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Apollonios von Tyana (griechisch: Άπολλώνιος; * um 40; † um 120 [1]) stammte aus der Stadt Tyana in Kappadokien und war Philosoph in der Tradition des Pythagoras.

Biographische Quelle

Die weitaus ausführlichste Quelle über ihn ist eine Biographie, die der Sophist Philostratos verfasste und im Zeitraum 217/237 vollendete, womit er einen Auftrag der damals bereits verstorbenen Kaiserin Julia Domna ausführte. Diese Darstellung hat das Bild des Apollonios bis in unsere Zeit geprägt. Sie enthält zwar Angaben aus älteren, verlorenen Schriften, ist aber romanhaft angelegt, und ihre Glaubwürdigkeit wird von der modernen Forschung in vieler Hinsicht bestritten (neuerdings auch hinsichtlich der Chronologie; nach Philostratos wurde Apollonios ca. 3 v. Chr. geboren und starb unter Kaiser Nerva, also 96/98). Eine angebliche Hauptquelle, auf die sich Philostratos beruft, das "Tagebuch des Damis", ist frei erfunden. Philostratos schildert Apollonios als umherziehenden Prediger und Wundertäter, der in Italien, Spanien und Äthiopien tätig war und bis nach Babylon und Indien kam. Letzteres wurde in der Antike auch über Pythagoras, das Vorbild des Apollonios, erzählt. In Wirklichkeit hat Apollonios jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach den Osten des Römischen Reichs nie verlassen. Erst Julia Domna, die selbst aus dem Osten stammte, wollte ihn und seine Lehren in Rom populär machen. Daher gab sie die Biographie in Auftrag, in der Apollonios als Weiser mit übernatürlichen Fähigkeiten verherrlicht wird. Julias Sohn Kaiser Caracalla und ihr Großneffe Kaiser Severus Alexander betrieben einen Kult des Apollonios.

Über die historische Gestalt des Apollonios und seine philosophischen Lehren wissen wir wenig Zuverlässiges. Ihm zugeschriebene Werke sind teils verloren, teils in ihrer Echtheit umstritten. Als glaubwürdig gelten die Berichte, wonach Apollonios gemäß der pythagoreischen Tradition gegen die Tieropfer auftrat und der Ansicht war, dass Gott durch Gebete und Opfer nicht beeinflussbar und an Verehrung durch die Menschen nicht interessiert, aber auf geistigem Wege erreichbar sei.


Vergleiche mit Christus

In der von Philostratos verfassten Biographie fällt eine Reihe von Ähnlichkeiten mit dem Leben (besonders den Wundern) des Jesus Christus auf, was möglicherweise beabsichtigt war. Dies war aber ursprünglich wohl nicht im Sinne einer Rivalität mit dem Christentum gemeint. In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts hat dann aber der antichristliche Platoniker Porphyrios gegen die Einzigartigkeit Christi argumentiert und dabei auf Apollonios hingewiesen. Um 300 wurde die Apollonios-Verehrung im Rahmen der damaligen staatlichen Bekämpfung des Christentums für christenfeindliche Zwecke eingesetzt. Damals versuchte der Statthalter Sossianus Hierokles, der in der Christenverfolgung von 303 eine maßgebliche Rolle spielte, Apollonios als eine Christus überlegene Persönlichkeit zu erweisen. Damit wollte er Apollonios zur Leitgestalt für die Gegner der Christen machen. Dies führte zu heftigen Reaktionen der Kirchenväter Eusebius von Caesarea und Lactantius, die die spektakulären Taten des Apollonios auf das Eingreifen dämonischer Mächte zurückführten. Noch bis zur Aufklärung war ein solches negatives Apolloniosbild vorherrschend. Die Aufklärer hingegen, besonders Voltaire, waren von Apollonios begeistert. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden wie schon in der Spätantike wiederum viele (oft polemische) Vergleiche mit Christus angestellt.


Wundertaten des Apollonios

Apollonios wurden außersinnliche Wahrnehmungen zugeschrieben. So soll er in Ephesos die zeitgleich in Rom stattfindende Ermordung des Kaisers Domitian (96 n. Chr.) miterlebt und geschildert haben. Diese Episode wird von Cassius Dio und Philostratos mitgeteilt, wohl auf der Basis mündlicher Überlieferung. Beide berichten, dass der Philosoph die Tat als Tyrannenmord begrüßt habe.

Dem Kaiser Aurelian soll Apollonios im Jahr 272 im Traume erschienen sein, um ihn von der Zerstörung der Stadt Tyana abzuhalten.

Im 4. Buch seiner Biographie berichtet Philostratos, dass Apollonios die Epheser von einer Pestepidemie befreite, indem er die Jugendlichen der Stadt dazu brachte, einen Bettler beim Standbild des Herakles zu steinigen. Laut Philostratos handelte es sich um den Pestdämon, der die Gestalt eines Bettlers angenommen hatte und sich bei der Steinigung in einen löwengroßen Hund verwandelte; anschließend erlosch die Epidemie. Diese Episode wird von einigen Autoren als Beleg für ein Menschenopfer im Rahmen eines Reinigungsrituals herangezogen. Walter Burkert[2] hat darin ein spätes und "nahezu unritualisiert(es)" Beispiel des pharmakós-Opfers gesehen. Ein Zusammenhang mit dem historischen Apollonios ist allerdings schwer vorstellbar, wenn man davon ausgeht, dass dieser in erster Linie Pythagoreer war, denn die strikte Ablehnung aller blutigen Opfer gehörte zum Kernbestand der pythagoreischen Tradition. Eine ebenfalls rituelle Deutung dieses Texts trägt René Girard[3] vor. Er fasst die "Pest" nicht als bakterielle Epidemie, sondern als soziale Krise auf: Apollonios habe das altgriechische opferkultische Wissen eingesetzt, um die sozialen Spannungen durch einen einmütigen Lynchmord aufzulösen. Für Girard ist der Text des Philostratos ein Bericht über eine historische Episode von Verfolgung, dessen Glaubwürdigkeit nicht von den fehlenden Erkenntnissen über die historische Gestalt des Apollonios beeinträchtigt wird.


Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. ↑ Nach einer älteren, überholten Datierung lebte er von ca. 3 v. Chr. bis ca. 97 n. Chr.
  2. ↑ W. Burkert, Griechische Religion, S. 140
  3. ↑ R. Girard, Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz, S. 69ff.

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