ART

1) Der attische Heros E. hat seit ältester Zeit einen Tempel, das Erechtheion (Od. VII 81. Herodot. VIII 55), in welchem ihm auf demselben Altare wie Poseidon geopfert wird (s. u.). Im gleichen Raume genießen auch Butes und Hephaistos Verehrung, Paus. I 26, 5. Opfer und Gaben der Epidaurier an E. und Athena, Herodot. V 82, E. allein genannt IG II 844. E. und seine Töchter werden zu den Göttern gezählt, Cic. de nat. deor. III 19. E. ist der πάρεδρος der Götter auf der Burg, Aristeid. XIII 119 und Schol. Besonders wichtig aber ist sein Verhältnis zu Poseidon. Er ist der Kultgenosse des Meeresgottes, IG III 276. II 5, 556 c. Paus. I 26, 5 und Hitzig-Blümner z. d. St. E. Sohn des Poseidonischen Heros Arneus, IG II 844. Poseidon schafft die ?ρεχθηίς genannte Quelle, Apollod. III 178. ,Meer‘ im E.-Tempel, Herodot. VIII 55. Gruppe Griech. Myth. 25. Preller-Robert Griech. Myth. I⁴ 203. Usener Götternamen 140. Wentzel Epikleseis VII 14. Wide Lakon. Kulte 39. 46. 291. v. Wilamowitz a. O. II 128f. E. ist auch direkt Beinamen des Poseidon. Poseidon-E. wird genannt IG I 387. III 805. Skias Ἐφημ. ἀρχ. 1897, 63f. (Eleusis). Athenag. leg. 1. Tzetz. und Schol. Lyk. a. O. Hesych. Plut. vit. X orat. 843 B. Apollod. III 196. Daneben die feindlichen Beziehungen des E. zu Poseidon; Poseidon vernichtet das ganze Haus des E. (Apollod. III 204), E. tötet die drei Poseidonsöhne Eumolpos, Immarados, Phorbas (s. u.). Dem Poseidon ist E. in ähnlicher Weise wie der Athena, durch Kultgemeinschaft, angenähert worden. Den Prozeß mögen Epitheta wie ἐλελίχθων begünstigt haben. Identität oder Wesensgleichheit der beiden Gestalten ist nicht nachzuweisen.

E. ist in der älteren Überlieferung seinem Namen entsprechend erdgeboren, γηγενής, Soph. Aias 202. Herodot. VIII 55. Dion. Hal. XIV 2. Il. II 547. Bei Tzetz. Lyk. 111 entstammen die Erechtheiden, d. h. die Athener, nicht E., aus den von Kadmos gesäten Drachenzähnen. Als Inhaber des festen Hauses auf der Burg ist E. schon frühzeitig zum Landeskönig geworden. Die feste genealogische Verknüpfung nach oben und unten läßt sich erst vom Ende des 5. Jhdts. an nachweisen. Seine Deszendenz mag zum Teil älter sein als die Aszendenz. Als Vater wird genannt [406] der Doppelgänger des E., Erichthonios, Eur. Ion 267. 1007. Nonn. XIII 171f. (wo der Vater auch E. heißt). Oder E. ist der Sohn des Pandion, Enkel des Erichthonios, Paus. I 5, 3. Hyg. fab. 48. Schol. Demosth. XXIV 705, 19. Gattin des Pandion und Mutter des E. ist Zeuxippe, ihre Kinder sind neben E. Butes, Prokne, Philomela, Apollod. III 193. Usener a. O. 63. Oder Pandion ist der Sohn des E., Aristoteles (Heracl. epit. 1). Schol. Eur. Phoin. 854. Steph. Byz. s. Μέγαρα. Das Marm. Par. nennt als Vater den Erichthoniossohn Pandion, als Nachfolger des E. den zweiten Pandion, Sohn des Kekrops. Als Mutter des E. erscheint ferner die Nemesis von Rhamnus, deren Heiligtum E. eingerichtet haben soll. Ein Vater wird in dieser Überlieferung nicht genannt, Suid. s. Ῥαμνουαία Nέμεοις. Mantissa prov. II 76 (Paroemiogr. Gr. II 769 Leutsch). Auch der Name Praxithea weist auf das chthonische Wesen des E. hin. Sie ist die Tochter des Phrasimos und der Kephisostochter Diogeneia, Gattin des E. und Mutter von Kekrops, Pandoros, Metion, Prokris, Kreusa, Chthonia, Oreithyia, Apollod. III 196. Porphyr. de abst. II 56. Genannt war sie im ,E.‘ des Euripides, Lykurg. Leocr. 98f. Plut. parall. 20. Demaratos trag. frg. 4 (FHG IV 380). Bei Euripides waren drei Töchter erwähnt (frg. 359), Lykurg. und Plut. a. O., wie Aristeid. XIII 118 kennen nur eine. Drei Töchter (Prokris, Kreusa, Chthonia) sind ferner genannt Schol. Apoll. Rhod. I 211. Cic. Tusc. I 48, 116. Anon. in Mythogr. Gr. 345 West. Statt ihrer Aglauros, Herse, Pandrosos im Schol. Aristeid. XIII 116. Vier Töchter wie Apollod. a. O., darunter Chthonia, die geopfert wird, erwähnt Hyg. fab. 46. 238. Vier Söhne und vier Töchter, unter denen Prokris und Oreithyia, bei Ovid. met. VI 679. Sechs Töchter, Protogeneia, Pandora, Prokris, Kreusa, Oreithyia, Chthonia bei Suid. s. παρθένοι = Phot. 397, 7 = Apost. XIV 7 (Paroemiogr. Gr. II 605 Leutsch.). Merope Tochter des E. bei Plut. Thes. 19. Prokne Mutter des E. Etym. M. 507, 26. Prokris gebiert von ihrem Vater die Aglauros, Hyg. fab. 253. Von den Apollod. III 196 erwähnten Söhnen des E. werden einzeln genannt Kekrops, Apollod. III 204. Paus. VII 1, 2. Pandoros, der Gründer von Chalkis auf Euboia, Skymn. 572. Metion, Pherek. frg. 105 = Schol. Soph. Oed. Col. 472. Schol. Plat. Alc. 121 A. Er ist der Vater des eponymen Sikyon, Asios frg. II, der nach anderer Überlieferung selber Sohn des E. ist, Hesiod. frg. 121 = Paus. II 6, 5. Weitere Söhne des E. sind: Alkon, der mit seiner Tochter Chalkiope nach Euboia flieht, Proxen. frg. 5 bei Schol. Apoll. Rhod. I 97. Eupalamos, Vater des Metion, Diod. IV 76, 1. Orneus, der Eponyme des Dorfes Omeai in der Argolis, Paus. II 25, 6. Steph. Byz. s. Ὀρνειαί. Thespios, Eponym der Stadt Thespiai, Paus. IX 26, 6. Diod. IV 29. 2. Wahrscheinlich galt auch Butes als Sohn des E., da sich die Butaden auf E. zurückführten, Plut. vit. X orat. 843 E. Am Schlusse des Euripideischen Erechtheus adoptierte der kinderlos gewordene E. vielleicht den Ion, v. Wilamowitz Arist. und Athen II 148.

Krieg mit den Poseidonsöhnen: Phorbas, König der Kureten, Sohn des Poseidon, zieht gegen Athen zu Felde und wird von E. getötet. Nach ihm [407] ist das Phorbanteion in Athen genannt, Hellanik. frg. 66. Hypereid. frg. 148 Blass. Andron Hal. frg. 10 (Harpocr. s. Φορβαντείον). Schol. Eur. Phoin. 854. Oder Immarados, Sohn des Eumolpos und Enkel des Poseidon, führt die Eleusinier im Kampfe gegen die Athener unter E. Immarados und E. finden den Tod, Paus. I 5, 2. 38, 5. Bildwerk in Athen. Paus. I 27, 4; vgl. Schol. Eur. Phoin. 854. Schol. Il. XVIII 483. Clem. Al. protr. III 45. Toepffer Att. Gen. 42f. Maass Herm. XXIII 1888, 617. Der Kampf mit Immarados ist die ältere Fassung des weit häufiger erwähnten Kampfes mit Eumolpos, der im Erechtheus des Euripides behandelt war. Eumolpos, Sohn des Poseidon und der Chione, König der Thraker, steht im Begriffe, mit einem großen Heere nach Attika einzufallen. Vom Gotte in Delphoi erhält E. den Bescheid, daß er im Kampfe obsiegen werde, wenn er die Tochter opfere. E. opfert die älteste der drei Töchter und der Feind wird geschlagen und vertrieben, Eur. frg. 359. 362. Lycurg. Leocr. 98f. Demarat. trag. frg. 4. Im Ion (277f.) dagegen werden drei Töchter geopfert, die vierte aber, die kleine Kreusa, entgeht dem Schicksal. Apollod. III 203f. läßt das Orakel das Opfer der jüngsten verlangen. Die übrigen töten sich selbst. In dem auf das Opfer folgenden Kampfe fallen beide Führer, vgl. Thuc. II 15, 1. Isokr. XII 193. Akestodoros in Schol. Soph. O. C. 1053. Schol. Eur. Phoin. 854. Schol. Il. XVIII 483. Nach Hyg. fab. 46. 238 ist Chthonia die geopferte Tochter, nach Anon. in Mythogr. Gr. 345 West. dagegen Prokris. Agraulos wird geopfert oder opfert sich selbst, Herse und Pandrosos geben sich selbst den Tod, Philoch. frg. 14. Schol. Aristeid. XIII 118. Schol. Demosth. XIX 303.

Nach weiterer Überlieferung kommt das feindliche Heer aus Boiotien – Eumolpos wird nicht genannt –, von den sechs Töchtern des E. erleiden die beiden ältesten, Protogeneia und Pandora, freiwillig den Opfertod. Phrynichos und Phanodemos bei Suid. s. παρθένοι. Apostol. XIV 7 (Paroemiogr. Gr. II 605 Leutsch). Phot. 397, 7; vgl. Xen. apomnem. III 5, 10. Nach Philochoros frg. 33 kommt Ion, nach Etym. M. 202, 47 Xuthos dem bedrängten E. zu Hülfe, und es ist im Andenken daran das Fest Boedromia gestiftet. Den Kampf des Eumolpos (oder Immarados) mit E. stellte nach Paus. I 27, 4 eine Bronzegruppe auf der Burg dar. Den Auszug zu diesem Kampfe, daneben E. und Praxithea an den Leichen ihrer Töchter, erkennt Overbeck Griech. Plast. I⁴ 478. wohl kaum mit Recht, im Friese des Erechtheion. Auf den Tod der Prokris bezieht sich wohl die Notiz des Istros im Etym. M. 354, 35 (ἐπενεγκεῖν δόρυ), daß E. einen Speer auf das Grab gepflanzt habe, nach der Sitte, die dies den Verwandten eines gewaltsamen Todes verstorbenen gebot. Über den ursprünglichen Zusammenhang dieser Notiz vgl. Toepffer Att. Gen. 258.

Die Mädchen sind wohl nicht ursprünglich die Töchter des E., sondern das mythische Gefolge der Athena, das dem Kultpersonale der Wirklichkeit, den Errhephoren und Ergastinen, entsprach. Auch das Motiv von der Opferung der Töchter ist kaum von Anfang an mit dem eleusinischen Kriege verbunden, sondern von Euripides aus der Sage von dem Athener Leos übernommen, v. Wilamowitz [408] Aus Kydathen 125. Die Mädchen haben ihren eigenen Kult, vermutlich auf der Akropolis, und eigene Opfer, mit Dionysos zusammen oder wie Dionysos, Philochoros frg. 31. Ihr Kultname war wohl einfach παρθένοι, Eur. Ion 278. Suidas und Apostol. a. O. Daneben heißen sie Ὕακινθίδες, nach Phrynichos und Phanodemos a. O., weil sie im Pagos Hyakinthos geopfert worden seien, Demosth. LX 27. Phokion bei Diod. XVII 15, 2. Oder sie werden zu Ὑάδες, Eur. frg. 357 = Schol. Arat. 172 Maass. Serv. Aen. I 744. Furtwängler Meisterw. 172f. Maass Herm. XXV 1890, 406.

Die parische Marmorchronik erwähnt den Krieg gegen Eleusis nicht, bietet dagegen das friedliche Gegenbild dazu. Sie berichtet, daß unter der Herrschaft des E. Eumolpos in Eleusis die Mysterien eingerichtet habe (so auch Schol. Eur. Phoin. 854, wo der Krieg des Eumolpos gegen E. damit verbunden wird), daß unter E. Demeter in Attika erschienen sei, Triptolemos die Frucht gepflanzt habe, Iustin. II 6, 12f. Damit ist zu vergleichen Diod. I 29, 1–3, der den E. einen Ägypter nennt, der bei einer Hungersnot Getreide aus Ägypten habe kommen lassen, und zu dessen Zeiten Demeter in Attika erschienen sei. Auch Schol. Aristeid. XIII 95 nennt den E. einen Ägypter, doch offenbar in Verwechslung mit Kekrops, vgl. Tzetz. Lyk. 111. An den Skirophorien, einem Feste zu Ehren der Athena oder der Demeter und Kora, trug der Priester des E. einen weißen Schirm, Schol. Ar. nub. 18. Pfuhl De Ath. pomp. sacr. 92. 95. Unter der Herrschaft des E. erhielten die Athener zuerst den Namen Ἀθηναῖοι, Herodot. VIII 44. Die Namen der Phylen waren unter ihm Teleontes, Hopletes, Aigikoreis, Argadeis, Poll. VIII 109. Über Eleusis und Athen vgl. v. Wilamowitz Aus Kydathen 125f.

Entrückung des E. Nach Eur. Ion 281f. ist E. durch den Schlag des Poseidonischen Dreizacks in ein χάσμα gebannt, und zwar, wie es scheint, im Anschluß an die Opferung der Töchter. Nach anderer Version ist es Zeus, der auf Bitten des Poseidon den E. mit dem Blitze schlägt, Hyg. fab. 46. Unzweifelhaft älter ist die Euripideische Version, sie ist wohl als aitiologische Legende zu der Tatsache des Dreizackmals beim Erechtheion aufzulassen. Bemerkenswert ist die parallele Legende von dem Grabe des Erichthonios im Erechtheion. Älter noch scheint die Vorstellung von der Verwandlung des E. in eine Schlange, der Erdgeborne wird zum Symbol der Erde, dem Wurm, Eur. frg. 922. v. Wilamowitz Aus Kydathen 141. Furtwängler Meisterw. 199. Scblangengestalt des E. wird sonst nicht erwähnt, vgl. jedoch die Münzen mit zwei, vielleicht auf E. und Erichthonios zu deutenden Schlangen, Müller-Wieseler Denkm. d. a. Kunst II 20, 219 b. Mit Unrecht nimmt Kabbadias Ἐφημ. ἀρχ. 1897, 25 das Chasma unterhalb der Burg bei dem Agraulion an. Rohde Psyche 126f.

Mit Poseidon und Athena, dem ihm am engsten verbundenen Gottheiten, hat E. keine innere Verwandtschaft. Die Kultgemeinschaft mit ihnen ist durch äußere Umstände herbeigeführt. Wahrscheinlich hat der Krieg mit Eleusis und die dadurch herbeigeführte Angliederung von Eleusis an Athen den eleusinischen Poseidon in das Haus des Burgherrn von Athen geführt. Als Zeit des Zusammentretens der beiden Gottheiten würde [409] sich demnach der Anfang des 6. Jhdts. ergeben. Wenn das Orakel Paus. I 26, 5 dem Poseidon ältere Ansprüche auf den gemeinsamen Altar im Erechtheion gibt, so ist das eine ähnliche Umkehrung des wirklichen Verhältnisses, wie die Priorität des Meergottes im Streite mit Athena um das Land. Athena geht in der Odyssee (VII 80) von Marathon aus nach Athen und dort in das feste Haus des E. Dies ist der mythische Ausdruck dafür, daß die Göttin kein eigenes Haus auf der Burg besaß, daß E. der ursprüngliche Besitzer des nach ihm genannten Baues ist, und der Kult der Athena zu dem schon vorher bestehenden des E. hinzukam, v. Wilamowitz Arist. u. Athen II 37. Wann Athena auf die Burg gelangte, von wann an sie die eigentliche Herrin derselben war, wissen wir nicht. Die Ilias berichtet in der anerkannt jungen Stelle II 547f. (v. Wilamowitz Hom. Unt. 247f.), daß das fruchtbringende Saatland – ζείδωρος ἄρουρα, das ist etwas ganz anderes als χθών – den E. geboren, Athena ihn auferzogen und in ihrem reichen Tempel in Athen niedergesetzt habe. Es liegt hier also der Fall vor, daß E. zum Pflegling und Schutzbefohlenen der Göttin herabgesunken ist, offenbar in und durch die Tempelgemeinschaft mit ihr. Wenn wir nun bedenken, daß einerseits der alte Heros E. bis in späte Zeiten seine ursprüngliche Bedeutung behalten hat, im Widerspruch mit den Worten der Ilias, daß wir aber anderseits in Erichthonios eben diesen Pflegling der Göttin wiederfinden, so scheint mir klar, daß die Iliasstelle in die Zeit gehört, in der sich die Figur des Erichthonios entwickelte. Da nun die genannte Stelle die Peisistrateische Stiftung der Panathenaien geflissentlich hervorhebt, so mag Peisistratos auch an der Fassung der Sage nicht unbeteiligt sein. Er ist der Herr über Athen, wie der alte E., auf dessen Burg er als Mitregent und Nachfolger residiert, dessen Rechte er nun selber ausübt. So ist E. das mythische Vorbild des Peisistratos, und von dem Sterblichen spiegelt sich wieder auf den Heros der Zug zurück, daß er von der Göttin Gnaden Herr der Burg ist. Momente, die die Selbständigkeit des E. zu mindern geeignet waren, werden schon vorher vorhanden gewesen sein, Peisistratos aber hat sie in kühner zielbewußter Weise benutzt und seiner Politik dienstbar gemacht. An diesen Stand der Dinge knüpft die in Ionien entstandene, in Athen von den Töpfern vertretene Sagenversion von einer Liebesverbindung Athena-Hephaistos an. Der Pflegesohn der Göttin wird nun zum wirklichen Sohne der Göttin und erhält den ionischen, d. h. aus dem Epos übernommenen Namen Erichthonios. Damit sind nun zwei verschiedene Gestalten da: Erichthonios, der den von Peisistratos umgemodelten E. in sich schließt, der mythische Repräsentant Peisistrateischer Neuerungen, und E., der fürderhin seine alte Selbständigkeit behauptet. Die Athener sind immer Erechtheidai geblieben und nie zu Erichthoniadai geworden. So ist es denn auch nicht widersinnig, wenn E. auf einem Gefäß des 5. Jhdts. (Schale Berlin 2537) als Zuschauer bei der Geburt des Erichthonios anwesend ist. Die beiden Gestalten des E. und des Erichthonios werden zuerst, abgesehen von der Kunst des ganzen 5. Jhdts., unterschieden [410] von Pindar (Pyth. VII 10; frg. 253), Platon (Krit. 110 A) und von Euripides (Erechth. und Ion). Vermischt erscheinen die beiden Gestalten zuerst Xen. apomnem. III 5, 10, der den Zögling der Athena den Krieg gegen Eumolpos führen läßt. Erichthonios als Stammvater der Butaden, Plut. vit. X orat. 843 E. E. als Erfinder des Viergespanns, Schol. Aristeid. XIII 62 Dd. Themistios XXVII 337 A. E. Sohn des Hephaistos, Anth. Pal. IX 590. Eustath. Il. 283, 1f. Schol. Il. II 547. Schol. Eur. Med. 825. Schol. Plat. Alc. 121 A. E. von Athena erzogen, Schol. Od. VII 81. Ammian. Marc. XVI 1, 5; vgl. außerdem Etym. Gud. Etym. M. Zonaras.

Bei Nonnos nimmt E. samt seinem Gefährten Siphnos am Zuge des Dionysos gegen die Inder teil. Er ist der Sohn des ebenfalls E. genannten Erichthonios (XIII 171f.). Von seinem Schwiegersohne Boreas hat er als Gegengabe für die geraubte Oreithyia zwei Rosse, Xanthos und Podarge, erhalten, die Boreas mit der sithonischen Harpyie gezeugt hat (vgl. die wunderbaren Rosse des troischen Erichthonios). Zu Boreas fleht er um Sieg (XXXVII 155ff. XXXIX 173f.). Athena rettet ihn aus dem Kampf (XIV 95). Besonders sind erwähnt der Kitharawettkampf mit dem Bistonen Oiagros (XIX 69f.), und seine Teilnahme an den Leichenspielen für Opheltes (XXXVII). Die Stelle Xen. symp. VIII 40 wird mit Unrecht auf diesen Kampf gegen die Inder bezogen, die richtige Erklärung gibt Hiller v. Gaertringen in Lex. d. Myth. Liefrg. 40 Nachtrag.

Außer Euripides hat auch Ennius einen ,E.‘ gedichtet. Wir wissen ferner von einer gleichnamigen Komödie des Aristophanes und derjenigen eines unbekannten Dichters (-stratos, CIG 230). Die Geschichte von den Töchtern des E. lieferte den Stoff für einen Pantomimus, Luc. de salt. 40, vgl. necyomant. 16.

Bildwerke. Paus. IX 30, 1 erwähnt als berühmtes Werk des Myron in Athen einen E. Man hat dieses Werk identifiziert mit der bronzenen Kampfgruppe E.-Eumolpos (oder Immarados) auf der Burg von Athen (Paus. I 27, 4), Michaelis Athen. Mitt. II 85, oder mit der unter den Eponymenstatuen beim Buleuterion befindlichen Figur des E., Paus. I 5, 2 und Hitzig-Blümner z. d. St. Furtwängler Meisterw. 394 bringt damit einen bärtigen Kopf des Museo Chiaramonti in Verbindung; vgl. dagegen Helbig Führer² 80. In Delphoi befand sich, aus dem Zehnten der marathonischen Beute gestiftet, ein Werk des Pheidias: Athena, Apollon. Miltiades und die eponymen Heroen Athens, unter ihnen auch E., Paus. X 10, 1. Bull. hell. 1897, 397. E. mit seinen Töchtern als Zuschauer beim Streite des Poseidon und der Athena im Westgiebel des Parthenon, wobei ihm auf der andern Seite der Hauptgruppe Kekrops mit seinen Töchtern entspricht, Furtwängler a. O. 235. Vgl. die rf. Vasen München 376 und Berlin 2165. Das Gemälde im Erechtheion, E. als Wagenlenker, bezieht sich wohl eher auf Erichthonios, Schol. Aristeid. XIII 62.
[ Escher]

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