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Solidus-Constantius_Gallus

Flavius Constantius Gallus (* 325/26 in Massa Veternensis, Etrurien; † 354 in Flanona, Istrien) war von 351 bis zu seiner Absetzung 354 Caesar, also Unterkaiser seines Cousins, des römischen Kaisers Constantius II. Er residierte in Antiochia und wurde nach Streitigkeiten mit kaiserlichen Beamten und städtischen Honoratioren von Constantius abberufen und schließlich hingerichtet. Sein jüngerer Bruder Julian wurde später Nachfolger des Constantius.

Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Das römische Reich durchlief zu Beginn des 4. Jahrhunderts einen tiefgreifenden Wandel. Gallus’ Onkel Konstantin der Große hatte sich in den Nachfolgekämpfen, die mit dem Ende der von Kaiser Diokletian begründeten Tetrarchie ausbrachen, durchgesetzt und begründete so die konstantinische Dynastie. Konstantin verlegte die Residenz des römischen Kaisers nach Konstantinopel, als sein Neffe fünf Jahre alt war.

Bedeutsam war Konstantins Regierungszeit vor allem aus zwei Gründen: Zum einen verlagerte er die Zentralmacht mit der neuen Hauptstadt in den Ostteil des Reiches, der ohnehin immer mehr an Bedeutung gewonnen hatte. Zum anderen förderte er das Christentum und leitete somit die Christianisierung des römischen Reiches ein, wobei gleichzeitig die traditionellen Götterkulte zwar nicht abgeschafft wurden, aber an Kraft und Einfluss verloren; diese Entwicklung versuchte Gallus’ Bruder Julian später aufzuhalten.

Die Entscheidung Konstantins des Großen für die neue Hauptstadt wurde nicht zuletzt aus außenpolitischen Erwägungen getroffen, denn Konstantinopel lag etwa gleich weit entfernt von den bedrohten Grenzen des Reiches an Donau und Euphrat. Während jedoch an der Donau die Lage am Vorabend von Hunnensturm und Völkerwanderung noch weitgehend gesichert war, blieb die Lage im Osten gefährlich, da die Perser nach einem unruhigen Frieden gegen Ende der Regierungszeit Konstantins unter Schapur II. wieder in die Offensive gingen. Ein weiterer außenpolitischer Brennpunkt war und blieb die Rheingrenze in Gallien.

Während der Wirren nach Konstantins Tod kam es zur Säuberung von 337, der viele Mitglieder der Kaiserfamilie, darunter Gallus’ Vater Julius Constantius und dessen ältester Sohn, zum Opfer fielen. Erst zum Ende des Jahres 337 beruhigte sich die Lage wieder. Die Nachfolge Konstantins übernahmen dessen Söhne Konstantin II., Constantius II. und Constans. Konstantin II. starb bereits 340, als er versuchte, seinen jüngeren Bruder Constans anzugreifen.

Die blutigen innerfamiliären Säuberungen der Konstantinssöhne verhinderten zwar einen Bürgerkrieg, konnten aber nicht über die Differenzen zwischen den drei neuen Kaisern hinwegtäuschen. So spaltete auf religiösem Gebiet der Streit zwischen Arianern und Orthodoxen auch die kaiserliche Familie. Während Konstantin II. und auch Constantius den Arianern zuneigte, vertrat Constans die Linie der Orthodoxie. Der Streit zwischen Konstantin und Constans eskalierte bereits 340, ein Bruderkrieg wurde nur durch den Tod Konstantins in einem Scharmützel bei Aquileia verhindert.


Leben

Kindheit und Jugend

Constantius Gallus wurde 325/26 als Sohn des Julius Constantius, des Halbbruders Konstantins des Großen, und seiner Frau Galla im etrurischen Massa Veternensis geboren. Sein jüngerer Halbbruder war der spätere Kaiser Julian, der Sohn des Julius Constantius mit seiner zweiten Frau Basilina. Seine Schwester war die erste Ehefrau seines Cousins Constantius II.

Gallus überlebte wie sein Halbbruder die auf den Tod ihres Onkels Konstantin 337 folgende Säuberungswelle. Der Kirchenvater Gregor von Nazianz behauptet, Constantius II. habe die beiden gerettet. Ab 340 lebten die beiden unter der Obhut des Bischofs Eusebius von Nikomedia in Konstantinopel. Danach verbrachte Gallus einige Jahre in Ephesos. Auf Initiative Constantius’ II. lebte er nach Eusebius’ Tod mit Julian im kappadokischen Macellum (im heutigen Anatolien). Constantius, der den schlechten Einfluss ihres Freundeskreises auf die beiden fürchtete, verfügte, dass sie dort keine Bekannten empfangen durften.

Gregor von Nazianz, der ein Gegner Julians war, und ihm folgend der Kirchenhistoriker Sozomenos überliefern eine Anekdote aus der Zeit in Macellum, die Gallus in sehr vorteilhaftem Licht zeigt. Gregor zufolge wollten die Brüder im nahen Caesarea eine Kirche errichten, die dem Märtyrer Mamas geweiht werden sollte. Doch während der von Gallus übernommene Teil der Kirche in kürzester Zeit fertiggestellt wurde, stürzte Julians Teil bei einem Erdbeben ein. Der christliche Chronist Gregor deutet die Ereignisse so, dass Gott dem frommen Christen Gallus wohlgesonnen war und dem ungläubigen Julian zürnte.[1]

Gallus blieb fünf Jahre lang in Macellum. In der Zwischenzeit war das Reich durch die Erhebung von drei Gegenkaisern im Westen erneut in die Krise geraten. Constantius II. hatte sich währenddessen im durch die persischen Sassaniden gefährdeten Osten aufgehalten.[2] Die Bekämpfung des Usurpators Magnus Magnentius, dessen Truppen Kaiser Constans zum Opfer gefallen war, erforderte ab 350 seine Präsenz im Westen. Constantius II. ernannte deshalb 351 in Ermangelung eines leiblichen Sohnes Gallus zum Caesar, weil er den Osten nicht ohne Kaiser zurücklassen wollte.


Gallus als Caesar

Am 15. März 351 fand im pannonischen Sirmium die offizielle Ernennungszeremonie statt. Als Bestätigung seiner neuen Stellung als Caesar heiratete Gallus, der nun den Namen Flavius Claudius Constantius annahm, seine Cousine Constantina, die älteste Schwester Constantius’ II. Er blieb zunächst am kaiserlichen Hof, während sein Cousin in Pannonien den Gegenkaiser Magnentius bekämpfte.

Als abzusehen war, dass die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Gegenkaiser noch länger andauern würde, machte sich Gallus auf den Weg nach Syrien. Unterwegs traf er in Nikomedia auf seinen Bruder Julian, der Macellum ohne Constantius’ Einwilligung verlassen hatte. Constantius, der an einem guten Einvernehmen mit seinem neuen Unterkaiser interessiert war, sah jedoch von einer Strafe ab. Zunächst entwickelte sich das Verhältnis zwischen den beiden auch recht positiv. Der Redner Himerios schwärmte in einer Rede auf den Kaiser, Gallus sei „wie der Morgenstern aufgegangen“.[3]

Der Caesar, der in Antiochia residierte, hatte das Glück, dass der persische König Schapur II. durch Kämpfe im Nordosten seines Reiches abgelenkt war. Es kam zwar immer wieder zu Scharmützeln mit Isauriern und Sarazenen, diese wurden aber vom bereits seit 349 im Osten stationierten Heermeister Ursicinus auch ohne seine Hilfe erfolgreich geführt. Einen 352 aufflackernden Aufstand der Juden in Galiläa schlug Ursicinus brutal nieder, die Stadt Diocaesarea wurde dabei zerstört. Auch hier war es also nicht Gallus selbst, der die Führung der Militäraktion übernahm.[4]

Dass Gallus bei den Truppen dennoch beliebt war, missfiel dem misstrauischen Kaiser ebenso wie seine Versuche, selbstständig Politik zu machen. Constantius hätte es lieber gesehen, wenn er sich in die Anordnungen der kaiserlichen Beamten gefügt hätte. Dem stand jedoch der Ehrgeiz des Gallus und seiner Frau, der Augusta Constantina, entgegen. Die rein repräsentative Rolle, auf die der Kaiser die beiden gerne beschränkt hätte, war nicht nach ihrem Geschmack. Bald schon kam es zu Konflikten mit den Beamten, allen voran mit dem Leiter der Zivilverwaltung im Osten, dem praefectus praetorio per Orientem Thalassius; offenbar konnte Gallus nicht akzeptieren, dass alle Prätorianerpräfekten nur dem Seniorkaiser Constantius II. verantwortlich waren. Der Historiker Ammianus Marcellinus, ein Untergebener des Ursicinus, berichtet, der Caesar habe „weder die hohen Beamten noch die Oberschichten“ geschont.[5]


Gallus’ Ende

Constantius Gallus geriet, ähnlich wie später sein Halbbruder Julian, mit den Senatoren von Antiochia in Konflikt. Gegen den Willen der wohlhabenden Antiochier versuchte er eine Senkung der Getreidepreise durchzusetzen. Unkooperative Stadträte ließ er verhaften. Als er sein Vorhaben dennoch nicht verwirklichen konnte, lenkte er den Zorn der Bevölkerung auf den Präfekten von Syrien, Theophilus, der kurz darauf einer aufgebrachten Volksmenge zum Opfer fiel. Möglicherweise spekulierte er darauf, dass ihn die Bevölkerung zum Kaiser ausrufen würde.[6]

Als der immer noch mit Magnentius beschäftigte Kaiser 353 von diesen Ereignissen erfuhr, sandte er Domitianus nach Antiochia, um Gallus zurück nach Mailand an den Kaiserhof zu holen. Dieser ließ jedoch den Boten sowie den Quaestor Montius festnehmen und hinrichten. Anschließend machte er noch angeblichen Mitverschwörern den Prozess. Damit hatte Gallus die letzte Chance auf eine Einigung mit Constantius vergeben. Selbst ein Krieg zwischen den beiden wurde am kaiserlichen Hof nun nicht mehr ausgeschlossen. Auch der in Konstantinopel zu Besuch weilende Julian bekam die gegen seinen Bruder gerichtete Stimmung jener Tage zu spüren.[7]

Zwischen Mailand und Antiochia fand derweil ein reger Briefwechsel statt. Der nach Italien zurückgekehrte Constantius bat seine Schwester, ihn zu besuchen. Diese machte sich 354 auch tatsächlich auf den Weg, erlag aber bereits in Bithynien einem Fieberanfall. Da auch die Gattin des Constantius, eine Schwester des Gallus, im Jahr zuvor verstorben war, gab es nun niemanden mehr, der beim Kaiser für ihn sprechen konnte. Constantius gab sich dennoch weiterhin großmütig und bot seinem Cousin sogar eine Doppelherrschaft an. Der machte sich nun doch auf den Weg in den Westen, nicht ohne unterwegs in Konstantinopel prachtvolle Spiele auszurichten. Er fühlte sich bereits ganz als Augustus.[8]

Der Auftritt im Zirkus der Hauptstadt brachte das Fass zum Überlaufen. Constantius ließ diskret die Garnisonen der von seinem Gegenspieler besuchten Städte abziehen, um diesem keine Gelegenheit zu geben, die Truppen gegen ihn aufzustacheln. In Noricum wurde Gallus schließlich festgenommen und nach Flanona auf Istrien gebracht. Als er die Verantwortung für die Vorgänge in Antiochia Kaiser Constantius zuwies, verurteilte ihn dieser zum Tode. Für Reue war es nun zu spät. Der kaiserliche Oberkämmerer Eusebius und der Gardekommandant Barbatio, die Constantius treu ergeben waren, sorgten dafür, dass Gallus zum Jahresende 354 in Flanona nahe Pietas Iulia hingerichtet wurde.[9]

Letztendlich hatten nicht nur Gallus’ Fehler bzw. Ungeschicklichkeiten zu dessen Sturz geführt, sondern auch die fast allgegenwärtigen Palastintrigen. Julian machte Constantius schwere Vorwürfe: Auch wenn manches an Gallus zu tadeln war, hätte er ein solches Ende nicht verdient gehabt. Doch wurde mit dem Aufstieg und Fall des Gallus auch ein Strukturproblem des Reiches unter Constantius deutlich: Sowohl Gallus als auch später Julian sollten in ihrer Rolle als Juniorkaiser nicht als vollkommen eigenständige Herrscher über ein Teilreich, sondern eher wie mit weitreichenden, aber eben doch nicht unumschränkten Kompetenzen ausgestattete Regionalgouverneure agieren. Damit aber konnten sich Gallus und später Julian nicht abfinden.


Literatur

Quellen

Eine nicht unwichtige Quelle stellt Ammianus Marcellinus dar, der in seinem Geschichtswerk Res Gestae im 14. Buch auf wenig schmeichelhafte Weise auf Gallus eingeht, wobei manches von dem Gesagten aber als Topos zu werten ist; in diesem Zusammenhang wird Gallus (wohl etwas überzeichnet) als tyrannische Persönlichkeit dargestellt. Des Weiteren sei bei den erzählenden Quellen auf die Werke des Philostorgios, des Zosimos, des Theophanes und des Zonaras sowie auf die diversen Äußerungen Julians, etwa in seinen Briefen, hingewiesen.

  • Ammianus Marcellinus: Das römische Weltreich vor dem Untergang, Hakkert, Amsterdam 1997 (Nachdruck der Ausgabe Zürich 1974), ISBN 90-256-0989-9.
  • Theophanes: The chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern history A.D. 284–813, Clarendon, Oxford 1997, ISBN 0-19-822568-7.
  • Johannes Zonaras: Militärs und Höflinge im Ringen um das Kaisertum. Byzantinische Geschichte von 969 bis 1118, Verlag Styria, Graz 1986, ISBN 3-222-10295-3.
  • Zosimos: Neue Geschichte, übersetzt und eingeleitet von Otto Veh. Durchgesehen und erläutert von Stefan Rebenich, Hiersemann, Stuttgart 1990, ISBN 3-7772-9025-4.

Sekundärliteratur

  • Pedro Barceló: Caesar Gallus und Constantius II., ein gescheitertes Experiment?. In: Acta Classica XLII (1999), S. 23–34.
  • Bruno Bleckmann: Constantina, Vetranio und Gallus Caesar. In: Chiron 24 (1994), S. 29–68.
  • Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian. 284–565 n.Chr., C.H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44107-6.
  • Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire (284–602). A social, economic and administrative survey, 2 Bde., Johns Hopkins University Press, Baltimore 1986 (Nachdruck der Ausgabe Oxford 1964), ISBN 0-8018-3285-3.
  • Adolf Lippold: Constantius, C. Gallus. In: Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden. Band 1, Sp. 1291f.
  • Robert N. Mooney: Gallus Caesar’s Last Journey. In: Classical Philology, Vol. 53, No. 3 (1958), S. 175–177.
  • Klaus Rosen: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser. Klett-Cotta, Stuttgart 2006, S. 52f., 80ff., 91ff., 103ff., 110ff., 129f., 237ff., 281f., ISBN 3-608-94296-3.
  • E. A. Thompson: Ammianus’ Account of Gallus Caesar. In: American Journal of Philology, Vol. 64, No. 3 (1943), S. 302–315.

Weblinks

Anmerkungen

  1. ↑ Vgl. Gregor von Nazianz, Rede 4,24–29; Sozomenos 5,2,12–14.
  2. ↑ Zu den Kämpfen zwischen Römern und Persern in der Regierungszeit Constantius’ II. siehe Michael H. Dodgeon und Samuel N. C. Lieu (Hrsg.), The Roman Eastern Frontier and the Persian Wars (AD 226–363). A Documentary History, London/New York 1991, S. 164ff.
  3. ↑ Himerios, Fragment 1,6, S. 249f.
  4. ↑ Zum jüdischen Aufstand vgl. Socrates Scholasticus 2,33,2; Sozomenos 4,7,5. Ausführlich geht Günter Stemberger, Juden und Christen im Heiligen Land. Palästina unter Konstantin und Theodosius, München 1987, S. 132–150 auf den Aufstand ein.
  5. ↑ Ammian 14,7,1.
  6. ↑ Zur Rolle des Gallus in der antiochenischen Versorgungskrise vgl. John F. Matthews, The Roman Empire of Ammianus, London 1989, S. 406–408.
  7. ↑ Julian, Brief an Themistios, 259b–c.
  8. ↑ Vgl. dazu auch R.N. Mooney, Gallus Caesar’s Last Journey, CPh 53, 1958.
  9. ↑ Zum Todesort Socrates Scholasticus 2,34,4 und Sozomenos 4,7,7. Vgl. auch Bleckmann, Constantina, Vetranio und Gallus Caesar, S. 66,

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