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Delegatio ist 1) eine Aufforderung, deren Empfänger für Rechnung des Auffordernden einem Dritten etwas versprechen oder zahlen soll. Delegare alicui aliquid = mandare (Gradenwitz Ztschr. der Sav.-Stift. Rom. Abteilg. VIII 280). So namentlich, wenn jemand seinen Schuldner anweist, die Verpflichtung dadurch zu erfüllen, dass er einen Dritten als neuen Gläubiger der geschuldeten Leistung statt des Anweisenden anerkennt, Dig. XLVI 2, 4. Die D. ist in diesem Falle, wie auch sonst, ein formloser Act, Dig. XLVI 2,17 (d. = actus delegandi, Gradenwitz a. a. O. 281). Indem der Schuldner, der einem neuen Gläubiger überwiesen ist, diesen an Stelle des bisherigen annimmt, verzichtet er, soweit dies möglich ist, auf eine Einrede, die ihm etwa gegen den alten Gläubiger zustand, kann sich jedoch wegen des dadurch erlittenen Schadens, falls er die Einrede nicht kannte, an den delegierenden alten Gläubiger halten, Dig. XLVI 2, 12. 19. Dies gilt jedoch nur, si non debitorem quasi debitorem delegavero creditori, d. h. wenn nicht die D. dahin ging, dem neuen Gläubiger nur insoweit die Leistung zu versprechen, als sie dem alten geschuldet war, Dig. XLVI 2, 13. Von einem nomen delegare (überweisen) statt von dem debitorem delegare redet Dig. XIX 5, 9. Ebenso Cod. VIII 53 (54) de don. c. 11, 1. Man spricht hier vielfach von ,Activdelegation‘ (vgl. z. B. v. Czyhlarz Inst.⁴ 230). So wie der Gläubiger seinen Schuldner durch D. dazu bestimmen kann, in das alte Schuldverhältnis, das zwischen dem Auffordernden und dem Aufgeforderten besteht, einen neuen Gläubiger aufzunehmen, so kann er den Schuldner auch dazu veranlassen, dieses alte Verhältnis dadurch zu tilgen, dass er seinen Gläubiger von einem andern Schuldverhältnisse befreit, in dem dieser Gläubiger selbst bisher die Rolle des Schuldners vertrat (sog. Passivdelegation). Dies kann durch Schuldtilgung geschehen oder durch Übernahme der Schuld oder auch durch Abgabe eines neuen Versprechens, das an die Stelle der bisherigen Schuldverpflichtung treten soll, vgl. Dig. XLVI 2, 11: Delegare est vice sua alium reum dare creditori vel cui iusserit, wobei nicht zweifellos ist, ob als Subject des iusserit der creditor delegantis oder der delegans zu denken ist. Beides giebt einen guten Sinn (wobei jedoch hinzuzudenken ist: cui alium reum promittere iusserit, wodurch sich die Bemerkung Windscheids Pand. 313, 9 a. E. erledigt). Wenn A dem B 100 schuldig ist und ebensoviel sowohl von B dem C, wie von C dem D geschuldet wird, so können die drei Schuldverhältnisse mit einem Schlage in ein einziges verwandelt werden, wenn [2430] A dem D die 100 verspricht, und zwar tritt dieser Erfolg ebenso gut ein, wenn dies auf Anweisung des B geschieht, als wenn B den C ermächtigt hat, den Empfänger des von A zu leistenden Versprechens zu bestimmen, und der C nunmehr im Einverständnisse mit B den A anweist, das Versprechen an D abzugeben, vgl. auch Dig. XXVI 8, 18. XVI 1, 5. XXXVIII 1, 37, 4. XXXIX 6, 18, 1. XLII 1, 41 pr. XLIV 4, 4, 21. Cod. VIII 41 (42) c. 11.

Es ist aber überhaupt, wie aus den vorstehenden Stellen hervorgeht, für den Begriff der D. nicht wesentlich, dass der zur Zahlung oder zum Versprechen Angewiesene gerade ein Schuldner des Anweisenden und der, dem gezahlt oder versprochen werden soll, gerade sein Gläubiger ist, Dig. XIII 3, 5, 8. Hienach bezeichnet D. jede Anweisung zu einer Zahlung oder einem Versprechen des Angewiesenen für die Rechnung des Anweisenden an einen Dritten.

Die Gültigkeit der Zahlung und der Übernahme einer fremden Schuld (expromissio) ist übrigens von einer D. des bisherigen Schuldners nicht abhängig. Dieser kann auch ohne seinen Willen durch einen Dritten befreit werden, wenn der Dritte dem Gläubiger gegenüber die Schuld erfüllt oder auf sich nimmt. Von einem solchen freiwillig für den Schuldner eintretenden Dritten heisst es, dass er selbst se delegat, d. h. hier so viel wie ,sich anbietet‘, Dig. XL 1, 4, 1. Trotzdem ist aber auch in solchen Fällen die vorherige D. des bisher Verpflichteten nicht bedeutungslos, weil sie ein Geschäft zwischen dem delegans und dem, der für ihn handelt, anbahnt. Sie enthält nämlich eine Auftragserteilung, die vom delegatus angenommen werden kann und ihm dann die Rechte eines andatarius gewährt, s. Mandatum.

Nach Dig. XLVI 2, 11 (Ulpianus) leidet das Wort D. an einer Doppeldeutigkeit, die auch andern juristischen Ausdrücken eigentümlich ist. Es bezeichnet nämlich nicht nur die Thatsache der D., die in einer Erklärung an den delegatus liegt, sondern auch deren rechtliche Folgen, ebenso wie contrarius oder obligatio die verpflichtende Thatsache des Vertragsschlusses nicht minder bezeichnen, als dessen rechtliche Folgen. Darum heisst nicht blos die Thatsache der Anweisung D. (Dig. XLVI 2, 11 pr. u. 17), sondern auch die Ausführung des in der D. liegenden Auftrages. In diesem Sinne bemerkt Dig. XLVI 2, 11, 1: Fit autem delegatio vel per stipulationem vel per litiscontestationem. Ebenso Dig. XVI 1, 8, 3: Solvit enim et qui reum delegat (Pernice Labeo I 507); vgl. auch Cod. VIII 41 (42) c. 3. In diesem Sinne deckt sich die D. mit der durch sie hervorgerufenen novatio (s. d.), vgl. rubrica Dig. XLVI 2 de novationibus et delegationibus. Diese Gleichstellung passt aber, wie v. Salpius erwiesen hat, nur auf solche delegationes, die die Umwandlung einer Schuld durch novatio bezwecken, nicht auf solche, die ohnedies zu einer Zahlung oder zu einem Schuldversprechen ermächtigen.

Litteratur: v. Salpius Novation und Delegation nach römischem Recht, 1864 und darüber Windscheid Krit. Viertelj.-Schr. VI 463ff. A. Pernice Labeo I 507ff. Erich Danz Jherings [2431] dogm. Jahrb. IX 69ff.; Die Forderungsüberweisung, Schuldüberweisung und die Verträge zu Gunsten Dritter, Leipz. 1886. Paul Gide Études sur la novation et le transport des créances en droit romain, Paris 1879, 1ff. und darüber R. Leonhard Ztschr. f. Handelsrecht XXVI 307ff. und die in Windscheids Pandekten § 309 Genannten. Gradenwitz Ztschr. d. Savigny-Stiftg. Rom. Abt. VIII 280ff. Wendt Das allgemeine Anweisungrecht, Jena 1895. v. Blume Novation, Delegation und Schuldübertragung, Göttingen 1895. Puchta-Krüger Inst.10 II 331. 380. Czyhlarz Inst.⁴ 230. 240. Sohm Inst.⁸ 374, 5. Leonhard Inst. 401. 437. Weitere Litteratur bei Windscheid⁸-Kipp II 467.
[R. Leonhard.]

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