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Gramineen. Gräser, echte Gräser, Süßgräser. Monokotyle (einsamenlappige), der Ordnung der Glumaceae (Speltblüter) angehörende, einjährige oder perennierende, krautige Pflanzen mit Büschelwurzeln. Die meist zwitterigen, selten eingeschlechtigen Blüten sind in Ährchen (spiculae) vereinigt. Diese letzteren bestehen aus zweizeilig geordneten Deckblättchen, hier Spelzen (glumae) genannt, zwischen denen die eigentlichen Blüten stehen. Die Ährchen sind ein- oder mehrblütig, in Ähren oder Rispen, seltener auf einem Kolben. Die Grasfrucht ist ein Korn oder eine sog. Schalfrucht (caryopsis), entweder mit den Spelzen nicht bekleidet und aus denselben herausfallend (nackt), oder damit bekleidet (beschalt, spelzrindig). Der Halm (culmus) ist hohl, selten mit Mark gefüllt, stielrund oder zweischneidig und knotig, mit zweizeiligen, wechselständigen, schmalen Blättern. Die Gräser sind eine der größten und wichtigsten Pflanzenfamilien, in 3800 Arten [1697] über die ganze Erde als Land- und Wasserpflanzen verbreitet (Leunis Synopsis3 II 810f.). In der größten Menge finden sie sich in der nördlichen gemäßigten Zone, wo sie als Weiden, Wiesen und Getreidefelder den vorherrschenden Teil der Vegetation ausmachen. Nach Süden hin nimmt die Zahl der Arten zu, die Menge der Individuen aber ab. Gegen die Pole verschwinden die G. allmählich, ebenso wie in den höheren Gebirgslagen, wo Moose und Flechten an ihre Stelle treten.

Neben den als Getreide angebauten G. finden sich zahlreiche wiesenbildende oder als Unkraut auftretende G., sowie die Rohrschilfarten. Bei der nachfolgenden Aufzählung der dem Altertume bekannten G. erwachsen mancherlei Schwierigkeiten. Zunächst hat Linné wiederholt einer Pflanze einen griechischen Namen beigelegt, unter dem die Alten eine andere Pflanze verstanden, weiterhin sind die Botaniker nicht selten verschiedener Meinung, welche von den heutigen Pflanzen unter der von den Alten genannten und oft nicht deutlich genug beschriebenen Pflanze zu erkennen sei. Infolge dessen wird es nicht immer möglich sein, bei jeder einzelnen Grasart mit Sicherheit anzugeben, ob sie den Ähren- oder den Rispengräsern zuzurechnen sei.

I. Ährengräser.

Die Ährchen sind völlig stiellos, sie sitzen eingesenkt in die Ausschnitte des Halmes (Spindel) und bilden so eine einzelne, gipfelständige Ähre (Endähre). Hierzu gehören die wichtigsten Getreidepflanzen: Gerste, Weizen, Dinkel, Roggen mit ihren zahlreichen Arten (s. Art. Getreide, sowie die Spezialartikel). Von den hierher gehörenden Unkräutern und Wiesengräsern sind von den alten Schriftstellern die nachbenannten erwähnt.

1. Αἰγίλωψ

(auch αἰγιλάδη, σιτόσπελλος, ἀκρόσπελλος, σίφων, βρόμος) (Diosc. IV 137 Wellmann), festuca, aegilops (Plin. n. h. XVIII 155), neugriechisch μακρογέννι, ἀγριοσίταζο Walch, Aegilops L., ein in ganz Südeuropa häufig vorkommendes Unkraut, von welchem zwei Arten: Aegilops ovata, Gerstenwalch, und Aegilops triticoides, der weizenartige Walch, unterschieden werden. Letzterer, ein Bastard zwischen Gerste und Weizen, ist diesem letztgedachten so ähnlich, daß die Annahme entstehen konnte, Aegilops könnte durch Züchtung in Weizen verwandelt werden (Leunis Syn.). Nach Theophrast (h. pl. VIII 3), Plinius (n. h. XVIII 155. XXI 103), Geoponica (II 43) ist Aegilops ein sehr lästiges, verderbenbringendes Unkraut unter der Gerste. Es liebt guten, bebauten Boden und keimt im zweiten Jahre. Wer das Unkraut ausrotten will, muß den Acker zwei Jahre hindurch brach liegen lassen und die Schafe zum Abweiden auf das Stoppelfeld treiben. Die kleine Pflanze hat dem Weizen ähnliche, aber weichere Blätter, am Ende des Halmes ist die Frucht in eine, zwei oder drei Hüllen eingeschlossen, aus denen Grannen wie Haare herauswachsen. In der Heilkunde wurde der mit Mehl vermischte Samen des Aegilops als Kompresse bei Tränenfisteln aufgelegt. Dieses Geschwür im Augenwinkel wurde gleichfalls mit αἰγίλωψ (auch αἰγιλώπιον) bezeichnet; vgl. Gerstenkorn. Der aus dem Stengel und den Blättern gepreßte Saft wurde mit Mehl zu einem Brei vermischt, den man nach dreimonatlicher Aufbewahrung [1698] zu Kügelchen formte, die ebenfalls gegen dieses Leiden, sowie zum Verteilen von Verhärtungen und Geschwüren verwandt wurden (Diosc. IV 137. Plin. n. h. XXV 146). In Griechenland ist Aegilops heute die nächst Bromos am häufigsten vorkommende einjährige Grasart der Xirobunen. Sie tritt auf trockenen Hügeln, in dürren Ebenen, sowie in feuchten Niederungen massenhaft auf. Aegilops keimt im Herbst und Winter und verdorrt bereits im Mai. Die Botanik unterscheidet Aegilops ovata, cylindrica, comosa und triuncialis. In Norditalien kommt Aegilops nur selten vor (Fraas Syn. 304. Berendes zu Diosc. 440).

2. Αἶρα

(θὐαρος Diosc. II 100; ζιζάνιον Geop. II 43; Matth. XIII 25), aera, lolium, Taumellolch, Lolium temulentum L. Ein besonders unter dem Sommergetreide häufig vorkommendes Unkraut (Verg. Ecl. V 37. Plin. XVIII 153), welches dadurch sehr lästig wird, daß der Same mehrere Jahre hindurch in der Erde liegen kann, ohne seine Keimkraft zu verlieren. Daher erscheint Lolium in nassen Jahren plötzlich in großer Menge, wodurch vielleicht die Annahme entstand, das Getreide habe sich in Lolium verwandelt (Theophr. IV 1). Wie Aegilops die Gerste schädigt, so αἶρα besonders den Weizen (Verg. Georg. I 154). Der Lolch hat schmale, gedrängt stehende, glatte Blätter (Theophr. VIII 7, 1). Die giftige Eigenschaft seines Samens, die den Genuß des damit verunreinigten Brotes schädlich macht, war von alters her bekannt (Verg. Georg. I 154 nennt ihn den ,unglücklichen‘). Besonders schrieb man ihm schädigende Einwirkungen auf die Sehkraft zu (Geop. II 43: Τὸ ζιζάνιον, τὸ λεγόμενον αἶρα, φθείρει τὸν σῖτον, ἀρτοῖς δὲ μιγνυμένη σκοτοῖ τοὺς ἐσθίοντας. Ovid. fast. I 691: et caveant loliis oculos vitiantibus aegri). Daß Lolium immerhin gegessen wurde, ist ersichtlich aus Plaut. Mil. 321: mirumst lolio victitare te tam vili tritico, und Hor. sat. II 6, 89: cum pater ipse domus palea porrectus in horna esset ador loliumque, dapis meliora relinquens.

Verwendung des Lolium in der Heilkunde: Mit Rettich und Salz aufgelegt erweicht Lolium krebsartige, eiternde Geschwüre, mit natürlichem, d. i. vom Feuer nicht berührtem Schwefel (θεῖον ἄπυρον) und Essig heilt er Flechten und Aussatz, mit Taubenmist und Leinsamen, in Wein gekocht, öffnet er die Mandeln und befördert das Aufgehen schwerreifender Geschwüre. Mit Honigmet, als Getränk und Umschlag verwendet, lindert er Ischiasschmerzen (Diosc. II 100. Plin. XXII 160). Lolchmehl, in Essig gekocht, ist ein Mittel gegen die Räude der Hunde (Plin. XXII 160). Die giftige Eigenschaft des Lolchsamens, welche Betäubung, Schwindel, Erbrechen, selbst Krämpfe hervorrufen soll, wird neuerdings vielfach bestritten. Jedenfalss kann das Gras vom Vieh ohne Nachteil genossen werden (Leunis Syn.3 II 858).

3. Φοῖνιξ

(auch ῥοῦς, ἀρχίνωψ, φοινικόπτερος, ῥουσιόσταχυς, ὀσθάλη) pabulum murinum, ägyptisch athnou (Diosc. IV 43), lolium murinum (lolium oder hordeum murinum, Plin. XXII 135), neugriechisch ἥμερα ἧρα, Lolium perenne L.). Das Blatt ähnelt dem der Gerste, ist aber kürzer, die Ähre (es sind deren 6–7) ist wie die des [1699] Lolch gestaltet. Um die Wurzel stehen sechs Finger lange Zweige. Die Pflanze wächst auf Äckern und in den frischgestrichenen Fugen der flachen Dächer (Berendes zu Diosc. 43). Gegen Durchfall und Unterleibsleiden wird sie mit herbem Wein getrunken (Diosc. IV 43). Nach Fraas (Syn. 305) kommt Lolium perenne in ganz Griechenland an Wegen, auf den Feldern und Häusern vor.

4. Στελέφουρος

(στελεφοῦρος, ἀρνόγλωσσον, ὄρτυξ Theophr. VII 11), Haargras, Elymus L. Eine dem Weizen ähnliche G.-Art mit breiteren Blättern und behaarter Blüte. Die ganze Ähre blüht auf einmal. Die Pflanze, die neugriechisch ξηρόχορτον heißt, ist auf Milos, bei Nauplia, auf Euboea und am Hymettus gefunden worden (Fraas Syn. 303). Elymos ist bei Diosc. II 120 der Name für Panicum Italicum L. (Setaria Italica Beauv.) und wurde von Linné auf diese Gattung übertragen. Eine Abart des Haargrases, das Sandhaargras, wird zur Befestigung des Flugsandes an Meeresküsten gesät, die Körner werden in Island unter dem Namen Sandweizen zu Brot verwendet (Leunis Syn.3 II 859).

5. Ἄγρωστις ἡ ἐπαμήλωτος

(αἰγικόν, ἁμαξῖτις), ägyptisch anuphi, lateinisch gramen, asifolium, sanguinalis, viniola. Die Spanier nannten das Gras aparia, die Daker kotiata, die Afrikaner iebal, Diosc. IV 29. Geop. II 6, 23. II 5, 4 ἄγρωσις; bei Apul. herb. 77 agrostis, Quecke. Diese hat süße, knotige Wurzeln (ἄγρωστις μελιηδής, Hom. Od. VI 90), die mit starken Ausläufern in der Erde verzweigt sind, so daß die Pflanze sehr schwer auszurotten ist. Aus jedem Wurzelgelenk treibt nämlich nach oben eine Sprosse (βλαστός), nach unten eine neue Wurzel (Theophr. I 6. II 2. IV 10). Die Pflanze wuchert in sumpfigen Gegenden (ἄγρωστις εἰλιτενής Theophr. XIII 42). Ihre scharfen, harten, breiten Blätter sind denen des kleinen Rohrs ähnlich und dienen dem Rindvieh als Futter (Diosc. IV 29). Die feingestoßene Wurzel wurde als Umschlag bei Verwundungen verwandt; abgekocht diente sie gegen Leibschmerzen, Blasen- und Steinleiden (Diosc. IV 29). Mit Schwefel, Pech und Alaun zu gleichen Teilen vermischt wurde sie gegen Hitzblattern der Pferde aufgelegt (Col. VI 31). Sprengel sieht in der Agrostis die Ackerquecke, Triticum repens L. Fraas identifiziert die Pflanze mit dem von Plinius (XXIV 182) als Stachelgras beschriebenen dactylus, dem Cynodon Dactylon Pers. = Hundszahngras, neugriechisch ἀγριάδα. Fraas begründet seine Ansicht damit, daß Triticum repens in Griechenland nur selten vorkomme, Cynodon aber sich in allen feuchten und dürren Niederungen, besonders in den salzsauren Küstengegenden Griechenlands überall, oft rasenbildend, finde. Der im Neugriechischen ähnlich lautende Name ἀγριάδα, sowie die medizinische Verwendung der Wurzeln in den griechischen Apotheken dürften für ihn sprechen. Nach Leunis (Syn. 825) werden die süßen Wurzeln des Cynodon Dactylon in Italien in derselben Weise medizinisch verwertet, wie bei uns die Wurzeln der gemeinen Quecke. Freilich darf nicht unerwähnt bleiben, daß die italienische Bezeichnung für Triticum repens L. gramegna auf einen der oben genannten lateinischen Namen (gramen, Plur. gramina) der Agrostis hinweist, [1700] während erba pignola = Cynodon dactylon in keiner Beziehung zu einem der lateinischen Namen für Agrostis steht. Übrigens werden sowohl Cynodon Dactylon wie Triticum repens von v. Martens Italien II 60 unter den Gewächsen aufgeführt, die in Oberitalien wegen ihrer Heilkräfte geschätzt sind.

6. Καλαμάγρωστις,

eine etwas größere Pflanze als Agrostis mit kalmusähnlicher Wurzel. Kalamagrostis ist für das Vieh giftig, besonders eine in Babylonien wachsende Art (Diosc. IV 30). Sprengel bestimmt die Pflanze als Calamagrostis Epigeios Roth., die das Vieh nur bei stärkstem Hunger frißt. Nach dem Genuß geht es an Eingeweideentzündung zugrunde. Fraas sieht in Kalamagrostis die Aleppo-Moorhirse, Sorgum halepense Pers., ein in Italien auf den Äckern und Wiesen gefürchtetes Unkraut (melghetta), dessen Wurzelstock dem Rhizom des Cynodon Dactylon sehr ähnlich ist. Diese in Griechenland gewöhnlich an Sümpfen und in feuchten, ungesunden Niederungen wachsende Grasart ist besonders den Schafen und Rindern schädlich wegen des in den Blattwinkeln durch Tau stehenbleibenden und faulenden Wassers (Fraas Syn. 301).

II. Rispengräser.

Die Ährchen sind in einer Rispe oder Rispenähre oder in mehreren gipfelständigen Ähren zusammengestellt. Hierzu gehören von Getreidepflanzen Reis, Mais, Hafer, Hirse (s. Art. Getreide und die Spezialartikel).

1. Κάλαμος, arundo, cana, calamus

Rohr, Schilf umfaßt die größten G., denn einige europäische Arten werden über 3 m hoch, das indische Rohr, Bambusrohr, bis zu 30 m hoch. Es sind Wasserpflanzen, die teils im Wasser selbst, teils an den Ufern, in Sümpfen, in Lachen oder an ausgetrockneten Wasserläufen stehen; sie sind sehr verschieden an Größe, Stärke und Belaubung. Einige Arten haben zarte, andere rauhe, scharfe Blätter; einige sind strauchig, andere nur mit wenigen, verhältnismäßig kleinen Blättern versehen; manche Arten haben hohle, andere mit Mark gefüllte Stengel. Die Wurzel ist bei einigen Arten schmackhaft. Die Blüte ist eine Rispe. Männliche und weibliche Pflanzen werden unterschieden.

Nach Hehn (Kulturpflanzen7 304) stammt das Rohr (Arundo donax L.), welches, unähnlich dem in nördlicheren Ländern wachsenden gemeinen Sumpfrohre (Phragmites communis), im Kulturleben der südeuropäischen Völker von größter Bedeutung war und noch ist, ursprünglich aus dem wärmeren Asien und hat in seiner Verbreitung den Bezirk der Mittelmeerländer nicht überschritten. Engler (bei Hehn 307) ist dagegen geneigt, das Indigenat des Arundo donax im Gebiete des Mittelmeers anzunehmen. Ob die aus der Pflanze gefertigten Gebrauchsgegenstände, z. B. die aus Rohr geflochtenen Brotkörbe κάνεον, κάνειον, κάναστρον, die Webspule κανών, die Wage κανών, die Meßrute κανών u. a. den Griechen durch den Handel mit den Phönikern eher bekannt wurden als die Pflanze selbst, ob die Pflanze erst eingeführt und an dazu geeigneten Orten Griechenlands, besonders in den feuchten Niederungen des Sees Kopais kultiviert wurde, oder ob neben den schilfartigen Rohren das [1701] starke, holzartige Rohr von Anfang an wuchs, wird dahingestellt bleiben müssen. Hehn meint, der Name ,kyprisches Rohr’ (Diosc. I 85) für Arundo donax beweise die fremde Herkunft dieses starken Rohres; Cypern sei ebenso wie Kreta, das wegen seines vorzüglichen Pfeilrohres von alters her einen hohen Ruf genoß, eine Übergangsstation von Asien nach Europa gewesen. Auch die Bemerkung des Theophrast (IV 11), daß das Rohr besser gedeihe, wenn die stehen gebliebenen Stöcke nach dem Abschneiden verbrannt würden, deutet Hehn, wenn nicht auf eine Rohrpflanzung seitens des Menschen, so doch immerhin auf eine gewisse Kultivierung vorhandener Rohrbestände. Daß Rohr in Italien vorzugsweise zu landwirtschaftlichen Zwecken angebaut wurde, geht aus Cato r. r. VI 3, dem Varro (r. r. I 24) und Plinius (n. h. XVI 67) fast wörtlich folgen, hervor: Zur Anlage einer Rohrpflanzung muß der Boden an Bächen, Flüssen oder in einer feuchten Niederung gut umgegraben werden, die Wurzelstöcke (oculi) des Rohres sind in einem Abstand von drei Fuß einzulegen. Daneben kann wilder Spargel gepflanzt werden und zur Einfriedigung nach außen hin Weiden, die zum Anbinden der Reben nötig sind. Varro (I 8) und Columella (IV 7) erwähnen die Weinbergstäbe und Joche aus Rohr als etwas Selbstverständliches. Columella (IV 32) beschreibt dann noch ausführlich Anlage und Wartung der Rohrpflanzung, wobei er sich im allgemeinen an Cato anschließt, aber außer der Vermehrung durch Wurzelstöcke auch noch die durch Setzholz und durch Einlegen ganzer Pflanzen erwähnt (seritur bulbus radicis, seritur et talea calami, nec minus toto prosternitur corpore). Die Wurzelvermehrung liefert in kaum Jahresfrist brauchbare Rohrstäbe, bei der anderen Art der Vermehrung benötigt das Rohr längere Zeit zu seiner Entwicklung. Die Rohrpflanzen müssen in den drei ersten Jahren wie alle übrigen Gewächse gepflegt werden, aber auch später bedarf die Anlage der Wartung, weil sie vernachlässigt entweder verdorrt oder ausartet, indem die Rohrpflanzen von Jahr zu Jahr dünner werden, bis sie schließlich wie das gewöhnliche Schilf aussehen. Im ersteren Fall kann der Schaden durch Umgraben, im zweiten durch Ausschneiden von sachkundiger Hand gebessert werden. Ehe sie ausschlagen, werden die Pflanzen behackt. Nach der Wintersonnenwende muß das Rohr, welches nun völlig ausgewachsen ist, geschnitten werden, ehe es erfriert. Das Arundinetum soll so oft wie der Weinberg umgegraben werden. Mit Asche und anderem Dünger kann dem erschöpften Boden aufgeholfen werden, auch erweist sich das Abbrennen der Stümpfe als besonders wirksam. Der Nutzen des Rohres ist außerordentlich groß, da alle Teile der Pflanze, die Wurzel in der Medizin, die Blätter als Viehfutter, der Halm (das eigentliche Rohr) und die Rispe Verwendung finden. In den holzarmen Ländern werden nicht allein die Dächer mit Rohr gedeckt, die Decken und Wände der Zimmer damit bekleidet, Umzäunungen von Gärten und Gehöften gemacht, sondern es dient auch zur Herstellung der unentbehrlichsten Geräte, die im Norden aus Holz angefertigt werden, sowie schließlich als Brennmaterial. Wie noch heute in den Mittelmeerländern fertigte man bereits im Altertum [1702] aus Rohr Körbe, Matten, Hüte, Decken, die dünnen Rohre dienten zu Leimruten und Fischreusen, zum Gitterwerk der Lauben und Spaliere, die starken zu Schreibrohren – noch heute heißt das Tintenfaß italienisch calamaio – zu Pfeilen und Wurfspeeren. Das Rohr ist des Knaben Steckenpferd (Hor. sat. II 3, 248), die Angel des Fischers, es liefert das Material zur Spindel der Bäuerin, zur Schalmei des Hirten, es dient zur Herstellung der kunstvollen Flöten. Auch die Blütenrispe kann nützlich werden; gestoßen dient sie zum Dichtmachen der Fugen bei Schiffen, da sie besser klebt als Leim. Aus demselben Grunde ist sie ein Bindematerial im Kalk bei Tüncherarbeiten. Ist sie wollig, weich und dicht, so ersetzt sie die Federfüllung in den Betten der Gasthäuser. Unterhalb der Rispe befindet sich bei einer italienischen Art ein Teil des Halmes, der die Eigenschaft des Senfes besitzt (Plin. n. h. XVI 156–170). Das Mark gewisser Arten ist süß und wohlschmeckend; so wird aus einem indischen Rohr der nur in der Medizin verwendete weiße, honigsüße Zucker gewonnen, Plin. XII 32: Saccharon et Arabia fert, sed laudatius India, est autem mel in harundinibus collectum, cummium modo candidum, dentibus fragile, amplissimum nucis abellanae magnitudine, ad medicinae tantum usum.

In der Heilkunde wurde die feinzerriebene Wurzel des gemeinen Rohrs mit Zwiebel vermischt als Umschlag zum Herausziehen von Splittern und Dornen aufgelegt, mit Essig als Linderungsmittel bei Verrenkungen und Hüftschmerzen benutzt. Die zerstoßenen grünen Blätter heilen rosenartige Entzündungen. Der Blütenbüschel soll, falls er in die Ohren gelangt, Taubheit hervorrufen (Diosc. I 85).

Daß Asien als die Heimat des Rohres anzusehen ist, zeigt die Abhängigkeit des griechischen κάννη (κάννα, lateinisch canna) von hebräisch qâneh, babylonisch-assyrisch qanū. Das Vorkommen von Wörtern wie κάνεον, κάνειον der Brotkorb, κανών Handhabe des Schildes, auch Spule, beweist, daß mindestens die aus Rohr gefertigten Gegenstände den Griechen bereits in vorhomerischer Zeit bekannt waren (Schrader Reallexikon 694). Das griechische κάννα ist später in die lateinische Sprache übergegangen; auffallenderweise bezeichnet aber das lateinische canna nicht mehr Arundo donax, sondern das schwache dünne Rohr Phragmites communis. Zuerst findet sich canna bei Vitruv VII 3, 11, der Anweisung gibt, die Wände, welche mit Stuck verziert werden sollen, erst vorher mit einer doppelten Rohrschicht zu benageln, um ein Abbröckeln und ein Zerklüften des Verputzes zu verhindern. Daß canna hier nicht identisch mit arundo ist, geht daraus hervor, daß Varro im Anfang des Kapitels wiederholt arundo Graeca erwähnt und in Gegensatz zu dem dünnern Rohr bringt. Ovid (met. VIII 387) unterscheidet ausdrücklich die kleine canna von der langen arundo, und Columella (IV 32) sagt, daß in dem vernachlässigten Arundinetum arundo dünn und der canna ähnlich werde. Weiterhin (VII 9, 7) bemerkt er, daß das Volk die entartete arundo mit canna bezeichne. Diese vulgäre Bezeichnung ist dann in der späteren Zeit die für Rohr allgemein [1703] gebräuchliche geworden (Pall. I 13). Vgl. Hehn Kulturpflanzen7 306.

Theophrast (IV 11) teilt die Rohre in zwei Hauptklassen ein: κάλαμος αὐλητικός = Flötenrohr und κάλαμος ἕτερος = das allgemeine Rohr. Dieses letztere wird je nach Stärke, Schwäche oder Standort wieder in mehrere Unterabteilungen geschieden. Das im Wasser selbst wachsende Rohr steht an Güte im allgemeinen dem auf trockenerem Boden stehenden nach. Plinius (XVI 156–170) unterscheidet die Rohre sowohl der Qualität als der Herkunft nach; er spricht von asiatischem, indischem, ägyptischem, griechischem, kretischem, kyprischem und italienischem Rohr. Das letztere wurde vorzugsweise in den Weinbergen zu Rebpfählen benutzt. Besonders ausführlich verbreitet sich Plinius über die an den Ufern des Sees Kopais wachsenden Rohre, unter denen er wie Theophrast das Flötenrohr von den zu anderen Zwecken benutzten dicken und schwachen Rohren unterscheidet.

a) Κάλαμος χαρακίας (Theophr. h. pl. IV 11), characia (Plin. XVI 168) = Arundo phragmites L. Dieses ,zum Zaune taugliche‘ starke Pfahlrohr wurde zu Rebstöcken und Umzäunungen verwandt. Es wächst überall an feuchten Wiesen, an und in stehenden Gewässern und Mooren in großer Menge. Nach Theophrast (IV 11) gedieh dieses starke Rohr vorzüglich auf den torfartig gebildeten Inselchen, den sog. κώμυθες, des orchomenischen Sees. Die Halme werden über 2 m hoch, sie bilden in jungem Zustande wegen des im Rohre enthaltenen Zuckergehaltes ein ausgezeichnetes Viehfutter. Die Rispe ist groß und weichhaarig (Leunis Syn.3 II 739).

b) Κάλαμος πλοκιμός (Theophr. IV 11), plocimos (Plin. XVI 168), schwächeres Rohr, Schilfrohr, welches auf den πλοάδες des Sees von Orchomenos (entstehende und vergehende Inseln) wuchs. Diese Art wurde vorzugsweise zum Flechten von allerlei Gerät, von Matten, Körben u. dgl. verwendet.

c) Κάλαμος δόναξ = Arundo donax L., auch kyprisches Rohr genannt, ein großes, starkes, strauchartiges Rohr, welches fest und hohl ist und nur im Wasser wächst (Diosc. I 85. Plin. XVI 65). Arundo donax, das noch heute in Griechenland überall verbreitet ist, läßt sich leicht verpflanzen (Fraas Synops.).

d) Κάλαμος ναστός (massives Rohr) Diosc. I 85, auch τοξικός und κρετικός, das Pfeilrohr. Es hat wenig Knoten und ist unter allen Rohren das fleischigste, sehr biegsam, so daß es sich, wenn man es erwärmt, nach Gefallen leicht biegen läßt (Theophr. IV 11). Besonders gute Arten des Pfeilrohrs fanden sich auf Kreta und in Italien am Flusse Rhenas. Das dichte Mark des Rohres bewirkte, daß der aus ihm gefertigte Pfeil auch bei starker Luftbewegung sein Gleichgewicht behielt. Die Orientalen versahen die Pfeile mit Widerhaken, die ein Herausziehen des Geschosses aus der Wunde unmöglich machten, und befiederten das Ende des Pfeiles, um dessen Geschwindigkeit zu erhöhen. Da fast alle Völker des Orients ihre Kriege mit Pfeilen führen, so kann man, meint Plinius (XVI 159), sagen, daß ein großer Teil der Menschen auf der Erde durch das Rohr überwunden wird.

e) Κάλαμος ποικίλος (λακωνικός), Theophr. IV 11, [1704] das bunte lakonische Rohr = Phalaris arundinacea L., wächst an stehendem Wasser, hat besonders am unteren Teile dichtere Blätter, die sich im Herbst gelb und rot färben (Plin. XVI 166).

f) Φλέως (φλεώς, φλοιός, φλοίος Theophr. IV 11. Diosc. I 85) = Saccharum cylindricum Lam., ein auf dem Lande und im Wasser gedeihendes Rohr mit eßbarer Wurzel. Außer den Halmen fand auch die Rispe Verwendung. Nach Herodot (III 98) flochten die Inder aus diesem Schilf Kleider nach Art der Körbe. Die Blütenrispe diente als Wedel beim Tünchen der Wände (Theophr. IV 11). Fraas deutet die Stelle dahin, daß die Rispe dem Kalke als Bindemittel beim Verputzen zugemischt wurde.

g) Κάλαμος εἰλετίας (Theophr. IV 11), εἰλεσίας (Hesych. I 1106), eletia (iletia, elegia) Plin. XVI 167 = Arundo epigeios L., ein in Süditalien vorkommendes Rohr, welches vornehmlich auf trockenem Boden wächst und keine hochstehenden, sondern am Boden kriechende Halme treibt. Wegen seiner Zartheit wird dieses Schilf von den Tieren genossen (Plin. XVI 167).

h) Κάλαμος ἰνδική, arundo Indica = Bambusa arundinacea L., indisches Rohr, Bambusrohr, das größte aller Rohre, welches eine Höhe von 30 m erreichen kann (Leunis Synops.). Auch bei diesem Rohre werden männliche und weibliche Pflanzen unterschieden. Es wächst in großen Mengen am Akesines. Aus einem Wurzelstocke entspringen zahlreiche, starke, holzige Halme. Werden sie abgeschnitten oder abgebrannt, so schlägt die Wurzel doppelt kräftig aus. Die dicken Wurzeln sind nur mit größter Mühe auszurotten. Die Blätter sind verhältnismäßig klein und schmal wie Weidenblätter. Kleinere Rohre wurden, mit Eisenbeschlagen, als Wurfspieße benutzt (Theophr. IV 13. Plin. XVI 162).

i) Κάλαμος συριγγίας = Arundo fistularis L. Die Angaben des Dioscorides und des Plinius über dieses Rohr weichen erheblich voneinander ab. Diosc. I 85: συρριγγίας παχύσαρκος, πυκνογόνατος, εἰς βιβλιογραφίαν ἐπιτήδειος, dagegen Plin. XVI 164: calamus vero alius totus concavus, quem vocant syringian, utilissimus fistulis, quoniam nihil est ei cartilaginis (= Knorpel, bei Pflanzen ,Mark’) atque carnis. Selbst wenn man παχύσαρκος durch starkholzig und nicht mit Berendes (S. 104) durch ,markig‘ übersetzen würde, wäre doch der Widerspruch zwischen beiden Stellen nicht gehoben, indem Dioscorides ein Rohr mit vielen Knoten, Plinius ein solches mit wenigen beschreibt.

k) Κάλαμος αὐλητικός (Theophr. IV 11), tibialis calamus, auleticon (Plin. XVI 169) = Flötenrohr, Saccharum Ravennae L. (Erianthus Rich.). Die ausführliche Schilderung des Standortes des Flötenrohres bei Theophrast (IV 11) läßt darauf schließen, daß es sich um eine ganz bestimmte, von den übrigen Rohren sich auszeichnende Art handelt, wenn auch gewiß Pfeifen und Flöten aus allerlei hohlen Rohren (wie Arundo donax) geschnitten wurden. Unterscheiden doch die Schriftsteller zwischen der Pfeife oder Flöte des Hirten (σύριγξ, fistula) und der Flöte als Musikinstrument. Das Flötenrohr verlangt tiefen, fruchtbaren, schlammigen Boden, die Beschaffenheit des den Sumpf nährenden Wassers ist von [1705] eingreifender Bedeutung für die Güte des Rohres. Es findet sich hauptsächlich am orchomenischen See, und zwar am nördlichen Ufer in der zwischen dem Kephissos und dem Melas liegenden, von zahlreichen Lachen durchsetzten Gegend Πελεκανία, ferner am Flüßchen Προβοτία, das aus Λεβαδία kommt, und in besonderer Vortrefflichkeit bei Ὀξεῖα Καμπή, an der Mündung des Kephissos. An der Mündung des Melas gedeiht dagegen das Rohr nicht. Daß das Rohr nicht alljährlich gleichmäßig gut gedeiht, sondern nur alle neun Jahre einen besonderen Grad von Güte erreicht, soll von den periodischen Anschwellungen des Sees abhängen. Das Wachstum und die Stärke des Rohrs steht in Beziehung zur Höhe des Wasserstandes. Günstig ist, wenn der ausgetretene See etwa zwei Jahre stehen bleibt (Theophr. IV 11). Auch beim Flötenrohre wurde zwischen stärkerem und dünnerem Rohre unterschieden. Die beste und stärkste Art, welche zu Doppelflöten genommen wurde, hieß ζευγίτης, das schwächere, das sog. Seidenrohr βομβυκία, mit langen Gliedern, wurde zu den Bombyciae (βόμβυξ Poll. onom. IV 70. 82), den längen Flöten, die bei der Darbringung von Opfern Verwendung fanden, gebraucht. Wenn die Rispe des Flötenrohres verkümmerte, so hieß es κάλαμος εὐνουχίας; da alle Kraft in den Halm gegangen war, hielt man dieses Rohr vorzugsweise für Doppelflöten geeignet. In alter Zeit, als man noch kunstloser blies, wurde das Rohr im Monat Boedromion, beim Aufgang des Arkturus, als genügend stark geschnitten. Das Rohr mußte mehrere Jahre lang liegen, ehe es verarbeitet werden konnte, und die neuen Flöten wurden erst durch längere Übung brauchbar (Theophr. IV 11. Plin. XVI 170). Seit der Zeit des Thebaners Antigenidas, eines Zeitgenossen des Epameinondas, wurde das Flötenrohr in den Monaten Skirrophorion und Hekatombaion kurz vor oder während der Sommersonnenwende geschnitten und im dritten Jahr für brauchbar erachtet (Theophr. IV 11. Plin. XVII 170). Nach Plinius (XVI 170) herrschte früher die Ansicht, daß nur Flöten, die aus demselben Rohre geschnitten waren, zusammenstimmten, sowie daß dasjenige Stück, welches der Wurzel zunächst entnommen war, für die linke Flöte (tibia laeva), das unterhalb der Spitze geschnittene für die rechte Flöte (tibia dextra) das geeignetste sei. Saccharum Ravennae L. ist noch heute häufig in Lebadia und Helos im Peloponnes, sowie im Norden Euboeas. Es läßt sich nicht gut verpflanzen. Die Rohre sind kaum halb so dick wie die von A. donax und A. Phragmites (Fraas Syn. 300).

2. Σχοῖνος, iuncus odoratus, Bartgras

Andropogon schoenanthus L. Theophrast (IV 12) spricht von drei Arten des σχοῖνος. Er unterscheidet den scharfen und unfruchtbaren σχοῖνος ὀξὺς καὶ ἄκαρπος (Iuncus maritimus L.), den fruchtbaren, nach dem schwarzen Samen benannten μελαγκρανίς (Schoenus nigrigans L.), den ὁλόσχοινος (Scirpus holoschoenus L.). Besonders wertvoll erschien den Alten eine wohlriechende σχοῖνος-Art, die sich vornehmlich in Palästina und Arabien fand (Theophr. IX 7). Der Schilderung des Theophrast der drei ersten Arten schließt sich Plinius (XXI 112) fast wörtlich an. Während [1706] Melankranis für sich allein steht, wächst der scharfe, unfruchtbare σχοῖνος und der ὁλόσχοινος aus demselben Stocke (Plinius: Rasen). Die männliche Art, welche die schwächsten Halme hat, pflanzt sich durch Ableger fort, μελαγκρανίς mit dickeren Halmen vermehrt sich durch Samen. Am kräftigsten und durch fleischige Beschaffenheit ausgezeichnet ist der ὁλόσχοινος, jedoch sind die fruchtbaren Halme niedriger als die unfruchtbaren. Bei den fruchttragenden schwillt vor der Blüte der sonst dünne Halm keulenförmig an, aus dem Hauptstiele treten ährenförmige Nebenstiele, an deren Spitzen etwas schief die rundlichen Früchte hängen. In jeder Frucht liegt ein kleiner, schwarzer, pfeilspitzenförmiger Same. Die Wurzel ist nicht unähnlich der Gartenzwiebel. Sie hat die Eigentümlichkeit, daß sie jedes Jahr abstirbt und sich aus dem oberen Teile neu ersetzt (Theophr. IV 12. Plin. XXI 112f.). Man bediente sich des σχοῖνος zur Anfertigung von allerlei feinem Flechtwerk, wie Körben, Netzen, Fischreusen (ad nassas marinas Plin. XXI 114) und Schleudern (Strab. III 5, 1).

Äußerlich nicht von den anderen Arten unterschieden, aber erkennbar durch einen rosenartigen Wohlgeruch war jene Art des σχοῖνος, welche in besonderer Güte in Nord-Palästina und im Lande der Nabatäer, einem Teile Arabiens, wuchs. Zwischen dem Libanon und einem kleineren Gebirge, den trachonischen Hügeln und den Bergen von Ituräa und Peräa, wuchs der wohlriechende σχοῖνος in einem beim See Tiberias gelegenen trockenen Sumpfe. Der Duft war so stark, daß die ganze Gegend davon erfüllt war (Theophr. VII 1). Das Land der Nabatäer, eines Volksstammes, der im Besitze des gesamten Zwischenhandels mit asiatischen Waren war, lag südöstlich von Palästina (Sprengel zu Theophr.). Diese Art wird von Dioscorides (I 17) und Plinius (XXI 120) als die beste bezeichnet, es folgt die aus dem übrigen Arabien stammende, die auch babylonische, wohl von dem Hauptstapelplatze Babylon, hieß, zuletzt die afrikanische. Dabei wird von Dioscorides die babylonische, von Plinius die nabatäische als τευχίτης (teuchitis) bezeichnet – der Name τευχίτης von τεῦχος = Gefäß erklärt sich nach Berendes 43 daher, daß die gute Ware in Gefäße verpackt zum Versand kam. Von der Pflanze wurde Blüte, Halm und Wurzel gebraucht. Die echte Art ist rötlich, vielblütig, beim Spalten purpurfarbig und weiß, sie hat, wenn sie mit der Hand gerieben wird, einen rosenartigen Wohlgeruch und brennt auf der Zunge wie Feuer. Der aus der Blüte gewonnene Trank ist heilsam gegen Blutsturz; Magen-, Lungen-, Leber-, Blasen- und Nierenleiden, er wird auch den Gegengiften beigemischt. Die mit einem Zusatz von Pfeffer zerriebene Wurzel wurde bei Wassersucht und Krämpfen, sowie bei Magenbeschwerden eingegeben, die Abkochung der Wurzel als Sitzbad bei Unterleibsleiden der Frauen verordnet (Diosc. I 17. Plin. XXI 120). In Italien wurde schon zu Catos Zeit der stark aromatische Schoenus als würzender Zusatz zum Weine verwandt (Cate 105. 113), ein Gebrauch, der sich jedenfalls noch bei Columella (XII 28), wahrscheinlich aber auch noch später erhalten hat. Andropogon schoenanthus L. (Bartgras) ist eine in Ostindien und [1707] Arabien einheimische Grasart; die Pflanze hat kurze, gegliederte Wurzelstöcke, lange, schmale Blätter, zahlreiche, etwa 69–70 cm hohe ästige Halme, welche eine verlängerte, behaarte Blütenrispe mit eiförmig länglichen Ährchen tragen. Es dient seines stark aromatischen Geruches wegen zum Würzen der Speisen und ist in weiten Länderstrecken das Hauptfutter der Kamele, Pferde, Rinder, Esel, Schafe und Ziegen. Bei den Schriftstellern des späteren Mittelalters heißt das Bartgras schoenanthus, squinanthus und Kamelheu (Sigismund Die Aromata 34).

Zu den ährentragenden Pflanzen gehören weiter nach Theophrast (VII 11) und Plinius (XXI 101) κύνωψ, cynops, θρυαλλίς, thryallis und alopecuros. Ἀλωπέκουρος, Fuchsschwanz, ist eine Grasart mit weicher, dichtbehaarter Ähre, die einem Fuchsschwanze ähnelt, nach Sprengel identisch mit Saccharum cylindricum Lam., nach Fraas mit Polypogon monspeliensis Desf., nach Anguillara (bei Sprengel) mit Lagurus ovatus L., sonst auch Lagurus cylindricus L. Κύνωψ, auch βούπρηστις, kynops, achynops umfaßt mehrere Arten (Theophr. VII 7, 3. VII 11, 2. Plin. XXI 101).

3. Φαληρίς

(φαληρόν, φαλήρισν) Diosc. III 142, phalaris Plin. XXVII 126 = Glanzgras, Phalaris nodosa L.; nach Sprengel Phalaris canariensis. Aus zarten, unbrauchbaren Wurzeln wachsen zahlreiche knotige, rohrähnliche Stengelchen, die dem Halme des Dinkels ähnlich sehen. Der weiße, längliche, sesamähnliche Samen hat die Größe der Hirse. Zerstoßen und mit Wasser und Wein zu Saft bereitet, oder mit Honig, Milch, Wein und Essig vermischt, hat φαληρίς günstige Wirkungen bei Blasenleiden (Diosc. III 142. Plin. XXVII 126). Die Pflanze ist im Peloponnes, in Attika und Modon in allen feuchten Niederungen häufig (Fraas Syn. 302).

4. Spartum, sparton

(Plin. XIX 25–32. Strab. III 160), Spartgras, Espartogras, Stipa tenacissima L. Eine Pfriemengrasart, die nicht gesät werden kann, sondern wild in Spanien und Afrika wächst. Sie wurde nach den Punischen Kriegen außerhalb Spaniens bekannt. Spartgras, das auf trockenem Lande gut fortkommt, den Boden aber so schädigt, daß nichts anderes dort gedeiht, wuchs vornehmlich an der von den Pyrenäen längs der Küste des Mittelmeers nach Süden führenden Straße auf einem spartophoron genannten, 30 Millien langen Felde, auf Bergen in dem Gebiete von Nova Carthago und in kleinerer, schlechterer Art in Afrika (Strab. 360. Plin. XIX 26–30). Der Genuß des Grases ist dem Vieh schädlich, trotzdessen ist sein Nutzen sehr groß. Die Landleute in Spanien verwendeten Spartgras zur Herstellung ihrer derben Kleidung und Schuhe, zum Füllen der Betten, zu Lampendochten und vielen anderen Dingen. Vornehmlich aber wurden die zähen Fasern dieses Grases zu Stricken verarbeitet, die ihrer großen Haltbarkeit wegen als Schiffstaue in allen Ländern hoch geschätzt waren. Auch bei der Herstellung von Baugerüsten wurden sie vielfach verwendet (Plin. XIX 29). Das Ausreißen des starken Spartgrases geschah von Mai bis Juni, die Arbeiter schützten dabei die Hände mit Handschuhen, die Füße mit Stiefeln (Plin. XIX 27). Ansgerauft ließ man es in Bündel gebunden zwei Tage lang [1708] auf einem Haufen liegen, dann wurde es wieder gelöst, auseinander gestreut, an der Sonne getrocknet, wiederum gebunden und unter Dach gebracht. Hierauf wurde das Spartgras in Seewasser eingeweicht, in Ermangelung desselben auch in Süßwasser, an der Sonne getrocknet, wiederum benetzt und alsdann gebrochen. Auf diese Art vorbereitet war es das Material zu den dauerhaftesten Stricken, die ihre Haltbarkeit besonders im Wasser bewährten (Plin. XIX 28. 29). Neuere Botaniker wie Beckmann, Lenz u. a. halten Stipa tenacissima L. für das echte Spartum σπάρτος der Alten. Varro bei Gellius (VII 3) und Plinius (XIX 26) bemerken aber ausdrücklich, daß der Gebrauch des Spartum zu Schiffstauen erst nach den Punischen Kriegen bekannt geworden sei. Über σπάρτον s. den Art. Genista. Aus dem auf den Gebirgen Spaniens in großer Menge wachsenden Spartgras wird eine Faser gewonnen, die unter dem Namen Espartofaser, Halfa oder Alfa zu Matten, Körben, Schuhen, Decken, Stricken und Tauen verarbeitet wird. Nach Deutschland wird Spartgras zur Füllung von Matratzen und Polstermöbeln, nach England zur Papierfabrikation in ganzen Schiffsladungen ausgeführt (Leunis Syn.³ II 829). Literatur. Fraas Synopsis plantarum florae classicae 1870. Leunis Synopsis3 II. Hehn Kulturpflanzen und Haustiere7 1902.
[Orth.]

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