ART

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Buch. Neuere Litteratur (bei Citaten wird im folgenden nur der Name mit Seitenzahl, nötigenfalls noch ein kurzes Stichwort gesetzt): W. Ad. Becker Charikles II³ von H. Goell (1877) 153ff.; Gallus II³ von W. Rein (1863) 369ff. J. Bendixen De primis qui Athenis exstiterint, bibliopolis,[WS 1] Husum 1845. Th. Birt Das antike Buchwesen, Berlin 1882. Fr. Blass Buchwesen u. Handschriftenkunde, Handb. d. kl. Altertumswiss. I (1886) 307ff. K. Dziatzko Zwei Beiträge z. Kenntnis d. antiken Buchwesens (1892); Art. Bibliotheken oben S. 405ff.; Tzetzes u. d. Plautusschol. üb. d. alex. Bibl., Rh. Mus. XLVI 349ff.; Autor- und Verlagsrecht im Altert., Rh. Mus. XLIX 559ff. Ém. Egger Histoire du livre, Paris 1880. V. Gardthausen Griech. Palaeographie, Leipzig 1879. H. Géraud Essai sur les livres dans l’antiquité part. chez les Rom., Paris 1840. H. Goell Üb. d. Buchhandel bei d. Griech. u. Röm., Schleiz 1865; Kulturbilder aus Hellas u. Rom III² (1869) 98ff. Rud. Graefenhain De more libros dedicandi ap. scriptores graec. et rom. obvio, Diss. Marburg 1892. C. Haeberlin Beiträge z. Kenntn. d. ant. Biblioth.- u. Buchwesens, Centr. f. Bibl. VI 481ff. VII 1ff. 201ff. 271ff.; Griech. Papyri, ebd. XIV 1ff. L. Haenny Schriftsteller und Buchhändler im alt. Rom.², 1885. W. v. Hartel Die griech. Papyrus Erzh. Rainer, 1886. Andr. de Jorio Officina de’ papiri, Napoli 1825. H. Landwehr Studien üb. d. ant. Buchwesen, Arch. f. Lat. Lexik. VI 219ff. 419ff. J. C. F. Manso Verm. Abhandl. und Aufsätze (1821) 274ff. J. Marquardt Privatleb. d. Römer I² von A. Mau (1886) 807ff. G. H. Putnam Authors and their public in anc. times, Newyork 1894. G. Ritter D. liter. Leben i. alt. Rom, Prag 1878. Erw. Rohde Gött. Gel. Anz. 1882, 1537ff. W. Ad. Schmidt Gesch. d. Denk- und Glaubensfreiheit im 1. Jhdt. (1847) 116ff. Fr. Schmitz De bibliopolis Rom., Saarbrücken 1857. W. Schmitz Schriftst. und Buchhändler in Athen und im übr. Griech., 1876. Vict. Schultze Rolle und Codex. Ein archaeol. Beitrag z. Gesch. d. N. Test., Greifswalder Studien Herm. Cremer dargebr. (1895) 147ff. W. Wattenbach D. Schriftwesen im Mittelalter³, 1896.
Inhaltsverzeichnis

I. Begriff und Name.
II. Alter und Material.
III. Form.
IV. Herstellung und Umfang.
V. Äussere Ausstattung.
VI. Innere Ausstattung.
VII. Ornamentierung und Illustrierung.
VIII. Verbreitung.
IX. Aufbewahrung.
Anmerkungen (Wikisource)

I. Begriff und Name.

B. ist die äusserlich und inhaltlich zusammenhängende, in sich abgeschlossene Niederschrift von Gedanken auf einem leicht bewegbaren Stoffe. Die von Birt 1 gegebene Definition (,Die Einheit eines zusammenhängenden Schriftcomplexes nennen wir B. Diese Einheit ist nicht notwendig eine sachliche, sie ist vor allem eine räumliche Einheit‘) ist im ersten Teile zu weit (lange Inschriften wären nicht ausgeschlossen), [940] im zweiten sonst anfechtbar; Birt 12 widerspricht sich selbst bei der Unterscheidung von Band und B., von denen ersterer blos räumlicher Rücksicht, letzteres einem logischen Ordnungstriebe entspreche. Griechisch heisst B. βίβλος, βιβλίον, letzteres nicht notwendig mit dem Nebenbegriff des kleinen B., lateinisch liber (libellus stets das kleine B.). Ursprünglich fiel Raum- und Sinneinheit naturgemäss zusammen. Bei umfangreichen Werken schloss sich die räumliche Teilung vor Einführung der sog. B.-Einteilung durch die Alexandriner vermutlich an irgend welche, in den verschiedenen Exemplaren wechselnde Sinnabschnitte, oder sie nahm, nur das Ganze als Einheit fassend, auf die Teilung des Inhalts gar keine Rücksicht. In diesem Sinne konnte βίβλος (βιβλίον) und liber (wie unter Umständen unser B.) das ganze Werk bezeichnen, auch wenn sein Umfang die Benutzung mehrerer Rollen erforderte. Für die spätere Zeit steht das ganz fest (z. B. Gell. XVIII 9, 5. Charis. p. 53, 13 K.), aber auch für die ältere Zeit ist es sehr wahrscheinlich, obschon es vielfach geleugnet wird; s. überhaupt E. Rohde 1542. Landwehr 225ff. Im Griechischen haftete der Begriff der räumlichen Einheit viel fester am Worte βίβλος und βιβλίον, vielleicht weil es für jene nicht ein besonderes gebräuchliches Wort gab wie im Lateinischen (volumen) – κύλινδρος (Diog. Laert. X 26), εἴλημα u. a. kommen nur vereinzelt vor –, und weil βιβλίον auch der übliche Ausdruck für die einzelne Urkunde, den Brief und Ähnliches war. Nach Durchführung der B.-Einteilung durch die Alexandriner (s. Dziatzko oben Bd. I S. 1833ff. unter Ἀμιγεῖς βίβλοι und Rh. Mus. XLVI 362ff.) fiel Raum- und Inhaltseinheit – des Ganzen oder des Teilganzen – principiell zusammen, allerdings regelmässig nur für die öffentlichen, d. h. in öffentlichen Bibliotheken und im Buchhandel gebrauchten Exemplare. Das ganze, mehrere βιβλία umfassende Werk wurde nach seinem Inhalt (ποίημα, ἱστορίαι, opus, annales und Ähnliches) oder mit seinem Sondertitel benannt (z. B. Ἰλιάς, Ὀδυσσεία, Νόμοι, saturae, naturalis historia u. s. w.). Auch σύνταγμα, σύνταξις, σῶμα, σωμάτιον, später lateinisch corpus, corpusculum kommen als Namen für die höhere Einheit vor (Landwehr 248ff.). Privatexemplare schrieb man sicher häufig in fortlaufend gezählten Rollen, ohne ihr Ende mit dem Ende der Teilganzen zusammenfallen zu lassen (s. u. S. 951). Um so erklärlicher ist, dass an βίβλος die Vorstellung vom Inhaltsganzen dauernd haften blieb und gelegentlich, besonders in späterer Zeit, das Wort im Singular vom Ganzen gebraucht wurde im Gegensatz zu seinen grösseren Teilen, die sicher doch in besonderen Rollen geschrieben waren (s. Landwehr 235). Jene hiessen dann τόμοι, vermutlich weil beim Ende des Abschnittes der leere Rest der Rolle abgeschnitten wurde (Birt 25ff. 318f. u. s.). Volumen hebt zunächst nur die räumliche Einheit hervor, wird aber, weil jene beiden Einheiten in bestimmten Kategorien von Exemplaren (s. o.) regelmässig zusammenfielen, häufig ganz wie liber gebraucht. Indes lässt libri (im Plural), vom einzelnen Werke gebraucht, zunächst nur an seine ideelle Einteilung für die Litteratur denken, ohne Rücksicht darauf, in wie vielen volumina der einzelne das [941] Werk besitzt, während letzteres Wort gerade voraussetzt, dass äusserlich die Niederschrift entsprechend viele Rollen umfasst; vgl. Landwehr 235ff. Nach Dig. XXXII 52 gehörte im Zweifelsfalle die Eigenschaft der Raumeinheit notwendig zum Begriff der libri (Ulpianus libro vicesimo quarto ad Sabinum: Librorum appellatione continentur omnia volumina etc. und weiter in § 1: Si cui centum libri sint legati, centum volumina ei dabimus, non centum, quae quis ingenio suo metitus est, qui ad libri scripturam sufficerent: ut puta cum haberet Homerum totum in uno volumine, non quadraginta octo libros computamus, sed unum Homeri volumen pro libro accipiendum est), obschon gerade aus dem Zusammenhang hervorgeht, dass der Sprachgebrauch das Wort liber unter Umständen auch in anderem Sinne auffasste, d. h. inhaltlich als Teilganzes. Zugleich erfahren wir, dass für liber (als Raumeinheit) auch charta (ursprünglich nur der vor allen verbreitete Stoff des B.; vgl. Dig. XXXII 76) gesagt wurde (§ 4 nam et in usu plerique libros chartas appellant; vgl. Catull. 1, 6 und Baehrens z. d. St.). – Geschrieben wurde βίβλος, βιβλίον u. s. w. ursprünglich sicher mit ῡ, sehr früh setzte sich aber in Attika die Schreibung mit ῑ fest. In der κοινή wich die attische Schreibung wieder der älteren, die indes anscheinend auf den Inseln und im Osten sich erhalten hatte; durch jene drang sie nunmehr in den Composita auch in die lateinische Sprache ein (s. oben S. 406). In Alexandrien war zuerst wohl die ältere Schreibung mit ῡ im Gebrauch, machte aber bald unter dem wachsenden Einfluss des attischen Klassicismus den Formen mit ῑ Platz. Näheres s. u. Byblos Nr. 4.
II. Alter und Material.

Bücher hat es, für uns nachweisbar, zuerst bei den Ägyptern gegeben. Der Papyrus Ebers in Leipzig wird nach kalendarischer Berechnung in die Zeit der 18. Dynastie (um 1500 v. Chr.) angesetzt; Reste von andern sowie Nachrichten über solche und Abbildungen von Rollen, auch in Stein (s. u. S. 945f.) reichen ins 3. Jahrtausend v. Chr. hinauf. Der Umstand, dass in Chartarollen fast nur hieratische oder (später) demotische Schrift vorkommt, von den sog. Totenbüchern mit einer halbhieroglyphischen Schrift abgesehen, weist darauf hin, dass ursprünglich dort nur auf festes Material geschrieben wurde. Über die Verwendung von Leder als Schreibmaterial bei den Ägyptern vgl. R. Pietschmann in Dziatzkos Sammlung bibl. Arb. VIII 107ff. Gegenstand des Tausches und daher sicher auch des Kaufes waren (leere) Papyrosrollen schon früh (Ad. Erman Geschichte Ägyptens II 657). Die Texte der Thoncylinder von Niniveh (s. o. S. 407) kann man nicht wohl als B. bezeichnen, weil dem Schreibstoff die Eigenschaft des Zusammenhängenden und leicht Beweglichen abgeht. Die Perser besassen nach Ktesias bei Diod. II 32, 4 auf Leder geschriebene Chroniken; seidene Schriftrollen (achaemenio more) erwähnt Symm. epist. IV 34, in Stoffe eingewebte Schriften der Parther (aus junger Zeit) Plin. n. h. XIII 104. Bei den Israeliten werden die Schriften der Propheten als die frühesten eigentlichen B. (auf Chartarollen) [942] angesehen; Lederrollen mit rituellen Aufzeichnungen hat es aber wahrscheinlich schon früher gegeben; vgl. L. Löw Graph. Requis. bei d. Jud. I (1870) 114ff. J. Benzinger Hebr. Arch. (1894) 279. 289. W. Nowack Lehrb. d. hebr. Arch. I (1894) 286. Die Griechen hatten B. in obigem Sinne kaum vor dem Anfang des 6. Jhdts. Einzelne Exemplare der homerischen Gesänge auf Tierfellen oder Holztafeln im Besitz der Schulen von Aoiden, die hesiodeischen ἔργα καὶ ἡμέραι auf Bleitafeln, die auf dem Helikon standen (Paus. IX 31, 4), oder längere Aufzeichnungen annalistischen Charakters wie die der olympischen Feste waren zwar älter, aber anders als B. gerade auf Unbeweglichkeit berechnet (vgl. Wattenbach 47). Sonst war der mündliche Vortrag von Anfang an und durch lange Zeit die einzige, auch später noch die vorwiegende Form, in welcher Geisteserzeugnisse genossen und verbreitet wurden. Seit dem Anfang des 6. Jhdts. hat es indes litterarische Werke gegeben, wie die theosophischen Epen der Orphiker und die Localgeschichten der Logographen, vielleicht auch philosophische Dichtungen und Prosaschriften, die alle für den mündlichen Vortrag nicht recht geeignet scheinen und daher eher an eine Lectüre in schriftlich sichergestellter Fassung denken lassen. Diese Schriften auf Holztafeln, Häuten oder – in steigender Zahl – in den zunächst durch den Handel eingeführten βιβλία waren also die ersten B. der Griechen. Wirklich populär wurden B. erst im 5. Jhdt., als der mächtige geistige Aufschwung Athens in Kunst und Litteratur auch beim Publikum ein lebhaftes Verlangen nach den neuesten Geisteserzeugnissen entfacht hatte, dem die Gelegenheit des Hörens nicht mehr genügte. In diese Zeit setzt daher v. Wilamowitz Herakl. Ι¹ (1889) 120ff. das erste Aufkommen der B. – gewiss mit Recht, wenn man B. im engeren Sinne als ,Litteratur-B.‘ nimmt –, und bezeichnet das attische Drama als das erste B. Schon früher hatte F. A. Paley Frasers Magaz. n. s. XXI (1880) 324ff. etwa in die gleiche Zeit, bezw. noch später (um 400 v. Chr.) den ersten Gebrauch der Schrift für litterarische Zwecke angesetzt, dagegen wendet sich mit Erfolg L. R. Packard Trans. Amer. Phil. Ass. XI 34ff., der indes auch nicht weit genug zurückgeht.

Das älteste Material für zusammenhängende Aufzeichnungen privater Art waren bei den Griechen anscheinend Holztafeln (vgl. Anecd. Boiss. I 420 οἱ ἀρχαῖοι ἐν ταῖς σανίσιν ἔγραψαν. Eur. Alk. 962ff.; Iph. Aul. 798f.; Erechth. frg. 13. Ἀγὼν Ὁμ. p. 325 G. Hom. Batrach. 3. Anth. gr. XIII 21, 3f. in Bezug auf Simonides); die Tafeln heissen πίνακες, σανίδες, δέλτοι. Daneben kamen die von den Phoinikiern eingeführten βίβλοι (βιβλία) auf, doch waren sie wohl längere Zeit nicht vorwiegend aus der ägyptischen Papyrosstaude hergestellt, sondern aus Surrogatstoffen, nämlich ähnlichen Rohrpflanzen, die ausserhalb Ägyptens wuchsen, oder aus Baumbast, Rinde, Blättern und Ähnlichem (Plin. n. h. XIII 69 antea non fuisse chartarum usum. in palmarum foliis primo scriptitatum, dein quarundam arborum libris. postea publica plumbeis voluminibus, mox et privata linteis confici coepta aut ceris; vgl. Dict. Cret. p. 7 Ded. von angeblich alter Griechenzeit). Erst [943] gegen Ende des 5. Jhdts. finden wir das ägyptische Papier in Athen und zwar mit einem neuen Namen (χάρτης, s. u. Charta) und zu einem ungewöhnlich hohen Preise. Dieser hätte den öfteren Gebrauch von βίβλοι kaum gestattet, und doch lässt schon das Alter des Wortes die Sache als etwas Gewöhnliches erscheinen (s. z. B. Herod. I 123, 4. V 58, 3; Aesch. Suppl. 947 Dind. wird von Paley a. O. 328 nicht ganz ohne Grund verdächtigt).

Als nach der Gründung Alexandriens die Kultur der Papyrospflanze (Cyperus papyrus L.) in Unterägypten einen hohen Aufschwung nahm, wurde dort auch die Charta massenhaft fabriciert (Plin. n. h. XIII 69ff.) und als Hauptschreibstoff für die B. der Griechen und (später) der Römer ausgeführt. Hiebei sei bemerkt, dass χάρτης ursprünglich nur das aus πάπυρος hergestellte, noch unbeschriebene Papier bezeichnet (s. z. B. Plut. plac. philos. IV 11 ὥσπερ[WS 2] χάρτην εὐεργὸν εἰς ἀπογραφήν. Dig. XXXII 52). Nach Varro bei Plin. a. O. wurde damals die Charta überhaupt erst erfunden (reperta), d. h. ausserhalb Ägyptens bekannt. Zumal für das der Litteratur angehörige B. bediente man sich seit jener Zeit durch viele Jahrhunderte fast ausschliesslich dieses Materials. Über seine Zubereitung, seine Arten u. s. w. s. Charta. Von den Schreibstoffen der Griechen hat Pollux X 57 eine Zusammenstellung der Ausdrücke, wahrscheinlich aus Autoren der guten Zeit, besonders Komikern, gesammelt. Auch bei den Römern gebrauchte man vor Einführung der Charta durch lange Zeit für B. Holztafeln (tabulae, codex) und Surrogate der Charta, besonders Baumbast (Plin. a. O.), wie aus der alten Bedeutung von liber sich schliessen lässt; vgl. Serv. Aen. XI 556 liber dicitur interior corticis pars, quae ligno cohaeret ... unde et liber dicitur, in quo scribimus, quia ante usum chartae vel membranae de libris arborum volumina compaginabantur; s. auch Symm. epist. IV 34. Mart. Cap. II 136. Cassiod. var. XI 38, 3ff. und über spätere Zeiten Cass. Dio LXVII 15 und LXXII 8. Herod. ab exc. d. Marci I 17. Auch Leinwandrollen gab es in früher, ausnahmsweise selbst in späterer Zeit (Plin. a. O. 69. 88. Symm. a. O. Mart. Cap. a. O.). Von Baumblättern ist bei Plin. a. O. und Verg. Aen. III 443 die Rede; Blei statt Charta erwähnt gleichfalls Plinius (XIII 69. 88) und hat sich in einem B. von acht Blättern sogar erhalten (Montfaucon Pal. gr. 16. 180ff.); ferner von Gold (Plut. qu. conv. V 2, 10. Schol. Pind. Ol. 7 prooem. bei Boeckh II 1 p. 157) und von Zinn (Paus. IV 26, 8); ferner statt der Holztäfelchen solche von Elfenbein (elephantinus liber), Hist. Aug. Tac. 8, 1f. (vgl. Mart. XIV 5, 2).

Ein wesentlich anderes Schreib- und B.-Material war seit alter Zeit im Orient, bei den Griechen nur von beschränktem örtlichem Gebrauch, das Leder (διφθέρα): bei den Ägyptern, Israeliten, Persern und den Ioniern früher Zeit, welche den Gebrauch wohl von den östlichen Nachbarn angenommen hatten, sowie bei andern (nichtgriechischen) Völkern (Herod. V 58, 3: καὶ τὰς βίβλους διφθέρας καλεῦσι ἀπὸ τοῦ παλαιοῦ οἱ Ἴωνες, ὅτε κοτὲ ἐν σπάνι βίβλων ἐχρέοντο διφθέρῃσι αἰγέῃσί τε καὶ οἰέῃσι· ἔτι δὲ καὶ τὸ κατ’ ἐμὲ πολλοὶ τῶν [944] βαρβάρων ἐς τοιαύτας διφθέρας γράφουσι, wo natürlich der Versuch, den alten Gebrauch der Ionier zu erklären, verfehlt ist). Dass auf Kypros nach Hesychios der βιβλιογράφος: διφθεράλοιφος hiess, ist bei dem engen Zusammenhang der Kultur dieser Insel mit der des Ostens nicht zu verwundern (vgl. διφθέρα· τὸ βιβλίον in alten Glossarien). Nach Plut. qu. gr. 25 kannte auch Sokrates ihren Gebrauch (ταῦτα ἐν διφθέραις χαλκαῖς γεγράφασι), doch steht die Authenticität der Worte natürlich nicht fest. Der Charta stand dieser Schreibstoff in Bezug auf reichen Vorrat, Billigkeit und durch lange Zeit gewiss auch auf schönes Aussehen nach, wennschon die Rivalität zwischen der pergamenischen und der alexandrinischen Bibliothek der Pergamentfabrication sicher förderlich war (s. o. S. 414). Ein Verbot des Exportes von Charta nach Pergamon, von dem Plin. n. h. XIII 70 nach Varro berichtet, kann, weil es unschwer zu umgehen war, nur beschränkte Wirkung gehabt haben, aber die Attaliden haben vermutlich selbst die Vervollkommnung des seit alters dort üblichen Schreibstoffes angestrebt und wenigstens erreicht, dass das nach ihrer Stadt benannte Pergament (griechisch διφθέρα und δέρρις, erst sehr spät περγαμηνή; lateinisch membrana, nach Hier. epist. VII 2 auch pergamena als gebräuchliches Wort: unde et pergamenarum nomen ad hunc usque diem, tradente sibi invicem posteritate, servatum est) sich langsam einen beschränkten Platz unter den Schreibstoffen der damaligen Kulturländer verschaffte (vgl. Galen. XVIII 630 K., wenn für διαφόροις: διφθέραις zu lesen ist). Der Name des Krates von Mallos wird mit dem Aufschwung dieses Artikels in Verbindung gebracht. Wo es auf besondere Dauerhaftigkeit und Raumersparnis ankam, bediente man sich des Pergaments (über die Vergänglichkeit der Charta s. z. B. Hor. ep. I 20, 12. Plin. n. h. XIII 83. 86. Mart. II 46, 10. VI 60, 7 u. s. Iuven. 1, 18. Auson. epigr. 34, 1f. 14. Symm. epist. IV 34, 3. Alciph. epist. I 26, 2 u. s. w.). Rollen von 200 Jahren erwähnt Plin. n. h. XIII 83 als etwas Seltenes, Galen. XVIII 630 K. gar solche von ca. 300 Jahren. Das Pergament trat daher zunächst an die Stelle der Wachstafeln, später ebenso an die der Charta, zumal es beide Stoffe auch an Handlichkeit und Lesbarkeit der Schrift übertraf (Quint. X 3, 31. Euseb. v. Const. IV 36 [εὐανάγνωστα] und vgl. überhaupt Frid. Mone De libris palimps. [1855] 16. Marquardt-Mau 818ff.). Ein weiterer Vorzug des Pergaments war die leichte Möglichkeit, das Geschriebene von dem Stoffe sogar mehrmals abzuwaschen und zu kratzen zum Zwecke erneuter Verwendung (Mart. XIV 7, 2 delebis quotiens scripta novare voles). Übrigens wurde auch Charta nach Beseitigung der Schrift von neuem verwendet (vgl. Cat. 22, 5f.), doch nur ausnahmsweise und mit Schwierigkeit (s. Cic. ad fam. VII 18, 2. Plut. c. princ. esse philos. 4 βιβλίον παλίμψηστον. Not. et extr. XXIII 2, 448 χάρτης ἀπάλιπτος, ἀπηλιμμένος; charta deleticia Dig. XXXVII 11, 4; s. Becker Char. 158. Birt 57f.).

Von Litteraturwerken auf diesem Stoffe sind vor der Kaiserzeit nur wenige sichere Beispiele bekannt: Cicero bei Plin. n. h. VII 85 berichtet von einer in eine Nuss eingeschlossenen Ilias-Hs. [945] (in membrana scriptum); gewiss fand er vorzugsweise im Orient Verwendung. Zu Martials Zeiten hat sich das Pergament, zumal für Reiselectüre, wegen der beiden oben erwähnten Vorzüge (geringer Umfang und Dauerhaftigkeit) bereits festes Feld verschafft (Mart. I 2, 3. XIV 184. 186. 188. 190. 192); sonst aber für gelegentliche Aufzeichnungen, Entwürfe und dergl.; s. Hor. a. p. 389. Iuv. 7, 23. Gaius Dig. II 13, 10, 2. Cassius Dig. XXXII 52 a. m. St.; vgl. auch Pers. 3, 10f.; Serv. Aen. XI 554 erwähnt charta vel membrana als Schreibstoffe seiner Zeit (4. Jhdt.) neben einander, nennt aber doch die Charta zuerst. Dass die Charta jedenfalls im 4. Jhdt. n. Chr. noch allgemein im Gebrauch war, lehrt Geogr. lat. min. p. 113 Riese. Wenn im Ed. Diocl. vom J. 301 (CIL III p. 808. 831) vom membranarius die Rede ist, aber nicht von Chartarollen, so erklärt sich das daraus, dass deren Fabrication so gut wie allein auf Ägypten beschränkt und dort überdies Kronregal war. Eine Zusammenstellung verschiedener in seiner Zeit üblichen Schreibmaterialien giebt Ulp. Dig. XXXII 52: Librorum appellatione continentur omnia volumina, sive in charta sive in membrana sint sive in quavis alia materia: sed et si in philyra aut in tilia (ut nonnulli conficiunt) aut in quo alio corio, idem erit dicendum. quodsi in codicibus sint membraneis vel cartaceis vel etiam eboreis vel alterius materiae vel in ceratis codicillis, an debeantur, videatur u. s. w.; am gebräuchlichsten war damals aber Charta (vgl. ebd. 4; s. S. 941). Vgl. Mart. Cap. II 136 alii carbasinis voluminibus implicati libri, ex ovillis multi quoque tergoribus, rari in philyrae cortice subnotati. Isid. or. VI 12, 1 historiae maiore modulo scribebantur, et non solum in charta vel membranis, sed etiam in omentis elephantinis textilibusque malvarum foliis atque palmarum. Vgl. auch Galen. XVIII 2 p. 630 K. von älteren Zeiten und Cassiod. a. O. In einem Leydener Papyrus des 4. Jhdts. n. Chr. heisst es: γράφε εἰς βιβλία καὶ διφθέρας (K. Wessely Wien. Stud. XII 266; ebd. ἐπὶ χάρτου ἢ διφθέρας), dagegen in einer lateinischen Hs. des 8. Jhdts. (ebd. 270) scribis ... in membranam aut carta in umgekehrter Folge.

Im 4. Jhdt. n. Chr. etwa begann man im Osten principiell, was an Litteratur der Erhaltung wert schien, von der Charta, sobald die B. einer Erneuerung bedürftig waren, auf Pergament zu überschreiben; ein Process, der gewiss ein bis zwei Jahrhunderte andauerte. Für heidnische Autoren scheint mit besonderer Zähigkeit auch am alten Stoff festgehalten worden zu sein. Im Westen des Reiches vollzog sich der Process etwas später. Vieles der alten Litteratur ging dabei verloren, indem man es mit dem leicht vergänglichen Stoff dem Untergang durch Würmer, Moder u. s. w. preisgab oder es maculierte. Nur für kleine Litteratur, Flugschriften, Briefe und dergl. blieb die Charta noch längere Zeit, bis ins 7. Jhdt., wenigstens in einzelnen Ländern, z. B. Gallien, wo Massilia den Verkehr mit Ägypten aufrecht erhielt, im Gebrauch.
III. Form.

Die regelmässige Form der B. im Altertum war die Rolle, namentlich beim Chartamaterial. Rollen sind bei den Ägyptern schon in sehr früher Zeit (5. Dynastie) in Stein [946] abgebildet (s. R. Lepsius Denkm. III Abt. [8. Bd.] Bl. 290 nr. 17. Fondat. Eug. Piot, Mon. et mém. p. p. G. Perrot I [Paris 1894] 1. fasc. pl. 1); vgl. auch J. G. Wilkinson Manners and cust. of the anc. Egypt. n. ed. by S. Birch (London 1878) III pl. LX. LXVIII. Auch haben sich Chartarollen, zumal sog. Totenbücher, erhalten, die bis in die Anfänge des 2. Jahrtausends v. Chr., ja bis in die 5. Dynastie zurückreichen (s. L. Borchardt Aegyptiaca [1897] 8ff. 14 über ein Rechnungsbuch im Gizeh-Museum). Schutz der Schrift war wohl von Anfang an der Zweck, den man beim Rollen verfolgte; eine natürliche Richtung dazu hatte zwar der Baumbast, aber sicher nicht die Charta noch auch das Leder. Die Hebraeer übernahmen die Rollenform, wie das Wort megillah und megillat sepher (von galal, rollen) beweist (s. L. Löw 115). Bei den Griechen waren die βιβλία gleichfalls gerollt: bei Aesch. Suppl. 947 οὐδ’ ἐν πτυχαῖς βίβλων κατεσφραγισμένα kann auch gefaltetes Papier gemeint sein, überdies wird von F. A. Paley a. O. der Vers verdächtigt; aber vgl. Xenoph. mem. I 6, 14 τοὺς θησαυροὺς ... οὓς ἐκεῖνοι κατέλιπον ἐν βιβλίοις γράψαντες, ἀνελίττων κτλ. In hellenistischer Zeit wurde die gleiche Form der B. vollends die Regel, und sie wurde ebenso von den Römern übernommen (Belegstellen sind zahllos). Über die Form, in welcher originale B. von Charta sich erhalten haben, wurde früher nicht immer Näheres berichtet; indes ist bekannt, dass der Fund, den man zu Herculaneum[WS 3] in der Villa dei Pisoni im J. 1752 machte, aus Rollen bestand; der griechische Papyrus des Museo Borgiano, den Nic. Schow herausgab (Charta papyr. mus. Borg., Rom 1788) war nach p. XXVII in se circumvoluta; vgl. Ch. W. Goodwin Gr.-egypt. Fragm. on mag. (Cambridge 1852) nr. 8. Bekannt sind aus neuester Zeit die vier Rollen des Aristoteles πολ. Ἀθηναίων; vgl. C. Haeberlin Gr. Pap. 1ff.

Daneben kommen vereinzelt mit griechischem wie mit ägyptischem Text B. vor, die aus gefalteten und ineinandergelegten Chartablättern bestehen. Landwehr 422 hält diese Form für alt, doch sind Belege dafür aus voralexandrinischer Zeit von ihm nicht nachgewiesen (s. später). E. Egger Mém. d’ hist. anc. et de phil. (Paris 1863) 149 [Aufsatz vom J. 1857] erwähnt eine Rechnung von 132/33 v. Chr. auf einem Blatt, ,pliée en douze‘; dies entspricht aber nicht ganz der späteren B.-Form. Jedenfalls bot obige Form den Vorteil, die Blätter auf beiden Seiten beschreiben zu können, griff aber in den Falten das Material an und fand an dessen Gebrechlichkeit gewiss ein starkes Hindernis bei der Verbindung der Doppelblätter. Erhalten haben sich noch aus späterer Zeit solche B. aus Lagen von Doppelblättern des Papyrosstoffes; s. z. B. Reuvens Lettres à M. Letronne (Leide 1830) I 4 nr. 75. III 65f. nr. 66. Führer d. d. Samml. Erzh. Rainer nr. 26. 28 u. s. Birt 120. Marquardt-Mau 811. Haeberlin XIV 202 nr. 5. 216 nr. 30. 221 nr. 39. Die Einzelblätter mit zusammenhängendem Text, von denen Reuvens nr. 76 und von denen Ch. W. Goodwin a. O. berichtet (s. introd. p. IVf.), waren anscheinend nicht gefaltet noch zur Lage verbunden. Chartablätter in Lagen scheint dagegen das Edict des Ulpius Mariscianus [947] (Eph. ep. V p. 630 Z. 41ff.) im Sinne zu haben, obschon zuerst von tumi (= tomi), womit sonst auch Rollen gemeint sind (s. u. S. 919), die Rede ist: carta in postulatione singuli tumi sufficiunt maiores; in contradictionibus quaternos maiores, in definito negotio... exigi oportebit. Aus dem 6. Jhdt. stammt der von J. H. Bernard in Trans. R. Ir. Ac. XXIX (1892) 653ff. (besond. 659f.) beschriebene Papyrus-Codex von Schriften des hl. Cyrill in Quaternionen (mit Signatur je oben auf letzter Seite); vgl. auch Marquardt-Mau 820, 4.

Für Pergament war ursprünglich, wie zu vermuten, ebenso wie für das ältere Leder, auch die Rollenform das gewöhnliche, nur mögen diese Rollen auf beiden Seiten beschrieben worden sein. Die Ilias in einer Nuss, von der Cicero bei Plin. n. h. VII 85 berichtet, denkt man sich am ehesten in Rollenform. Über eine erhaltene griechische Pergamentrolle ägyptischer Provenienz (in Wien) aus dem 6. Jhdt. berichtet K. Wessely Wien. Stud. VII 69f. Eine Rolle auf δράκοντος ἔντερον (120 Fuss lang) mit Homers Ilias und Odyssee war zu Constantinopel in der Bibliothek der Βασιλική nach Zon. XIV 2 (Dind. III 256f.).

Die Codexform, welche der modernen B.-Form am meisten ähnelt, ja ihr zu Grunde liegt, knüpft nicht nachweislich, wie Landwehr 420 annimmt, an die im Orient gelegentlich vorkommende Faltung der Chartablätter an (s. o.). Die Griechen haben nicht einmal für den Codex ein besonderes älteres Wort, sondern übertragen τεῦχος darauf (so in den Basil.). Vielmehr geht, wie der Name besagt, die Codexform von der Vereinigung mehrerer Holztafeln aus, die dem Inhalte nach zusammen gehörten. Solche waren bei den Römern von früher Zeit her in Gebrauch; s. Sen. de br. vit. XIII 4 Claudius is (Consul des J. 264 v. Chr.) fuit Caudex ob hoc ipsum appellatus, quia plurium tabularum contextus caudex apud antiquos vocatur: unde publicae tabulae codices dicuntur und Varro, den Seneca benutzt zu haben scheint, bei Non. p. 535. Sie dienten zu privaten und öffentlichen Aufzeichnungen, deren häufiger Gebrauch vorherzusehen war, auch in Zeiten, als man für litterarische Zwecke längst zur Charta übergegangen war; so der codex accepti et expensi bei Cic. p. Rosc. com. 5 (ebd. 2 tabulae accepti et expensi, wie auch sonst dort codex und tabulae im gleichen Sinne steht). Plin. n. h. XXXV 7 tabulina (Familienarchive) codicibus implebantur u. s. w. Die Darstellung solcher codices (zusammengeschnürte Holztafeln) sieht man auf den bekannten Marmorschranken vom römischen Forum aus der Zeit Traians (Mon. d. Inst. IX 48). So entspricht der Codex am ehesten dem Polyptychon; nur dürfte für die alten Zeiten eher an übertünchte (cerussatae), als an wachsüberzogene Tafeln zu denken sein; bei Prop. III 23, 19f. legt freilich der Geizhals die Buxbaumtafeln eines früheren Diptychon mit seinen Rechnungen duras inter ephemeridas. Die Form des Codex bot neben dem Vorteil der Dauerhaftigkeit zugleich den der Handlichkeit vor der Chartarolle, die bei jedem Gebrauch auf- und zugerollt werden musste. Gerade dieser Vorzug hat das Codexformat im Gebrauch erhalten und zu seinen Gunsten die Rolle verdrängt (s. überhaupt Landwehr [948] 419ff.). Nur das Material wechselte grösstenteils, indem an Stelle des Holzes meist das Pergament trat, das noch dauerhafter als Holz ist, weniger Raum einnimmt und sich leichter beschreiben lässt. Die Zeit dieses Übergangs fällt etwa ins 1. Jhdt. n. Chr. Nach Ascon. p. 29 K.-Sch. waren zu Ciceros Zeiten für amtliche Zwecke noch Holztafeln im Gebrauch (cremavit [corpus Clodii] subselliis et tribunalibus et mensis et codicibus librariorum, nämlich in der Curie); dagegen brauchten nach Gaius Dig. II 13, 10, 2 Geschäftsleute nur einzelne membranas ihres codex rationum als Beweismittel vor Gericht vorzuzeigen. Zu Martials Zeit ist der Gebrauch der pugillares membranae bereits ganz gewöhnlich, und zwar offenbar in Codexform (s. XIV 184 Ilias et ... Ulixes multiplici ... pelle latent). Auch sonst sind von ihm Litteraturwerke auf Pergament mehrfach erwähnt (ep. XIV 186. 188. 190. 192). Es handelt sich um Reiselectüre (s. Mart. XIV 188 und Friedländer z. d. St.), für welche die Mitnahme zahlreicher Rollen mit ihren Behältern lästig war. Vor allem behauptete der Pergamentcodex das Feld der früheren tabularum codices (für tabulae steht auch cerae oder lignum), der für den alltäglichen Gebrauch bestimmten Aufzeichnungen von Verordnungen aller Art, Volks- und Senatsbeschlüssen, Rechtsgewohnheiten und dergl.; dafür hat sich auch der Name Codex κατ’ ἐξοχὴν erhalten. Als Litteraturbücher erschienen indes auch diese Denkmäler zunächst noch in Rollenform, nur war für die ganze juristische Litteratur ein früher Gebrauch von Pergamentcodices angezeigt. Ebenso für einen grossen Teil der christlich-theologischen Bücher, die den juristischen in Bezug auf ihre Bestimmung für immer wiederholten Gebrauch und die beigelegte Gesetzeskraft sehr nahe standen (vgl. Landwehr 432). Das Gebiet der Litteratur im engeren Sinne blieb, von der Reiselectüre und andern aus äusseren Gründen hergestellten Exemplaren abgesehen, durch lange Zeit im wesentlichen der Codexform verschlossen (für sehr viel älter hält C. Wachsmuth Rh. Mus. XLVI 331 die Pergamentcodices der Litteraturwerke). Am frühesten erschienen wohl die für Lehr- und Lernzwecke bestimmten grammatischen und lexikographischen Schriften, auch aus praktischen Gründen, in jener Form; dass dieselben zur Erleichterung des Nachschlagens in sehr kurze Bücher zerlegt sind, hat Birt 323f. richtig beobachtet. Aber auch die von den Grammatikern viel citierten Schriften haben sie sowie ihre Schüler sich der leichteren Benutzung wegen gewiss gern in Codexform angeschafft (vgl. Hist. Aug. Maxim. duo 30, 4 cum grammatico daretur, quaedam parens sua libros Homericos omnes purpureos dedit, aureis litteris scriptos). Von Grammatikern werden besonders früh Codices angeführt, und Servius im Vergilcommentar spricht sogar von antiqui codices (zu Aen. V 871. VII 568; vgl. Birt 114). Ulpian. (3. Jhdt. n. Chr.) Dig. XXXII 52 (s. o. S. 945) kennt Rollen in Charta und in Pergament sowie Codices von beiden Stoffen (dort wird die Charta, hier das Pergament vorangestellt). Vom 4. Jhdt. an wurden neue Abschriften älterer Autoren vermutlich schon häufig, wenn nicht vorwiegend in Pergamentcodices gefertigt. In Caesarea liess der Bischof Euzoius am Ende des [949] 4. Jhdts. die schadhaften Texte (corruptam iam bibliothecam) in membranis umschreiben (Hier. de v. ill. 113), Pamphilus († 309) hatte dort noch eine Bibliothek von fast 30 000 ,volumina‘ gesammelt (Isid. or. VI 6, 1). Dasselbe geschah gewiss bald, etwa ein Jahrhundert später, auch im Westen und mit heidnischen Autoren, zumal das allgemeine Interesse für diese abnahm und eine häufigere Erneuerung ihrer Abschriften als lästig empfunden wurde. Mit der Ausbreitung des Mönchswesens vollzog sich der Process des Ersatzes der Chartarollen durch Pergamentcodices immer schneller und zuletzt vollständig. Im 6. Jhdt. n. Chr. war er wohl bereits abgeschlossen; Fr. Mone De palimps. 15ff. und Landwehr 432 setzen den Umschreibeprocess später an. V. Schultze 147ff. hat beobachtet, dass auf Bildwerken die Codexform im 5. (nicht schon im 4.) Jhdt. gegenüber den früheren Rollen herrschend geworden ist (vgl. Heinrici bei Birt 122). Hierzu ist zu bemerken, dass im allgemeinen die Praxis der Künstler den factischen Verhältnissen um einige Decennien nachgefolgt sein mag. Für kleine Flugschriften, Gedichte, Briefe und Ähnliches, die nur auf eine rasche und vorübergehende Lectüre berechnet waren, wurde die Rollenform noch längere Zeit als Regel beibehalten (s. o. S. 837f. und vgl. Symm. ep. IV 34).

Die erhaltenen alten Codices oder Bruchstücke solcher auf Pergament werden verschieden datiert, bis ins 2. Jhdt. hinauf. Unter den lateinischen Hss. scheinen die Sallustfragmente (in Vat. Reg. 1283 Bl. 92f.; s. H. Jordan Herm. V 369ff. Chatelain Pal. d. class. lat. pl. 51) sowie die Schedae Vat.-Berol. des Vergil (Vat. lat. 3256; s. H. Pertz Abh. Akad. Berl. 1863, 97ff. Chatelain pl. 61) und die Sched. Vatic. des Vergil (Vat. lat. 3225 ed. Bottari Rom 1741. Chatelain pl. 63) am ältesten zu sein und noch dem 3. (Sallust), bezw. dem 4. Jhdt. (Vergil) anzugehören. Die meisten aber, im Alter vielfach etwas überschätzt, sind nicht älter als das 5. Jhdt.
IV. Herstellung und Umfang.

Für Litteraturzwecke kam in der Kaiserzeit und wohl schon in Alexandrien das reine Papier (charta) in Blatt- und Rollenform in den Handel; letzteres geht aus dem Ausdruck scapus (Schaft) bei Plin. XIII 77 hervor (griechisch in Glossen = τόμος χάρτου, z. B. Not. et extr. XXIII 2 p. 448, lateinisch tomulus). Dass τόμος von Rollen gebraucht wurde, lehrt die Aufschrift der dritten Rolle der neugefundenen πολιτεία Ἀθηναίων des Aristoteles (Γ ΤΟΜΟΣ). Die Papierrollen hatten verschiedenen Umfang, je nach der Zahl der zusammengeleimten Blätter (paginae, plagulae, schedae); ihre höchste Zahl war zwanzig (Plin. a. O. Birt 244 Anm. vermutet wenig glaublich ducenae statt vicenae, also 200). Die beschriebenen Rollen waren oft länger, aber für den Papierhandel empfahl es sich, das Maximum der Länge nicht zu gross anzusetzen, da sehr lange Rollen ohne Zweifel seltener verlangt wurden. Durch Ankleben von Blättern konnte jeder die Rolle nach Bedürfnis verlängern, während beim Abschneiden von Blättern wenigstens ein Klebestreifen verloren ging. An den ägyptischen Papyri des Berliner Museums hat L. Borchardt (Ztschr. f. äg. Spr. XXVII 120) beobachtet, dass sich Fabrikzeichen finden [950] mit der Zahl 20 (auch 10?) der Klebungen; 20 sei die normale Zahl gewesen (vgl. auch Führer Pap. Erzh. Rainer nr. 282). Die Zahl der Windungen liess sich nach Borchardt 119f. an den von ihm untersuchten Papyri meist genau nach wiederkehrenden Bruchstellen, Wurmlöchern und Ähnlichem (auf diese achtete bereits Nic. Schow a. O. p. XXVII) ausrechnen; der Umfang betrug ca. 7–19 cm. Die griechischen Rollen waren in der Regel wohl dünner. Birt 130f. setzt den Cylinderdurchschnitt einer Maximalrolle auf ca. 9 cm. an, doch ist dies zu hoch. Die Rollen auf dem von Th. Mommsen bezw. Chr. Hülsen Ztschr. d. Sav.-Stift. f. Rechtsgesch. XII R. Abt. 146 beschriebenen Scrinium (in Marmor, zu einer Statue gehörig) haben bei einer Höhe des Kastens von ca. 1 m. einen Durchmesser von ca. 5 cm., was wohl dem Durchschnitt entsprechen wird. Wenn ich (Samml. bibl. Arb. X 43f.) einen Durchmesser von je 8 cm. annahm, so geschah es bei Berechnung der Rollenzahl von je 1 ☐ m. Ansichtsfläche der Bibliotheken, also mit Einrechnung der Legeboden, Querleisten u. s. w.

Die unbeschriebenen Rollen wurden also vom Händler (χαρτοπώλης) nach der Zahl der Blätter und der Güte der Charta, mit welcher ihre Höhe, vor allem aber die Breite der Blätter zusammenhing, verkauft und von den Schreibern nach dem voraussichtlichen Umfang der B. ausgesucht. In der Maximallänge von 20 Klebungen mit Birt 132ff. 286ff., der deshalb freilich den Text bei Plinius ändern will (s. vorher), eine feste Schranke für den Schriftsteller zu sehen, an die er sich gebunden glaubte (ebenso z. B. Marquardt-Mau 818. A. Rüegg Theol. Stud. und Krit. LXIX 94ff. über die Lukasschriften), liegt kein Grund vor (dagegen auch z. B. H. Landwehr Phil. Anz. XIV 358ff. Haenny 90ff. U. Wilcken Herm. XXVIII 165ff.), zumal die Autoren ihr Brouillon gar nicht in Rollen, sondern auf einzelne Blätter von Charta oder Pergament, bezw. auf Täfelchen zu schreiben pflegten und dann wohl nach dem Umfang dieser Aufzeichnungen die Grösse der Rolle für die Reinschrift bestimmten, nicht aber umgekehrt. Vgl. Cic. ad Att. XVI 6, 4 tu illud dissecabis, hoc adglutinabis. Auch sind Rollen von viel grösserer Länge (als 20 Klebungen) erhalten, was man aus der Zahl ihrer Columnen schliessen muss, selbst wenn diese schmal sind und etwa zwei (nebst Intercolumnium) auf ein Blatt gingen. In Herc. Vol. XI (1855) sind von Philod. π. ῥητ. δ’ τὸ πρότ. Col. 136–147 unten gezählt; s. ferner Philod. π. ὀργ. mit gegenwärtig 56 Col. (W. Scott Fragm. Herc. p. 21), σύντ. τ. φιλοσ. 44 Col. (a. O. p. 32), π. ῥητορ. ὑπομν. mit 70 Col. (a. O. p. 81; über die Breite der Blätter s. Plin. n. h. XIII 78f.); vgl. auch Birt 129ff. Marquardt-Mau 813. Hieratische Papyri giebt es bis zu einer Länge von 144 englischen Fuss (s. Chabas Pap. mag. Harris [Chalon s. S. 1860] 2); das grosse Turiner Totenbuch hat eine Länge von 57' 3" rhl. (s. R. Lepsius Chron. 38, 1). Auch der Umstand, dass gelegentlich die Schrift einzelner Blätter am Rande überklebt wurde (s. L. Borchardt a. O. 120) und dass in derselben (langen) Rolle mehrmals die Zahl 20 als Fabrikzeichen vorkommt (s. ebd.), beweist, dass man nicht blos in fertige Rollen, [951] sondern unter Umständen auch auf einzelne Blätter schrieb, die dann zur Rolle zusammengefügt oder der kürzeren Rolle angeklebt wurden. Dies geschah notwendig in Fällen, wo nachträglich der Umfang eines schon in der Reinschrift fertigen B. vergrössert werden sollte (vgl. Hor. serm. I 10, 92 I, puer, atque meo citus haec subscribe libello). Auch Dig. XXXII 52 (perscripti libri ... nondum conglutinati vel emendati) spricht hiefür. Andrerseits ist zuzugeben, dass 20 das Maximum der Blätter häufig begehrter Rollen war und man sich im allgemeinen nach diesem Umfang richtete. Scherzweise wurde zuweilen, wenn der Autor sich veranlasst sah, einem fertigen B. etwas wegzunehmen oder zuzufügen, dies mit der Grösse der vorliegenden Rolle motiviert, z. B. Nep. praef. 8. Rhet. ad Her. I und II a. E. Mart. II 1, 3. IV 89 u. s. August. de civ. I und II a. E. Im übrigen beruhte der normale Umfang eines antiken B. auf inneren Gründen und nicht auf der vom Papierhändler angesetzten Rollengrösse.

In Ägypten war in voralexandrinischer Zeit der Inhalt der Rollen für den zünftigen Gebrauch einer kleinen Kaste bestimmt gewesen; es gab daher vielfach Rollen von ausserordentlicher Länge (s. o.). Bei den Griechen und Römern der guten Zeit gehörten die B. der Mehrzahl nach zur sog. schönen Litteratur, auch aus Gebieten, die man heute zur streng wissenschaftlichen rechnen würde; sie erhoben den Anspruch, allgemein gelesen und gewürdigt zu werden. Der Umfang eines B.s wurde daher von vorn herein so berechnet, dass der gebildete Leser den Inhalt im Zusammenhang aufmerksam und mit Interesse lesen und geistig bewältigen konnte. Darnach richteten sich im wesentlichen die Sinnabschnitte grösserer Werke (z. B. der einzelnen Rhapsodien Homers) sowie der Umfang der einzelnen Dramen, Reden u. s. w. Nach den gleichen Gesichtspunkten wurde von den Gelehrten der grossen alexandrinischen Bibliothek die B.-Einteilung der älteren umfangreichen Werke durchgeführt und bei der eigenen Schriftstellerei verfahren (s. Ἀμιγεῖς βίβλοι). Dabei wurde im Durchschnitt jedem B. eine eigene Rolle bestimmt, so dass deren Umfang wesentlich nur innerhalb der von den verschiedenen B. innegehaltenen Grenzen wechselte (Ulp. Dig. XXXII 52 si cui centum libri sint legati, centum volumina ei dabimus. Isid. or. VI 13 liber unius voluminis). Für die Vorzeit hat Birt a. O. 443ff. und mit ihm Marquardt-Mau 812 viel grössere Rollen angenommen, z. B. eine Thukydidesrolle von 81 m. Länge. Dies ist aber an sich unglaublich (s. z. B. E. Rohde 1554f. H. Landwehr a. O. Fr. Blass 313). Vielmehr schrieb man damals zumeist ohne Rücksicht auf Sinnesabschnitte von einer Rolle in die andere (συμμιγεῖς βίβλοι); vgl. Lex. Vind. p. 273f. Nauck αἱ μέντοι ῥαψῳδίαι κατὰ συνάφειαν ᾔδοντο, κορωνίδι μόνῃ διαστελλόμεναι, ἄλλῳ δ’ οὐδενί (dazu s. H. Diels S.-Ber. Akad. Berl. 1894, 357, 3). Eine Ausnahme bildeten u. a. des Aristoteles exoterische Schriften, nach Cic. ad Att. IV 16, 2. Für den engeren Privatgebrauch kam jene Art der Niederschrift nie aus der Mode, wie die Rollen der πολιτεία Ἀθην. des Aristoteles beweisen; vgl. auch Haeberlin XIV 206 nr. 18. 210 nr. 26 (?). Nur [952] von Reinschriften für Bibliotheken, den B.-Handel, Geschenke und dergl. galt seit den Zeiten der Alexandriner die Forderung des Zusammenfallens von B.- und Rollenende. Ausnahmen fanden auch hierin statt, sie wurden aber ausdrücklich als solche anerkannt; z. B. Santra bei Non. p. 170: quod volumen unum nos lectitavimus et postea invenimus septifariam divisum; vgl. überhaupt E. Rohde 1541. Marquardt-Mau 812, 9.

Im ganzen war gewiss diese B.-Einteilung gleichmässig und damit ein gewisses Normalmass, nur kein bindendes, für die einzelne Rolle begründet. Es war verständig und knüpfte an bestehende Gewohnheiten an, so dass später die Autoren sich wieder bei der Disposition ihrer Werke einigermassen darnach richteten. Verschiedenheiten bildeten sich namentlich für verschiedene Litteraturgattungen heraus. Die B. der Gedicht- und Briefsammlungen waren viel kürzer als die der Geschichtswerke (vgl. Isid. or. VI 12, 1 quaedam genera librorum certis modulis conficiebantur, breviori forma carmina atque epistolae, at vero historiae maiori modulo scribebantur; vgl. Rut. Nam. II 1ff.). Birt 291 ff. hat die Richtigkeit dessen im einzelnen an dem Bücherumfang der aus dem Altertum erhaltenen Schriften nachgewiesen. Nach ihm enthält die poetische Rolle der Alten zwischen 700 und 1100, im Durchschnitt gegen 1000 Verse. Bei Apollonios von Rhodos steigt die Zahl bis 1779 und bei Lucrez bis 1455; auch die Dramen haben höhere Zahlen. Prosawerke, die an einen weniger ausgedehnten Leserkreis sich wenden, können in den einzelnen B. 4 und 5 mal so viel enthalten. Auch wuchs der durchschnittliche Umfang der Rollen im Laufe der Zeit (Rutil. Nam. II 1ff. nondum longus erat (liber) nec multa volumina [hier die Einzelwindung der Rolle] passus).

Ursprünglich waren wohl die Klebestellen der Blätter einer Rolle als Intercolumnien gedacht und die Rolle bildete eine Reihe verbundener Einzelblätter. Da aber die Breite dieser nach der Sorte des Papiers und nach der Mode wechselte, die Zeilenbreite andrerseits mehrfach, besonders bei Versen, feststand, so gewöhnte man sich daran, auch über die Klebestreifen wegzuschreiben (Birt 256ff.). Dem entspricht es, dass in den Unterschriften der Rollen zuweilen neben der Zahl der Schriftcolumnen die der Klebungen oder Blätter angegeben wird (s. Scott Fragm. Hercul. [Oxford 1885] nr. 1414 ἀριθμο. χφςη // κολληματα // σελιδες ξα). Die σελιδες (Columnen) sind auch sonst gezählt; s. Birt 159ff. Fragm. Herc. nr. 1050 (pl. XLI). 1426. 1427. 1428 und vgl. Br. Keil Herm. XXIII 347 (betr. den Papyrus des Isokrates aus d. Mus. Borély in Marseille). Selbst eine fortlaufende Zählung der einzelnen Columnen am obern oder untern Rande findet sich (s. z. B. Führer Pap. Erzh. Rainer 63 über nr. 282 und Philod. π. ῥητορ. δ’ τῶν εἰς δύο τὸ προτ. in Herc. Vol. XI); ob zum Zwecke des Citierens oder zur Orientierung beim Zusammenkleben der Blätter, falls σελίς und κόλλημα da übereinstimmen, ist fraglich; vgl. auch Marquardt-Mau 813, 4. Bei Iuv. VII 100 (nullo quippe modo millensima pagina surgit, allgemein in Bezug auf den Geschichtschreiber) bezeichnet pagina die Schriftcolumne, sonst aber [953] auch das Blatt, d. h. also die Klebung. Niedergeschrieben wurden die B. ins Unreine in der Regel auf einzelne Blätter von Pergament (membranae pugillares) oder von (unter Umständen maculierter) Charta, in älterer Zeit auch auf Wachstäfelchen, vom Autor selbst oder – bei reichen und vielbeschäftigten Personen – nach Dictat von einem Sclaven. Dieser bediente sich dabei vieler Abkürzungen, bezw. einer Schnellschrift, und führte daher in der Kaiserzeit den Namen notarius (z. B. Plin. ep. III 5, 15 vom Oheim Plinius: ad latus notarius cum libro et pugillaribus. IX 20, 2. 36, 2).

In den Pergamentcodices fiel die Beschränkung des Inhalts auf ein B. weg; war doch Raumersparnis einer ihrer Hauptvorzüge; s. Isid. or. VI 13, 1 codex multorum librorum est. Phot. bibl. 72 p. 35 βιβλίον Κτησίου ... ἐν βιβλίοις κγ’. Durchweg lässt sich beobachten, dass umfangreiche Werke, die für einen einzigen Band zu gross waren, möglichst nach runden Zahlen auf mehrere Bände verteilt wurden. Dies entspricht der älteren Vereinigung mehrerer Rollen zu einem σύνταγμα (Cic. ad Att. XVI 3, 1), zu συντάξεις, σώματα, σωμάτια (lateinisch corpus, corpusculum); z. B. des Dio Cassius Ῥωμ. ἱστ. nach Dekaden (s. Suid.), Plotinos (27 Bch.) nach Enneaden; vgl. Birt 34f. E. Rohde 1544f. C. Wachsmuth Rh. Mus. XLVI 329ff. Auch der Cod. Pal. Admontanus des Plin. n. h. war in Bänden von je fünf (nach Fr. Mone Prol. p. XII von je zehn) B. geschrieben. Mit Unrecht wollen Rohde und Wachsmuth diesen Brauch nicht auf Chartarollen ausgedehnt wissen, obwohl diese sehr gut in den cistae und scrinia oder einfach durch Zusammenbinden in συντάξεις von bestimmter Zahl vereinigt werden konnten. Einen Anschluss an die Praxis der B.-Rollen kann man ferner darin sehen, dass die ältesten Codices mehrfach auf einer Seite zwei, auch drei Columnen haben, dann allerdings mit kurzen Zeilen; die langzeiligen Vergilcodices sind nur in je einer Columne geschrieben. Auch wurden anscheinend manche technische Ausdrücke der B.-Rolle auf den Codex übertragen, z. B. pagina (= κόλλημα), die Columne der Rolle, auf das Blatt (ursprünglich nicht die Seite) des Codex, während folium das Doppelblatt ist; s. Isid. or. VI 14, 6 folia autem librorum ... cuius partes paginae dicuntur. Die einzelnen Lagen wurden fortlaufend gezählt, meist am untern Rande der letzten Seite, zuweilen aber auch auf der ersten Seite.
V. Äussere Ausstattung.

Diese diente teils der Nützlichkeit teils dem Schmuck der B. Während bei den Ägyptern auf beiden Seiten fortlaufend beschriebene Rollen von alters her nichts Seltenes waren, wurden sie bei den Griechen und Römern, welche die B. weit anhaltender benutzten, zur Schonung des morschen Materials und der Schrift in der Regel allein auf der Innen- oder Vorderseite, d. h. derjenigen, auf welcher die Fasern der Papyrosstaude horizontal liefen (s. U. Wilcken Herm. XXII 487ff. und L. Borchardt a. a. O. 119) beschrieben. Nur ausnahmsweise wurden, um Raum zu sparen, gleich beide Seiten der Rollen benutzt (ὀπισθόγραφα; z. B. Plin. ep. III 5, 17 und vgl. Birt 506. U. Wilcken Herm. XXIII 467). Sonst nahm man die Rückseite nur [954] von maculierten Rollen in Gebrauch (Mart. IV 86, 11 inversa pueris arande charta. Dig. XXXVII 11, 4; vgl. auch die vier Rollen der πολιτ. Ἀθην.); Weiteres s. bei Marquardt-Mau 815. Die Zeilenzahl der Columnen hing von der Höhe der Charta, der Mode und der Bestimmung der Rolle ab, war innerhalb der einzelnen Rolle aber im ganzen gleich (vgl. Don. bezw. Euanth. arg. in Hec. Terent. a. E. und in Ad. a. E.). Die leeren Ränder oben und unten waren breit, da sie leicht abfaserten; weniger breit die Intercolumnien. Dass die Exemplare derselben Auflage dieselbe Columnen- und Seitenzahl hatten, was auf eine fabrikmässige gleichzeitige Herstellung einer grösseren Zahl von Exemplaren schliessen lässt, ergiebt sich aus Mart. X 1, 3f. Terque quaterque mihi finitur carmine parvo Pagina: fac tibi me quam cupis esse brevem, d. h. einigemale endet die Seite des (noch kurzen) B., also weit vor dem Ende – parvo ist Dativ – mit einem Gedichte; da könne der Leser das Ende des B. ansetzen (anders Friedländer z. d. St.). Die Länge der einzelnen Zeilen richtete sich in poetischen B. natürlich nach der Länge der Verse, wennschon einzelne übermässig lange Verse sehr früh abgebrochen worden sein mögen. Für Prosaschriften gab die Verslänge der ältesten griechischen Epen, d. h. die des Hexameters, eine feste Durchschnittslänge von 16 Silben ab (man verweist auf die Silbenzahl des ersten Verses der Ilias), die auch für das Lateinische (als versus Vergilianus) angenommen wurde (vgl. Plin. ep. IV 11 a. E., von Birt 161 nicht richtig erklärt); s. H. Diels Herm. XVII 377ff. Th. Mommsen Herm. XXI 142ff. XXV 636ff. H. Schöne Rh. Mus. LII 135ff. und u. Stichometrie. Ch. Graux Rev. d. Phil. n. s. II 97ff. hatte bereits die Zeile auf 34–38 Buchstaben oder 15–16 Silben berechnet (vgl. auch Fr. Blass 315). Für Prosaschriften war jene Silbenzahl vermutlich nur eine auf die ordnende Thätigkeit der Alexandriner zurückzuführende Recheneinheit, welcher eine gleiche Länge der Raumzeilen nur ausnahmsweise entsprach. Vielmehr scheinen gerade kurze Zeilen beliebt gewesen zu sein, als bequemer beim Lesen, nach Ausweis der Herculanensischen Rollen. Gewiss wechselte hierin auch die Mode und spielte die Vorliebe des einzelnen eine Rolle. Eine Vergleichung überlieferter stichometrischer Angaben mit der annähernd berechneten Silbenzahl der betreffenden Texte liess übrigens vermuten, dass für ältere Schriftsteller (Herodot und Demosthenes) eine etwas kürzere Normalzeile von fünfzehn Silben, für Hippokrates bei Galen dagegen ein achtzehnsilbiger στίχος neben einem von sechzehn Silben, (so auch im Galen selbst) anzusetzen sei (Diels a. O. 379f.), indes scheint namentlich jene Zeile von fünfzehn Silben zweifelhaft zu sein; vgl. H. Usener Nachr. Gött. Gesellsch. 1892, 191f. Thatsächlich kommen übrigens auf den lateinischen Hexameter nicht sechzehn, sondern nur wenig über fünfzehn Silben (Mommsen Herm. XXI 150); angemessenerweise erfolgte die Abrundung nach oben.

Zum Zweck einer grösseren Gleichmässigkeit der Schrift wurden Linien mit dem Blei (oder Minium?) vorgezogen, mittelst einer schmalen runden Scheibe (s. Gardthausen 67), zunächst [955] senkrechte zur Abgrenzung der Columnen (s. Anth. Pal. VI 62, 1 Κυκλοτερῆ μόλιβον, σελίδων σημάντορα πλευρῆς), aber auch für die Schriftreihen (ebd. 66, 1f.); vgl. Wattenbach 215. Erstere meint Hesych. s. σελίδες: ... καθάπερ καὶ ἐν τοῖς βιβλίοις τὰ μεταξὺ τῶν παραγραφῶν. Spuren der Linierung sollen sich noch in erhaltenen Papyri finden (s. A. de Jorio 38, 6; vgl. Becker-Rein 375). Einzelne Teile, Wörter oder Buchstaben des Textes, besonders den Titel und die Anfänge der Sinnabschnitte, Zeilen und dergl. durch besondere Farbe, vor allem die rote, auszuzeichnen, war bereits bei den Ägyptern üblich, bei denen deshalb von alters her die Schreiber je mit zwei Federn und einer doppelten Farbenbüchse dargestellt werden. Von ihnen wurde die Praxis durch die Griechen und Römer übernommen, kam aber in Chartarollen nur als besonderer Schmuck in Anwendung und war wohl auf den Titel und die Überschriften der Kapitel u. s. w. (daher rubrica) beschränkt (Ovid. trist. I 1, 7 nec titulus minio ... notetur). Paarweise finden auch bei ihnen sich die Tintenfässer auf Bildern. Vgl. überdies Abschn. VII.

Man las die Rollen, den Anfang links in der Hand haltend und das Ganze mit der Rechten nach und nach aufrollend (εἰλεῖν, ἑλίττειν, ἀνελίττειν, ἀνατυλίττειν bei Lukian. adv. ind. 16 und Nigr. 7, ἀνίλλειν und ἐξίλλειν nach Bekk. Anecd. gr. 19, 14ff.), wobei die Linke das Gelesene wieder einrollte oder auch offen nach links hin fallen liess. Zuletzt musste die Rolle wieder so zurückgerollt werden, dass der Anfang des B. nach aussen zu liegen kam; es geschah nach Abbildungen so, dass man den Anfang der Rolle unter und mit dem Kinn festhielt und von unten an das B. um den umbilicus aufwickelte (s. Mart. I 66, 8 quae (charta) trita duro non inhorruit mento. X 93, 6. Marquardt-Mau 818). A. Schöne Woch. f. kl. Phil. 1891 Sp. 1291, 1 hält diese immer wiederkehrende Manipulation für einen Grund der starken Abnutzung der Rollen und fragt nach dem technischen Ausdruck für das Zurückwickeln. Cassiod. var. XI 38, 5 stellt dem explicare (öffnen; evolvere bei Plin. ep. I 13, 2) das revolvere und colligere entgegen. Da der Anfang der Rolle vor allem der Beschädigung durch das häufige Öffnen und durch Bestossen ausgesetzt war, pflegte man ihn durch Aufkleben eines Querstreifens zu verstärken (s. U. Wilcken Herm. XXIII 466ff. L. Borchardt Ztschr. f. ägypt. Sprache XXVII 119. Führer Pap. Erzh. Rainer 15ff.) oder aus stärkeren Blättern gröberer Qualität herzustellen (Führer Pap. Erzh. Rainer 18). Er trug mancherlei auf die Rolle bezügliche Notizen, die zum Teil schon vor der Benutzung zugefügt sein müssen, wie Fabrikzeichen, welches in späterer Zeit die Provenienz aus aerarischer Fabrik bekundete, Zeit, Qualität und Preis, aber auch andere unter Umständen vom Schreiber zugefügte Bemerkungen, besonders einen kurzen Titel. Dieser Streifen, vielleicht auch das ganze erste Blatt der Rolle, hiess πρωτόκολλον (von ἡ κόλλα, die Leimung). Das letzte Blatt (πέρατα) führte entsprechend den Namen ἐσχατόκολλον und enthielt in der Regel eine längere oder kürzere Unterschrift.

Zum Schutz des Endes der Rolle und zum [956] festen Halt beim Aufrollen diente ein angeklebter cylindrischer Stab (ὀμφαλός = umbilicus, daher ad umbilicum evolvere u. ä.) ex ligno aut osse (Porph. ad Hor. epod. 14, 8), dessen namentlich die normal behandelten Rollen für Bibliotheken, Buchhandel, Geschenke u. dergl. seit der Alexandrinerzeit kaum je entbehrten (vgl. u. a. Hero π. αὐτομ. ed. Paris, p. 268). Bei geringer Ausstattung, namentlich für reine Privatzwecke, bediente man sich wenigstens in Ägypten auch des Stengels von Binsen u. ä. (s. z. B. J. Zündel Rh. Mus. XXI 437); anscheinend fehlte das Stäbchen nicht selten auch ganz. Erhalten haben sich nur wenige unzweifelhafte Spuren davon und auch die Abbildungen lassen es nicht immer sehen. Auf die Ausstattung mit den Stäbchen geht wohl der Ausdruck malleati in Dig. XXXII 52, 5 (... perscripti libri nondum malleati vel ornati), von alten Glossatoren durch cum asseribus erklärt. Beim unbeschriebenen Papier befanden sie sich vermutlich noch lose in der Rolle. Die Enden des Stäbchens waren bei sorgfältiger Ausstattung je mit einem angesetzten kleinen Bogen (cornu) versehen (z. B. Mart. XI 107 Explicitum nobis usque ad sua cornua librum), wohl um ein Verschieben der Rollenwindungen zu verhindern. Mit Unrecht halten Becker-Rein 377 und Marquardt-Mau 816, 6 cornua und umbilici der Rolle für identisch. In der Kaiserzeit ging man sogar dazu über, die Rolle auch im Anfang mit einem Stabe zu versehen zum stärkeren Schutze und zum Aufrollen beim Lesen, doch blieb dies wohl auf Fälle reicher Ausstattung beschränkt; s. Stat. silv. IV 9, 7ff. (Libellus) Noster purpureus novusque charta Et binis decoratus umbilicis. Mart I 66, 10f. Sed pumicata fronte si quis est nondum Nec umbilicis cultus atque membrana. III 2, 8f. Et frontis gemino decens honore Pictis luxurieris umbilicis; vgl. Ovid. trist. I 1, 8. Tibull.-Lygd. III 1, 13, vgl. auch Marquardt-Mau 816, 1. Die Charta wurde mit Cedernöl parfümiert zum Schutz gegen Würmer (Ovid. trist. I 1, 7. Mart. III 2, 7. Vitr. II 9, 13. Mart. Cap. II 136; Weiteres bei Marquardt-Mau 815); der obere und untere Rand des gerollten B. wurde mit Bimsstein geglättet und gefärbt (Cat. 22, 8. Ovid. trist. I 1, 8. 11f. Tibull.-Lygd. III 1, 10. Mart. I 66, 10. 117, 16 und s. o.). Auch wurde im Hinblick auf die spätere Aufbewahrung der Rollen im Kasten oder armarium am obern Rande, im Anfang (?) der Rolle – nach einer (ergänzten?) antiken Darstellung denkt man auch an die Mitte –, ein Streifen von Leder (σίλλυβος oder σίλλυβον, Troddel, nach Hesych. τῶν βιβλίων τὸ δέρμα; σίττυβον haben die Codd. von Cic. ad Att. IV 8a, 2; lat. lorum, index, titulus) befestigt, auf welchem kurz der Titel des B. verzeichnet war; auf Abbildungen ist er von länglicher, meist ovaler Form. Man konnte jenen so lesen, ohne die Rolle zu öffnen, ja ohne sie aus ihrer Hülle zu nehmen, wenn sie in einer steckte (s. Cic. ad Att. IV 4b, 1: mittas de tuis librariolis duos aliquos, quibus Tyrannio utatur glutinatoribus, ... iisque imperes, ut sumant membranulam, ex qua indices fiant, quos Graeci, ut opinor, σιλλύβους appellatis; vgl. Cic. ad Att. IV 8a, 2). Cat. 22, 7 (? lora rubra). Ovid. ex Pont. IV 13, 7. Tib.-Lygd. [957] III 1, 12 (hier lese ich indicet ut nomen littera pacta [Codd. facta] tuum). Mart. III 2, 11 (et cocco rubeat superbus index), obschon es nach dieser Stelle scheinen könnte, als hinge die Titeletikette an der vorher (v. 10) erwähnten Hülle. Für Cicero war die Sitte noch neu, sie entsprang den Bedürfnissen grösserer Bibliotheken und bildete sich gewiss in Alexandrien aus. Auch die erwähnten Hüllen (unser Futteral, griechisch φαινόλης, lateinisch paenula, Mantel) dienten zur vollen äusseren Ausstattung der B., waren aber gewöhnlich nur leere Chartablätter, die man um die beschriebenen Rollen wickelte (s. A. de Jorio 20 und Marquardt-Mau 817f.). In Lederhüllen verriet sich ein gewisser Luxus (Cat. 22, 7f., wo membrana deirecta plumbo das genau abgemessene und zugeschnittene Leder bezeichnet. Ovid. trist. I 1, 5. 9); sie waren gelb oder purpurfarben (s. z. B. Ovid. trist. a. O. Lygd. 1, 9. Mart. III 2, 11. X 93, 4. XI 1, 2). Eine Hülle von Musselin erwähnt E. Egger Mém. d’hist. 159. Ein noch besserer Schutz für die Chartarolle (beim Gebrauch?) scheint das manuale gewesen zu sein (s. Mart. XIV 84 und vgl. Friedländer z. d. St.). Dies alles gehörte zum Schmuck der B., von dem Dig. XXXII 52, 6 (libri ... nondum ... ornati) die Rede ist; eingehend aufgezählt auch bei Lukian. adv. indoct. 7 (ἀνελίττεις ἀεὶ καὶ διακολλᾷς καὶ περικόπτεις καὶ ἀλείφεις τῷ κρόκῳ καὶ τῇ κέδρῳ καὶ διφθέρας περιβάλλεις καὶ ὀμφαλοὺς ἐντίθεις κτλ.). Besonders prachtvolle Rollen sind von Lukian beschrieben de merc. cond. 41: τοῖς καλλίστοις τούτοις βιβλίοις, ὧν χρυσοῖ μὲν οἱ ὀμφαλοί, πορφυρᾶ δὲ ἔκτοθεν ἡ διφθέρα, sowie adv. indoct. 7 (βιβλίον) πορφυρᾶν μὲν ἔχον τὴν διφθέραν, χρυσοῦν δὲ τὸν ὀμφαλόν. Origenes verwendete, vermutlich nicht allein, Frauen zum Schönschreiben (Suid. p. 1153a Bekk.).

Antike Abbildungen von Rollen sind nicht selten. Ausser dem, was bei Marquardt-Mau 818, 5 mit Beschränkung auf bestimmte Darstellungen angeführt ist (nur gelesene Rollen sind berücksichtigt), vgl. Pitt. ant. d’Ercol. II 7. 55 (= 221). 59. G. Marini Pap. dipl. (1805) Titelbild (= Pitt d’Erc. II 13 t. 2). A. de Jorio Offic. de pap. (1825) tav. I (vgl. p. 58ff.). Lachmann Gromat. vet. (1848) Titelbild (woher?). Giorn. d. scav. di Pomp. n. s. III t. VI (Figur). Arch. Zeit. XXXI (1873) Taf. 1 (dazu Aufsatz von Ad. Michaelis). Niccolini Case di Pomp. II tav. 87 (Feld 1 = Pitt. d’Erc. II 221; Feld 3 = Pitt. d’Erc. V 375). Gauckler Compt. rend. de l’ac. d. inscr. Paris 1896 zu p. 580. Über die plastische Darstellung von Rollen s. o. S. 945f. und später in Abschnitt VIII.

In Pergamenthandschriften wurden Linien, so viel sich sehen lässt, nicht mit Blei gezogen (Cat. 22, 7 geht auf anderes), sondern – jedenfalls in späterer Zeit – mit der stumpfen Schneide eines Instrumentes eingedrückt, so dass sie auch auf der Rückseite sichtbar waren. Die Haarseite des Pergaments erhielt den Eindruck (Gardthausen 67f. Wattenbach 215). Senkrechte Linien begrenzten zu beiden Seiten die Zeilen. Der erste Buchstabe einer Seite, unter Umständen auch ihr letzter, wurde häufig etwas grösser geschrieben. Nach der späteren Praxis zu urteilen, wurde innerhalb der einzelnen Lagen [958] (τετράδια, τετρασσά, τρισσά, quaterni, quaterniones u. s. w.) Haar- auf Haarseite und Fleisch- auf Fleischseite des Pergaments gelegt, was die Wahrung der richtigen Blattfolge erleichterte (s. K. Dziatzko Centr. f. Bibl. IX 342f.). In griechischen Codices pflegt die Fleischseite, in lateinischen die Haarseite des Vorderblattes jeder Lage in älterer Zeit nach aussen gekehrt zu sein (s. Dziatzko a. O.). Doch giebt es auch sehr alte Codices, deren Lagen so zusammengestellt sind, dass stets die Haarseite vorn ist. Für die einzelnen Lagen wählte man in der Regel je vier oder fünf Doppelblätter (folia, diplomata); vielleicht war das eine oder andere an die Praxis gewisser Schreibschulen geknüpft. Die Lagen von vier Bogen müssen das Gewöhnliche gewesen sein, da das Wort quaterni im Laufe der Zeit auch für kleinere Lagen der Codices gebraucht wird (Wattenbach 177f.). Über die Zählung der Lagen s. o. S. 953. Für kostbar ausgestattete Codices wählte man purpurgefärbtes Pergament und schrieb darauf mit Gold- oder Silberschrift und mit besonders grossen Buchstaben (vgl. Wattenbach 132f., besonders Hieron. praef. in Iob. [ed. Vall. IX 1100f.] Habeant qui volunt veteres libros vel in membranis purpureis auro argentoque descriptos, vel uncialibus ut vulgo aiunt litteris, onera magis exarata quam codices; vgl. Hist. Aug. Maxim. duo 30, 4). Über Chrysographie s. auch K. Wessely Wien. Stud. XII 259ff. Im übrigen schlossen die Pergamentcodices sich in Bezug auf die äussere Ausstattung eng an die Praxis der Chartarollen an und wichen davon nur allmählich in Einzelheiten ab. Die erhaltenen Vergilhandschriften scheinen zum Teil gerade Prachtexemplare gewesen zu sein, die aus diesem Grunde gut verwahrt wurden und so dem Schicksal der Vernichtung entgingen; auch waren sie gleich den Bibelcodices ihres Inhaltes wegen mehr verbreitet. Über 50 ὑπὸ τεχνιτῶν καλλιγράφων kunstvoll hergestellte Codices der Bibel erwähnt Euseb. v. Const. IV 36f. Auch Papst Damasus hatte um 354 seinen Schönschreiber, Furius Dionysius Filocalus (s. M. Ihm Rh. Mus. L 196f.). Natürlich pflegten kunstvoll geschriebene Codices auch einen kostbaren Einband zu erhalten. In späterer Zeit des Altertums verwendete man vielfach dazu frühere Diptychendeckel mit Schnitzereien in Elfenbein oder mit Metallschmuck und Edelsteinen; vgl. u. Diptycha.
VI. Innere Ausstattung.

Diese erstreckte sich zumeist nur auf die für Bibliotheken, den Buchhandel, zu Geschenken und aus andern Gründen mit besonderer Sorgfalt hergestellten Exemplare, während gewöhnliche Privatabschriften hinsichtlich der Fürsorge für Text und Verständnis durchaus von der Neigung des einzelnen Besitzers oder Schreibers abhingen. Indes hat sicher die Praxis der öffentlichen Exemplare vorbildlich auch auf die andere Klasse eingewirkt. Erst die Organisation der alexandrinischen Bibliotheken und deren Bedürfnisse haben Regeln und Gewohnheiten geschaffen, welche von den Musterrollen jener Sammlungen aus den Buchhandel Alexandriens und die weitere Herstellung von Abschriften auf der ganzen von Hellenen bewohnten Erde, aber ebenso im Römerreiche beeinflussten (s. o. S. 414). Dass Aristoteles dazu schon vorher die [959] Wege gewiesen hat, ist an sich und nach directen Nachrichten nicht unwahrscheinlich (Strab. XIII 608. Cic. ad Att. IV 16, 2); auch ist, wie sich für einzelnes noch nachweisen lässt, die Praxis der ägyptischen Schreiber, die auf eine lange, gleichmässige Tradition zurücksehen konnten, massgebend gewesen. Vor allem erhielten die B. einen Titel, entweder im Anfang (s. z. B. Herc. vol. ps. I [Oxon. 1824] p. 83. 106. II p. 46. Haeberlin XIV 220 nr. 36) oder am Ende der Rolle in Verbindung mit den sonstigen Angaben der Unterschrift (s. a. O. ps. I p. 26. II p. 45. 155. Scott Frgm. Herc. p. 180. 239 und Taf. XLI. Haeberlin XIV 221f.; vgl. S. 950). Letzteres kommt in den Vol. Hercul. anscheinend öfter vor. Im ganzen finden sich nach Birt 128 etwa 69 Buchtitel in den Herkul. Rollen. Kurz wurde das Ende der B. durch die κορωνίς () gekennzeichnet (s. Mart. X 1, 1. Lex. Vind. ed. A. Nauck 273, 18 und vgl. H. Diels S.-Ber. Akad. Berl. 1894, 357). Die Gewohnheit gerade am Ende den Umfang der Schrift nach στίχοι und Columnen (σελίδες), mitunter auch die Zahl der Klebungen (s. o. S. 952), oder doch einzelnes davon anzugeben, führte dazu, ihren Titel hier anzuführen. Am Anfang war er entbehrlicher, da man an der Außenseite des Anfangs der Rolle kurz ihren Inhalt kund zu thun pflegte, um des Aufrollens überhoben zu sein zur Feststellung des Inhalts. Privatabschriften entbehrten gewiss häufig ganz einer Aufschrift und damit der Verfasserbezeichnung; s. Galen. π. τ. ἰδ. βιβλ. (XIX 9f.): φίλοις γὰρ ἢ μαθηταῖς ἐδίδοτο χωρὶς ἐπιγραφῆς, ὡς ἂν οὐδὲ πρὸς ἔκδοσιν. Der Verfasser konnte die Nennung seines Namens unterlassen, da dieser sich ja meist aus der Zusendung ergab. Nicht mit Unrecht darf man daher die Anonymität mancher antiker Schriften aus ihrer Abstammung von solchen Privatexemplaren herleiten (z. B. die IV libri de rat. dic. ad Herenn.; vgl. Fr. Marx ed. prol. 1ff.). Dass Dedicationsepisteln auf die Aussenseite der Rollen geschrieben worden seien, wie L. Friedländer zu Mart. II epist. Z. 14 und zu I epist. (S. 162) nach Birt 142 wegen Mart. II a. O. und IX epist. (epigramma, quod extra ordinem paginarum est) annimmt, halte ich für unwahrscheinlich. Vielmehr waren jene Briefe in Prosa die Begleitschreiben (wahrscheinlich in besonderem Schriftstück) bei Übersendung der betreffenden Dedicationen an die jedesmaligen Gönner. Später erfolgte ihre Veröffentlichung unter Vorausschickung des Widmungsbriefes, wobei der Text nicht geändert wurde, obschon er für jenen als Teil der Rolle nicht ganz passte.

Der Schluss der Rolle (κολοφών) enthielt, wie vorher erwähnt, ausser Titel und Zählung des äusseren Umfanges (s. o. S. 950) die Zählung der στίχοι (versus), d. h. der metrischen Verse oder der Prosazeilen von der Länge des homerischen, bezw. vergilianischen Verses von 16 Silben; s. darüber oben S. 954. Herodian. de num. in Steph. Thes. gr. VIII 689 ed. Lond. lehrt: ταῦτα (die älteren griechischen Zahlzeichen) ἔν τε ταῖς γραφαῖς τῶν βιβλίων ἐπὶ τοῖς πέρασιν ὁρῶμεν γραφόμενα. Ihr Zweck war zunächst Feststellung der Vollständigkeit eines Exemplares (deshalb durchgeführt in der alexandrinischen Bibliothek). Ferner sollte sie die Grundlage [960] geben zur Feststellung des Schreibelohnes (vgl. Ed. Diocl. in CIL III p. 831 [7 Z. 39f.]); ebenso ferner dem Buchhändler und dem Publikum als Massstab für Ansetzung, bezw. Beurteilung des Ladenpreises dienen; vgl. die Unterschrift des Cod. Chelt. 12266 p. 67 (bei Th. Mommsen Herm. XXI 142ff., vgl. XXV 636ff.) Quoniam indiculum versuum in urbe Roma non ad liquidum, sed et alibi avariciae causa non habent integrum, per singulos libros computatis syllabis posui /// [ich ergänze = pro) numero XVI versum Virgilianum, omnibus libris numerum adscribsi. Mart. II 8, 3f. nocuit librarius illis, Dum properat versus adnumerare tibi. Bei der unvermeidlich verschiedenen Höhe der Chartarollen musste die Zahl der Zeilen ihrer Columnen verschieden sein und die Zählung der Seiten einen ganz unsichern Massstab für den Umfang einer Schrift abgeben. Aber auch die Zählung der Zeilen war bei ihrer ganz verschiedenen Länge (in Prosawerken) ungenügend (vgl. Quint. X 3, 32).

Eine andere Zählung betraf die rhythmischen Glieder lyrischer Schriften und lyrischer Teile von Dramen oder die Sinnabschnitte (κῶλα, κόμματα) eines B. (s. u. Kolometrie). Nach diesen rhythmischen Gliedern waren die Schriften in der Regel auch geschrieben. Bei Prosawerken geschah es nur in B., bei denen es auf eine genaue Unterscheidung der einzelnen Sätze (Gedanken) ankam, wie in Gesetzen und Verordnungen (tituli, rubricae u. ä.), ferner in solchen Werken der Litteratur, die zu Lehrzwecken verwendet und dabei eingehend analysiert wurden, z. B. Demosthenes und Cicero nach Hieron. praef. ad Jes. [ed. Vall. IX 683]; vgl. Kastor Rhet. gr. Walz III 721. Es giebt Cicerohandschriften, welche mit solcher Satzabteilung geschrieben sind, so der Paris. lat. 6332 (de sen. und Tusc.); vgl. Birt 219ff. (mit einer Probe nach Ch. Graux a. O. 126f.) und Chatelain pl. 44. Seinen Ursprung hat der Brauch von der melischen Dichtung; vgl. Etym. M. p. 550 (= Etym. Gud. p. 357): κῶλα κυρίως ἐπὶ τῶν μελοποιῶν, μεταφορικῶς ἐπὶ τῶν πεζολόγων κώλοις μὴ χρωμένων. Eugenios verfasste um 500 n. Chr. eine besondere Schrift unter dem Titel Κωλομετρία τῶν μελικῶν Αἰσχύλου, Σοφοκλέους καὶ Εὐριπίδου ἀπὸ δραμάτων ἰέ. Zwei Reste dieser Zählung scheinen sich zu Cantica plautinischer Lustspiele erhalten zu haben; s. K. Dziatzko Jahrb. f. Philol. 1883, 61ff. Auf diese oder ähnliche Angaben beziehen sich auch zwei merkwürdige Stellen des Donat (praef. Ad. a. E. und tract. de com. a. E.) über die Bezeichnung der modi mutati cantici (vgl. Fr. Ritschl Rh. Mus. XXVI 599ff.). Die canonisch-theologischen Schriften des Christentums erfuhren sehr früh eine gleiche Behandlung; so die poetischen B. der Septuaginta durch Origenes (Euseb. hist. eccl. VI 16. 4), die Briefe u. a. des Neuen Testaments durch Euthalios (s. Migne Patr. gr. LXXXV 629. 633); s. auch Hieron. a. O. und vgl. Birt 178ff. Von den Exemplaren gewisser Schriften des Hippokrates, die zu Galens Zeiten und früher in den Medicinerschulen gebraucht wurden, lässt sich aus Stellen, wie sie H. Schoene (Ausg. des Apollon. Kit. 1896 Reg. II ἀριθμοί = στίχοι) beigebracht hat, schliessen, dass in ihnen bei gleicher Zeilenlänge zum Zwecke des leichten Citierens Zeile für Zeile fortlaufend [961] gezählt wurde (vgl. die Ausgabe von Nic. Perottus Cornucopia durch Aldus Manutius d. Aelt. [1499], in der zuerst von modernen Drucken sich Zeilenzählung findet), so dass ἀριθμός im Sinne von στίχος gebraucht werden konnte.

Ausser auf Über- und Unterschrift der Rollen erstreckte sich die Fürsorge für das Verständnis des Inhaltes vor allem auf den Text. Da in die Abschriften sich, zumal wenn sie nach Dictat zu stande kamen, sehr leicht Fehler einschlichen, die bei weiterem Abschreiben sich vermehrten (vgl. Cic. ad Qu. fr. III 5f. De latinis (libris) quo me vertam, nescio; ita mendose et scribuntur et veneunt. 6, 6; ad Att. XIII 23, 2. Hor. ep. II 3, 354f. Strab. XIII 609; Weiteres s. bei Villoison praef. Il. [Venedig 1788] p. 34f.), so wurden in der Regel, allerdings nur im Princip oder doch allein in den Schreibstuben tüchtiger und gewissenhafter Buchhändler, wie des Atticus, Trypho u. a., die von den ersten Schreibern angefertigten Abschriften von einem andern besser geschulten Mann der gleichen Officin zum Zwecke des Corrigierens (ἀκριβοῦν, διορθοῦν, emendare) durchgelesen (Cic. ad Att. XII 5, 3. XIII 23, 2. Mart. X 78, 12), vielleicht stellenweise mit der Vorlage oder guten alten Exemplaren verglichen (vgl. z. B. die subscriptio zu Cic. de leg. agr. II: Emendavi ad Tironem et Laecanianum et dom [wohl = Domitium] et alios veteres III; vgl. auch Hieron. de vir. ill. 35; s. auch Marquardt-Mau 831f.). Dies war in den Schreibstuben der Buchhändler wohl Aufgabe der anagnostae; Atticus besass nach Nep. v. Att. 13, 3 anagnostae optimi (s. Dziatzko Zwei Beitr. 13); τὰ ἀνεγνωσμένα βιβλία werden bei Diog. Laert. V 73 den ἀνέκδοτα gegenübergestellt (nach Hermann-Blümner Griech. Priv. Alt. 432, 3 öffentlich vorgetragen). Die so corrigierten Rollen erhielten zum Ausweis darüber am Ende die Unterschrift διώρθωται (vgl. H. Omont Vet. Test. gr. cod. Sarrav.-Colb. [1897] praef. IX; ob auch ἄνέγνων?), legi, emendavi, auch contuli oder relegi (spät ist recensui). In alten Pergamentcodices hat sich dieser Vermerk am Ende der Bücher (den einzelnen Rollen entsprechend) nicht selten erhalten. Bei Geschenkexemplaren besorgte ausnahmsweise der Verfasser selbst die Durchsicht (Mart. VII 17, 7f.; vgl. auch VII 11. Fronto ad M. Caes. I 6). Nachlässige librarii unterliessen die Correctur, zumal wenn die Herstellung der Abschriften drängte oder auf Massenabsatz einer Schrift gerechnet war.

Ausser und noch vor der emendatio wurde den sorgfältig behandelten Texten die distinctio, nachher aber die adnotatio zu teil als Ausfluss der redigierenden Thätigkeit eines wissenschaftlichen Correctors. Zunächst wurden nur die Vorlageexemplare, das ἀρχέτυπον des Autors (Mart. VII 11, 4) oder die als deren Ersatz geltenden ἀντίγραφα (exemplaria), so behandelt, teils durch den Autor selbst oder einen seiner geübten Sclaven, teils – bei sog. litterarischen Gemeingut, d. h. bei verstorbenen Autoren – durch einen grammaticus (Suet. de gramm. 24). In die gewöhnlichen Abschriften ging wohl nur ein Teil davon über. Von namhaften Gelehrten corrigierte Exemplare waren natürlich sehr geschätzt (s. z. B. Fronto ad M. Caes. I 6. Galen. VII 239 über ein mit χαρακτῆρες versehenes Exemplar der alexandrinischen [962] Bibliothek). Das distinguere bezog sich auf die richtige Unterscheidung der Wörter, Sätze und grösseren Gedankenabschnitte, auch auf Accente und Aspirationszeichen. Dies alles war infolge der antiken scriptio continua keineswegs selbstverständlich. Ausnahmsweise wurde die Worttrennung nach Art der lateinischen Inschriften auch äusserlich durch Interpungieren der Wörter verdeutlicht, wie in dem Fragment de bello Actiaco (s. W. Scott Fragm. Hercul. Taf. A–H) und auch in einem der Majuskelcodices des Vergil (Vatic. lat. 3867. Zangemeister-Wattenbach Ex. cod. lat. t. 11). Consequent interpungiert wurde vor und hinter Abkürzungen, Zahlzeichen (über diesen stehen auch Striche) u. ä. Sinnesabschnitte im Umfang unserer Paragraphen (oder Kapitel) bezeichnete man meist durch die παράγραφος, einen kurzen wagerechten Strich am Rande unterhalb der Zeile, in welche der Abschnitt fiel (sehr häufig in den Resten antiker Rollen); auch im Text über dem ersten Buchstaben des neuen Absatzes steht Punkt oder Strich. Zuweilen liess man kleine Lücken innerhalb der Zeile, nach denen unter Umständen der erste Buchstabe etwas grösser geschrieben wurde. In die Lücken oder an den Rand setzte man auch ein besonderes Zeichen, das ursprünglich die Abkürzung einer Hieroglyphe ist (Ideogramm von gōrӗḥ = Pause), woraus sich unser Paragraphenzeichen entwickelt hat (s. H. Omont Cod. Sarr.-Colb. praef. VIII). Das Zeichen > (gleich der διπλῆ), einzeln oder wiederholt, diente zur Ausfüllung von Lücken am Ende der Zeilen (s. H. Omont a. O. p. VII); umgekehrt steht < zum gleichen Zweck im Cod. Pal. Admont. des Plinius. Die eigentliche adnotatio bestand in dem Beifügen bestimmter Zeichen (σημεῖα, notae), zumeist mit kritischer Bedeutung, auf dem Rande des Textes in Bezug auf diesen. Die Sitte stammt von den alexandrinischen Gelehrten her; σημεῖα in alten Platoausgaben erwähnt Diog. Laert. III 65f. nach Antigonos Karystios. In griechischen Papyri finden sich noch einzelne der aristarchischen Zeichen; vgl. W. v. Hartel 45ff. 78f. J. La Roche Wien. Studien XIV 150ff. H. Omont a. O. p. IX. J. H. Bernard Trans. R. Ir. Ac. XXIX 656. A. Ludwich a. v. St. C. Haeberlin XIV 209 nr. 25. Origenes gebrauchte sie in den hlg. Schriften. Accente und Noten finden sich mehrfach; z. B. in einem Fragment des Alkman (s. E. Egger Mém. d’hist. anc. 159); über Quantitätszeichen s. A. Ludwich Ind. lect. hib. Regiom. 1892/93, 6ff. Die Römer ahmten den Gebrauch nach. Sueton handelte von ihnen im Werke de vir. ill. im Anschluss an Valerius Probus (s. Anecd. Paris, bei Suet. p. 137ff. Reiff.); er führt 21 notae an, von denen ein Zeichen (vermutlich alogus a. O. 138) ausgefallen ist. Auch Isid. orig. I 21 bespricht sie, doch haben bei ihm die Zeichen und deren Bedeutung zum Teil sich geändert; vgl. auch Auson. lud. s. sap. 13ff. (pone obelos igitur, primorum stemmata vatum u. s. w.). Ausserdem benutzte man den Rand zu stichometrischen Zeichen, horizontalen Strichen, aber auch fortlaufenden Zahlen, welche das Ende von je 100 oder je 50 Zeilen angaben (Partialstichometrie). Sie scheinen in dieser Form vorwiegend zur Controlle der Hauptzahlen gedient zu haben (s. C. Wachsmuth Rh. Mus. XXXIV 38ff.), doch [963] finden sich auch Citate von Stellen nach der Verszahl; vgl. z. B. Diog. Laert. VII 33. 187f. Birt 169f. Namentlich wird bei Asconius nach Zehnern citiert, und zwar nicht durch die ganze Rede, sondern a primo, circa medium, a novissimo, woraus wohl zu schliessen ist, dass die Absätze nur durch Zeichen, nicht durch Zahlen angezeigt waren und dem Leser das Nachzählen überlassen blieb (anders Birt 177). Reste dieser Partialstichometrie sind besonders in einigen griechischen Hss. gefunden worden (s. M. Schanz Herm. XVI 309ff. K. Fuhr Rh. Mus. XXXVII 468ff. W. Christ Abh. Akad. Münch. Phil. Cl. XVI 155ff. Ch. Graux Rev. de phil. n. s. II 137f.; vgl. Haeberlin XIV 203 nr. 6. 210 nr. 26), doch können noch mehr in Codices versteckt sein.

Interlinear- und Randglossen, sowie vollständige Commentare den Texten selbst beizufügen zu Lehrzwecken, war in den guten Zeiten des Altertums nicht gewöhnlich. Schon die schmalen Intercolumnien der Rollen und die leichte Zerstörbarkeit der Ränder hinderte dies, solange nicht Pergamenthandschriften das gewöhnliche Material für Litteraturwerke waren. Indes fehlen Glossen und Scholien in antiken Rollen durchaus nicht; vgl. E. Egger Mém. d’hist. anc. 160f. in Bezug auf das schon erwähnte Alkmanfragment; ebenso bei B. P. Grenfell and A. Hunt Greek pap. ser. II (1897) nr. XII (p. 24) aus dem 3. Jhdt. v. Chr. Ein Odysseefragment des 1. Jhdts. n. Chr. hat Scholien zwischen und über den Columnen (s. F. G. Kenyou Journ. of phil. XXII 238ff. und dazu A. Ludwich Homerica, Königsberg 1894). In der Regel wurden die ὑπομνήματα (commenta) in besonderen Büchern niedergeschrieben und verbreitet, so des Asconius Commentar zu Ciceros Reden, Galens Commentar zu Hippokrates u. a.

Von den Pergamenthandschriften gilt hinsichtlich der inhaltlichen Ausstattung im wesentlichen das Gleiche wie von den Chartarollen. Da sie auf wesentlich längeren Bestand berechnet waren, wurde ursprünglich alles wohl noch planmässiger und sorgsamer ausgeführt und in den Unterschriften gewöhnlich Rechenschaft gegeben über den Urheber, die Grundlage oder wenigstens die Thatsache der Recension. Die Reste der Subscriptionen sind gesammelt nach J. H. L. Lersch (Mus. d. rhein. westf. Schulm.-Ver. III 243ff.) in grundlegender Weise von O. Jahn Ber. S. Ges. Wiss. III (1851) 327ff.; sie beziehen sich auf 16 Prosaiker und 7 Dichter. Fortgesetzt sind diese Untersuchungen von Fr. Haase (Ind. lect. Vratisl. 1860), Aug. Reifferscheid (über patristische Codices, Ind. lect. Vratisl. 1872); vgl. auch K. Dziatzko Comm. Woelfflin. [1891] 225ff. P. Lejay Rev. de phil. XVIII 53ff.; ferner zum Auct. ad Her. Fr. Marx edit. praef. 1ff., zu Hippocr. progn. lat. H. Kühlwein Herm. XXV 120. 122 u. s. w.
VII. Ornamentierung und Illustrierung.

Während der oben S. 955 erwähnte Gebrauch verschiedenfarbiger Tinte zur Hervorhebung des Inhaltes einzelner Teile des Textes diente, fingen überdies früh, d. h. in alexandrinischer Zeit, die Griechen auch an, durch Zeichnung und Farbe einzelnen B. einen besondern Schmuck und dem Text belehrende Anschaulichkeit zu verleihen. Zahlreiche Papyrosreste weisen Spuren farbiger [964] Initialen und Bilder auf; offenbar wirkte da die sehr alte und ganz gewöhnliche Praxis der ägyptischen Rollen mit, welche die hieroglyphischen Texte nebenan durch zweifarbige Darstellungen erläutern. Vgl. C. Leemans Mon. égypt. II B pl. 226. Chabas Pap. mag. Harris p. 2. Catalogo gen. d. mus. di antich. n. gall. e bibl. d. regno, ser. I vol. I (Roma 1881). A. Fabretti R. Museo di Torino (Tor. 1882) nr. 2031–2041. W. v. Hartel 43. 52 (61 Stücke d. Samml.). Führer Pap. Erzh. Rainer 63 u. s. w. Zeichnungen in Wachstafeln sind von Maneth. VI 523f. erwähnt (εὐτήκτου τ’ ἀπὸ κηροῦ ἐυξεσταῖς σανίδεσσιν μορφὰς μιμηλῇσι χαρασσαμένους γραφίδεσσιν). Ja schon Anaximander hat nach Eratosthenes (bei Strab. I 7) γεωγραφικὸν πίνακα herausgegeben, falls wir uns diese Tafel nicht blos als Tabelle ohne Zeichnung zu denken haben. Nach Plin. n. h. XXV 8f. war es bei den Griechen seit längerer Zeit üblich, den Beschreibungen von Pflanzen ihre Zeichnungen beizufügen, ja einzelne (Krateuas, Dionysios, Metrodoros) unternahmen es gar diese auszumalen, was sich aber nicht bewährte, so dass Spätere davon abgingen, ja selbst die Beigabe der Zeichnungen unterliessen. Ob das, was Petron. 2 (pictura quoque non alium exitum fecit, postquam Aegyptiorum audacia tam magnae artis compendiariam invenit) und Plin. n. h. XXXV 110 über gewisse technische Hülfsmittel zum Schnellmalen als Grund des Verfalles der Malerei bei den Griechen bemerken, sich auch auf die Illustrierung von B. bezieht, ist aus dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Die Römer, die ohne Zweifel den Griechen folgten und auf diesem Gebiet zumeist durch Griechen arbeiten liessen, hatten frühzeitig besondere Vorliebe für das Porträt, und Varro wagte es sogar in seinen imagines (50 B.) ein Werk herauszugeben, das wesentlich – gleichviel nach welchen Quellen – Porträtzeichnungen von 700 berühmten Männern mit beigefügten biographischen Notizen enthielt (Plin. n. h. XXXV 11 imaginum amorem flagrasse quondam testes sunt Atticus ille Ciceronis edito de iis volumine, M. Varro benignissimo invento, insertis voluminum suorum fecunditati septingentorum inlustrium aliquo modo imaginibus). H. Usener hat aus dieser Stelle wohl mit Unrecht auf ein besonderes Verfahren des Atticus zur Vervielfältigung seiner Bilderhandschriften geschlossen (Nachr. Gött. Ges. d. W. 1892, 201); vgl. K. Dziatzko Zwei Beitr. 8ff. Der Gebrauch von Stempeln, selbst umfangreichen, zur Wiedergabe formelhafter Wörter – gewiss anschliessend an den Gebrauch von Siegelringen – steht freilich für das Altertum völlig fest (s. W. v. Hartel 51 [50 Stücke]. Führer Pap. Erzh. Rainer a. v. St. [vgl. S. 290ff.]). Abdrücke in roter Farbe, sowie Stempel selbst (von weichem Kalkstein) haben sich erhalten; s. Griech. Urk. d. Berl. Mus. I nr. 183 (aus 84/85 n. Chr.). Diese aber für Bilder in Anwendung zu bringen, würde sich nur bei einer sehr starken Auflage gelohnt haben und ist jedenfalls nicht nachweisbar.

Auch später äusserte sich die Vorliebe der Römer für das Porträt (vgl. Iuv. 9, 145f.) darin, dass den Schriften eines Autors sein Bild, wohl zugleich mit biographischer Erläuterung, vorgesetzt wurde (Sen. de tranq. an. IX 6 nunc [965] ista conquisita, cum imaginibus suis descripta sacrorum opera ingeniorum u. s. w.; vgl. Plin. n. h. XXXV 8f. Mart. XIV 186); die Buchhändler hielten dazu sich artifices (Nep. v. Att. 13, 3); vgl. E. Bethe De Theocriti editionibus antiquissimis, Rostoch. 1896. Spottbilder eines Hermogenes von Tarsos auf den Kaiser (in historia figuras) erwähnt Suet. Dom. 10. Ägypten blieb anscheinend infolge der uralten Tradition durch lange Zeit das Land, woher hauptsächlich Bilderhandschriften vertrieben wurden; vgl. Pitra Anal. sacr. et class. V 128 col. 2 aus Mag. Moyses de Graec.: Graecia vero communiter quaeque priora per picturas digesta vocavit historias. Nobis quoque mos est papyraceas texturas hystorias nominare, praecipue quae picturatae nobis Aegypto vehuntur. Vielleicht bedienten sie sich dabei proportionaler Netze, wie sie in Ägypten sicher gebraucht wurden (R. Pietschmann bei Dziatzko Zwei Beitr. 12).

Pergament war für Handzeichnungen noch geeigneter als Charta; nach Plin. XXXV 68 wurde es frühzeitig für Entwürfe gebraucht. Es haben sich verschiedene Codices mit Bildern erhalten, die nach aller Wahrscheinlichkeit auf antike Vorlagen zurückgehen; Bruchstücke einer colorierten Hs. der Ilias (5. Jhdt. in Mailand; Iliad. fragm. ant. ed. A. Mai 1819), drei Hss. des Dioskorides (zwei in Wien, eine in Paris), mehrere des Terenz (die codd. CFP bei Umpfenbach; ferner Par. lat. 7900. 7903. Bodl. auct. F. 2. 13; vgl. Fr. Leo Rh. Mus. XXXVIII 317ff. und K. Dziatzko Comm. Woelffl. 221ff.); Bruchstücke eines Vergil im Vatican (lat. 3225; Ausg. v. Bottari 1741). Chirurgische Bilder zu des Apollonios von Kition Commentar der hippokratischen Schrift π. ἀρθρ. giebt es in einem Cod. Laur. (s. die Ausg. von H. Schoene 1896); Bilder zu den Aratea in verschiedenen Hss. (E. Bethe Rh. Mus. XLVIII 91ff.). Christlichen Inhaltes ist die sog. Wiener Genesis aus dem 4. Jhdt. (herausg. von W. v. Hartel und Frz. Wickhoff als Beil. z. Jahrb. d. kunsth. Samml. d. All. Kaiserh. XV u. XVI).
VIII. Verbreitung.

Antike B. fanden entweder durch Privatabschriften oder durch den Buchhandel ihre Verbreitung. Erstere Art der Veröffentlichung war jederzeit im Gebrauch, ging (neben der Recitation) vielfach der zweiten voraus, ja sie war ursprünglich die allein übliche. Das lebendige Wort allein und nicht die Schrift gab anfangs bei den Griechen dem künstlerisch gestalteten Gedanken Ausdruck. Später trat die schriftliche Verbreitung in zweiter Linie hinzu und gewann nach und nach immer mehr Boden (s. in Abschn. II). Die Verfasser gaben Abschriften ihrer B. an solche, bei denen sie Interesse dafür voraussetzten, oder liessen andere davon Abschriften nehmen, welche dann zu weiteren Abschriften benutzt wurden (vgl. Lukian. adv. ind. 4 über Demosthenes, der die B. des Thukydides sich selbst achtmal abgeschrieben habe). Dies blieb bis zur Zeit der Alexandriner der Hauptweg der schriftlichen Verbreitung, obgleich schon vom letzten Drittel des 5. Jhdts. v. Chr. an nachweisbar ist, dass in Athen Handel mit B., auch nach auswärts, getrieben wurde (s. unter Buchhandel). Die Texte, welche nach Plat. Prot. 325 E die Lehrer ihren Schülern beim Unterricht [966] vorlegten, waren gewiss zum grossen Teil von ihnen selbst oder ihren Sclaven geschrieben. Noch im Anfang des 3. Jhdts. v. Chr. schickte nach Diog. Laert. VII 36 König Antigonos (Gonatas) dem Philosophen Zenon aus Kition nach Athen Sclaven zum Geschenk εἰς βιβλιογραφίαν, offenbar um ihm die Verbreitung seiner Lehre zu erleichtern. Grosse Büchersammlungen brachten daher damals die Griechen wohl nicht zusammen; vgl. Xen. mem. IV 2, 10, wo Sokrates es erstaunlich findet, dass Euthydemos alle Gesänge Homers besässe; über andere Privatbibliotheken s. o. S. 408f. Auch äusserlich liessen damals gewiss die B., da sie vorwiegend privatim verbreitet wurden, die Gleichmässigkeit der Form und Einrichtung vermissen, zu welcher die Rücksicht auf den buchhändlerischen Vertrieb und die Bedürfnisse grosser Bibliotheken hinführen. Die Beschaffenheit der συμμιγεῖς βίβλοι, wie wir sie uns denken müssen, lässt darauf schliessen (s. unter Ἀμιγεῖς βίβλοι).

In Alexandrien wurden die grossen von allen Seiten her gesammelten litterarischen Schätze (s. o. S. 409ff.), sowie die darauf gerichteten litterargeschichtlichen und bibliographischen Arbeiten von Männern wie Kallimachos materiell und formell die Grundlage und der Ausgangspunkt eines blühenden Buchhandels. Im engsten Anschluss an die neugeschaffenen Musterrollen der grossen Bibliothek wurden von Berufsschreibern und Buchhändlern, wie von Privatpersonen Abschriften mit gleichem Text und gleicher äusserer und innerer Ausstattung über die ganze bewohnte Erde verbreitet. Obschon im Laufe der Jahrhunderte der innere Wert und das Ansehen auch der von alexandrinischen Buchhändlern bezogenen Exemplare bedeutend sank (s. z. B. Strab. XIII 609. Cic. ad Quint. III 4, 5. 6, 6; vgl. auch Marquardt-Mau 830), so liess doch noch Kaiser Domitian nach dem Brande der bibliotheca Octaviae (80 n. Chr.) in Alexandrien B. abschreiben und verbessern (Suet. Domit. 20 ... missisque Alexandream, qui describerent [exemplaria] emendarentque). Hiebei handelte es sich freilich allein um Texte längstverstorbener Autoren. Ebenso waren aber gewiss die Rollen neuer Schriften beschaffen, soweit sie für den Buchhandel, für Bibliotheken und etwa auch für Geschenke an Respectspersonen bestimmt waren. Gewöhnliche Privatabschriften circulierten ausserdem zahlreich, da ohne Zweifel viele Schriftsteller erst spät die zur buchhändlerischen Herausgabe ihrer Werke nötigen Schritte thaten oder es auch ganz unterliessen. Hatte einmal ein Autor eine Schrift an andere oder auch nur an einen mitgeteilt oder ein Lehrer vor Schülern Commentare oder Abhandlungen vorgetragen, so lag die Möglichkeit und je nach dem Inhalt des Werkes die Wahrscheinlichkeit ihrer weiteren Verbreitung vor, auch ohne oder gegen den Willen des Autors (s. z. B. Cic. ad Att. III 12, 2. 15, 3. XIII 21, 4f. Ovid. trist. III 14, 1ff. 23f. Diod. XL frg. 21. Dig. II 13, 1, 1. 6, 7. Symm. epist. I 31 p. 17 Seeck cum semel a te profectum carmen est, ius omne posuisti; oratio publicata res libera est; vgl. Hieron. epist. 49). Selbst die Widmung und Übersendung eines B. an einen Freund oder Gönner ist zunächst nur ein privater Act, von der buchhändlerischen, dem Autor vielleicht [967] gar nicht erwünschten Veröffentlichung verschieden und auch nicht notwendig von dem Wunsche privater Verbreitung begleitet (Quint. inst. or. ep. ad Tryph. 1f. Rud. Peiper Auson. opusc. praef. Vff. Firm. Mat. mathes. VIII 33 [peroratio]. Graefenhain 47ff.). In der Regel lag letztere sowohl im Interesse des Autors, der möglichst bekannt werden wollte (s. z. B. Mart. II 1, 3ff. 12), wie in den Wünschen des mit der Widmung Bedachten, der die ihm erwiesene Ehre zugleich mit den Schriften des Autors bekannt machen wollte. Er veranlasste daher gewiss nicht selten auf seine Kosten die Verbreitung eines ihm gewidmeten B., natürlich durch berufsmässige librarii, bezw. auf dem Wege des Buchhandels (Mart. III 2, 1ff. Cuius vis fieri, libelle, munus? ... Faustini fugis in sinus! sapisti. Cedro nunc licet ambules perunctus u. s. w.; vgl. III 5. VII 97, 13 Uni mitteris, omnibus legeris. Cic. ad Att. XII 40, 1). Die Zustimmung des Autors durfte er meist voraussetzen. Die Herstellung der Geschenkexemplare erfolgte natürlich auf Kosten des Verfassers (Mart. II 1, 4ff., falsch erklärt von G. Ritter 14), der häufig dabei auf Gegengeschenke der Gönner rechnete (vgl. Stat. silv. IV 9. Mart. XI 108, 4). So erklärt sich vielleicht die viermalige Übersendung (Widmumg) eines λόγος an verschiedene Personen durch den Autor (Epist. gr. p. 632 Hercher).

Der Schritt in die Öffentlichkeit durch den Buchhandel (publicare, divulgare u. a.) bedurfte im Princip gewiss der Zustimmung des Autors, wenn er noch lebte (s. z. B. Cic. ad Att. XIII 21, 4. XIV 17, 6. XV 5, 5. Mart. I 3, 12). Erst hiebei gab dieser seiner Schrift in Bezug auf Auswahl und Anordnung des Stoffes sowie auf den Wortlaut seine endgültige Gestalt, selbst erst den Titel (Galen. XIX 9f.). Jede nicht autorisierte Ausgabe konnte von dem Autor durch Veranstaltung einer eigenen Ausgabe sofort antiquiert werden, was dem Buchhändler, wenn er noch Exemplare auf Lager hatte, directen Verlust brachte, s. Cic. ad Att. XIII 13, 1 in betreff der zweiten Ausgabe der Academica: tu illam iacturam feres aequo animo, quod illa, quae habes de Academicis, frustra scripta sunt (vgl. Quint. inst. or. III 6, 64 und s. Diod. V p. 186 Dind.). Auch änderte der Autor selbst nicht gern an der einmal für den Buchhandel gewählten Form (Polyb. XVI 20, 7 γνοὺς ἀδύνατον οὖσαν τὴν μετάθεσιν διὰ τὸ προεκδεδωκέναι τὰς συντάξεις, ἐλυπήθη μὲν ὡς ἔνι μάλιστα, ποιεῖν δ’ οὐδὲν εἶχε), da er Buchhändler und Käufer sonst gegen die Ausgaben seiner Schriften misstrauisch machte (anders urteilt Ed. Wölfflin S.-Ber. Akad. Münch. 1891, 490). Fraglich ist, ob etwa gegen den ersten Buchhändler, der ohne Zustimmung des Autors dessen Schriften öffentlich zum Kauf ausbot, von diesem mit einer iniuriarum actio vorgegangen werden konnte (vgl. K. Dziatzko Rh. Mus. XLIX 566 in anderm Zusammenhang nach Regelsberger). Aus Diod. I 5, 2 (τοὺς διασκευάζειν εἰωθότας τὰς βίβλους ἀποτρέψαι τοῦ λυμαίνεσθαι τὰς ἀλλοτρίας πραγματείας) ersehen wir freilich, dass gewisse Buchhändler oder Litteraten gewerbsmässig Schriften noch lebender Autoren sammelten und in willkürlicher Zusammenstellung herausgaben (vgl. C. Wachsmuth Rh. Mus. XLV 476f.). Natürlich [968] wurden auch nach der buchhändlerischen Veröffentlichung zahlreiche Abschriften eines Werkes privatim angefertigt, durch Unbemittelte, welche die Kosten des Kaufes scheuten, oder wenn Exemplare des Handels nicht zugänglich waren (s. z. B. Sulp. Sever. dial. I 23, 5). Solche waren äusserlich gewiss vielfach sorgloser geschrieben, unter Umständen auf der Rückseite maculierter Rollen und ohne Rücksicht auf Sinnesabschnitte (s. in Abschn. IV), wie z. B. die πολιτεία Ἀθηναίων. Selbst der Überschrift mit dem Autornamen entbehrten sie gewiss nicht selten, da dieser sich für den Besitzer aus der Erinnerung ergab (vgl. Galen. XIX 9f. Mart. XII 3, 17f.). Da sie natürlich häufig von ungeübten Schreibern hergestellt und nicht von berufener Hand corrigiert waren, so war auch ihr Text noch unzuverlässiger als im Durchnitt der des Buchhandels, jedenfalls sehr ungleichmässig. Galens ganzes B. περὶ τῶν ἰδίων βιβλίων ist sogar veranlasst durch den üblen Zustand, in den seine Schriften auf dem Wege privater Verbreitung gelangt waren; Ausnahmen waren natürlich nicht selten; vgl. z. B. Athen. XIV 620b. Front. ad M. Caes. I 7 g. E. Auch sonst gipfeln Klagen der Schriftsteller über nicht autorisierte Verbreitung ihrer Werke vor allem in dem Vorwurf der Fehlerhaftigkeit, da sie nicht von ihnen selbst zur Herausgabe vorbereitet worden seien (s. Diod. V p. 186 Dind. Ovid. trist. III 14, 19ff. Quint. inst. or. I pr. 7. III 6, 68. Galen. II 216K. Hieron. epist. 49).

Ob ein Autor seine Schriften bald nach ihrem Abschluss oder erst später, nachdem sie im engeren Kreise genügend bekannt geworden waren, oder auch gar nicht für den Buchhandel bestimmte, hing vor allem von seiner Individualität, aber auch von den Umständen und endlich von der Mode ab. In der älteren Zeit der römischen Litteratur wurde der Weg des Buchhandels von lebenden Autoren in der Regel wohl nicht gleich beschritten; anders zu Rom in der Kaiserzeit. Schriften, die nach ihrem Inhalt nur auf ein kleines Publicum rechnen konnten, kamen seltener und später in den Handel als schöngeistige, politische und überhaupt populäre Bücher. Cicero gab die meisten seiner Reden, sobald sie gehalten, und die andern Schriften, sobald sie abgeschlossen waren, dem Atticus zur Veröffentlichung (s. Haenny 28f.); ihm lag daran, sie und sich möglichst bekannt zu machen (ad Att. XIII 12, 2 Ligarianam praeclare vendidisti: posthac quicquid scripsero, tibi praeconium deferam); bei reicher Ausstattung (ob auch sonst?) trug er jedenfalls zu den Kosten bei (ad Att. XIII 25, 3 quoniam impensam fecimus in macrocolla). Seine Briefe wollte Cicero sammeln und herausgeben lassen (ad Att. XVI 5, 5; fam. XVI 17, 1), doch kam es erst nach seinem Tode dazu durch Tiro mit einzelnen Sammlungen der epist. ad famil., während die ad Att. noch viel später zur Herausgabe gelangten und vorher nur im Original eingesehen werden konnten (Nep. Att. 16) oder aus Excerpten bekannt wurden (Quint. VI 3, 109); vgl. Fr. Leo Ind. lect. Gotting. 1892, 3ff. In der Kaiserzeit führten Ruhmsucht und zum Teil die bedrängte Lage der Autoren (s. z. B. Mart. III 38, 7ff. X 74, 7ff. XI 108, 2f. sed Lupus usuram puerique diaria poscunt: Lector, solve u. s. w.), sowie [969] auf der andern Seite nicht selten das Drängen der Verleger (Quint. inst. or. epist. ad Tryph. Mart. I 8, 3f.) weit häufiger und schneller zur Wahl jenes Weges. Doch finden sich auch Beispiele vom Gegenteil: z. B. Auson. epigr. 34 (Peip. 1), 10. 12. 13f.

Hatte ein Autor nicht selbst Schritte gethan, seine B. buchhändlerisch zu verbreiten, so kam es darauf an, ob nach seinem Tode sich ein Freund, Verehrer oder Buchhändler fand, der jene aus Privatbesitz sammelte, ordnete, redigierte und herausgab; sonst war ihre Erhaltung ganz dem Zufall überlassen. Die B. ad C. Herennium sind, wie Fr. Marx (Proleg. d. Ausg. 1ff.) überzeugend darlegt, erst im 4. Jhdt. n. Chr. (aus dem Widmungsexemplar) an die Öffentlichkeit gelangt. Aber auch von Autoren, die bereits durch den Buchhandel bekannt waren, wurde, wenn ihre Zugkraft anhielt, in gleicher Weise nach ihrem Tode mit Hinzunahme unedierter Schriften eine Gesamtausgabe veranstaltet, wobei diese ihre definitive, sachliche, chronologische oder alphabetische Anordnung erhielten, welche in den meisten Fällen die Grundlage der uns überlieferten Reihenfolge geblieben ist. Es geschah dies durch berufsmässige Gelehrte (grammatici) oder Buchhändler, und wenn im Laufe der Zeiten der Text wieder in Unordnung geraten war, was bei der hsl. Überlieferung unausbleiblich geschah, so wurde bei anhaltender Nachfrage eine neue Recension hergestellt, wobei gewiss die Orthographie vielfach modernisiert, Schäden des Textes oft gewaltsam beseitigt und unter Umständen auch der Inhalt dem Geschmack der Zeitgenossen angepasst wurde. Originalexemplare einer alten Recension waren sehr selten, und man zahlte zuweilen viel Geld für ihre Benutzung (Gell. XVIII 5, 11). Alte Hss. richtig zu lesen und zu copieren, war natürlich der Schrift, besonders aber des Inhaltes, der Wortformen u. s. w. wegen schwierig (s. z. B. Galen. XVIII 2, 630; vgl. Cobet Mnem. VIII [1859] 434ff.). Es gab daher eine besondere Klasse von Leuten, die dies übten und betrieben, die antiquarii, griech. ἀρχαιολόγοι (s. Isid. orig. VI 14, 1. Ed. Diocl. in CIL III p. 831 [7 Z. 69]. Cod. Theod. XIV 9, 2 in einem Edict des Kaisers Valens v. J. 372: antiquarios ad bibliothecae codices componendos vel pro vetustate reparandos quattuor graecos et tres latinos scribendi peritos legi iubemus).

Zahlreich liefen Exemplare der ersten privaten Verbreitung und des Buchhandels nebeneinander her, erstere natürlich durch die letzteren entwertet. Die gelehrte Forschung durfte, wenn auch oft der Unterschied der beiderseitigen Texte nicht gross war, nur die Buchhändlerexemplare benutzen, in denen man mit Grund die definitive Form voraussetzte, welche ein Schriftsteller seinem Werke geben wollte; nach ihnen wurde vor allem citiert, wie heutzutage nach der letzten Ausgabe eines Werkes, und das ist der Grund, weshalb von jenen älteren Exemplaren der Schriften nur wenige Spuren auf uns gelangt sind. Manches, was jetzt als Rest sog. doppelter Recension erscheint, ist vielleicht in dieser Weise zu erklären.

Die Verbindungen der Buchhändler zur Verbreitung von B. nach auswärts reichten in der Kaiserzeit weit. Schon bei Cic. pr. Sull. 42f. heisst es: non occultavi, non continui domi (den [970] Inhalt gewisser tabulae), sed statim describi ab omnibus librariis, dividi passim et pervulgari atque edi populo romano imperavi. Divisi tota Italia, emisi in omnes provincias; eius indicii ... expertem esse neminem volui. Autoren durften hoffen oder mussten fürchten, ihre Schriften aus Rom in die fernsten Orte des Ostens, Westens und Nordens ausgeführt zu sehen (s. Buchhandel). Über die Zahl der Exemplare, in denen B. verbreitet wurden, wissen wir wenig. M. Regulus liess nach Plin. ep. IV 7, 2 die Lobrede auf seinen früh verstorbenen Sohn in 1000 Exemplaren abschreiben und in ganz Italien, sowie den Provinzen versenden (vermutlich als Geschenk). Der Kaiser Tacitus liess nach Hist. Aug. Tac. 10, 3 die Werke des gleichnamigen Historikers jährlich zehnmal von Staatswegen abschreiben, wahrscheinlich zur Einreihung in Archive und Bibliotheken. Von der officiellen Verbreitung des Codex Iustin. handelt dieser Kaiser in der Confirmationsepistel an Menna vom J. 529 (§ 5): ... ipso etiam textu codicis in singulas provincias nostro subiectas imperio ... mittendo.

Über die Preise der B. s. u. Buchhandel.
IX. Aufbewahrung.

Dass die einzelne Rolle, wenn sie nicht benutzt wurde, zu ihrem Schutz häufig oder in der Regel eine Hülle erhielt, die gewöhnlich wohl nur aus einem Stück Charta bestand, bei reicher Ausstattung aber aus einem Lederfutteral (paenula), ist oben S. 957 dargelegt. Hinsichtlich ihrer weiteren Aufbewahrung ist zu unterscheiden zwischen beweglichen Behältern (τεῦχος, κιβώτιον, κίστη, cista, capsa, scrinium), in die man inhaltlich zusammengehörige Rollen (nur diese nach Mart. I 2, 4) stellte, um sie ausserhalb des Raumes der Rollensammlung an beliebigem Platze zu benutzen (s. z. B. Mart. XIV 37; die scrinia salariorum bei Mart. IV 86, 9 sind etwas anderes). Vgl. Plin. epist. IV 6, 2. V 5, 5. VII 27, 14. Von geschmeidigem Buchenholz waren sie meist hergestellt (s. Plin. n. h. XVI 229 facilis et fagus ... in tenui flexilis capsisque ac scriniis sola utilis). Die darin vereinigten Rollen bildeten ein σύνταγμα, corpus u. s. w. Manche irrige Zuweisung einer Schrift an einen falschen Autor mag in ihrer Zusammenstellung mit inhaltlich verwandten Schriften in der gleichen capsa ihren Grund haben. Gewöhnlich sind sie rund; eine cista triangularis ist CIL VI 29814 erwähnt (vgl. nr. 29810. 29815). Antike Statuen und Bilder von Schriftstellern und Beamten haben solche Bücher- oder Actenkapseln zuweilen neben sich stehen (s. z. B. Suet. gr. 9. Welcker Alte Denkm. I Taf. V [zum Teil ergänzt]. Marquardt-Mau 678). Zwei sind von Th. Mommsen Ztschr. d. Sav. Stift, f. Rechtsgesch. XII R. Abt. 146ff. abgebildet und besprochen. Es sind mit Deckel versehene Kästen, in denen die Rollen nebeneinander stehen. Der eine Kasten ist – wegen der Grösse der Statue, zu welcher er gehört, – 1 m. hoch, mit einem Durchmesser von 40 cm.; die Rollen haben einen Durchmesser von ca. 5 cm. Auf dem Deckel sind einige Rollen mit 2 Schnüren angebunden, ein Tragband ist auf beiden Seiten des Kastens befestigt und der Kasten ist zu verschliessen. Von einem Schriftkasten der vierten makedonischen Legion sind noch Reste des Beschlages vorhanden [971] (s. Th. Mommsen Corr.-Bl. d. westdtsch. Ztschr. 1888, 56ff.). Vermutlich waren solche Kästen zur Mitnahme auf Reisen bestimmt, sowie vor allem zur Aufbewahrung von Archivalien; vgl. Poll. X 61 κιβώτια γραμματοφόρα unter den σκεύη δικαστικά; Iustin. de conf. Dig. 9 erwähnt das Amt eines magister scrinii libellorum. Diese Schriftkasten mögen auch das Schreibgerät enthalten haben (vgl. Aristoph. Vesp. 529. Prop. IV 6, 14). Sonst wurden zusammengehörige Rollen auch einfach zusammengeschnürt in Bündel (fasces bei Liv. XL 29, 6, fasciculus bei Nep. v. Att. 16; daher vielleicht der Ausdruck δέσμαι bei Dion. Hal. de Isocr. 18); vgl. Marquardt-Mau 677f. Anderes s. bei Th. Mommsen Ztschr. a. O. und V. Schultze 149ff., wo auch die Darstellungen von Codices auf christlichen Denkmälern zusammengestellt sind. Nach Dom. Comparetti e G. de Petra La villa Ercol. d. Pis. (Turin. 1883) 293 waren achtzehn der dort gefundenen Rollen (latein.) in ein Bündel vereinigt und in ein Kästchen geschlossen.

Innerhalb der Büchersammlungen und grösseren Buchläden kann man sich schon der guten Ordnung wegen nicht oder doch nicht lange mit lose zusammengestellten cistae begnügt haben. Die Griechen fingen damit an, besondere Gestelle (πήγματα) zu construieren, in denen die Rollen, mit Etiketten an der Spitze, untergebracht waren. Cicero lernte sie durch die von Atticus ihm zur Einrichtung seiner Bibliothek geschickten griechischen Sclaven kennen (Cic. ad Att. IV 8a). Die Gestelle führen lateinisch den Namen armaria (auch foruli, loculi, nidi u. s. w.; griechisch σκεῦος); vgl. Mart. I 117, 15. VII 17, 5. Sie werden in Dig. XXXII 52, 3 ausdrücklich von den scrinia unterschieden; Sidon. epist. II 9 erwähnt armaria extructa bibliopolarum. Ob in ihnen die Rollen standen oder gleich Acten auf Brettern lagen (s. o. S. 422), ist unentschieden (vgl. auch V. Schultze 150). Der Name nidus (Mart. I 117, 15. VII 17, 5) lässt auf schmal begrenzte Behälter schliessen. Jedenfalls steht fest, dass von den Rollen allein der obere Rand (frons) sichtbar war.

Vgl. überhaupt auch Bibliotheken und Buchhandel.
[Dziatzko.]
Anmerkungen (Wikisource)

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