ART

Eppich oder Sellerie, Apium graveolens L., altgr. σέλινον, lat. apium, ngr. σέλινον, albanes. seline, ital. meist sedano, doch auch selano, ferner appio (Genua), sellaro (Porto Maurizio und Valle d’Arroscia), scèlleru (Ponti di Nava), span. apio, fr. céleri. Das Wort σέλινον hängt vielleicht etymologisch mit ψέλλιον = Armband zusammen, da der E. zu Kränzen benutzt wurde (W. Prellwitz Etym. Wörterb. der gr. Spr. 1892), oder wegen seines zerschnittenen Blattes auf idg. √[WS 1] sar = trennen zurückzuführen (D. Laurent et G. Hartmann Vocabul. étymolog. de la langue gr. et de la langue lat. 1900, 93. 400), während apium auf √[WS 2] ak = stechen zurückgeht (ebd. 121. 222). Der E. ist in ganz Europa und Nordafrica heimisch. Bei den heutigen Griechen ist er eine Glückspflanze und wird nebst Knoblauch und Zwiebeln in Zimmern aufgehängt, an Seidenwurmhürden gebunden, kleinen Kindern beigegeben u. s. w. (C. Fraas Synops. plant. flor. class. 147).

Freilich hat man vielfach unter σέλινον bezw. apium entweder ausschließlich die in Europa wohl nur auf der nördlichen Balkanhalbinsel inkl. Thessalien, wohl auch in Italien und in Spanien indigene Petersilie, Apium petroselinum L. = Petroselinum sativum Hffm. = Carum petroselinum B. et H., oder beide Doldenpflanzen verstanden. Dabei hat man sich darauf berufen, daß der krause Kohl κράμβη σελινοῦσσα (Eudemos bei Athen. IX 369 e. f), selinas (Plin. XX 79) oder apiacon (Cat. agric. 157, 1 = Plin. XIX 136) genannt wurde und überhaupt das σέλινον als kraus bezeichnet (Anth. Pal. V 121); aber wie eine krause Petersilie wird auch ein krauser E. heute kultiviert. Jener Annahme stehen ferner die heutigen Vulgärnamen, zu denen italienisch appio für Petersilie wohl nicht gehört, entgegen. Besonders sollte das σέλινον oder apium an Seen und Flüssen (Theophr. c. pl. VI 11, 10) oder Bächen (Verg. georg. IV 121) wachsen und an feuchten Stellen angepflanzt werden (Col. XI 3, 33. Pall. V 3, 1; vgl. Theocr. 13, 43. Ps.-Arist. probl. XX 8. Hor. c. II 7, 24. Geop. XII 23), was auf den E., aber nicht auf die Petersilie paßt. Daß besonders Flüsse nach dem σέλινον benannt seien, hebt J. Murr (Gymn.-Progr. v. Hall, Innsbruck 1889, 40f.) hervor, obwohl er es für möglich hält, daß die Σέλινοῦς genannten Flüsse Siciliens, der eine an der Süd-, der andere an der Ostküste, nach semit. sela = Fels benannt sein können. Aber die Selinuntier an der Ostküste Siciliens müssen wohl selbst den Namen ihrer Stadt mit σέλινον in Zusammenhang gebracht haben, da sie ein goldenes σέλινον als Wahrzeichen ihrer Stadt nach Delphoi sandten (Plut. Pyth. orac. 12; vgl. unten die Münzen). Und in Sicilien begegneten Timoleons Soldaten im J. 340 mit σέλινον beladenen Maultieren (Timaios bei Plut. symp. V 3, 2. Diod. XVI 79. Plut. Timol. 26). Auf eine nicht weiter [253] bekannte Örtlichkeit namens Σελινοῦς scheint der Name des Ἀπόλλων Σελινούντιος in Orobiai auf Euboia (Strab. X 445) hinzuweisen, übrigens wohl nur als des Beschützers derselben ohne nähern Bezug des E. zu Apollon. Da die von Murr genannten Flüsse und Ortschaften den verschiedensten Regionen Griechenlands angehören, so setzt dies offenbar eine daselbst vielfach vorkommende und bekannte Pflanze voraus. Das gilt auch für den unten zu erwähnenden frühen Gebrauch bei den Nationalfesten der Griechen, sowie seine frühe Erwähnung (jedenfalls schon bei Anacr. frg. 54, wahrscheinlich aber auch bei Homer, worüber unten) und Anpflanzung (Ar. vesp. 480 und Schol.). Ebenso kann das apium, welches zur Zeit des Aineias sehr reichlich in Latium gewachsen sein soll (Domitius bei Ps.-Aurel. Vict. or. gent. rom. 12), nicht Petersilie gewesen sein, da E. Mauri (Florae rom. prodr., Romae 1818, 117) vom E. sagt, daß er bei Rom bis an die Apenninen an Gräben und Bächen gemein sei, während er die Petersilie nicht als wildwachsend in diesem Gebiet erwähnt. Zutreffender kann auch das Kraut selbst des Garten-E. als das der Petersilie apium amarum genannt werden (Verg. ecl. 6, 68). An dem Gesagten wird auch dadurch nichts geändert, wie man das zuerst bei Celsus auftretende und von apium, bezw. σέλινον, unterschiedene πετροσέλινον (z. B. Cels. V 23, 1. 3. 25, 12; bes. Scrib. Larg. 120. 144. 152) erklären will, nämlich ob als Petersilie oder wie πετροσέλινον Μακεδονικόν als Bubon macedonicum L. = Athamanta macedonica Spr. Das homerische σέλινον endlich soll nach einigen nicht als E. gedeutet werden können und vielleicht Kollectivname für verschiedene Doldenpflanzen sein. Zwar das die Matten um die Grotte der Kalypso schmückende σέλινον (Od. V 72) könnte sehr wohl E. sein, aber das ‚sumpfgenährte σέλινον‘ (so genannt auch Nic. ther. 597), welches neben Lotos von den Pferden der Myrmidonen vor Troia gefressen wird (Il. II 776), deshalb weniger, weil der wilde E. einen bitterlichen Geschmack hat. Doch eignen sich auch andere Doldenpflanzen wenig zum Futter der Pferde, andrerseits soll der wilde E. z. B. in Dalmatien einen angenehmen Geruch haben und selbst von den Landleuten gegessen werden (R. de Visiani Flora dalm. III 1850, 29). Ja nach Plutarchos (symp. V 4, 2) sollte das σέλινον jenen Pferden nur deshalb gegeben sein, damit sie nicht während der Untätigkeit des Achilleus durch müßiges Stehen an den Füßen Schaden litten, da das σέλινον hiegegen das beste Mittel sei. Übrigens ist der E. dort auch von Virchow gefunden worden (bei H. Schliemann Ilios 1881, 808), aber z. B. nicht die Petersilie. Einige Schriftsteller bedienen sich zur Bezeichnung des wilden E. eines besondern Ausdrucks. So wird schon in den hippokratischen Schriften σέλινον ἔλειον, eigentlich Sumpf-E., dafür gesagt und ihm eine grössere Wirkung als dem cultivierten zugeschrieben (Ps.-Hippocr. II 422 K.; vgl. Diosc. III 68). Theophrast (h. pl. VII 6, 3 = Plin. XIX 124; vgl. Diosc. III 67–71. Pall. V 3, 1. 4. Isid. XVII 11) sagt: das ἱπποσέλινον (Smyrnium olusatrum L.), das ἐλειοσέλινον und das ὀρεοσέλινον (wohl eine noch nicht bestimmte Umbellifere) sind sowohl unter sich als von dem [254] kultivierten (scil. σέλινον) verschieden; denn das ἐλειοσέλινον, welches an Gräben und an Sümpfen wächst, hat weiche Blätter und ist nicht behaart, aber dem kultivierten ziemlich ähnlich an Geruch, Saft und Gestalt u. s. w. Den wilden E. nennt er auch σέλινον τὸ ἕλειον (Theophr. h. pl. IV 8, 1), während er an der schon erwähnten Stelle (c. pl. VI 11, 10) vom σέλινον sagt, daß seine Wurzel, aber nicht die obern Teile süß seien, was wiederum nur für den Garten-E. gelten kann. Sein Zeitgenosse Speusippos (bei Athen. II 61 c) sagt vom σέλινον ἕλειον, daß seinen Blättern die des σίον (Nasturcium officinale R. Br.?) ähnelten, der Scholiast zu Theocr. 5, 125 aber, daß das σίον ein dem σέλινον ähnliches Blümchen sei. Dioskurides nennt den Garten-E. σέλινον κηπαῖον (III 67), den wilden ἐλειοσέλινον (röm. ἄπιουμ ῥούστικουμ), welcher an feuchten Stellen wachse, größer sei als der Garten-E., aber dieselbe Wirkung habe (III 68).

Sein σέλινον beschreibt Theophrast noch folgendermaßen: Es ist immergrün (h. pl. I 9, 4; vgl. 2, 2. Nic. ther. 649; sofern der E. zweijährig ist); doch bleiben die Blätter nur an der Spitze des Stengels (Theophr. a. a. O.); es hat nur eine Wurzel, aber große Ausläufer (ebd. I 6, 6); die Wurzel ist nicht kopfförmig und treibt Blätter (ebd. VII 2, 2); die Blätter sind wohlriechend (ebd. I 12, 2; c. pl. VI 14, 7); die Früchte erscheinen im zweiten Jahre (h. pl. VII 1, 7).

Die Aussaat erfolgte in Griechenland im Januar (Theophr. h. pl. VII 1, 2), aber auch nach jeder andern Saat (ebd. 3), in Italien von Mitte Mai bis zur Sommerwende (Col. XI 3, 34) oder nach der Frühlingsgleiche (Plin. XIX 158) oder von Frühlingsanfang bis Ende März (Pall. V 3, 1; vgl. VII 4). Von allem Gemüse geht der Same am spätesten auf, nämlich nach 40–50 Tagen (Theophr. h. pl. VII 1, 3; c. pl. IV 3, 1. Plin. XIX 117), jedoch älterer schneller als frischer (Pall. V 3, 2). Man soll die Samen, so viel man mit drei Fingern fassen kann (Col. XI 3, 33. Pall. a. a. O.), in ein linnenes Säckchen binden, einen Pfahl dabei stecken und das Loch mit Dünger und Erde füllen (Theophr. h. pl. VII 3, 5. Plin. XIX 120), um grössere Pflanzen (Theophr. a. a. O. 4. Pall. a. a. O. Geop. XII 23, 1) oder größere Blätter (Col. a. a. O.) zu erhalten. Man legt die Wurzel frei, schüttet darum Gerstenstreu und über diese Erde, damit die Wurzel stärker wird (Theophr. c. pl. V 6, 3. Ps.-Arist. probl. XX 8; vgl. Geop. a. a. O.). Besonders gut gedeiht der E., wenn er verpflanzt (Theophr. h. pl. VII 5, 3. Plin. XIX 183) oder der Same in Kügelchen von Ziegenmist untergebracht wird (Plin. ebd. 185). Der E. ändert sich je nach der Art der Behandlung und der Bodenbeschaffenheit (Theophr. h. pl. II 4, 3). Eine Art hat dichte, krause und behaarte Blätter, die andre weichere und breitere und einen größeren Stengel; von dieser sind die Stengel bald weißlich, bald rötlich, bald bunt (ebd. VII 4, 6; vgl. Plin. XIX 158. Chrysippos und Dionysios bei Plin. XX 113). Der E. bekommt krause Blätter, wenn er nach dem Aufgehen der Saat festgetreten oder über ihn eine Walze geführt wird (Theophr. ebd. II 4, 3; c. pl. V 6, 7. Plin. XIX 158. Col. XI 3, 34. Pall. V 3, 2; vgl. Geop. XII 23, 2; ungenau Plut. symp. [255] VII 2, 2) oder der Same vor der Aussaat in einem Mörser zerquetscht wird (Col. Plin. Pall. Geop. aa. OO.). Das Sprichwort οὐδ’ ἐν σελίνοις (οὐδ’ ἐν σελίνῳ Ar. vesp. 480), ‚noch nicht einmal im E.‘, wurde von denen gebraucht, die noch nicht einmal zum Anfang gelangt sind, weil man den E. um die Gartenbeete pflanzte (Schol. Ar. a. a. O. Hesych. Phot. lex. Suid. Apostol. prov. XIII 47; app. prov. IV 38), oder von den an einem gymnischen Wettkampfe Beteiligten, sofern man die eben geborenen Kinder in E. legte (Schol. Ar. a. a. O.).

Anwendung fand der E. als Gemüse (Theophr. h. pl. I 6, 6. 12, 2. II 4, 3; vgl. Ar. nub. 982 u. Eubulos bei Athen. VIII 547 d), war als solches sehr beliebt (Diphilos bei Athen. VI 228 b. Plin. XX 112. Alkiphron frg. 6, 17. Orib. coll. med. II 12) und eine Gabe der Götter (Arnob. VII 16). Nach Dioskurides (III 71) aß man sowohl die Blätter (vgl. Ps.-Verg. moret. 90. Anthim. 54) als die Wurzel (vgl. Anthim. 54). Die jungen Triebe wurden mit Essig und Öl oder gesalzener Fischsauce gegessen (Gal. VI 638). Apicius gebrauchte vom apius als Gewürz den Samen (29. 52. 77. 99. 117. 224. 225. 229. 235. 274), das Kraut (74. 98. 116. 133. 181) und die grünen Blätter (48), letztere auch samt der Wurzel (65); auch die zum Teil aus dem Samen des E. zu bildende Komposition eines Verdauungssalzes von universaler Wirkung findet sich bei ihm (29; vgl. über dieses Reinigungssalz unten Alex. Trall. II 577. Aët. III 108. Paul. Aeg. VII 5). Um die Frühlingsgleiche sollte das Kraut in zwei Teilen Essig und einem Teile Salzlake eingemacht werden (Col. XII 7, 1. 2). Man sollte Samen und Blätter in den Wein tun, wenn er wässerig schmeckt (Geop VII 26, 4); E.-Wein, σελινίτης οἶνος, zu medizinischem Gebrauch stellte man dadurch her, daß man den Wein mit zerstoßenem Samen würzte (ebd. VIII 16). Von Chrysippos und Dionysios (Plin. XX 113) wurde der Genuß des E. verboten. Doch ist der dafür angegebene Grund, dass er (nur) für Totenmahle bestimmt sei, sonst nicht bezeugt; ebensowenig der, daß sein Genuß das Augenlicht trübe. Der Behauptung aber, daß er Männer und Frauen unfruchtbar mache (ebd. 114), steht die gegenüber, daß sein Genuß die Weiber empfänglicher mache (Geop. XII 23, 3. Sim. Seth περὶ σελίνου), wenn auch den Hoden der Männer schade (Sim. Seth ebd.), und der Same in einem Getränk genossen gegen die Sterilität der Frauen gut sei (Ps.-Hippocr. I 473 K.). Wenn endlich die Kinder säugender Mütter, welche E. essen, epileptisch werden sollen (Plin. ebd.), so soll auch nach andern der Genuß des E. Epilepsie hervorrufen (Sim. Seth ebd.) oder den Epileptikern schaden (Alex. Trall. I 543 Puschm.) oder die Bildung der Muttermilch verhindern (Geop. XII 23, 3. Sim. Seth ebd.), aber nicht des frischen E. (Gal. XI 772), und epileptischen Kindern sogar der Genuß des E. heilsam sein (ebd. 366). Von den Priestern der Korybanten war es verboten E. zu essen, weil zwei Korybanten ihren Bruder getötet hätten und aus dem Blute des letzteren der E. entstanden sei (Clem. Alex. protrept. 2, 19. Arnob. V 19).

Von Wichtigkeit ist die Anwendung des E. zu Kränzen. Betreffs des Kranzes, der das Haupt [256] des Linos zierte (Verg. ecl. 6, 68) glaubt J. Murr (D. Pflanzenwelt in der griech. Mythologie 1890, 173), daß der E. hier eine düstere traurige Bedeutung habe, da Linos der Repräsentant der schnell verwelkenden Frühlingsblütenwelt sei (vgl. auch im folgenden das über diesen Charakter des E. Gesagte). Bei den Dionysien trug man E.-Kränze (Anakr. bei Athen. XV 674 c), desgleichen bei festlichen Gelagen (Pherekrat. a. a. O. 685 a. Hor. c. I 36, 16. II 7, 24); damit wurde die Geliebte geschmückt (Theocr. 3, 23. Hor. c. IV 11, 3); über ihren Gebrauch bei dem Volkstanz ἄνθεμα s. d. Damit wurden die Sieger bei den Isthmien geehrt (Pind. Ol. 13, 46 u. Schol; Nem. 4, 142; Isthm. 2, 23. 7, 136. Diphilos bei Athen. VI 228 b. Diod. XVI 79. Plut. symp. V 3, 2. Anth. Pal. IX 357; vgl. Schol. Pind. Nem. 6, 71), aber schwerlich, wie zum Teil behauptet wird (Schol. Pind. Ol. 3, 27. Schol. Apoll. Rhod. III 1240; vgl. dagegen Pind. Nem. 4, 142), von vertrocknetem (oder künstlich nachgebildetem?) E. Diese Ehre galt eigentlich dem Melikertes (Nic. alex. 617 u. Schol. Euphorion bei Plut. symp. V 3, 3), weil dessen Leiche am Isthmos ans Land getrieben und der E. den Unterirdischen geweiht sei (Schol. Pind. Isthm. argum. p. 514 B. u. Olymp. 13, 46). Daher galt dieser Kranz zugleich für ein Zeichen der Trauer (Duris bei Hesych. Phot. u. Suid. s. σελίνου στέφανος und bei Apostol. prov. XV 37). Da die Spiele aber der Sage nach auch dem Poseidon gewidmet waren und ein achaeischer König Σελινοῦς als Sohn des Poseidon genannt wird (Steph. Byz. s. Ἐλίκη. Eustath. p. 292, 26; vgl. Paus. VII 1, 3), so möchte Murr (a. a. O. 172f.) den oft in der Nähe des Meeres vorkommenden E. in diesem Falle auch zu Poseidon in Beziehung bringen (vgl. auch Schol. Pind. Nem. 6, 71). Übrigens sollte sowohl ursprünglich (Plut. symp. V 3. Schol. Apoll. Rhod. III 1240) der Kranz aus πίτυς, wohl Aleppoföhre, bestanden haben, als auch kurz vor Plutarchos Zeit wieder ein solcher üblich geworden sein (Plut. a. a. O. und Timol. 26. Paus. VIII 48, 2. Schol. Pind. Isthm. argum. p. 514 B.; vgl. Anth. Pal. IX 357. CIG 234). Gleichfalls mit einem E.-Kranze wurden die Sieger bei den nemeischen Spielen belohnt (Pind. Nem. 6, 71; vgl. Ol. 13, 46 u. Schol. Prokles und Kallimachos bei Plut. symp. V 3, 3. Nic. ther. 649. Plin. XIX 158. Iuv. VIII 226. Lucian. Anach. 9; mit einem grünen nach Schol. Pind. Ol. 3, 27 p. 96 B.), was mit dem Schicksal des Archemoros zusammenhängt (Paus. VIII 48, 2), aus dessen Blut der E. hervorgegangen sein sollte (Schol. Pind. Nem. 6, 71; vgl. Hyg. fab. 74). Die düstere Symbolik des E. spricht sich auch darin aus, daß man die Gräber damit bekränzte, weshalb er auch eine schlimme Vorbedeutung hatte (Plut. Timol. 26; vgl. symp. V 3, 2) und man von einem Schwerkranken sprichwörtlich sagte, er bedürfe des E., σελίνου δεῖται (Plut. a. a. O. Diogen. prov. VIII 57. Apostol. prov. XVII 19; vgl. Macar. prov. VII 75). Endlich sagen mittelalterliche Schriftsteller (Isid. orig. XVII 11, 1. Mac. Flor. 334), daß die Sitte, Sieger mit E. zu bekränzen, daher stamme, daß Herakles sich zuerst einen solchen Kranz aufgesetzt habe.

Von der pharmaceutischen Wirkung des E. als Gemüsepflanze ist zum Teil schon vorher die [257] Rede gewesen. Sein Gebrauch in der Medizin war sehr mannigfaltig. Nach den Hippokratikern wirkt der E. mehr auf den Urin als den Stuhlgang (Ps.-Hippocr. I 686 K. II 422, vgl. 323), die Wurzel mehr als das Kraut auf letzteren (I 687); hilft die Wurzel mit andern aromatischen Pflanzen gegen Schwindsucht (II 450); der geröstete Samen gegen Mutterblutfluß (II 768); der Saft, in die Nase gesogen, gegen Kopfweh (II 231); soll der E. in verschiedenen Getränken bei Seitenstichen oder Nierenentzündung von Fiebernden genommen werden (II 321ff.); zu Gurgelwasser bei Bräune gebraucht werden (II 237); die Blätter, im Wasser gekocht, auf entzündete Teile gelegt werden (II 410). Nach Celsus hat der E. eine zurücktreibende, erfrischende (II 33) und harntreibende (II 3. IV 16) Wirkung; der Same beizt, rodit (V 6), und befördert im Verein mit andern Mitteln den Schlaf (V 25, 2) Von Scribonius Largus wurde empfohlen, bei Podagra das frische Kraut aufzulegen (158; ebenso Marc. Emp. 36, 39), sonst nur der Same und zwar innerlich angewandt, aber stets zusammen mit andern Mitteln, nämlich gegen Stockschnupfen (52), Bräune (70), Husten (92), Kolik (120 = Marc. Emp. 29, 5; vgl. 29, 15. 19. 38), Wassersucht (133), harten Leib (135), Nierenschmerzen (144 = Marc. Emp. 26, 2), Nierensteine (145), Blasenleiden (147), Blasensteine (152 = Marc. Emp. 26, 10, vgl. 113; Wurzel 26, 15. 98. 112), Vergiftung durch Bleiglätte (183) und zu einem Antidot (173). Dioskurides (III 67; vgl. für den Anfang Geop. XII 23, 5) sagt vom Garten-E., daß er dieselbe (d. h. nach III 64 besonders eine erfrischende) Wirkung wie der Koriander habe; außerdem mit Brot oder Mehl auf entzündete Augen gelegt werde; gegen erhitzten Magen helfe; Ausschläge auf den Brüsten vertreibe und gekocht oder roh genossen Harn treibe (vgl. Gal. VI 637), ein Decoct davon oder seinen Wurzeln gegen Vergiftungen helfe, da er Erbrechen errege, und den Leib stopfe (vgl. Seren. Samm. 475. 556. 575); der Same noch mehr auf den Harn wirke, denen helfe, welche von giftigen Tieren gebissen seien oder Bleiglätte (vgl. Nic. al. 617) zu sich genommen hätten, und Blähungen austreibe (ebenso Gal. X 578. XII 118); er werde auch mit Nutzen den Medikamenten beigemischt, welche Schmerzen mildern, gegen den Biß giftiger Tiere helfen (vgl. Nic. ther. 597. 599. 649) und den Husten mildern. Meist andere Eigenschaften legt Plinius (XX 112ff.) dem E. bei; er werde in Honig (mit Brot Plin. Iun. I 8) auf die Augen gelegt und diese mit seinem gekochten, noch heissen Safte gebäht, bei andern Katarrhen zerrieben mit Brot oder Gerstengraupen oder allein aufgelegt; auch kranke Fische in den Zuchtteichen durch frischen E. gesund; die aufgelegten Blätter erweichten harte Brüste; in Wasser gekocht mache er es angenehmer zum Trinken; der Saft, besonders der Wurzel, in Wein getrunken, lindere Lendenschmerzen (= Plin. Iun. II 14) und vermindere eingeträufelt die Schwerhörigkeit; der Same treibe den Harn, den Monatsfluss (vgl. Gal. XII 118) und die Nachgeburt (vgl. Soran. I 71) unter gleichzeitiger Bähung mit dem Decoct desselben; blauen Flecken, die von Schlägen oder Stößen herrühren, gebe er mit Eiweiß aufgelegt die natürliche Farbe wieder; in Wasser gekocht [258] und getrunken heile er kranke Nieren, in kaltem Wasser zerrieben Mundgeschwüre; der Same, in Wein getrunken, oder die Wurzel in altem Wein zerkleinere Blasensteine und der Same werde in weißem Wein Gelbsüchtigen gegeben (vgl. Plin. Iun. III 30 in.). Von Alexandros von Tralles wurde der E. bei verschiedenen Krankheiten besonders als diätetisches Mittel verordnet (I 299. 309. 501. 583. II 401. 403. 455. 459. 487 Puschm.), sofern die Wurzel (I 389. 479. 531. II 471. 589) oder auch das Kraut (I 531. II 593) eine verdünnende Wirkung habe, jene (I 371) oder dieses (I 345) auch Harn treibe, der Same (I 399) die Verdauung befördere; doch sei die Wurzel bei erhitztem Magen zu vermeiden (I 301); in verschiedener Anwendung helfe der E. bei Kolik und Blähungen (II 339. 341. 347. 355); bei Podagra seien die Blätter äußerlich (II 531) oder der Same als Bestandteil eines die Verdauung befördernden Salzes (II 577, vgl. I 399 u. oben Apic. 29) anzuwenden. Viele der erwähnten Eigenschaften des E. und auch einige andere sind im Zusammenhange von zwei Ärzten des Mittelalters (Mac. Flor. 332ff. Sim. Seth περὶ σελίνου) aufgeführt.

Nicht selten wandten auch die Veterinärärzte den E. an. So sollten bei Wassersucht die Pferde von dem Kraut so viel sie wollten fressen (Pelagon. 211; vgl. Veget. mul. V 25, 3), bei Schwindel oder Epilepsie(?) ihnen ein Bündel zerstossenen frischen E. ins Maul geschüttet werden (Pel. 405. Veg. III 9, 6), solchen ein Gesundheitstrank für den Sommer (Pel. 374. Veg. II 29, 1) und gekochten E. nebst andern Bestandteilen ein Getränk für jede Jahreszeit, besonders bei Fieber, enthalten (Pel. 366. Veg. VI 8, 8. Hipp. M. 109, vgl. Pel. 371. Veg. VI 28, 31); der Same sollte mit andern Mitteln im Getränk, namentlich bei Fieber (Pel. 36. 38. 41. Veg. II 6, 1, 3. 6), bei Kolik (Pel. 288. Veg. V 51, 2) und wenn die Pferde Hühnerdreck gefressen hätten (Pel. 137. Veg. IV 2, 13. V 84, 2), gegeben werden; die Wurzel mit andern Mitteln Urin treiben (Pel. 156. Veg. V 14, 23. Hipp. 117) u. s. w.

Abbildungen von Münzen und Gemmen mit E.-Blättern geben F. Imhoof-Blumer und O. Keller (Tier- und Pflanzenbilder auf ant. Münzen u. Gemmen 1889): von vier Didrachma (T. VI 8. IX 9, 10. 12) und einer Silberlitra (IX 11) von Selinus, einem Didrachmon von Akragas (VII 2) und einem Carneol in Kopenhagen (XXV 19).

Mit den Namen σέλινον und apium wurden auch noch andere Pflanzen bezeichnet: 1) Eine Art des Froschkrautes, βατράχιον, hieß σέλινον ἄγριον (Diosc. II 206; vgl. Ps.-Apul. 9. Corp. gloss. lat. III 536, 39) oder Σαρδονία πόα, Sardinisches Kraut, und ihr Genuss sollte ein krampfartiges Lachen hervorrufen (Ps.-Diosc. alex. 14. Ps.-Apul. 9). Auch wird gesagt, daß das Kraut von den Römern apium rusticum, apium risus und herba scelerata (Ps.-Apul. 9) oder von den Siculern selinon agrion, von den Römern aperisu und von den Galliern erba scelerat⟨a⟩ genannt werde (Corp. gloss. lat. III 633, 2–7; vgl. 536, 47. 553, 27. 608, 37). Sonach kann wohl nur Ranunculus sceleratus L. damit gemeint sein, welcher heute ital. ranunculo di palude, appio riso und erba Sardonia heißt. 2) Die für Ambrosia [259] maritima L. gehaltene ἀμβροσία einiger Schriftsteller sollte von den Römern apium rusticum genannt werden (Diosc. III 119), und auch die ambrosia Vergils (Aen. I 403), der damit sicher einen übersinnlichen Begriff verknüpfte, wurde von Isidorus (orig. XVII 9, 80) für identisch mit apium silvaticum, also wohl auch mit Ambrosia mar., gehalten. 3) Für das oben (aus Theophr. h. pl. VII 6, 3) erwähnte ὀρεοσέλινον sollen die Römer apium gesagt haben (Diosc. III 69). 4) Desgleichen für den καπνός (Diosc. IV 108), wohl Fumaria officinalis L.

In jüngster Zeit hat sich eingehend mit dem σέλινον und apium der Alten G. Birdwood (The Athenaeum 1901 nr. 3847, 93f., nr. 3850, 192, nr. 3855, 350 nr. 3856, 385) beschäftigt. Nur wo von der wilden Pflanze die Rede ist, will er eventuell an den E. denken, aber sonst, namentlich wo es sich um die kultivierte oder zu Kränzen verwendete handelt, an die Petersilie. Dabei aber kennt er von dem kultivierten E. nur die gebleichte Form (vgl. namentlich S. 385), die ja allerdings den Alten unbekannt gewesen sein mag. Ihm gegenüber bringt denn auch W. R. Paton (ebd. S. 350) seine Erfahrungen auf der Insel Kalymnos zur Geltung, wo sowohl der wilde als der Garten-E. während des ganzen Sommers erhältlich seien und der letztere, ohne gebleicht zu sein, gekocht als Gemüse gegessen werde. Gegen die Ansicht, daß bei den Kränzen nur die Petersilie, nicht der E. in Betracht kommen könne, wendet sich J. Sargeaunt (ebd. 193).
[Olck.]
Anmerkungen (Wikisource)

Lies: indogermanische Wurzel
Lies: [indogermanische] Wurzel

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