ART

112) Apollonios, geboren zu Perge in Pamphylien, jüngerer Zeitgenosse des Archimedes und Eratosthenes, widmete sich dem Studium der Mathematik in Alexandreia, wo die Schule des Eukleides (dessen Epoche im wesentlichen mit der Regierung des ersten Ptolemaeers zusammenfällt) auch nach dem Tode ihres Begründers fortblühte. Da A. das vierte und die folgenden Bücher der Konika dem König Attalos I. gewidmet hat, so haben wir seine schriftstellerische Thätigkeit hauptsächlich in die Regierungsjahre des letzteren (241–197), mithin etwa gleichzeitig mit den Ptolemaeern Euergetes und Philopator (247–205) anzusetzen. In der That hat Herakleides, der Biograph des Archimedes, berichtet, dass A. unter Euergetes geblüht habe (γέγονε), und wenn Ptolemaios Chennos, allerdings ein sonst wenig zuverlässiger Gewährsmann, einen unter Philopator berühmten Astronomen gleichen Namens anführt, so hat er damit gewiss unsern Mathematiker gemeint. A. ist demnach um einige Zeit vor 247 v. Chr. geboren. Am nächsten werden wir der Wahrheit kommen, wenn wir ihn etwa um ein Vierteljahrhundert jünger als Archimedes, mithin sein Geburtsjahr um 262 ansetzen. Nachdem A. in Alexandreia die acht Bücher der Konika in einer ersten Bearbeitung abgefasst hatte, unternahm er eine wissenschaftliche Reise nach Kleinasien und trat in Ephesos in nähere Beziehungen zu dem Mathematiker Philonides und zu Eudemos von Pergamon. Mit dem letzteren verkehrte er auf derselben Reise auch in Pergamon und wurde durch ihn zu einer zweiten Bearbeitung der Konika angeregt, weshalb er ihm später von Alexandreia aus das erste und dann das zweite Buch des verbesserten Werkes zueignete. Auch das dritte Buch, dessen Vorrede verloren gegangen ist, hat A., wie aus der Vorrede zum vierten Buche hervorgeht, an denselben abgesendet. Nach Eudemos Tode nahm König Attalos I. die Widmung des vierten und der folgenden Bücher an. Weiter wissen wir aus seinem Leben nur, dass er einen gleichnamigen Sohn hatte, den er als Überbringer des zweiten Buches nach Pergamon sendete. In den Bericht des Pappos über die wissenschaftliche Bedeutung der Konika des A. ist eine nicht von Pappos herrührende Überlieferung eingeschoben, wonach A. ungenau (in seiner Methode) und prahlerisch gewesen sein soll: beide Vorwürfe werden durch die erhaltenen Schriften, der letztere besonders durch die strenge Kritik, die A. selbst an seiner ersten Bearbeitung [152] der Konika übt, völlig widerlegt. Und wie Geminos, der genaue Kenner des alexandrinischen Gelehrtentums, meldet, haben schon die Zeitgenossen des A. ihrer Bewunderung der Konika dadurch Ausdruck gegeben, dass sie jenen den grossen Geometer nannten. Vgl. Apoll. in den Vorreden zu Kon. I. II. IV–VII. Herakleides (so zu lesen statt Ἡράκλειος: s. Hultsch Berl. Philol. Wochenschr. 1893, 1446) und Geminos bei Eutokios zu Apoll. Kon. Bd. II 168. 170 Heiberg. Ptolemaios Chennos bei Phot. Bibl. 151b 18. Der Interpolator bei Pappos VII 34f. (unter dessen Angaben die Worte S. 678, 10 Hu.: συσχολάσας τοῖς ὑπὸ Εὐκλείδου μαθηταῖς ἐν ἈΙεξανδρείᾳ πλεῖστον χρόνον unverdächtig sind). Halley Vorrede zu Con. p. 3 (der den A. um 40 Jahre jünger als Archimedes, mithin sein Geburtsjahr um 247, schwerlich mit Recht, ansetzt). Terquem Nouv. annales de mathém., 1. série, III 1844, 350f. 418f. Cantor Vorles. über Gesch. der Mathem. I 287f. Susemihl Litter. in der Alexandrinerzeit I 749 (setzt das Geburtsjahr des A. um 265, seinen Tod um 190).

Das bedeutendste und zugleich das einzige, wenigstens zum Teil uns erhaltene Werk des A. sind die κωνικά (nur diesen Titel, nicht κωνικὰ στοιχεῖα, gebraucht A.). Ehe er seine Reise nach Kleinasien antrat, hatte ihn der Mathematiker Naukrates in Alexandreia aufgesucht. Aus den wissenschaftlichen Erörterungen, die beide gemeinsam pflogen, ging auf Bitten des Naukrates eine erste Ausgabe der Konika in acht Büchern hervor, die wegen der Kürze der Zeit (denn sie wurde dem Naukrates bei seiner Abreise mitgegeben) noch nicht so durchgearbeitet war, wie A. selbst es gewünscht hätte. Deshalb begann er später, noch ganz erfüllt von den Anregungen, die der Aufenthalt in Kleinasien ihm geboten hatte, eine zweite Bearbeitung, von welcher, gewiss in längeren Zwischenräumen, Buch für Buch gesondert erschien. Die ersten drei Bücher wurden, wie schon bemerkt, dem Eudemos in Pergamon, der dem König Attalos I. nahe gestanden haben muss, die folgenden Bücher dem Attalos selbst gewidmet. Eine vollständige Umarbeitung haben dabei Buch I und II erfahren, (so dass A. die erste Ausgabe derselben für nicht mehr massgebend erklärte) ; bei den übrigen Büchern scheint weniger Anlass zu Änderungen gewesen zu sein. In den Vorreden zu I und IV giebt A. genauer als es sonst bei den Alten üblich ist an, was er von seinen Vorgängern benutzt und was er selbst gefunden habe. Ganz als originale Leistung des A. hat die zweite Hälfte des Werkes zu gelten. In den beiden ersten Büchern scheint er das Hauptsächliche desjenigen Stoffes zusammengedrängt zu haben, den Eukleides nach dem Vorgange des Menaichmos und des älteren Aristaios in vier Büchern behandelt hatte. Auch der Inhalt des dritten Buches beruht zum Teil, wie A. selbst angiebt, auf Sätzen des Eukleides über die Synthesis körperlicher Örter (στερεοὶ τόποι). Zum vierten Buche benutzte er Konon von Samos und Nikoteles von Kyrene. Indes trug A. selbst schon zu dieser ersten Hälfte vieles Neue bei, zunächst eine passende Anordnung des Stoffes, sodann die Verbesserung der gesamten Theorie durch Beseitigung der früheren Trennung nach sogenannten Schnitten des spitzwinkligen, rechtwinkligen und [153] stumpfwinkligen Kegels, endlich eine Menge neuer Lehrsätze, die von selbst aus seiner verbesserten Theorie sich ergaben. Schon im dritten Buche ist er gewiss weit über Eukleides hinausgegangen, und noch mehr hat er durch die systematische Anlage des vierten Buches das überboten, was Konon und Nikoteles vorgearbeitet hatten. Der Vorwurf, welchen Herakleides in seiner Biographie des Archimedes (Apoll. con. Bd. II 168 Heib.) gegen A. vorgebracht hat, dass nämlich schon von Archimedes ein Werk über Kegelschnitte verfasst, aber nicht veröffentlicht worden, und dieses dann von A. unter seinem eigenen Namen herausgegeben worden sei, ist entschieden zurückzuweisen. Die von Archimedes (Bd. I 302, 4. II 300, 10 Heib.) citierten κωνικὰ στοιχεῖα (von demselben I 304, 15 auch schlechthin κωνικά genannt) sind die von Eukleides bearbeiteten Kegelschnitte des Aristaios (Bretschneider Geometrie und Geometer vor Eukl. 155f. Cantor Vorles. I 260f. Heiberg zu Archim. I 303). In der That gebraucht Archimedes in den uns erhaltenen Werken nur die älteren (bei Aristaios und Eukleides üblichen) Bezeichnungen der Kegelschnitte, nicht die von A. eingeführten Ellipse, Parabel und Hyperbel (Cantor I 288f. Heiberg Ztschr. f. Mathem. hist.-litt. Abteil. XXV 41ff.; zu Archim. Bd. I 303. 325. 332, 22. 334, 5. II 301. III 465f., wonach Chasles Aperçu historique 17, 2 zu berichtigen ist). Es bleibt also nur die schon früher erwähnte Thatsache, dass A. die konischen Elemente des Eukleides, soweit sie ihm brauchbar erschienen, in sein Werk aufgenommen hat, gerade wie es Eukleides in allen seinen Schriften mit den Werken seiner Vorgänger, und zwar ohne irgend welche Erwähnung derselben, gethan hat. Mit Recht hat daher schon Geminos (bei Eutokios zu Apoll. con. Bd. II 168. 170 Heib.) den A. gegen Herakleides in Schutz genommen (vgl. auch Pappos Synag. VII 30. 32f., wonach zugleich das unklare Gerede des Interpolators ebenda 34f. richtig zu stellen ist).

Den gesamten Plan seines Werkes und dessen hauptsächlichen Inhalt stellt A. selbst in der Vorrede zum ersten Buche der Konika dar. Die vier ersten Bücher enthalten die Elemente als eine Einführung in die höhere Theorie (εἰσαγωγὴ στοιχειώδης). Das erste Buch behandelt die Entstehung der drei Kegelschnitte, die hier zuerst unter den Benennungen Ellipse, Parabel und Hyperbel erscheinen, und ihre hauptsächlichen Eigenschaften (Konika Bd. I 4, 1–5 Heib. Geminos und Pappos a. a. O. Chasles Aperçu historique 17ff. Housel in Liouvilles Journal de mathématiques 2. série, III 153ff. Cantor Vorles. I 290f. Zeuthen Die Lehre von den Kegelschnitten im Altertum 63–77, vgl. mit 31–35. Loria Periodo aureo della geometria greca 50ff.). Das Buch beginnt mit der Betrachtung von Schnitten auf dem Kegel selbst; sodann werden verschiedene planimetrische Untersuchungen über Tangenten, conjugierte Durchmesser u. s. w. vorgenommen; endlich zum Schluss wird wieder zu der stereometrischen Betrachtung zurückgekehrt. Diesem Gange der Untersuchung liegt ein streng methodischer, deutlich erkennbarer Plan zu Grunde. Zunächst ist der vollständige Beweis dafür erbracht, dass die Ellipsen, Parabeln und Hyperbeln, [154] welche man durch Betrachtung aller möglichen Schnitte an Kreiskegeln[RE 1] erhält, identisch mit denen sind, welche man als Schnitte an Umdrehungskegeln erhält (Zeuthen a. a. O. 63f.). Im zweiten Buche werden zunächst Eigenschaften der Asymptoten der Hyperbel auseinandergesetzt. Damit wird die Lehre von den conjugierten Durchmessern und den conjugierten Hyperbeln verbunden (Housel a. a. O. 160ff. Cantor a. a. O. 291. Zeuthen 105ff.). Das dritte Buch enthält, wie A. in der Vorrede zu I selbst angiebt, Theoreme zur Synthesis und Determination (διορισμοί, vgl. unten Inhaltsangabe des V. Buches) körperlicher Örter, d. h. geometrischer Örter, welche Kegelschnitte sind. Unter diesen nennt er besonders den Ort zu 3 oder 4 Geraden, der bis dahin keine vollständige Behandlung gefunden habe. Eine Gruppe für sich bilden die ersten 44 Sätze, in denen hauptsächlich Verhältnisse von Producten aus Tangenten und Secanten der Kegelschnitte auftreten (Cantor 292. Zeuthen 114ff.). Damit steht in Zusammenhang die Satzgruppe 53–56 (Behandlung der Kegelschnitte als geometrischer Örter für die Durchschnittspunkte zwischen den sich entsprechenden Strahlen von zwei projectivischen Büscheln; Zeuthen 122f.). Die dazwischen stehende Gruppe 45–52 enthält die einfachsten Eigenschaften der Brennpunkte der Ellipse und Hyperbel (Housel 169ff. Cantor 292f. Zeuthen 122. 365ff.). Hiermit hat A. zugleich den ‚Ort zu 4 Geraden‘ (von dem der ‚Ort zu 3 Geraden‘ nur ein Specialfall ist), soweit bestimmt, als es bei dem damaligen Standpunkte der Mathematik möglich war, und es erhält diese ganze Theorie noch mehr Licht durch die Vergleichung mit den Porismen des Eukleides (Zeuthen 126ff.). Das vierte Buch zeigt, wie A. in der Vorrede angiebt, wie viele Punkte Kegelschnitte mit Kreisperipherien und mit anderen Kegelschnitten gemein haben können, ohne ganz zusammenzufallen (wobei A. eine Berührung von einer Durchschneidung sehr wohl zu unterscheiden weiss; Cantor 293). Die Bücher V–VII sind nicht mehr im Urtexte vorhanden. Halley hat sie lateinisch nach einer arabischen Übersetzung herausgegeben (s. u. Ausgaben). In der Vorrede zum fünften Buche betont A. nochmals, dass er im Vorhergehenden die Elemente der Kegelschnitte behandelt habe (vgl. ο. εἰσαγωγὴ στοιχειώδης), und wendet sich nun höheren Aufgaben zu. Aus der Lehre vom Grössten und Kleinsten betrachtet er als besonderen Fall die möglichst kleinen oder möglichst grossen Linien, welche von einem gegebenen Punkte an einen Kegelschnitt gezogen werden [155] können. Dass er auch hierbei wieder von einem besonderen Falle, nämlich der Lage des Punktes auf der Axe des Kegelschnittes ausgeht, stimmt genau mit dem sonstigen Brauche der alten Mathematiker überein; aber die allgemeine Fassung ist ihm nicht verborgen gewesen und ebenso wenig der höhere Zweck dieser Untersuchung, der Diorismus, d. i. die methodische Bestimmung der grössten und kleinsten Werte und die Festsetzung der Grenzen, innerhalb deren die Lösung einer gestellten geometrischen Aufgabe möglich ist oder nicht. Das sechste Buch handelt von gleichen und ähnlichen Kegelschnitten, sofern dieselben auf geraden, einander ähnlichen (Umdrehungs-) Kegeln auftreten. Ausserdem enthält es einige Constructionen im Raume, u. a. die Aufgabe, durch einen gegebenen Kegel eine Schnittfläche zu legen, welche eine gleichfalls gegebene Ellipse erzeugen soll. Im siebenten Buche folgen weitergehende Untersuchungen über die Längen conjugierter Durchmesser und der dazu gehörigen Parameter. Die wichtigsten Resultate sind, dass für die Ellipse die Summe und für die Hyperbel die Differenz der Quadrate von einem Paare conjugierter Durchmesser constant ist, und dass für beide Curven das aus einem Paare conjugierter Durchmesser und dem dazwischen liegenden Winkel gebildete Parallelogramm einen constanten Inhalt hat. Diese Sätze, so bemerkt A. in der Vorrede, sind für viele Arten von Aufgaben nützlich, besonders bei den Diorismen derselben. Mehrere Aufgaben der Art, so fährt er fort, habe er im achten Buche, das gleichsam einen Anhang bilde, gelöst und durch Diorismen abgegrenzt. Diese enge Beziehung zwischen VII und VIII wird noch dadurch bestätigt, dass die Hülfssätze bei Pappos zwar zu jedem der vorhergehenden Bücher gesondert, zu den beiden letzten Büchern aber zusammen überliefert sind. Danach hat Halley versucht, den Inhalt des verloren gegangenen achten Buches wieder herzustellen, wobei er von der Annahme ausging, dass dasselbe die Lösung von solchen Aufgaben enthalten habe, die im siebenten Buche zuerst auf eine Gleichung gebracht und dann einzeln zum Gegenstande eines Diorismus gemacht waren. Terquem Nouv. annales de mathém., 1. série III (1844) 345–350. 486. Housel a. a. O. 178f. Cantor 294ff. Zeuthen 284ff. 293ff. 384f. 393ff. 403ff. Die Ausstellungen, welche Pappos IV 59 gegen ‚das Problem an der Parabel im fünften Buche der Konika des A.‘ erhebt, ohne leider näher anzugeben, welche Stelle bei A. er damit meine, haben zu verschiedenartigen Deutungen Anlass gegeben, vgl. Hultsch zu Papp. Bd. I 273. Tannery Mém. de la soc. des sciences de Bordeaux V 13ff. Zeuthen a. a. O. 226ff. 258f. 286ff.

Der sprachliche Ausdruck in der erhaltenen Hälfte der Konika zeigt, anlangend die streng mathematische Darstellung, keine Abweichungen von den Vorgängern. Die schon vor Eukleides festgesetzte Form sowohl für die Aufstellung der Theoreme oder Probleme als für die Beweisführung ist im wesentlichen für alle folgenden Mathematiker massgebend gewesen. Doch finden sich bei aller Strenge des Formelwesens kleinere Schwankungen im Sprachgebrauch (für einen Einzelfall nachgewiesen von Hultsch Berl. Philol. Wochenschr. [156] 1891, 776ff.). Aus den Vorreden des A., die in schlichter Sprache und ohne rhetorisches Beiwerk abgefasst, dabei aber trefflich stilisiert sind, entnehmen wir einige bemerkenswerte Zeugnisse für die Entwicklung der κοινή, als deren Hauptvertreter sonst der um ein halbes Jahrhundert jüngere Historiker Polybios gilt. Neben einander erscheinen in der Vorrede zu I die bei den Attikern verschwindende, später aber wieder auflebende Form ἤμην (für ἦν) und die alexandrinische Aoristbildung συνείδαμεν (Hultsch Abh. der Sächs. Ges. der Wissensch. XXX 400), ferner neben dem regelmässigen Reflexiv σεαυτοῦ ἐπιμελοῦ die unattische (auch dem Polybios fremdartige) Bildung τὸν υἱόν μου πέπομφα (Vorrede zu II). Aus der Vorrede zu IV ist mehreres, anlangend den Wortgebrauch und syntaktische Fügungen, hervorzuheben (Hultsch Berl. Philol. Wochenschr. 1893, 1448ff.).

Zu den Konika hat Pappos zu Ende des 3. bis Anfang des 4. Jhdts. eine grosse Zahl von Hülfssätzen (λήμματα) gesammelt, die schon früher von anderen, um das Verständnis des Werkes des A. durch elementare Nachhülfe zu erleichtern, hinzugefügt worden waren (Hultsch a. a. O. 1447f.). Sie finden sich bei Pappos im siebenten Buche als die Propositionen 165–234 (S. 918–1004 Hu.) und sind von Halley den einzelnen Büchern des A. vorgedruckt worden (bei Heiberg sind die Lemmata zu I—IV in Bd. II 143ff. wiederholt). Einen Commentar zu den Konika hat im 6. Jhdt. Eutokios von Askalon verfasst, der soweit als der Text des A. selbst, d. i. zu I–IV erhalten ist. Derselbe ist von Halley fortlaufend hinter dem Texte der einzelnen Propositionen beigefügt, von Heiberg in den 2. Band seiner Ausgabe (S. 168ff.) aufgenommen worden. Die ebenfalls an die Konika angeknüpften Erläuterungen des Serenos von Antissa und ein, wie es scheint, von Hypatia verfasster Commentar sind verloren gegangen (Cantor Vorles. I 347. 421f. Heiberg Apoll. Bd. III 166f.).

Auch in den Commentaren des Eutokios zu Archimedes werden die Konika des A. vielfach berücksichtigt (vgl. den Nachweis im Index von Heiberg zu Archim. Bd. III 499. 523). Dabei gebraucht Eutokios den genauen Titel κωνικά (vgl. o.) 312, 12. 326, 3. 328, 5. 332, 6; sonst pflegt er, und zwar besonders das erste und zweite Buch, unter dem Titel κωνικὰ στοιχεῖα zu citieren. Da Eutokios zu seiner Zeit ganz verschiedene Ausgaben der Konika vorfand, so stellte er selbst für seinen eigenen Gebrauch eine Recension fest, die manche Abweichungen von dem uns überlieferten Texte zeigt (Heiberg Jahrb. f. Philol. Suppl.-Bd. XI 360ff. und Ausg. Bd. II proleg. 57f.).

Ausgaben und Bearbeitungen der Konika: Von einer lateinischen, im 13. Jhdt. verfassten Übersetzung ist ein Fragment erhalten (veröffentlicht von Heiberg Apoll. Bd. II proleg. 75ff.). Die vier ersten Bücher wollte Joh. Müller aus Königsberg bei Hassfurt (Herzogt. Coburg), bekannt unter dem Namen Regiomontanus (1436–1476), ebenfalls in lateinischer Bearbeitung herausgeben. Ein Venetianer Joh. Bapt. Memus vollzog diese Absicht, freilich mit sehr unglücklichem Erfolge, wie aus dem durch den Sohn Joh. Maria Memus besorgten Druck hervorgeht: Apollonii Pergei – opera per – Joann. Bapt. Memum [157] – de Graeco in Latinum traducta, Venet. 1537. Eine zweite Übersetzung derselben vier Bücher, ferner des Commentars des Eutokios und der Lemmata des Pappos durch Commandino ist, wenn gleich bedeutend besser, doch noch durch viele Fehler entstellt: Apollonii Perg. conicorum libri quattuor – F. Commandinus Urbinas – e Graeco convertit et commentariis illustravit, Bonon. 1566. Buch I–VII wurden in Bagdad von Thabit Ibn Korrah (836–901) ins Arabische übersetzt. Eine andere arabische Bearbeitung, welche 994 durch Abalphat von Ispahan verfasst wurde, kam in mehreren Exemplaren nach Europa, wo sie seit der Mitte des 17. Jhdts. bekannt wurde. Die erste lateinische Übersetzung nach einem dieser Codices, welchen Ferdinand I. von Medici von dem Patriarchen Ignatius Neama von Antiochien zum Geschenk erhalten hatte, besorgten gemeinsam der Philologe Abraham von Echelles und der Mathematiker Alfonso Borelli: Apollonii Perg. conicorum lib. V. VI. VII – Abrahamus Ecchellensis – Latinos reddidit – Alfonsus Borellus – notas uberiores – adiecit. Florent. 1661. Schon vorher hatten mehrere Mathematiker an sog. Divinationen des A. sich versucht, d. h. an der Wiederherstellung seiner verlorenen Schriften nach den kurzen Angaben von Pappos u. a. Maurolycus, ein sicilianischer Mathematiker des 16. Jhdts., machte den ersten derartigen Versuch. Viviani restituierte das fünfte Buch: De maximis et minimis geometrica divinatio in V conicorum Apollinii Perg. –auctore Vincentio Viviani, Florent. 1659. Die Vergleichung seiner Restitution mit der fast gleichzeitig erschienenen Übersetzung macht dem Scharfsinne Vivianis alle Ehre. Der Anfang der arabischen Bearbeitung des fünften Buches durch Thabit Ibn Korrah ist nebst deutscher Übersetzung von Ludw. Nix herausgegeben worden: Das fünfte Buch der Conica des A. von Perga in der arab. Übers. des Thabit u. s. w., Lpz. 1889 (Balsam Apollonius von Perga 2ff. Cantor in Paulys Realencyklop. I² 1322; Vorles. üb. Gesch. d. Mathem. II 237. 441. I 603. Wüstenfeld Gesch. der arab. Aerzte[WS 1] 34f. Nix a. a. O. 3ff. Heiberg Apoll. Bd. II proleg. 70ff. 81ff.). Die erste Ausgabe des griechischen Textes unternahm Halley Apollonii Perg. conicorum libri IV priores cum Pappi Alexandrini lemmatis et Eutocii Ascalonitae commentariis. Ex codd. mss. ed. Edm. Halleius, Oxoniae 1710. Gleichzeitig erschienen von demselben Apollonii Perg. conicorum libri tres posteriores ex Arabico sermone in latinum conversi cum Pappi Alex. lemmatis. Subiicitur liber conicorum octavus restitutus. Über die von ihm benutzte arabische Hs. giebt Halley einige Notizen in der Vorrede zum fünften Buche; s. jetzt das Nähere bei Nix a. a. O. 9, vgl. mit 4ff. Die Ausgabe der ersten vier Bücher von Heiberg, die auf der besten uns erhaltenen hsl. Überlieferung beruht, enthält zugleich die Fragmente der übrigen Schriften des A. und die Commentare des Eutokios: Apollonii Perg. quae graece exstant ed. et latine interpretatus est J. L. Heiberg 2 Bde., Leipzig 1891–93. Eine freiere deutsche Bearbeitung verfasste H. Balsam Des A. von Perga sieben Bücher über Kegelschnitte, Berlin 1861. Das schon mehrfach angeführte Werk von H. G. Zeuthen Die Lehre von den Kegelschnitten [158] im Altertum, Kopenhagen 1886, schliesst sich zwar vorzugsweise an die Sätze des A. an, verfolgt aber die Aufgabe, den Inhalt und den Zusammenhang der antiken Lehre von den Kegelschnitten wiederherzustellen, unabhängig von der Anordnung und der Form der Beweisführungen, die jener gewählt hatte.

Im engen Zusammenhange mit den in den Konika entwickelten Theorien standen folgende Schriften des A. (Bd. II 107ff. Heib.), die Pappos Synag. VII 3. 5–11. 21–27 ihrem Hauptinhalte nach vorführt und zu denen er später Lemmata mitteilt (vgl. den Nachweis im Index zu Pappos von Hultsch 11f.): je zwei Bücher über den Verhältnisschnitt, λόγου ἀποτομῆς (Zeuthen 344ff.), über den Raumschnitt, χωρίου ἀποτομῆς (ebd.), über den bestimmten Schnitt, διωρισμένης τομῆς (ebd. 195ff.), über Berührungen, ἐπαφῶν (381ff.), über Einschiebungen (inclinationes, französ. directions), νεύσεων (258ff.), über ebene Örter, τόπων ἐπιπέδων (207ff.). Von der Schrift über den Verhältnisschnitt (sectio rationis) fand E. Bernard gegen Ende des 17. Jhdts. eine arabische Übersetzung, welche er ins Lateinische zu übertragen anfing. Die Arbeit vollendete Halley, und fügte gleichzeitig eine Wiederherstellung der Bücher über den Raumschnitt bei: Apollonii Perg. de sectione rationis ex Arabico MSto Latine versi. Accedunt eiusdem de sectione spatii libri duo restituti – opera et studio Edmundi Halley, Oxonii 1706. Auch zu den übrigen ebengenannten Schriften sind nach den Inhaltsangaben und Hülfssätzen bei Pappos von Vieta, Fremat, Snellius, Simson, Horsley, Camerer, Diesterweg, Paucker u. a. verschiedentliche Wiederherstellungen versucht worden (H. Schoemann Apollonius von Perga, Gymnasialprogr. Treptow a. R. 1878, 4. 11–14. Loria Periodo aureo della geometria greca 65f. Susemihl Litter. in d. Alexandrinerzeit I 754f.; die Wiederherstellung von Fermat Apollonii Pergaei libri duo de locis planis restituti ist kürzlich in Oeuvres de Fermat par Tannery et Henry, tome I 3–51, Paris 1891, neu herausgegeben worden).

Als von A. herrührend teilt Eutokios zu Archimedes (Bd. IIΙ 76ff.) eine Lösung des Problems, zu 2 Geraden 2 mittlere Proportionalen zu finden, mit. Nach einer Notiz bei Pappos Synag. III 21 scheint A. das Problem, das er selbst Konik. V p. 37, 8 Halley als bereits erwiesen verwendet, analytisch durch Kegelschnitte gelöst zu haben (Heiberg zu Eutok. in Archim. Bd. ΙII 77).

Die Lehre von der Parabel findet bekanntlich ihre praktische Anwendung u. a. beim Brennspiegel. Auch darauf hat A. seine Untersuchungen in einer Schrift περὶ τοῦ πυρίου ausgedehnt (Belger Herm. XVI 571f. Zeuthen 374ff. Heiberg Ztschr. f. Math., hist.-litt. Abteil., XXVIII 129ff. und Ausg. Bd. II 139).

Ob A. auch die Schneckenlinie, die auf einer Kegeloberfläche beschrieben werden kann, in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen hat, ist ungewiss. Jedenfalls aber hat er in einer besonderen Schrift, περὶ τοῦ κοχλίου, die am Cylinder beschriebene Schraubenlinie durch förmliche Beweisführung von der konischen und von der sphärischen Spirale geschieden (Proklos zu Eukl. Elem. I 104, 26–105, 15 Friedl.).

[159] Ferner hat er in einer σύγκρισις τοῦ δωδεκαέδρου πρὸς τὸ εἰκοσάεδρον nachgewiesen, dass die Flächen des in dieselbe Kugel eingeschriebenen Dodekaeders und Ikosaeders zu einander sich so verhalten, wie ihre Volumina, ein Werk, das ebenso wie die Konika auch in zweiter Bearbeitung von ihm herausgegeben worden ist (Hypsikl. = Eukl. Elem. XIV 6, 23 Heib.). Friedlein Bull. Boncompagni Nov. 1873, 6. Manitius Des Hypsikles Schrift Anaphorikos, Progr. Dresden 1888, IVf. Nicht näher kann ihrem Inhalte nach bestimmt werden die καθόλου πραγματεία des A., vielleicht eine methodologische Abhandlung über die Grundlagen der Mathematik, Marin. zu Eukl. Dat. p. 2. Heiberg A. Bd. II 133f. und zu Eukl. Elem. Bd. V proleg. 89. Susemihl I 755 (gegen Tannery Bulletin des sciences math., 2. sér., V 1, 124ff.).

Auch auf die rechnende Mathematik hat die schriftstellerische Thätigkeit des A. sich erstreckt. In seinem ὠκυτόκιον (Mittel zur Schnellgeburt, d. h. zum schnellen Berechnen der kleinsten Teile), hat er gezeigt, wie man das Verhältnis der Peripherie zum Durchmesser des Kreises durch engere Grenzen einschliessen könne, als sie Archimedes zum Schlusse seiner Kreismessung ( 3 1 7 {\displaystyle 3{\frac {1}{7}}} > π > 3 10 71 {\displaystyle 3{\frac {10}{71}}}) gesetzt hatte (Eutok. zu Archim. dimens. circ. 300, 17—22 Heib. Hultsch zu Pappos Bd. IIΙ 1212 und Berl. Philol. Wochenschr. 1893, 1142. Tannery Hist. de l’astronomie ancienne 66, 1). Zu einer anderen arithmetischen Untersuchung hat den A. die Sandrechnung des Archimedes angeregt. Dieser hatte, um den Beweis zu führen, dass man die Zahlenreihe bis ins Unendliche verlängern und selbst die grössten Zahlen auch in Worten aussprechen könne, immerhin einige neue, vom gewöhnlichen Sprachgebrauche abweichende Ausdrücke bilden müssen. A. nun verzichtete auf das Endziel des Archimedes, dass man jede ausgesprochene, auch noch so hohe Zahl durch eine andere noch höhere überbieten könne, er wies aber nach, dass bis zu einer Zahlenhöhe, die schon weit über menschliches Vorstellungsvermögen hinausreicht, die Zahlen durch solche griechische Wörter, die der gewöhnlichen Sprache entlehnt (nicht neu gebildet) sind, ausgedrückt werden können. Auch bot seine Theorie den Vorteil, dass nicht, wie bei Archimedes, die Zahlen zu Oktaden, gleichsam wie in einem künstlichen Rahmen zusammengepfercht, sondern dass sie ungezwungen und gemäss dem gewöhnlichen Sprachgebrauche nach Potenzen der Myriaden gruppiert wurden. Dies hat er in einer Schrift gezeigt, deren Titel uns unbekannt ist, zu welcher aber Pappos im zweiten (am Anfang verstümmelten) Buche seiner Synagoge so eingehende Erläuterungen gegeben hat, dass wir uns eine Vorstellung von dem Inhalte des Originalwerkes machen können. Hier sehen wir zunächst die Aufgabe gelöst, ein sehr grosses Product, dessen Factoren in griechischen Zahlbuchstaben (α = 1, β = 2, ι = 10 u. s. w.) gegeben sind, möglichst leicht auszurechnen. Was uns nach dem Dezimalsystem selbstverständlich erscheint, dass wir nämlich nur mit Einern multiplicieren, dagegen die Multiplication durch die 10 und deren Potenzen durch die Stellung der Ziffern, beziehungsweise mit Hülfe der 0, ausdrücken, das war für den Griechen, der nur Buchstabenziffern [160] und keinen Stellenwert kannte, etwas umständlicher. Aber A. hat das Problem in einfachster Weise gelöst. Gewiss hat dieser Teil der durch Pappos teilweise uns bekannten Schrift mit dem vorher erwähnten ὠκυτόκιον mehrfach sich berührt; aber die Endziele beider Schriften sind, wie die Spuren der Überlieferung deutlich genug zeigen, verschieden gewesen, hier die Potenzierung der Myriaden, dort (beim ὠκυτόκιον) die Bruchrechnung. Denn A. hat in der von Pappos behandelten Schrift ausserdem noch durch ein tieferes Eindringen in die Lehre von der Potenzierung dekadischer Zahlen den Weg gezeigt, wie man Zahlen, deren Höhe jeden denkbaren menschlichen Bedarf übersteigt, in möglichster Anlehnung an den allgemeinen Sprachgebrauch ausdrücken könne. Pappos II 1–19. 22. Hultsch zu Papp. Bd. IIΙ 1212f. und index unter ὁμώνυμος. Nesselmann Algebra der Griechen 125ff. Cantor Vorles. I 298f. Hultsch Zeitschr. f. Mathem., hist.-litt. Abteil. XXVII 58ff. (vgl. auch dens. in Berliner Philol. Wochenschr. 1885, 569f. und 1893, 1142f.). Tannery Mém. de la soc. des sciences de Bordeaux, 2. sér., III 351ff.

Eine Schrift des A. über Irrationalgrössen wird erwähnt in der von Abu Othmân verfassten Übersetzung eines griechischen Commentars zum X. Buche der Elemente des Eukleides (F. Woepcke Essai d’une restitution de travaux perdus d’Apollonius sur les quantités irrationelles in Mém. présentés XIV 658–720. Heiberg Apoll. Bd. II 119ff.). Wie Woepcke (a. a. O. 661 und vgl. Günther Gesch. der antiken Naturwiss. 21) wahrscheinlich macht, ist A. dabei weit über Eukleides hinausgegangen, indem er von dessen binomen Irrationalen zu den polynomen und anderen Irrationalen höheren Grades aufstieg.

Auch auf astronomischem Gebiete hat A. sich bethätigt, indem er, wie aus Ptolem. Syntax. XII 1 hervorgeht, über den Stillstand und die rückläufige Bewegung der Planeten schrieb und sie mit Hülfe der Epicyklen zu erklären suchte (Heiberg Apoll. Bd. II 137ff. Cantor Vorles. I 288). Eine entfernte Kunde von astronomischen Untersuchungen des A., und zwar über die Mondbahn hat auch in der καινὴ ἱστορία des Ptolemaios Chennos (1. Jhdt. n. Chr.) sich erhalten. Dafür, diese Tradition nicht völlig abzuweisen, spricht der Umstand, dass Chennos, so unzuverlässig er auch sonst ist (Hercher Jahr. für Philol. Suppl. I 1855/56, 269ff.), doch die Epoche des A. richtig angegeben hat (vgl. den Anfang dieses Artikels und Tannery Hist. de l’astronomie ancienne 69).
[Hultsch.]
Anmerkungen des Originals

Kreiskegel sind allgemein Kegel, die von einer Geraden beschrieben werden, welche in einem Punkte festgehalten wird und an einem Kegelschnitte hingleitet. Denn in jedem solchen Kegel giebt es zwei Scharen paralleler Ebenen, die den Kegel in Kreisen schneiden, von denen die eine Schar zu der andern unter einem bestimmten Winkel geneigt ist. Ein solcher Kegel kann daher durch eine Gerade erzeugt werden, die in einem Punkte festgehalten wird und an einem Kreise hingleitet. Bei den Umdrehungskegeln fallen die beiden Scharen von Ebenen zusammen.

[Fr. Rietzsch.]
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