ART

24) P. Aelius Aristides mit dem ihm vom Gott Asklepios (or. XXVI p. 518. 522 Dindf.) gegebenen Beinamen Theodoros (der ganze Name nur auf der Inschrift von Alexandreia CIG 4679; er selbst nennt sich Αἴλιος Ἀριστείδης or. XXVII 540. XLI 762), Sohn des Zeuspriesters Eudaimon (Philostr. Vit. soph. p. 86, 22 Kayser), dessen Namen er selbst auch noch als Beinamen geführt (Suid. s. v.) und dessen Amt er (XXIII 455. XXVII 545) bekleidet zu haben scheint, Rhetor aus Adrianoi in Mysien (Eltern und Elternhaus erwähnt er XXIV 475. XXV 490. 491. 492. 499. XXVI 517; er war hier noch später angesehen und begütert XXVI 523), ist geboren im März oder April 129 n. Chr., machte grammatische Studien bei Alexandros von Kotyaeion (or. XII. XIII 451), rhetorische in Pergamon bei Aristokles (Philostr. Vit. soph. p. 86, 25) und in Athen (or. XXVII 550. Schol. p. 306, 6 Dindf.) bei Herodes Atticus (Philostr. a. O. p. 86, 24). Den [887] Polemon, welchen nur Suidas (s. Ἀριστείδης u. Γρηγόριος Ναζιανζοῦ) und Auct. Proleg. (in Dindorfs Aristides T. III p. 737, 18) als seinen Lehrer nennen, kann er aus chronologischen und inneren Gründen nicht gehört haben; möglicherweise (Proleg. p. 737, 24; vgl. or. XLVI 408. 413) hat er in Athen auch etwas Philosophie getrieben. Etwa zwischen 149 und 154 hat er sich in Ägypten aufgehalten (XXVI 508) und das Land viermal (XLVIII 437) bis zur aithiopischen Grenze (ebd. 450. 456. 457) bereist, vermessen und durchforscht (ebd. 437), sogar einen Versuch, vom Nil aus in das äussere Meer zu gelangen, ins Auge gefasst (ebd. 474). Die Ergebnisse seiner Forschungen legte er in Tagebüchern nieder, welche aber, als er or. XLVIII schrieb, verloren waren (ebd. 484). In Ägypten traf ihn die Nachricht von dem Erdbeben auf Rhodos (XLIV 824), welche Insel er schon vorher (XLIV 841. 842) besucht hatte (er besass daselbst ein Landgut: XLIII 818. 824); infolge dieses Ereignisses schickte er or. XLIII an die Rhodier (XLIV 824). Während des Aufenthalts in Ägypten scheint er den damaligen Praefectus Aegypti Heliodoros, welcher noch nicht im J. 135 (Ägypt. Urk. aus den K. Museen zu Berlin nr. 19. 114, 14), aber im J. 140 (CIG 4955) und noch 143 (Ägypt. Urk. nr. 113, 1. 7f.) und länger (s. auch CIL III 6025) dieses Amt bekleidete, kennen gelernt zu haben (XXVI 524) und hat sich als Redner so sehr hervorgethan, dass ihm die Alexandriner und andere unterägyptische Griechengemeinden Standbilder in Alexandreia (CIG 4679 – dieses übrigens, dem Beinamen Θεόδωρος nach, erst während oder nach A.s Krankheit) und in Smyrna (Philostr. Vit. soph. p. 87, 8) errichteten. Während seiner Abwesenheit kaufte ihm seine Familie das Landgut Laneion in Mysien (XXVI 532). Auch in Kos und Knidos ist er (LI 580), ungewiss ob vor oder nach der Krankheit (in Kos jedenfalls vor 177: V 60), gewesen. Nach Philostratos (Vit. soph. 87, 3) hätte er nicht viele Reisen gemacht, und seine letzte grössere war wohl die nach Rom, welche er Ende December 155 antrat. Schon krank reiste er über Hellespont, Thrakien und Makedonien 100 Tage lang (XXIV 466. 481ff.); nach seiner Ankunft in Rom hatte er eine schwere Operation durchzumachen (ebd. 482) und war sehr schwach, in Rom blieb er mindestens bis zu den ludi Apollinares 13. Juli 156 (XXVI 511). Den Rückweg machte er zur See unter vielen Gefahren (XXIV 482f.) und kam etwa ein Jahr nach seiner Abreise, Ende December 156 in Smyrna an. Damit beginnt das zweite Jahr der aus einer Erkältung entstandenen, 17 Jahre (XXIV 469f. 474f.) dauernden Krankheit des A., während welcher er sich ärztlicher Behandlung entzogen (XXIII 459. 461. 462. XXIV 470. 484. XXV 490. XLIX 534) und sich lediglich den durch Traumerscheinungen vermittelten Anweisungen des Asklepios überlassen hat (XXIII 446). Während des ersten Jahrs der Krankheit befand sich A. nach seiner Rückkehr aus Italien in Smyrna und enthielt sich jeder litterarischen Beschäftigung (XXVI 505. 507); im folgenden Jahr siedelte er in das Asklepiosheiligtum nach Pergamon über, wo der Gott besonders durch Kaltwasserkur auf ihn wirkte; im zehnten Jahr der Krankheit trat in seinem Befinden [888] eine sechs Monate anhaltende Besserung ein (XXVI 504. 545), auf welche mit Anfang des J. 166 eine neue Erkrankung (des Unterleibs) folgte; im J. 168 ergriff auch ihn die damals herrschende Pest, nach deren glücklicher Überstehung er noch bis Ende 172 kränkelte. Die Krankheit, welche die Alten teils (Proleg. p. 738, 2 Dindf.) für Epilepsie, teils (Philostr. Vit. soph. p. 86, 28 nach Aristid. XXIV 482) für φρίκη νευρῶν erklären, scheint keine einheitliche, sondern eine Kette verschiedenartiger Krankheitserscheinungen (s. bes. XXIII 460ff.) zu sein. Ihre Geschichte liegt in grosser Verwirrung vor in den sechs ἱεροὶ λόγοι (XXIII–XXVIIΙ), welche in der uns überlieferten Ordnung geschrieben sind, zuerst (ca. 170–171) or. XXIII, ein Tagebuch über eine Erkrankung der ersten zwei Monate des J. 166 nebst einigen allgemeinen Notizen; erst 175 (XXIV 467) begann A. mit der Darstellung der ersten zehnjährigen Krankheitsperiode, welche die Reden XXIV–XXVII füllt; über der Fortsetzung in das zwölfte Krankheitsjahr hinein (or. XXVIII) scheint er gestorben zu sein (gegen die Vermutung von Frommel Schol. Aristid. p. 159 Anm. s. Schol. Ptol. Harm. III 14 bei Fabricius Bibl. Gr. IV 383). Seinen Einfluss beim Kaiserhaus, welchem ihn während seiner Anwesenheit in Rom schon sein Lehrer Alexandros (XII 148. XXIII 451) empfohlen und dessen Gunst er durch Verleihung von Abgaben- und Ämterfreiheit (XXVI 524) erfahren hatte, machte er besonders wohlthätig geltend bei Marcus und Commodus, welche er bei ihrer Anwesenheit in Smyrna, Frühjahr 176, kennen gelernt hatte, indem er nach der Zerstörung von Smyrna durch Erdbeben (ca. 178) or. XLI mit der Bitte um Wiederaufrichtung der Stadt an die Kaiser schickte und seinen Zweck völlig erreichte (or. XXI. XXII. Philostr. Vit. soph. 87, 12ff.). In der Zeit nach Ende seiner Krankheit hat er die langen Reden ausgearbeitet, auf welche sich hauptsächlich sein Ruhm gründet (Synes. Dio p. 18 R. Bekk. Anecd. p. 1082) und welche das ganze byzantinische Mittelalter hindurch in den Schulen gelesen worden sind: den nur von Joh. Sicel. (bei Walz Rh. Gr. VI 463) getadelten Panathenaicus (XIII), eine Art von Handbuch der griechischen Geschichte für die Schule (Proleg. p. 739, 20ff. Dindf. Sopatros bei Walz Rh. Gr. VIII 188) und die platonischen Reden (XLV–XLVII), das Grundwerk rhetorischer Apologetik gegen die Angriffe der Philosophie, welche seine Wirkung auf die athenische Platonikerschule nicht verfehlt hat (Porphyrios schrieb sieben Bücher gegen A., Suid. s. Πορφύριος, und Olympiodoros Vit. Plat. 4. 5 polemisiert gegen ihn: s. E. Maass Philol. Unters. III 68. 82 u. Schol. Aristid. p. 437, 13. 751, 29ff. Dindf.; gegen philosophische Anfechtungen wiederum sind die Proleg. p. 746. 2ff. Dindf. gerichtet). A.s Todesjahr, dessen Schwanken bei Philostratos (Vit. soph. 89, 29ff.) wohl aus der Unsicherheit über das Geburtsjahr herzuleiten ist (Letronne Recueil des inscr. de l’Égypte I 135), ist etwa 189. Was wir ausser A.s Reden von Quellen seiner Lebensgeschichte haben (Philostr. Vit. soph. II 9, sehr unzuverlässige Prolegomena, als deren Verfasser Jebb nach Lambecius und Nessel ohne Grund den Sopatros bezeichnet hat, und ein Suidasartikel), [889] ist bei Dindorf III 737–765 zusammengestellt, ein Teil auch in Westermanns Βιογράφοι p. 322–327. Die erste Verarbeitung der Daten zu einer Biographie von Joh. Masson (Collectanea historica ad Aristidis vitam im ersten Band der Aristidesausg. des Arztes S. Jebb 1722, abgedruckt am Schluss des Dindorfschen Bd. III), an deren Ergebnisse sich Clinton gehalten hat, ist zuerst in Einzelheiten in Frage gestellt worden von Borghesi (Oeuvres V 573ff.) und Letronne (Recherches pour servir à l’histoire de l’Égypte p. 254ff.; Recueil des inscript. de l’Égypte I 131ff.). Ihren Anregungen folgend hat W. H. Waddington (Mémoire sur la Chronologie de la vie du rhéteur Ael. Ar. in den Mém. de l’institut de France, acad. des inscr. et belles lettres XXVI 203ff.) eine völlig neue Darstellung der Chronologie von A.s Lebensgeschichte gegeben und als sein Geburtsjahr das J. 117 angesetzt; seine Ergebnisse sind in allem Wesentlichen angenommen von J. B. Lightfoot (The apostolic fathers part. II vol. I 1885 p. 635–660). Auch diese Ansätze bedürfen der Revision (B. Keil Herm. XXV 313ff.), welcher sie unterzogen sind von W. Schmid (Rh. Mus. XLVIII 53–83). Im Altertum gab es mehrere Bilder des A. (Philostr. Vit. soph. 87, 8. CIG 4679. 6026. Liban. ep. 1561); ob die von Pius IV. in der vaticanischen Bibliothek aufgestellte Statue mit der Unterschrift Ἀριστίδης Σμυρνέος echt sei, hat wegen der Orthographie Masson nicht ohne Grund bezweifelt (Visconti Iconogr. grecque I 375 mit Taf. 31).

Wir haben von A. 1. Reden, a) aus der epideiktischen Gattung: auf Götter (I–VIII; das sind wohl die προοίμια bei Apsin. rhet. p. 343, 10 Sp.) oder ihre Elemente (XVII. XVIII. LV), πανηγυρικοί auf Städte (XIII Athen, XIV Rom, XV Smyrna, XVI Kyzikos), auf den Kaiser (IX), Privatreden (γενεθλιακός X, ἐπιτάφιοι XI. XII), Klagereden über den Brand des eleusinischen Demetertempels vom J. 182 XIX, die Zerstörung von Rhodos XLIII, von Smyrna XX), eine παλινῳδία (XXI) und einen προσφωνητικός an Commodus (XXII), b) aus der symbuleutischen Gattung praktische Reden (XL. XLII. XLIV) und blosse μελέται (XXIX–XXXIX. LII; auch eine Leptinea hat er geschrieben, aber keine der beiden unter seinem Namen laufenden LIII und LIV: H. E. Foss Commentatio crit., qua probatur, declam. II Leptineas non esse ab Aristide scriptas, Altenburg 1841). 2. Darstellungen seiner Krankheitsgeschichte im Tagebuchstil (Philostr. Vit. soph. 86, 30), die sechs ἱεροὶ λόγοι (XXIII–XXVIII). 3. Einen Brief an die Kaiser Marcus und Commodus (XLI). 4. Rechtfertigungsschriften (ἀντιρρητικοί: s. Schol. p. 456, 23 Ddf. Nicol. Prog. p. 484, 21ff. Spengel) gegen Platons Angriffe auf die Rhetorik (XLVI–XLVII), gegen die herrschenden Anschauungen über die Nilschwellen (XLVIII), gegen den Vorwurf des Eigenlobs (XLIX), der Vermeidung öffentlichen Redens (L), gegen die sophistischen Moderedner (LI). 5. Zwei rhetorische Abhandlungen über den λόγος πολιτικός und ἀφελής, deren Echtheit H. Baumgart Arist. 6ff. 146 bewiesen hat. Einige Schriften sind verloren (s. die Aufzählung bei A. Westermann Gesch. der griech. Bereds. 324, wo aber nr. 14 = or. LI zu streichen, dagegen ein ἀντιρρητικός [890] gegen Isokrates de pace aus Argum. Isocr. or VIII, ein Νησιωτικός aus Menand. de epid. p. 349, 19 Sp. zu ergänzen und für die Rede πρὸς τοὺς ὀρχηστάς auf Liban. T. III 345 und ep. 530, endlich auf das Fragment incertae sedis Hermog. prog. p. 15, 15 Sp. zu verweisen war). Für die ältere griechische Geschichte sind von besonderer Wichtigkeit or. XIII (Haury Quib. fontib. Ar. usus sit in Panathenaico, Augsburg 1888) und XLVI (Alfr. Haas Quib. fontib. Ael. Ar. in componenda declam. quae inscr. πρὸς Πλάτωνα ὑπὲρ τῶν τεττάρων usus sit, Greifsw. 1884; die Thukydidesbenützung in or. XIII und XLVI ist auch von Ferd. Schröder Thucydidis memoria, quae prostat apud Arist., Göttingen 1887 behandelt), für Kenntnis römischer Staatseinrichtungen jener Zeit or. XIV (Th. Mommsen Herm. XIV 474f.), für kleinasiatische Provinzialgeschichte und Topographie or. XVI. XXIII–XXVIII. XLII. XLIV, für Geschichte der antiken Geographie XLVIII (Ad. Bauer Histor. Untersuch. Arn. Schäfer gewidmet, 1882, 70ff. H. Berger Gesch. d. wissenschaftl. Erdk. der Gr. I 104ff.); reiche Ausbeute an Dichterfragmenten bietet besonders or. XLIX. Die zwei rhetorischen Schriften sind Skizzen zu Vorlesungen. A. hat allen Versuchungen, in öffentlichen Ämtern eine Rolle zu spielen, widerstanden (XXVI 523ff.), sich mit dem Priestertum (XXVI 531) begnügt und von Jugend an (LI 577) nur nach dem einen Ziel gestrebt, ein grosser Redner nach Art der attischen Klassiker, nicht der zeitgenössischen Sophisten (XLV 153. XLVI 413. XLIX–LI; die gewöhnliche Rhetorik verteidigte gegen ihn ein gewisser Sergios: Suid. s. Σέργιος) zu werden. Durch eingehendste Beschäftigung mit der klassischen Litteratur hat er sich eine von keinem seiner Zeitgenossen auch nur annähernd erreichte Correctheit des attischen Ausdrucks angeeignet, auf die damals am meisten gesuchte Leichtigkeit unterhaltender Improvisation aber, zu welcher ihm freilich die Naturanlage fehlte (Philostr. Vit. soph. 88, 20ff.), angeblich aus Abneigung gegen sie (Philostr. 88, 2ff.) verzichtet, wie denn auch seine meisten Reden nur geschrieben (XXII 439) und vorgelesen worden sind. Dieser Mangel an Fähigkeit zu rascher, wirkungsvoller mündlicher Äusserung, welcher immerhin auch mit den sehr hohen Ansprüchen des gründlich grammatisch geschulten Rhetors an Stilreinheit zusammenhängen mag, und seine Kränklichkeit giebt seinem Wesen im Vergleich mit den zeitgenössischen Sophisten etwas nach innen Gekehrtes, ohne dass man ihn darum für eine tiefere religiöse oder philosophische (über sein Verhältnis zur Philosophie s. W. Schmid Atticismus II 3ff.) Natur zu halten hätte: je mehr ihm äusserer Erfolg fehlte, nach welchem er (Philostr. Vit. soph. 88, 7. Arist. or. II 28. XLIX 494. 537. 541) so lüstern war wie alle jene Sophisten, desto mehr suchte er durch besondere Mittel die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: was die Mitwelt ihm an Anerkennung versagte, musste ihm auf geheimnisvolle Weise der damals besonders eifrig kultivierte Gott Asklepios mehr als ersetzen (or. VI. XXVI 518. 522 u. s.). Mit dem Verhältnis zu dem Gott ist keinerlei religiöse Vertiefung, wie Welcker (Kl. Schr. III 114ff.) gemeint hatte, verbunden: A. hat weder die alte poetische Religion (dieser steht er mit [891] dem damals bei den Gebildeten üblichen Skepticismus, mit allegorischen, rationalistischen Deutungen oder gänzlicher Verwerfung gegenüber: I 2. 8. III 44f. XXII 444. XLII 787. XLV 133. XLVI 336. XLVIII 469f. L 561. 568 u. s.), noch sympathisiert er mit ihren palaestinensischen Verächtern (XLVI 402, missdeutet von J. Bernays Lucian und die Kyniker 38. 100ff.), noch fragt er nach persönlicher Unsterblichkeit (I 8. III 44. X 122. XI 133. XII 146. XIII 302) oder sonstigen metaphysischen Dingen, vielmehr dreht sich der gesamte Verkehr mit seinem ‚Heiland‘ statt um religiöse Erleuchtung lediglich um die ganz persönlichen Interessen seiner Heilung und der Befriedigung seiner Ruhmsucht. Was ihm vom Gott zum Lohn für seine Hingabe wird, ist die bei Incubanten gebräuchliche Kur, bei welcher die nervöse Überreizung des Patienten in Deutung der Träume freies Spiel hatte. Magnetische Wirkungen wollte man Anfang dieses Jahrhunderts aus den ἱεροὶ λόγοι herauslesen – wie sehr mit Unrecht, hat Welcker a. a. O. gezeigt. Übrigens ist man, in Anbetracht des körperlichen und psychologischen Zustandes des A. während der Krankheit keineswegs genötigt, mit V. Malacarne da Saluzzo (La malattia tredecennale di Elio Aristide, Milano 1799) die Träume für bewusste Fictionen zu halten. Das allzu milde Urteil, welches Welcker über den Menschen A. gefällt hat, wird wenigstens zum Teil gerechtfertigt durch gewisse herzliche Züge, welche im Verhältnis des A. zu seinem Lehrer Alexandros (XII), zu seinen Schülern (X. XI) und seiner Dienerschaft (or. XXIII–XXV passim) hervortreten. A.s rhetorischer Standpunkt ist, soweit es sich um ethische Fundierung handelt, ganz derjenige des Isokrates (W. Schmid Der Atticismus II 3. 5); als Techniker ist er mit seinen freilich sehr flüchtigen (Joh. Sic. in Walz Rh. Gr. VI 95) und roh empirischen beiden Abhandlungen der directe Vorläufer der Ideenlehre des Hermogenes. Sein rednerisches Ideal ist Demosthenes, welchem es in allem gleichzuthun er überzeugt ist (XLVII 415ff.). In der That steckt er voll von demosthenischen Reminiscenzen (Κουκουλάρης Ἀριστείδης ὡς ἀπομιμητὴς Δημοσθένους. Erlangen 1891), aus deren genauer Reproduction sogar die demosthenische Textkritik Nutzen ziehen kann, und trifft in den μελέται im ganzen auch den Ton des Demosthenes, während die Panegyrici den breiten Fluss des isokratischen Stils, die praktischen Reden aber, besonders die klagenden Partien, oft reinen Asianismus zeigen (Charakteristik seines Stils bei E. Rohde Rh. Mus. XLI 187; Sprach- und Stilanalyse bei W. Schmid Atticismus II. 1889). Von seinen unmittelbaren Schülern ist nur Damianos, des Philostratos Quelle für die A.-Biographie (Philostr. Vit. soph. 87, 20. 107, 28), bekannt geworden; grosse Schule hat er, wiewohl sein Unterricht unentgeltlich war (XLV 146. XLVI 192. 401. XLIX 532f.), nicht gemacht (s. das Spottepigramm Proleg. p. 741). Durch A. ist, den asinianischen Aspirationen der übrigen asiatischen Sophisten, besonders Polemons gegenüber, der in Sprache (s. A.s Äusserungen rhet. p. 537, 28 Sp. Arist. or. XIII 294ff. XLIX 512) und Stil rigorose Klassicismus zum Sieg geführt worden (Longin. in [892] Spengels Rh. Gr. I 326, 30. Proleg. Aristid. p. 741, 12. Procop. ep. 116 p. 578 Hercher, wo mit Hercher statt ἤ zu lesen οὐ), und schon die Zeitgenossen, abgesehen von Hermogenes, der ihn als Redner und Techniker herabsetzt (Schmid Atticism. II 7, 13), sahen in ihm einen wiedererstandenen Klassiker (XXVI 507. 510. 521. 525. XXVII 548. XLVII 415; das Urteil des Phrynichos bei Phot. bibl. p. 101 a 17 B.). Die nachfolgenden Techniker (Longinos, Menandros, Aphthonios, Nikolaos, Apsines, Marcellinus bei Walz IV 173, Sopatros ebd. IV 764. 766. V 187, Syrianos IV 728, Planudes V 556, der Anonym. III 522f.) citieren ihn wie einen Klassiker, die grossen Rhetoren des 4. Jhdts., Libanios (T. III 475) und Himerios (Wernsdorf Praef. Him. LVIIIff.) ahmen ihn nach, und neben Homer ist er der Stolz Smyrnas (Aeneas ep. 18. Eunap. vit. Himer. Synes. ep. 101 p. 699 d Hercher. Anthol. Graec. IV p. 239 nr. 580, wozu Jacobs T. XII p. 189). Nur rhetorische Spielereien sind die Schriften des Libanios und seines Zeitgenossen Palladios gegen A. (O. Sievers Leben des Libanios S. 11, 18). Bis tief ins byzantinische Mittelalter hinab ist er Schulschriftsteller geblieben: Photios hat sich Auszüge aus or. XIII und XLVI gemacht (cod. 246–248), Arethas sich eine Hs. des A. (Laurent. LX 3) herstellen lassen und dieselbe mit Bemerkungen versehen (E. Maass Mélanges Graux 758), Thomas Magister ihn für sein Lexikon excerpiert, Nikephoros Chummos ihn nachgeahmt (Krumbacher Byz. Litt.-Gesch. 199) und die Nichte des Kaisers Michael VIII., Theodora, sich eigenhändig eine Abschrift seiner Reden (Cod. Vatic. Graec. 1899: s. B. Keil Herm. XXV 314) gemacht.

Der Überrest der Schulerklärungen, welche uns in den Scholien vorliegt, bezieht sich besonders auf or. XIII. XXXIII–XXXVI. XLV. XLVI. XLVII. Zuerst hat S. Jebb Scholien aus drei Oxforder Hss. hervorgezogen; die an mythographischem, historischem und rhetorischem Material reichen Notizen aus zwei Codices Meermanniani (AB) und zwei Monacenses (CD), welche Reiske gesammelt hat, sind von W. Dindorf im 3. Band seiner Ausgabe veröffentlicht; von den Scholia Veneta sind nur Proben bei J. Morelli Aristid. or. adv. Lept. p. 69. 82. 87. 116. 126. 137. 163. 172f. und v. Wilamowitz De Rhesi scholiis 13, von den durch A. Mai entdeckten Scholia Vaticana solche bei Dindorf T. II p. 709f. gedruckt. Schon vor Dindorf hatte W. Frommel (Scholia in Ael. Aristidis orationes Panath. et Platonicas, Frankf. a. M. 1826) die Scholien aus Photios, einem Cod. Schellershemianus, einigen von Werfer excerpierten Münchener Hss., einer Leydener und dem Palatin. 129 nebst Jebbs Oxforder Scholien herausgegeben (p. 1–319) und (praef. IVff.) zusammengetragen, was man vor Jebb von den Scholien wusste, endlich noch nachträglich aus den Parisini A (2948), B (2949). D (2951) p. 315–390 und aus dem von Geel excerpierten Leydensis p. 394–516 die Scholien beigefügt. Mit der Kritik des A. befassten sich Libanios und sein Zeitgenosse Fortunatianus (O. Sievers Leben des Liban. 11f.), mit der Exegese Menandros (Schol. p. 26, 22. 53, 34. 260, 2 Dindf.), der auch den Demosthenes commentiert [893] hat und auf welchen die zahlreichen Verweisungen auf Demosthenes in den Scholien zum Panath. zurückgehen werden (s. W. Nitsche Der Rhetor Menander und die Demosthenesscholien 10f.), Metrophanes (Suid. s. v., in den Scholien nicht erwähnt), Athanasios (Schol. 228, 24. 456, 23. 485, 18), Zosimos (355, 19), endlich Sopatros, von welchem sicher die Prolegomena ad Alexandrum (Dindf. III p. 744–757; s. p. 757, 24) zu or. XLVI und eine Erklärung des Panath. (p. 752, 17) verfasst sind. Frommel hat (praef. XIV–XVIII) Recht, in seinem A.-Commentar den Grundstock unserer Scholien zu sehen (auf einen zusammenhängenden Commentar weisen Schol. 56, 28. 94, 21. 96, 15. 122, 29. 164, 16. 314, 5. 324, 3. 340, 30. 534, 15; dass derselbe von unseren Scholiasten unvollständig wiedergegeben wird, zeigt die Vergleichung von p. 314, 5 mit 49, 26ff.). Dazu fügten weitere Erläuterungen Photios, Arethas (Dindf. T. II 710). auf welchen die Scholien in den Vaticani 1297 und 1298 und dem Urbinas saec. XI zurückgehen (E. Maass Mél. Graux 758ff.), und schliesslich, wie es scheint, auch noch Joh. Tzetzes (Preger Abhandl. zu Christs 60. Geburtstag 54; auf sehr späte Zeit weisen Schol. p. 92, 14, wozu vgl. Schol. Thuc. I 13, 6; ferner 131, 35. 146, 36. 381, 13. 398, 31. 404, 15. 715, 24. 730, 26). – Träger der besten Überlieferung der Reden ist der für Arethas geschriebene Cod. Laurent. Γ (LX 3 saec. IX), dessen erster verloren geglaubter Teil von B. Keil (Herm. XXV 313ff.) im J. 1887 in Fol. 1–250 des Parisin. Gr. 2951 wiederentdeckt worden ist; aus ihm stammt Vindobon. α (CXIII), dessen Lesarten für or. X und die Smyrnareden nebst denjenigen von β A. Schwarz Wiener Stud. VIII 76ff. mitteilt, und Vatic. gr. 75 (saec. XIII); eine andere Recension ist am besten vertreten durch Laur. Δ (LX 7 saec. XII), aus welchem Vindob. β (CCCXVI) stammt. Ausser den genannten beiden Laurentiani nebst einer neuen Collation der von Jebb benutzten englischen Hss. sowie des Monacens. Aug. E hat Dindorf den Laurent. Θ (LX 8 saec. XI), mit welchem wiederum Marcian. append. cl. VΙII cod. 7 etwa vom J. 1000 zusammenhängt, seiner Ausgabe zu Grunde gelegt. Die Lesarten des Tischendorfianus VII saec. XIV zu or. XVI teilt A. Westermann (Excerptor. ex biblioth. Paulinae Lipsiensis libris mscr. pars I 1865), diejenigen von Δ, Θ, Laudianus P 11 (saec. XIV) und Laurent. A (LXXXIV 9 saec. XIII) zu or. LII W. Krause (Coniectanea in Ael. Aristidis πρεσβευτικὸν πρὸς Ἀχιλλέα, Glatz 1875) mit. Gesondert sind die τέχναι überliefert, am besten in dem von Walz (Rhet. Gr. IX praef. p. XXIII) verglichenen Parisinus nr. 1741. Editio princeps der 53 Reden Florentiae ap. Junt. 1517 und danach von P. Stephanus 1604 in drei Bänden mit der inzwischen (Basel 1566) erschienenen lateinischen Übersetzung von W. Canter und einigen Noten desselben; dann mit Noten und Scholien aus englischen Hss. von Samuel Jebb Oxford 1722. Aus einer Venetianer Hs. gab Jac. Morelli als aristideisch eine Rede πρὸς Λεπτίνην ὑπὲρ ἀτελείας heraus (Venedig 1785), welche F. A. Wolf seiner Ausgabe der demosthenischen Leptinea (1789) beifügte, und eine weitere Leptinea [894] fand in einer vaticanischen Hs. A. Mai (πρὸς Δημοσθένην περὶ ἀτελείας in seiner Nova collectio script. vet. 1825 T. I p. 3 und Classici auct. e cod. Vatic. 1831 T. IV 448ff.). Die letzteren beiden, von Foss als unecht erwiesenen Reden sind gesondert von G. H. Grauert Bonn 1827 herausgegeben worden. Die erste ganz vollständige Ausgabe mit Scholien und notae varior. veranstaltete W. Dindorf (3 Bde., Leipz. 1829); in ihr befinden sich auch die beiden rhetorischen Schriften, welche zuerst in den griechischen Rhetoren des Aldus T. I p. 641–682, dann gesondert von L. Norrmann (Upsala 1688), in den Rhetores Graeci von Walz (IX 340–466) und L. Spengel (II 457–554) herausgegeben worden sind. Weitere Einzelausgaben verzeichnet A. Westermann Gesch. der griech. Bereds. 321ff.

Kritisches zu A.: Cobet Mnemos. N. S. VIII 435. IX 46. 103. 200. H. Holleck Coniectanea critica in Ael. Aristidis Panathenaicum, Breslau 1874. W. Krause, A. Schwarz a. a. O. W. Schmid Philol. XLVII 375–378. 433. XLVIII 56. W. Büchner Philol. XLIX 182–184. Übersetzung der Smyrnareden ins Deutsche von A. Schwarz Progr. Horn 1885. Im allgemeinen s. Hermann Baumgart Aelius A. als Repräsentant der sophistischen Rhetorik des 2. Jhdts. der Kaiserzeit, Leipzig 1874; populäre Charakteristiken von A. Cherbuliez La ville de Smyrne et son orateur Aristide, Genf 1863. E. Müller Ztschr. f. allg. Gesch. 1887, 881–895.
[W. Schmid.]

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