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Die Aristotelische Naturphilosophie bezeichnet einen Abriss der Naturphilosophie des Aristoteles, ihre Fortentwicklung, Weiterbildung, Umbildung und Wiederbelebung von der Antike bis zu den gegenwärtigen philosophischen Strömungen.

Grundzüge der aristotelischen Philosophie

Aristoteles, der universelle Kopf unter den Philosophen des antiken Griechenlands, behandelte in seinen Schriften sämtliche Wissensgebiete seiner Zeit. Er hat Logik, Physik, Biologie u.a. als Einzelwissenschaften begründet und zugleich die ontologisch orientierte griechische Philosophie zu ihrem Höhepunkt geführt. In seinem Denken stehen sich dialektische und adialektische, materialistische und idealistische Züge gegenüber. Er bezog Stellung gegen Platons Ideenlehre. Da er keinen Zweifel an der Existenz der äußeren Welt hegte, gestand er selbstständige Existenz nur den konkreten Dingen zu, wie sie sich phänomenologisch aufweisen lassen. Von der sinnlichen Wahrnehmung der Dinge habe die Erkenntnis zur begrifflichen Abstraktion emporzusteigen, die logisch beweisbaren und notwendiges Wissen erbringt. Der materialistische Atomismus Demokrits genüge dieser Forderung nicht.

Zum Aufbau der Elemente

Der aristotelischen Naturphilosophie zufolge ist die Welt nicht aus Atomen aufgebaut, sondern wird durch die "Formen" gestaltet. Diese sind ontologische Korrelate der Allgemeinbegriffe, jedoch existieren sie nicht als Platonische Ideen im Transzendenten, sondern in den Dingen inhärent. Insofern das zu gestaltene Material schon immer vorgeformt ist, hat es die aristotelische Naturphilosophie mit "Form und Materie" als einer Hierarchie relativer Konzepte zu tun. Auf unterster Stufe stehen die Empedokleischen Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer. Die Naturstoffe sind verschieden proportionierte "Mischungen" der Elemente. Dieser Gedanke war eine Quelle der alchemistischen Versuche, durch willentliche Änderung jener Mischung eine Transmutation der Metalle zu bewirken. Die "Formen" der Elemente sind identisch mit den Kombinationen (trocken - kalt, kalt - feucht, feucht - warm, warm - trocken) von "primären Qualitäten", die der unmiitelbaren Empfindung zugänglich sind.

Das Material der Elemente ist die völlig ungeformte (amporphe) Urmaterie (prima materia). Sie ist ewig und unzerstörbar. Jedoch existiert sie lediglich im Modus des Möglichseins, nicht des Wirklichseins. Letzteres kommt nur der von der Form gestalteten Materie zu. Die Aufgliederung des Seins in diese beiden Modi gestattete es Aristoteles, hinter den Dingen, wie es die Tradition erforderte, ein bleibendes Sein zu finden und dennoch die Bewegung, wie es die Phänomene verlangen, als konstitutives, immerwährendes Prinzip der Natur zu verstehen.

Zum Bewegungsbegriff

Der Bewegungsbegriff der aristotelischen Naturphilosophie umfasst sechs Arten:

  • Entstehen und Vergehen: Veränderung dem Wesen nach
  • Vergrößerung, Verringerung: Veränderung der Quantität nach
  • Übergang von einem Zustand in einen anderen: Veränderung der Qualität nach
  • Ortsveränderung: Veränderung der Lage nach

Definiert ist die so verstandene Bewegung eines Dinges, der Prozess, den es erfährt, als die Verwirklichung eines seiner im Modus des Möglichseins befindlichen Moments. Sie erfolgt, indem die "Form" von dem Material Besitz ergreift. Bewegung setzt daher

  • erstens die materielle, stoffliche Ursache und
  • zweitens die Formursache voraus. Außerdem gibt es
  • drittens die hervorbringende (effiziente) und
  • viertens die Zweck- oder Endursache (Finalursache)), eine der wichtigsten Prinzipein der aristotelischen Naturphilosophie

Zur Formkraft und den Himmelsbewegungen

Die zielstrebig verwirklichende Formkraft ist die Entelechie. Insbesondere ist die Seele die Entelechie des Leibes, die ihn zweckbestimmt bewegt. Tätigkeit, (speziell als handwerkliche) ist das Modell für die allgmeine (von Anthropomorphismus geprägte) Bewegungslehre der aristotelischen Naturphilosophie. Jede Bewegung ist daher zweiseitig, durch Anfang und Ziel begrenzt. Eine Ausnahme bilden die Himmelsbewegungen, bei denen beides zusammenfällt und die somit in ewigen Kreisläufen erfolgen. Theoretisch werden diese durch die Adaption des Modells von Eudoxos von Knidos erfasst, das von Drehungen verkoppelter konzentrischer Kugelschalen ausgeht. Diese und die Sterne bestehen der aristotelischen Naturphilosophie zufolge aus kristallinem Äther, einem von den vier völlig verschiedenen unwandelbaren fünften Element.

Zu den spezifischen Formen der Bewegung und das Negieren des Vakuums

Die Ewigkeit der Bewegung erklärt Aristoteles, indem er eine "reine" materiefreie Endform als das "Erstbewegende" annimmt. Zugleich leistet die Materie jeder Bewegung Widerstand. Dieser ist, da die Materie den Status des Nur-Möglichen besitzt, ein Maß für den Grad des Noch-nicht-wirklich-Seins des Zieles. Verschwände er, so würde das Ziel augenblicklich erreicht werden. Aus diesem Grunde negieren die Vertreter der aristotelischen Naturphilosophie die Exstenz des Vakuums. Es gilt der Grundsatz, dass alles, was sich bewegt, von etwas anderem bewegt wird: so die Lebewesen durch die Seele, tote Gegenstände durch Druck und Zug von anderen Körpern; einem Wurfgeschoß dient die umgebende Luftschicht als kontaktierender Beweger, nachdem ihr der Werfende Bewegung bewirkendes Vermögen übertragen hat.

Zum Charakter der natürlichen und gewaltsamen Bewegungen

Da sich das freie Fallen der schweren und das spontane emporsteigen der leichten Körper diesem Typ der sogenannten gewaltsamen Bewegung nicht unterordnen, versteht sie die aristotelische Naturphilosophie als davon prinzipiell verschiedene "natürliche Bewegungen". Sie rührten davon her, dass die Elemente ihren "natürlichen Orten" zustreben, weil sie erst dort ihr volles Sein verwirklichen. Der natürliche Ort des Elements Erde ist eine Kugel um das Weltzentrum, der konzentrischen Kugelschalen als natürliche Orte der anderen Elemente folgen. Abgeschlossen wird das Weltall durch die Himmelssphären. Somit räumlich endlich, ist es jedoch zeitlich getrennt.

Eine Reihe von aristotelischen Auffassungen stellte während zweier Jahrtausende die Grundlage der Naturwissenschaft dar. Dabei stehen die prinzipiellen Unterscheidungen zwischen himmlischer und sublunarer Physik sowie zwischen natürlichen und gewaltsamen Bewegungen der Entwicklung der adäquaten Mechanik entgegen. Arsitoteles vertrat die Lehre von der Kugelgestalt des Mondes (ausgehend von der Untersuchung der Mondphasen) und der Erde (ausgehend von der Untersuchung der Schattenformen auf dem Monde). Er beschrieb, z.T. erstmalig, rund 500 Tierarten, ordnete sie auf Grund vergleichender Untersuchungen in eine Stufenfolgte der Naturdinge ein und unterschied als erster verschiedene durch ihre Beschaffenheit unterschiedene Schichten der Naturwirklichekit, deren jeweils niedere die "Substanz" (als das Material) für die "Formen" der höheren Schicht sein soll.

Zum Prinzip der Entwicklung der Arten bei Aristoteles

Nach Aristoteles schreitet die Natur in kleinen Schritten von unbelebten zu belebten Dingen fort. Dabei folgen auf die unbelebten Dinge die Pflanzen, die mit jenen verglichen lebendig, mit den Tieren verglichen aber unbelebt erscheinen. Einige Meerestiere klassifiziert Aristoteles als Zwischenformen zwischen Pflanzen und Tieren. Auf sie lässt er die "blutlosen Tiere" (als Wirbellose), die Wirbeltiere und als höchste Stufe den Menschen folgen. Diese Stufenfolge enthält die Erkenntnis, dass in der abgestuften Ähnlichkeit der mehr oder minder kompliziert gebauten Lebewesen ein innerer Zusammenhang zum Ausdruck kommt. Dabei ist der Unterschied zwischen Homologie und Analogie noch nicht ausdrücklich betont.

Aristoteles als Begründer der vergleichenden Anatomie

Aristoteles gilt auch als Begründer der vergleichenden Anatomie. Er befasste sich eingehend mit der Untersuchung der embryonalen Entwicklung der Organismen. Auf Grund zahlreicher Beobachtungen, besonders am Hühnerembryo, gelangte er zu dem Schluss, dass sich der Organismus durch allmähliche Neubildung seiner Teile formt. Ausgehend von seiner teleologischen Grundauffassung entwickelte er eine theoretische Begründung der Urzeugung (siehe generatio aequivoca).

Zur Fortsetzung der Naturlehre des Aristoteles in der Antike

Die aristotelische Naturphilosophie fand zunächst unmittelbar ihre Fortsetzung in der älteren peripatetischen Schule. Für die Naturwissenschaft hat sie reichhaltiges neueres Material verarbeitet. So ist z.B. Theophrast für die Pflanzenkunde bis über das Mittelalter hinaus von Bedeutung. Wichtige Vertreter der jüngeren peripatetischen Schule sind Straton von Lampsakos, Aristarch von Samos und Alexander von Aphrodisias. Diese Schule gab in ihren Kommentaren eine im wesentlichen materialistische Deutung der aristotelischen Naturphilosophie. Sie befreite sie von platonischen Elementen: das metaphysische unbewegte Erstbewegende wird bestritten, das teleologische Wesen der Form abgelehnt u.a. Nach Straton ist die Welt ein Werk der Naturnotwendigkeit, nicht der Gottheit bzw. der letzteren nur insofern, als sie mit der Natur identisch ist.

Aristarch entwarf den Ansatz eines heliozentrischen Weltsystems. Alexander von Aphrodisias betonte besonders die Ewigkeit der Welt, die Sterblichkeit der Seele und entwickelte seine Lehre vom aktiven Intellekt sowie eine nominalistische Erkenntnistheorie. Vorwiegend über Alexander wurden die Philosophen des arabischen Sprachgebiets mit Arsitoteles bekannt.

Zur Aufnahme der aristotelischen Naturphilosophie in der Scholastik

In der Patristik und der frühen Scholastik spielt die aristotelische Naturphilosophie eine geringe Rolle, denn im Vordergrund steht der Platonismus. Im 13. Jahrhundert wurde, vorwiegend durch Albertus Magnus und Thomas von Aquin, die Philosophie des Aristoteles von Elementen, die der kirchlichen Dogmatik sntößig erschienen gereinigt (siehe Aristotelismus) und zu einer tragenden Säule der Scholstik umgedeutet. Dabei kam es zu tiefgreifenden Auseinandersetzungen mit dem lateinischen Averroismus (Siger von Brabant, Boethius von Dacien † nach 1283) und panthetischen Strömungen (David von Dinant). Der idealistisch verstandene Aristotelismus wird nach anfänglichen Widerständen der kirchlichen Orthodoxie theoretische Grundlage der Scholastik und Neuscholastik bis zum 17. Jahrhundert. Die von Philipp Melanchthon begründete protestantische Schulphilosophie nutzte die idealistischen Elemente dieses Aristotelismus.

Zur Überwindung des hemmenden Einflusses der aristotelischen Naturphilosophie in der Renaissance

Durch das Beharren auf idealistischen Gedanken des Aristotelismus und das Festhalten an den naturwissenschaftlichen Ergebnissen seiner Lehre wird die aristotelische Naturphilosophie im Verlauf der Renaissance immer mehr zu einem Hemmschuh der philosophischen und einzelwissenschaftlichen Entwicklung und von fortschrittlichen Denkern erbittert bekämpft (z.B. von Petrus Ramus, den Naturphilosophen der Renaissance, Francis Bacon (Philosoph), Rene Descartes u.a.). Große Verdienste bei der Überwindung der aristotelischen Lehren der Physik kommt Galileo Galilei zu. Im Gegensatz zu der scholastisch interpretierten aristolelischen Naturphilosophie stand die averroistische, materialistisch orientierte aristotelische Naturphilosophie. Sie vertrat, verteidigte und entwickelte die Auffassungen von der Ewigkeit der Welt und der Materie, der Sterblichkeit der Seele und die Mikrokosmos-Makrokosmos-Lehre weiter. Nach dieser Richtung ist die nicht die göttliche Vorstellung, sondern der Mensch Mittelpunkt der Natur, die Menschheit ist ewig. Vertreter dieser, besonders für die Naturphilosophie weitergehenden Richtung sind Siger von Brabant und Pietro Pomponazzi.

Zum Versuch der Neubelebung in der Neuzeit in der Auseinandersetzung mit der Philosophie Hegels

Im Verlauf ihrer Entwicklung nahm die aristotelische Naturphilosophie im unterschiedlichen Maße Elemente des Platonismus, des Stoizismus u.a. Strömungen auf. Mit der Aufklärung und der Entwicklung der modernen Naturwissenschaft wurde aber ihr Einfluß stark zurückgedrängt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte Friedrich Adolf Trendelenburg den Aristotelismus auf der Grundlage der Ideen von Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer u.a. Philosophen der Neuzeit zu erneuern. Sein Hauptziel war dabei die Kritik an der Philosophie von Hegel, insbesondere seiner Dialektik. Der Neuthomismus bezeichnete sich selbst bisweilen als thomistisch-aristotelische Philosophie. Auch in den kritischen Realismus sind Elemente der aristotelischen Naturphilosophie eingeflossen.

Literatur

  • Horn, Christoph / Rapp, Christof (Hgg.), Wörterbuch der antiken Philosophie, München 2002 (Erläuterungen zahlreicher Termini der antiken und auch der aristotelischen Philosophie) (ISBN 3406476236)
  • Rapp, Christof: Aristoteles zur Einführung, Hamburg 2004 ISBN 3885063468. (die beste deutschsprachige Einführung zu Aristoteles mit sehr guter thematisch gegliederter Bibliografie für Einsteiger)

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