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Choirobokos. Georgios Choiroboskos, Grammatiker, lebte wahrscheinlich noch im 6. Jhdt., nicht lange nach Ioannes Philoponos (Anfang des 6. Jhdts.) und Ioannes Charax, auf deren Schriften er Bezug nimmt. Er wird in den Hss. bisweilen als διάκονος bezeichnet (in einer Hs. auch als χαρτοφύλαξ, womit wohl das bekannte kirchliche Amt gemeint ist), gewöhnlich aber als γραμματικὸς καὶ οἰκουμενικὸς διδάσκαλος, er war also Lehrer an der von Constantin gegründeten Gelehrtenschule zu Constantinopel. Als solcher hielt er Vorlesungen über alle Teile der Grammatik, die von den Schülern nachgeschrieben und als σχόλια ἀπὸ φωνῆς verbreitet wurden; die meisten der erhaltenen Werke des Ch. sind Nachschriften solcher Vorlesungen. Von Eustathios wird er einigemale (wie Herodian und Theodosios) ὁ τεχνικός genannt. Ob der Name Χοιροβοσκός ein blosser Beiname oder sein Familienname war, [2364] lässt sich nicht entscheiden. Seine Schriften sind trotz des trockenen Stils und der geschwätzigen Weitschweifigkeit, mit der oft die trivialsten Dinge bis zum Überdruss breit getreten werden, doch von grösster Bedeutung für die Geschichte der griechischen Sprachwissenschaft, da sie eine Fülle von Gelehrsamkeit enthalten, die aus den besten grammatischen Werken des Altertums geschöpft ist, insbesondere aus verlorenen Schriften des Apollonios Dyskolos, Herodian, Oros u. a. Die meisten Schriften des Ch. sind teils vollständig teils in Auszügen erhalten, einige sind ganz verloren. Nach der Art und Weise, wie Ch. sich selbst citiert und auf seine Schriften verweist, lässt sich im allgemeinen auch die Reihenfolge seiner Vorlesungen feststellen.

1. Die Vorlesungen (Scholien) über die Techne des Dionysios Thrax sind nicht direct und vollständig erhalten, sondern nur in Bruchstücken und Auszügen eines gewissen Heliodoros. Alle Erklärungen nämlich, die in den Hss., welche die Commentare zu Dionysios Thrax enthalten, einem Heliodor zugeschrieben werden, gehen sicher auf die Vorlesungen des Ch. zurück. In I. Bekkers Ausgabe (An. Gr. 647–972) sind die von verschiedenen Verfassern (Ch.-Heliodor, Melampos-Diomedes, Stephanos, Porphyrios) herrührenden Commentare wie in einigen Hss. durcheinander gemischt und die einzelnen Stücke selten mit den Namen der Verfasser bezeichnet. Mit Hülfe eines reicheren und besseren hsl. Apparates werden alle Scholien, nach ihren Verfassern so weit als möglich gesondert, von A. Hilgard in den Grammatici Graeci herausgegeben werden. Vgl. über die Scheidung der Commentatoren L. Preller Quaestiones de hist. gramm. Byz., Dorpat 1840 ( = Ausgew. Aufsätze 69ff.). A. Hart Jahrb. f. Philol. CV 268. W. Hoerschelmann De Dionysii Thracis interpretibus veteribus, Lipsiae 1874. A. Hilgard De artis grammaticae ab Dionysio Thrace compositae interpretationibus veteribus in singulos commentarios distribuendis (Progr. Heidelberg) 1880. G. Uhlig Dion. Thr. Proleg. XXXIVff.

2. Περὶ προσῳδίας (ed. I. Bekker An. Gr. 675–703 und in anderer Form ebd. 703–708), ein Commentar zu dem schon frühzeitig zur Techne des Dionysios Thrax hinzugefügten Tractat περὶ προσῳδιῶν (Dion. Thr. ed. Uhlig p. 105–114). Er steht in engstem Zusammenhang mit den Scholien des Ch. zu Dionysios Thrax und ging diesem voraus. Vgl. G. Uhlig a. a. Ο. p. L.

3. Die Scholien zu den εἰσαγωγικοὶ κανόνες περὶ κλίσεως ὀνομάτων καὶ ῥημάτων des Theodosios von Alexandrien sind vollständig erhalten. Wichtige Stücke daraus hatte schon I. Bekker An. Gr. 1180–1296 veröffentlicht, das Ende des 3. Teils Cramer An. Ox. IV 340–398. Das ganze Werk gab zuerst aus Coislin. 176 sehr nachlässig Th. Gaisford heraus (G. Ch. Dictata in Theodosii Canones, 2 voll., Oxonii 1842), sehr sorgfältig mit reichem kritischen Apparat und wertvollen Prolegomena A. Hilgard (Grammatici Graeci IV 1. 2. Lipsiae 1889–1894). Das Werk besteht, entsprechend der Disposition des theodosianischen Werkes, aus drei Teilen: σχόλια εἰς τοὺς ὀνοματικοὺς κανόνας, περὶ τῶν ἐν ταῖς πτώσεσι τόνων, σχόλια εἰς τοὺς ῥηματικοὺς κανόνας. [2365] Der erste Teil wird auch als Ὀνοματικόν oder περὶ ὀνομάτων, der dritte Teil auch als Ῥηματικόν oder περὶ ῥημάτων citiert. Viel benutzt wurde das Werk vom Verfasser des Etymologicum genuinum, öfter auch von Eustathios. Ob die in vielen Hss. überlieferten und in Aldus Cornu Copiae et Horti Adonidis gedruckten Excerpte Ἡρωδιανοῦ περὶ παραγώγων γενικῶν und παρεκβολαὶ τοῦ μεγάλου ῥήματος ἐκ τῶν Ἡρωδιανοῦ, die grösstenteils mit den betreffenden Abschnitten unseres Werkes übereinstimmen, auf Ch. zurückgehen oder auf ein älteres Werk, bedarf einer genaueren Untersuchung. Vgl. A. Lentz Jahrb. f. Philol. XCI 185ff.; Herod. Praef. CXI ff. A. Hilgard a. a. O. Proleg. XCV und dagegen R. Reitzenstein Geschichte der griech. Etymologika 360ff. Vielleicht erklären sich die verhältnismässig geringen Abweichungen daraus, dass in jenen Excerpten nicht der Theodosios-Commentar des Ch., sondern seine Vorlesungen über das Ὀνοματικόν des Herodian und das Ῥηματικόν des Apollonios (unten nr. 5) benutzt sind. Starken Einfluss übte das Werk des Ch. in der Renaissance. Konstantin Laskaris schöpft im 1. und 3. Buch seiner Grammatik hauptsächlich aus Ch., ohne ihn zu nennen (vermutlich weil in seiner Hs. der Name des Ch. als Verfasser nicht angegeben war). In noch umfangreicherem Masse benutzte ihn ebenso stillschweigend Urbanus von Belluno in seinen Institutionum in linguam Graecam grammaticarum libri duo (Venedig 1497 von Aldus Manutius gedruckt), der ersten lateinisch geschriebenen Grammatik der griechischen Sprache, die die Grundlage für alle griechischen Grammatiken des 16. Jhdts. wurde. Vgl. A. Hilgard in der Festschrift zur 350jährigen Jubelfeier des Gymnasiums zu Heidelberg (1896).

4. Die Vorlesungen περὶ ὀρθογραφίας sind nur in einem mageren Auszuge erhalten und von Cramer An. Ox. II 167–281 herausgegeben (Nachträge dazu von R. Schneider Bodleiana 20-33). Der Titel des alphabetisch angelegten Excerpts lautet in der einzigen Hs. Barocc. 50 (saec. X): ἀρχὴ σὺν θεῷ τοῦ ποσοῦ τῆς ὀρθογραφίας κατὰ στοιχεῖον ἀπὸ φωνῆς Γεωργίου τοῦ Χοιροβοσκοῦ, Βυζαντίου γραμματικοῦ καὶ οἰκουμενικοῦ διδασκάλου, ἐν συντομίᾳ τμηθείσης ἐκ τῆς καθόλου καὶ κατὰ πλάτος αὐτοῦ ὀρθογραφίας, διὰ τὸ ἐν συντόμῳ εὐσύνοπτον εἶναι τὸ ζητούμενον, σὺν καὶ ταῖς αἰτίαις ἑκάστου. Die Vorlesungen beruhten im wesentlichen auf dem Werk des Herodian περὶ ὀρθογραφίας und behandelten den Gegenstand nach der gewöhnlichen Einteilung der ὀρθογραφία in 3 Abschnitten: περὶ συντάξεως τῶν στοιχείων, περὶ ποιότητος und περὶ ποσότητος. Das im Barocc. 50 erhaltene Stück ist nur ein Excerpt aus dem dritten Abschnitt περὶ ποσότητος. Weitere Bruchstücke aus diesem und auch aus den anderen Abschnitten lassen sich gewinnen aus Eustathios und besonders aus den Etymologika, die die vollständigen Scholien des Ch. περὶ ὀρθογραφίας benutzt haben. Vgl. P. Egenolff Die orthographischen Stücke der Byzant. Litteratur (Progr. Heidelberg 1888) 17–21.

5. Die Vorlesungen über das Onomatikon des Herodian und das Rhematikon des Apollonios Dyskolos, auf die Ch. in den Scholien zu Theodosios im voraus oft verweist, sind verloren gegangen. [2366] Eustathios scheint sie noch gehabt zu haben (vgl. comm. in Il. p. 365, 30 ὥς που καὶ ὁ Χοιροβοσκὸς παρασημειοῦται ἐν οἷς ἐξηγεῖται τὸν Ἡρωδιανόν). Einzelne Bruchstücke finden sich auch in den Etymologika. Einiges daraus scheint auch in den Hss. der Scholien zu Theodosios interpoliert zu sein. Über die Excerpte in Aldus Cornu Copiae s. o. nr. 3.

6. Epimerismen (grammatische Erklärungen) zu den Psalmen sind unter dem Titel Ἐπιμερισμοὶ σὺν θεῷ τοῦ ψαλτηρίου ἀπὸ φωνῆς Γεωργίου τοῦ ἐπίκλην Χοιροβοσκοῦ im Cod. Paris. 2756 (saec. XV) überliefert und von Th. Gaisford herausgegeben (G. Ch. Dictata Vol. III 1–192). Von Lehrs und Lentz wurden sie hauptsächlich wegen ihres Stils Ch. abgesprochen und für ein jüngeres Machwerk erklärt. Indessen findet sich nichts darin, was mit den grammatischen Lehren des Ch. im Widerspruch steht, und der Stil allein ist kein genügender Grund, die Überlieferung für unrichtig zu halten. In vollständigerer Fassung lagen sie dem Verfasser des sog. Etymologicum Gudianum vor, der sie stark benutzte; vgl. R. Reitzenstein Geschichte der griech. Etymologika 99. 205. Unter den Quellen, aus denen Ch. in diesem Werke schöpfte, befanden sich auch synonymische Wörterbücher und Sammlungen vieldeutiger Glossen; vgl. A. Kopp De Ammonii Eranii aliorum distinctionibus synonymicis (Regim. 1883) 47ff. und Beiträge z. griech. Excerptenlitteratur (Berlin 1887) 143ff.

7. Ein Commentar zu Hephaistion in Form von Vorlesungen ist anonym unter dem Titel Ἐξήγησις εἰς τὸ τοῦ Ἡφαιστίωνος ἐγχειρίδιον in dem Cod. Marcianus gr. 483 und in dem daraus abgeschriebenen Cod. Saibantianus oder Bodleianus Auct. T IV 9 und in einer abweichenden Recension im Vaticanus gr. 14 überliefert. W. Hoerschelmann Rh. Mus. XXXVI 282ff. erkannte Ch. als Verfasser dieses Commentars; denn der Stil ist ganz der des Ch. und zwei Stellen, in denen der Verfasser seine Schriften περὶ τόνων und περὶ ῥημάτων citiert, beziehen sich auf des Ch. Commentar zu Theodosios. Durch eine erst jetzt bekannt gewordene Hs. (Paris. suppl. gr. 1198) wird Hoerschelmanns Vermutung auch urkundlich bestätigt. Einige Stücke hatte bereits mitten zwischen anderen Hephaistion-Scholien Th. Gaisford aus dem Saibantianus veröffentlicht in seiner zweiten Hephaistion-Ausgabe (1855). Den ganzen Commentar gab W. Hoerschelmann mit Unterstützung von W. Studemund in dessen Anecdota varia I 33ff. (1886) heraus. Vgl. auch Hoerschelmann in den Göttinger Gel. Anzeigen 1887, 600.

8. Ein kurzer Tractat περὶ πνευμάτων ist unter dem Namen des Ch. teils selbständig in Hss. überliefert teils in dem von Valckenaer Ammon. p. 207–242 herausgegebenen Mischlexikon Λεξικὸν περὶ πνευμάτων ἐκλεγὲν ἐκ τῶν περὶ πνευμάτων Τρύφωνος, Χοιροβοσκοῦ, Θεοδωρίτου καὶ ἑτέρων benutzt. Er beruht im wesentlichen auf dem betreffenden Abschnitt des 20. Buches der Καθολικὴ Προσῳδία des Herodian. Vgl. P. Egenolff Die orthoepischen Stücke der byzant. Litteratur (Progr. Mannheim 1887) 17ff.

9. Ein Tractat περὶ τρόπων ποιητικῶν (herausg. von Ch. Walz Rhet. Gr. VIII 802–820 und [2367] L. Spengel Rhet. Gr. III 244–256) ist in zahllosen Hss. überliefert. Wenn unter dem Μεταφράστης, der einmal erwähnt wird (p. 251, 19 Sp.), der bekannte Symeon Metaphrastes (10. Jhdt.) gemeint ist, kann Ch. nicht der Verfasser sein. A. Ludwich De Ioanne Philopono grammatico (Progr. Königsberg 1888) 9 versteht darunter den Grammatiker Demosthenes Thrax, den Verfasser einer Paraphrase der Odyssee.

10. Ein anderer rhetorischer Tractat περὶ τῶν τριῶν σχημάτων τῶν συλλογισμῶν Γεωργίου τοῦ Χοιροβοσκοῦ, ὥς τινες λέγουσι, im Cod. Brit. Mus. Addit. 5118, der angeblich von Ch. herrühren soll, ist noch ganz unbekannt.

Den Namen eines Γεώργιος γραμματικός tragen einige anakreonteische Gedichte (bei Bergk PLG III⁴ 362–375). Da dieser Georgios ein Schüler des Dichters Koluthos war, der im Anfang des 6. Jhdts. lebte, so ist es nicht unmöglich, dass er mit Ch. identisch ist. Diese dichterischen Versuche würden wir dann vermutlich in die Jugendzeit des Ch. zu setzen haben.

Vgl. im allgemeinen A. Lentz Herodian. Praef. p. CLXXXV ff. A. Hilgard Gramm. Gr. IV Proleg. p. LXI–CIII.
[Cohn.]

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