ART

4) Arra ist eine Daraufgabe zu einem Vertragsschlusse und zwar entweder zu einem bereits vollendeten oder zu einem zukünftigen (super facienda emptione, Cod. IV 21, 17, 2). Bei abgeschlossenen Geschäften ist sie ein Bestärkungsmittel (sog. a. confirmatoria), doch wird auch eine Gabe zu einem Vertragsschlusse, die als Reugeld oder Rücktrittspreis dienen soll, heutzutage a. genannt (sog. a. poenitentialis). Dies entspricht jedoch, wie Bechmann (Der Kauf nach gemeinem Recht II 418) mit Recht hervorhebt, nicht der Redeweise der Quellen, deren Rechtsregeln über a. daher auf dieses Nebengeschäft nicht bezogen werden können. Allerdings ist es ebenso wie die a. ein Beweismittel für den geschehenen Vertragsabschluss (argumentum emtionis et venditionis Gaius III 139. Instit. III 23 pr. Dig. XVIII 1, 35 pr. XVIII 3, 6 pr. 8), und die Befürchtung des Gebers, etwas zweckloser Weise fortgegeben zu haben, ist bei dem [1220] Reugelde wie bei der wirklichen a. eine Sicherung des Vertragsinhaltes. Die Daraufgabe zu einem zukünftigen Vertragsschlusse (a. pacto imperfecto data) erweist sich übrigens bei genauerer Betrachtung nur als eine Art der a. confirmatoria; denn auch sie sichert ein gegenwärtiges Versprechen, nämlich die Zusage, den zukünftigen Vertrag später herzustellen: A. M. Unterholzner Schuldverhältnisse I 66 und noch entschiedener Bechmann a. a. O. II 419ff., der diese a. für ein Geschäft von einer ganz besondern Art hält, wogegen zu bemerken ist: Lege non distinguente nostrum non est distinguere. Bei der a. kann entweder eine spätere Rückgabe verabredet sein oder eine Anrechnung auf die Hauptschuld, und zwar ist das letztere auf zwei Arten möglich. Ist die a. der Hauptschuld nicht gleichartig (z. B. wenn ein Kutscher ein Geldstück giebt zur Sicherung eines von ihm versprochenen pünktlichen Eintreffens, Unterholzner Schuldverh. I 65), so kann die a. dazu bestimmt sein, auf einen etwaigen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Zusage angerechnet zu werden. Ist sie aber der Hauptleistung gleichartig oder soll sie ihr als Zugabe beigegeben werden (Unterholzner a. a. O. I 66), so dass in Wahrheit die versprochene Gesamtleistung die a. als einen Teil mitumfasst, dann kann sie als Teilzahlung (Angeld) dienen. Es ist nun allerdings streitig, ob eine Teilzahlung zugleich a. sein kann (dag. Lauterbach Dissert. academ. Tubingae 1728 p. 308), und noch mehr, ob wir berechtigt sind, jede teilweise geschehene Schuldleistung ohne weiteres als a. anzusehen (dagegen namentlich Glück Pandecten-Commentar XVI 290 und Burckhard Archiv. f. civ. Pr. LI 313, dem Bechmann a. a. O. II 419 zustimmt). Allein es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die a. auch als Teilleistung vorkommt, arg. Dig. XVIII 3, 4 § 1. 8. Isid. orig. V 25 (pro parte datur et postea completur), vgl. auch die bei Muther Sequestration und Arrest 373 angeführten Stellen aus den sermones S. Augustini und Suidas s. ἀῤῥαβών. Die von Lauterbach und Burckhard a. a.O. angeführte Stelle Cod. IV 45, 2 § 1. 2 sagt keineswegs, dass eine Anzahlung keine a. ist, auch nicht einmal, dass sie nicht im Zweifel als solche gelten soll, sondern nur, dass dann, wenn sie es ist, ihre Hingabe die Auflösung eines Vertrages durch beiderseitige Übereinkunft unmöglich macht.

Neben dieser a., die vom Empfänger auf etwa entstehende Schadenersatzansprüche oder auf einen Teil der Hauptschuld angerechnet werden soll, steht eine solche, die zur Rückgabe für den Fall der Erfüllung der Hauptschuld bestimmt ist. Diese später zurückzugebende a. vom Pfande zu unterscheiden, ist schwer, weil das gegenseitige Verhältnis der Ausdrücke pignus und a. oder, wie die ursprüngliche Form des Wortes (Gell. XVII 2, 21) lautete, arrabo Zweifel erweckt. In Betracht kommen Varro de l. l. V 175 arrabo sic data, ut reliquum reddatur. Es ist hier wohl an die Sicherung eines Schuldrückstandes durch a. gedacht (reliquum quod ex eo quod debitum reliquum). Anders fasst Muther a. a. O. 373 diese Stelle auf, vgl. für die hier vertretene Auffassung auch Dig. XVIII 3, 8. Plautus nennt [1221] den Ring arrabo amoris, Mil. glor. 947ff. 904ff. 1039ff. In der Mostellaria 632, ebenso 994, werden quadraginta minae arraboni hingegeben, von denen es 961 heisst: quae essent pignori; vgl. 992; Trucul. 677ff. Terent. Heautont. 601ff. 794f. (oppignerare) und hierzu Bekker Zeitschrift der Savigny-Stiftung XIII 77. 78, der den arrabo dieser Stelle dem Pfandrechte zuzählt, vgl. auch Gell. XVII 2, 21: arrabonem dixit sescentos obsides, et id maluit, quam pignus dicere, quoniam vis huius vocabuli in ea sententia gravior acriorque est. Auf Pfandleihgeschäfte deutet sicherlich hin Apuleius metam. I 21: fenus copiosum sub arrabone auri et argenti exercens. 22 praeter aurum argentumque nullum pignus admittere. Allerdings behauptet Bechmann (Der Kauf nach gem. R. I 525), dass die a. bei Plautus nichts als eine Anzahlung ist, indem er namentlich (525, 1) annimmt, dass im Trucul. 678 der Kuss als eine Abschlagszahlung für den Beischlaf aufgefasst wird. Nach den oben angeführten Stellen werden wir jedoch daran festhalten müssen, dass dieses Wort vielfach auch bei Plautus so viel wie pignus bedeutete und dass daher die ältere Redeweise sowie auch die Sprache der späteren Nichtjuristen zwischen a. und pignus noch nicht unterschied. Jede Hingabe zur Sicherung einer Schuld hiess hiernach ursprünglich zugleich a. und pignus. Zu a. und arrabo bei den Komikern vergl. auch noch Plaut. Rudens 46. 555. 861; Poen. 1280ff. 1359. Ter. Eun. 541. Eine Unterscheidung zwischen pignus und a. wurde erst dann nötig, als sich für die Pfänder besondere Rechtsregeln entwickelten, welche der a. fremd blieben, nämlich die Gewährung eines allseitig wirksamen Klagerechtes auf den Sachbesitz und der Befugnis zum Pfandverkaufe durch die Pfandgläubiger. In der That finden wir im Pandektenrechte einen Unterschied in der Behandlung zwischen a. und pignus, da die Klagen aus dem Pfandvertrage bei der blossen a. nicht gewährt werden. Dig. XIX 1, 11, 6. Cod. IV 45, 2, 1. Auch die dingliche Kraft des Verpfändungsvertrages wird der vertragsmässigen Bestellung einer a. ausdrücklich abgesprochen, Cod. IV 49, 3 ex arrali pacto personalis dumtaxat paciscentibus actio praeparatur (eine Stelle, welche Bechmann a. a. O. II 449 lediglich auf die a. pacto imperfecto data bezogen wissen will, vgl. auch Keller Pand. § 224 A. 2 und Jagemann Die Daraufgabe 1873, 4. 46ff.). Eine dingliche Klage des Empfängers und ein Verkaufsrecht mussten der Daraufgabe unter allen Umständen da fern bleiben, wo sie eine Teilzahlung darstellte, so dass sie insoweit schlechterdings nicht unter das Recht des pignus fallen konnte. Aber auch da, wo die a. den Empfänger nicht durch ihren allgemeinen Verkaufswert sicherstellen soll, sondern lediglich durch ihren besondern Wert für den Geber (Bechmann a. a. O. II 417 erwähnt als Beispiel Legitimationspapiere), ist die Anwendung der Pfandrechtsgrundsätze auf die a. unpassend. Hieraus ist daher wohl zu erklären, dass der Ring als Daraufgabe nicht blos bei Verlobungen verwendet wurde, sondern auch bei dem Verkaufe von Öl und Wein (Dig. XIV 3, 5, 15. XIX 1, 11, 6) und unter dem Namen der a. als unveräusserliches Pfand diente. Die Aufnahme [1222] dieser Stellen in Iustinians Sammlung berechtigt uns wohl dazu, uns der Meinung Bechmanns anzuschliessen (a. a. O. II 417), der in der Unveräusserlichkeit ein Unterscheidungsmerkmal zwischen a. und pignus sieht. Ursprünglich muss die Abrede der Unveräusserlichkeit und damit die Entscheidung, ob eine Gabe pignus oder a. sein sollte, dem Parteibelieben offen gestanden haben. Wir können jedoch das Gleiche nicht mehr für das neueste Recht annehmen im Hinblicke auf eine Vorschrift Constantins (Cod. Theod. III 2, 1. Cod. Iust. VIII 34, 3), deren Zusammenhang mit dem Rechte der a. vornehmlich von Lauterbach (a. a. O. nr. LXXVI p. 329) hervorgehoben worden ist. Constantin verbot die Verfallclausel (lex commissoria) bei Pfändern, d. h. die Abrede, dass das Pfand bei Nichterfüllung einer Schuld dem Gläubiger als Eigentum zufallen soll. Diese Vorschrift würde leicht zu umgehen sein, wenn man der Clausel ohne weiteres dadurch zur Gültigkeit verhelfen könnte, dass man ihren Gegenstand durch Ausschliessung des Pfandverkaufes zur a. macht. Seit Constantins Vorschrift war daher eine a. nur noch da möglich, wo sie nicht zur Umgehung dieses Gesetzes geeignet war, also entweder als Angeld oder an Sachen, die nach ihrer Beschaffenheit den Empfänger nicht durch ihren Verkaufswert sicherstellen sollen, sondern nur durch ihre besondere Bedeutung für den Geber (Dig. XIV 3, 5, 15. XIX 1, 11, 6) oder auch durch ihre Fähigkeit, als Recognitionsmittel zu dienen, d. h. ein Mittel, die Persönlichkeit des Gebers festzustellen, vgl. Genes. 38, 17. 18. Insoweit ist also eine lex commissoria auch bei Gaben, die zur Sicherung des Gläubigers geschehen, noch im neuesten römischen Rechte möglich. Ja es ist sogar zweifelhaft, ob nicht nach diesem Rechte bei einer jeden a. die lex commissoria als selbstverständlich galt, d. h. jede a. bei Vertragsbruch des Gebers dem Empfänger verfiel. Für die a. pacto imperfecto data ist dies ausser Zweifel (Cod. IV 21, 17), die meisten wollen es aber nur bei ihr anerkennen (z. B. Puchta Pandekten 254. Holzschuher Theorie und Casuistik III 242. Bruns Syr. röm. Rechtsbuch 221 u. a.) sowie für den andern Fall, dass dem durch a. verstärkten Geschäfte selbst eine Verfallclausel (lex commissoria) eingefügt ist, nach der es bei Nichterfüllung unverbindlich sein soll (Dig. XVIII 3, 4 § 1. 6. 8, vgl. Glück Pandecten-Commentar XVI 289–292. Burckhard Archiv f. civ. Prax. LI 312ff. Bruns a. a. O. 217). Man wird jedoch nach Inst. III 23 und Theophilus paraphr. z. d. St. annehmen müssen, dass das römische Recht jenen Satz für alle Fälle der a. gelten liess und den Empfänger der a. wegen Vertragsbruch auf das Doppelte der a. haftbar machte (vgl. v. Savigny Obligationenrecht II 217. Kronecker Quaestiones quaedam de natura arrhae, Diss. Berol. 1874, 37. 38. Dernburg Pand. II 12, 5).

Die Absonderung des verkäuflichen Pfandes von der unverkäuflichen a. hatte bei einer besonderen Abart keinen Sinn, bei der der Verkauf des Empfangenen niemals dem Gläubiger eine Befriedigung verschaffen konnte, nämlich bei der a. sponsalicia, d. i. der Daraufgabe zu einem Verlöbnisse. Hieraus erklärt sich, dass bei dieser [1223] a. kein Anlass vorlag, von dem ursprünglichen römischen Sprachgebrauche abzugehen, daher denn bei ihr a. und pignus auch in späterer Zeit nicht unterschieden wurden, Cod. Theod. III 5, 11. III 6, 1. Cod. Iust. V 2, 1. Muther a. a. O. 375. Über das Verhältnis dieser a. sponsalicia zu den Brautgeschenken und ihre Behandlung bei Fortfall des Verlöbnisses s. Sponsalia. Die Verschmelzung der Begriffe a. und pignus im Verlöbnisrechte und im älteren Vermögensrechte wird durch die Wurzel des Wortes arrabo bestätigt. Diese ist nicht arab = Handelsbetrieb, sondern sie deutet auf eine Sicherung oder Gewährleistung hin. Dies bezeugt auf Anfrage für das Hebräische W. Graf Baudissin (vgl. auch Lauterbach a. a. O. nr. LX p. 321), für das Syrische P. Jensen und für das Phoinikische R. Pietschmann, welcher hierzu anführt: S. Fraenkel Aramäische Fremdwörter im Arabischen 190. P. de Lagarde Übersicht über die Bildung der Nomina 188 Anm. u. S. 203. Revue archéologique Sér. 3. XI 5. G. Hoffmann Über einige phoinikische Inschriften 3–4.

Litteratur: Lauterbach Dissertationes academicae Tubingae; disputatio XI de arrha p. 286ff. Schrader Commentar zu den Institutionen, Berlin 1832, 533. 534. Muther Sequestration und Arrest im römischen Recht, Leipzig 1856, 369ff. J. Hesdörffer Dissertatio de arrha, Hannover 1856. Hofmann Beiträge zur Geschichte des griechischen und römischen Rechts. Wien 1870, 104ff. E. Kronecker Quaestiones quaedam de natura arrhae in iure Romano, diss. Berol. 1874 (woselbst p. 2 nähere Angaben über die ältere Litteratur zu finden sind). Unterholzner Quellenmässige Zusammenstellung der Lehre d. röm. R. v. d. Schuldverh., Leipzig 1840, I § 31 N. IV S. 65ff. Glück Pandecten-Commentar XVI 91–97. 289–294. v. Savigny Das Obligationenrecht II (1853) 267–271. v. Jagemann Die Daraufgabe (arrha). Vergleichende Rechtsstudie, Berlin 1873. Burckhard Archiv f. civ. Praxis LI 312ff. Sohm Das Recht der Eheschliessung aus dem deutschen und canonischen Recht geschichtlich entwickelt, Weimar 1875, 28ff. Bechmann Der Kauf nach gemeinem Recht I, Erlangen 1876, 520ff. II, Erlangen 1884, 415ff. Bruns in Bruns und Sachau Syrisch römisches Rechtsbuch aus dem fünften Jahrhundert, Leipzig 1880, 13. 17. 51. 52. 84. 87. 108. 123. 139. 203–206. 216ff., woselbst die versuchte Lösung des Widerspruches unter den Hss. des syrischen Rechtsbuches nicht recht befriedigt. Mitteis Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen des römischen Kaiserreichs, Lpz. 1891, 10. 11. 267ff. 305. Böcking Pandekten I² 388 § 110. Holzschuher Theorie und Casuistik des gem. Civilrechtes III § 242. Sintenis Das prakt. gemeine Civilrecht II³ § 99 N. II S. 313–316. Windscheid Pandekten II 325. Dernburg Pandekten II 12, vgl. auch wider die Annahme einer a. bei Demosth. XXXVII 42. Matthiass in den Festgaben der Rostocker Juristenfacultät für Jhering, Stuttgart 1892, 25.
[Leonhard.]

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