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Sotiates oder Sottiates, Völkerschaft im eigentlichen, iberischen Aquitanien, südlich der Garunna (Garonne).

Name. In der lateinischen Beischrift von Münzen der cäsarischen Zeit lautet das Ethnikon, im Singularis: Sotiota. Für Caesar, der den Namen viermal nennt (bell. Gall. III 20, 2. 3. 21, 1. 2) ist die Lesung Sotiates als Pluralis, mit dem Genetiv Sotiatium oder Sotiatum gesichert, doch bietet daneben die hsl. Überlieferung außer der Schreibung Sociat- auch Sontiat- und Sonciat-, sowie Sosat(ium) und vereinzelt Sontiot(um); s. Holder II 1620f. Meusel Jahresber. des philol. Vereins Berlin 1886 S. 279 und 1894 S. 227 (Erkl. Ausg. von Kraner-Dittenberger-Meusel17 I S. 427 und III S. 157). Gleichwertig mit Sotiates ist die für Plinius d. Ä. (n. h. IV 108) überlieferte Schreibung Sottiates; s. Bd. III Α S. 1239, 26ff. Während Dio (XXXIX 46) die von Caesar gewählte Schreibung übernommen zu haben scheint (überliefert ist, als Akkusativ: Ἀπιάτας, statt Σωσιάτας), hat Nikolaos von Damaskos (s. u.) das Ethnikon Σωτιανοί im Genetiv Σωτιανῶν gebraucht. Die Überlieferung des Orosius (VI 8, 19–20), der den Bericht Caesars ausgeschrieben hat, bietet Sotiates und Sociates (Genetiv: -um); s. die Ausg. von Ζangemeister (Corp. Script. Eccl. Lat. Vindob. V zu p. 376, 6 und 8), der aber selbst in den Text eingesetzt hat: So[n]tiates, So[n]tiatum, weil die damaligen Caesarausgaben jene Schreibung mit n bevorzugt hatten.

Ihr Hauptort scheint Sotium oder Sottium geheißen zu haben, s. den Art. Scittium Bd. II A S. 826f. Da dieser Ortsname doch wohl nicht erst in der Spätzeit aufgekommen ist, so ist von Sot(t)ium der Name der Völkerschaft Sot(t)iates ebenso abgeleitet, wie in derselben Gegend Lactorates von Lactora (abweichend von dem gewöhnlichen Verhältnis in den Tres Galliae, wo in der Spätzeit der Name der Völkerschaft den älteren Ortsnamen verdrängt und ersetzt, s. den Art. Lactora Bd. XII S. 362ff., bes. S. 365). Nach dem Vorgang von Caesar haben die Römer also den Volksstamm nicht Sotiotae genannt, sondern Sotiates (Sottiates) mit einer Ableitung von Sot(t)ium, wie Antiates von Antium, Sirmiates von Sirmium (CIL III 7429 = Dess. 1465), Veleiates von Veleia, Auximates von Auximum, Hispellates von Hispellum usw.

Gröhler Urspr. u. Bedeut. d. franz. Ortsnamen I 56f. und 355 erklärt den Namen der aquitanisch-iberischen Völkerschaft für ligurisch und vergleicht den von Plin. n. h. III 47 bezeugten ligurischen Volksstamm der Soti.

Geschichtliches. Im J. 698 der Stadt Rom = 56 v. Chr. drang der junge Unterfeldherr Caesars, P. (Licinius) Crassus über die Garonne in Aquitanien ein, wo nicht lange vorher (nämlich während des sertorianischen Krieges im J. 78 oder 77 v. Chr.) die Römer Niederlagen erlitten hatten. Da der Einbruch, wie anzunehmen ist, in der Gegend von Aginnum (Agen) erfolgte, traf er zunächst das Gebiet der S. Diese aber hatten in Erwartung des Angriffes starke Streitkräfte [990] gesammelt und griffen vorerst mit ihrer Reiterei (equitatu, quo plurimum valebant) die Römer auf dem Marsche an. Als ihre Reiterei zurückgeschlagen oder zurückgegangen war, zeigten die S. überraschend ihr in einer Schlucht verdeckt gewesenes Fußvolk. Der Kampf war heiß, da die S., stolz auf die früheren Siege (im Sertoriuskrieg), an denen sie also vornehmlich beteiligt gewesen waren, in ihrem tapferen Widerstand die Rettung von ganz Aquitanien sahen. Doch sie wurden schließlich unter blutigen Verlusten besiegt. Auf dem Weitermarsch griff Crassus das Oppidum (Refugium) der S. an, wohin diese nach ihrer Niederlage sich offenbar zurückgezogen hatten. Um den kräftigen Widerstand der Verteidiger zu brechen, mußte Crassus zur förmlichen Belagerung mit agger und vineae und turres übergehen. Als auch die gegen diese Maßnahmen gerichteten Anstrengungen vergeblich waren, boten die S. ihre Unterwerfung an. Während der Römer Aufmerksamkeit auf die Auslieferung der Waffen der S. gerichtet war, versuchte an einer anderen Stelle des Oppidum deren Häuptling Adiatunnus (oder Adiatuanus, s. u.), qui summam imperii tenebat, mit seinen 600 soldurii (s. Fiebiger Bd. III Α S. 915) einen Ausfall, der indessen mißglückte. Darauf ergab sich auch Adiatunnus, und seine Unterwerfung wurde von Crassus angenommen. Nachdem die S. ihre Waffen ausgeliefert und Geiseln gestellt hatten, setzte Crassus seinen Eroberungszug in Aquitanien fort und rückte weiter in das Gebiet der Vocates und Tarusates. In der späteren Entscheidungsschlacht wurden auch die durch hispanische Iberer verstärkten übrigen aquitanischen Völkerschaften geschlagen und unterwarfen sich mit Ausnahme der weitab, in den Pyrenäen seßhaften Stämme. Dies ist im Auszug der Bericht Caesars, der Aquitanien aus eigener Anschauung nicht kannte: Caes. bell. Gall. III 20–27 (vgl. Münzer o. Bd. XIII S. 292). Auf Caesar gehen zurück die Berichte des Nikolaos von Damaskos im 116. Buch seiner Ἱστορίαι, erhalten bei Athen. VI 54 p. 249 Α (Jacοby Die Fragmente der griech. Historiker II Α p. 379 nr. 90, 80 mit C p. 254), des Cass. Dio XXXIX 46 und des Oros. VI 8, 19–20 (nebst Paulus und Landulfus in Mon. Genn. Auct. ant. II p. 281).

Die Römer scheinen den Häuptling der S., der bei Caesar Adiatunnus heißt (so hat eine Hss.-Klasse, die andere hat Adcatuannus, weshalb Meusel Adiatuanus in den Text aufgenommen hat; s. die hsl. Überlieferung bei Holder III 507 und Meusel Erkl. Ausg.17 I 428), in seiner Machtstellung belassen und ihm durch den Senat den Titel ‚König‘ zuerkannt zu haben, denn auf Silber- und Bronzemünzen der cäsarischen Zeit nennt er sich rex. Diese Münzen zeigen übereinstimmend auf der Vorderseite einen verzerrten Kopf (wohl einer Gottheit der entstellten Vorlage) und auf der Kehrseite das Münzbild des Münzmeisters P. Satrienus (Babelon Monn. de la Républ. rom. II p. 420, nach Stein Bd. II A S. 190, 4ff. des J. 677 = 77 v. Chr.); die auf beide Seiten verteilte Beischrift lautet: Rex Adietuanus fe oder vielmehr ff (= fieri fecit?) | Sotiota; s. Muret-Chabouillet Catal. des monn. gaul. de la Bibl. nat. nr. 3604 [991] bis 3613 (nr. 3605 ist abgebildet im zugehörigen Atlas von De la Tour Pl. XI). Blanchet Traité des monn. gaul. I p. 81. 96. 287 Fig. 160; vgl. auch Robert Monn. gaul. 1880 p. 20 (aus: Annuaire de la Soc. franc. de Numism. et d’Arch. pour 1878, wo noch eine ältere Münze, ohne Schrift, den S. zugeschrieben wird). Diesen Adietuanus (Adiatuanus, Adiatunnus) nennt Nikolaos von Damaskos, infolge einer Angleichung des barbarischen Namens an die griechische Zunge: Ἀδιάτομος (Ἀδιάτομον βασιλέα). [Zum Namen s. Holder Altcelt. Sprachsch. I 41. 42. III 507; ungenügend o. Bd. I S. 361.]

Abgesehen von den auf die Unterwerfung der S. im J. 56 v. Chr. bezüglichen Schriftstellen werden sie nur noch genannt von Plin. n. h. IV 108 in der Aufzählung der Völkerschaften der aquitanischen Provinz, und zwar (nach der gebesserten Lesung, wie sie im Art. Sediboviates Bd. II A S. 1022 gegeben ist) unter den eigentlichen Aquitani, hinter den Ausci (um Auch) und Elusates (um Eauze) und vor den Oscidates campestres und Succasses.

In der römischen Kaiserzeit waren die S. mit den benachbarten Elusates zu einer mit deren Namen benannten Civitas oder Volksgemeinde der erweiterten, als Aquitanica Gallia bezeichneten Provinz vereinigt. Dies wird bewiesen durch eine zu Sοs unter dem Fußboden der (abgebrochenen) Kirche gefundenen Inschrift der Zeit um 100 n. Chr., CIL XIII 548, von einem Denkmal, durch welches der ordo Elusat(ium), also der Rat der Volksgemeinde, der Civitas Elusatium, einen [f]la[m(en)] Rom(ae) et Aug(usti), duovir, q(uaestor) geehrt hatte.

Denn es darf als sicher gelten, daß der Name der S. fortlebt im Namen der kleinen Stadt Sos, im südwestlichen Winkel des Departements Lot-et-Garonne (Andree Handatlas 95/96 F 1, südwestlich von Nérac) und daß in diesem Ort das alte Sotium oder Sottium zu erkennen ist, welches Itin. Hierosol. in der verderbten Schreibung Soctium oder Scittium als Mutatio des Reiseweges Burdigala (Bordeaux)—Tolosa (Toulouse) aufführt; s. Bd. II Α S. 826/827. Auch ist dieses Sot(t)ium, das heutige Sos, das von Caesar (bell. Gall. III 21, 2. 22, 1. 4. 23, 2) genannte oppidum Sotiatum et natura loci et manu munitum, denn Sos liegt auf einer im Winkel des Zusammenflusses der Gélise und der kleineren Gueyze sich erhebenden Hochfläche, die auf drei Seiten durch Steilwände geschützt und auf der vierten, nördlichen, mit der benachbarten Hochfläche durch eine Landenge verbundenen Seite durch noch heute nachweisbare künstliche Befestigungsanlagen gesichert war; noch im Mittelalter war Sos ein fester und strategisch wichtiger Platz. – Andere Ansetzungen sind zu verwerfen, so die von Camoreyt L’emplacement de l’ oppidum des Sotiates 1883 (aus: Revue de Gascogne), der zu beweisen versucht hat, daß Lactora das Oppidum der S. gewesen sei (s. CIL XIII 1, 1 p. 65).

In der Spätzeit der Römerherrschaft (nach 300) scheint der erwähnte Abschluß der Hochfläche, der die einzige Zufahrt zur Ortschaft schützte, wie z. B. auch auf dem Herapel bei Forbach (Suppl.-Bd. III S. 1121f.), erneuert worden zu sein, unter Mitverwendung von römischen Bauteilen [992] oder Denkmälern, zu denen ein Bildstein mit Inschrift gehört, geweiht von struclores der Tutela (über diesen im Gebiet beiderseits der Pyrenäen einer einheimisch-iberischen Göttin gegebenen Namen s. Wissowa im Myth. Lex. V 1306f.): CIL XIII (4, Add.) 11031 [die Fundstelle hat die Sonderbezeiehnung: en Albret]; vgl. Espérandieu Recueil IX nr. 6939 (ohne Abb.).

Seit dem J. 297 n. Chr., als die aquitanische Provinz in drei Provinzen zerlegt war, gehörten die S. zur Provincia Novempopulana, welche ja das eigentliche Aquitanien umfaßte. Doch bildeten jene auch damals keine eigene Civitas, weshalb sie in der Notitia Galliarum nicht berücksichtigt sind und Sotium im Itin. Hierosol. als mutatio und nicht als civitas bezeichnet ist.

Schließlich sei noch von Altertumsfunden erwähnt an der Römerstraße bei Sos (200 m von der Stadt entfernt), gegenüber den Resten eines großen Gebäudes (römische Villa), eine Meilensäule ohne Inschrift (weil Oberteil fehlt), dann die Feststellung von Eisenschmelzen und Eisengruben in der Umgebung von Sos, was stimmt zu dem Zeugnis des Caesar im Bericht über die Belagerung des Oppidum der S. (bell. Gall. III 21, 3): cuniculis ad aggerem vineasque actis, cuius rei sunt longe peritissimi Aquitani, propterea quod multis locis apud eos aerariae secturaeque (oder aerariae structurae) sunt.

Literatur. Valesius Not. Gall. 529. D’Anville Notice de l’anc. Gaule 611–613, Ukert (II 2, 261–262) und Forbiger Geogr. d. Gr. und Römer. Walckenaer Géogr. des Gaules I 283f. Desjardins Géogr. de la Gaule rom. I 410; II 371. 376. Holder Altcelt. Sprachschatz II 1620–1622. Gröhler Entwickl. franz. Orts- und Landschaftsnamen aus gall. Volksnamen 22; Urspr. u. Bdtg. d. franz. Ortsn. I 56f. Holmes Caesar’s Conquest of Gaul² 93. 474–477. 849. Hirschfeld Aquitanien in d. Römerzeit in S.-Ber. Akad. Berl. 16. Apr. 1896 = Kl. Schr. 211ff. und CIL XIII 1, 1 p. 72 (vgl. p. 65). Momméja Les découvertes de Sos in Revue des études anc. XIV (1912) 67–171 und Les mines de fer de Sos ebd. 72–74. Iullian Hist. de la Gaule II³ 305f. – Kiepert FOA XXV Kf. – Zu Bd. II A S. 827, 17/20: Da nach Itineraria Rom. ed. Cuntz I (1929) p. 86 Cod. Veron. des Itin. Hierosol. soctio bietet, so ergibt sich als berichtigte Lesung: Sottio.


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