ART

Androtion, Androns Sohn aus Gargettos (FHG I 371–377. IV 645. 646. Schaefer Demosth. u. s. Zeit I² 350ff.), war der Sohn des sophistisch gebildeten (Plat. Gorg. 487 c; Protag. 315 c) Politikers Andron, Androtions Sohn, der 411 das Decret, nach welchem Antiphon und Genossen verhaftet und abgeurteilt wurden (Krateros bei Harpokr. s. Ἄνδρων. Caecil. bei Ps.-Plut. vit. X orat. 23), beantragte und später als Staatsschuldner lange gefangen gehalten wurde (Dem. XXII 33. 56. 60. 68. XXIV 125). Er selbst studierte, wie viele politische Notabilitäten der Zeit, die Redekunst bei Isokrates (Suid. Zos. vit. Isocr. p. 257. Dem. XXII 4 mit Schol.), trat um die Zeit des Königsfriedens (Dem. XXII 65) ins politische Leben ein, begegnet schon in einer Inschrift (CIA II 27), die vor 376 gesetzt werden muss, und bekam jedenfalls nach 377 (CIA II 74. Δελτίον ἀρχ. 1889, 208) den Auftrag, für die Restauration und Vervollständigung der Processionsgeräte [2174] zu sorgen (Dem. XXII 69–78. XXIV 176–186. Harpokr. s. πομπεῖα). Wahrscheinlich kurz vor dem Bundesgenossenkrieg wurde er als Gesandter zu Maussolos von Halikarnass mit Melanopos und Glauketes geschickt (Dem. XXIV 12); nach Ausbruch des Krieges 356/5 commandierte er ein Jahr lang die attische Garnison in Arkesine auf Amorgos (Bull. hell. XII 224ff.). Im Jahr darauf, 355/4, war er Ratsherr (Dem. XXII 38) und schloss sich der von Aristophon geführten Actionspartei an, welche die drohenden Rüstungen Artaxerxes III. gegen Ägypten und die vorderasiatischen Rebellen mit dem tollkühnen Versuch, den Nationalkrieg zu entfachen, beantwortete. Auf jede Weise musste Geld geschafft werden: Leptines Gesetz, Aristophons Psephismen (Dem. XXIV 11) gehören in diese Zeit. A. wurde zum Mitglied eines Zehnmännercollegiums zur Eintreibung der rückständigen Kriegssteuern (Dem. XXII 42–68. XXIV 160–171) ernannt. Es gelang aber der Gegenpartei des Eubulos, das Volk zur Besinnung zu bringen, und als A. den Antrag stellte, den abtretenden Rat zu bekränzen, glaubte sein Feind Euktemon den politischen Umschlag benützen zu können, und hängte ihm im Bunde mit Diodoros (Dem. XXIV 64. 7. 8. XXII 1–3) eine γραφὴ παρανόμων an. Demosthenes, der im Anfang seiner Laufbahn sich Eubulos Partei angeschlossen hatte, da deren Aussichten bei der damaligen Stimmung – man denke an Isokrates Vom Frieden und Areopagitikos – ihm besser erschienen, schrieb Euktemon die Rede; die Klage kam Ol. 106, 3 = 354/3 zur Verhandlung, nicht Ol. 106, 2 = 355/4, wie Dionys (ad Amm. I 4) meint, indem er das Datum der Einsetzung der Zehnmännercommission mit gewohnter Flüchtigkeit auf die Rede überträgt. Indes täuschten sich die Kläger, A. wurde freigesprochen. Jetzt denuncierten sie ihn bei der Commission, die auf Aristophons Antrag eingesetzt war, um zurückbehaltene, den Göttern oder den Heroen zukommende Wertsachen einzutreiben. Es stellte sich heraus, dass A. mit Glauketes und Melanopos bei der erwähnten Gesandtschaft gekapertes Gut zurückbehalten hatte; doch zahlten sie den Wert aus (Dem. XXIV 187–189), nachdem sie durch ein von Timokrates (Ol. 106, 4 = 353) eingebrachtes Gesetz über die Staatsschuldner Zeit gewonnen hatten, und es blieb den Klägern nichts übrig, als mit einer γραφὴ παρανόμων über Timokrates herzufallen, in welcher Sache wiederum Demosthenes für Euktemon arbeitete. 346 beantragte A. das Decret zu Ehren der Söhne Leukons (Dittenberger Syll. 101). Wenn Plutarch (de exil. 14) nach echter Überlieferung erzählt, dass A. sein historisches Werk in der Verbannung in Megara schrieb, muss diese nach 346 fallen. Als Politiker war A. nicht besser und nicht schlechter, als alle attischen Staatsmänner der Zeit, und an diesem Urteil dürfen am wenigsten irre machen die sachwalterischen, übrigens nicht schwer aufzulösenden Lügen, welche der aufstrebende Advocat Demosthenes den Feinden des sechzigjährigen Mannes in den Mund legte. Jedenfalls in seinem Alter verfasste er eine Ἀτθίς in mindestens 8 (frg. 26), vielleicht 10 Büchern (Harp. s. διαψήφισις: ἐν τῇ ῖ Ἀτθίδος für ἐν τῇ Ἀτθίδι?), von deren Citaten keines auf eine spätere Zeit bezogen [2175] werden kann, als jenes oben angeführte, das von der Bürgerrechtsprobe des J. 346 handelt. Das 12. Buch bei Harpokr. s. Ἀμφίπολις dürfte in das 2. zu verwandeln sein. Das 1. Buch mochte die Königszeit behandelt, das 2. mit der Einsetzung der Archonten (Philochor. frg. 58) begonnen haben, sicher ist der Ostrakismos des Hipparch von Kollytos (488/7, Aristot. Ἀθ. πολ. 12, 3) darin vorgekommen (frg. 5; zu frg. 3 vgl. CIA IV 53 a. v. Wilamowitz Aristoteles und Athen I 52); im 3. lassen sich der Nikiasfriede (frg. 8) und der Sturz der 30 (frg. 10. 11) nachweisen, im 5. Kephisodots Expedition gegen Alopekonnesos aus dem J. 360/59 (frg. 17. Schol. Aeschin. III 51); im 6. die Schlacht bei Neon 354 (frg. 23), im 7. eine Unternehmung des Onomarchos aus den mittleren Zeiten des phokischen Kriegs (frg. 24), so dass klar ist, dass A. seine eigene Zeit sehr viel ausführlicher beschrieb, als die ältere. Seine Atthis ist nächst der des Philochoros am meisten gelesen; Aristoteles hat sie in der πολιτεία Ἀθηναίων benützt und bekämpft (frg. 40. Ἀθ. πολ. 6. 10; vgl. B. Keil Die solonische Verfassung in Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens 190ff. v. Wilamowitz a. a. O. I 42. 123. 288).
[Schwartz.]
Nachträge und Berichtigungen

S. 2175, 26 (Suppl.-Bd. I S. 82, 21) zum Art. Androtion:

A. vertritt die (später besonders durch die Bücher des Bolos in weite Kreise gedrungene) Ansicht, daß es auch zwischen Pflanzen Sympathie und Antipathie gebe, weshalb z. B. die Wurzeln von Myrte und Ölbaum durcheinander wachsen. Davon war wohl Bolos beeinflußt, wenn er dasselbe von Myrte und Granatapfelbaum berichtete (Geop. X 29, 5). Wellmann Abh. Akad. Berl. 1921, 22. S. o. Bd. I S. 36.
[W. Kroll.]
Anmerkungen (Wikisource)

Siehe auch Androtion 2 (Supplementband I, Sp. 82) von Max Wellman

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