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Karte des wahrscheinlichsten Ortes der Varusschlacht, Kartenquelle: [1]

Das ist der Teutoburger Wald,
Den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus steckengeblieben.
Heinrich Heine, Das ist der Teutoburger Wald

In der Varusschlacht (traditionell auch: Schlacht im Teutoburger Wald oder Hermannsschlacht) im Herbst des Jahres 9 n. Chr. erlitten drei römische Legionen samt Hilfstruppen und Tross unter Publius Quinctilius Varus eine vernichtende Niederlage gegen ein germanisches Heer unter Führung des Cheruskerfürsten Arminius („Hermann“). Die Schlacht leitete das Ende der Versuche ein, auch die rechtsrheinischen Gebiete Germaniens zu einer Provinz des Römischen Reiches zu machen, da ein Zehntel des römischen Gesamtheeres vernichtet wurde.

Das politisch-strategisch Bedeutsame dieser Schlacht liegt darin, dass die germanischen Gebiete sich selbst überlassen blieben und nicht in den römisch/romanischen Kulturkreis einbezogen wurden. Diese Tatsache gilt als entscheidend für die weitere Entwicklung Europas bis in die heutige Zeit, da die germanischen Stämme in der Völkerwanderung sich nicht auf Dauer in das römische Reich integrieren ließen.

Als Ort der Schlacht wurden und werden verschiedene Stätten in Norddeutschland vermutet. Nach neuen Erkenntnissen gibt es überzeugende Hinweise, dass die historisch bedeutsame Schlacht im Raum Bramsche-Kalkriese am Wiehengebirge im Osnabrücker Land stattgefunden hat.

Die Varusschlacht gehört zu den weltgeschichtlichen Ereignissen, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder herangezogen wurden, um aus einem historischen Kontext bis in die jeweilige Jetzt-Zeit gültige Grundsatzaussagen zu politischen und weltanschaulichen Standpunkten abzuleiten. Unter anderem wurde der Sieg der Germanen verschiedentlich als deutscher Gründungsmythos gedeutet; die Bedeutung der Ereignisse wurde dabei wohl oft überschätzt. Die Debatte um Schauplatz und Verlauf der Auseinandersetzung wird daher bis heute oft sehr emotional geführt. Neben dem Widerstreit unterschiedlicher Ideologien spielt auch der Lokalpatriotismus einzelner Diskutanten eine Rolle, die hoffen, ihrem jeweiligen Heimatort als Schlacht-Schauplatz einen bedeutenden Platz in den Geschichtsbüchern sichern zu können.

Historischer Hintergrund und Verlauf der Schlacht

Vorgeschichte

Der Zug des Varus war Teil einer umfangreichen Kampagne zur Ausdehnung der Reichsgrenzen östlich des Rheins und nördlich der Alpen oder der Donau, die 15 v. Chr. mit dem von Augustus' Stiefsöhnen Drusus und Tiberius geführten Feldzug gegen die Räter und Vindeliker begann. Drusus, der danach den Befehl über die Legionen am Rhein übernahm, führte in den Jahren 12 v. Chr. bis zu seinem Tod 9 v. Chr. ausgedehnte Erkundungszüge östlich des Rheins durch, bei denen er Elbe und Saale erreichte. Vom IJsselmeer aus konnte die römische Flotte die Operationen unterstützen. Ziel der Römer war es, die Siedlungsgebiete germanischer Stämme zwischen Rhein und Elbe dauerhaft unter römische Herrschaft zu bringen. Dazu errichteten sie eine Reihe von befestigten Legionslagern und versuchten, unter den Stämmen Verbündete zu gewinnen.

Tiberius, der inzwischen Pannonien erobert hatte, setzte nach dem Tod seines Bruders diese Politik fort, bis er 6 v. Chr. aus dynastischen Gründen ins selbstgewählte Exil ging. Weitere Erfolge bei der Befriedung des Landes wurden von Lucius Domitius Ahenobarbus und nach Tiberius' Rückkehr 4 n. Chr. erzielt. Als Bedrohung stellten sich dabei die unter Drusus in das Gebiet des heutigen Böhmen vertriebenen Markomannen unter ihrem Herrscher Marbod heraus. Der im Jahr 6 n. Chr. gegen Marbod geplante Großangriff von 12 Legionen unter Tiberius und Gaius Sentius Saturninus musste aber wegen des zur gleichen Zeit in Pannonien und Dalmatien ausgebrochen Illyrischen Aufstands (6-9 n. Chr.) abgebrochen werden. Zum neuen Befehlshaber am Rhein wurde 7 n. Chr. Publius Quinctilius Varus ernannt.

Der römische Statthalter Varus

Varus, der als erfahrener Militär- und Verwaltungsfachmann galt, sollte in den schon römisch beherrschten Gebieten das römische Recht und insbesondere das römische Steuerrecht einführen. Sein Amt übte er angeblich mit wenig Feingefühl und Rücksicht auf germanische Gepflogenheiten aus, allerdings kann es auch sein, dass die antike Überlieferung Varus zum Sündenbock gemacht hat. Der römische Historiker Cassius Dio schreibt über die Situation der Römer vor Ort und die von Varus angeblich begangenen Fehleinschätzungen:

„Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten [...] Ihre Soldaten bezogen hier ihre Winterquartiere, Städte wurden gegründet und die Barbaren passten sich der römischen Lebensweise an, besuchten die Märkte und hielten friedliche Zusammenkünfte ab. Freilich hatten sie auch nicht die Sitten ihrer Väter, ihre angeborene Wesensart, ihre unabhängige Lebensweise und die Macht ihrer Waffen vergessen. Solange sie allmählich und behutsam umlernten, fiel ihnen der Wechsel ihrer Lebensweise nicht schwer – sie fühlten die Veränderung nicht einmal. Als aber Quinctilius Varus den Oberbefehl über Germanien übernahm und sie zu rasch umformen wollte, indem er ihre Verhältnisse kraft seiner Amtsgewalt regelte, ihnen auch sonst wie Unterworfenen Vorschriften machte und insbesondere von ihnen wie von Untertanen Tribut eintrieb, da hatte ihre Geduld ein Ende.“

Nach Ansicht einiger Historiker (etwa Werner Eck) führen diese Aussagen allerdings in die Irre: Germanien sei vor 9 n. Chr. nicht nur „fast“, sondern auch de jure bereits in den Status einer Provinz überführt worden und habe als befriedet gegolten; Varus habe vermutlich den ausdrücklichen Auftrag gehabt, die Verwaltung aufzubauen und Steuern zu erheben. Ob sich diese Annahme durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Arminius als Gegenspieler von Varus

Varus' Gegenspieler war Arminius, ein Fürst der Cherusker, der in seiner Jugend als Geisel nach Rom gekommen und dort zum römischen Offizier ausgebildet worden war. Er galt als verlässlicher Bundesgenosse und Vertrauter der Römer. Er wurde unter anderem in den römischen Ritterstand erhoben und diente als Hilfstruppenkommandeur. Seine guten Kenntnisse des römischen Militärwesens befähigten ihn, dem römischen Heer eine der empfindlichsten Niederlagen seiner Geschichte beizubringen. Anders als sein Bruder Flavus, der Rom immer treu bleiben sollte, wandte sich Arminius gegen die römische Oberherrschaft in seinem Heimatland.

Da Varus durch sein ungeschicktes Taktieren offenbar das Ehrgefühl der germanischen Stämme verletzt hatte, gelang es Arminius, die verfeindeten Stämme der Cherusker, Marser, Chatten und Brukterer zu einem Bündnis zu bewegen. Arminius war auch in der Lage, den germanischen Stämmen die Schwachstellen der römischen Militärtechnik deutlich zu machen.

Arminius selber spielte ein gefährliches Doppelspiel. Er galt als Tischgenosse des Varus. Er wiegte Varus in dem Glauben, er sei ein treuer Verbündeter Roms. Er war darin so überzeugend, dass Varus nicht einmal die Warnung des Fürsten Segestes ernst nahm, Arminius plane Verrat an Rom. Arminius, von dem Tacitus später berichtet, er hätte Segestes' Tochter Thusnelda gegen den Willen ihres Vaters geheiratet, konnte Varus überzeugen, dass Segestes' Hinweis nur das Resultat eines internen Familienzwists sei.

Die Falle für Varus

Ähnlich wie seine Vorgänger verbrachte Varus den Sommer in vorgeschobenen Positionen weit im Inneren des neu erschlossenen Landes und überwinterte in Lagern weiter westlich am Rhein. Das Sommerhauptquartier für Varus und drei seiner Legionen lag tief im Gebiet der Cherusker, am Westufer der Weser. Die übrigen zwei Legionen waren am Rhein zurückgeblieben.

Die Schlacht fand statt, als sich Varus und seine Legionen auf dem Rückweg ins Winterhauptquartier befanden. Varus wollte die Militärstraße zurück nach Castra Vetera, einem Lager nahe dem heutigen Xanten, für den Rückmarsch nutzen. Doch die Nachricht über einen vermeintlichen kleinen, regionalen Aufstand veranlasste ihn, einen Umweg durch ein den Römern weitgehend unbekanntes Gebiet zu nehmen. In unwegsamem Gelände gingen Arminius und seine Verschwörer voraus, angeblich um Verbündete zu bringen. Der weitermarschierende Varus geriet dabei in einen von Arminius sorgfältig geplanten Hinterhalt.

Als Sumpf, Wälder und Regen die materiell überlegenen Römer behinderten und sich die Legionäre in einer langgezogenen Marschkolonne durch das unwegsame Gelände bewegten, griffen Arminius und seine Verbündeten an. Arminius war sich bewusst, dass er die römischen Legionen in einem offenen Kampf nicht besiegen konnte. Für seine Angriffe wartete er jeweils die Zeitpunkte ab, an denen die Römer sich in lang auseinander gezogener Marschordnung befanden und die engen Täler und der Morast die übliche römische Kampftechnik gravierend einschränkten. Die Germanen attackierten in dichten Haufen die Flanken der Kolonne und versuchten vor allem, die Reiter einzeln zu überwältigen und bis zum letzten Mann niederzumachen sowie die einzelnen Truppenteile voneinander zu trennen. Die Römer kämpften dabei nicht nur gegen germanische Krieger, sondern auch gegen die abtrünnigen germanischen Hilfstruppen. Vier Tage und drei Nächte dauerte die Schlacht, in der Varus versuchte, sich zum Rhein durchzuschlagen. Die ersten zwei Nächte konnte er noch befestigte Lager errichten, doch am vierten Tage (Cassius Dio 56 ,21,3) waren die Römer besiegt. Varus selbst tötete sich gemeinsam mit seinen Offizieren. Der römische Historiker Tacitus beschreibt das Schlachtfeld, wie es noch im Jahre 15 von Germanicus vorgefunden wurde:

„Das erste Lager des Varus ließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hauptplatzes die Arbeit von drei Legionen erkennen. Danach sah man an dem halbeingestürzten Wall und dem niedrigen Graben die Stelle, an der sich die bereits zusammengeschmolzenen Reste gesammelt hatten. Mitten auf dem Felde lagen bleichende Knochen, zerstreut oder in Haufen, je nachdem ob sie von Flüchtigen oder von einer noch Widerstand leistenden Truppe stammten. Daneben lagen zerbrochene Waffen und Pferdegerippe, an Baumstämmen waren Schädel befestigt. In Hainen in der Nähe standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und Zenturionen ersten Ranges geschlachtet hatten.“

Die drei Legionen (die XVII, XVIII, XIX) mit zusammen etwa 20.000 Soldaten sowie weiteren Hilfstruppen wurden nahezu vollständig vernichtet. Der Kopf des Varus wurde abgeschnitten und an Arminius’ Rivalen Marbod gesandt, dieser schickte ihn an die Familie des Varus nach Rom weiter. Kaiser Augustus soll angesichts der Niederlage ausgerufen haben:

„Quintili Vare, legiones redde! („Quintilius Varus, gib die Legionen zurück!“)“
– Sueton, Augustus 23

häufig in etwas veränderter Form zitiert, etwa als:

„Vare, Vare, redde mihi legiones meas! („Varus, Varus gib mir meine Legionen wieder!“)“

Die besiegten Legionen wurden nach der Katastrophe nicht wieder aufgestellt, was einen in der römischen Militärgeschichte einzigartigen Tatbestand darstellt.

Nachwirkung der Schlacht

Germanen

Die germanische Kampfkraft war zwischen der Niederlage des Lollius (16 v. Chr.) und der Varusschlacht (9 n. Chr.) gewaltig gesteigert worden. Da dies nicht vorherzusehen war, fühlte sich Varus mit seinen drei Legionen sehr sicher und konnte keineswegs ahnen, dass ein germanischer Aufstand gerade seiner Armee eine so vernichtende Niederlage bereiten konnte. Rom hatte Glück, dass die Gallier die für sie günstige Situation nicht zu einem Aufstand nutzten. Aber diese erkannten richtig, dass die Katastrophe des Varus keine erfolgversprechende Basis für einen Aufstand war.

Das strategische Ziel des Arminius war es, die römische Herrschaft über das heutige Nordwestdeutschland zu beenden, das operative, die römischen Besatzungstruppen zu vernichten und das taktische, die römische Marschsäule in einen Hinterhalt zu locken. Der Sieg bei Kalkriese war das Ergebnis einer geschickten Planung, die sämtliche Schritte der Römer mit einkalkulierte. Wichtig war ferner, dass es Arminius gelang, eine feste Koalition aus mindestens elf Stämmen zu bilden und den selbstbewussten, stets auf seine Unabhängigkeit bedachten germanischen Adel über Jahre hinweg zu großen Teilen in den Plan einzubinden. Selbst einige militärische Rückschläge gegen den römischen Feldherrn Germanicus, der auf Varus folgte, konnten das Bündnis des Arminius nicht ernsthaft erschüttern. Es brach erst auseinander, als der neue Kaiser Tiberius im Jahre 16 n. Chr. die Germanenfeldzüge für beendet erklärte und Roms Rückzug auf die Rhein-Donau-Grenze beschlossene Sache war.

Ein Bündnis mit dem Markomannen-Oberhaupt Marbod zu schließen, schlug jedoch fehl, und die Kämpfe zwischen den Germanenstämmen unter Arminius und den Markomannen 17 n. Chr. bedeuteten einen Einbruch in der Schlagkraft der Germanen, was ein Übergreifen auf römisches Gebiet unterband.

Arminius wurde im Jahr 21 n. Chr. von Familienangehörigen ermordet, laut Tacitus spielte hierbei sein Machtstreben die entscheidende Rolle.

Römer

Die katastrophale Niederlage des Jahres 9 n. Chr. hatte den fast völligen Rückzug Roms auf die Ausgangspositionen vor der Offensive von 12 v. Chr. zur Folge. Die Vernichtung der drei Legionen, sechs Kohorten und drei Alen ging einher mit dem Verlust römischer Kastelle zwischen Rhein und Weser und bedeutete die Preisgabe aller darüber hinausgehenden Ambitionen.

Doch zunächst entsandte Augustus seinen späteren Nachfolger Tiberius mit starken Truppen an die Rheinfront. Im Jahr 14 n. Chr. begann Germanicus erneut mit Feldzügen in Germanien. Gegenspieler des Germanicus war wiederum Arminius. Die Feldzüge wurden durch den neu ernannten Kaiser Tiberius im Jahre 16 n. Chr. beendet, weil der Aufwand an Menschen und Material für die Römer zu hoch wurde. Es mögen aber auch noch andere Motive eine Rolle gespielt haben. Jedenfalls sorgte der Ausgang der Varusschlacht mit dafür, dass Germanien weitgehend außerhalb des römischen Machtbereichs blieb und eine andere Entwicklung erfuhr als beispielsweise das keltische Gallien. Bei den Römern begann man andererseits, die gewaltigen Ausdehnungen des europäisch-asiatischen Raumes zu erahnen und in eine Politik umzusetzen, die diesen Gegebenheiten Rechnung trug. Beides mündete schließlich in eine Entwicklung, die in der Völkerwanderung endete und im 5. und 6. Jahrhundert zu eigenständigen germanischen Reichen auf römischem Boden führte.

Die historische Quellenlage

Der katastrophale Ausgang dieses militärischen Unternehmens wurde bereits von den Zeitgenossen aufgenommen und kommentiert. Sueton, Velleius Paterculus, Tacitus, Lucius Annaeus Florus und Cassius Dio Cocceianus berichten über diese Schlacht, die der römischen Expansionspolitik in Germanien ein Ende bereitete. Keiner dieser Autoren war Zeuge der Schlacht, Velleius Paterculus war immerhin Zeitgenosse der Ereignisse und kannte Germanien aus eigener Anschauung. Alle römischen Autoren fällen ein einhellig negatives Urteil über Varus. Dieses Urteil könnte nicht unwesentlich davon geprägt sein, einen eindeutig Schuldigen für den Untergang der römischen Legionen zu finden.

Die Berichte über den Ablauf der Schlacht sind in den einzelnen Quellen recht unterschiedlich und können kaum miteinander in Einklang gebracht werden. Man hat daher vermutet, dass es sich bei keinem der Berichte um eine Wiedergabe von Tatsachen handelt, sondern nur um eine mehr oder weniger dramatisch ausgemalte Phantasiedarstellung der jeweiligen Autoren unter Verwendung örtlicher Elemente von Schlachtbeschreibungen. Folgt man dieser Annahme, so lässt sich über die Schlacht nichts weiter sagen als nur die bloße Tatsache der römischen Niederlage und des Untergangs der drei Legionen in Germanien. Quellen, die den Hergang aus germanischer Sicht oder zumindest aus neutraler Sicht schildern, fehlen.

In dem lebhaftesten Bericht von der Schlacht, den der römische Historiker Cassius Dio Cocceianus verfasste, heißt es:

„Denn das Gebirge war voller Schluchten und Unebenheiten, und die Bäume standen so dicht und waren so übergroß, dass die Römer auch schon ehe die Feinde über sie herfielen, sich, wo nötig, abmühten, die Bäume zu fällen, Wege zu bahnen und Dämme zu bauen.

Und wenn dazu noch Regen und Sturm kam, zerstreuten sie sich noch weiter. Der Boden aber, schlüpfrig geworden um die Wurzeln und Baumstümpfe, machte sie ganz unsicher beim Gehen, und die Kronen der Bäume, abgebrochen und herabgestürzt, brachte sie in Verwirrung.

[...] umstellten die Germanen sie plötzlich von überall her gleichzeitig durch das Dickicht hindurch, da sie ja die Pfade kannten, und zwar schossen sie zuerst von fern, dann aber als sich keiner wehrte, doch viele verwundet wurden, gingen sie auf sie los.

Es war unmöglich, 1. in irgendeiner Ordnung zu marschieren [...], 2. konnten sie sich auch nur schwer zusammenscharen, und waren Schar für Schar immer weniger als die Angreifer, [...]

Daher schlossen sie die Römer mühelos ein und machten sie nieder, so dass Varus und die Angesehensten aus Furcht, gefangen genommen oder getötet zu werden – denn verwundet waren sie schon – sich zu einer furchtbaren, aber notwendigen Tat entschlossen. Sie töteten sich selbst.

Als dies bekannt wurde, wehrte sich auch keiner mehr, auch wenn er noch kräftig war, sondern die einen taten es ihrem Anführer nach, die anderen warfen die Waffen weg und überließen sich dem, der sie töten wollte. Denn fliehen konnte keiner, wenn er es auch noch so gerne wollte.“

Die unten beschriebenen Ausgrabungsergebnisse bei Kalkriese scheinen zumindest zu bestätigen, dass es sich bei der Schlacht nicht um eine Schlacht auf einem Schlachtfeld gehandelt hat, oder gar um einen Überfall auf ein römisches Standlager, wie bei Florus zu lesen ist, sondern um eine Kette von Überfällen auf die römische Marschkolonne in für die Römer ungünstigem Gelände, welche die römischen Truppen nach und nach aufgerieben haben.

Das lange Zeit einzige archäologisch-epigraphische Zeugnis der Schlacht (das jedoch weder zur Frage des Orts noch zur Kenntnis des Schlachtverlaufs etwas beitrug) ist ein im Xantener Ortsteil Birten gefundener Grabstein für den „im Krieg des Varus“ (bello Variano) ums Leben gekommenen römischen Centurio Marcus Caelius. Das lebensgroße Bildnis zeigt den römischen Offizier in seiner vollen Uniform zwischen seinen beiden Freigelassenen, die bei dem Unternehmen ebenfalls zu Tode gekommen sind. Der Stein vermerkt ausdrücklich, dass die Leiche des Caelius nicht geborgen werden konnte, und befindet sich heute in Bonn.

Ort der Schlacht

Vermuteter Ort der Schlacht bei Kalkriese (Quelle)

Verschiedene Orte erhoben im Laufe der letzten 200 Jahre Anspruch auf diese ‚Ehre‘. Da der Geschichtsschreiber Tacitus vom saltus Teutoburgiensis schrieb, hat sich der Begriff von der Schlacht im Teutoburger Wald ergeben. Der heute als Teutoburger Wald bekannte Höhenzug trägt diesen Namen allerdings erst seit dem frühen 19. Jahrhundert, als Arminius-Begeisterte meinten, den Ort der Schlacht im damals noch Osning genannten Gebirgskamm lokalisieren zu können. Somit ist auch das an die Schlacht erinnernde Hermannsdenkmal bei Detmold Ergebnis eines unzureichenden Lokalisierungsversuches. Trotz seines Namens hat der Teutoburger Wald also mit der Ortsangabe des Tacitus nichts zu tun.

Neuere archäologische Funde, die Ende der 1980er Jahre gemacht wurden, lassen auf Kampfhandlungen bei Kalkriese schließen, einem Stadtteil der niedersächsischen Stadt Bramsche im Landkreis Osnabrück. Kalkriese liegt etwa zehn Kilometer östlich von Bramsche. Die Art der archäologischen Befunde lassen aus Sicht der beteiligten Forscher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass es sich bei der Fundstelle um den Ort der Varusschlacht handelt. Es fehlt jedoch der letzte Beweis; zudem passt die Stelle nicht gut zu den geographischen Angaben, die Tacitus im Zusammenhang mit dem Bericht vom Besuch des Germanicus auf dem Schlachtfeld macht. Man hat hier versucht, den Quellenwert des Tacitus in Frage zu stellen. Allerdings könnten sowohl der archäologische Fund als auch der Bericht des Tacitus in Einklang gebracht werden, wenn man annimmt, dass es sich bei den Kalkriese-Funden um die Überreste von den Kampfhandlungen des Jahres 15 n. Chr. unter Germanicus handelt. In diesem Fall bliebe der wahre Ort der Schlacht des Jahres 9 n. Chr. verborgen. Die Münzfunde sprechen allerdings eher gegen Kalkriese als Ort einer späteren Schlacht, da dort keine Münzen aus den Jahren 10 bis 15 n. Chr. gefunden wurden.

Die Indizien für Kalkriese

Auch wenn die Diskussion noch immer nicht abgeschlossen ist, hält doch die große Mehrheit der Historiker einen Zusammenhang zwischen Kalkriese und der Varusschlacht aufgrund einer Reihe von Indizien zumindest für eine sehr plausible Hypothese. Theodor Mommsen hatte aufgrund der relativ großen Anzahl gefundener Goldmünzen mit dem Bildnis des Augustus bereits Ende des 19. Jahrhunderts vermutet, dass in dem Gebiet nördlich von Osnabrück zwischen Kalkrieser Berg und Großem Moor am Wiehengebirge in augusteischer Zeit wahrscheinlich Kampfhandlungen stattgefunden hatten. Seit 1987 sind in dem Gebiet viele archäologische Funde wie Münzen, militärische Ausrüstungsgegenstände und Wallanlagen gemacht worden. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den Funden um kleine Stücke und Fragmente, die entweder der systematischen Plünderung des Schlachtfeldes entgangen sind, oder die den Germanen des Aufhebens nicht wert waren. Zu den wichtigsten Funden zählen:

Eiserne Maske eines Gesichtshelms, der in Kalkriese gefunden wurde (Quelle)

die Entdeckung von drei Schleuderbleien durch den britischen Offizier und Hobbyarchäologen Major Tony Clunn im Jahre 1988, denn damit war eindeutig die Anwesenheit von Legionären an diesem Ort bewiesen.

die Krieger- oder Prunkmaske (siehe Abbildung).

verschiedene Teile der Ausstattung von Reit- und Zugtieren wie beispielsweise eine als Deichselende umfunktionierte Kuhglocke oder ein bronzener Anhänger eines Pferdegeschirrs, der gleichzeitig die Funktion eines Amuletts hatte.

Fundstücke aus verschiedenen handwerklichen Bereichen. So weisen ein bronzener Knochenheber und ein bronzener Skalpellgriff auf die Anwesenheit von Ärzten und die gefundenen bleiernen Senklote auf anwesende Landvermesser hin.

die Entdeckung von drei Wallanlagen, vor denen besonders viele Kleinteile wie Kupfermünzen oder Fragmente gefunden wurden, sowie die Überreste eines angeschirrten Maultiers, das offenbar von einer während des Kampfes zusammenbrechenden Wallanlage verschüttet wurde. Die Wallanlagen sind so angelegt, dass von ihnen aus der Weg besonders gut angegriffen werden konnte. Die hinter den Wällen Lagernden konnten auf diese Weise den Hangfuß des Kalkrieser Berges kontrollieren, der im Norden durch die meist unpassierbaren Feuchtniederungen abgeschlossen war.

die Entdeckung von mehreren Gruben, die mit menschlichen und tierischen Knochen gefüllt waren. Die menschlichen Knochenreste gehören durchweg zu Männern im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Einige Knochen weisen eindeutige Hiebspuren auf (beispielsweise ein menschlicher Schädel, der durch einen Schwerthieb gespalten wurde). Der anthropologische Befund weist auch darauf hin, dass die Skelette mehrere Jahre an der Erdoberfläche gelegen haben (Schlussfolgerung aufgrund der Trockenrisse der Knochen sowie der ungeordneten Einbringung von nicht vollständigen Skeletten in die Gruben).

1500 römische Münzen, die überwiegend aus der Regierungszeit des Kaisers Augustus stammen (die übrigen sind älter, zur Einordnung des Fundes interessieren nur die jüngsten Münzen). Es sind keine römischen Münzen vorhanden, die später als 9 n. Chr. geprägt wurden. Vorhanden sind dagegen Kupfermünzen mit dem Gegenstempel des Varus, die nur in den Jahren 7 bis 9 n. Chr. geprägt wurden.

Ein weiterer wesentlicher Befund ist die Streuung der archäologischen Zeugnisse über eine mehrere Kilometer lange Wegstrecke.

Die Befunde legen den Schluss nahe, dass in spätaugusteischer Zeit römische Legionen, die von einem Tross begleitet waren, bei Kalkriese in massive Kampfhandlungen verwickelt waren. Die Datierung der Münzen und die Tatsache, dass in den Jahren der Statthalterschaft des Varus keine weiteren kriegerischen Ereignisse überliefert sind, an denen römische Legionen beteiligt waren, deuten darüber hinaus darauf hin, dass Kalkriese der Ort der Varusschlacht ist. Die Streuung der Funde passt zu dem Schlachtgeschehen, das sich über vier Tage (Cassius Dio 56 ,21,3) an unterschiedlichen Orten ereignete. Die Bestattungsgruben stimmen mit der Überlieferung überein, dass Germanicus im Jahre 15 n. Chr. am Ort der Schlacht den gefallenen Legionären ein ehrenvolles Begräbnis gab. Auch die Beschaffenheit des Geländes passt zur schriftlichen Überlieferung.

Geländemerkmale und ihre Auswirkung auf den Schlachtverlauf

Die 20 Kilometer nordöstlich von Osnabrück liegende Kalkrieser-Niewedder Senke ist die einzige Passage in ost-westlicher Richtung, die über ebenes und trockenes Gelände führt, will man nicht große Umwege in Kauf nehmen. Die sechs Kilometer lange Engstelle wurde im Norden durch ein riesiges Hochmoor, im Süden durch das schräg verlaufende Wiehengebirge sanduhrartig eingeschnürt. Die Hangsandzone verengt sich an den Ost- und den Nordhängen des Kalkrieser Berges auf weniger als 100 Meter. Der Weg, der nicht mit einer gut ausgebauten Römerstraße verwechselt werden darf, war noch schmaler. Das galt ebenso für die Brücken, die über Bäche und Flüsse führten oder die zum Teil erst noch von der marschierenden Truppe gebaut werden mussten. Solche Engstellen lösten bei größeren Truppenverbänden unweigerlich Rückstaueffekte aus. Die Breite einer Kolonne hängt immer von der schmalsten Stelle des zu passierenden Weges ab. Die Marschlänge wird bei drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten sowie einem außergewöhnlich großen Tross und einer unbekannten Zahl von begleitenden Zivilisten mindestens 15 bis 20 Kilometer betragen haben. Um eine bestmögliche Wirkung zu erzielen, empfahl sich zuerst ein Angriff auf die Nachhut. Als diese stehen blieb, um den Angriff zu erwidern, ging der Zusammenhalt mit der restlichen Marschkolonne verloren. Der vermutlich einige Kilometer vom Kampfort entfernte Oberbefehlshaber erfuhr nur durch Gerüchte von den Vorgängen und konnte so die Lage nicht übersehen, geschweige denn die richtigen Befehle erteilen. Gerüchte über einen Feind, den der Legionär nicht von vorne sah, sondern der hinterrücks angriff, verschlechterten die Kampfmoral. Gleichzeitig einsetzende Regengüsse erschwerten möglicherweise den Gebrauch der Waffen. Die Legionäre waren darüber hinaus durch ihr eigenes Marschgepäck behindert, das bis zu 50 Kilogramm wog.

Weil die Marschkolonne mit dem Tross und den vielen Unbewaffneten durchsetzt war, konnten die Römer außerdem nicht ohne weiteres dicht aufschließen. Ihre einzelnen Abteilungen waren aufgrund der Taktik des „zerstreuten Gefechts“ jeweils zahlenmäßig schwächer als die angreifenden Stoßtrupps der Germanen. So erlitten die Legionäre erhebliche Verluste, ohne den Germanen nennenswerte Schläge zufügen zu können, denn diese zogen sich nach kurzer Zeit wieder auf die bewaldeten Anhöhen zurück.

Das Ausgrabungsfeld

Die heutige Tätigkeit der Archäologen konzentriert sich im Wesentlichen auf ein Gebiet namens Oberesch, das vom Zug des Varus durchquert wird. Der Name Esch deutet im übrigen auf eine Methode der Bodenverbesserung hin, die in Norddeutschland seit Jahrhunderten angewendet wird: Aus den nahen Moorgebieten sowie aus den eigenen Ställen wird immer wieder Material herangeschafft, um den vom Anbau von Getreide ausgelaugten Boden zu düngen. Die herangeschafften Mengen reichten aus, die ursprüngliche Erdoberfläche unter einer meterhohen Schicht verschwinden zu lassen und über 2000 Jahre hinweg zu konservieren.

Kennzeichnend für den Weg der Legionäre waren die besagten Münzfunde, bei denen sich interessanterweise immer wieder kleinere Siegelstücke fanden, mit denen normalerweise das Säckchen von Schreibutensilien verschlossen wurde. Ihr gehäuftes Auftreten in der Gegend von Kalkriese lässt die Vermutung aufkommen, dass das Vergraben der persönlichen Besitztümer der römischen Soldaten vor einem Gefecht von der Armee organisiert wurde, um je nach Ausgang des Gefechtes Eigentumskonflikte zu vermeiden und den beteiligten Soldaten ihre persönliche Habe zurückerstatten zu können. Für Verwundete und Tote werden demnach ähnliche Regeln vorhanden gewesen sein. Art, Menge und Verbreitung von aufgefundenen Münzen lassen allerdings den Schluss zu, dass es sich bei Kalkriese um eines unter vielen Kampffeldern der untergegangenen Legionen handelt. Die großräumige Streuung des gesamten Fundmaterials sowie der Münz-, Einzel- und Hortfunde macht die Interpretation als Verlustgut unwahrscheinlich. Die Gabelung des Fundstranges etwa 500 m westlich der Ausgrabungsstätte deutet dagegen auf ein unkoordiniertes und planloses Vorgehen der Römer während der Schlacht hin.

Die Schlacht von Barenau

Germanicus besuchte im Jahre 15 n. Chr. das Schlachtfeld und bestattete die Gefallenen. Ganz in der Nähe fand eine unentschiedene Schlacht statt, die auch als Schlacht von Barenau bezeichnet wird. Beide Schlachtfelder können sich durchaus überlappt haben. Nur wenig später stellte Arminius den römischen General Caecina an den pontes longi (Bohlenweg), einer Stelle, die topografische Ähnlichkeiten mit dem Ort der Varusschlacht aufweist. Die Caecina-Schlacht ist von Tacitus bewusst als ein für die Römer positiv ausgehendes Gegenstück zur Varusschlacht gestaltet. Tatsächlich ist die Caecina-Schlacht in ihrem Verlauf der Varusschlacht ähnlich, weil sie viele Gemeinsamkeiten mit ihr aufweist. In kaum 10 Kilometer Luftliniendistanz zu Kalkriese haben Archäologen einen Bohlenweg aufgefunden, der dendrochronologisch in das Jahr 15 n. Chr. datiert werden kann, und wo man germanische Waffen mit Kampfspuren gefunden hat. Caecina konnte schließlich eine Wiederholung der Niederlage verhindern, indem er den Tross den Germanen zur Plünderung überließ und sich gleichzeitig mit seinen Truppen in Richtung Rhein absetzte.

Neueste Forschungsergebnisse

In der neueren Zeit wurde der Versuch unternommen, bei dem jetzigen Stand der Forschung die schriftlichen Quellen und die archäologischen Überreste miteinander zu vergleichen. Der Schlachtbericht des Cassius Dio trifft im Wesentlichen zu, seine Glaubwürdigkeit wurde dadurch sehr gestärkt. Einzelheiten wie die Gabelung der römischen Marschsäule 500 m westlich von Kalkriese und die Anlage von Rasensodenmauern, die bereits von den Archäologen örtlich aufgefunden wurden, konnten neu gewonnen werden. Besonders wichtig ist, dass der römische Einfluss auf die Germanen größer war, als bisher zugegeben wird. Die Erhebung erfolgte aus dem römischen Herrschaftsapparat selbst heraus und ohne diesen Rückhalt wäre weder die Logistik des Anschlages noch die Reichweite der Verschwörung zu erklären.

Bezüglich der Datierung des Varusschlachtfeldes muss berücksichtigt werden, dass Germanicus es zweimal besuchte und dass im Jahre 15 n. Chr. zwei Schlachten in der näheren Umgebung geschlagen wurden, wobei sich die Schlachtfelder zum Teil überlappt haben könnten. In diesem Zusammenhang ergab sich natürlich auch die Möglichkeit des Münzverlustes und des nicht kontrollierten Vergrabens der persönlichen Besitztümer der Soldaten.

Das Schlachtfeld heute

Die erfolgreiche archäologische Untersuchung eines antiken Schlachtfeldes stellt eine besondere wissenschaftliche Leistung dar. Das besondere Interesse, das die Varusschlacht immer noch auslöst, hat dazu geführt, dass sehr frühzeitig die immer noch laufenden Ausgrabungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Bereits 1993 – also eine verhältnismäßig kurze Zeit nach der Entdeckung der ersten archäologischen Funde – wurde in unmittelbarer Nähe zum Ausgrabungsfeld ein Informationsraum auf einem Bauernhof eröffnet. Im Rahmen der Expo 2000 in Hannover entstand nach den Plänen der Schweizer Landschaftsarchitekten Zulauf + Partner der etwa 20 Hektar große Museumspark Varusschlacht, der im Jahre 2001 durch ein eigenständiges Museum, geplant von den Architekten Gigon/ Guyer aus Zürich, ergänzt wurde. Park und Museum zählen heute unter Fachleuten zu den sehenswertesten Beispielen aktueller Architektur und Landschaftsarchitektur in Europa. Der vermutete Verlauf der Schlacht lässt sich anhand der Parkgestaltung nachvollziehen: die Marschwege der Römer sind durch Stahlplatten gekennzeichnet und die versteckten Wege der Germanen im Wald sind durch Holzspäne bedeckt.

Das Museum und die archäologische Forschungsstätte wurden am 5. November 2005 mit dem Europa Nostra Award 2004 für die innovative Interpretation eines antiken Schlachtfeldes und die interdisziplinäre Forschungsarbeit ausgezeichnet.

Ein Link zur Museums-Webseite steht bei Weblinks.

Alternative Theorien zum Ort der Schlacht

Über Jahrhunderte war der Ort der Schlacht umstritten und insbesondere ein beliebtes Forschungsthema für Lokalforscher, da die schriftlichen Zeugnisse zur Varusschlacht keine genaue Lokalisierung zulassen. Man schätzt, dass weit über tausend verschiedene Theorien entwickelt wurden, die überwiegende Zahl davon ohne ernstzunehmende Indizien (praktisch alle Orte im westfälischen Raum wurden schon von dort ansässigen Hobbyforschern als Schlachtort vermutet). Die bis zu den Funden und Ausgrabungen bei Kalkriese von vielen Wissenschaftlern am ehesten ernstgenommene Lokalisierung legte die Schlacht an den (heutigen) Teutoburger Wald, wo bei Detmold als Symbol des erwachenden deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert das Hermannsdenkmal errichtet wurde. Die Überlegungen von Theodor Mommsen aufgrund der Münzfunde, die von den aktuellen Ausgrabungen bestätigt werden, waren dagegen zu ihrer Zeit eine Minderheitsmeinung.

Die Ansicht, dass die Schlacht tatsächlich im Raum des Teutoburger Waldes und (konkret) der Wistinghäuser Schlucht sowie der Dörenschlucht stattgefunden hätte, vertritt auch Rolf Bökemeier in seinem Buch Die Varusschlacht. Er setzt sich dabei unter anderem mit der Kalkrieseforschung auseinander und stellt dieser recht umfangreiche Forschungserkenntnisse gegenüber (einschließlich Grabungsergebnissen, Luftbildanalysen und topografischen Untersuchungen). Interessant dabei ist auch die Darstellung der Vorbereitungen zur Schlacht sowie des vermutlichen taktischen Ablaufs, wobei besonders bemerkenswert die Lokalisierung der stützpunktartigen Stellungssysteme der Germanen zu sein scheint.

Auch die Lokalisierung in Kalkriese wird nicht von allen Wissenschaftlern anerkannt, und es treten weiterhin Lokalforscher auf, die den Ort der Schlacht z. B. an den Harz, in die Nähe von Halberstadt nach Hildesheim (Hildesheimer Silberfund) oder in den Niederländischen Achterhoek verlegen.

Die Varusschlacht und die deutsche Identität

In der Frage, was die Identität der Deutschen ausmache, hat die Varusschlacht vom 16. bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine große Rolle gespielt. Ausgangspunkt waren die wiederentdeckten Schriften des Tacitus (1455 die Germania, 1507 die Annalen). Das Lob des römischen Historikers auf die Germanen erlaubte vor allem in den Augen der deutschen Gelehrten des Humanismus, damit dem Vergleich mit den anderen großen Kulturnationen der Antike standzuhalten. So ordnete schon 1529 Ulrich von Hutten dem Cheruskerfürsten Arminius den Ehrenplatz als erster Vaterlandsverteidiger zu und stellte ihn neben die drei großen Feldherren der Antike – Alexander den Großen, Hannibal und Scipio den Älteren. Damit begann der Arminius-Kult in der deutschen Literatur, der sich über Lohenstein, Wieland und Klopstock bis zu Kleist und Grabbe erstreckte.

Der Dreißigjährige Krieg hatte ein wirtschaftlich schwaches und politisch zerstückeltes Deutschland zurückgelassen. In den Augen der Nachbarn – insbesondere der Franzosen – war Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert eine „nation barbare“; kulturunfähig, politisch zerrissen und ökonomisch rückständig. Die Varusschlacht war der – deutsche – Gegenbeweis dazu: Eine Nation, die sich einigt und mutig dem übermächtigen Eroberer entgegentritt und ihn – im Gegensatz zu den Franzosen, die mit Vercingetorix und der Schlacht bei Alesia unterlagen – vernichtend schlägt. Die deutsche Literatur vor allem des 18. Jahrhunderts deutschte den Cherusker Arminius in Hermann ein und widmete ihm, seinem Liebesdrama zu Thusnelda und seinem Befreiungskampf zahllose Opern und Theatertragödien. Schlegel schrieb über Arminius:

„Du, Herman, hast gewählt, wie große Herzen wählen,
Und liebest mehr, als dich, die Freyheit deutscher Seelen“

Kleist schrieb 1808 unter dem Eindruck der französischen Besatzung sein Drama „Hermannsschlacht“, das aufgrund seiner vaterländischen Tendenzen jedoch erst 1860 uraufgeführt wurde, dann aber zum nationalen Festspiel avancierte. Noch zu Beginn des Ersten Weltkriegs verlas man im Berliner Schillertheater zwischen den Akten dieses Dramas Siegesmeldungen von der französischen Front. Und Kaiser Wilhelm II. verkündete zu Beginn des Ersten Weltkriegs: „Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war.“

Kleists Hermannsschlacht wurde auch von den Nationalsozialisten zur Untermauerung ihrer Ideen missbraucht. So wurde eine Aufführung des Harzer Bergtheaters von Thale im Jahre 1933 bezeichnet als:

„… die Aufführung des Freiheitsschauspiels von der Einigkeit und Macht der deutschen Stämme im Kampf gegen den römischen Unterdrücker und dem gerade in heutiger Zeit so symbolhaft wirkenden Ausklang der Wahl eines großen Mannes zum Führer der geeinten Nation.“

Auch das sieben Meter lange Schwert auf dem 1838 begonnenen und 1875 eingeweihten Hermannsdenkmal trägt die Inschrift: „Deutsche Einigkeit meine Stärke – meine Stärke Deutschlands Macht“. Hinrich Seeba schrieb über dieses Denkmal:

„Der Cheruskerfürst ist, in Stein gemeißelt und im Teutoburger Wald aufgestellt, nur noch ein Denkmal, das nicht Deutschlands Größe am Anfang seiner germanischen Geschichte neun Jahre nach Christi Geburt, sondern die Fixierung des 19. Jahrhunderts auf den Mythos der deutschen Identität dokumentiert.“

Einen Kontrapunkt zu der begeisterten Deutschtümelei setzte, wie so oft, Heinrich Heine wenige Jahre nach dem Baubeginn am Hermannsdenkmal (zu dem er selbst seinen finanziellen Beitrag geleistet hatte: hab selber subskribieret). Treffsicher zieht er das nationale Pathos ins Lächerliche:

„Das ist der Teutoburger Wald, / Den Tacitus beschrieben, / Das ist der klassische Morast, / Wo Varus steckengeblieben. / Hier schlug ihn der Cheruskerfürst, / Der Hermann, der edle Recke; / Die deutsche Nationalität, / Die siegte in diesem Drecke. … “

– Deutschland. Ein Wintermärchen, cap. 11

Auch Viktor von Scheffel bediente sich des Themas und machte sich in seinem Lied „Als die Römer frech geworden…“ (1847, vertont von Ludwig Teichgräber 1875) die Deutschtümelei seiner Zeit zu eigen. Das Lied wurde sehr populär und wird auch heute noch gerne zitiert und gesungen.

Im Originaltext des Niedersachsenliedes, welches als inoffizielle Hymne der Niedersachsen bezeichnet wird und etwa 1926 von Herman Grote komponiert wurde, wird der Sieg über die Römer ebenfalls heroisch dargestellt:

„Wo fiel'n die römischen Schergen?
Wo versank die welsche Brut?
In Niedersachsens Bergen,
An Niedersachsens Wut
Wer warf den römischen Adler
Nieder in den Sand?“

„Die Hermannsschlacht“ im Kino

Bereits dreimal wurde die Hermannsschlacht oder Varusschlacht für das Kino adaptiert: Das erste Mal in den Jahren 1922 und 1923 als Stummfilm unter dem Titel Die Hermannschlacht. Regie führte Leo König, gedreht wurde unweit des Hermannsdenkmals bei den Externsteinen. Am 27. Februar 1924 kam dieses von der Kritik meist als nationalistisch empfundene Opus im Lippischen Landestheater, Detmold zur Aufführung. Lange galt es als verschollen. Erst nach dem Ende der Sowjetunion wurde es in einem Moskauer Filmarchiv wieder entdeckt.

Die zweite Verfilmung des Stoffs erschien 1977 unter dem deutschen Titel Hermann der Cherusker – Die Schlacht im Teutoburger Wald. Es handelt sich um eine deutsch-italienisch-jugoslawische Co-Produktion, die in den übrig gebliebenen Kulissen anderer Antikenfilme in Zagreb unter der Regie Freddy Baldwins (Pseudonym für Ferdinando Baldi) realisiert wurde. Obwohl dieses Werk bereits in den Sechzigern mit Hans von Borsody als Hermann gedreht wurde, dauerte es zehn Jahre bis zur Deutschland-Premiere, die am 3. Februar 1977 stattfand.

In den Jahren 1993-1995 entstand die dritte Umsetzung für das Kino. Produzenten und Autoren dieser Fassung waren Christian Deckert, Hartmut Kiesel, Christoph Köster, Stefan Mischer und Cornelius Völker. Die Hermannsschlacht wurde im Teutoburger Wald und im Rheinland realisiert. Neben Bühnenschauspielern und Hunderten von Laien treten in diesem Spielfilm auch die Künstler Markus Lüpertz, Tony Cragg und Alfonso Hüppi und der Kunsthistoriker Werner Spies als Akteure auf. Die Hermannsschlacht wurde im Mai 1995 in Düsseldorf uraufgeführt und erschien 2005 auf DVD, in einer um Dokumentarmaterial erweiterten und von dem Altphilologen Werner Broer und dem Archäologen Martin Schmidt begleiteten Edition.

Literatur

Frank Berger: Aktuelle Varusschlachten. In: Numismatisches Nachrichtenblatt. 53/2004, S. 267–273 (auch als online-Version).

Frank Berger: Kalkriese. – 1. Die römischen Fundmünzen. Von Zabern, Mainz 1996 ISBN 3-8053-1917-7

Rolf Bökemeier: Die Varusschlacht. Grabert-Verlag, 2000, ISBN 3-87847-190-4

Wilm Brepohl: Neue Überlegungen zur Varusschlacht. Aschendorff, Münster 2004, ISBN 3-402-03502-2

Tony Clunn: Auf der Suche nach den verlorenen Legionen. Rasch, Bramsche 1998, ISBN 3-932147-45-6

Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst. Band 2: Die Germanen. Berlin 1901 (Die wissenschaftlichen Interpretationen sind zwangsläufig veraltet; Delbrück gibt aber die Primärtexte von Cassius Dio, Velleius Paterculus, Florus und Tacitus zur Varusschlacht in deutscher Übersetzung wieder.)

Mamoun Fansa (Hrsg.): Varusschlacht und Germanenmythos. Eine Vortragsreihe anlässlich der Sonderausstellung Kalkriese – Römer im Osnabrücker Land in Oldenburg 1993. 3. Auflage. Isensee, Oldenburg 2001 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 9) ISBN 3-89598-235-0

Gisela Graichen: Wo Arminius die Römer schlug. In: Gisela Graichen, Hans Helmut Hillrichs (Hrsg.): C 14 – Vorstoß in die Vergangenheit. Archäologische Entdeckungen in Deutschland. Goldmann, München 1999 ISBN 3-442-15043-4 (Populärwissenschaftliche Darstellung)

Joachim Harnecker: Arminius, Varus und das Schlachtfeld von Kalkriese. Eine Einführung in die archäologischen Arbeiten und ihre Ergebnisse. 2. Auflage. Rasch, Bramsche 2002 ISBN 3-934005-40-3

Ralf G. Jahn: Der Römisch – Germanische Krieg (9–16 n. Chr.). Dissertation. Bonn 2001

Dieter Kestermann (Hrsg.): Quellensammlung zur Varus-Niederlage Horn ISBN 3-88080-063-4
Hansulrich Labuske (Hrsg.): Von Tacitus bis Ausonius. (2. bis 4. Jh. u. Z.). Akademie Verlag, Berlin 1991 (Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u.Z, Band 3), ISBN 3-05-000571-8 (In dieser Sammlung findet man die römischen Quellen zur Varusschlacht)

Stefan Mischer et al.: Die Hermannsschlacht. DVD, Spielfilm, Dokumentation, Interviews und Leporello, Hamburg 2005

Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. Internationaler Kongress der Universität Osnabrück und des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V. vom 2. bis 5. September 1996. In: Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 1. Osnabrück 1999, ISBN 3-932147-25-1

Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Römer im Osnabrücker Land. Die archäologischen Untersuchungen in der Kalkrieser-Niewedder Senke. Rasch, Bramsche 1991, ISBN 3-922469-57-4

Mathias Wallner und Heike Werner: Architektur und Geschichte in Deutschland. S. 10-11, München 2006, ISBN 3-9809471-1-4

Udo Weilacher: Spuren in Stahl. Museumspark Varusschlacht in Bramsche-Kalkriese. In: Udo Weilacher: In Gärten. Profile aktueller europäischer Landschaftsarchitektur. Birkhäuser, Basel 2005, ISBN 3-7643-7084-X

Peter S. Wells: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 2005, ISBN 3-7608-2308-4

Rainer Wiegels, Winfried Woesler (Hrsg.): Arminius und die Varusschlacht. Geschichte – Mythos – Literatur. Schöningh, Paderborn 1995, ISBN 3-506-79751-4 (darin u.a.: Heinrich Seeba: Hermanns Kampf für Deutschlands Not; Renate Stauf: Germanenmythos und Griechenmythos als nationale Identitätsmythen; Wolfgang Wittkowski: Arminius aktuell: Kleists Hermannsschlacht und Goethes Hermann)

Reinhard Wolters: Hermeneutik des Hinterhalts. Die antiken Berichte zur Varuskatastrophe und der Fundplatz von Kalkriese. In: Klio. 85/2003, S. 131–170 (Wolters zählt zu den prominentesten Kritikern der Annahme, die Funde bei Kalkriese stünden in Zusammenhang mit der Varusschlacht).

Für die Rezeptionsgeschichte wichtig ist:

Christian Dietrich Grabbe: Die Hermannsschlacht. In: Rudolf Gottschall (Hrsg.): Christian Dietrich Grabbe's sämmtliche Werke. Reclam, Leipzig 1870. (Drama von 1838, digitale Rekonstruktion: UB Bielefeld)

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