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Iapetos (Ἰαπετός). Was der Name, der der vorhellenischen Sprachepoche und Religion angehört, ursprünglich bedeutet hat, läßt sich nicht mit Gewißheit angeben. Von den einzelnen Etymologien ist zunächst die hervorzuheben, die im Etym. M. s. v. gegeben ist und das Wort von ἴπτω = βλάπτω oder von ἴημι = ἰάπτω ableitet, sodaß in dem Begriffe ursprünglich der ,Gestürzte‘ oder der ,Herabgefallene‘ zu sehen wäre. Eine Reihe von modernen Forschern ist dieser antiken Erklärung gefolgt so Benfey Griech. Wurzellexikon I 391. H. Steinthal Die Sage von Prometheus = Ztschr. f. Völkerpsych. u. Sprachwiss. II 10 (er stellt den Namen mit Kyavana zusammen); weitere Literatur bei Welcker Griech. Götterlehre I 754, 24. Schömann Op. acad. II 269, 7 und Hesiod Theog. 205. M. Mayer Die Giganten u. Titanen, Berlin 1887, 93 n. 104. O. Gilbert Griech. Götterlehre 185. Boisacq Dictionnaire étymol. s. ἰάπτω. Eine andere Erklärung geben Schwenck Griech. Myth. 2, der es mit ,Schwinger‘ übersetzt, und Weiske Prometh. 299, der Iapetor = Iuppiter darin erkennen will Neben diesen Deutungen hat man frühzeitig Parallelen gezogen zwischen dem griechischen I. und dem Japheth der Genesis (10, 2 schon in der Septuaginta = Ἰαπετός) und die Behauptung aufgestellt, daß ein semitisches Urwert in dem Namen stecke. So teilte Buttmann Mythologus 224 das Wort in den Urbestand: Ia = Iao, Iavo, Iova und pet = petos, petor, pater, [722] sodaß er als Urbedeutung einen ,Gott Vater‘ des Menschengeschlechtes erkennen möchte. Andrerseits erweiterte man den Begriff zu einer historischen Persönlichkeit, deren Name erst von der Berührung mit semitischen Stämmen den Griechen übermittelt und von da sekundär zu der Bedeutung eines Titanen verdunkelt worden sei; in diesem Sinne sprechen sich aus Welcker und Schömann a. O. sowie Weizsäcker bei Roscher Myth. Lex. II 1, 56. H. Levy Die semitischen Fremdwörter im Griech., Berl. 1895, 243. Dagegen sucht E. Meyer Gesch. d. Altert.² 702 aus dem Worte den Bestand Kaft, den alten ägyptischen Namen der Insel Kreta, festzustellen; danach würde ursprünglich der Name eines Inselvolkes dahinter stecken, das frühzeitig mit den semitischen Völkern in Beziehungen stand. Eine einwandfreie Erklärung scheint mir jedoch nicht aus den semitischen Sprachen gegeben werden zu können, ich schließe mich darin neben den sprachlichen Bedenken der Skepsis der modernen Bibelforscher an und verweise besonders auf die Ausführungen von Dillmann Genesis³ 166ff. Holzinger Genesis 94 und Gunkel Genesis in Göttinger Handkommentar z. a. Testam. hersg. von Nowack I 1, 83.

Jedenfalls haben wir ein griechisches Wort vor uns; ob ursprünglich ein Völkername (etwa in dem Sinne ,das verdrängte Volk‘) oder eine Persönlichkeit damit zum Ausdruck gebracht wurde, kann infolge des völligen Fehlens bestimmter Überlieferungen nicht entschieden werden. Wahrscheinlich steckt in dem biblischen Japhet dieser Name, den die Israeliten als einen Stammvater der Nord- und Westvölker aus deren Sagen entnommen haben werden. Ob bereits griechische Ursagen das Wort in diesem Sinne verwendet haben, läßt sich nicht mehr feststellen. Sicher ist nur, daß I. in der früheren griechischen Religion eine besondere Bedeutung gehabt haben muß. Er gehört zu den alten Titanengottheiten, die vor der olympischen Götterdynastie als Schöpfer der Menschen und Götter galten (Hom. Hymn. auf Apoll. 835). Dieser Glaube muß eine weite Verbreitung in den griechischen Landen gehabt haben; darauf deuten die Ausführungen Hesiods, der unter den hervorragendsten Göttern ihn nennt (Theog. 19), die kretische Sage, die ihn mit den übrigen Titanen in Knosos lokalisiert (Diodor. V 66), die kilikische Götterliste, in der er als besonderer Gott erscheint (Steph. Byz. s. Ἄδανα), sowie die zahlreichen Mythen, die ihm die hervorragendsten Göttinnen wie Klymene, Asia, Asope, Themis zur Frau gaben. Gerade die letzteren deuten darauf hin, daß er an der kleinasiatischen Küste eine besondere Bedeutung gehabt haben muß; aber auch im Mutterlande wird er früher eine beachtenswerte Geltung gehabt haben, das zeigt neben den Äußerungen Hesiods auch die arkadische Sage, die den Buphagos einen Sohn desselben nennt, sowie der Umstand, daß gerade Prometheus und Atlas als seine Söhne gelten. Welcher Art sein Kult und sein Mythus war, ob es etwa ein alter 8onnengott war (so Gilbert a. O. 185), darüber sind wir völlig in Unkenntnis; ebensowenig wissen wir, ob and wie lange sich dieser alte Glaube neben der siegreich vordringenden olympischen Götterwelt an einzelnen Orten erhalten hat. Es [723] wäre möglich, daß er im geheimen noch lange Zeit seine Anhänger gehabt hat: aus diesem Grunde könnte man sich vielleicht erklären, warum er in einer auf Imbros gefundenen Inschrift neben den Megaloi Theoi mit den übrigen Titanen als Gott angerufen wird (s. Keil Philol. Suppl. II 603, weitere Literatur zu dieser Inschrift gibt Bloch in Roscher Myth. Lex. II 2, 2533, dazu jetzt noch Athen. Mitt. XXXI 1906, 79. XLII 1908, 98ff. und IG XII 8, 74); dafür spräche auch die sonstige Gleichsetzung der Titanen mit den Kabiren z. B. bei Photius und CIG 3538, 17ff., sowie die Aufzählung derselben in einer orphischen Theogonie (frg. 95 Ab.). Im übrigen sind wir hierüber lediglich auf Vermutungen angewiesen; auch aus seinem Mythenkreise sind uns nur ganz dürftige Spuren überliefert. Bei Homer ist er bereits von Zeus gestürzt, mit Kronos schmachtet er am Ende der Welt im tiefen Tartarus, wo weder Sonne noch Winde hingelangen (Il. VIII 478ff.). Auf seine eigentliche Regierung wird nur noch in den Oracula Sibyllina verwiesen; danach soll er mit Saturn und Titan nach der Sintflut geherrscht haben (III 110 dazu Tertull. ad nat. II 12). Sein Kampf mit den Olympiern wird von den römischen Dichtern erwähnt, so von Verg. Georg. II 78ff. Val. Flacc. I 563; der Ort seiner Strafe ist neben dem Tartarus auch die Insel Inarime, sie liegt über ihm, wie andere Berge über seinen Brüdern; Rauch und Flammen stößt er aus seinem Mund und er harrt des Rachekampfes gegen die Himmlischen (Sil. Ital. XII 148ff. Stat. Theb. X 915). Sicher waren über seine eigentliche Taten ähnliche Mythen im Umlauf, wie wir sie bei Diodor von den anderen Titanen lesen, und in denen auch das segensreiche Wirken derselben hervorgehoben wurde. Von ihm weiß Diodor nur zu betonen, daß er als Vater des Prometheus indirekt den Menschen Gutes erwiesen hat. Als Stammvater und Schöpfer der Menschen spielt er in der vorhandenen Überlieferung keine besondere Rolle, das haben erst moderne Forscher ihm zugedacht (s. besonders Völcker Die Mythologie des Iapet. Geschlechtes 4ff. 322ff. und Gruppe a. O. 97. 440; in diesem Sinne wird er mit Koios, Kreios und Hyperion nur von Aetius genannt, der für seine Ansicht die Hesiodstelle Theog. 134 verwertet, Hesiod selbst nennt ihn aber nirgends als Schöpfer der Menschen, s. Aet. Plac. I 6, 10 = Plut. Epit. I 6 = Diels Doxogr. 296, 27).

Die übrigen Nachrichten, die wir über ihn besitzen, enthalten lediglich die trockene Angabe seiner Eltern, Gattin und Kinder. Er wird in den erhaltenen Berichten übereinstimmend Sohn der Gaia und des Uranos genannt (Hesiod. Theog. 133f. Verg. Georg. I 278. Apollod. I 1, 3 p. 2. Orac. Sibyll. III 105. Hyg. fab. praef. p. 10, 12 Schm. Orph. theog. frg. 95, 6 Ab.). Als Gattin wird genannt: Klymene, eine Tochter des Okeanos (Hesiod. Theog. 507. Hyg. fab. praef. p. 11, 14. Lactant. comm. in Stat. Theb. I 98), Themis oder Gaia (Aeschyl. Prom. 18. 209. Schol. Hes. opp. 48), Aithra (Schol. Hom. Il. XVIII 486), Asia (Apollod. I 1, 4 p. 8. Schol. Apoll. Rhod. I 444. Lycophr. 1283. 1412 und Schol. Lycophr. 1283), Asope (Schol. Hes. opp. 48), Thornax (Paus. VIII 27, 17). Als seine Söhne werden meist genannt [724] Atlas, Epimetheus, Menoitios und Prometheus (Hesiod. Theog. 509. Schol. Lycophr. 1283. Hyg. fab. 142 p. 23, 1. Apollod. a. O. Schol. Apoll. Rhod. I 444); außerdem wird Buphagos (Paus. VIII 27, 17) und Dryas (Hyg. fab. 173 p. 29, 1 Schm.) als sein Sohn bezeichnet, und Anchiale, die Gründerin der gleichnamigen kilikischen Stadt, als seine Tochter erwähnt (Athenodor. bei Steph. Byz. s. ?γχιάλη FHG III 188, 11 und 486, 1). Nach ihrem Vater heißen besonders Atlas und Prometheus Iapetides oder Iapetonides, z. B. Hesiod. Theog. 528. 559. 565. 746; opp. 50. 54. Ovid. met. IV 632, die Töchter, deren Namen nicht weiter genannt werden, führen bei Pindar die Bezeichnung Iapetionis Ol. IX 59. Zu erwähnen ist noch, daß I. und der Plural Ἰαπετοί in der Komödie den Sinn von ,abgelebte Alte‘ hat; die Beziehung ist klar, wie I. einer verschollenen Vorwelt angehört, so will die Komödie mit dieser Bezeichnung rückständige,, unzeitgemäße Menschen brandmarken, die in der Neuzeit keinen richtigen Platz mehr haben, vgl. Aristoph. Wolk. 998 und das Scholion dazu, Phrynichos in Bekkers Anecdot. p. 43, 29. Welcker a. O. I 45, 2 und van Leeuwen zu Aristoph. Wolk. 398.
[Gundel.]

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