ART

434) C. Iulius Romanus, Verfasser eines grammatischen Handbuches. Literatur: P. Wessner bei Teuffel–Kroll R. Lit.-Gesch. III § 379, 3. M. Schanz R. Lit.-Gesch. III² 179f. O. Froehde Jahrb. f. Philol. Suppl. XVIII 567–672. Goetz Jahresber LXVIII 145. Wessner ebd. CXIII 148. CXXXIX 110.

Das Werk war Ἀφορμαί oder liber ἀφορμῶν betitelt, was so viel wie ,Materialien‘ bedeuten dürfte. Wir verdanken seine Kenntnis lediglich der Überlieferung des Charisius, in dessen Ars (ed. Keil Gr. lat. I) folgende Abschnitte daraus enthalten sind :

1. De analogia 116, 29–147, 16.
2. De adverbio 190, 8–224, 22.
3. De coniunctione 229, 3–32.
4. De praepositione 236, 16-238, 14.
5. De interiectione 239, 1–242, 12.

Doch liegen hier offenbar zum Teil nur Auszüge vor; vgl. 229, 33: Sunt et aliae plurimae coniunctiones pro aliis apud veteres auctores interpositae, de quibus plenius C. Iulius Romanus libro ἀφορμῶν sub titulo de coniunctione disseruit und 238, 15: Sunt et aliae plurimae praepositiones pro aliis apud veteres auctores interpositae, de quibus plenius idem Iulius Romanus, libro ἀφορμῶν sub titulo de praepositione disseruit. Mehrfach beruft sich der Verfasser auf seine anderweitige Darstellung einzelner Punkte: 132, 31: ut de consortio casuum diximus, 135, 15 quod περὶ ὀρθογραφίας congruit quaestionibus copulare, 229, 18 ut de distinctionibus diximus und an der verderbten Stelle 209, 20: de consortio praepositionum, quem adaeque sub titulo ἀφορμῶν dedimus. Ob aber damit stets die ἀφορμαί gemeint sind, ist nicht recht klar; vgl. auch Christ Philol. 1862, 121. Jedenfalls stammen daher die kürzeren Anführungen, denen wir bei Charisius 53, 12–18. 56, 4-7 (in libro de analogia). 61, 5–14. 114, 1–6 (libro de analogia). 114, 25–28 (ut Romanus refert in libro de adverbiis sub eodem titulo). 254, 8. 9 begegnen. Genannt wird Romanus auch 51, 5 unter Hinweis auf den Abschnitt 116, 29 and 232, 7 (ut Romanus disertissimus artis scriptor refert) und 9.

Auf Grund dieses Materials können wir uns eine ungefähre Vorstellung von der Anlage des Ganzen machen. Wir dürfen annehmen, daß es [789] ein ziemlich vollständiges Lehrgebäude der lateinischen Grammatik enthielt, in dem, wie üblich, die Behandlung der Redeteile einen breiten Raum eingenommen haben wird. Wo der Verfasser Bemerkungen über den Gebrauch einzelner Wörter an die allgemeinen Abschnitte anknüpfte, legte er ihnen augenscheinlich stets alphabetisch angeordnete Lemmata zu Grunde. Doch ist die ursprüngliche Reihenfolge in den erhaltenen Stücken durch die Abschreiber mehrfach erheblich gestört, vgl. Tolkiehn Berl. philol Woch. 1904, 27. Die zahlreichen von Romanus genannten Autoren behandelt Froehde a. a. O. 589ff. Ob er sie unmittelbar oder wenigstens teilweise unmittelbar benutzt hat, läßt sich nicht feststellen. Eine oder die Hauptquelle scheint der ältere Plinius gewesen zu sein; vgl. H. Neumann Da Plinii dubii sermonis libris (Kiel 1881) 10.

Alle Abschnitte aus Romanus dürften aber mit Charisius ursprünglich nichts zu tun haben, sondern erst nachträglich in dessen Ars eingefügt sein; vgl. L. Jeep Rh. Mus. 1896, 401 und die Beobachtungen von Wessner Jahresber. CXIII 159 A. und Tolkiehn Cominianus (Lpz. 1910) 11, 3. Da der Codex Neapolitanus des Charisius dem Ausgange des 7. oder dem Beginne des 8. Jhdts. angehört, so muß die Vereinigung dieses Grammatikers mit den Stücken aus Romanus spätestens in jener Zeit vollzogen sein.

Im 9. Jhdt. begegnet der Name des letzteren noch einmal in dem Widmungsschreiben, das der Alkuins Kreise angehörende anonyme Autor der Schrift de octo partibus orationis an einen jüngeren Kleriker Sigbert richtet (ed. Duemmler Mon. Germ. Epist. IV 564). Doch wird sicherlich Manitius Gesch. d. lat. Lit. d. M.-Alt. I 460 mit der Vermutung recht behalten, daß die Kenntnis jenes von Romanus aus Charisius stammt; steht es doch genau ebenso mit der Erwähnung des Cominianus bei mittelalterlichen Schriftstellern; vgl. Tolkiehn Berl. phil. Wochenschr. 1914, 287.

Der Versuch von Froehde a. a. O. 569ff., noch weitere Stücke im Charisius auf Romanus zurückzuführen, ist erfolglos geblieben; auch die gelegentlich von Usener Rh. Mus. 1869, 111, 13 (= Kl. Schr. II 212) geäußerte Ansicht, daß die gelehrte Sammlung über passivischen Gebrauch der Deponentia bei Priscian. II 379, 2ff. aus jenem geflossen sei, hat sich nicht bestätigt.

Die Zeit des Grammatikers entzieht sich jeder näheren Bestimmung. Christ a. a. O. 123 glaubte aus der Art und Weise, wie Zitate aus Schriften Hadrians und Marc Aurels eingeleitet werden, schließen zu dürfen, daß die ἀφορμαί noch zu Lebzeiten des Antoninus Pius geschrieben seien. Wir haben aber keine Bürgschaft dafür, daß die betreffenden Zitate von Romanus aus jenen Schriften direkt entlehnt sind. Auch die Angabe 215, 22 hodieque nostri per Campaniam sic locuntur kann aus der benutzten Quelle (Statilius Maximus?) mit abgeschrieben sein, und es ist nicht erlaubt, daraus, wie Froehde 672 möchte, zu folgern, daß Romanus ein Kampaner gewesen sei.
[Tolkiehn.]

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