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Anagnia (αἱ Ἀνάγνειαι Polyb. XXXI 21. 22. 23; Einwohner Anagninus), Hauptstadt der Herniker in Latium, auf einem isolierten Hügel (460 m.) im Thale des Trerus (Sacco), in fruchtbarer und reizender Gegend gelegen. Aus vorarischer Zeit stammt ein merkwürdiges, 1885 zwischen der Stadt und dem Sacco gefundenes Grab (Pigorini Bull. di paletnologia italiana VI 8ff. Chierici ebd. X 142. Incoronato Memorie dell’ Acc. dei Lincei, classe delle science fisiche ser. III vol. 8), welches ein rot bemaltes Skelett, Steinwaffen und einen Bronzedolch enthielt. Nach Einwanderung der Italiker ward A., begünstigt durch seine feste Lage inmitten eines fruchtbaren Gebietes, bald beträchtlich (dives A. Verg. Aen. VII 684; pinguis A. Sil. Ital. VIII 392; Cerialis A. Sil. It. XII 532). Die Bundesversammlungen der Herniker fanden bei A. in dem sog. circus maritimus statt (Liv. IX 42, 11). Der Sage nach stand ein Anagniner, Laevius Cispius, an der Spitze des Contingents der Herniker, welche Rom zu Hülfe kamen, während Tullus Hostilius Veii belagerte (Festus p. 351). Aus der Zeit der Selbständigkeit stammen die beträchtlichen Reste vortrefflicher Quadermauern (gebaut nach oskischem Mass, mit zahlreichen Steinmetzzeichen, O. Richter Bull. d. Inst. 1885, 190ff.; Herm. XXII 24). Im Kriege von 306 v. Chr. stand A. an der Spitze der Hernikerstädte, wurde vom Consul Q. Marcius Tremulus besiegt (Diod. XX 80. Liv. IX 42. Fasti [2025] triumph. Capit. Plin. n. h. XXXIV 23. Cic. Phil. VI 13) und seiner Selbständigkeit beraubt (Liv. IX 43): Festus nennt A. (p. 233) unter den praefecturae und (p. 127) in einer Reihe mit Aricia und Caere. Gelegentlich genannt wird es im Kriege mit Pyrros (Appian. Samn. 10, 2) und Hannibal (Liv. XXVI 9, 11). Zahlreiche Prodigien werden aus A. nach Rom gemeldet (Liv. XXVI 23, 5. XXVII 4, 12. XXIX 14, 3. XXX 2, 11. XLIII 13, 3. XLV 16, 5. Obsequens 11. 15. 27). Im 2. Jhdt. scheint A. dann zum römischen Bürgerrecht gekommen zu sein, welches es jedenfalls vor dem Bundesgenossenkriege bereits besass. Bei Cicero, der hier sein schönes Landgut hatte (ad Att. XII 1, 1. XV 26. XVI 8, 1; vgl. Phil. II 106; T. Titii Anagninum ad Q. fr. II 7), erscheint A. als municipium (de domo 81). Die Angabe des Liber coloniarum (p. 203), dass Drusus Caesar es zur Colonie gemacht habe, ist falsch: die Stadt war noch in der Kaiserzeit municipium (CIL X 5919). Die höchsten Beamten heissen meist praetores (CIL X 5919. 5920. 5925. 5926. 5927. 5929), die Gemeindeversammlung senatus (ebd. 5914. 5916. 5917. 5918. 5923. 5924). Unter den zahlreichen Priestertümern (vgl. M. Aurel. ad Front. ep. 4, 4) sind besonders bemerkenswert die Salii (CIL X 5925), welche vielleicht auf einem kleinen, 1865 gefundenen Relief dargestellt sind (Benndorf Ann. d. Inst. 1869, 75). Die Stadt gehörte zur Tribus Publilia (CIL VI 2377, 11. Kubitschek Imperium Romanum tributim discriptum 11) und erfreute sich eines beträchtlichen Wohlstandes (Strab. V 238 πόλις ἀξιόλογος; dagegen oppidum minutulum Marcus ad Front. a. a. O.). Mit der das Saccothal durchlaufenden Via Labicana (die unterhalb A., ad Compitum Anagninum [s. d.], sub Anagnia Itin. Ant., die Praenestina aufnahm) war A. durch eine kleine Seitenstrasse verbunden. Aus A. stammte die Concubine des Commodus Marcia (Ehreninschrift für dieselbe CIL X 5918, für ihren Vater Euhodus ebd. 5917). Gelegentlich genannt wird A. noch bei Plin. n. h. III 63. Sil. It. V 543. Serv. Aen. VII 684. Macrob. sat. V 18. Geogr. Rav. IV 33 p. 275P. Inschriften CIL X 5903–5957. 8243–8247. Vgl. R. Ambrosi-de Magistris Storia di Anagni, vol. I, Roma 1889.
[Hülsen.]
Nachträge und Berichtigungen

S. 2024, 39 zum Art. Anagnia:

S. auch Not. d. scavi 1878, 237. 1881, 216.
[Hülsen.]

Anagnia

Hauptstadt der mittelital. Hernici. (L) S I.
[Hans Gärtner.]

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

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