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Der antike griechische Geschichtsschreiber und Geograph Hekataios von Milet (griechisch Ἑκαταῖος), Sohn des Hegesandros, wirkte in Milet ca. von 560 bis 480 v. Chr.

In der Antike wie auch heute wurde und wird Hekataios von Milet häufig mit Hekataios von Abdera verwechselt, der ungefähr zwei Jahrhunderte nach Hekataios von Milet lebte und neben geschichtlichen auch Werke über Homer und Hesiod verfasst hat.

Werk

Hekataios von Milet unternahm nach eigenen Angaben im Laufe seines Lebens zahlreiche Forschungsreisen nach Europa, Asien und Ägypten. Seine praktisch erworbenen geografischen Kenntnisse erlaubten es ihm, die nicht mehr erhaltene Erdkarte von Anaximander so wesentlich zu verbessern, dass spätere antike Quellen behaupteten, „dass es ein Wunder zu nennen sei“. Andere Experten dagegen schreiben ihm zu, die vorhandene Weltkarte vor allem durch seine umfangreichen Kommentierungsarbeiten aufgewertet zu haben.

Er verfasste eine geografisch und historisch für die damalige Zeit recht exakte Reisebeschreibung (Periegesis, griechisch Περιήγησις; dt. „Umriss“) der ihm bekannten Erde. Er begründete damit eine im alten Griechenland noch oft gepflegte Literaturgattung. Sein in etwa 300 Bruchstücken erhaltener, rein deskriptiver Bericht wurde von Herodot häufig zitiert.

Weiterhin schuf er mit dem aus vier Büchern bestehenden Werk, das später als Genealogiai (griechisch Γενεαλογίαι) bekannt wurde, das älteste erhaltene griechische Geschichtsbuch. Er markiert damit den Anfang einer Geschichtsschreibung, für deren Existenz ein historisches Bewusstsein erst gebildet werden musste, das auf dem Fundament einer Raum-Zeit-Erkenntnis fußt. In seinem Geschichtswerk sind jedoch erst vorsichtige Ansätze einer rationalen Überprüfung des Wahrheitsgehaltes altehrwürdiger mythischer Traditionen anzutreffen. Keineswegs stellt er alle Inhalte oder gar die Tradition der Mythen in Frage, allerdings versucht er das Märchenhafte, Übertriebene, Unwahrscheinliche in ihnen zu entlarven. Letztendlich bleibt seine Kritik oberflächlich und eine Unterscheidung von Fiktion und historischen Fakten bleibt seinem Unterfangen noch versagt. Dennoch steht er am Beginn einer rationalistischen Betrachtungsweise, die ihre Fortsetzung in den Werken von Herodot und vor allem Thukydides fand. Deutlich wird dabei das Neue in seinem Streben auch dadurch, dass er anstelle einer gebundenen Lyriksprache sich einer ungebundenen Prosa im ionischen Dialekt bedient.

Hekataios ist einer der ersten klassischen Autoren, die das Volk der Kelten in ihren Schriften erwähnten.
Wirkung und Ansehen

In der Forschung ist bis heute umstritten, wie die Beziehung zwischen Hekataios' Schriften und den Historien Herodots zu bewerten ist. Den Quellen zufolge sollen beide Gelehrte ausgedehnte Reisen in das antike Vorderasien und nach Nordafrika unternommen haben und sollen das dabei gewonnenes Wissen in ihre geographischen Schriften eingefügt haben. Ob diese Aussagen in allen Punkten zutreffend sind, kann nicht eindeutig beantwortet werden.

Hinsichtlich der angeblich rationalen Geschichtsdarstellung behaupten manche Gelehrte, Hekataios habe die Erzählungen Homers für in allen Punkten glaubwürdige Dokumente gehalten. Er wurde von Thukydides abwertend zu den sogenannten Logographen, den Vorläufern der Geschichtsschreibung und Geografie, gezählt. Die moderne Forschung betont hingegen, dass die kritische Grundhaltung des Hekataios für die Entwicklung der späteren Historiographie von großer Bedeutung war.

Zu Zeit des Ionischen Aufstandes von 500 v. Chr. bis 494 v. Chr. wird Hekataios von Herodot als warnender politischer Ratgeber geschildert (Hdt. V 36). Der in der römischen Kaiserzeit schreibende Diodor berichtet, dass er nach der Niederschlagung dieses Aufstandes einer der Botschafter war, die den persischen Satrapen Artaphernes dazu überredeten, den ionischen Städten ihre alte Rechtsordnung zurückzugeben.

Ein Krater auf dem Erdmond, der sich in der Region östlich des Mare Fecunditatis, südlich des Mare Smythii und nördlich des Mare Australe befindet, wurde nach Hekataios benannt. Dieser Platz befindet sich am von der nördlichen Hemisphäre aus gesehen rechten Rand des von der Erde aus sichtbaren Teils der Mondoberfläche.

Literatur
Textausgaben

Rudolf Heinrich Klausen: Hecataei Milesii Fragmenta. Berlin 1831.
Karl Theodor Müller: Fragmenta Historicorum Graecorum. Bd. 1. Paris 1841.
Karl Theodor Müller: Fragmenta Historicorum Graecorum. Bd. 4. Paris 1851.
Giuseppe Nenci (Hrsg.): Hecataei milesi Fragmenta. Firenze 1954. (Biblioteca di studi superiori XXII. Filologia Greca)
Felix Jacoby: Die Fragmente der griechischen Historiker, Bd. 1,1: Genealogie und Mythographie: A. Vorrede, Text, Addenda, Konkordanz. Leiden 1957 (erw. ND der Aufl. 1923),
Felix Jacoby: Die Fragmente der griechischen Historiker, Bd. 1,2: Genealogie und Mythographie: B. Kommentar, Nachträge. Leiden 1957 (erw. ND der Aufl. von 1923).
Robert Fowler: Early Greek mythography, Volume I: Text. Oxford 2000.

Sekundärliteratur

Lucio Bertelli: Hecataeus: From Genealogy to Historiography. In: Nino Luraghi (Hrsg.): The Historian's Craft in the Age of Herodotus. Oxford 2001, S. 67ff.
Felix Jacoby: Hekataios. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Bd. 7,2. Stuttgart 1912, Sp. 2667ff. (grundlegend)
Klaus Meister: Die griechische Geschichtsschreibung. Stuttgart 1990, S. 20–23.
Stephanie West: Herodotus' Portrait of Hecataeus. In: Journal of Hellenic Studies 111, 1991, S. 144–160.

Weblinks

Hekataios von Milet. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica (englisch, inkl. Literaturangaben)
Jona Lendering: Artikel. In: Livius.org (englisch)

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