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Aginis, Dorf (κώμη) in Susiana, das in der Nähe der Einmündung des Tigris (πλησίον δὲ τοῦ στόματος τοῦ Τίγριος Strab. XV 729) in eine Lagune (λίμνη) lag und von Susa 500 Stadien entfernt war. Es wird von Nearchos, dem Flottenführer Alexanders, in dem Schlussabschnitt seines παράπλους erwähnt, der die Fahrt von der Euphratmündung bis zu der für die Armee Alexanders bestimmten Brücke über den Pasitigris, den jetzigen Kârun, schilderte. Dieser Teil seines Berichtes ist in zwei Auszügen erhalten: der eine, von Arrian. (Ind. 42), giebt die einzelnen Angaben in einer natürlichen, sich offenbar an das Original anschliessenden Reihenfolge wieder, während in dem anderen, von Strabon (XV 729) herrührenden, so wie er jetzt in den Hss. vorliegt, entweder durch die Schuld des Verfassers selbst oder durch die Nachlässigkeit seiner Abschreiber, die Bemerkungen des Nearchos in völlig sinnloser Weise durch einander gewürfelt sind (so gehört beispielsweise der Satz διὰ δὲ τῆς λίμνης bis πεντακοσίους unbedingt vor ἀναπλεύσαντι δὲ τῷ Πασιτίγρει). In den auf A. bezüglichen Angaben stimmen beide Excerpte auf das genaueste überein, nur darin weicht dasjenige Strabons ab, dass, nach der handschriftlichen Überlieferung, der Name des Dorfes A. nicht mit aufgenommen ist. Koraïs hat geglaubt, denselben in den Text Strabons einfügen zu müssen, und Groskurd, Kramer und C. Müller haben dies gebilligt; aber ein zwingender Grund dafür liegt nicht vor, da nur wenige Zeilen vorher, bei Erwähnung des an der Euphratmündung gelegenen Dorfes, dessen Namen bei Nearchos die Form Diridotis (sonst Teredon) hat, Strabon in gleicher Weise den Namen weggelassen hat, während Arrian Ind. 41, 6 ihn verzeichnet. Identisch mit A. ist höchst wahrscheinlich das Emporium, das ohne Angabe des Namens erwähnt wird in der von Strabon XV 728 wiedergegebenen Notiz des Polykleitos (frg. 2 Müll.) über die Lagune (λίμνη), in welche sich nach diesem nicht nur der Tigris, sondern auch der Choaspes (s. d.), der heutige Kärkhä, und der Eulaeus (s. d.), der heutige Kârun, ergiessen. Es liegt wie A. an der Lagune (πρὸς τῇ λίμνῃ), aber nicht wie dieses 500, sondern 800 Stadien von Susa entfernt; gegenüber der Übereinstimmung der Lage wird man jedoch diese Abweichung auf einen Irrtum oder eine Verwechslung des Polykleitos oder Strabon oder auf fehlerhafte handschriftliche Überlieferung zurückführen müssen; die von Koraïs, Gosselin und Groskurd befürwortete Änderung der Zahl in 1800 gründet sich auf eine völlig falsche Auffassung der ganzen Verhältnisse. [811] Für die Identität des Emporiums mit A. hat sich Forbiger Geogr. II 586 ausgesprochen, und auch C. Müller Geogr. gr. min. I 367 teilt diese Auffassung. Mit voller Sicherheit ist ferner A. in dem Dorfe Aple bei Plin. VI 134 wiederzuerkennen: qua subiit ad eam (sc. Susa) classis Alexandri Pasitigri, vicus ad lacum Chaldaicum vocatur Aple, unde Susa navigatione LXII D p. absunt. Also Aple bezeichnet genau so wie A. (s. Arrian. Ind. 42, 5 ἐνθένδε κατὰ τὸν Πασιτίγριν ἀνέπλωον) die Station, welche der Fahrt von Alexanders Flotte nach Susa auf dem Pasitigris (Kârun) unmittelbar vorhergeht. Wie A. liegt es an einer Lagune, die hier genauer als der chaldaeische See bezeichnet wird; endlich stimmen die beiderseitigen Entfernungsangaben auf das genaueste überein, da 62½ römische Meilen, zu acht Stadien die Meile, gleich 500 Stadien sind. Wenn also hiernach die Identität von A. und Aple keinem Zweifel unterliegen kann, so muss einer der beiden Namen falsch überliefert sein; das kann aber nur ΑΠΛΗ sein, das Plinius aus ΑΓΙΝΗ verlesen hat. Die Quelle, der Plinius die Angabe über Aple-Agine entnommen hat, muss, nach der ganzen Fassung der Stelle, das Werk jemandes sein, der an der Flottenfahrt teilgenommen hat; es wird dies Onesikritos sein, der hier im Gegensatz zu Plinius VI 96ff. direct benutzt worden ist. Auf die Identität von A. und Aple haben zuerst Schmieder zu Arrians Ind. 42, 4 und Mannert Geogr. V 2, 353 hingewiesen; ihnen stimmen bei Ritter Erdkunde von Asien X 29, Forbiger a. a. O. und C. Müller Geogr. gr. min. I 368. Die im Vorstehenden wiederhergestellte Form Ἀγίνη erleichtert die Heranziehung eines anderen Ortsnamens, auf dessen Zusammenhang mit A. und Aple schon Ritter a. a. O. hinzuweisen scheint. Es ist dies die von Herodot VI 20 erwähnte Stadt Ἄμπη (s. d.), welche am persischen Meerbusen an der Mündung des Tigris lag, und welche Darius I. den gefangenen Milesiern als Wohnort anwies (κατοίκισε ἐπὶ τῇ Ἐρυθρῇ καλεομένῃ θαλάσσῃ ἐν Ἄμπῃ πόλι, παρ᾿ ἣν Τίγρης ποταμὸς παραρρέων ἐς θάλασσαν ἐξίει). Die Lage der Stadt passt so genau, als man es nur erwarten kann, auf A., und der Name selbst ΑΜΠΗ ist nichts anderes als ein alter Fehler für ΑΓΙΝΗ (man erinnere sich nur so alter Corruptelen wie ὡυτός für ζάβατος bei Herod. V 52), den schon Stephanos von Byzanz (s. Ἄμπη) im Texte des Herodot vorfand. Und dieser Fehler muss wiederum schon frühzeitig die Veranlassung zu einem neuen Fehler geworden sein, indem aus ΑΜΠΗ ΑΥΓΗ wurde (s. u. Auge), das durch mancherlei verlorene Zwischenglieder hindurch sich bis in die Cosmographie des Iulius Honorius (5. Jhdt. n. Chr.) hinübergerettet hat (Geogr. lat. min. ed. Riese 30: currunt [sc. Chrysorroas et Tigris] ad Auge oppidum, quod est in sinu Persico; dann wohl auch p. 26 Augae oppidum; daraus abgeschrieben in der dem Aethicus beigelegten Cosmographie, ibid. 74 und 76). Die Identität von Aple und Ampe ist schon von Ainsworth (Researches in Assyria, Babylonia and Chaldaea 181) ausgesprochen worden, aber ohne dass er den Zusammenhang mit A. erkannt hätte, und indem er (p. 146) Ampe mit Suáb (Niebuhr [812] Reisebeschreibung II 248 Suêb), auf dem linken Ufer des Šaṭṭ alʿArab, unweit des Zusammenflusses des Euphrat und Tigris, identificiert, während andererseits Forbiger II 623f. Ampe von Aginis-Aple trennt und Kiepert Namenverzeichnis zum Atlas antiquus s. v. es zweifelnd an die Stelle des heutigen Korna setzt. Dagegen hat C. Müller Geogr. gr. min. I 368 klar erkannt, dass die Namen Agine, Aple, Ampe und Auge alle ein und dieselbe Localität bezeichnen, aber mit Unrecht auch Ἄγαρρα (s. d.) des Ptolemaios (VI 3, 5) nach dem Vorgange von Mannert Geogr. V 2, 354 und Forbiger II 586 dazugezogen. Nachdem nunmehr alles, was sich bei den Alten über Aginis-Agine findet, zusammengestellt worden ist, muss der Versuche gedacht werden, die jetzige Lage des Ortes nachzuweisen. D’Anville (l’Euphrate et le Tigre 139) identificiert A., lediglich auf Grund der vermeintlichen Namensähnlichkeit mit einem Orte am Šaṭṭ alʿArab, den er Zéini nennt und am linken Ufer des Flusses ansetzt. Die Localität, Zên bei Niebuhr (Reisebeschreibung II 205), Zain im Persian Gulf Pilot² 290f., liegt aber thatsächlich am rechten Ufer, ostsüdöstlich von Basra. Die nach ihm die Frage behandelt haben, sind fast ausnahmslos durch eine falsche Auffassung der Stelle Arrians Ind. 42, 4 dazu geführt worden, A., anstatt an den Tigris, an den Pasitigris (Kârun) zu verlegen. Vincent (the Voyage of Nearchus, Ausg. von 1797, 429. 433. 438), der dies zuerst that, setzte es an die Mündung des Kârun, als welche er, aber schwerlich mit Recht, den Khôr oder Khaur Mûsâ betrachtet (s. Persian Gulf Pilot² 283); später änderte er (the Voyage of Nearchus translated 66) im Anschlusse an Schmieders Anmerkung zu Arrian. Ind. 42, 4 seine Ansicht und verlegte es an die Ostseite des Tigris; dagegen sucht Mannert (Geogr. V 2, 348) es weit stromaufwärts am Pasitigris an der Stelle des heutigen Ahvâz (eigentlich Sûq alAhvâz, d. h. ‚Markt der Uxier‘), in 31° 19′ 27″ nördl. Breite und 48° 46′ 10″ östl. Länge Greenw., das er ungenau Ahwah nennt, indem er die Fahrt von 600 Stadien quer über die Lagune bis zur Tigrismündung, wo A. lag (Arrian. Ind. 42, 4 ἀπὸ δὲ τῆς λίμνης ἐς αὐτὸν τὸν ποταμὸν στάδιοι ἑξακόσιοι, ἵνα καὶ κώμη τῆς Σουσίδος, ἣν καλέουσιν Ἄγινιν. Strab. XV 729 διὰ δὲ τῆς λίμνης ἐπὶ τὸ στόμα τοῦ Τίγριος τὸν ἀνάπλουν εἶναι σταδίων ἑξακοσίων· πλησίον δὲ τοῦ στόματος κώμην οἰκεῖσθαι τὴν Σουσιανήν; vgl. darüber Schmieder zu Arrians Ind. l. c. und C. Müller Geogr. gr. min. I 367, ganz willkürlich als Fahrt auf dem Pasitigris fasst. Ihm folgen Ainsworth (Researches in Assyria, Babylonia and Chaldaea 193. 202. 203; A personal narrative of the Euphrates Expedition II 226), Ritter (Erdkunde von Asien IX 229), Forbiger (Geogr. II 586), Chesney (Expedition for the survey of the rivers Euphrates and Tigris I 203. II 356 u. Karte XI), Loftus (Travels and Researches in Chaldaea and Susiana 291), Smith (Dictionary of Greek and Roman Geography, s. v. Aphle), während Rawlinson (Journ. Roy. Geogr. Soc. London IX 90) dort die Stelle für die Brücke (σχεδίη) sieht, auf welcher Alexander das Heer über den Fluss nach Susa [813] führte, was Ritter (Erdk. v. Asien X 321) trotz seiner vorher ausgesprochenen Ansicht über A. ebenfalls für ‚höchst wahrscheinlich‘ hält. Später hat dann Ritter (Erdk. v. Asien IX 29), auf Grund ganz verfehlter Combinationen, das heutige Basra, ‚nur wegen der veränderten Flussläufe weiter gegen Nordost gerückt, um es Susa mehr anzunähern, als die ungefähre Gegend der Lage des alten A.‘ bezeichnet, indem er zugleich, im Hinblick auf die grossen Veränderungen, denen das Mündungsgebiet der Flüsse Mesopotamiens und Susianas seit dem Altertume unterworfen gewesen ist, auf die Schwierigkeit einer genaueren Bestimmung hinweist. Und eine solche erscheint in der That völlig ausgeschlossen, so lange umfassende Localuntersuchungen uns nicht eine sichere Einsicht in die allmähliche Umgestaltung des Euphrat-Tigrisdeltas verschafft haben; denn dass es zur Zeit Alexanders eine von der heutigen völlig verschiedene Gestalt hatte, das geht aus den Berichten seiner Zeitgenossen mit der allergrössten Bestimmtheit hervor. Damals ergossen sich Tigris, Choaspes (Kärkhä), Pasitigris (Kârun) und vielleicht auch der Euphrat in eine grosse Lagune (λίμνη, lacus Chaldaicus; die darauf bezüglichen Angaben bei Arrian. Ind. 42, 2. Strab. XV 728f. Plin. VI 99. 130. 134), welche durch einen Uferwall (Nehrung) von dem offenen Meere getrennt war; die in jenem vorhandenen Unterbrechungen galten als die Mündungen der hinter ihnen liegenden Flüsse und sind zum Teil wohl auch später zu solchen geworden (das Nähere s. unter Euphrates, Tigris, Choaspes, Eulaios, Pasitigris). Von dem Umfange der Lagune giebt der Bericht des Nearchos bei Arrian und Strabon eine ungefähre Vorstellung, da die Fahrt quer über dieselbe, von der Mündung des Euphrat bis zu der des Tigris 600 Stadien, also 15 geographische Meilen (111 km.) betrug. Seit jener Zeit ist durch Ablagerung der Flusssedimente die Lagune allmählich ausgefüllt worden und das jetzige Delta entstanden. Überreste derselben sind vielleicht erhalten in den Sümpfen nordwestlich von Basra und östlich vom Tigris, zwischen diesem und dem Kärkhä. Zu einer ähnlichen Auffassung der Oberflächengestalt des Šaṭṭ alʿArab-Gebietes zur Zeit Alexanders, wie die soeben dargelegte, ist auch C. Müller gelangt und hat ihr Ausdruck verliehen auf der Karte XV zu den Geogr. gr. min. Doch scheint es geboten, in einigen Punkten von der dort gegebenen Darstellung abzuweichen. So trennt Müller die Mündungen des Tigris und des Pasitigris (Kârun) durch einen Zwischenraum von 600 Stadien, indem er, wie es scheint, die Länge der Fahrt auf der Lagune darauf übertragen hat, jedoch ohne irgend einen zwingenden Grund. Sie müssen vielmehr in unmittelbarer Nähe von einander gelegen haben, so etwa wie jetzt Šaṭṭ alʿArab und Kârun bei Muḥammärä (ca. 5½ km. = 30 Stadien), denn nach der Ankunft an der Tigrismündung wird sowohl in dem Auszuge des Arrian wie in dem des Strabon sofort auf den Pasitigris und die Fahrt auf demselben übergegangen, ohne Angabe einer Zwischendistanz, die daher nur ganz unbeträchtlich gewesen sein konnte. Denkbar wäre auch, dass vom Tigris in der Nähe seiner Mündung [814] ein kurzer Kanal, wie der jetzige Ḥaffâr, zum Pasitigris geführt habe, vgl. Arrian. Anab. VII 7, 2. A. selbst setzt Müller 500 Stadien in der Luftlinie von Susa entfernt an; aber dass die Distanzangabe so aufzufassen sei, ist schon an sich undenkbar und wird durch die Stelle des Plinius (VI 134) geradezu widerlegt, da die dort angegebene Entfernung ausdrücklich von der Fahrt zu Schiff (navigatione) nach Susa gilt. Die directe Entfernung wird also ungefähr 400 Stadien, 10 geographische Meilen (74 km.) betragen haben; selbst unter der sehr wohl denkbaren Voraussetzung, dass Nearchos die Entfernungsangabe den Eingeborenen verdankt habe, und diese dabei an das etwas längere babylonische Wegemass gedacht hätten, würde der Betrag nur ein unwesentlich höherer sein. Was die Richtung anbetrifft, in der A. von Susa lag, so kann sie im allgemeinen nur eine südwestliche gewesen sein, wobei aber ein Spielraum von wenigstens 22½° zulässig ist. Müller hat A., natürlich in rein hypothetischer Weise, direct südwestlich von Susa angesetzt. Erwähnenswert ist, dass die genannte directe Entfernung uns in die nächste Nähe von Ḥavîzäh führen würde, das etwa 80 km., also ungefähr 11 geographische Meilen, südsüdwestlich von Susa liegt. Dies würde für die von Müller vertretene Gleichsetzung des ptolemaeischen Agarra mit A. sprechen (s. o.), da Agarra (s. d.) höchst wahrscheinlich die Vorgängerin des heutigen Ḥavîzäh ist. Dagegen spricht aber auf das entschiedenste der Umstand, dass A. am Tigris, nicht wie Ḥavîzäh am Kärkhä-Choaspes liegt. Ob A. auf der Ostseite der Tigrismündung lag, wie Müller will, und wie bei einer susischen Ortschaft zunächst vorauszusetzen ist, lässt sich nicht mit voller Sicherheit behaupten, da eine Bemerkung bei Arrian Ind. 42, 2, falls dieselbe nicht einem Missverständnisse entsprungen ist, nur unter der Voraussetzung richtig ist, dass sich auch auf der Westseite des Tigris susisches Gebiet befand. Als nämlich Nearchos von der Mündung des Euphrat nach der des Tigris schiffte, also in der Richtung von Westen nach Osten, oder von Südwesten nach Nordosten, hat er zur Linken susisches Gebiet (ἔπλωον δὴ τὸ ἔμπαλιν ἐν ἀριστερῇ τὴν γῆν τὴν Σουσίδα ἔχοντες). Also kann A. auch auf dem rechten, westlichen Tigrisufer gelegen haben. Hiermit sind alle Gesichtspunkte zur Sprache gebracht worden, welche für die in Zukunft vielleicht mögliche endgültige Bestimmung der Lage von A. massgebend sind. Von Wichtigkeit dafür ist die Thatsache, dass bereits die Inschriften der assyrischen Könige A. kennen, dass dieser Name identisch ist mit dem Hauptbestandteile des dort so oft genannten Bît-Iakin(i) (Ia-ki-ni) ‚Haus (d. i. Söhne) Iakins‘. So hiess im 8. Jhdt. v. Chr. (bei Tiglath-Pileser III. 745–727, einmal, Sargon 722–705, Sanherib 705–681) der bedeutendste der Chaldaeerstaaten in Süd-Babylonien, mit der Hauptstadt Dûr-Iakin „Iakinsburg“ (s. Delitzsch Wo lag das Paradies 203. Winckler Untersuchungen zur altoriental. Geschichte 52ff.), so genannt nach dem Begründer oder einem hervorragenden Fürsten der dort regierenden Dynastie, dem König Iakin, einem Zeitgenossen Salmanassars II. (860–825 [815] v. Chr.). Das Gebiet dieses Staates umfasste den südlichsten Teil Babyloniens und lag am Meere; es ist als das eigentliche Stammland der Chaldaeer zu betrachten (s. Winckler a. a. O.). Sein ursprünglicher Name war vielleicht Karduniaš d. h. Land der Kaldi (Chaldaeer) (so Tiele Babylonisch-Assyrische Geschichte I 80. Winckler Unters. 135f.), aber gewöhnlich, und zwar schon in sehr früher Zeit (um 1100, Winckler Unters. 50 Anm. 1), wird es nach seiner Lage das „Meerland“ (mât tam-dim, mât tam-tim Keilinschr. Bibliothek II 128. 144. 184. 194; mât tam di I 138; mât tâmtim II 272; auch einfach tam-tim „Meer“ II 14) genannt. Derjenige Meeresteil, an dem Bît-Iakin liegt, führt in den assyrischen Inschriften einen besonderen Namen (vgl. Schrader Berl. Ak. Abh. 1877, 176f. Delitzsch Paradies 180ff.) (nâru) Marratu (mar-ra-ti, Keilinschr. Bibl. II 54. 68. Sanherib, Kujunǧikstiere 2, 5), oder auch, ohne das vorgesetzte Determinativ nâru „Fluss“, Mar-ra-ti (Keilinschr. Bibl. I 138), und genauer präcisiert (nâru) Mar-ra-ti ša Bît-Ia-ki-ni, „das Marrat von Bît-Iakin“ (Keilinschr. Bibl. II 10), wie es auch von Bît-Iakin selbst heisst ša ki-šad (nâru) Mar-ra-ti „das am Gestade des Marrat liegt“ (Keilinschr. Bibl. II 54). Endlich erwähnt Salmanassar II. (860–825) in seinen Stierinschriften (s. Amiaud et Scheil Les inscriptions de Salamanassar II 8. 46): tam-di ša (mâtu) Kal-di ša (nâru) mar-ra-tu i-qa-bu-ši-ni „das Meer von Chaldaea, das man Marrat nennt“. Diesen Ausdruck Marrat hält nun Schrader (a. a. O. 176f.) für eine Bezeichnung des persischen Meerbusens, wogegen Delitzsch (a. a. O.) mit Recht geltend gemacht hat, dass „Meer“ tâmtum niemals, wie dies doch bei Marratu der Fall sei, das Determinativ „Fluss“, nâru, vor sich habe, Marratu bezeichne daher nicht den persischen Meerbusen, sondern sei der Terminus technicus für einen Meeresarm, der sich im Altertume landeinwärts erstreckt habe, später aber infolge des Wachstums des Euphrat-Tigrisdeltas verschwunden sei (vgl. auch die Karte zu Delitzsch Paradies). Zugleich erklärt er den Namen Marratu in einleuchtender Weise als Femininum des Adjektivs marru „bitter“; Marratu ist also „Bitterwasser“. Nachdem oben das Vorhandensein einer grossen Lagune an den Mündungen des Euphrat und Tigris im Altertume nachgewiesen worden ist, ergiebt sich die Identität derselben mit dem (nâru) Marratu der assyrischen Inschriften in zwingender Weise von selbst. Dem Namen einer vom Meere abgetrennten, langgestreckten Bucht, welche gewissermassen die Fortsetzung der in sie einmündenden Flüsse bildete, konnte recht wohl das Determinativ nâru „Fluss“ vorgesetzt werden; in hohem Grade zutreffend ist auch die Bezeichnung „Bitterwasser“ für eine Lagune, denn das Wasser einer solchen ist ja weder salzig wie das des Meeres, noch süss wie das der Flüsse, sondern Brackwasser. Es mag noch darauf hingewiesen werden, dass, wie sich bei Jeremia 50, 21 die Kunde von einem Lande Marratim findet, das wahrscheinlich den Namen von seiner Lage an der Lagune Marrat hatte, und das vielleicht mit Bît-Iakin identisch war (Delitzsch a. a. O. 182), sich der Name derselben auch bei Ptolemaios [816] VI 3, 3 in dem graecisierten Namen der Landschaft Melitene (s. d.), die am Tigris lag (καλεῖται δὲ καὶ ἡ μὲν παρὰ τὸν Τίγριν χώρα Μελιτηνή), erhalten zu haben scheint. Eine auffallende, vielleicht nicht blos auf Zufall beruhende Übereinstimmung bietet auch die Benennung der Lagune als lacus Chaldaicus bei Plinius mit der Bezeichnung „Meer von Chaldaea“ bei Salmanassar II. (s. o.). Wie Bît-Iakin am Gestade des Marrat, so liegt auch A. am Ufer der Lagune. Die Identität beider Namen macht es nicht notwendig, aber doch wahrscheinlich, dass A. auf der Westseite des Tigris lag (s. o.). Ob es mit der Hauptstadt Dûr-Iakini „Iakinsburg“ identificiert werden darf, muss unentschieden bleiben, so lange wir nicht wissen, wie gross zu jener Zeit die Entfernung zwischen Euphrat und Tigris an der Lagune war, denn Dûr-Iakin kann nicht allzu weit ab vom Euphrat gelegen haben (vgl. Sargons Bericht über die Befestigung von Dûr-Iakin, Keilinschr. Bibl. II 70 und Winckler Keilschrifttexte Sargons I 54ff. u. seine Einleitung XXXVII). Ein König aus der alten Dynastie von Bît-Iakin wird noch von Ašurbanipal (668–626 v. Chr.) erwähnt. Die bedeutende Rolle, welche dieses kleine Reich in der Geschichte jener Gegenden gespielt hat, lässt erwarten, dass sein Name den Verlust seiner Unabhängigkeit überdauert hat. Eine Erwähnung desselben auch bei Herodot, wie sie die oben vorgeschlagene Änderung von Ἄμπη in Ἀγίνη ergeben würde, erscheint daher in keiner Weise verwunderlich. Ist nun nach den gegebenen Erörterungen an der Identität von Aginis-Agine mit (Bît-)Iakin nicht zu zweifeln, so wird, wenn einmal, wie zu hoffen, die Lage von Bît-Iakin sich durch Keilinschriftenfunde wird feststellen lassen, damit auch diejenige von A. innerhalb verhältnismässig enger Grenzen gegeben sein.
[Andreas.]

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