ART

Forceps, Zange, nach Serv. Aen. VIII 453 (auch XII 404 ist wohl forvum zu lesen) und Isid. or. XIX 7, 3 für forviceps (nam forvum est calidum, unde et fervidum Isid.), nach Fest. ep. 84, 3. 91, 13 für formiceps (quod his forma id est calida capiuntur; so auch Velius Longus de orthogr. 2232 P. Marius Victor, p. 2470 P. Non. 531, wo L. Müller forvo für formo vermutet). Erstere Erklärung ist wahrscheinlicher Das Wort entspricht dem griechischen πυράγρα und bezeichnet ursprünglich die Schmiedezange, wird aber für Zangen jeder Art gebraucht, wie griechisch θερμαστρίς (Aristot. mech. 21, 854 a 24).

F., πυράγρα, wird oft erwähnt als Gerät der Schmiede und ihres Gottes, des Hephaistos. Hom. Il. XVIII 477; Od. III 434. Anth. Pal. VI 117. Luc. dial. deor. 5, 4. 7, 2. 4; dial. mer. 6, 1. Verg. Georg. IV 175. Ovid. met. XII 277. Iuv. 10, 131. Häufig ist sie auch in bildlichen Darstellungen des Schmiedehandwerks und als Attribut der Schmiede und des Hephaistos; zahlreich sind auch die erhaltenen F. in den Museen. Abbildungen Mon. d. Inst. I 12. III 30; ferner das von O. Jahn Sächs. Ber. 1861 Taf. VII. VIII Zusammengestellte. Schreiber Bilderatlas LXIX 7. Blümner Technol. II 193. Daremberg-Saglio Dict. des ant. II 1240 Fig. 3161–3164. An den beiden letzteren Stellen sind die verschiedenen Formen gut ersichtlich. Die griechisch-römische Schmiedezange ist durchaus Charnierzange, während auf ägyptischen Monumenten (Dict. des ant. I 812 Fig. 997 und das dort Zitierte) auch Federzangen vorkommen.

Andere Namen für Zangen der Metallarbeiter sind καρκίνος und πάγουρος. Zwar die Lexikographen identifizieren beides mit πυράγρα (Hes. Phot. Suid. s. πυράγρη), aber Anth. Pal. VI 117 werden καρκίνος und πυράγρη als Geräte des Schmieds nebeneinander genannt. Καρκίνος und πάγουρος sind genannt nach der Ähnlichkeit mit einem Krebs, und zwar gewiß nicht mit den Scheren selbst, die nichts Charakteristisches haben, sondern mit den gekrümmten Armen, an deren Spitze sie sitzen. Es werden also unter diesen Namen Zangen zu verstehen sein, die vom Charnier aus erst nach beiden Seiten halbkreisförmig auseinander und dann wieder zu dem durch zwei parallel gestellte Plättchen gebildeten Maul zusammengehen. Solche F. sind mehrfach erhalten; s. Blümner a. O. Der Gebrauch ist derselbe wie der der πυράγρα: καρκίνον πυραγρέτην Anth. Pal. VI 92, 3. An eben dieser Stelle ist καρκίνος Gerät des Goldschmiedes; vgl. auch Hesych. θερμαστρίς, σκεῦος παραπλήσιος καρκίνῳ, ᾧ χρώνται οἱ χρυσοχοῖ. Dazu kommt, daß auf einem die Amoren als Goldschmiede darstellenden pompeianischen Wandgemälde (Mau Pompeji in Leben u. Kunst 326f. Herrmann Denkm. d. Malerei d. Altert. Taf. 24) diese mit eben solchen Zangen hantieren. Endlich ist an den von früh an bis in die Kaiserzeit üblichen Bronzefibulae in Form einer Zange eben diese Form die weitaus überwiegende [2852] (fünf von acht Exemplaren): Montelius Italie Taf. 13, 192 (Marzabotto). Not. d. scav. 1883 Taf. 17, 15 (Este, vorrömisch). Furtwängler Bronzen von Olympia 183 Taf. 65 nr. 1143 (vorrömisch). Lindenschmit Altert. uns. heidn. Vorzeit IV 9, 3–5. Fröhner Coll. Gréau nr. 520. Pollak Samml. Kopf X 79; es ist verständlich, daß man dem Schmuckgegenstand die Form eines Gerätes des Goldschmiedes gab. Über den Unterschied zwischen πάγουρος und καρκίνος ist wohl keine Vermutung möglich.

Auf einem Vasenbilde (Lenormant u. De Witte Él. céram. I 46 a; die Zange allein z. B. bei Blümner Technol. II 103 e) trägt Hephaistos eine wunderlich gestaltete Zange, deren Arme sich, man weiß nicht ob ober- oder unterhalb des Drehbolzens, noch einmal kreuzen, so daß man, um das Maul zu schließen und etwas festzuhalten, die Griffarme auseinander halten, also beide Hände brauchen müßte. Eine solche Konstruktion ist sinnwidrig und unglaublich, unsinnig auch die Zeichnung, indem die Griffarme zusammengefaßt und doch das Maul geschlossen ist. Wahrscheinlich ist hier eine karkinosartige Zange durch Mißverständnis des Vasenmalers falsch wiedergegeben.

Es scheint, daß von der z. B. zum Ausziehen von Nägeln gebrauchten Zange, mit zwei horizontalen Schneiden statt des Maules, sich kein Exemplar aus dem Altertum findet, was bei der großen Zahl anderer Zangen schwerlich zufällig sein kann; diese Form war wohl den Alten unbekannt.

Eine andere Art F. ist die Feuerzange. Wir kennen sie durch Funde in etruskischen Gräbern, wo sie mit Feuerschaufeln auf Kohlenbecken und Feuerböcken liegend gefunden werden. Die häufigste Form ist eine Charnierzange, dem Karkinos ähnlich, aber mit kleinen Rädern versehen, durch die sie über die Kohlen und die Asche emporgehoben wird. Micali Monumenti per servire usw. 113, 2; Mus. Greg. 14 (63) besonders charakteristischer Fund aus Vulci, mit Feuerschaufeln auf Kohlenbecken; das Maul der Zange hat die Form von Schlangenköpfen. De Witte Cab. Durand nr. 1877. Friederichs Kl. Kunst nr. 762–763. Guhl und Kohner Leben der Griech. u. Röm.6 707, 926. Dict. des Ant. II Fig. 3165. Doch kommen auch große Federzangen vor. Montelius Italie 179, 11 (Bronze, aus Vetulonia, auf Feuerbock mit anderem Feuergerät). 241, 8 (Eisen, aus Orvieto).

F. verschiedener Art brauchten auch die Chirurgen. Die τριχολαβίς, τριχολάβιον, volsella diente zum Ausreißen von Haaren, aber auch zu anderem Gebrauch (Paul. Aegin. VI 24), eine andere Art μύδιον, σαρκολαβίς, myzon, sarcolabon, zum Festhalten der zu operierenden Fleischteile, das βελουλκόν (Paul. Aegin. VI 87) oder die ἀρδισθήρα (Serv. Aen. VIII 453) zum Entfernen der Geschosse aus den Wunden; vgl. Cels. VII 5. Verg. Aen. XII 404. Die chirurgischen F., zahlreich erhalten, sind vorwiegend Federzangen (Pinzetten); doch kommen auch Charnierzangen vor. Die Zange zum Zahnausziehen (ὀδοντάγρα Aristot. mech. 21, 814 a 17. Cels. VII 12. Plut. de tranq. an. 7. Poll. II 96, dentharpaga Varro bei Non. 99, 20) war nach Lucil. 403 Marx an der Spitze [2853] gekrümmt. Zahnzangen abgebildet auf Grabsteinen christlicher Zahnärzte De Rossi Bull. christ. II 1864, 36, danach bei Martigny Dict. d. ant. chrét. instruments. Eine besondere Zange, ῥιζάγρα, diente zum Entfernen der Wurzeln. Cels. VII 12. Weiteres über chirurgische Zangen s. bei J. St. Milne Surgical instruments in greek and roman times, Oxf. 1907, 90–100. 135–138, wo ältere Literatur zitiert ist.

Forfices ist überliefert Vitruv. X 2. 2 als Bezeichnung einer Vorrichtung zum Heben von Steinen: zwei Haken, die am Flaschenzug befestigt, in zwei Löcher des Steines eingreifen. Da die Vorrichtung keine Ähnlichkeit mit einer Schere, wohl aber mit einer Zange hat, außerdem der griechische Name καρκίνος überliefert ist (Poll. X 148 aus Inschriften: καρκίνος λίθους ἔχων), so wird wohl forcipes zu lesen sein. Abbildung eines solchen F. in dem pompeianischen Bilde des troianischen Mauerbaues Helbig Wandgem. 1266. Vgl. Piranesi Antich. di Roma III 53, wo unrichtig der Name forfices einer anderen Hebevorrichtung (ital. ulivella, vgl. Röm. Mitt. XX 1905, 239) beigelegt ist.
[Mau.]

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