfschiff, so leistet auch der Telegraph dem Handel die besten Dienste. Von den fast 200 Millionen Telegrammen, welche zur Zeit die elektrischen Leitungen über die Erde tragen, betrifft der bei weitem größere Teil Handelsgeschäfte. Im Großhandel übermittelt z. B. der Telegraph ausschließlich alle wichtigeren Aufträge; der Spekulationshandel, die Arbitrage haben ihn derart zur notwendigen Voraussetzung, daß sie ohne ihn nicht bestehen können. Er ist ferner der Hauptträger dessen, was in der ganzen modernen Gestaltung des Handels das Bedeutsamste ist,[S. 464] der zunehmenden Solidarität der Handelsinteressen durch die ganze bewohnte Welt. In diesem Sinne sieht erst die jetzige Generation einen Welthandel. Der Zusammenhang zeigt sich am deutlichsten im Handel mit den Gütern des großen Konsums, als da sind: Baumwolle, Eisen, Petroleum, Kaffee und vor allem das Getreide. Um die Mittagsstunde jedes Tages z. B. meldet der Telegraph in der Börse zu Chicago die Mengen von Weizen, die an demselben Tage in London und an anderen großen Getreidemärkten Europas sowie der amerikanischen Kontinente umgesetzt, und die Preise, welche dafür gezahlt worden sind. Danach und nach den angebotenen Vorräten regelt sich dort der Preis, der dann die momentane Preishöhe des Weizens überall beeinflußt, wo immer in der Welt solcher gehandelt wird. Für Baumwolle bilden in ähnlicher Weise New-Orleans und Liverpool Mittelpunkte des Welthandels. Zwischen den Börsen von New-York und London vermittelt das unterseeische Kabel täglich Geldtransaktionen im Betrage von Millionen Dollars mit einer Promptheit, die nicht größer sein könnte, wenn die City von Wall-Street nur durch die Themse, nicht durch den Atlantischen Ocean, getrennt wäre.

Ferner sei darauf verwiesen, daß es erst infolge der modernen Verkehrsmittel möglich geworden, Bedarf und Überfluß an Nahrungsmitteln selbst auf die größten Entfernungen hin mit Leichtigkeit auszugleichen. Früher war Mangel und Überfluß rein örtlich fixiert, so daß bei ungleichem Ernteausfall in verschiedenen Ländern und Landstrichen an der einen Stelle empfindlicher Notstand herrschte, während gleichzeitig an der andern die Überfülle der Güter wegen mangelnden Absatzes zu Grunde ging. Ein klassisches Beispiel der durch die Eisenbahnen bewirkten Ausgleichung der Bodenprodukte oder Lebensmittel bietet die große Hungersnot, die in Indien in den Jahren 1873/74 wütete. In einem Zeitraum von elf Monaten wurde dort ein Quantum von ca. 21 Mill. Ctr. Reis und anderer Brotfrüchte in die von Dürre und Teuerung heimgesuchten Gegenden Bengalens befördert und daselbst zur Verteilung gebracht; infolgedessen waren denn auch damals nur 26–30 Menschenleben direkt als Opfer der Teuerung zu verzeichnen, während noch bei der in den 60er Jahren dreimal wiedergekehrten Hungersnot in Indien, wo eine derartige Hilfeleistung nicht oder unzureichend oder verspätet eintrat, nach authentischen Angaben nahezu 3½ Mill. Menschen dem Hungertode erlagen, von den noch weit schrecklicheren Daten aus früherer Zeit ganz abgesehen.

Hand in Hand mit dieser vervollkommneten Ausgleichung der Vorrats- und Bedarfsmengen geht natürlich auch eine Ausgleichung der Produktenpreise. So betrug im Jahre 1817, dem bekannten Mißjahre, der Preisunterschied pro Hektoliter Getreide zwischen Straßburg und den Städten im Innern Frankreichs bis 40 Frcs., 1866 dagegen, wo gleichfalls in Frankreich teilweise sehr schlechte Ernte gemacht wurde, nur 3 bis[S. 465] 4 Frcs. An Stelle der alten Lokal-Marktpreise tritt heutzutage mehr und mehr ein Welt-Marktpreis, wie schon oben hervorgehoben wurde.

Freilich hat diese weite Erstreckung der Interessengemeinschaft auch ihre Schattenseiten. Die Leichtigkeit, mit welcher große Gütermengen aus Gegenden, wo sie unter günstigen Bedingungen im Überfluß erzeugt werden, zu Wasser und zu Lande nach solchen geschafft werden können, wo die Produktion nicht gleichmäßig begünstigt ist, bringt den Produzenten in letzteren durch Herabdrücken der Preise unter Umständen schwer empfundene Nachteile. Die erdrückende Konkurrenz des amerikanischen und indischen Weizens auf den europäischen Märkten, über welche unsere Landwirtschaft sich beklagt, weil sie dadurch in ihrem wirtschaftlichen Bestande sich gefährdet sieht, ist ein naheliegendes Beispiel dafür. Indessen treten diese negativen Wirkungen der im Welthandel sich manifestierenden Solidarität der Interessen, wie hart sie auch zeitweilig das Einzelwohl berühren, doch weit zurück gegen den Nutzen, welcher aus jener Gemeinsamkeit der Wohlfahrt des Ganzen erwächst.

Wieder eine Folge der modernen Verkehrsmittel ist die Steigerung der Produktion nach Menge, Art und Güte. Erst durch sie gewann die Industrie der Gegenwart einerseits für ihre reiche Produktion den erforderlichen Absatz, andererseits erreichte sie, daß Rohstoffe und Betriebskraft auf dem Punkte vereinigt werden konnten, wo die geeignete menschliche Arbeitskraft und die für die Fabrikation günstigsten anderweiten Bedingungen sich vorfanden. Kohle und Kalk trug die Eisenbahn nunmehr an die Gewinnungsstätte der Eisenerze, die Baumwolle in die Gebirgsthäler, wo menschliche Hände und wertvolle Wasserkräfte der Benutzung harrten. Die Industrie war aus ihrer Gebundenheit an solche Gebiete, wo alle Bedingungen ihres Gedeihens vereinigt waren, gelöst; sie war mobil geworden. Es genügte fortan, wenn eine oder die andere jener Bedingungen irgendwo gegeben war; was fehlte, ließ sich einschließlich der menschlichen Arbeitskräfte unter verhältnismäßig geringen Opfern durch die Eisenbahn herbeischaffen.

So hat sich wesentlich unter deren Einfluß die Großindustrie herangebildet. Einzelne Zweige derselben, namentlich die Metallindustrie, nahmen infolge der durch die Bahnen so sehr erniedrigten Transporttarife einen geradezu bewundernswerten Aufschwung. Aber auch die Entwicklung zahlreicher anderer Industriezweige knüpft sich sehr enge an die Ausbreitung der Bahnnetze, so besonders jene der Glas- und Spiegelfabrikation. Vor der Einführung der Bahnen war infolge des mangelhaften Transportwesens ein Aufblühen dieser Geschäftsbranche geradezu unmöglich. Augustin Cochin berichtet in dieser Beziehung, daß ehemals von 72 von Chauny nach Paris transportierten Spiegeln durchschnittlich nur zwölf in unversehrtem Zustande eintrafen. Heutzutage ist es diesen Geschäften möglich, ihre Produkte in alle[S. 466] Teile der Welt fast ohne Risiko zu versenden. — Bemerkenswerte Folgen des Überhandnehmens der Großindustrie auf wirtschaftlichem Gebiete sind einerseits die Arbeitsteilung, andererseits die Tendenz nach Ausgleichung der Arbeitslöhne.

Wie im Welthandel, so besteht nunmehr eine Interessengemeinschaft auch im Bereiche der Industrie. Jeder Fortschritt der Technik wird in kurzer Zeit bekannt und Gemeingut. Ebenso machen örtliche Absatz- und Produktionskrisen sich den verwandten Industrieen auch weit ab von der Ursprungsstätte geltend. Freilich liegt in der Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit der Verkehrsmittel eine wesentliche Mithilfe zur Überwindung solcher Krisen und zur Ausgleichung ihrer nachteiligen Folgen.

Übrigens haben nicht bloß Eisenbahnen und Schiffe Bedeutung für das Geschäftsleben; auch die Telegraphie erweist sich für manche Erwerbszweige höchst nützlich. So bedient sich derselben die Produktion im Bergwerkswesen und Fabrikbetriebe; in Norwegen wird die Ankunft der Heringszüge auf telegraphischem Wege nach den verschiedenen Fischerdörfern gemeldet, um das bedeutende Fischereigewerbe dieses Landes in den Stand zu setzen, sich rechtzeitig auf ergiebigen Fang und schleunigste Versendung der Beute einzurichten. Der Schiffahrt wird nicht nur durch die telegraphisch vermittelten Zeitangaben mittels der Zeitbälle, sondern auch durch die Sturmwarnungen auf Grund der Wettertelegramme ein äußerst schätzbares Hilfsmittel gewährt. Die submarine Telegraphie hat sogar in der Herstellung der sogen. Guttaperchadrähte und in der weitern Verarbeitung derselben zu Telegraphen-Kabeln eine ganz neue Industrie geschaffen, der sich verschiedene großartige Etablissements fast ausschließlich widmen.

2.

Nicht minder kräftig als die Bewegung der körperlichen Sachen durch die Eisenbahnen und Dampfschiffe hat die der Personen zugenommen. In den bereits erwähnten „Übersichten der Weltwirtschaft“ wird die Zahl der Passagiere, welche die Eisenbahnen in allen Erdteilen im Jahre 1882 befördert haben, auf 2400 Mill. berechnet, was im Durchschnitt für jeden Tag etwa 6½ Mill. ergiebt. Die absolute Zahl der Passagiere auf Dampfschiffen ist geringer; aber auch hier kommt, wie beim Gütertransport, in Betracht, daß in der Regel die Entfernung weiter und die Reisedauer länger ist als auf der Eisenbahn, so daß, wenn die Meile oder der Tag als Maßeinheit gewählt würde, die Leistung der Dampfschiffe auch in der Personenbeförderung erheblich größer erschiene.

Die Bedeutung der Erleichterung der Ortsveränderung für die Menschen äußert sich in socialer und wirtschaftlicher Beziehung. Die in letzterer Hinsicht wichtigsten Erscheinungen sind die Auswanderung und die Freizügigkeit.

[S. 467]

Auswanderung hat es allerdings schon vor den Eisenbahnen und Dampfschiffen gegeben; in großem Maßstabe aber hat sie sich erst unter deren Einwirkung entwickelt. Von den 12½ Mill. Einwohnern, die den Vereinigten Staaten von Amerika seit deren Anerkennung (1783) bis zum Jahre 1883 zugeflossen sind, entfällt auf die Zeit bis zur Herstellung einer regelmäßigen Personen-Dampfschiff-Verbindung mit Europa, die man in das Jahr 1844 setzen kann, noch nicht voll eine Million. Erst infolge dieser Verbindung, welche den Segelschiffen auch die ärmeren Passagiere allmählich entzog, und im Zusammenhang mit der Erbauung von Eisenbahnen, welche das Stromgebiet des Mississippi und den Westen des Kontinents erschlossen, nahm die Auswanderung dorthin die kolossalen Proportionen an, welchen die Vereinigten Staaten ihr unvergleichlich rasches Wachstum an Volkszahl, Wohlstand und Macht verdanken. Der ursächliche Zusammenhang liegt in der Erleichterung der Überfahrt, zu der auch den Auswanderern zugängliche Dampfer gegenwärtig nur zehn bis zwölf Tage bedürfen, in der Verbesserung der Verpflegung, welche durch die Kürze der Fahrtdauer ermöglicht ist, in der Billigkeit der Passage, welche vermöge des größern Raumgehaltes der Dampfschiffe und der Abkürzung der Verpflegungszeit gewährt werden kann, und in der Pünktlichkeit sowie der relativ großen Sicherheit der Reise. Im Vergleich zu der Dauer, den Leiden und den Gefahren der Überfahrt, wie wir sie aus den ergreifenden Schilderungen deutscher Auswanderer nach Amerika gegen Ausgang des vorigen Jahrhunderts kennen, ist jetzt die atlantische Tour selbst für Zwischendeckspassagiere eine harmlose Vergnügungsfahrt, jedenfalls mit seltenen Ausnahmen ohne Gefahr für Gesundheit und Leben.

Kaum geringer als die Mühsale der Seefahrt waren ehedem für solche Auswanderer, welche in das Innere des Landes strebten, die Beschwerden der Landreise. Wochen, ja Monate vergingen, ehe sie in langsamer Wanderung unter harten Entbehrungen das Ziel erreichten. Auf alles, was sie nicht mitgeführt hatten, mußten sie bei der Schwierigkeit des Nachtransportes verzichten oder es mit besonderen Kosten erkaufen. Heutzutage führt sie von dem Ankunftshafen ein Eisenbahnzug in soviel Tagen, als vorher Monate erforderlich waren, nach dem fernsten Westen, und wenn sie anlangen, stehen sie nicht verloren in der Wildnis, lediglich gewiesen auf die eigene Kraft; die Eisenbahn, die in leicht erreichbarer Nähe liegt, führt zu ihnen, was des Lebens Notdurft erfordert; sie trägt die Erzeugnisse des Bodens, den sie bearbeitet haben, auf den Markt und hält sie in steter Verbindung mit der Civilisation. Von den Vereinigten Staaten läßt sich mit Grund sagen, daß die Eisenbahnen an die Stelle der Pioniere getreten sind, welche in früheren Zeiten den Urwald Schritt für Schritt erringen mußten; sie werden nicht wie in Europa dorthin gelegt, wo der bereits entwickelte Verkehr sie zu erhalten verspricht; sie brechen vielmehr dem Verkehr[S. 468] die Bahn; sie folgen nicht ihm, er folgt ihnen. Nur so ist es möglich geworden, daß die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Jahre 1850 sich mehr als verdoppelt und in deren westlichsten Gebieten, den Staaten am Stillen Ocean und in den sogen. Territorien, sich verzehnfacht hat. In derselben Periode hat sich der Ertrag des Landes an Mais verdreifacht, an Weizen verfünffacht.

Diesen großen Verschiebungen, durch welche die Wanderer ihrer Nation oder doch dem bisherigen Staatsverbande in der Regel entfremdet werden, gehen die kleineren zur Seite, welche die durch die Eisenbahnen gebotene Erleichterung der Personenbewegung innerhalb der einzelnen Länder zur Folge hat. Sie sind in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung weniger augenfällig, aber nicht weniger wichtig. Das dafür oben gewählte Wort Freizügigkeit, obwohl es in der Regel gebraucht wird, um die Beseitigung der rechtlichen Schranken, welche der Wahl des Wohnsitzes bisher entgegenstanden, auszudrücken, läßt sich mit Grund auch auf die Freiheit der Ortsveränderung anwenden, welche durch die Wegräumung ihrer thatsächlichen Hindernisse oder Erschwerungen gewonnen worden ist. Hier haben die Eisenbahnen derart eingegriffen, daß das Recht, auch wo es bereits gesetzlich ausgesprochen war, doch durch sie erst praktischen Wert erhalten, seine Verwirklichung gefunden hat. Der Arme hatte wenig davon, daß ihm das Gesetz die Freizügigkeit gewährleistete; er blieb an die Scholle gebunden wegen des Mangels an Mitteln, sie zu verlassen. Erst durch die Eisenbahn ist ihm die Möglichkeit gebracht worden, mit erschwinglichem Aufwand an Geld und Zeit die Stelle zu verlassen, an welche er durch die Geburt gesetzt war, und andere Stätten zu suchen, wo er seine Arbeitskraft besser verwerten und günstigere Existenzbedingungen finden kann. Die Wirkungen der damit praktisch gewordenen Bewegungsfreiheit haben sich danach vornehmlich für die ärmeren Volksklassen, die Arbeiter, geltend gemacht und deren Stellung gründlich verändert. Auf wirtschaftlichem Gebiet treten sie u. a. zu Tage in dem Zuströmen der Arbeiter zu den Centren der Großindustrie und dem damit zusammenhängenden Wachstum der großen Städte, in dem örtlichen Mangel an Handarbeitern in der Landwirtschaft, in der Umgestaltung der gewerblichen Verfassung. Die alte Ordnung der letztern hat vornehmlich die Beweglichkeit der arbeitenden Bevölkerung neben dem Übergange zur Fabrikation durchbrochen. Zünfte, Innungszwang, gewerbliche Zwangsrechte, die Einordnung der Arbeiter in Rangstufen haben sich als unverträglich mit der Flüssigkeit erwiesen, in welche die früher festgegliederten Massen der gewerblichen Arbeiter durch die Leichtigkeit, den Ort ihrer Beschäftigung zu wechseln, geraten sind. Der Arbeitsmarkt hat sich dadurch in ähnlicher Weise erweitert wie der Gütermarkt; die gewerbliche Arbeitsleistung ist mehr und mehr zur Ware geworden, deren Preis sich nach den großen Konjunkturen der Geschäfte regelt; das persönliche Ver[S. 469]hältnis zwischen Arbeiter und Unternehmer, das früher wenigstens im Handwerk ein familienhaftes war, ist völlig gelöst oder doch gelockert.

Die Übersicht über die Leistungen dieser Transportmittel auf wirtschaftlichem Gebiet würde nicht vollständig sein, wenn nicht der wertvollen Dienste Erwähnung geschähe, welche sie der Post leisten. Sie fallen vorwiegend unter den Gesichtspunkt der Beförderung von Gedanken, welche neben derjenigen der Güter und Menschen gleichfalls Aufgabe der modernen Verkehrsmittel ist, jedenfalls soweit der Telegraph in Betracht kommt, aber auch bezüglich der Beförderung von Briefen und Drucksachen, insbesondere von Erzeugnissen der Presse, welche den wichtigsten Teil des Postdienstes bildet. Was die Post hierin für den geistigen Verkehr der Menschen leistet, beschränkt sich allerdings nicht auf das eigentlich wirtschaftliche Feld, aber es kommt auf diesem am erkennbarsten zur Erscheinung. Handel und Gewerbthätigkeit und damit das ganze wirtschaftliche Leben sind ohne die mitwirkende Thätigkeit der Post heute kaum zu denken. Und daß sie ihre Leistungsfähigkeit in Sicherheit, Häufigkeit und Billigkeit der Beförderung auf ein Maß gesteigert hat, das ans Wunderbare reicht, das ist wiederum nur durch den Gebrauch der Eisenbahnen, Dampfschiffe und Telegraphen möglich geworden, welche die Postverwaltung, zumal in Deutschland, mit hoher Umsicht für ihre Zwecke dienstbar gemacht hat. Weder das gleichmäßige niedrige Briefporto innerhalb des Einzelstaates, noch das geringe Briefporto im Weltpostverein, dessen Begründung einen der merkwürdigsten Fortschritte in der Kulturentwicklung der Menschheit darstellt, hätte uns geboten werden können, wären nicht Eisenbahnen und Dampfschiffe die bereitwilligen, billigen und zuverlässigen Träger der Korrespondenz.

3.

Großartige Wirkungen haben die modernen Verkehrsmittel auf dem Gebiete des Kriegswesens nach sich gezogen, und zwar sowohl in dem zu Wasser, wie in dem zu Lande. In der Kriegsmarine aller Staaten ist in den letzten 30 Jahren das Dampfschiff an die Stelle des Segelschiffes getreten, so daß letzteres nur noch ausnahmsweise zu Kriegszwecken verwendet wird. Damit im Zusammenhange steht die Veränderung der Geschütze, die Bekleidung mit Panzerplatten, die Ausstattung mit Türmen und die Umgestaltung der Gefechtsweise. Die größere Tragfähigkeit und die größere Lenkbarkeit der Dampfschiffe haben diese tiefgreifende Umgestaltung der Kriegsmarine zur Folge gehabt.

Bei der Kriegführung zu Lande hat die Lokomotive die Bedeutung eines direkten Kampfmittels zwar nicht erhalten, da die Versuche, gepanzerte Lokomotiven als solches zu gebrauchen, nur vereinzelt gemacht und nicht weiter verfolgt worden sind; jedoch haben Eisenbahnen und Telegraphen auch das Wesen des Landkrieges gründlich verändert. Schon in der Vor[S. 470]bereitung: Mit ihrer Hilfe vollzieht sich die Mobilisierung des Heeres und die Zusammenziehung seiner getrennten Teile auf die für den Angriff oder die Verteidigung geschickten Punkte in einem Zeitraume, dessen Kürze gegen die bei der frühern Art der Truppenbewegung erforderliche Zeit verschwindend klein ist. Die geschickte und energische Benützung dieser Hilfsmittel giebt unter Umständen einen Vorsprung, der für den Ausgang des Krieges entscheidend werden kann. Sie sind nicht minder wichtig während des Krieges, sofern sie für Beförderung der Truppen und Kampfmittel benutzbar sind. Die Armee, welche die Eisenbahnen beherrscht und im Besitz ihres Betriebsmaterials ist, beherrscht das Feld. Die Aufgabe des Feldherrn ist, aus ihnen die Bewegungen der Truppen so zu kombinieren, daß diese im gegebenen Zeitpunkte an bestimmter Stelle den feindlichen Kräften überlegen sind und diese entweder zum Rückzuge oder unter ihnen ungünstigen Umständen zum Kampfe nötigen. Die moderne Strategie besteht daher zu nicht geringem Teile in dem Wissen und dem Geschick, mit den Eisenbahnen als den mächtigsten Bewegungsfaktoren zu operieren und die Schlachten, in denen nach der gegenwärtigen Art der Bewaffnung mehr die Menge der Truppen als die persönliche Tapferkeit ausschlaggebend ist, nur da zu schlagen, wo diese entscheidende Überlegenheit der Massen gesichert ist.

Von eminenter Wichtigkeit ist sodann, daß durch die Eisenbahnen Proviant und Munition, sowie der erforderliche Ersatz an Mannschaften und Waffen der Armee nachgeführt und die Verwundeten aus der Nähe des Schlachtfeldes entfernt und in zurückliegende Lazarette oder in die Heimat verbracht werden können. Zahlreiche Leben werden dadurch gerettet. Wer dächte nicht mit inniger Dankbarkeit an diese Leistungen der Eisenbahnen in den letzten schweren Kriegen, welche Deutschland zu kämpfen hatte, und zugleich nicht auch an die Wirksamkeit des Telegraphen, der von Tag zu Tag über die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatze berichtete und die spannende Sorge unzähliger Herzen, welche um das Vaterland und um teure Angehörige bangten, verkürzte oder löste?

Wenn man mit Recht sagen kann, daß die Kriege der Jetztzeit blutiger geworden sind, so sind sie dafür kürzer und in gewissem Sinne menschlicher; letzteres nicht bloß insoweit, als die Opfer des Kampfes bessere Pflege erhalten, sondern auch darin, daß die friedliche Bevölkerung des von dem Kriege heimgesuchten Landes, dank den neuen Verkehrsmitteln, nicht so schwer wie in früheren Zeiten von der Last des Unterhaltes der kriegführenden Heere und ihres Trosses zu leiden hat. Ein großer Teil des grausigen Elends und der Barbarei früherer Kriege hatte darin seinen Grund, daß die Truppen von dem Lande verpflegt werden mußten, wo sie lagen, und daß die Notwendigkeit der Selbsterhaltung für sie jede Schonung der Bevölkerung ausschloß. Die Gegenden, in denen der Krieg gehaust hatte, verödeten oder verarmten auf Jahre hinaus. Das ist jetzt besser geworden.[S. 471] Auch jetzt noch ist der Krieg zwar eine harte Geißel; aber die Ordnung der Proviant- und Fouragelieferungen und des Requisitionswesens, welche durch die Eisenbahnen möglich geworden ist, setzt die Heeresleitung in den Stand, das Land vor erschöpfender Aussaugung zu bewahren und die Ausschreitungen der Truppen, welche in mangelhafter Verpflegung begründet sind, zu verhüten. Die Erhaltung besserer Manneszucht schützt gleichzeitig vor der Verrohung der Sitten und der Neigung zur Gewaltthätigkeit unter den Soldaten, welche sonst eine der beklagenswertesten Folgen der Kriege zu sein pflegten. Wenn auch das Ziel der menschlichen Kultur, ohne Kriege bestehen zu können, in unabsehbarer Ferne liegt, so ist es doch immerhin ein namhafter Fortschritt zu ihm, die Greuel, mit denen der Krieg verbunden ist, zu beschränken und zu mildern.

In diesem Zusammenhange ist auch der segensreichen Wirkungen der Feldpost zu gedenken. Zwar obliegt der Post auch in Friedenszeiten eine schöne ethische Aufgabe. „In den Falten der Briefe,“ sagt Dr. von Stephan so schön, „sind Freundestreue und Liebesglück, Vaterwort und Mutterthränen geborgen. Durch sie wird der sittliche Wert des Seelenumgangs zur Potenz erhoben, die pädagogische Wirkung, der ethische Gehalt des Familienlebens in Zeit- und Raumformen übertragen. Sie bringen den Frühling gleich den Scharen der Zugvögel, und sie streuen, wie beschwingte Boten des Äolus, den Blütenstaub der Heimat auch auf den entlegensten Pfad des fernen Wanderers.“ Niemals aber kommt diese ethische Wirkung der Post mehr zur Geltung, als in kriegerischen Zeiten. Das hat sich besonders während des großen deutschen Einheitskrieges der Jahre 1870 und 1871 gezeigt. „Der begeisterte Dank des Vaterlandes, die frischen Schilderungen der unmittelbaren Eindrücke, welche die Kunde von den großen Siegen hervorgerufen, vor allem aber die Wärme des Gefühls in den stets so freudig empfangenen Boten der Heimat,“ schreibt wiederum Stephan, der Augenzeuge jener welthistorischen Aktionen, „stärkte und belebte den Krieger; und daß diese Wärme auch ihr mechanisches Äquivalent besaß, zeigte sich in den siegreichen Schlachten.“ Wer übrigens die ethische Wirksamkeit einer geregelten Feldpost bezweifeln möchte, der sei auf die gleichfalls von unserem Generalpostmeister berichtete Thatsache verwiesen, wonach demselben bei Sedan gefangene Franzosen erzählten, sie hätten seit ihrem Abrücken aus der Heimat keine Briefe erhalten, und dieser Mangel an Nachrichten von den Ihrigen habe zu der Niedergeschlagenheit und Apathie der besiegten Armee nicht wenig beigetragen.

Auch in den friedlichen Beziehungen der Staaten treten deutlich genug die Einflüsse der modernen Verkehrsmittel zu Tage, sowohl bezüglich des Verhältnisses der Staaten zu einander, als auch hinsichtlich des innern politischen Lebens der Einzelstaaten.

[S. 472]

Man wird in der erstern Richtung nicht fehlgehen, wenn man den Eisenbahnen und Telegraphen einen wesentlichen Anteil beimißt an der der Zeit eigenen Tendenz zur Bildung von Großstaaten und zur staatlichen Zusammenfassung von Nationen. Die Gleichartigkeit und die Verdichtung der Interessen auf dem durch die Verkehrsmittel erweiterten wirtschaftlichen Gebiete verträgt nicht dessen Stückelung in staatliche Kleingebilde. Die materiellen Interessen verlangen vielmehr, um gedeihen zu können, möglichst weit reichende Gleichmäßigkeit der Gesetzgebung und Verwaltung, sowie eine starke staatliche Macht, welche sie nach außen und innen zu schützen vermag. Weder das eine noch das andere vermag der Kleinstaat zu bieten. Wenn in den Tagen des heiligen römischen Reiches deutscher Nation ein Chronist spotten konnte, daß ein guter Sechzehnender an einem Tage über die Länder von siebzehn Herren setzen konnte, so hatte dies für den Verkehr nicht viel zu sagen, da Menschen und Waren soviel langsamer gingen. Heute haben die Eisenbahnen die Schnelligkeit des Hirsches, und die Welt würde es nicht bloß lächerlich, sondern unerträglich finden, wenn das wirtschaftliche Leben, das sie entwickelt haben, in jedem Ländchen die besonderen Hemmungen neu erleiden müßte, welche dessen besondere Finanz- und Polizeihoheit ihm aufzulegen für gut finden möchte. Der festeste Halt des deutschen Zollvereins, bis die Zeit für das Deutsche Reich reif war, sind wohl die Schienen der Eisenbahnen gewesen. Heute freilich besteht Einheit im Deutschen Reiche hinsichtlich des Post- und Telegraphenwesens, des Münz-, Maß- und Gewichtssystems, des Militärwesens, und bald auch bezüglich der Rechtspflege.

Dazu kommt ein anderes wichtiges Agens, das Bewußtsein der nationalen Zusammengehörigkeit, welches durch den gesteigerten Verkehr zwischen den durch gemeinsame Sprache und Abstammung Verbundenen geweckt und lebendig erhalten wird. Es sucht seinen Ausdruck und findet sein Genügen nur in dem Aufbau eines entsprechenden staatlichen Organismus, der das Verwandte zusammenfaßt und durch diese Vereinigung stark genug wird, sich und jedem seiner Angehörigen auch in der Welt Ansehen und Geltung zu verschaffen. Der deutsche wie der italienische Einheitsgedanke sind auf diesem Wege aus dem Reiche gestaltlosen Wünschens und Sehnens zur thatkräftigen Verwirklichung gediehen. Sah doch K. Becker in seinen „gepanzerten Liedern“ und in seinem „fahrenden Poeten“ schon 1838 in den Eisenbahnaktien „Wechsel, ausgestellt auf Deutschlands Einheit“, und in den Schienen „Hochzeitsbänder, Trauungsringe“.

Der äußern Anziehungskraft entspricht nach innen eine Stärkung und Konzentrierung der Regierungsgewalt. Die Eisenbahnen und Telegraphen sind ein politisches Machtmittel ersten Ranges, in werdenden Staaten zur Befestigung des Staatsverbandes, in fertigen zur Kräftigung der Exekutive und zur Vermehrung des politischen Einflusses der[S. 473] Regierung. In Argentinien rühmt man, daß die Ära der Revolutionen geschlossen sei, seit die Centralregierung ein Telegraphennetz über das Land gelegt hat. Aufstände und Pronunciamentos in den entlegenen Provinzen waren früher an der Tagesordnung und hatten Zeit, sich auszubreiten, da Wochen vergingen, ehe die Kunde davon zum Sitze der Bundesgewalt drang. Gegenwärtig ist die telegraphische Meldung von der nächsten sichern Stelle und der telegraphische Befehl an die nächsten zuverlässigen Truppen Sache von ebensovielen Stunden, und es gelingt dadurch meist, aufständische Erhebungen im Keime zu ersticken. In den europäischen Kulturstaaten wird man keinen Anlaß haben, diese Wirksamkeit des Telegraphen an erster Stelle rühmend hervorzuheben; indessen giebt er in Verbindung mit der Eisenbahn auch hier der Regierung die Möglichkeit, sich von allen wichtigeren Vorkommnissen fast im Augenblick des Geschehens zu unterrichten und, wo es not thut, das geeignete Einschreiten anzuordnen. Es führt dies des weiteren dazu, daß die beschließende Gewalt in den Centralinstanzen sich zusammenzieht, dagegen die Selbständigkeit und die Verantwortlichkeit der lokalen Behörden beschränkt wird. In manchen, insbesondere kleineren Staaten resultiert daraus die Möglichkeit, Zwischenstellen zu beseitigen und den Behördenorganismus zu vereinfachen.

Die Eisenbahnen speciell verstärken die Staatsgewalt in doppelter Weise. Wo der Betrieb in den Händen der Regierung liegt, vermehrt sich die Zahl der ihr untergebenen Beamten, denen Pflicht und Interesse gebietet, da, wo politische Parteien bestehen, sich auf die Seite der Regierung zu stellen, deren Berufung und Anstellung aber in jedem Falle der Regierung auf Bewerber und Beliehene Einfluß sichert. Sie hat ferner durch die Regulierung der Frachttarife und die Ordnung der Fahrpläne eine ausnehmend starke Einwirkung auf den Betrieb des Handels und der Großindustrie, die sich eines andern Verkehrsmittels nicht mehr bedienen können, und durch die Erteilung oder Versagung von Konzessionen, die Unterstützung oder Erschwerung von neuen Unternehmungen die Entscheidung über das Gedeihen oder Nichtgedeihen ganzer Landstriche und Berufsklassen. In den Händen einer redlichen und gewissenhaften Regierung wird die Handhabung dieser Gewalt zum Nutzen des Landes gereichen; wo jene Voraussetzungen aber fehlen, ist die Gefahr schädlichen Mißbrauches sehr groß. Welche Macht über den Verkehr die Verwaltung der Eisenbahnen giebt, und wie empfindlich derselbe getroffen werden kann, wenn nicht unparteiische Rücksichtnahme auf das Gesamtwohl für die Leitung maßgebend ist, zeigt sich wie in einem verzerrten Spiegelbilde da, wo der Staat sich des Einflusses darauf begeben und den Betrieb Privatunternehmungen überlassen hat. Beispiele dafür giebt Frankreich in der Abhängigkeit von den sechs großen, den Eisenbahnverkehr beherrschenden Gesellschaften, und Nordamerika in dem bekannten Tarifunwesen der Vereinigten Staaten.

[S. 474]

Die Anspannung, welche durch die Eisenbahnen und Telegraphen dem staatlichen Organismus gegeben wird, beschränkt sich indes nicht auf die Regierungsgewalt; sie kann sich auch offenbaren und offenbart sich thatsächlich in der gesteigerten Teilnahme des Volkes am politischen Leben. Auch dies geschieht auf doppeltem Wege: durch die Erleichterung des persönlichen Verkehrs und durch die Beschleunigung und Ausdehnung der Gedankenmitteilung in Presse und Briefwechsel. Was die Erleichterung des Reisens wirkt, das sehen wir deutlich während der politischen Wahlen in den Fahrten der Kandidaten, die den Wählern sich vorstellen wollen, wie der Abgeordneten, die ihnen über die Ausführung ihres Mandates Rechenschaft geben, oder der Volksvertreter, die während der Parlamentssitzungen das Bedürfnis fühlen, sich durch Berührung mit ihrem Wahlkreise die Kräfte zu stählen.

Bei weitem größer noch ist der Einfluß des gedruckten Wortes, das in Tagesblättern und anderen periodischen Zeitschriften verbreitet wird, so zahlreich, schnell und billig, daß vor fünfzig Jahren verlacht worden wäre, wer dies mit Ziffern hätte ausdrücken wollen. Hierzu haben zwar noch andere Ursachen mitgewirkt: Vervollkommnungen in der Technik des Buchdrucks und der Papierfabrikation, die höhere Durchschnittsbildung infolge des verbesserten Schulunterrichts, das Bedürfnis des Handels; allein wenn die Leichtigkeit der Produktion auch noch größer wäre, als sie bisher geworden, sie wäre praktisch doch wertlos ohne die Leichtigkeit der Vertreibung. Von deren Umfang giebt es, wenn keine genaue Vorstellung, so doch eine Empfindung, daß im Jahre 1882 mehr als 2½ Milliarden Zeitungsnummern im Bereiche des Weltpostvereins zur Versendung aufgegeben worden sind, von denen ein nur ganz kleiner Teil anders als durch die Eisenbahn befördert worden ist. Da die Mehrzahl der Zeitungen vorwiegend oder teilweise politischen Inhalts ist, läßt sich ermessen, welchen Anteil jene Verbreitung politischer Nachrichten und Meinungen an der politischen Bildung der Bevölkerung, welche daraus fast ausschließlich schöpft, und an ihren politischen Strebungen hat, welchen Anteil, auch über politische Fragen hinaus, an der Entstehung und der Gestaltung der öffentlichen Meinung überhaupt, die heute mehr als je eine Macht ist.

4.

Auch die Denk- und Handlungsweise und im weitern Verfolge die daraus sich niederschlagende Sitte des Volkes haben durch die veränderten Verkehrsmittel höchst bedeutsame Veränderung erfahren.

Zu den Lichtseiten ist in erster Linie die ganz unermeßliche Vermehrung von Kenntnissen, Vorstellungen und Begriffen zu rechnen, welche der Bevölkerung von Ländern zu teil wird, deren Verkehr Eisenbahnen und Tele[S. 475]graphen vermitteln. Es bewirkt eine solche teils die Presse, deren bezüglicher Einfluß, soweit er die Kenntnis politischer Angelegenheiten und die Anregung der Teilnahme dafür betrifft, bereits erwähnt worden ist, die aber auch darüber hinaus in allen wissenswerten Dingen täglich Belehrung verbreitet, der Bewässerung gleich, die in zahlreichen kleinen Rinnsalen das befruchtende Naß über weite Flächen verteilt; teils und mit nicht geringerem Erfolge ist hieraus das Reisen von Einfluß, zu welchem die Eisenbahnen Möglichkeit und Anreiz geben. Wie leicht diesem Anreiz nachgegeben und wie gern die Neigung dazu befriedigt wird, lehrt die tägliche Erfahrung. Man fährt heute in derselben Zeit und mit nicht viel größeren Kosten an die Küsten der See oder in die Alpen, wie früher die Strecke von einigen Meilen, und man nützt die Gunst der veränderten Lage mit aller Ausgiebigkeit, sei es um Schäden der Gesundheit auszubessern oder zu verhüten, sei es um der geistigen Erholung, sei es um der Belehrung, sei es um des Vergnügens willen. Die Frequenz der Bäder, das Aufkommen der Sommerfrischen und Luftkurorte, die Urlaube für alle Kategorieen von Beamten, die eine ständige Einrichtung geworden sind, während sie ehedem nur wegen Krankheit erteilt zu werden pflegten, der allgemeine Auszug zur Zeit der Schulferien, Vergnügungs- und Extrazüge an Sonn- und Feiertagen, Stangensche Expeditionen nach dem Nordkap, nach Palästina oder um die Welt, alles dies sind Beweise für die Reiselust, die in die modernen Menschen gefahren ist, und für die Leichtigkeit, sie zu befriedigen. Eine noch besonders hervorzuhebende Species bilden die Reisen zu Versammlungen von Berufsgenossen, zu wissenschaftlichen Kongressen, oder zu geselligen Zusammenkünften, die zumal in Deutschland in Blüte stehen. Es giebt kaum einen Stand oder eine Berufsgemeinschaft, die nicht das Bedürfnis fühlte, daß die Genossen sich ab und zu persönlich zusammenfinden und an wechselnden, möglichst angenehmen Orten miteinander „tagen“. Ärzte, Naturforscher, Armenpfleger, Gewerbetreibende aller Art, Lehrer, der Handelstag, der Juristentag, Ingenieure, Forstleute, — wer vermöchte die Fülle der Vereinsfreudigen und Kongreßbedürftigen zu erschöpfen? Dann kommen die Musik- und Liederfeste, die Schützenfeste, nicht zuletzt die Ausstellungen, in denen Fischerei und Landwirtschaft, die Industrie wie die schönen Künste ihre Leistungen zeigen und vergleichen, und die ihre höchste Vollendung in den periodischen Weltausstellungen gewonnen haben. Ohne die Eisenbahnen wäre diese leichte Beweglichkeit, diese Lösbarkeit des Menschen vom Boden, die einer tiefen Sehnsucht seiner Natur entgegenkommt, überhaupt nicht oder nur in beschränktem Umfange möglich.

Unleugbar ist damit eine bedeutende Bereicherung durch neue Anschauungen und Wahrnehmungen, eine namhafte Erweiterung des geistigen Gesichtskreises und eine Fülle von Anregung zu geistiger Thätigkeit verbunden, selbst da, wo die Absicht darauf nicht gerichtet war. Irrtümer werden[S. 476] aufgeklärt, Vorurteile überwunden; heimische Mängel machen sich durch den Vergleich mit Fremdem fühlbar, und das als besser Erkannte wird nachgeahmt und übernommen. Neben der Intelligenz gewinnt auch der Wille. Die Eisenbahnen verlangen genaue Innehaltung der Zeit und zwingen alle, die sich ihrer bedienen, sich nach ihrer Ordnung zu richten. Sie erziehen dadurch in ganz hervorragender Weise zur Pünktlichkeit und zu richtiger Schätzung des Zeitwertes, zum raschen Entschließen und zur Ablegung der Umständlichkeit, Eigenschaften, die sich dann auf das Handeln im Leben überhaupt übertragen. Man kann den Mangel dieser Disciplinierung an der Bevölkerung in Gegenden beobachten, in welchen Eisenbahnen neu eröffnet werden, ihre günstigen Wirkungen hingegen schon wahrnehmen bei den Schulknaben, die auf den Tramways fahren, oder auf den Schülerzügen, welche die Eisenbahnen in der Nähe größerer Städte eingerichtet haben.

Neben diesen im ganzen wohlthätigen Folgen treten jedoch nach dem aller menschlichen Entwicklung immanenten Gesetze auch solche in die Erscheinung, welche nachteilig sind. Wenn die Leichtigkeit der Ortsveränderung die Möglichkeit bietet, die Vorstellungen und Kenntnisse zu erweitern, so verführt sie andererseits leicht zur Oberflächlichkeit der Beobachtung, die an Gründlichkeit und Tiefe verliert, was sie an Ausdehnung gewinnt. Man reist heutzutage weit, aber man sieht flüchtig. Zwischen dem Anfang und dem letzten Ziele der Reise hält der Passagier in der Regel nur so lange an, als der Eisenbahnzug hält, oder er überschlägt auf wichtigen Stationen höchstens einmal einen Zug. Was dazwischen liegt, fliegt vorüber wie ein Wandelbild im Theater oder wird überschlafen. Bädeker oder Murray genügen als Führer und Leuchte. Für manche ist die Zahl der Meilen, die sie zurücklegen, die Hauptsache. Globetrotters nennt man sie in England, wo diese Species besonders gedeiht. Daß bei solcher Art zu reisen nicht viel Nützliches herauskommt, liegt auf der Hand; wohl aber bringt sie Blasiertheit auf der einen, Neigung zu absprechendem Urteil auf der andern Seite zuwege. Naheliegende Beispiele sind die hauptstädtischen Kinder, die schon in früher Jugend auf allen Eisenbahnen herumgefahren werden, nicht bloß zum Schaden ihres Körpers, sondern auch ihrer innern gesunden Entwicklung. Von der Frühreife, der Voreiligkeit des Urteils, dem Mangel an Innerlichkeit, der Nervosität, die bei vielen solchen Kindern aus den wohlhabenden Klassen zu Tage treten, ist ein gut Teil der Überreizung durch zu frühes und zu ausgedehntes Reisen beizumessen, wenn auch für den Mißbrauch nicht sowohl die Eisenbahn, als vielmehr der Unverstand der Eltern verantwortlich zu machen ist.

Andere unerwünschte Folgen sind, daß über dem Fernen und dem Streben danach das Nahe vernachlässigt wird; gar viele wissen mehr vom Auslande als von ihren nächsten Umgebungen. Damit[S. 477] geht die Anhänglichkeit an die Heimat und die Wertschätzung des Heimischen vielfach verloren. Denn nur was man kennt, liebt man mit Treue. Von der Gleichgültigkeit zur Geringschätzung ist aber nur ein kurzer Schritt. Es erklärt sich daraus das Verschwinden alter Gebräuche, die dem Zusammenleben in Familie und Gemeinde Halt geben, die Unzufriedenheit mit der häuslichen Beschränktheit, wohl auch eine Lockerung der persönlichen Autoritätsverhältnisse, insbesondere dem Alter gegenüber, das mit seinen im engen Kreise gesammelten Erfahrungen gegen das Viel- und Besserwissen der gereisten Jugend nicht aufkommen kann.

In weiterem Bereiche erklärt sich daraus die rasche Verbreitung der Moden, sowie eine gewisse Nivellierung der Lebenshaltung und Sitten. Die Herrschaft der Mode wird zwar aus allen Zeitaltern berichtet, und ihre Excesse scheinen ehedem noch bedeutender gewesen und für gefährlicher erachtet worden zu sein als heute; sie brauchte aber eine längere Zeit, ehe sie von den tonangebenden Plätzen oder Klassen nach außerhalb oder in andere Schichten der Bevölkerung durchdrang. Charakteristisch ist ihr jetzt, durch die Verkehrsmittel begünstigt, die Schnelligkeit der Bewegung insbesondere durch die verschiedenen Stände hindurch und das Streben nach Ausgleichung zwischen Stadt und Land. Städtische Tracht und städtischer Hausrat verdrängen selbst in den entlegensten Dörfern die dort bisher gewohnten Kleider und Geräte und ebnen städtischem Brauche bei häuslichen Festen und sonst den Weg. Die Unterschiede zwischen bürgerlichem und bäuerlichem Leben vermindern sich namentlich da, wo die Großindustrie im Gefolge der Eisenbahn auf dem Lande sich einrichtet und die ländliche Bevölkerung zur Fabrikarbeit anzieht.

Zum Schlusse mag hier auch der Förderung gedacht werden, welche die Wissenschaften durch die modernen Verkehrsmittel erfahren haben und teilweise noch jetzt erfahren. So stellt sich der telegraphische Dienstbetrieb für zahlreiche Fragen der Physik, der Mechanik und der Chemie als ein Experiment im großen dar. Die Anlage telegraphischer Linien trug bei zur Aufhellung unbekannter Länder und zur Erforschung von Meerestiefen. Selbst für zoologische Forschungen hat sich der Telegraph insofern nützlich erwiesen, als bei der Wiederaufnahme versenkter Kabel nicht selten früher unbekannte Tiefseetiere ans Licht gezogen wurden. Mindestens ebenso hoch ist der unmittelbare Nutzen zu veranschlagen, welcher der Wissenschaft aus dem astronomischen, geodätischen und meteorologischen Dienste der Telegraphie erwächst. Die Meteorologie hat durch die Organisation der Wettertelegramme, welche sich nahezu über die ganze kultivierte Welt erstreckt, einen Wirkungskreis von ungeahnter Ausdehnung und einen Beobachtungsapparat von unübertroffener Genauigkeit und schnellster Funktion erlangt.

Welchen Gewinn zogen die Wissenschaften aus der Erbauung der Eisenbahnen? Sämtliche Ingenieurwissenschaften, wie die Meßkunst, die Mechanik,[S. 478] Statik und Dynamik sind durch den Bahnbau in kürzester Zeit in ganz außerordentlicher Weise gehoben worden. Auch die Metallurgie ist in ein ganz neues Stadium getreten und besonders das Eisen in vollstem Umfang als Baumaterial zur Verwendung gelangt. Für die Geographie kommen zwar die Beiträge zur Höhenkunde, welche die Eisenbahn-Nivellements liefern, in denjenigen europäischen Ländern, welche eine gute Landesaufnahme besitzen, weniger in Betracht, obwohl die Eisenbahnbauten auch hier insofern indirekt von Nutzen waren, als sie den Wert einer möglichst guten Landesaufnahme recht augenfällig machten; in nicht vermessenen Ländern dagegen haben die Voruntersuchungen und Nivellements die Kenntnis des Bodenreliefs ganz außerordentlich gefördert. So danken wir einen guten Teil dessen, was wir von den Gebirgen und Plateaux im Westen der Vereinigten Staaten wissen, den großartigen Forschungen zur Ermittelung der besten Eisenbahnroute vom Mississippi nach dem Großen Ocean.

In ähnlicher Weise haben Pallisers Vorstudien zur Anlegung einer Verbindungslinie von Canada über britischen Grund und Boden nach dem Großen Ocean eine genauere Kenntnis des südwestlichen Teiles von Britisch Nordamerika erschlossen, und nicht minder sind die Vorarbeiten zu Eisenbahnen in Australien, einzelnen Teilen von Asien und Afrika der Erdkunde zu gute gekommen. In gleicher Weise hat sich die Schiffahrt fast sämtlichen Wissenschaften direkt und indirekt dienstbar erwiesen.

5.

Endlich äußern sich die Einwirkungen der modernen Verkehrsmittel auch in den öffentlichen gesellschaftlichen Zuständen, und zwar in zweifacher Weise: in der demokratischen Tendenz der Gesellschaft und dem Vorherrschen des Materialismus. Die demokratische Richtung, welche der Zeit eigen ist, beschränkt sich nicht auf die Geltendmachung in der Form der staatlichen Verfassung, sondern durchdringt darüber hinaus das ganze gesellschaftliche Leben. In diesem weitern Sinne bedeutet sie die Vermischung der Klassenunterschiede, die Aufhebung überkommener Vorrechte und ererbter Sonderstellung, die Geltendmachung der Individualität.

Unleugbar ist diese Richtung der menschlichen Entwicklung älter als Eisenbahnen und Telegraphen, so daß diese zu ihrer Entstehung nicht mitgewirkt haben; allein ebenso unleugbar ist, daß sie ihr kräftig Vorschub geleistet haben, nicht minder als der Schulzwang, die allgemeine Militärpflicht und das allgemeine direkte Wahlrecht. In gewissem Sinne geschieht dies unmittelbar schon durch die Art des Eisenbahnbetriebes selbst, obwohl sich auch sagen läßt, daß gewisse Modalitäten desselben Ausfluß der Demokratisierung der Gesellschaft sind. Die Eisenbahnen behandeln ihre Passagiere gleich; alle müssen sich derselben Regel und Ordnung fügen. Kein einzelner[S. 479] unter ihnen, und wäre er sonst der Mächtigste oder Vornehmste, kann beliebig über die Zeit der Abfahrt oder Ankunft, über das Tempo der Fahrt oder über die Dauer der Aufenthalte bestimmen; selbst Extrazüge müssen sich der Ordnung des Betriebes einfügen und vertragen keine Abänderungen der einmal getroffenen Disposition. Allerdings bestehen auf den meisten europäischen Eisenbahnen verschiedene Wagenklassen; aber diese Wagenklassen unterscheiden sich nur durch den Preis, für welchen ein größeres oder geringeres Maß von Bequemlichkeit geboten wird. Wer den Preis zahlt, wird in den betreffenden Wagen aufgenommen, ob er den Mitreisenden gefällt oder nicht, und hat Anrecht auf dieselbe Behandlung wie alle Passagiere derselben Klasse. Noch deutlicher vielleicht als auf der Eisenbahn tritt diese Gleichheit der Rechte und der Behandlung auf den Tramways der großen Städte hervor, auf denen Passagiere aller Stände ohne Ansehen der Person auf derselben Bank nebeneinander sitzen. Es ist nicht zu verkennen, daß dieses häufige Nebeneinandertreten verschiedener Stände geeignet ist, die Unterschiede derselben in der Vorstellung besonders der niederen Klassen allmählich aufzuheben, und daß diese Veränderung der Anschauung sich in dem Anspruch der Gleichberechtigung über die Stelle hinaus, wo sie ihren Anstoß erhalten, auch auf anderem Gebiet geltend macht.

Indessen ist diese Einwirkung, wenn auch an sich nicht ohne Bedeutung, doch nicht entscheidend. Schwerer wiegt die Veränderung der Stellung, in welche der „vierte“ Stand gelangt ist, und an welcher die Verkehrsmittel einen wesentlichen, wenn auch mehr indirekten Anteil haben.

Die Großindustrie, welche auf die Eisenbahnen sich stützt, hat, wie in ihren Erzeugnissen auf die Massen berechnet, so auch behufs der Erzeugung derartige Mengen von Arbeitern herangezogen, daß sie in manchen Ländern zur Zeit die Mehrheit der Arbeiter überhaupt bilden. Mit der aus den Erfolgen der Industrie gewonnenen Einsicht in den Wert ihrer Arbeit ist den Arbeitern auch das Bewußtsein ihrer Macht gekommen, und zwar um so stärker, je mehr die Erleichterung der Ortsveränderung sie von der lokalen Gebundenheit gelöst und das Absatzgebiet ihrer Arbeit, den Markt der Hände, erweitert hat. Dazu kam die auf demselben Grunde beruhende Möglichkeit einer nähern Verbindung untereinander behufs Verfolgung gemeinsamer Ziele, die sich in Vereinen aller Art, offen oder geheim, ständig oder vorübergehend, organisierte. Die Trade-Unions in England, die Gewerkvereine in Deutschland, die weitreichenden Strikes in fast allen Industriestaaten sind Beispiele der einen oder andern Art solcher Verbindungen. Wie dieselben über ihr nächstes Ziel, Erreichung eines dem Werte der Arbeit besser entsprechenden Lohnes, Sicherung gegen Gefährdung der Gesundheit aus vorzeitiger Erschöpfung der Körperkraft u. s. w., hinausgewachsen sind zu dem socialdemokratischen Streben, die Gesellschaft in ihren Grundlagen umzuändern, und wie sie allgemach mit Hilfe des allgemeinen Wahlrechts zu[S. 480] einer politischen Partei geworden sind, die in einer alle Voraussicht übertreffenden Ausdehnung an Zahl und Kraft zunimmt, das vollzieht sich vor unseren Augen.

Der Demokratisierung der Gesellschaft geht der Materialismus auf ethischem Gebiete parallel. Die letztere Einschränkung deutet an, daß dabei nicht sowohl an die philosophische Weltanschauung, welche als die materialistische bezeichnet wird, gedacht ist, als an den praktischen Materialismus, der aus jener theoretischen Auffassung der Materie hervorgehen kann, aber auch vielfach die Gesinnung und Handlungen beherrschende Auffassungsweise bei solchen ist, die mit metaphysischen Betrachtungen sich nicht abgeben. Dieser praktische Materialismus kennzeichnet sich durch das Vorwalten der materiellen Interessen vor den idealen, durch Anerkennung des Egoismus als des leitenden Princips des Handelns, durch die Wertschätzung der menschlichen Handlungen lediglich nach ihren irdischen Folgen, durch die Ablehnung alles Transscendenten, oder alles dessen, was über die Wirksamkeit der Naturgesetze hinausgeht.

Der Zug zu diesem Materialismus ist ebenfalls nicht neu in der Geschichte der menschlichen Kultur; aber neu ist, daß er in die Massen eindringt, und daß diese streben, ihn nach Zerstörung oder Reform der alten Staats- und Gesellschaftsordnung zur Herrschaft zu bringen.

Die Ursachen dieses Prozesses sind sehr kompliziert. Wenn man die Bezeichnung unseres Zeitalters als des materialistischen und als desjenigen der Eisenbahnen und Telegraphen öfter in Einem Atem wie gleichbedeutend nebeneinander hört, so möchte man annehmen, daß der herrschende Materialismus ausschließlich oder vorwiegend auf die Einwirkungen der modernen Verkehrsmittel zurückzuführen sei. Dies trifft zweifellos nicht zu. Immerhin ist diese Gedankenverbindung nicht ohne Berechtigung.

Was aus der zunehmenden Demokratisierung der Gesellschaft und der Ausbreitung des Materialismus sich herausbilden wird, liegt verborgen. Daß die modernen Verkehrsmittel in jedem Falle deren Bewegung beschleunigen, ist zweifellos; aber auch der Beobachter, der sie für einen Rücklauf in der menschlichen Kultur ansieht, wird dadurch nicht zu einem abfälligen Urteil über die dauernden Vorteile bestimmt werden, welche Eisenbahnen und Telegraphen der gesamten Menschheit bringen. Es sind nicht bloß Schwärmer, die da meinen, daß letztere, dem Speere des Achilles gleich, die Wunden, die sie schlagen, auch wieder heilen. Wie sie den Handel zum Welthandel gemacht, die Volkswirtschaft zur Weltwirtschaft erhoben, so wird ein kommendes Jahrhundert vielleicht auch sehen, daß sie dazu helfen, den Widerstreit der Nationen zu begleichen und die friedlich gewordenen Völker zu Weltstaaten zu vereinigen, in denen auch der Idealismus wieder zu seinem Rechte kommt.


[S. 481]

Nachtrag.

1. Unterirdische und unterseeische Telegraphenleitungen der Staaten der Erde nach dem Stande des Jahres 1884

(nach der Statistik des internationalen Telegraphenbureaus zu Bern).

Länder. Länge der Linien, Länge der Leitungen,
der unter-
irdischen.
km.
der unter-
seeischen.
km.
der unter-
irdischen.
km.
der unter-
seeischen.
km.
Belgien   12,5   262 
Bosnien-Herzegowina    0,4     1,5
Dänemark    4    167    121    891 
Deutschland 5645,5    68,7 38143,2   152,5
Frankreich mit Korsika 1529   5094  12709   5147 
Griechenland    1   1378      4   1378 
Großbritannien und Irland  939,2  2064  26723,2  7188,8
Italien   186    186 
Niederlande  120    170    647,1   275,1
Norwegen   333    402 
Österreich   69    182,4   809,1   199,9
Rumänien   23,5     7,6    88,5    17,1
Rußland  251,4   500,7   336,9   618 
Schweden   101,    138 
Schweiz   71     18,2   402,4    18,2
Serbien    1      1     12      4 
Spanien  129    236    337    236 
Türkei   610,3   619 
Ungarn
 Europa 8796,5 11117,9 80596,9 17470,6
Brasilien    24     24 
Cochinchina und Cambodja    2,1    13,3    25     15,4
Algier und Tunis   48    934    246    934 
Britisch Indien  2399,1  3421,4
Niederländisch Indien    68     68 
Japan    83    178 
Siam     5      5 
Neu-Seeland   361,6   534,4
Erde 8846,6 15005  80867,9 22650,8

[S. 482]

2. Der Telegraphen-Verkehr der Länder Europas im Kalenderjahre 1884.

(nach der „Statistik der Deutschen Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung für das Kalenderjahr 1884“).

Länder Staats-
Telegraphen-
Im Besitze von Staats-
u. Privateisenbahnen
u. von Privaten befind-
liche Telegraphen-
Telegra-
phen-
Anstal-
ten
ins-
gesamt
Linien
km.
Leitungen
km.
Linien
km.
Leitungen
km.
Belgien   6299   29794   1140   885
Bulgarien (1883)   2116    3163    52
Dänem. m. d. Färöern   3815   10782   2087   4375   350
Deutschland  79565  288012  21324  69377 12478
Frankreich  82426  249753  15632 103637  8089
Griechenland   6843    7672    245    245   158
Großbritan. u. Irl.  45355  225774  24691  6027
Italien  27791   79494   1583  23772  2915
Luxemburg    338     631    434    683    65
Montenegro (1880)    338     338    15
Niederlande   4541   16510   2391   6919   362
Norwegen   7345   13548   1614   2488   314
Österreich  24086   65308  13721  32786  2903
Portugal m. Madeira
u. d. Azoren (1883)
  4871   11611   237
Rumänien (1883)   4871   10063   1977   3954   229
Rußland, (europ., 1883)  97001  179740  26995  57393  2960
Schweden   8562   20871   4056  10863   856
Schweiz   6874   16618   1360   4965  1214
Serbien   2386    3330    244    488    94
Spanien  17853   43446   8252  20629   882
Türkei, europ. (1882)  23388   41688   464
Ungarn  15755   40789    788  20830  7349
Europa, rund 472000 1359000 103000 389000 43100
Länder Apparate[272] Eine
Telegraphen-
Anstalt
entfällt auf
Aufgelieferte
Telegramme
(Inland und
nach dem
Auslande).
System
Morse.
Ins-
gesamt.
qkm. Ein-
wohner
Belgien  1482  1547   33,3  6464   3076715
Bulgarien (1883)    95 1192,7 38442    290582
Dänem. m. d. Färöern   338   338  113,2  5659    747788
Deutschland 11435 17114   43,2  3625  15741762
Frankreich 10589 13180   65,3  4657  26949240
Griechenland   232   232  402,6 12490    512259
Großbritan. u. Irl.  3920 17052   52,6  5967  31935169
Italien  5107  5223  101,6  9930   7606379
Luxemburg   113   113   39,8  3224     58917
Montenegro (1880)  628,9 19067
Niederlande   325   498   39,8  7613   2563576
Norwegen   325   498 1013,4  6182    824620
Österreich  3955  4045  103,3  7628   4806247
Portugal m. Madeira
u. d. Azoren (1883)
  360  389,2 19201    561405
Rumänien (1883)   570   573  699,3 22009   1055392
Rußland, (europ., 1883)  3025  3198 1820,8 28263   9509328
Schweden   536   518  517,3  5378    990098
Schweiz  1774  1901   34,1  2333   2255061
Serbien   163   163  516,8 19848    359794
Spanien   867   985  574,9 18970   2481420
Türkei, europ. (1882)  1262  1272  565,5 14294   1133286
Ungarn  1815  1839  231,5 11595   2639160
Europa, rund 47967 70883  227,5  7657 116095000
Länder Auf
100
Einw.
ent-
fallen
Teleg.
Telegraphenbetriebs-
Einnahmen.
Mark.
Ausgaben.
Mark.
Überschuß (+)
oder
Zuschuß (–)
Mark.
Belgien 53,8  2174436  2748261  573825
Bulgarien (1883) 14,5  
Dänem. m. d. Färöern 37,8   781560  1017868  236308
Deutschland 34,8 [273] [273] [273]
Frankreich 71,5 [274] [274] [274]
Griechenland 25,9   807954   774016 +  512259
Großbritan. u. Irl. 88,8 35804428 35311992 +  492436
Italien 26,3 10341442  8126868 +
2214576
Luxemburg 28,1    36928    72432   35504
Montenegro (1880)  
Niederlande 59,9  1770567  3036416 1265849
Norwegen 42,5  1144469  1282118  137649
Österreich 21,7 [275] [275] [275]
Portugal m. Madeira
u. d. Azoren (1883)
12,3  
Rumänien (1883) 20,9 [276] [276] [276]
Rußland, (europ., 1883) 11,4 26393194 22535858 + 3857336
Schweden 21,5  1710221  1543960 +  166261
Schweiz 79,6  2051196  1875407 +  175789
Serbien 19,3   352864   383542   30678
Spanien 14,8  4702895  4769300   66405
Türkei, europ. (1882) 17,1  7060214  4008151 + 3052063
Ungarn 16,9  3093919  3059846 +   34073
Europa, rund 35,2 99164000 90546000 + 7680000

[S. 483]

3. Der Telegraphenverkehr der wichtigsten außereuropäischen Staaten.

(nach der Statistik des internationalen Telegraphenbureaus zu Bern, 1884).

Länder. Linien.
km.
Lei-
tungen
km.
Tele-
graphen-
An-
stalten.
Appa-
rate.
Brasilien   9304  15197   159  211
Ägypten   4346   8400   128  254
Algier und Tunis   9500  18120   246  647
Britisch-Indien  40773 120184  2115 1260
Niederländ.-Indien   5747   7771   178  277
Japan   8881  23698   355  668
Ver. Staaten. v. A. 236000 739652 14184
(Comp. Western-Union.)        
Länder. Telegramme
(Inland und
nach und von
Ausland.
Einnahmen
in Frcs.
Ausgaben
in Frcs.
Brasilien   331884  2599829  3806355
Ägypten   620785
Algier und Tunis  1618922
Britisch-Indien  2159063  9454286  7118450
Niederländ.-Indien    88600
Japan  2599711  3564654  3270743
Ver. Staaten. v. A. 42096583 88534168 60029547
(Comp. Western-Union.)      

4. Telegraphennetz der Erde (Ende 1884).

Nach Habenicht war der Stand des Telegraphennetzes in den verschiedenen Kontinenten Ende 1884 folgender:

Europa  577000 km Linien mit 1753000 km Drähten,
Amerika  430000 1050000
Asien   65000  160000
Australien   51000   92000
Afrika   25000   45000
Zusammen 1148000 km Linien mit 3100000 km Leitungen.

5. Fernsprechwesen.

1. Nach Hennickes Angaben über das Fernsprechwesen in „Nord- und Süd“, Septemberheft 1886, ist die auf S. 57 befindliche Tabelle über die Verbreitung des Fernsprechwesens dahin zu berichtigen, daß in Deutschland die Zahl der Städte mit Fernsprech-Einrichtungen 92 und die (abgerundete) Zahl der Stellen 16500, in England die Zahl der ersteren gegen 89, die der letzteren 15500 beträgt. — Deutschland steht demnach nicht nur bezüglich der Zahl der Städte mit Fernsprech-Einrichtungen an der Spitze der europäischen Länder, sondern es übertrifft sie auch alle betreffs der Zahl der Fernsprechstellen.

2. Hinsichtlich der Rechtsverhältnisse im Fernsprechbetrieb ist schon S. 57 bemerkt, daß Deutschland und die Schweiz das Fernsprechwesen in staatliche Verwaltung genommen haben. Nach Hennickes Mitteilung sind aber auch die meisten übrigen Staaten Europas des Betriebs durch Privatgesellschaften bereits überdrüssig geworden und haben sich entschlossen, so England, Frankreich, Italien und Rußland, teils selbst Fernsprech-Anlagen einzurichten, teils die Privatgesellschaften auszukaufen.

[S. 484]

3. Nach derselben Quelle beträgt der jährliche Abonnementsbetrag für Benützung einer Fernsprechleitung bis zur Länge von 2 km in:

  Mark.
Deutschland 150
Belgien 160–200
Frankreich:  
 der Staat erhebt 136–160
 Privatgesellschaften:  
  in Paris 480
  in der Provinz 120–160
Großbritannien:  
 der Staat erhebt:  
  in London (nur Privatges.)  
  in den übrigen Orten 165
 Privatgesellschaften:  
  in London 220
  in den übrigen Orten 200–400
Italien 100–140
den Niederlanden 136–204
Österreich-Ungarn 180–300
Rußland 560
Schweden 128–216
der Schweiz 120–200
Spanien 200

Die S. 57 mitgeteilten diesbezüglichen Angaben sind hiernach zu berichtigen.


[S. 485]

Register.

Die Zahlen bedeuten die Seiten des Buches.

I. Telegraphie.

  • Ampère 5.
  • Apparate,
  • telegraphische 5, 6, 7, 8;
  • Zahl derselben 45,
  • siehe auch den Nachtrag 2;
  • Fernsprech- 56.
  • Armstrong 20.
  • Babinet 21.
  • Bell 55.
  • Benett-Mackay-Kabel 29.
  • Böckmann 14.
  • Brett 20.
  • Chappe Claude 2.
  • Commercial Cable Company 29.
  • Cooke 6, 8, 40.
  • Davy 8.
  • Delany 8.
  • Druckapparat 6.
  • Eastern Telegraph Company 26.
  • Edison 8, 55.
  • Electric Telegraph Company 8.
  • Elektricität, Reibungs- 3.
  • Elektromagnetismus 4.
  • Elisha Gray 55.
  • Erdleitung 6.
  • Fahie 20.
  • Fardely 8.
  • Fechner 5.
  • Fernsprache im Altertum 56,
  • bei den Negern 56.
  • Fernsprechwesen:
  • Geschichte 54;
  • Rechtsverhältnisse 57,
  • siehe auch den Nachtrag 5;
  • Statistisches 57, 58,
  • siehe auch den Nachtrag 5;
  • Bedeutung 58;
  • Apparate 56;
  • Anlagen 58.
  • Field, Cyrus 21.
  • Flaggensignale 2.
  • Galvanismus 4.
  • Gauß 5, 6.
  • Gebühren 41–44, 52–53, 57;
  • siehe auch den Nachtrag 5.
  • Guttapercha 14, 19.
  • Hooke 2, 54.
  • Hughes 7, 55, 56.
  • Isolatoren 10.
  • Jacobi 14.
  • Kabel,
  • siehe die Artikel Telegraphenleitungen, unterseeische, und Telegraphenlinien, unterseeische.
  • Kabelseele 17.
  • Kabelgesellschaften 27.
  • Kautschuk 16.
  • Konferenzen 42–46.
  • Leitungen,
  • oberirdische 9–14,
  • unterirdische 14–19,
  • unterseeische 19–29;
  • Aufstellung von oberirdischen Leitungen 10–14;
  • siehe auch „Telegraphenleitungen“.
  • Leitungsdraht 9, 16.
  • Leitungsstörungen 33–41.
  • Lesage 3.
  • Meyer 8.
  • Mikrophon 55.
  • Montgomery 14.
  • Morse 6, 8, 20.
  • Morse-Alphabet 7.
  • Morse-Apparate 46;
  • siehe auch den Nachtrag 2.
  • Nadelapparat 5.
  • Oersted 4.
  • Optische Signale 1.
  • O’Shaugessy 20.
  • [S. 486] Play 20.
  • Poggendorf 55.
  • Preece 54.
  • Quadruplex-System 8.
  • Quadruplex-Translator 5.
  • Reis 54, 55.
  • Reusser 14.
  • Ritchie 5.
  • Ronalds 14.
  • Rysselberghe 56.
  • Salva 19.
  • Schilling von Kannstadt 5, 19.
  • Schreibapparat 6.
  • Siemens, Werner 14, 20.
  • Signale,
  • optische 1, 2;
  • Flaggen- 2.
  • Soemmerring 4, 19.
  • Statistik,
  • siehe die Artikel Telegraphen-Statistik und Fernsprechwesen.
  • Steinheil 5, 6, 9.
  • Stephan 15, 42, 43, 56.
  • Submarine Leitungen,
  • siehe „Telegraphenleitungen, unterseeische“.
  • Submarine Linien,
  • siehe „Telegraphenlinien, unterseeische“.
  • Tarif,
  • siehe Gebühren.
  • Telegramm:
  • Kosten 22, 28;
  • Entstellung und Verstümmelung 39–41;
  • Beförderungszeit 33;
  • Länge 43.
  • Telegraph,
  • elektromagnetischer 5;
  • Nadeltelegraph 5, 6;
  • Schreibtelegraph 6;
  • Typendrucktelegraph 7;
  • Zeigertelegraph 8;
  • der Telegraph als Verkehrsmittel 41–44.
  • Telegraphenkonferenzen 42–44.
  • Telegraphenleitungen,
  • oberirdische: 9;
  • Aufstellung der Leitungen 10–14;
  • Leitungsstörungen 33–37;
  • unterirdische:
  • Geschichtliches 14;
  • Leitungsdraht 16;
  • Isolieren des Leitungsdrahtes 16;
  • Schutzmittel für unterirdische Leitungen 16;
  • Konstruktion der Erdkabel des Deutschen Reiches 17;
  • Legung unterirdischer Kabel 18;
  • Statistik der unterirdischen Leitungen 18;
  • Leitungsstörungen 37, 38;
  • unterseeische (submarine):
  • Geschichtliches 19–22;
  • Fabrikation unterseeischer Kabel 22–23;
  • Legung unterseeischer Kabel 23–25;
  • Kabelschutz 25;
  • Statistik 26;
  • Kosten 28;
  • Tarifentwicklung 28;
  • Leitungsstörungen 38–39;
  • Kabelfabrikanten 23;
  • französisch-atlantisches Kabel von 1869 S. 23.
  • Telegraphenlinien: 29;
  • die großen Kontinentallinien 29;
  • die wichtigsten unterseeischen Verbindungen 30;
  • Linien zwischen Europa und Nordamerika, beziehungsweise nach Mittelamerika und Westindien 30;
  • Linien zur Verbindung von Europa und Afrika, sowie von Europa und Asien, beziehungsweise Australien 31;
  • Linien zwischen Nord- und Südamerika 32;
  • projektierte unterseeische Linien 32;
  • Weltlinien 32, 33;
  • Kosten sämtlicher Telegraphenlinien 51.
  • Telegraphenstatistik:
  • Stand des Telegraphenverkehrs in Europa für das Jahr 1882 S. 45, s. auch den Nachtrag 2;
  • relativer Stand des Telegraphenverkehrs in den europäischen Staaten 1882 S. 47, siehe auch den Nachtrag 2;
  • Ausdehnung des Telegraphenverkehrs außer Europa 49, siehe auch den Nachtrag 3;
  • Telegraphennetz der Erde 51, siehe auch den Nachtrag 4;
  • Statistik der unterirdischen Leitungen 18, 19, siehe auch den Nachtrag 1;
  • Statistik der Kabel 26, 27, siehe auch den Nachtrag 1;
  • Statistik des Fernsprechwesens 57, 58, siehe auch den Nachtrag 5.
  • Telegraphenverein,
  • deutsch-österreichischer 42;
  • internationaler 42–44;
  • Umfang des internationalen 44.
  • Telephon 55.
  • Telephongesellschaften 58.
  • Vail 7.
  • Verein,
  • siehe Telegraphenverein.
  • Walker 20.
  • Weber 5, 6, 9.
  • Western Union Telegraph Company 27.
  • Weyde, van der 55.
  • Wheatstone 6, 8, 20, 54.
  • Zeigertelegraph 8.

[S. 487]

II. Post.

  • Adressierung der Postsendungen 143.
  • Alcuins Briefwechsel 70.
  • Angara 61.
  • Arnos, des Bischofs von Salzburg, Briefwechsel 70.
  • Birotae 69.
  • Booby-Island, Postbureau von 138.
  • Botenanstalten:
  • des Altertums 59–63;
  • des Mittelalters 71–75.
  • Brief:
  • Geschichte desselben 146–149;
  • Arten des Verschlusses 150;
  • unbestellbare Briefe 144–146;
  • Statistik der Briefe (siehe Statistik);
  • Palmblattbrief 150;
  • Briefe ohne Adresse 145.
  • Briefkästen, deren Zahl 123.
  • Briefmarke, s. Freimarke.
  • Briefträger 96, 97.
  • Buchhändler als Briefboten 73.
  • Calcearium 63.
  • Carrosse 69.
  • Carrozza 69.
  • Carrucae 69.
  • Charles 110.
  • Chartes 147.
  • Chaussee 76.
  • Clabula 69.
  • Coxwell 113.
  • Cursus publicus 64–65.
  • Cyrus, Begründer der persischen Post 60.
  • Diplomata 65.
  • Diptychen 147.
  • Drucksachen, Statistisches 117–119.
  • Dupuy de Lome 115.
  • Eisenbahnen 101–102.
  • Erasmus’ von Rotterdam Briefwechsel 73.
  • Ergebnisse,
  • finanzielle, siehe Statistik.
  • Feder,
  • Kielfeder 151;
  • Stahlfeder 151.
  • Feldpost 137;
  • Wirkung derselben 471.
  • Fiaker 88.
  • Franklin 111.
  • Freimarke:
  • Geschichte derselben 151;
  • das Sammeln von solchen 153.
  • Fuhrwerke
  • im Altertum 68–70;
  • im Mittelalter 77–79;
  • in der Neuzeit 86–88.
  • Fußboten 94–98.
  • Galien, Joseph 108.
  • Gay-Lussac 113.
  • Gazzetta 160.
  • Geldbriefverkehr 131.
  • Geldverkehr der Post:
  • Postanweisungen 125–127;
  • Postnoten und Postkreditbriefe 127;
  • Postnachnahmen 127;
  • Postaufträge 127;
  • Postsparkassen 127;
  • Geldbriefverkehr 131;
  • Gesamtumfang des Geldverkehrs der Post 132.
  • Geleitswesen 76.
  • Geschichte der Post,
  • siehe Postwesen.
  • Giffard 114.
  • Glaisher 113.
  • Griffel 151.
  • Grundruhr 76.
  • Guzman 109.
  • Hänlein 115.
  • Hemerodrome 61.
  • Hindernisse des Postverkehrs 141.
  • Hufeisen 99.
  • Kamelpost 100.
  • Karte 147;
  • Postkarte 155–158.
  • Kartenbriefe 124.
  • Kielfeder 151.
  • Klosterbote 72.
  • Knotenbriefe 148.
  • Krebs, A. 115.
  • Kutsche 77, 78.
  • Lana 108.
  • Leistungen der Post,
  • der Fußboten 95, 96;
  • der Postreiter 99;
  • der Postwagen 101;
  • der Rohrpost 105;
  • der Tauben 106, 107;
  • des Luftschiffs 114;
  • außergewöhnliche 139–141.
  • Leonardo da Vinci 108.
  • Literae clausae 150.
  • Literae patentes 151.
  • Longueville,
  • Madame de 151.
  • Luftpost,
  • siehe Rohrpost.
  • Luftschiff 108–116.
  • Louvois 83.
  • Magellanstraße,
  • Postamt in der 138.
  • Mansiones 65.
  • Meilensteine 67.
  • Messageries 86.
  • Metzgerposten 73.
  • Milliarium aureum 68.
  • Millie 67.
  • [S. 488] Mittel des Postverkehrs,
  • Fußboten 94 bis 98;
  • Reiter 98–100;
  • Wagen 100–101;
  • Eisenbahnen 101–102;
  • Schiffe 102 bis 103;
  • Rohrpost 103–105;
  • Tauben 105 bis 107;
  • Luftschiffe 108–116.
  • Montezuma, dessen Post 75.
  • Montgolfier 109.
  • Mutationes 65.
  • Neujahrbriefverkehr 140.
  • Oblate 150.
  • Octavianus Augustus,
  • der Gründer des cursus publicus 64.
  • Paketverkehr,
  • siehe Postpaketverkehr.
  • Papierbereitung 149.
  • Papyrusstaude 147.
  • Pergament 149.
  • Personenbeförderung 136.
  • Philatelie 154.
  • Pilâtre de Rozier 110.
  • Porto in früherer Zeit 89;
  • Briefporto 93;
  • Postkartenporto 93;
  • Paketporto 133–134.
  • Postanstalten 137.
  • Postanweisungen 125.
  • Postaufträge 127.
  • Postbillets 124.
  • Postkarte:
  • Geschichte derselben 155–158,
  • Statistisches 117, 118, 119.
  • Postkongresse 92, 93.
  • Postkreditbriefe 127.
  • Postnachnahmen 127.
  • Postnoten 127.
  • Postpaketverkehr 132;
  • Umfang des Päckereiverkehrs in Deutschland 134;
  • internationaler Paketdienst 135;
  • Gesamtumfang des Paketverkehrs 135;
  • Pariser Übereinkunft von 1881 S. 134;
  • Bestimmungen des Lissaboner Weltpostkongresses 134.
  • Postpersonal,
  • Zahl desselben 123.
  • Postreiter 98–100.
  • Postsparkassen 127.
  • Poststatistik siehe „Statistik“.
  • Postverein,
  • deutsch-österreichischer 90.
  • Postvertrag,
  • Berner 92.
  • Postwagen 100–101.
  • Postwesen:
  • Geschichte desselben, I. Altertum 59–70;
  • Postwesen im alten Ägypten, in Assyrien, Babylonien, bei den Hebräern, in Alt-Persien 60;
  • Postwesen in China, bei den Griechen 61;
  • Postwesen unter Alexander dem Großen 62;
  • Postwesen der Römer 62–66;
  • II. Mittelalter 70–79;
  • Botenanstalten des Mittelalters 71–75;
  • Botenanstalt der Pariser Hochschule, Postwesen der deutschen Ordensritter, Städteboten 71;
  • Klosterboten 72;
  • Privatboten 73;
  • Chalifenpost 74;
  • Post in Indien, China, Japan, Amerika und Mejico 74–75;
  • III. Neuzeit 79–83;
  • erste wirkliche Post zwischen Wien und Brüssel 80;
  • Postwesen in Österreich, Brandenburg 81–82;
  • Postwesen in Frankreich und England 83;
  • IV. Neueste Zeit 89–94;
  • Postreform Rowland Hills 90;
  • deutsch-österreichischer Postverein 90;
  • deutsche Reichspost 91;
  • Weltpostverein 91;
  • Berner Postvertrag 92;
  • Weltpostkongresse 93;
  • Umfang des Weltpostvereins 94.
  • Praefectus praetorio 65.
  • Privatboten,
  • im Altertum 63;
  • im Mittelalter 73.
  • Quipus 148.
  • Reichspost,
  • deutsche 91.
  • Reiter 98.
  • Renard 115.
  • Rheda 69.
  • Richelieu 83.
  • Ries 149.
  • Roebuck 90.
  • Roger Baco 108.
  • Rohrpost 103.
  • Rollbrief 147.
  • Rotel 73.
  • Rowland Hill 90.
  • Rumihuasi,
  • höchste Poststation der Erde 138.
  • Sänfte 79.
  • Sattel 99.
  • Schiffe 102–103.
  • Schreibgeräte 151.
  • Schreibstoff 147.
  • Schuhgeld 63.
  • Siegelerde 150.
  • Siegellack 150.
  • Siegelmarke 150.
  • Skytale 147.
  • Stabbrief 147.
  • Städteboten 71.
  • [S. 489] Stahlfeder 151.
  • Stapelrecht 76.
  • Statistik:
  • Briefpostverkehr in Europa 1884 S. 117;
  • außereuropäischer Briefpostverkehr 118;
  • Weltbriefpostverkehr auf der ganzen Erde 1884 S. 123;
  • Geldverkehr der Post 125–132;
  • Postpaketverkehr 132–136;
  • Personenbeförderung 136;
  • Feldpost 137;
  • Postanstalten 137;
  • außergewöhnliche Leistungen 139;
  • Weihnachtspaketverkehr 140;
  • Neujahrbriefverkehr 140;
  • unbestellbare Briefe und Sendungen 142–146;
  • Gesamtpostverkehr der Erde 136;
  • finanzielle Ergebnisse des Postbetriebs 163.
  • Steigbügel 99.
  • Stephan 91, 92.
  • Straßenregel 84.
  • Straßenwesen:
  • I. Im Altertum 66–68;
  • in Phönicien, Indien, Palästina, Persien, China, Peru 66;
  • in Griechenland 66 bis 67;
  • im römischen Reich 67–68.
  • II. Im Mittelalter 75–79.
  • III. In der Neuzeit 83–85;
  • in Deutschland 83–84;
  • in Frankreich 84–85;
  • in England 85.
  • Straßenzwang 76.
  • Tabellarii 62.
  • Tassis 80;
  • Roger von Tassis 80;
  • Franz von Tassis 80;
  • Leonhard von Tassis 80;
  • Lamoral von Taxis 80;
  • Baptist von Taxis 81.
  • Taxis, siehe Tassis.
  • Taubenpost 105–107.
  • Tinte 151.
  • Tissandier 115.
  • Vélayer 151.
  • Via appia 67.
  • Warenproben 136;
  • Statistisches 117–119, 123.
  • Weihnachtspaketverkehr 140.
  • Weltpostkongresse 92–93.
  • Weltpostverein, Gründung desselben 91;
  • Umfang desselben 94.
  • Willegisus 77.
  • Zambeccari 112.
  • Zeitungen:
  • Statistisches 117–119, 123;
  • Geschichte derselben 158–163;
  • Zeitungspreisliste der deutschen Reichspost 161;
  • größtes Postzeitungsamt der Welt 162;
  • Zahl der Zeitungen der Erde 162;
  • verbreitetste Zeitung 162;
  • nördlichste und südlichste Zeitung der Erde 163.
  • Zeitschriften, verbreitetste 162, 163.

III. Eisenbahnen.

  • Adhäsionsbahnen 205.
  • Afrika, siehe Eisenbahnen.
  • Ägypten, Bahnen von 219.
  • Alpenbahnen 186–199;
  • Übersicht über dieselben 199.
  • Amerika, siehe Eisenbahnen;
  • Betriebseinrichtungen auf amerik. Eis. 278–290.
  • Arequipa-Puno-Bahn 239.
  • Argentinien, Eisenbahnen von 239.
  • Arlbergbahn 198.
  • Arth-Rigi-Bahn 205.
  • Asien, siehe Eisenbahnen.
  • Aßmannshausen-Niederwald 205.
  • Atchison-Topeca- und Santa-Fe-Bahn 228.
  • Atlantic- und Pacific-Bahn 229.
  • Australien, siehe Eisenbahnen.
  • Balkanhalbinsel, Bahnen der 182.
  • Beaumont 208.
  • Belgiens Eisenbahnen 180.
  • Bergbahnen Europas 200–205.
  • Berkinshaw, John 166.
  • Blenkinsop 201.
  • Braithwaite 172.
  • Brasilien, Bahnen von 240.
  • Brennerbahn 188–191.
  • Britisch Indien, Bahnen von 211;
  • projektierte 214.
  • Brücken 275, 278.
  • Brüssel-Mechelner-Bahn 173.
  • Burstall 172.
  • Callao-Lima-Oroya-Bahn 237.
  • Canadische Pacificbahn 222.
  • Centralamerika, Eisenbahnen von 233.
  • Ceylon, Bahnen von 212.
  • Chevalier 208.
  • Chile, Eisenbahnen von 239.
  • China, Bahnen von 213.
  • Columbia, Eisenbahnen von 234.
  • [S. 490] Cugnot 166.
  • Curr, Benjamin 166.
  • Dänemark, Eisenbahnen v. D. 186.
  • Deutschlands Eisenbahnen 176–178.
  • East-River-Brücke 275.
  • Eisenbahnen,
  • von Europa 174–211;
  • die Bahnen der einzelnen europäischen Länder siehe unter deren Namen;
  • Gebirgsbahnen Europas 186–205;
  • projektierte Bahnen E. 205–211;
  • von Asien 211;
  • in Betrieb befindliche Bahnen 211 bis 213;
  • projektierte Bahnen 213–218;
  • von Afrika 218;
  • in Betrieb befindliche Bahnen A. 219;
  • projektierte Bahnen 220;
  • von Amerika 221;
  • Eisenbahnen Nordamerikas 222–231;
  • von Mejico, Mittelamerika und Westindien 232, 233;
  • von Südamerika 234;
  • in Betrieb befindliche Bahnen 234–240;
  • projektierte 240 bis 241;
  • von Australien 241;
  • in Betrieb befindliche 241–243;
  • projektierte 243;
  • höchste Bahnen der Erde 262;
  • tiefste Bahnen 288;
  • nördlichste Bahn der Erde 186;
  • Eisenbahnstatistik, siehe Statistik.
  • Eisenbahnkapital 261.
  • Eisenbahnkönige in Amerika 289.
  • Eisenbahnnetz der Erde 256–258;
  • dessen relat. Entwicklung 258;
  • dessen Entwicklung seit 1870 S. 259.
  • Eisenbahnsysteme der Hauptkulturländer 270–290;
  • von England 270;
  • von Frankreich 271;
  • von Deutschland 272;
  • von Österreich 273;
  • von Italien 273;
  • von Rußland 273;
  • von Skandinavien 274;
  • von Amerika 274–289.
  • Eisenbahnwagen in Amerika 282.
  • Eisenbahnzeit in Amerika 287.
  • Elektrische Eisenbahnen 253–256.
  • Etzel, K. von 190.
  • Euphrat- und Tigrisbahn 214.
  • Europa, siehe Eisenbahnen.
  • Fahrgeschwindigkeit, siehe Geschwindigkeit.
  • Favre 193.
  • Forthbrücke 278.
  • Frankreichs Eisenbahnen 180.
  • Garret 289.
  • Gebirgsbahnen von Europa 186–205,
  • eigentliche Gebirgsbahnen 186–200,
  • Bergbahnen 200–205.
  • Geographie der Eisenbahnen 174–256.
  • Geschichte der Eisenbahnen 164–174.
  • Geschwindigkeit der Eisenbahnen
  • in Europa 263,
  • in Amerika 282.
  • Ghega, K. von 188.
  • Gießbachbahn 200.
  • Gotthardbahn 192–198.
  • Grandis 192.
  • Grattoni 192.
  • Griechenlands Eisenbahnen 184.
  • Grosvenor 208.
  • Großbritannien und Irland,
  • Bahnen von 174–176.
  • Güterverkehr 260.
  • Hackworth 172.
  • Himalaja-Bahn 212.
  • Huntingdon 289.
  • Indien, s. Brit. Indien.
  • Irlands Bahnen 176.
  • Isthmus von Chignecto,
  • Eisenbahn über denselben 233;
  • von Tehuantepek 233.
  • Italiens Bahnen 181.
  • Jay Gould 289.
  • Kapkolonie,
  • Bahnen der 219.
  • Kaukasien,
  • Bahnen von 213.
  • Kehrtunnel, die K. der Brennerbahn 190;
  • der Gotthardbahn 197.
  • Kongobahn 220.
  • Königswinter-Drachenfels,
  • Zahnradb. 205.
  • Lissabon-St. Petersburg 181.
  • Lokomotive,
  • Geschichte derselben 166–174.
  • London,
  • Verbindungen mit dem Kontinent 175;
  • Stadtbahn 244.
  • Mâcon 180.
  • Manchester-Liverpool-Bahn 171.
  • Marsh 202.
  • Meiggs 239.
  • Mejico,
  • Eisenbahnen von 232.
  • Mersey-Tunnel 175.
  • Mitteleuropa,
  • Bahnen von 176–180.
  • Mollendo-Arequipa-Puno-Bahn 239.
  • Montblanc-Bahn 206.
  • Mont-Cenis-Bahn 191–192.
  • Mont-Cenis-Brindisi 182.
  • Murdoch 166.
  • New-York,
  • Stadtbahn von 249;
  • New-York-Brooklyner Brücke 275.
  • Niederlande,
  • Eisenbahnen der 180.
  • Nixon 166.
  • [S. 491] Nordpacific-Bahn 224.
  • Norwegen, Bahnen von 186.
  • Nürnberg-Fürther Bahn 173.
  • Orient-Expreßzug 265–268.
  • Österreich, Eisenbahnen von 178–179.
  • Outram 166.
  • Pacific-Bahnen 222–232,
  • tabellar. Übersicht über dieselben 231.
  • Panama-Eisenbahn 234.
  • Personenverkehr 260.
  • Peru, Eisenbahnen von 236–239.
  • Portugal, Eisenbahnen von 181.
  • Predil-Tauernbahn 206.
  • Pressel 215.
  • Projektierte Bahnen:
  • in Europa:
  • Gebirgsbahnen 205–206;
  • Bergbahnen 206 bis 207;
  • Eisenbahnen unter dem Meere 207;
  • in Asien 213–218;
  • in Afrika 220;
  • in Südamerika 240;
  • in Australien 243.
  • Pusterthalbahn 191.
  • Rennie, Georg 171.
  • Réunion, Bahn auf 219.
  • Riggenbach 203.
  • Rigi-Bahn 212.
  • Robert 289.
  • Robison 166.
  • Rorschach-Heiden, Bahn von 205.
  • Rüdesheim-Germania-Denkmal 205.
  • Rumänien, Bahnen von 183.
  • Rußlands Bahnen 184.
  • Sahara-Bahn 220.
  • Saloniki 184.
  • St. Bernhard-Bahn 206.
  • Savery 166.
  • Schienen 164–166.
  • Schlafwagen 284.
  • Schmalspursystem 274.
  • Schönerer 188.
  • Schottlands Bahnen 176.
  • Schwarzwaldbahn 199.
  • Schweden, Bahnen von 186.
  • Schweizer Eisenbahnen 179.
  • Seilbahnen 200;
  • Ofener Drahtseilbahn 200;
  • Territet-Montreux-Glion 200;
  • Gießbachbahn 200;
  • Vesuvbahn 200.
  • Semmering-Bahn 187–188.
  • Senegal-Niger-Bahn 220.
  • Severntunnel 176.
  • Siemens, W. 254.
  • Simplon-Bahn 206.
  • Sommeiller 192.
  • Spaniens Bahnen 181.
  • Spitzkehren 238.
  • Spurbahn,
  • Geschichte derselben 164–166.
  • Stadtbahnen 244–253;
  • Londoner 244;
  • New-Yorker 249;
  • Berliner 250;
  • Rotterdamer 253.
  • Statistik des Eisenbahnwesens:
  • Übersicht über die Alpenbahnen 199;
  • das Eisenbahnnetz der 5 Erdteile 256, 257;
  • relative Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Europa und der Union 258, 259;
  • Entwicklung des Eisenbahnnetzes der Erde seit 1830,
  • Betriebsmittel und Betriebsleistung 259, 260;
  • Wachstum der Eisenbahnen 259;
  • Personen und Güterverkehr im Verhältnis zur Bevölkerung 260;
  • Eisenbahnkapital und Nationalvermögen 261;
  • Fahrpreise 262;
  • Passagierverkehr mit Rücksicht auf die Fahrklasse 262;
  • die höchsten Bahnen der Erde 262;
  • die längsten Tunnels 263;
  • Geschwindigkeit der Züge 263, 282;
  • wichtige Reiseverbindungen 264;
  • Eisenbahnunfälle 268.
  • Stephenson, Georg 168.
  • Stockton-Darlington-Bahn 170.
  • Südamerika, Bahnen von, siehe Eisenbahnen.
  • Sudanbahn 220.
  • Südeuropa, Bahnen von 181–184.
  • Süd-Pacific-Bahn 230.
  • Taybrücke 278.
  • Territet-Montreux-Glion-Bahn 200.
  • Thomé de Gamond 207.
  • Tigrisbahn 214.
  • Transasiatische Bahn 217.
  • Transsibirische Bahn 218.
  • Trestle Works 275.
  • Trevithick 167.
  • Türkei, Eisenbahnen der 182.
  • Türkei, asiatische,
  • Bahnen der 213;
  • projektierte 214–215.
  • Tunnel,
  • Mersey-Tunnel 175;
  • Severn-Tunnel 176;
  • Mont-Cenis-Tunnel 191;
  • Gotthard-Tunnel 193;
  • Arlberg-Tunnel 198;
  • längste der Erde 263.
  • Ütlibergbahn 205.
  • Union- und Central-Pacific-Bahn 225.
  • [S. 492] Vanderbilt 289.
  • Vesuvbahn 201.
  • Viadukt,
  • Eisack-Viadukt 191;
  • Trisanna-Viadukt 198;
  • Dale-Creek-Viadukt 226;
  • Kentucky-Viadukt 191, 275;
  • Kinzua-Viadukt 191, 275;
  • Varraguas 238.
  • Vitznau-Rigi 204.
  • Vlissingen 180.
  • Wachstum der Eisenbahnen 259.
  • Watkin 208.
  • Watt, James 166.
  • Welti, Ingenieur 205.

IV. Schiffahrt.

  • Abweichung, örtliche 333.
  • Ägypten, Schiffahrt in 297, 298.
  • Anker 336.
  • Antipassatwinde 327.
  • Ausleger 294.
  • Auxiron 307.
  • Baken 407.
  • Barometer 342.
  • Behaim, Martin 305.
  • Bell, Heinrich 311.
  • Bernoulli 307.
  • Billette, direkte, von Berlin nach überseeischen Häfen 460.
  • Blasco de Garay 307.
  • Blitzschläge, Unfälle durch 401–402.
  • Bojen 407.
  • Boot 291;
  • Rindenboot 292;
  • aus Tierhäuten 293;
  • genähtes Boot 294;
  • Lederboote 293.
  • Bremen 394.
  • Bucentoro 303.
  • Canoe 292.
  • Caravellen 304.
  • Carrequen 304.
  • Charlotte Dundas 308.
  • Chronometer 340.
  • City of Rome 359.
  • Clermont, der Dampfer 310.
  • Cox Steven 309.
  • Cunard 313.
  • Cyklone 329.
  • Dampfschiff-Verbindungen Europas mit überseeischen Gebieten 431–440;
  • Dampferlinien zwischen Europa und Asien 431;
  • zwischen Europa und Afrika 432;
  • zwischen Europa und Australien 433;
  • zwischen Europa und Amerika 436;
  • Dichtigkeit der Dampferlinien 440;
  • ihre Länge 441;
  • ihre Zeitdauer 441;
  • ihre Kosten 442;
  • Vorzüge und Nachteile 442;
  • Postdampferlinien 444.
  • Dampfschiffahrt, Geschichte derselben 307;
  • erste transatlantische 311;
  • zweite transatlantische 311, 312;
  • erste Postdampfer 313;
  • Postdampfschiffahrt 444–448.
  • Dampfschiffahrtsgesellschaften 417–430;
  • deutsche 418;
  • englische 423;
  • französische 425;
  • niederländische 426;
  • italienische 427;
  • spanische 428;
  • russische 428;
  • amerikanische 428;
  • in China und Japan 430;
  • in Australien 430;
  • Stand der 10 größten Dampfschiffahrtsgesellschaften 429;
  • Verkehrsbewegung von D. 430;
  • Erträgnisse von D. 430.
  • Deklination 332.
  • Deviation 333.
  • Diaz Bartolomeo 304.
  • Dickens 307.
  • Docks 389–392;
  • Trockendock 392;
  • Schwimmdock 394;
  • hydraulische Docks 394.
  • Dundas 308.
  • Eismassen, Wirkungen derselben 399.
  • Ems, Dampfer 360–365.
  • Englands Schiffahrt 305;
  • Englands Flotte 450–451;
  • Englands Dampfergesellschaften 423.
  • Ericsson 314.
  • Evans, Oliver 309.
  • Fitch 309.
  • Floß 294.
  • Föhn 329.
  • Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg-Preußen 306.
  • Fulton 309.
  • [S. 493] Gabes, Landenge von. Durchstechung derselben 386.
  • Galeassen 304.
  • Galeeren 304.
  • Gefahren der Schiffahrt 397.
  • Genua, Schiffahrt von 302.
  • Geschwindigkeit der Schiffe 356–357;
  • mittlere Geschwindigkeit 357.
  • Great Eastern 359.
  • Griechen, Schiffahrt der 297.
  • Halley 305.
  • Hamburg 395.
  • Handelsmarine, Mannschaft derselben 458;
  • Wert derselben 456;
  • Stand derselben 450;
  • Entwicklung derselben 449;
  • Gesellschaften derselben 417–430;
  • Statistisches 449–461.
  • Hansa 302.
  • Harrison 305.
  • Heinrich, Prinz von Portugal 304.
  • Hiero von Syrakus 301.
  • Indische Überlandpost 448.
  • Inklination 333.
  • Institute, hydrographische 344.
  • Instrumente, Seemännische 331–342.
  • Isogonen 333.
  • Isoklinen 333.
  • Isorachien 320.
  • Isthmus v. Korinth, Kanal durch den 380.
  • Italia, Schiff 360.
  • Jouffroy 307.
  • Kahn 292.
  • Kajak 293.
  • Kalmengürtel 327.
  • Kanäle, Suezkanal,
  • 1. Geschichtliches 366 bis 370;
  • 2. Kanalroute 370;
  • 3. Entwicklung des Verkehrs 371–373;
  • 4. finanzielle Verhältnisse 373;
  • 5. Bedeutung des Kanals für den Weltverkehr 374;
  • der Panamakanal 376;
  • Kanal durch den Isthmus von Korinth 380;
  • Nordostsee-Kanal 381;
  • Seeschiffs-Kanal nach Manchester 384;
  • Kanal zwischen Bordeaux und Narbonne 385;
  • Malakka-Kanal 386;
  • Palästina-Kanal 386;
  • Nicaragua-Kanal 387.
  • Karten 342.
  • Klassifikationsgesellschaften 410;
  • Statistisches 410.
  • Knoten 339.
  • Kollisionen von Schiffen 457.
  • Kolumbus 304.
  • Komet, ein Dampfer 311.
  • Kompaß 331.
  • Korkjacken 414.
  • Küsten 400–401.
  • Küstenmeteorologie 348.
  • Land- und Wassermassen 315.
  • Lardner 311.
  • Leistungsfähigkeit, körperliche, der Seeleute 444.
  • Lepanto, Schiff 360.
  • Lesseps, Ferdinand von 367–369.
  • Leuchtfeuer 403.
  • Leuchtschiffe 406.
  • Leuchttürme 404.
  • Lloyd’s 418;
  • Lloyd’s Register of British and Foreign Shipping 410;
  • Lloyd 418;
  • Norddeutscher Lloyd 418–422;
  • Österreichisch-Ungarischer Lloyd 426.
  • Log 339.
  • Lootsen 407.
  • Malakka-Kanal 386.
  • Manchester, Seeschiffahrts-Kanal nach 384.
  • Marine, kaiserlich deutsche 306.
  • Maschinen, Compound- 355.
  • Maße 459.
  • Maury 343.
  • Meer, Meere der Erde 314;
  • Niveau 315;
  • Tiefe 316;
  • Meeresgrund 316;
  • Farbe 316;
  • Leuchten des Meeres 316;
  • Salzgehalt 316;
  • Temperatur 317;
  • Pflanzen und Tierwelt 317;
  • Wellenbewegung 317;
  • Ebbe und Flut 318;
  • Meeresströmungen 321;
  • Wirkungen des Meeres 324.
  • Mercator, Gerhard 305, 343.
  • Meteorologie 325.
  • Meyer, Tobias 306.
  • Miller, Patrick 308.
  • Monin de Follenai 307.
  • Morey, Samuel 309.
  • Mörser 413.
  • Münztabelle 459.
  • Nautik, Fortschritte ders. 314;
  • 1. Oceanographie 314–325;
  • 2. Meteorologie 325 bis 331;
  • 3. Seemännische Instrumente 331–342;
  • 4. Seekarten 342–343;
  • 5. Hydrographische Institute 344–355;
  • [S. 494] 6. Schiffsbau 355–365;
  • 7. Seebauten und Hafenanlagen 366–396.
  • Nicaragua-Kanal 387.
  • Niederländer, Schiffahrt der 305.
  • Niveau des Meeres 315.
  • Nordostsee-Kanal 381.
  • Normannen 301.
  • Oceanographie 314–325.
  • Ochotsk 448.
  • Panama-Kanal 376.
  • Papin, Denis 307.
  • Passatwind 327.
  • Peter-Paulshafen 448.
  • Phönizier 297.
  • Postdampfschiffahrt 444;
  • Subventionen hierfür 445.
  • Preußens Schiffahrt 306.
  • Pytheas 297.
  • Raketenapparate 413.
  • Reflexionsinstrumente 340.
  • Reichsflotte, deutsche 306.
  • Reise um die Erde, Kosten einer 460.
  • Ressel 313.
  • Rettungsboot 411–413.
  • Rettungsringe 414.
  • Römer, Schiffahrt der 297.
  • Ruder 295.
  • Rumsey 309.
  • Sahara-Meer 386.
  • Sauvage 313.
  • Savery 307.
  • Schiff 292.
  • Schiffahrt: Anfänge derselben 291;
  • Schiffahrt der Kulturvölker,
  • 1. der Alten 297;
  • 2. des Mittelalters 301;
  • 3. der Neuzeit 304;
  • Geschichte der Dampfschiffahrt 307;
  • Gefahren der Schiffahrt 397–403;
  • Sicherung derselben 403–411;
  • Statistik, siehe diesen Artikel
  • Schiffbrüche 397;
  • Statistisches 456–457.
  • Schiffsbau 355–365;
  • Schiffsbauanstalten 451;
  • Statistisches 452–458;
  • deutscher Schiffsbau 454.
  • Schiffe, Größe der Schiffe im Altertum 300;
  • Drachen 301;
  • Schnecken 301;
  • Größe der Oceandampfer 358;
  • Kosten der Schiffe 360;
  • Ausweichen derselben 408;
  • Verlust an Schiffen 456–457;
  • Schiffe aus Eisen 355;
  • aus Stahl 355;
  • Geschwindigkeit der Schiffe 356–358;
  • Kohlenverbrauch 420;
  • Verbrauch von Nahrungsmitteln 420, 421.
  • Schiffsmaschinen, Pferdekräfte derselben 456
  • Schleppnetz 339.
  • Schraube 313.
  • Schraubenschiff, erstes 314.
  • Seedienst, Befähigung hierfür 443.
  • Seekarten 342.
  • Seeleute, Zahl derselben 458;
  • Fähigkeit der Seeleute 443.
  • Seeräuberei 402.
  • Seeversicherungsgesellschaften 409.
  • Seewarte, deutsche 344.
  • Segel 296.
  • Segelschiffe, größte 360.
  • Sicherung des Seeverkehrs 403–411.
  • Statistik: Erfolge der Wettervorhersagungen 350, 352;
  • Suezkanal 371, 372, 373;
  • Docks 392;
  • Schiffahrtsunfälle durch Blitzschläge 401;
  • Klassifikationsgesellschaften 410;
  • Lloyd of British and Foreign Shipping 410;
  • See-Rettungswesen 412;
  • Dampfergesellschaften 417 bis 430;
  • Dampferlinien 431–440;
  • Sicherung des Seeverkehrs 403–411;
  • Stand der Handelsmarine seit 1820, 449;
  • Bestand der Welthandelsflotte im Jahre 1885, S. 450;
  • Schiffsbau 451–455;
  • Wert der Handelsflotten 456;
  • Pferdekräfte der Schiffsmaschinen 456;
  • Schiffbrüche 456;
  • Verlust an Schiffen 456 bis 457;
  • Verlust an Menschenleben und Vermögenswerten 458;
  • Mannschaft der Handelsmarine 458.
  • Stürme 329.
  • Sturmwarnungswesen 348;
  • Geschichte desselben 353.
  • Suezkanal, s. Kanäle.
  • Symington 308.
  • Taucherapparate 340.
  • Thermometer 342;
  • Tiefsee-Thermometer 339.
  • Tieflot 337.
  • Tonnengehalt, Brutto-, Netto-, Register-Tonnengehalt 299.
  • Trieren 299.
  • [S. 495] Überlandpost, indische 448.
  • Vasco de Gama 304.
  • Venedig 302.
  • Verkehrsmittel 461–480;
  • deren Einfluß
  • 1. auf das wirtschaftliche Leben 461–466;
  • 2. auf die Bewegung der Bevölkerung 466–469;
  • 3. in Krieg und Frieden 469–474;
  • 4. auf Denk- und Handlungsweise und Sitten 474–478;
  • 5. auf gesellschaftliche Zustände 478–480.
  • Wasserschöpfflasche 337.
  • Winde 325–331.
  • Wirbelstürme, Wirkungen derselben 397.
  • Zeitball 342.

Berichtigungen.

S. 47. Zu Zeile 1 von oben („Relativer Stand des Telegraphenverkehrs in den europäischen Staaten“) ist die Jahreszahl 1882 zu ergänzen.

S. 163. Auch in die für Österreich angegebenen Summen ist das finanzielle Ergebnis des Telegraphenbetriebs eingerechnet.

S. 183. In dem Eisenbahnkärtchen soll die Strecke Pirot-Bellowa als „noch im Bau befindlich“ dargestellt sein.

S. 190. In dem Kärtchen „Österreichische Alpenbahnen“ ist an der Abzweigungsstelle zwischen Villach und Pontebba der Name „Tarvis“ einzusetzen.

S. 315. Zur Fig. 114 ist hinzuzufügen: „Die Landflächen sind schraffiert.“


Fußnoten:

[1] Litteratur: Zetzsche, Katechismus der elektrischen Telegraphie. 6. Aufl. Leipzig, Weber, 1883. — Schweiger-Lerchenfeld, Das eiserne Jahrhundert. Wien, Hartleben, 1884. — Ternant, Les télégraphes. Paris, Hachette, 1881. — Schellen-Kareis, Der elektromagnetische Telegraph. 6. Aufl. Braunschw., Vieweg u. Sohn, 1883. — Stephan, Verkehrsleben im Altertum, in Raumers Histor. Taschenbuch 1868. — Fischer, Post und Telegraphie im Weltverkehr. Berlin, Dümmler, 1879. — Veredarius, Das Buch von der Weltpost. Berlin, Meidinger, 1885. — Sack, Die Verkehrstelegraphie der Gegenwart. Wien, Hartleben, 1883.

[2] Das Wort „Telegraphie“ stammt von den griechischen Wörtern têle = in die Ferne, und gráphein = schreiben.

[3] Allgemeine Zeitung, Beil., Nr. 311, 1884; auf derselben Ausstellung befand sich auch ein automatischer Apparat, der in der Minute 1500 Worte übermittelte.

[4] Die Versuche, die man in neuester Zeit mit Eisen- und Kupferdrähten in England mit Rücksicht auf ihre Tauglichkeit für telegraphische Zwecke anstellte, fielen übrigens zu Gunsten der Kupferdrähte aus (Journal télégr. 1885, p. 202).

[5] Nach Fischer (a. a. O. S. 61–66) u. a.

[6] Vgl. hierzu Schöttle, Der Telegraph in administrativer und finanzieller Beziehung. Stuttgart, Kohlhammer 1883, S. 19 und 20.

[7] Vgl. hierzu die oben citierten Werke von Schellen-Kareis, Fischer, Veredarius, Zetzsche; dann Jüllig, Die Kabeltelegraphie (Wien, Hartleben 1884), und Ludewig, Die submarine Telegraphie und ihre Beschwerden, in „Deutsche Revue“,. 7. Jahrgang, 3. Bd.

[8] Die Guttapercha ist der verdickte Saft der Isonandra Gutta, eines auf Java, Borneo und sonst in Ostindien vorkommenden 19–22 m hohen und 2 m dicken Baumes. Wenn dieselbe von allen Unreinigkeiten, die ihr beim Einsammeln beigemengt werden, befreit ist, so besitzt sie ein sehr bedeutendes Isolationsvermögen, das jedoch mit der Temperaturerhöhung abnimmt. Im Wasser erhält sich dieselbe viele Jahre lang ganz unverändert; man hat Reste von Guttaperchadrähten aus dem Meere aufgewunden, die nach mehr als 15jährigem Liegen im Wasser noch vollkommen frisch und unversehrt waren und ihre Isolation ganz unverändert beibehalten hatten. Dagegen erleiden solche Drähte sehr schnelle Veränderungen, wenn sie vor ihrer Versenkung der Luft und Wärme ausgesetzt werden. Aus diesem Grunde muß der umpreßte Draht gleich nach seiner Fabrikation unter Wasser gebracht oder doch an einem dunkeln und kühlen Ort aufbewahrt werden. Die erste größere Quantität von Guttapercha, 100 kg, kam 1844 nach Europa. 1845 exportierte Singapore schon über 10 t, 1847 mehr als 561 t und 1858 gegen 665 t. Der jährliche Import an Guttapercha in England betrug

1861  876 t
1866 1080 t
1871  976 t
1876  981 t
1878 1494 t.

Der Preis betrug 1848 per Kilo 3 M., während er jetzt auf 7 M. gestiegen ist. Es ist wohl überhaupt an der Zeit, dem Raubbau, der bezüglich der Guttapercha bisher betrieben wurde, entgegenzutreten, falls der unterirdischen und noch mehr der unterseeischen Telegraphie nicht ernstliche Gefahr erwachsen soll. Auch jene Pflanzen, welche Kautschuk liefern, haben nicht die nötige Schonung erfahren. Neuestens hat übrigens M. E. Heckel in Butyrospermum Parkii eine Pflanze entdeckt, welche die Isonandra Gutta fast völlig zu ersetzen vermag. Sie findet sich in ganz Äquatorial-Afrika in ungeheuern Wäldern verbreitet und liefert schon vom vierten Jahre an ansehnliche Mengen guttapercha-ähnlicher Masse. Auf die Veranlassung Heckels wird England höchst wahrscheinlich die Pflanze in seinen tropischen Besitzungen zu ziehen versuchen. (Journal télégr. 1885, S. 192.)

[9] Das Kautschuk ist das Produkt verschiedener tropischer Pflanzen, namentlich der südamerikanischen Siphonia cahucu, des ostindischen Acorus arvensis, einiger Ficus-Arten u. s. w. Sein Isolationsvermögen ist sogar bedeutend größer als das der Guttapercha und nimmt bei steigender Temperatur auch nicht so rasch ab; dagegen ist seine Dauerhaftigkeit im Wasser weit geringer. Der Import dieses Stoffes, dessen Preis je nach der Güte 4–11 M. per Kilo beträgt, war in England

1856 1253 t à 1000 kg
1861 1538 t  
1866 3078 t  
1871 6129 t  
1876 6864 t  
1878 6796 t.  

[10] 1884: 2500 km Linien, 18000 km Leitungen (Veredarius a. a. O. S. 267).

[11] Nach Fahie (History of Telegraphy to 1837) stammt die erste Idee eines unterseeischen Telegraphen von dem berühmten Physiker Salva von Barcelona (um 1800).

[12] Fischer a. a. O. S. 82.

[13] Veredarius a. a. O. S. 261.

[14] Von anderen sehr kostspieligen Zeitungstelegrammen sei die der amerikanischen „Tribune“ über die Schlacht von Gravelotte zugegangene Depesche erwähnt: sie kostete 20000 Dollars in Gold, d. i. etwa 80000 Mark.

[15] Hauptsächlich nach Fischer a. a. O. S. 85–88.

[16] Die Western Union Telegraph Company in Amerika ist die bedeutendste aller Telegraphen-Gesellschaften der Welt. Ende Juni 1884 betrug die Länge sämtlicher Drahtleitungen der Gesellschaft (somit der Land- und See-Linien) 725110 km. Im Jahre 1883/84 erzielte sie einen Überschuß von 6,6 Millionen Dollars. (Gothaischer Hofkalender für 1886.)

[17] Zur Zeit gibt es 26 Kabelgesellschaften, von denen 16 ihren Sitz in London, 3 in Berlin, 1 in Kopenhagen, 1 in Paris, 1 in Buenos-Aires und 4 in New-York haben.

[18] Veredarius a. a. O. S. 367.

[19] Mulhall, Dictionary of Statistics, S. 442. London, Routledge and Sons, 1884.

[20] Deutsche Verkehrszeitung 1885, Nr. 7, S. 54.

[21] Deutsche Verkehrszeitung 1886, Nr. 19.

[22] Als Quellen hierfür dienten: Carte générale des grandes communications télégraphiques du monde, dressée par le Bureau international des Administrations télégraphiques, Berne 1885, das Journal télégraphique, die Veredarius beigegebene Karte der internationalen Telegraphenverbindungen und die Übersichtskarte der internationalen Telegraphen-Verbindungen, bearbeitet im Telegraphen-Betriebs-Bureau des Reichs-Postamts, Berlin, 1886, Reichsdruckerei.

[23] Die Länge der Telegraphenlinie zwischen London und Adelaide beträgt 22908 km. Ein Telegramm von London nach Melbourne braucht durchschnittlich 3 Stunden 15 Minuten. Von dieser Zeit entfällt übrigens der größte Teil auf die Versäumnisse, welche infolge der technischen Manipulationen auf den verschiedenen Stationen entstehen. Unter Umständen können diese Zeitverluste bedeutend abgekürzt werden. Das beweist jenes Telegramm, durch welches am 1. Oktober 1880 der Gouverneur der Kolonie Victoria die Eröffnung der Ausstellung in Melbourne der Königin Victoria meldete; diese 78 Worte umfassende elektrische Botschaft kam bereits nach 23 Minuten in Balmoral in Schottland an, wo damals die Königin eben weilte. — Ein anderes Beispiel der Leistungsfähigkeit der modernen Telegraphie ist folgendes: Ein 33 Worte zählendes Glückwunschtelegramm an den Kaiser von Brasilien, das vom Generaldirektor der Telegraphen, Baron Capanema, in St. Luiz, damals der nördlichsten Telegraphenstation Brasiliens, aufgegeben wurde und seinen Weg über Montevideo nach Rio de Janeiro nahm, somit eine Strecke von 9735 km zurücklegte, gelangte nach 5¾ Minuten in die Hände des Kaisers. Gewiß zugleich ein glänzender Beweis für den trefflichen Stand der brasilianischen Telegraphenleitungen, und das umsomehr, wenn man bedenkt, daß zur selben Zeit in der Provinz Espiritu Santo ein heftiger Sturm wütete und in ganz Südbrasilien starke Regen niedergingen! (Journal télégraphique, S. 99, Jahrg. 1885.)

[24] Hauptsächlich nach den Mitteilungen in der „Statistik der deutschen Reichs-Post- und Telegraphen-Verwaltung für 1881“, und Ternant, Les Télégraphes, Paris, Hachette 1884. 2. Aufl.

[25] Die nachfolgenden Beispiele von Telegramm-Verstümmlungen sind der Deutschen Verkehrszeitung entnommen. Ähnliche Beispiele enthält auch Hyde, The Royal Mail, London, Blackwood and Sons, 2. edition, 1885, p. 249–254.

[26] Vgl. hierzu Veredarius a. a. O. 277–281; Zetzsche a. a. O. 449–452; Fischer a. a. O. 113–124, und Deutsche Verkehrszeitung 1885, S. 335 u. 336.

[27] Die bezüglichen Angaben sind, soweit nicht anders angegeben, Neumann-Spallarts „Übersichten der Weltwirtschaft“ (Stuttgart, Julius Maier, 1884) entnommen.

[28] Das größte Telegraphenamt der Welt ist das Centraltelegraphenamt in London. Die Zahl der Drahtbotschaften, die hier täglich einlaufen, beträgt an 60000. Dabei sind nicht eingerechnet die Übertragungstelegramme (an Zahl etwa 30000) und die Zeitungsdepeschen, die bei wichtigen parlamentarischen Debatten oft in einer einzigen Nacht ½ Million Worte übersteigen.

[29] Am 30. Juni 1884: 263927 km Linien und über 900000 km Drähte.

[30] A. a. O. S. 367.

[31] Nach Hendschels Telegraph (Große Ausgabe) vom 1. Juli 1886.

[32] Litteratur: Veredarius a. a. O. — Figuier, l’Électricité. Paris, Hachette & Co., 1884. — Schwartze, Japing und Wilke, Die Elektricität. Wien, Hartleben, 1884. — Urbanitzky, Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Leipzig und Wien, Hartleben, 1885.

[33] Vom griechischen têle = in die Ferne, und griech. phoneîn = tönen.

[34] Eine bezügliche Arbeit von Reis (1862) wurde von Poggendorf in die „Annalen“ nicht aufgenommen. Im Jahre 1864 nun, nachdem das Telephon bereits mehrfach in verschiedenen Versammlungen gezeigt worden war, ersuchte Poggendorf um einen Bericht. Da antwortete aber der enttäuschte Lehrer: „Ich danke Ihnen recht sehr, Herr Professor, es ist zu spät. Jetzt will ich einen solchen nicht mehr schicken. Mein Apparat wird auch ohne Beschreibung in den ‚Annalen‘ bekannt werden“ (Figuier, l’Électricité).

[35] Der Name „Mikrophon“ soll sagen, daß man mit Hilfe eines solchen Apparates auch die schwächsten (griechisch mikrós = klein) Töne oder Geräusche hörbar machen kann. Erfinder des Mikrophons ist Hughes, derselbe, welcher den Typendrucktelegraphen erfand.

[36] Allgemeine Zeitung, 1884, Nr. 311, Beilage.

[37] Einer Art Fernsprache begegnet man schon im Altertum. So berichtet z. B. der griechische Schriftsteller Diodorus Siculus von den alten Persern in dieser Beziehung folgendes: „In Persis dürfen wir die sinnreiche Einrichtung der Rufposten nicht unerwähnt lassen. Dieses Land nämlich, welches eine Reihe von Thälern bildet, hatte hohe Warten in großer Zahl, auf denen Leute aus der Umgegend, welche die stärksten Stimmen hatten, aufgestellt waren. Die Plätze waren in solcher Entfernung voneinander, daß man rufen hörte. Diejenigen also, welche den Auftrag zuerst empfingen, teilten ihn durch Zuruf den Nächsten mit, dann diese wieder anderen, und so wurde die Weisung bis an die Grenze jeder Statthalterschaft kundgemacht.“ Mittels jener Einrichtung gelangte eine Nachricht innerhalb 24 Stunden 30 Tagreisen weit (etwa 100 Meilen), mithin in jeder Viertelstunde eine Meile. Eine ähnliche Einrichtung bestand übrigens auch im Reiche der alten Inkas von Peru, sowie bei den Galliern. Von letzteren erzählt Cäsar, daß, „so oft etwas Wichtiges und Außerordentliches vorfalle, sie sich davon mit Geschrei ein Zeichen geben; der Reihe nach teilen es die Nächsten den Nächsten mit; denn was zu Genabum am frühen Morgen vorging, hörten die Averner schon mit Anfang der Nacht, obwohl ihre Entfernung 160 Millien (ca. 30 deutsche Meilen) beträgt“. — Von einer eigenartigen Fernsprache in Kamerun berichtet das „Ausland“ (1885). Die bezüglichen Zeichen werden mittels einer Trommel gegeben. Letztere, ndimbo genannt, besteht aus einem länglichen, eiförmig ausgehöhlten Holzstück von etwa 3 Fuß Länge und 1½ Fuß Höhe, welches an der obern Längsseite eine schmale, spaltförmige Öffnung hat, die durch einen Steg in zwei ungleiche Teile geteilt wird. Je nachdem man nun mittels eines Holzklöppels auf das eine oder das andere Ende des Spaltes schlägt, werden verschiedene Töne hervorgebracht. Durch diese und verschiedene Rhythmen des Trommelns erhält man eine Anzahl Signale, welche ganz bestimmte Bedeutung haben, und dieses Signalsystem ist derartig ausgebildet, daß man jeden Gedanken durch die Trommel zum Ausdruck bringen kann. Zwei Ortschaften können sich so in einer Entfernung, in welcher die menschliche Stimme nicht mehr vernommen wird, miteinander unterhalten. Jedes Ereignis in einem Dorfe wird sogleich im nächsten Orte weitergegeben, und innerhalb kurzer Zeit ist die ganze Kamerungegend von dem Vorfall unterrichtet. Nach dem Afrikareisenden Dr. Buchner ist diese Trommelsprache der Kamerun-Neger vielleicht die größte geistige Leistung nicht nur der Negerrasse, sondern der halbwilden Völker überhaupt.

[38] Die in der deutschen Reichs-Telegraphenverwaltung zur Verwendung kommenden Apparate sind ausschließlich das Mikrophon von Hughes und der Siemenssche Fernsprecher. — Neuestens ist es dem Belgier van Rysselberghe gelungen, auf ein und demselben Leitungsdraht zu telegraphieren und zu telephonieren. Belgien hat sich diese Erfindung sogar schon völlig zu eigen gemacht. Seit Beginn des Jahres 1885 vollzieht sich dortselbst der telephonische Verkehr zwischen den größeren Städten mittels der staatlichen Telegraphenleitungen. Seit Juni 1885 hat sich auch Frankreich das Recht gesichert, das System innerhalb des Gebietes der Republik zur Anwendung zu bringen. Desgleichen werden in Deutschland diesbezügliche Versuche angestellt.

[39] Veredarius a. a. O. S. 276.

[40] Deutsche Verkehrszeitung, 1885, Nr. 49.

[41] Litteratur: Stephan, Geschichte der preußischen Post. Berlin, Decker, 1859. — Stephan, Das Verkehrsleben im Altertum und das Verkehrsleben im Mittelalter, in Raumers Histor. Taschenbuch, 1868 und 1869. — Stephan, Weltpost und Luftschiffahrt. Berlin, Springer, 1879. — Ilwof, Das Postwesen in seiner Entwicklung von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart. Graz, Leuschner und Lubensky, 1880. — Hartmann, Entwicklungsgeschichte der Posten. Leipzig, Wagner, 1868. — Veredarius, Das Buch von der Weltpost. Berlin, Meidinger, 1885. — Zehden, Verkehrswege zu Wasser und zu Lande. Wien, Hölber, 1879. — Paulitschke, Leitfaden der geographischen Verkehrslehre. Breslau, Hirt, 1881. — Frank, Das deutsche Postwesen, in „Neuer deutscher Reichskalender“ für 1878. Wiesbaden, Limbarth.

[42] Unter Vespasian wurde dieses Schuhgeld den tabellarii wieder entzogen und ihnen zum Ausgleich dieses Verlustes angeraten, künftig ihren Dienst barfuß zu thun (Veredarius, Das Buch von der Weltpost, S. 47).

[43] Die Ermächtigung zur Benützung der Post erfolgte durch eigene Staatspostscheine oder diplomata; sie waren in der Regel auf Pergament ausgefertigt und, wie das Wort selbst andeutet, doppelt gefaltet.

[44] Litteratur: Löper, „Geschichte der Straßen“, im 5. Jahrg. des „Archiv für Post und Telegraphie“, 1877. — Stephan, Verkehrsleben im Altertum und Mittelalter, a. a. O. — Derselbe, Weltpost und Luftschiffahrt. Berlin, Springer, 1874. — Sax, Die Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft. 2 Bde. Wien, Hölder, 1878 und 1879. — Poststammbuch. Berlin, Reichsdruckerei, 1877. — Veredarius, Das Buch von der Weltpost. Berlin, Meidinger, 1885, S. 37–43.

[45] Litteratur: Stephan, Weltpost und Luftschiffahrt, S. 17–26. — Derselbe, Geschichte der preußischen Post. — Derselbe, Geschichte des Verkehrslebens im Altertum, a. a. O. — Zeitschrift „Europa“ 1884, Nr. 9 und 10 (Zur Geschichte des Wagens). — Saalfeld, Straßenpflaster und Kutschwagen. Prag, Deutscher Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, 1883. — Heinze, Pferd und Fahrer. Leipzig, Spamer, 1876. — Deutsche Verkehrszeitung, 2. Jahrg. — Veredarius a. a. O. S. 52–58. — Ilwolf a. a. O.

[46] Siehe hiezu auch Hennicke, „Das Reichspost-Museum in Berlin“, in Bd. 55 von Westermanns Monatsheften.

[47] Vgl. hierzu besonders: Löper a. a. O. — Stephan, Verkehrsleben im Mittelalter a. a. O. — Derselbe, Weltpost und Luftschiffahrt. — Sax a. a. O.

[48] Der Ausdruck „Chaussee“ rührt von der frühern Art der Pflasterung (calciata) her. Die Steine wurden nämlich zur Erzielung bessern Halts in Kalk (lat. calx) gebettet.

[49] Willegisus war der Sohn eines Stellmachers aus dem sächsischen Dorfe Stroningen. Zur Erinnerung daran ließ er einen Wagen mit Speichenrädern an die Wand malen und darunter die Inschrift setzen: „Willegis, Willegis, deiner Abkunft nicht vergiß!“

[50] Der Name „Kutsche“ kommt sonach nicht von dem Orte Kots im Komorner Bezirk. Siehe „Europa“ a. a. O.

[51] Der Name „de Tassis“ soll von ihrem Wohnsitze in dem an Dachswild überaus reichen und darum so genannten Tazisschen oder Tassisschen Gebirge im Bergamesischen herrühren.

[52] Das Wort „Post“ ist hervorgegangen aus dem verdorbenen lateinischen Worte posta, welches die Abkürzung von posita ist, dem Femininum des Particips Perfecti von ponĕre (legen, setzen, stellen). Da nun die Römer den Ort, an welchem ein Wechsel der Beförderungsmittel stattfand, mansio oder mutatio nannten, so sagte man: mansio oder mutatio posita in N. N., woraus das abgekürzte posta in N. N. entstand. Veredarius a. a. O.

[53] Die Erzielung hoher Einnahmen im Gebiete der Postverwaltung lag Friedrich stets am Herzen. Anträge, deren Erfüllung mit Geldaufwendungen verknüpft gewesen wäre, wurden von ihm meist mit der Bemerkung abgewiesen: „Non habeo pecuniam“ (ich habe kein Geld), oder: „ich höre schlecht“. Als vollends der Postmeister von Stargard seinem Immediatgesuch um Gehaltsaufbesserung dadurch Nachdruck zu verleihen vermeinte, daß er seine Entlassung nehmen zu müssen erklärte, wenn ihm keine Zulage gewährt würde, erfolgte ein höchsteigenhändiger Vermerk, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ: „Sol er sich sofort paquen, Consilium abigundi.“ Veredarius a. a. O. S. 124.

[54] Von Richelieu stammt die Äußerung: „Wenn man wissen will, was in einem Briefe steht, — eh bien! so muß man ihn öffnen lassen und lesen.“ Dieser Grundsatz wurde zur Zeit Ludwigs XV. so unverblümt befolgt, daß viele ihre Briefe überhaupt gar nicht mehr versiegelten, sondern einfach mit Nadeln zusteckten. Veredarius a. a. O. S. 130. Vgl. auch Belloc, Les Postes françaises. Paris, 1886.

[55] Vgl. hierzu die S. 75 Anm. 1 angeführten Schriften.

[56] Als Prinz Georg von Dänemark im Jahre 1703 den damaligen Bewerber um den spanischen Thron, den spätern Kaiser Karl VI., in Windsor besuchte, brauchte er zu der etwa 9 engl. Meilen betragenden Strecke nicht weniger als 14 Stunden, wobei, schreibt der Chronist, „die lange Reise um so mehr habe überraschen müssen, als Se. Königliche Hoheit nur dann anhielten, wenn der Wagen umgeworfen wurde oder im Dreck stecken blieb“. Veredarius a. a. O. S. 106. — Zahlreiche Belege für den schlechten Zustand der englischen Straßen enthält auch Hyde, The Royal Mail, S. 1–13.

[57] Die Messageries leiten ihre Benennung von Messager ab, weil im frühen Mittelalter, bevor es Posten gab, die Verbindungen durch Boten (messagers) unterhalten wurden.

[58] mail = Post, coach = Wagen.

[59] Siehe den Artikel „Zur Geschichte des Postwesens in England“ in „Deutsche Verkehrszeitung“, 1882, S. 378.

[60] Über den Lebensgang dieses hochverdienten Mannes mögen folgende Daten orientieren:

Heinrich Stephan ist als der Sohn eines einfachen Handwerkers am 7. Januar 1831 zu Stolp in Pommern geboren. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und bestand auf demselben bereits 1847 das Abiturienten-Examen, trat aber dann, da der Vater für sechs Kinder zu sorgen hatte und seine Mittel nicht so weit reichten, um dem Sohne die akademische Laufbahn zu eröffnen, 1848 in das Postfach ein. Sein klarer Geist erfaßte bald die mächtige Kulturerscheinung des modernen Postwesens in ihrer vollen Bedeutung. Während er sich seinem Fache mit Liebe widmete, betrieb er zugleich, dem Schlafe nur wenige Stunden vergönnend, die vielseitigsten Studien. Schnell absolvierte er die ersten Examina; er erregte 1855 bei Ablegung des höhern Postexamens die Aufmerksamkeit der Examinatoren durch sein gediegenes und umfassendes Wissen und wurde infolgedessen, nach kurzer Thätigkeit im Postaufsichtsdienste, 1855 als geheimer expedierender Sekretär ins Generalpostamt zu Berlin berufen. Hier, an dem Centralpunkte der Verwaltung, vermochte seine große Begabung sich am schnellsten zur Blüte zu entfalten, und er stieg bald zu den höheren Stellen der Post, 1858 zum Postrat, 1863 zum Oberpostrat, 1865 zum Geheimen Postrat und Mitgliede des Generalpostamtes auf. Seine Sprachkenntnisse machten ihn vorzugsweise geeignet zum Vertreter der Postverwaltung beim Abschlusse von Postverträgen zur Regelung des Postverkehrs mit den auswärtigen Staaten. Eine seiner tüchtigsten Leistungen war die Übereignung der Thurn- und Taxisschen Post an die Krone Preußen durch den Staatsvertrag vom 28. Januar 1867. Am 1. Mai 1870 zum Generalpostdirektor ernannt, gab er gleich im Beginn seiner Verwaltung durch die Einrichtung der „Feldpost“, die in ausgezeichneter Weise den Verkehr der deutschen Truppen mit der Heimat vermittelte, einen glänzenden Beweis seiner Befähigung. Stephan ist in dieser bedeutenden Stellung der Reformator des Postwesens nicht nur im Deutschen Reich, sondern der ganzen Erde geworden, da stets von ihm die Verkehrserleichterungen zwischen den verschiedenen Ländern den Anstoß erhalten haben. Vom 1. Januar 1876 ab wurde ihm, unter Ernennung zum Generalpostmeister, außer der Leitung des Postwesens auch diejenige des Telegraphenwesens übertragen, und auch hier merkte man bald die Spuren seines energischen Geistes. Die Zahl der Telegraphenämter erhöhte er in drei Jahren aufs doppelte, unterirdische Linien wurden gelegt und durch Einführung eines neuen Tarifs die finanziellen Verhältnisse gehoben. Seit 1872 ist er Mitglied des preußischen Herrenhauses und Ehrendoktor der Universität Halle. Seit 1880 führt er den Titel „Staatssekretär“ mit dem Prädikate „Excellenz“. Infolge seiner außerordentlichen Verdienste um das deutsche Post- und Telegraphenwesen, das dermalen unstreitig das bestorganisierte der Erde ist, wurde er 1884 anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Weltpostvereins durch die Gnade Sr. Majestät des deutschen Kaisers Wilhelm I. in den erblichen Adelstand erhoben. Bemerkt sei noch, daß Dr. von Stephan auch ein hervorragender Schriftsteller ist. Außer einem „Leitfaden zur Anfertigung schriftlicher Arbeiten für junge Postbeamte“ schrieb er eine Geschichte der preußischen Post und ein wertvolles Buch über Ägypten, ferner verschiedene sehr gediegene Arbeiten in Raumers Histor. Taschenbuch und in „Unsere Zeit“, dann das höchst lehrreiche und humorvolle Werkchen „Weltpost und Luftschiffahrt“, und endlich ist er als Begründer des „Archivs für Post und Telegraphie“ und als Herausgeber des „Poststammbuch“ zu nennen.

[61] Litteratur: Fischer, Post und Telegraphie im Weltverkehr. Berlin, Dümmler, 1879. — Veredarius a. a. O. — Stephan, Weltpost und Luftschiffahrt. — Zetzsche, Die Ocean-Dampfschiffahrt und die Postdampferlinien nach überseeischen Ländern. Weimar, Geographisches Institut, 1885.

[62] „Gegen eine Entlohnung von wenigen Francs laufen in Marokko die Postboten die lange Strecke zwischen Tanger und Fez in 4, zwischen Tanger und Marokko in 7 bis 8 Tagen ab. Sie nähren sich schlecht, nehmen mit einigen Feigen und einem Stück Brot vorlieb und schlummern auf freiem Felde, ob Regen, ob schön. Um die Morgenstunden nicht zu verschlafen, heften sie eine Art von Zündschnur an das nackte Fußgelenk, die in den Pausen, während welcher der Bote schläft, fortglimmt und, wenn sie abgebrannt ist, den Schläfer in sehr fühlbarer Weise zum Aufbruch mahnt. Der Postkurier hält fast immer die geradeste Linie ein, er durchwatet oder durchschwimmt die Flüsse, klettert über Berghänge, auf denen ein geübtes Maultier straucheln würde, kriecht oft auf allen vieren vorwärts, trotzt im Herbste ausgiebigen und anhaltenden Regengüssen, im Sommer der Hitze, im Winter dem Staube und dem Durst. So durchwandert und durchläuft dieser geplagteste Mensch im ganzen Kaiserreiche dieses letztere jahrein jahraus fast seiner ganzen Länge nach von Nord nach Süd und umgekehrt.“ (Amicis, Marokko. Frei bearbeitet von Schweiger-Lerchenfeld. Wien, Hartleben, 1883, S. 138 u. 139.)

[63] Unter den Fußbotenleistungen ist hier der Beförderungsdienst von Postort zu Postort verstanden.

[64] Die Zahl der in London im Postbestelldienst verwendeten Personen betrug 1782: 155; 1884: 4030 (Hyde, The Royal Mail. 2. ed. Lond., Blackwood & Sons, 1885, p. 126).

[65] Die bei den Römern übliche Bezeichnung des Kurierpferdes war „veredus“, das griechische berédos, welches selber wieder von dem persischen berd (= tragendes Tier) kommt. Die reitenden Kuriere nannte man „veredarii“ (Veredarius a. a. O.).

[66] mail = Post, coach = Wagen.

[67] malle = Briefpost.

[68] Litteratur: Veredarius a. a. O. S. 197–203. — Frank, Das deutsche Postwesen in „Neuer deutscher Reichskalender“ für 1878. Wiesbaden, Limbarth. — Ternant a. a. O., vol. I, 2. éd., p. 175–237.

[69] Litteratur: Veredarius a. a. O. — Ternant a. a. O., vol. I, 2. éd., p. 238–279.

[70] „Ils (les pigeons) sont bien mieux merité de la patrie que les oies du Capitole,“ sagt Ternant, „ils ont sauvé Paris de la mort morale, que pouvait determiner l’absence complète des nouvelles. Le simple avis: ‚Un pigeon vient d’arriver‘,“ fährt er fort, „suffisait à faire tressaillir d’aise la population entière de la grande ville, et les poètes ont rendu hommage et justice à ces oiseaux sacrés.“

[71] Die englische Preß-Expreßtaube soll Strecken bis zu 500 engl. Meilen in erstaunlich kurzer Zeit zurückzulegen im stande sein. Bei einem in England angestellten Versuche zur Feststellung der Fluggeschwindigkeit der Brieftauben ergab sich, daß die Brieftaube eine größere Geschwindigkeit an den Tag legte, als der zwischen Dover und London verkehrende Eilzug, und dieser legte 14½ Meilen in der Stunde zurück.

[72] Litteratur: Hauptsächlich Stephan, Weltpost und Luftschiffahrt. — Veredarius a. a. O. S. 390 ff. — Pisko, Die Luftschiffahrt der Neuzeit, in „Unsere Zeit“, 1885. — Marion, Les Ballons. Paris, Hachette & Cie., u. a.

[73] Einen der größten aller Luftballons, den „Riesen“ (Le Géant), veranschaulicht das Titelbild. Nadar in Paris ließ denselben am 4. Oktober 1864 steigen. Die Fahrt war jedoch von einem Unfall begleitet. In der Höhe von 2400 m zerriß nämlich das Seil an der Klappe, was ein rasches Sinken des Ballons zur Folge hatte.

[74] Entnommen der „Statistik der deutschen Reichs-Post und Telegraphen-Verwaltung für das Kalenderjahr 1884“. Berlin, 1885.

[75] Die folgenden Zahlen sind dem Buche v. Neumann-Spallarts „Übersichten der Weltwirtschaft“, Jahrg. 1881–82 (Stuttg., Jul. Maier, 1884) entnommen.

[76] Nach der von dem Berner internationalen Postbureau für 1884 herausgegebenen „Statistique générale du service postal dans les pays de l’Union postale universelle“ betrug die Zahl sämtlicher Briefpostsendungen (der Briefe [ausschließlich der eingeschriebenen, sowie der Wertbriefe], der Postkarten, Drucksachen, Warenproben und Zeitungsnummern) rund in: Ägypten 8 Mill., Algier und Tunis 15 Mill., Argentinien 45 Mill., Brasilien 45 Mill., Canada 100 Mill., Brit. Indien 205 Mill., Niederländ. Indien 8 Mill., Japan 111 Mill. — Für die Vereinigten Staaten von Amerika enthält die erwähnte Statistik nur Angaben über den internationalen Briefpostverkehr. Nach dem Berichte der Postverwaltung der Union betrug 1884/85 die Zahl der verkauften Freimarken, Postkarten, Briefumschläge und Streifbänder 2142678900 Stück. (Archiv für Post und Telegraphie, 1886. Nr. 12.)

[77] In Frankreich, Österreich und Italien giebt es seit neuester Zeit auch sogen. Kartenbriefe oder Postbillets; sie bilden ein Zwischenglied zwischen Postkarte und Brief und gewähren gegenüber der Postkarte den Vorteil, daß der Inhalt geheim bleibt. Die Taxe für solche Kartenbriefe ist in Frankreich und Italien höher als diejenige für Postkarten und niedriger als jene für gewöhnliche Briefe; in Österreich die gleiche wie für Briefe.

[78] Vgl. hiezu außer der „Statistique générale etc.“ für 1884 noch besonders das Archiv für Post und Telegraphie, Jahrg. 1881 und Jahrg. 1883.

[79] Veredarius a. a. O. S. 333. Die Berner Statistik für 1884 enthält für Italien keine Angabe.

[80] Veredarius a. a. O. S. 337.

[81] Als Quelle diente vorzugsweise der Aufsatz Paul Dehns: „Zur Einführung von Reichspostsparkassen“, in den „Annalen des Deutschen Reiches“ 1883; dann auch das Archiv für Post und Telegr., die Union postale und die Deutsche Verkehrs-Ztg.

[82] 1 Pfd. St. = 20 M.

[83] In Rußland und Spanien besteht das Postanweisungsverfahren nicht.

[84] Statistik der Reichspost- und Telegraphenverwaltung für das Kalenderjahr 1884, S. 53.

[85] Auszugsweise bearbeitet nach Löper, Pakete im Weltpostverkehr (Vom Fels zum Meer, Weihnachtsnummer 1883).

[86] Veredarius a. a. O. S. 381.

[87] Fischer a. a. O. S. 137.

[88] Archiv für Post und Telegraphie, 1879, 7. Jahrg.

[89] Deutsche Verkehrszeitung, 1883, No. 1.

[90] A. a. O. S. 130.

[91] Statistik der Reichspost- und Telegraphenverwaltung für das Jahr 1884.

[92] Veredarius a. a. O. S. 339.

[93] Litteratur: Fischer a. a. O. — Stephan, Weltpost und Luftschiffahrt. — Verschiedene Jahrgänge der „Deutschen Verkehrszeitung“. — Veredarius a. a. O. — Hyde a. a. O.

[94] Die Zahl der beim Berliner Stadtpostamt mit unvollständiger Aufschrift einlaufenden Briefsendungen an Einwohner Berlins beträgt per Tag rund 8000. (Deutsche Verkehrszeitung, 1886, Nr. 4.)

[95] Hyde a. a. O. S. 264–266.

[96] Litteratur: Veredarius a. a. O. S. 1–22. — Hennicke, Das Reichspostmuseum in Berlin, in Westermanns Monatsheften, Juli 1884, S. 514 ff. — Herrmann, Die Korrespondenzkarte, Halle, Nebert, 1876, S. 101 ff. — Deutsche Verkehrszeitung, 3. Jahrg. Nr. 38 und 7. Jahrg. S. 26 ff. — Stephan, Das Verkehrsleben im Altertum, a. a. O. — „Unsere Zeit“, neue Folge, 8. Jahrg., 2. Hälfte, S. 208 (Zur Geschichte des Briefschreibens). — Postamtsblatt, 1872, Nr. 67 (Zur Geschichte des Briefschreibens und der Briefgeheimnisse). — Löper, Der Brief, seine Arten und Abarten, im Postarchiv, 2. Jahrg., 1874.

[97] Die Herstellung des Schreibstoffes aus der Papyrusstaude ist eine ägyptische Erfindung und geschah in der Weise, daß das aus dem Schafte gewonnene Mark in schmale Längsteile zerschnitten wurde, die man parallel nebeneinander ausbreitete. Dann legte man über Kreuz eine zweite Schicht darauf, feuchtete dieselbe mit Nilwasser an und verband nun durch Pressen oder Klopfen mit einem breiten Hammer die einzelnen Streifen fest miteinander, so daß sich ein Bogen bildete, der nur noch getrocknet und geglättet zu werden brauchte. Erst im 12. Jahrhundert n. Chr. ging die Papyrusindustrie zu Grunde. Am längsten erhielt sich der Gebrauch des Papyrus in Italien, wo die Kanzleibeamten der Päpste lange an der hergebrachten Übung festhielten. Als Bezeichnung für diesen Schreibstoff gebrauchte man, außer dem noch jetzt üblichen papyrus, hauptsächlich die (griechischen) Ausdrücke býblos oder bíblos, auch chártes, woher unser Wort „Karte“. — Neben dem Papyrus bediente man sich im Altertum zu brieflichen Mitteilungen vorzugsweise auch der sogen. Diptychen, d. i. übereinander gelegter Täfelchen aus Holz (auch aus Elfenbein), auf deren Wachsschicht die Schriftzüge eingeritzt wurden. Der Gebrauch der Wachstafeln hat sich an manchen Orten bis ins Mittelalter erhalten. Am längsten behaupteten sie sich in Schwäbisch-Hall, wo die Salzsieder bis 1812 sich ihrer bedienten. Nach diesen Täfelchen (tabellae) erhielten die Sklaven, deren vornehme Römer sich als Briefboten zu bedienen pflegten, den Namen tabellarii (siehe S. 62). Andere Schreibstoffe des Altertums waren Felle, Leinwand, Baumrinde, Metallplatten, Seide, Fischkiefern, Thonscherben, Steine u. s. w. Die heiligen Schriften der Perser z. B. sollen auf 1200 Ochsenhäute geschrieben sein. Nach Livius diente zur Aufschreibung von Roms ältesten Annalen Leinwand. Die Briefe des germanischen Nordens wurden alten Liedern zufolge auf Fischkiefern eingegraben. Die Perser schrieben auf Seide, für Hesiods erstes Werk „Werke und Tage“ wurden Bleitafeln verwendet u. s. w.

[98] Um die Geheimhaltung von Nachrichten möglichst zu sichern, traf man mitunter ganz sonderbare Vorkehrungen. Herodot erzählt z. B., daß man manchmal einen Sklaven als Schreibmaterial benutzte, indem man den Kopf desselben glatt abschor, die Kopfhaut mit Zeichen beschrieb, hierauf die Haare wachsen ließ und den Boten sodann absandte. Der Empfänger der Botschaft schor den Kopf von neuem, las die Schrift und antwortete dann auf demselben freilich etwas ungewöhnlichen und umständlichen Wege. Der persische Hofmann Harpagus soll sogar dem Könige Cyrus einen Hasen übersendet haben, in dessen Fell unter der Oberhaut ein Zettel stak. Auch sollen im Altertum geschriebene Botschaften in Mumiensärge gegeben und mit denselben versendet worden sein. (Herrmann a. a. O.)

[99] Vgl. Rich. Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Stuttgart, Julius Maier, 1878, S. 184–197.

[100] Die Meinung, daß zur Bereitung des Pergaments Eselshaut gedient habe und noch diene, ist irrig. Das Material der ältesten Pergamente bilden lediglich Häute von Lämmern, Hämmeln und Ziegen. Später kam hierzu noch die Verwendung von Kalbfellen. In Deutschland bürgerte sich hauptsächlich die Benutzung von Kalbfellen ein, in Italien und Spanien wurden vorzugsweise Ziegen- und Schaffelle verarbeitet.

[101] Lumpenpapier erwähnt zuerst ein Abt Petrus in Cluny, der in der Mitte des zwölften Jahrhunderts lebte. Die früheste Bereitung des Papiers überhaupt scheint die aus Baumwolle gewesen zu sein, welche bei den Chinesen seit ältester Zeit bekannt war. Im achten Jahrhundert ging die Kenntnis der Papierbereitung auf die Araber über, und von ihnen erlernten sie zunächst die Spanier, dann die Italiener. In Deutschland entstanden die ersten Papiermühlen 1320 zwischen Köln und Mainz. Der arabische Ursprung der Papierbereitung zeigt sich noch heute in dem deutschen Worte „Ries“, das von dem arabischen razma, d. h. Bündel (später im Spanischen resma, im Italienischen risma) stammt. Im übrigen wurde der neue Schreibstoff lange und hartnäckig mißachtet. So verbot Kaiser Friedrich II. 1231 ausdrücklich die Anwendung des Papiers zu Urkunden, weil es zu vergänglich sei. Italienische Notare mußten noch in späten Zeiten bei ihrem Amtsantritte versprechen, kein Papier zu Urkunden zu verwenden. Ebenso wollte in Brügge der Kaufmannsstand sich nicht herbeilassen, den Recessen „uppe popyr“ Glauben beizumessen, und in England müssen die meisten Urkunden noch jetzt auf Pergament geschrieben werden. Gegenwärtig freilich verbraucht Europa allein an Papier jährlich 500 Mill. Pfund. (Veredarius a. a. O. S. 9.)

[102] Der älteste Brief, welcher mit einer Oblate versiegelt erscheint, ist aus dem Jahre 1624 und ward zu Speier geschrieben.

[103] In Schönebergers „Börsen- und Handelsbericht“ wird die intellektuelle Urheberschaft an der Erfindung der modernen Stahlfeder dem Chemiker Dr. Joseph Priestley, dem Entdecker des Sauerstoffs, zugeschrieben. Die ersten Muster fertigte auf dessen Veranlassung sein Freund Harrison; der eigentliche Begründer der Stahlfedern-Industrie in Birmingham und Umgegend ist Josiah Mason, der vorerst in Harrisons Diensten stand (Deutsche Verkehrszeitung, 1885, S. 134).

[104] Vgl. Veredarius a. a. O. S. 23–28. — Hennicke a. a. O. S. 517. 518.

[105] Hyde a. a. O. S. 117.

[106] Litteratur: Hennicke, Das Reichspostmuseum in Berlin, in Westermanns Illustrierten deutschen Monatsheften, Juliheft 1884, S. 518 und 519. — Feuilletonistische Beilage der „Täglichen Rundschau“, 1884, Nr. 293. — Deutsche Verkehrszeitung, 1883, S. 435.

[107] Philatelist vom griech. philein = lieben, sich gerne mit einer Sache beschäftigen, und griech. ateleia = Freiheit von Leistungen an den Staat; Philatelist ist demnach, wer sich gerne mit der Materie der Freimachung von Briefen befaßt.

[108] Das Folgende nach Unger, „Geschichte der Postkarte mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands“, im Archiv für Post und Telegraphie, 1881; vgl. auch „Geschichte der Postkarte“ in der „Statistik der deutschen Reichspost- u. Telegraphenverwaltung für das Kalenderjahr 1880“, und Herrmann a. a. O. S. 73–97.

[109] Litteratur: Biedermann, Das Zeitungswesen sonst und jetzt. Leipzig, Wilh. Friedrich, 1883. — Opel, Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse. Leipzig, Verlag des Börsenvereins der deutschen Buchhändler, 1879. — Zeitungskatalog der Annoncen-Expedition von Rudolf Mosse. 20. Aufl. Berlin, Mosse, 1885. — Deutsche Verkehrszeitung, 1879, S. 82 und 83.

[110] Die „Frankfurter Meßrelationen“, begründet von Michael von Aitzing, erschienen allerdings schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts, indes nur halbjährig.

[111] Von dieser Münze erhielten die Zeitungen in Italien, wie später in Frankreich, Spanien und England ihren Namen.

[112] a. a. O. S. 368.

[113] Mitteilung des Staatssekretärs Dr. von Stephan gelegentlich der sechsten internationalen Telegraphenkonferenz zu Berlin im Jahre 1885.

[114] Nach der Statistique générale du service postal dans les pays de l’Union postale universelle, publiée par le bureau international des postes. Année 1884. Bern, Druckerei von Suter u. Lierow, 1886. — In die für Deutschland, Frankreich, Rumänien und Algier-Tunis angegebenen Summen sind auch die finanziellen Ergebnisse des Telegraphenbetriebs eingerechnet.

[115] Litteratur: Thurston, Die Dampfmaschine. 2 Teile. Leipzig, Brockhaus, 1880. — Steiner, Bilder aus der Geschichte des Verkehrs. Prag, Dominicus, 1880. — Stürmer, Geschichte der Eisenbahnen. Bromberg, Mittler, 1872. — Schweiger-Lerchenfeld, Das eiserne Jahrhundert. Wien, Hartleben, 1883. — Deutsche Verkehrszeitung, 1883, S. 146–147. — Weber-Koch, Schule des Eisenbahnwesens. 4. Aufl. Leipzig, J. Weber, 1885. — Hutzelmann, Deutschlands erste Eisenbahn. Nürnb., Kühl, 1885. — Marggraff, Die Vorfahren der Eisenbahnen und Dampfwagen. Berlin, Habel, 1884.

[116] Litteratur: Haushofer, Eisenbahngeographie. Stuttgart, Julius Maier, 1875. — Paulitschke, Leitfaden der geographischen Verkehrslehre. Breslau, Hirt, 1881, u. a.

[117] Litteratur: Schweiger-Lerchenfeld, Das eiserne Jahrhundert. Wien, Hartleben, 1884. — Baclé, Les voies ferrées. Paris, Masson, 1882. — Helène, Les nouvelles routes du globe. Paris, Masson, 1882. — Kreuter, „Über Eisenbahnen im Gebirge“, in der Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins, 1884, S. 228 ff. — Europäische Wanderbilder. Zürich, Orell, Füßli & Co. Nr. 30, 31, 32, 36, 62, 63, 64, 71, 72, 111, 112, 113. — Berlepsch, Die Gotthardbahn. Gotha, Justus Perthes.

[118] Der Berg Glion wird häufig als der Waadtländer Rigi bezeichnet.

[119] Diese Bahn geht schon ihrer Vollendung entgegen.

[120] Vgl. hierzu: Katscher, Eine Eisenbahn unter dem Meere, in „Vom Fels zum Meer“, Stuttgart, Spemann, 1882/83, 1. Bd., S. 511 ff. — Helène, Les nouvelles routes du globe. Paris, Masson, 1882. — Schweiger-Lerchenfeld a. a. O.

[121] Litteratur: Hochstetter, Asien und seine Zukunftsbahnen. Wien, Hölder, 1876. — Dehn, Deutschland und Orient in ihren wirtschaftspolitischen Beziehungen. 2 Bde. München, Franz, 1884. — Elisée Reclus, Nouvelle géographie universelle. T. VI et IX. Paris, Hachette & Co. — Schweiger-Lerchenfeld a. a. O.

[122] Eben geht durch die Zeitungen die Nachricht, ein amerikanisches Konsortium hätte um die Konzession zur Erbauung der transsibirischen Eisenbahn nachgesucht.

[123] Litteratur: Kupka, Die Verkehrsmittel in den Vereinigten Staaten von Amerika. Leipzig, Duncker und Humblot, 1882. — Leyen, Die nordamerikanischen Bahnen in ihren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen. Leipzig, Veit & Komp., 1885. — Geographisches Handbuch zu Andrees Handatlas. Leipzig, Velhagen und Klasing, 1881. — Ratzel, Amerika. 2 Bde. München, Oldenbourg, 1880. — Egli, Neue Handelsgeographie. Leipzig, Brandstetter, 1883. — Außerdem das Archiv für Post und Telegraphie.

[124] Vgl. hierzu Robert Schlagintweit, Die pacifischen Bahnen in Nordamerika. Ergänzungsheft Nr. 82 zu Petermanns Mitteilungen. Gotha, Perthes, 1886.

[125] Vgl. besonders „Allgemeine Zeitung“, 1884, Nr. 31 u. 32. — H. W. Vogel, Die Nordpacificbahn, in „Unsere Zeit“, 1884. — Scobel, Die Pacificbahnen, in „Ausland“, 1884. — Mohr, Ein Streifzug durch den Nordwesten Amerikas. Berlin, 1884. — Mohr, Mit einem Retourbillete nach dem Stillen Ocean. Stuttgart, Spemann, 1884.

[126] Präsident der Bahngesellschaft war damals Henri Villard, ein geborener Rheinpfälzer (sein früherer Name ist Hilgard).

[127] Schlagintweit, Die Atchison-Topeca- und Santa-Fe-Bahn. Köln, Mayer, 1884.

[128] Vgl. Oberländer, Von Ocean zu Ocean. Leipzig, Spamer, 1885. — Schlagintweit, Die Eisenbahn zwischen den Städten New-York und Mejico. Weimar, Geographisches Institut.

[129] Ein ähnliches Unternehmen ist die bereits ihrer Vollendung sich nähernde Schiffs-Eisenbahn über den Isthmus von Chignecto. Die bezeichnete 27 km breite Landenge verbindet Neu-Braunschweig mit der Halbinsel Neu-Schottland; sie wird im Süden von der Fundy-Bai, im Norden von der einen Teil des St.-Lorenz-Golfs bildenden Northumberlandstraße begrenzt.

Nach Fertigstellung der Schiffs-Eisenbahn über den Isthmus werden die zwischen dem St.-Lorenz-Golf und der Fundy-Bai verkehrenden Seeschiffe nicht mehr genötigt sein, zwischen Neu-Fundland und Cap Breton Island hindurch und demnächst um die letztere Insel und die Halbinsel Neu-Schottland herumzufahren, da sich ihnen alsdann der weit kürzere Weg: St.-Lorenz-Golf-Northumberlandstraße-Chignectobahn-Fundy-Bai bietet. Abgesehen von der dadurch zu erzielenden erheblichen Abkürzung der Entfernungen zwischen den am St.-Lorenz-Golf gelegenen kanadischen Handelsplätzen und den bedeutenden Hafenorten im Nordosten der Vereinigten Staaten, fällt als ein wesentlicher Vorteil der neuen Verbindung besonders ins Gewicht, daß durch dieselbe die Gefahren, welche auf der bisherigen Verkehrsstraße zwischen dem St.-Lorenz-Golf und der Fundy-Bai der Schiffahrt drohen, teils abgeschwächt, teils beseitigt werden. Diese Gefahren bestehen einerseits in den Eismassen, welche zur Winterszeit den St.-Lorenz-Golf anfüllen und in den Monaten März, April und Mai aus dem nördlichen Teile des Golfs in den Atlantischen Ocean getrieben werden, sowie in den ungeheuren Eisfeldern, welche während dieser Monate von den nördlichen Küsten des amerikanischen Festlandes nach Süden treiben und das Meer bei Neu-Fundland in großer Ausdehnung bedecken, andererseits in den dichten Nebeln, welche unter dem Einflusse des Golfstroms an der Ostküste von Neu-Fundland gelagert sind.

Der Betrieb der kanadischen Schiffs-Eisenbahn wird in der Weise stattfinden, daß die Schiffe vermöge hydraulischen Drucks aus dem Wasser heraus und auf Wagengestelle gehoben und letztere mittels großer Lokomotiven auf einer Geleisanlage über den Isthmus befördert werden.

[130] Litteratur: „Vom Fels zum Meer“, Stuttgart, Spemann (April bis September 1882). — Helène, Les nouvelles routes du globe. Paris, Masson, 1882. — Deutsche Revue, Septemberheft 1885.

[131] Archiv für Eisenbahnwesen, 1885.

[132] Litteratur: Jung, Australien. 4 Teile. Leipzig, Tempsky, 1883/84.

[133] Spinifex, eine steife, stachlichte Grasart.

[134] Allgemeine Zeitung. Beilage vom 9. Sept. 1883.

[135] Litteratur: Baclé, Les voies ferrées. Paris, Masson, 1882. — Jungwinkel, Die unterirdischen Stadt-Eisenbahnen in London, im Archiv für Eisenbahnwesen, 4. Jahrg., 1881. — Schweiger-Lerchenfeld a. a. O.

[136] Baclé l. c. p. 298.

[137] Litteratur: v. d. Leyen, Die New-Yorker Hochbahnen, im „Archiv für Eisenbahnwesen“. — Oberländer, Von Ocean zu Ocean. Leipzig, Spamer, 1885, S. 32.

[138] Litteratur: Illustrierte Zeitung, 1882, S. 145. 343. 369. — Westermanns Illustrierte deutsche Monatshefte, 52. Bd., S. 368 ff. — Bode, Die Berliner Stadt-Eisenbahn. Wien, Lehmann und Wentzel, 1881. — Meyers Konversationslexikon, 3. Aufl., 19. Bd.

[139] Vgl. hierzu van Muyden, Die elektrische Eisenbahn, in Westermanns Monatsheften, 28. Jahrg. — Baclé l. c. — Konversationslexikon von Brockhaus, 13. Aufl.

[140] Die bezüglichen Angaben entstammen dem „Arch. f. Eisenbahnw.“, Jahrg. 1886.

[141] Archiv für Eisenbahnwesen, 1886.

[142] Diese und alle folgenden statistischen Angaben sind, soweit nicht anders angegeben, teils Neumann-Spallart a. a. O., teils Mulhall l. c. entnommen.

[143] Die Kosten einer Lokomotive belaufen sich auf circa 40000 M., jene eines Personenwagens auf 4000 bis 8000 M. Das Betriebsmaterial aller Bahnen der Erde repräsentiert einen Wert von 7200 Mill. M.

[144] Anlagekapital für alle am Schlusse des Jahres 1884 im Betrieb gewesenen Eisenbahnen der Erde über 100 Milliarden Mark. (Archiv für Eisenbahnwesen, 3. Heft, 1886.)

[145] Koch, Webers Schule des Eisenbahnwesens. 4. Aufl. Leipzig, Weber, 1885.

[146] Nach einer Juni-Nummer der Weserzeitung vom Jahr 1882.

[147] Reichs-Kursbuch. Berlin, Springer, September 1886.

[148] Das Folgende nach „Das neue Universum“, 1885 (Stuttgart, Spemann), S. 69–73.

[149] 4. Aufl., 1885, Leipzig, J. Weber.

[150] Litteratur: Weber, „Die Geographie des Eisenbahnwesens“ und „Die Physiognomieen der Eisenbahnsysteme bei den Hauptkulturvölkern“, in Webers „Vom rollenden Flügelrade“. Berlin, Hofmann & Komp., 1882.

[151] Der folgende Abschnitt ist größtenteils dem 11. Jahrgang (1883) des Archivs für Post und Telegraphie entnommen. Als Quellen haben bei Bearbeitung desselben gedient: Schlagintweit, Die amerikanischen Eisenbahn-Einrichtungen. Köln, Mayer, 1882. — Hesse-Wartegg, Nordamerika. Leipzig, Weigel, 1880. — Bartels, Betriebseinrichtungen auf amerikanischen Eisenbahnen. Berlin, 1879.

[152] Der Name cow-catcher (Kuhfänger) rührt daher, daß nicht selten Viehherden, vornehmlich Büffelherden, von dem Geleise beseitigt werden müssen.

[153] Neuerdings werden dieselben auf vielen Bahnen festgeschraubt.

[154] Die vielfach gehörte Behauptung, die amerikanischen Eisenbahnen führten nur Wagen einer Klasse, ist heute nicht mehr zutreffend. Bei den meisten Zügen giebt es eine erste und zweite Klasse, bei vielen sogar eine dritte (vgl. Leyen, Die nordamerikanischen Bahnen in ihren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen. Leipzig, Veit & Komp., 1885).

[155] Anders urteilt über die Schaffner der vielgereiste Semler; nach ihm sind 75% der Schaffner Grobiane und Flegel (Semler, Das Reisen in und nach Nordamerika und den Tropenländern. Wismar, Hinstorff, 1884).

[156] Vgl. hierzu Oberländer, Von Ocean zu Ocean. Leipzig, Spamer, 1885.

[157] Nach Tylor, Einleitung in das Studium der Anthropologie und Civilisation, übersetzt von Siebert. Braunschweig, Vieweg u. Sohn, 1883.

[158] griechisch skaptein = graben, aushöhlen.

[159] Vgl. Peschel, Völkerkunde. Leipzig, Duncker und Humblot, 1874, S. 202 bis 216.

[160] Litteratur: Henk und Niethe, Zur See. Berlin, Hofmann & Komp., 1886. — Engelmann, Schück und Zöllner, Der Weltverkehr und seine Mittel. 3. Aufl. Leipzig, Spamer, 1880. — Zeitschrift für die gebildete Welt. Bd. 3. Braunschweig, Vieweg u. Sohn. — Buch der Erfindungen. 8. Aufl. Leipzig, Spamer. — Schweiger-Lerchenfeld, Von Ocean zu Ocean. Wien, Hartleben, 1885. — Renard, L’art naval. 4e éd. Paris, Hachette & Co., 1881. — Lindsay, History of the Merchant Shipping. London, 1874. — Gelcich, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Schiffahrt. Laibach, Kleinmayer, 1882. — Breusing, Die Nautik der Alten. Bremen, Schünemann, 1886.

[161] Das gebräuchlichste Maß zur Bestimmung der Größe eines Schiffes ist die (von der Gewichtstonne [1000 kg] wohl zu unterscheidende) Registertonne, d. i. 2,8 cbm Raumgehalt. Bei Handelsschiffen unterscheidet man in dieser Beziehung Brutto- und Nettotonnengehalt. Unter ersterem versteht man den Raumgehalt aller geschlossenen Schiffsräume, gleichviel, ob sie zur Aufnahme von Ladung oder als Mannschaftswohnung oder als Maschinen- und Kohlenräume dienen. Der Nettotonnengehalt ist der Raumgehalt eines Schiffes abzüglich des von den Maschinen und den Kohlenbunkern eingenommenen Raumes. — Die einfache Bezeichnung „Registertonnengehalt“ wird stets im Sinne von „Nettotonnengehalt“ gebraucht.

[162] Litteratur: Thurston, Die Dampfmaschine. 2 Teile. Leipzig, Brockhaus, 1880. — Henk und Nielhe, Zur See. Berlin, Hofmann & Komp., 1886. — Deutsche Rundschau. Berlin, Paetel. — Engelmann, Schück und Zöllner, Der Weltverkehr und seine Mittel. 3. Aufl. Leipzig, Spamer, 1880. — Buch der Erfindungen. 8. Aufl. Leipzig, Spamer. — Zeitschrift für die gebildete Welt. Bd. 3. Braunschweig, Vieweg und Sohn.

[163] Litteratur: Boguslawski, Handbuch der Oceanographie. 1. Bd. Stuttgart, Engelhorn, 1884. — Attlmayr, Köttstorfer etc., Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteorologie. 2 Bde. Wien, Hof- und Staatsdruckerei, 1883. — Hann, Hochstetter und Pokorny, Allgemeine Erdkunde. Prag, Tempsky, 1885. Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde. Leipzig, Veit & Komp., 1884. — Krümmel, Der Ocean. Prag, Tempsky, 1886.

[164] Vom griech. isos, gleich, und hora, die Zeit, Stunde.

[165] Litteratur: Hann, Hochstetter und Pokorny a.a.O.Supan a.a.O.Lommel, Wind und Wetter. München, Oldenbourg, 1880. — Mohn, Grundzüge der Meteorologie. 3. Aufl. Berlin, Reimer, 1883. — Klein, Allgemeine Witterungskunde. Leipzig, Freytag, 1882. — Hann, Handbuch der Klimatologie. Stuttgart, Engelhorn, 1883. — Klein und Thomé, Die Erde und ihr organisches Leben. Stuttgart, Spemann, 1880. — Reis, Lehrbuch der Physik. 6. Aufl. Leipzig, Quandt und Händel, 1886.

[166] Litteratur: Zeitschrift für die gebildete Welt. Bd. 3. Braunschweig, Vieweg und Sohn, S. 74–83. — Gelcich, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Schiffahrt. Laibach, Kleinmayer, 1882. — Schweiger-Lerchenfeld, Von Ocean zu Ocean. Wien, Hartleben, 1885. — Buch der Erfindungen. 8. Aufl., Leipzig, Spamer. — Koldewey, Die Bedeutung des Kompasses im Weltverkehr, in „Verhandlungen des fünften deutschen Geographentages“. Berlin, Reimer, 1885. — v. Henk und Niethe, Zur See. Berlin, Hofmann.& Komp., 1886.

[167] vom griech. isos = gleich, und gonia = der Winkel.

[168] von isos und klinein = neigen.

[169] Vgl. Zeitschrift für die gebildete Welt. Bd. 3.

[170] Das Folgende nach dem Archiv für Post und Telegraphie, 1885, Nr. 4: Der Wetterbeobachtungsdienst und das Sturmwarnungswesen in Deutschland.

[171] Zur Geschichte des Sturmwarnungswesens sei folgendes bemerkt: Der erste, welcher auf den Gedanken kam, den Seefahrern durch zweckmäßig eingerichtete Warnungssignale Kenntnis von einem herannahenden Sturme zu geben, war der englische Admiral Fitzroy. Seine Vorschläge wurden sofort angenommen und die praktische Durchführung ihm selbst überlassen. Und in der That, der Erfolg war ein überraschender. Die Warnungssignale waren kaum in Anwendung gekommen, als die Zahl der Schiffbrüche erheblich zurückging. Im Munde des englischen Volkes wurde das „God bless the old Admiral Fitzroy“ zu einem allgemeinen Sprichworte. Und wenn die rauhen Fischer und Küstenfahrer scherzweise ausriefen: „Hol’ der Teufel den verdammten Fitzroy! Der Kerl braucht nur seine große Trommel auszuhängen, um uns das böse Wetter auf den Hals zu schicken“, so liegt darin ein ganz ausgezeichnetes Lob für die wahrhaft praktische Bedeutung des Gegenstandes selber.

[172] van Bebber, Handbuch der ausübenden Witterungskunde. 1. Teil. Stuttgart, Enke, 1885, S. 328.

[173] Das Dienstgebäude der deutschen Seewarte wurde am 14. September 1881, dem Geburtstage Alexanders von Humboldt, durch den deutschen Kaiser, welchen Hamburg an diesem Tage in seinen Mauern begrüßte, feierlich eingeweiht.

[174] v. Freeden, Sechstage-Dampfer zwischen dem Kanal und New-York, in „Deutsche Revue“, 1885, Oktoberheft, S. 99–110.

[175] 1 Knoten = 1 Seemeile = 1,85 km.

[176] Deutsche Verkehrszeitung, Nr. 31, 1886.

[177] Deutsche Verkehrszeitung, Nr. 30, 1886.

[178] Die folgenden Angaben nach dem „Universal Register“ von Lloyd’s Register of British and Foreign Shipping. London, 1886.

[179] Vorerst dient das Schiff noch als schwimmender Cirkus.

[180] Das Folgende nach der von der Gesellschaft gegebenen Beschreibung des Dampfers.

[181] Weserzeitung vom 28. Mai 1886.

[182] Litteratur: Hélène l. c.Stephan, Der Suezkanal und seine Eröffnung, in „Unsere Zeit“. Neue Folge, 6. Jahrg. Leipzig, Brockhaus. — Dehn, Deutschland und Orient in ihren wirtschaftspolitischen Beziehungen. München, Franz, 1884. — Gothaischer genealogischer Hofkalender. Gotha, Perthes, 1885 u. 1886. — Archiv für Post und Telegraphie, 1883. — Export, Jahrg. 1885. — Centralblatt der Bauverwaltung vom 25. Mai 1885.

[183] Die Schrift selbst war eine Frucht der Napoleonischen Expedition nach Ägypten.

[184] Die Anschlagssumme für diesen Kanalbau beträgt 203 Mill. Frcs.

[185] 1883 und 1884 betrug der bezügliche Anteil Englands nur mehr 76%.

[186] Es passierten den Suezkanal deutsche Schiffe:

Jahr. Zahl der Schiffe.
1881  45
1882 109
1883 123
1884 130

[187] Die Suezkanal-Aktien zum Nennwerth von 500 Frcs. stehen selten unter 2000, meist über 2100.

[188] Die Gesamtzahl der Kanalaktien beträgt 396526 (Keltie, The Statesman’s Year-Book for the year 1886, p. 722. London, Macmillan & Co.).

[189] Vgl. Gaebler, Der centralamerikanische Bosporus zwischen Colon und Panama. Leipzig, Fues, 1884. — Zehden a. a. O., und besonders Pescheks Vortrag über den Panamakanal im „Centralbl. der Bauverwaltung“ vom 18. Aug. 1886; auch die Zeitschrift „Ausland“ und das „Archiv für Post- und Telegraphie“.

[190] Am 1. Januar 1886 befanden sich auf der Landenge unter anderem: 40 Bagger, 159 Baggerschiffe, 171 Lokomotiven, entsprechend viele Erdkippwagen von 2, 4 und 6 cbm Inhalt, 29 Dampfschiffe, 468 Pumpen, 116 Trockenbagger verschiedener Art, 131 Lokomobilen und 489 km Bahngeleise.

[191] Die Ansichten über die Kosten, die Zeit der Fertigstellung und die Rente des Kanals gehen freilich noch sehr auseinander.

[192] Allgemeine Zeitung, 1884. — Hélène l. c. — Jahrbuch für Naturwissenschaften. 1. Jahrg. Freiburg, Herder, 1886.

[193] Vgl. Centralblatt der Bauverwaltung vom 16. Juni 1886, die Zeitschrift „Daheim“, 1886, Nr. 18, und Beseke, Der Nordostsee-Kanal, in Petermanns Mitteilungen, Oktoberheft 1886.

[194] Vgl. Deckert, Kolonialreiche und Kolonisationsobiekte der Gegenwart. Leipzig, Frohberg, 1884.

[195] Vgl. Ausland, 1885, Nr. 7 und 8. — Centralblatt der Bau-Verwaltung, 1885, Nr. 8 und 10.

[196] = entladen.

[197] Das Folgende nach Fitger, Die Seehäfen Englands. Berlin, Simion, 1885.

[198] Roscher, Nationalökonomik des Handels und Gewerbfleißes. Stuttgart, Cotta, 1882, S. 446.

[199] Litteratur: K. Andree, Geographie des Welthandels. Bd. 1. Stuttgart, Julius Maier, 1867. — Schweiger-Lerchenfeld, Von Ocean zu Ocean. Wien, Hartleben, 1885. — Lommel a. a. O. — Guthe-Wagner, Lehrbuch der Geographie. 5. Aufl. Hannover, Hahn, 1882.

[200] Näheres im elften Kapitel, „Statistisches“.

[201] Der Name „Vitalienbrüder“ rührt daher, daß diese Seeräuber in dem Kampfe der Hansestädte Rostock und Wismar gegen Margarete, die Königin von Norwegen und Dänemark, sich verpflichteten, die im Besitze der Deutschen befindliche Stadt Stockholm mit Lebensmitteln, Viktualien, zu versehen. — Likendeeler = Gleichteiler, weil die Beute to liken deelen, zu gleichen Teilen der Bemannung eines Schiffes oder den Genossen einer Rotte zu gute kam.

[202] Zur See, S. 240.

[203] Litteratur: Zeitschrift für die gebildete Welt. Bd. 1. Braunschweig, Vieweg und Sohn. — Andree, K., a. a. O. — „Vom Fels zum Meer.“ Stuttgart, Spemann. — Deutsche Verkehrszeitung, 1886. — v. Henk und Niethe, Zur See.

[204] Kosten des Rotesand-Leuchtturms: 868000 Mark.

[205] Die Steuerbordseite des Schiffes ist die rechte Seite desselben, wenn man auf dem Hinterdeck steht und nach vorne sieht.

[206] Die Backbordseite ist die linke Seite des Schiffes, vom Hinterdeck nach vorn gesehen.

[207] Die in Hamburg 1885 abgeschlossenen Seeversicherungen betrugen im ganzen 1633 Mill. M. (Allgemeine Zeitung, 1886, Nr. 230, 2. Beilage).

[208] Die folgenden Angaben über Klassifikationsgesellschaften entstammen alle dem von Lloyd’s Register herausgegebenen Universal Register (Statistical Tables, Nr. 9 u. 10), London. 1886.

[209] Die Gesellschaft ist jetzt mit Lloyd’s Register vereinigt.

[210] Litteratur: Kleemann, Die Rettung der Gestrandeten, in „Vom Fels zum Meer“, Augustheft 1885, S. 477–488. — Schweiger-Lerchenfeld, Das eiserne Jahrhundert. S. 538–546. — Dorenwell und Hummel, Charakterbilder aus deutschen Gauen, Städten und Stätten. Hannover, Norddeutsche Verlagsanstalt, 1885, S. 252–247. — v. Henk und Niethe, Zur See.

[211] Zur See. S. 224.

[212] Der Name „Lloyd“ stammt von einem gewissen Edward Lloyd in London; derselbe besaß daselbst gegen Ende des 17. Jahrhunderts ein Kaffeehaus, das der Sammelpunkt all jener war, die mit dem Schiffs- und Seewesen zu thun hatten. Aus diesen Zusammenkünften in Lloyds Kaffeehaus entstand zunächst die Gesellschaft „Lloyd’s“ in London, ein Institut zur Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Seeversicherer und Assekuranzmakler; dasselbe besteht noch heute und ist unter allen ähnlichen Instituten das großartigste der Welt. Wer in Lloyd’s Räumen sich befindet, hat zu jeder Zeit die letzten Nachrichten über Schiffahrt und Handel, über Wind und Wetter vor Augen; er hört das Brausen des Sturmes, der den Indischen Ocean aufwühlt, und sieht den Eisberg, der an der Küste von Canada ein Dampfschiff gefährdet. Zwei große Folianten enthalten, der eine die Nachrichten über jedes in einem beliebigen Hafen der Welt eingelaufene Schiff, der andere über Unglücksfälle zur See. Nach einem Sturme drängen sich große Haufen Menschen um diese beiden wichtigen Bücher, deren Inhalt an jedem Abend als Lloyd’s list gedruckt ausgegeben wird. — Die Listen von Lloyd’s werden nach den amtlichen Berichten der Agenten zusammengestellt und sind für alle Häfen der Erde maßgebend. Andere für Schiffs- und Seewesen bedeutende Publikationen von Lloyd’s sind noch: Lloyd’s Weekly Index of the Movement of Shipping, Voyage Table of Steamers und ganz besonders Hozier’s General Report for 1884. — Nach dem Vorbilde von Lloyd’s haben sich auch auf dem Kontinente ähnliche Gesellschaften gebildet, so der Österreichisch-Ungarische Lloyd etc.

[213] Das Folgende nach „Der Norddeutsche Lloyd von 1857–1882“ von M. Lindemann (Festschrift) und nach dem Rechenschaftsberichte der Gesellschaft vom 28. April 1886; vgl. auch Deutsche Verkehrszeitung, Nr. 39, 1886.

[214] Wie enorm der Kohlenverbrauch der Dampfer ist, ergiebt folgendes Beispiel: Die 24 Feuerungen des Dampfers „Elbe“ vom Norddeutschen Lloyd mit 4510 Brutto-Tonnen verzehren im täglichen Durchschnitt 105000 kg Kohlen. Eingenommen werden für jede Reise über den Ocean 1500 t oder 1500000 kg, das ist ein Quantum, das der Ladung von sechs Eisenbahnzügen mit je 25 Doppelwaggons entspricht (Zetzsch, Die Ocean-Dampfschiffahrt und die Postdampferlinien nach überseeischen Ländern. S. 43. Weimar, Geographisches Institut, 1886).

[215] Schon ein einzelner Dampfer hat übrigens für eine überseeische Fahrt sehr bedeutende Quantitäten von Nahrungsmitteln nötig. Nach einer Zeitungsnotiz nimmt z. B. der neue französische Dampfer „Gascogne“ für jede Amerikafahrt hin und zurück u. a. ein: 6000 Flaschen Tischweine, 3000 Flaschen feine Weine, 5000 Flaschen Bier, 5000 Flaschen Cognac, 40 Fässer Wein für die Mannschaft, 4000 kg verschiedene Gemüse, 15000 Eier, 500 Hühner, 50 Gänse, 20000 kg Eis, 300 Laib Käse, 500 kg Kaffee, 500 kg Obst, 50000 kg Fleisch, 100 Fässer Mehl, 400 kg Fische u. s. w.

[216] Vgl. hiezu Oberländer, Von Ocean zu Ocean. S. 15–16. Leipzig, Spamer, 1884, und „Hamburgs Handel und Verkehr“. Verlag der Aktiengesellschaft „Neue Börsenhalle“. Hamburg, 1886.

[217] Universal Register, herausgegeben von Lloyd’s Register of British and Foreign Shipping. London, 1886.

[218] Vgl. den Rechenschaftsbericht der Gesellschaft für 1885.

[219] Die folgenden Zahlenangaben sind genommen aus „Hamburgs Handel und Verkehr“. Verlag der Aktiengesellschaft „Neue Börsenhalle“, Hamburg, 1886, S. 21 ff.; nur die Angabe über den Norddeutschen Lloyd stammt aus dem Jahresbericht der Gesellschaft vom 28. April 1886.

[220] Vgl. hierzu namentlich die Mitteilungen aus dem Rechenschaftsbericht der Gesellschaft für 1885 in der Zeitschrift „Export“, 8. Jahrg., 1886, Nr. 9 u. 12.

[221] Universal Register for 1886.

[222] Deutsche Verkehrszeitung, 1886, Nr. 30. Die Angabe gründet sich auf den Jahresbericht der Gesellschaft für 1885.

[223] Universal Register for 1886.

[224] Vgl. hierzu die von dem Österreichisch-Ungarischen Lloyd aus Anlaß des 50jährigen Jahrestages seiner Gründung (1886) veröffentlichte Festschrift „Die Dampfschiffahrts-Gesellschaft des Österreichisch-Ungarischen Lloyd von ihrem Entstehen bis auf unsere Tage (1836–1886)“, und den Jahresbericht der Gesellschaft für 1885 vom 12. Mai 1886.

[225] Universal Register for 1886.

[226] Vgl. Relazioni sul rendiconto e bilancio dell’ esercizio 1883–1884 e deliberazioni dell’ assemblea. Roma 1884.

[227] Universal Register for 1886.

[228] Vgl. hiezu Zetzsch a. a. O. S. 33 u. 34.

[229] Sämtliche diesbezügliche Angaben entstammen teils dem Universal Register for 1886, teils den Jahresberichten der Gesellschaften für 1885. Die Angaben über die „Aller“ des Norddeutschen Lloyd sind der Weserzeitung vom 19. April 1886 (Mittags-Ausgabe), die Angaben über den „Poseidon“ des Österr.-Ungar. Lloyd der erwähnten Festschrift entnommen.

[230] Den „Poseidon“ wird der noch immer im Bau befindliche „Imperator“ übertreffen.

[231] Ohne die drei oben genannten Dampfer (S. 426).

[232] Noch größer ist die „Gascogne“.

[233] Siehe übrigens S. 421 unten und 422 oben.

[234] Zetzsch a. a. O. S. 49.

[235] Die Zahlenangaben über die deutschen Gesellschaften sind der Schrift „Hamburgs Handel und Verkehr“ (Hamburg, Neue Börsenhalle, 1886), jene über die ausländischen Gesellschaften deren betreffenden Rechenschaftsberichten entnommen.

[236] Dieses Kapitel ist samt den Kärtchen bearbeitet auf Grund des Reichs-Kursbuches vom 1. Juni 1886 und der Übersichtskarte der überseeischen Postdampfschiffslinien im Weltpostverkehr nach dem Stande vom 1. Juli 1886 (bearbeitet im Kursbureau des Deutschen Reichs-Postamts).

[237] Semler, Das Reisen in und nach Nordamerika und den Tropenländern. Wismar, Hinstorf, 1884.

[238] v. Henk und Niethe, Zur See.

[239] Vgl. hierzu Zetzsch, Die Ocean-Dampfschiffahrt und die Postdampferlinien nach überseeischen Ländern (Weimar, Geogr. Institut, 1885), und die „Übersichtskarte der überseeischen Postdampfschiffslinien im Weltpostverkehr“. Nach dem Stande vom 1. Juli 1886. Bearbeitet im Kursbureau des deutschen Reichspostamts.

[240] Es ist eine Erhöhung dieser Summe auf 6,3 Mill. M. in Aussicht genommen.

[241] Nach Zetzsch a. a. O.

[242] Veredarius a. a. O. S. 361–364 und Deutsche Verkehrszeitung, 1885, S. 79.

[243] Nach Mulhall, Dictionary of Statistics. London, Routledge and Sons, 1885, p. 406.

[244] Der effektive Tonnengehalt (die effektive Tragfähigkeit, die berechnete Tragfähigkeit, die Gesamttragfähigkeit) ergiebt sich, wenn man den nominellen oder Register-Tonnengehalt der Dampfer mit fünf multipliziert und zu diesem Produkte den Tonnengehalt der Segler addiert. Die Dampfer besitzen eben durch ihre Schnelligkeit und sonstige Vorteile eine fünfmal so große Transportkraft als Segelschiffe des gleichen Tonnengehalts.

[245] Nach den Angaben des von Lloyd’s Register of British and Foreign Shipping herausgegebenen „Universal Register“ (London, 1886). Hierbei sind alle Dampf- und Segelschiffe von je 100 t Gehalt und darüber in Rechnung gebracht.

[246] Nach dem von Lloyd’s Register of British and Foreign Shipping herausgegebenen „Universal Register“ (from the 1st of April 1886 to the 31st of March 1887), London, printed by William Clowes and Sons, 1886.

[247] 1883 baute sie 61113 t; es ist dies der größte Betrag, der überhaupt in einem Jahr von einer Firma gebaut wurde (Lloyd’s General Report for 1884, compiled by Henry Hozier and E. Puttock. London, printed by Spottiswoode & Co, 1885, p. 2).

[248] Deutsche Verkehrszeitung, 1884.

[249] Mulhall l. c. p. 410.

[250] Mulhall l. c. p. 411.

[251] Deutsche Verkehrszeitung, 1884.

[252] Im Jahre 1884 ist der englische Schiffsbau gegen 1883 bedeutend (um 500000 t) zurückgegangen; so baute die Werfte am Clyde 1884 nur 299119 t, die Werfte am Tyne nur 124221 t und jene am Wear nur 99597 t (Lloyd’s General Report for 1884, compiled by Hozier and Puttock, p. 1–2). 1885 wurden gar nur mehr 449825 t in ganz England gebaut (Universal Register, Statistical Tables, Nr. 6).

[253] Universal Register (Statistical Tables, Nr. 3).

[254] Universal Register (Statistical Tables, Nr. 4).

[255] Universal Register (Statistical Tables, Nr. 5).

[256] Universal Register (Statistical Tables, Nr. 6).

[257] Hierbei sind die Schiffe von 100 t und darüber gezählt; die Zahlen, welche den Tonnengehalt angeben, beruhen auf dem Netto-Tonnengehalt der Segler und dem Brutto-Tonnengehalt der Dampfer.

[258] Universal Register (Statistical Tables, Nr. 4).

[259] v. Scherzer, Das wirtschaftliche Leben der Völker. Leipzig, Alfons Dürr, 1885, S. 698.

[260] Mulhall l. c. p. 423.

[261] Mulhall l. c. p. 485.

[262] v. Scherzer a. a. O. S. 698.

[263] Mulhall l. c. p. 486.

[264] Deutsche Rundschau, Märzheft 1886 (Esebeck, Das Kauffahrteiwesen der Gegenwart, S. 409).

[265] Lloyd’s General Report for 1884, p. 18.

[266] Lloyd’s General Report for 1884, p. 18.

[267] Mulhall l. c. p. 486.

[268] Mulhall l. c. p. 401.

[269] Die Werte in der letzten Spalte sind, da sie dem Tageskurs unterliegen, nach ungefährem Durchschnittskurse angegeben.

[270] Reichskursbuch vom 1. Juli 1886.

[271] Von sonstiger hier zur Verwertung gekommener Litteratur sei noch erwähnt: Foville, La transformation des moyens de transport et ses conséquences économiques et sociales. Paris, Guillaumin et Co., 1880. — Sax, Die Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft. Wien, Hölder, 2 Bde., 1878 u. 1879. — Knies, Die Eisenbahnen und ihre Wirkungen. Braunschweig, Schwetschke und Sohn, 1853. — Roscher, Nationalökonomik des Handels und Gewerbefleißes. Stuttgart, Cotta, 1882. — Meyer, „Die Wirkungen der Eisenbahnen“ in der Sonntagsbeilage der Vossischen Zeitung, 1880. — Behm, Die modernen Verkehrsmittel. Gotha, Perthes 1867. — Baclé, Les voies ferrées. Paris, Masson, 1882. — Fischer, Post und Telegraphie im Weltverkehr. Berlin, Dümmler, 1879.

[272] Nach der Statistik des internationalen Telegraphenbureaus zu Bern vom Jahre 1884.

[273] Deutschland. Siehe die Angaben für die Post S. 163.

[274] Frankreich. Siehe die Angaben für die Post S. 163.

[275] Österreich. Siehe die Angaben für die Post S. 163; auch in die für Österreich S. 163 angegebenen Summen ist das finanzielle Ergebnis des Telegraphenbetriebs eingerechnet.

[276] Rumänien. Siehe die Angaben für die Post S. 163.

Hellenica World Literatur, Deutsch