ART

2) Χαμαιλέων (Chamaeleo vulgaris). Aristoteles [2105] ist der erste, der dies Tier erwähnt und eine erschöpfende Beschreibung desselben giebt, die keinen Zweifel gestattet, dass das Tier von ihm anatomisch untersucht worden ist (hist. an. II 11, 37 B.). An Aussehen gleicht es der Eidechse, doch verbinden sich seine Rippen unter dem Bauche, wie bei den Fischen, und das Rückgrat ragt wie bei diesen in die Höhe. Der Schwanz ist sehr lang, am Ende spitz und lässt sich wie ein Riemen aufrollen. Seine Beine sind länger als die der Eidechse. Jeder Fuss ist in zwei Hälften geteilt, die eine ähnliche Stellung gegen einander haben, wie unser Daumen gegen die übrigen Finger. Jeder dieser Teile ist wieder in Zehen gespalten, so dass an den Vorderfüssen drei nach innen und zwei nach aussen liegen, an den Hinterfüssen drei nach aussen und zwei nach innen. Die Zehen sind mit kleinen Krallen versehen. Der Körper ist rauh wie der des Krokodils. Die Augen, die in Höhlen liegen, sind gross und rund und von einer ähnlichen Haut bedeckt wie der ganze Körper, in der Mitte befindet sich ein kleiner Raum zum Sehen, der niemals von Haut bedeckt ist. Es kann das Auge ganz herumdrehen und nach allen Richtungen sehen. Die Farbenveränderung entsteht, wenn es sich aufbläst. Seine Bewegungen sind träge wie die der Schildkröte. Aus den Bemerkungen des Aristoteles über die Atmung, das Gehirn, das Blut, den Magen, die Luftröhre und die durch den ganzen Körper sich erstreckenden Häute folgt, dass das Tier von ihm seciert worden ist (Arist. hist. an. II 11, 37f.). Nach Theophrast (Plut. de soll. anim. XVII 6) verändert es seine Farbe nicht um sich zu verbergen, sondern aus Furcht; er erklärte diese Fähigkeit aus der grossen Menge Luft, die der Körper des Tieres enthalte. Die Beschreibung des Plinius (VIII 120f.) ist aus Iuba entlehnt, vgl. Münzer Beiträge zur Quellenkritik der Naturgeschichte des Plinius 421. Sie berichtigt und ergänzt die des Aristoteles. Nach Iuba nimmt das Ch. die Farbe des Gegenstandes an, den es zuletzt berührt hat, ausser weiss und rot (vgl. Suid.), und soll nur von Luft leben, eine Annahme (Plut. de adul. et am. 9). die darin ihre Erklärung findet, dass beinahe der ganze Leib des Tieres von der Lunge angefüllt ist (Theophr. a. a. O. Plin. XI 188). Indien und Ägypten galten als Heimat des Tieres (Plin. a. a. O.). Über die Art, wie das Ch. sich gegen die Schlangen wehrt, erzählte Alexander von Myndos (Ael. n. a. IV 33) ein ähnliches Paradoxon, wie Aelian (v. h. I 3) von den ägyptischen Fröschen. Dass das Tier giftig sei, ist späte Fabelei, die vermutlich erst von Ps.-Demokrit aufgebracht worden ist (Plin. XXVIII 114). Nach Plinius (VIII 101 aus Varro) begegnet der Elefant der Wirkung seines Giftes durch Blätter vom wilden Ölbaum, der Rabe durch Lorbeerblätter. Das Erscheinen des Tieres im Traume bedeutet Unglück (Artemid. oneir. II 13), auch im Sprichwort fand das Ch. wie bei uns Verwendung: χαμαιλέοντος εὐμεταβολώτερος (Plut. Alc. 23). Plut. de adul. et am. 9 vergleicht den Schmeichler mit einem Ch., vgl. Ael. n. a. II 14. Sext. Emp. 484, 17 B. Dies wunderbare Tier veranlasste den wunder- und schwindelsüchtigen Mendesier Bolos ein Buch de vi et natura chamaeleontis zu verfassen, das er auf den Namen des Demokrit fälschte (Gell. X [2106] 12, 1) und in dem er die unglaublichsten Dinge von der Heilwirkung der einzelnen Körperteile des Ch.s erzählte. Plinius (XXVIII 112f.) hat Proben aus diesem Buch erhalten. Ein verbreitetes Mittel war, mit der Galle Augenkrankheiten zu heilen (Plin. XXVIII 117. Marcell. de med. VIII 67). Sogar der Kot des Tieres ward von ihm als antipathisches Mittel empfohlen. Aus demselben Vorstellungskreise stammen die beiden Chamäleonmittel gegen Epilepsie (I 561 P.) und Podagra (II 583 P.) bei Alexander von Tralles.
[M. Wellmann.]

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