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Divortium bezeichnet die Ehescheidung, dictum a flexu viarum h. e. via in diversa tendens Isid. orig. IX 8; vgl. Döderlein Latein. Synonymik IV 41. Cic. pro Cluent. 14; de orat. I 183. Von dem repudium unterscheidet man es gewöhnlich dahin, dass dieses die einseitige Auflösung der Ehe bedeutet habe, das D. aber die beiderseitige; vgl. z. B. v. Czyhlarz Institutionen⁴ 255. Salkowski Lehrb. der Institutionen⁶ 147. So auch die erste Auflage der Real-Encyklopädie und R. Leonhard Institutionen 205 Anm. 5. Dagegen jetzt Sohm Institutionen⁸·⁹ 453 in Anlehnung an K. Zeumer Gesch. d. westgoth. Gesetzgebung im Neuen Archiv d. Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtskunde XXIV (1899) 620–622. In der That weist ohne Zweifel D. zuweilen auch auf einseitige Scheidung hin, vgl. [1242] z. B. Ulp. Dig. XXIV 2, 11 pr. § 1: Divortii faciendi potestas libertae, quae nupta est patrono, ne esto … quamdiu patronus eam uxorem esse volet. Andere Deutungen des Unterschiedes, die aber in den Quellen keinen Anhalt finden, s. bei Wächter Über Ehescheidungen bei den Römern, Stuttgart 1822, 58ff. und Göttling Gesch. der röm. Staatsverfassung 1840, 100. Betrachtet man den Ausdruck rein etymologisch, so scheint D. die Folgen des Scheidungsactes, das Auseinandergehen der Gatten (discedere, Cic. pro Cluent. 14), zu kennzeichnen, repudium aber die Erklärung, die das D. bewirkt, ‚die Handlung, durch welche die Scheidung sich vollzieht‘ (Sohm a. a. O.). Dig. XXIV 2 de divortiis et repudiis frg. 2 pr. § 1 (Gai.): Divortium autem vel a diversitate mentium dictum est vel quia in diversas partes eunt, qui distrahunt matrimonium. In repudiatione autem, id est renuntiatione, comprobata sunt haec verba u. s. w. Dem Begriffe des D. entsprechen die Ausdrücke discidium (Martial. ep. X 41) und matrimonii dissolutio (Cod. Iust. IX 9, 3), auch renuntiatio (Dig. XXIV 2, 2, 1).

Scheidungen hingen in Rom grundsätzlich vom freien Belieben der Gatten ab und wurden nur dadurch erschwert, dass sie teils an gewisse Formen geknüpft, teils mit Strafen belegt waren. So wenigstens schon in älterer Zeit. Zweifelhaft bleibt freilich, ob auch schon in der allerältesten Zeit Scheidungen unter allen Umständen rechtsgültig waren. So ist es namentlich ungewiss, ob die Scheidung der confarreierten Ehe (s. Diffarreatio) anders als nach einer vorherigen Cognition von seiten der Priester und aus bestimmten Gründen vorgenommen werden durfte (Karlowa Röm. R.-G. II 185ff. Endemann Einf. in das bürgerl. Gesetzb. II § 154, 1 c). Für eine völlige Unlösbarkeit der confarreirten Ehe spricht Dionys. II 25, für die Abhängigkeit der Scheidung von bestimmten, durch Romulus festgesetzten Gründen Plin. n. h. XIV 89. Plut. Num. 3, während nach Plut. Rom. 22 grundlose Scheidungen nur Vermögensverluste nach sich zogen. Vgl. hierzu auch die Vermutung Rossbachs (Untersuchungen über die römische Ehe, Stuttgart 1853, 128), dass bei der confarreierten Ehe Verwünschungen über den an der Scheidung schuldigen Teil ausgesprochen werden mussten, die bei der Scheidung anderer Ehen den Schuldigen erspart blieben, s. Diffarreatio. Die erwähnten Scheidungsverbote des Romulus missbilligten nach Plut. Rom. 22 die Scheidung, sobald sie von der Frau ausging, gänzlich und gestatteten sie dem Manne nur, wenn die Frau sich einer Giftmischerei gegen die Kinder des Hauses, eines Ehebruches oder einer κλειδῶν ὑπερβολή schuldig gemacht hat. Unter letzterer versteht man gewöhnlich eine falsatio clavium (Bruns Fontes⁶ 6. Rein Privatr. und Civilpr. d. Römer 447, 2). Da jedoch nicht einzusehen ist, welche Beweggründe eine Frau zum Fälschen oder ‚Unterschieben‘ von Schlüsseln treiben konnten, scheint der Ausdruck eher auf eine Unterschlagung der Schlüssel (etwa zum Besten der Verwandten der Frau) oder auch auf Nachmachung der Schlüssel ‚zum Weinkeller oder zur Geldcasse‘ (Rein a. a. O.) hinzudeuten (vgl. hierzu Karlowa Röm. R.-G. [1243] II 185ff. und die dort und bei Rein a. a. O. Genannten).

Wie die confarreirte Ehe der diffarreatio bedurfte, so war auch die durch coemptio geschlossene Ehe nur in einer solchen Form lösbar, welche die Kraft hatte, die Folgen dieses Eheschliessungsactes, nämlich die eheherrliche Gewalt (s. Manus) dem Ehemanne zu entziehen. Obwohl also auch hier die Frau ein Recht auf Scheidung hatte, so musste sie doch, um vom Manne frei zu werden, diesen zwingen, sie einem Dritten zu mancipieren, damit er sie aus der Gewalt entlasse, Gai. I 137 a. Es war dies ein Umweg, der der Form der Emancipation eines Hauskindes entsprach (s. Emancipatio). Ob auch der Mann, der sich nach erfolgter coemptio von der Frau scheiden wollte, eines solchen Verfahrens bedurfte, um sie von sich loszulösen, wissen wir nicht (dagegen anscheinend Jörs in Birkmeyers Encyklopädie 154).

Die Gewaltentlassung war eine manumissio (s. d.) und bedurfte daher der Mitwirkung des Magistrats. Man wird den Satz der zwölf Tafeln, der nach Cic. Phil. II 69 ein suas res sibi habere iubere als wirksame Scheidungsform anerkannte, vielleicht dahin deuten können, dass den Magistraten befohlen wurde, ihrerseits der Durchführung des in gehöriger Form erklärten Scheidungswillens kein Hindernis in den Weg zu legen, namentlich also die etwa erforderlichen Gewaltentlassungen zu verwirklichen. Vielleicht war es die von Cicero erwähnte Vorschrift, die ebenso wie sie bei coemptiones die Magistrate zur Freilassung nötigte, auch für die confarreatio die Mitwirkung der Priester auf Wunsch eines jeden der Gatten zuerst erzwang. Nach dieser Vermutung läge in dem Satze der zwölf Tafeln die Beseitigung des patricischen Vorrechts, in der Ehe mit manus (s. Manus), die den Plebeiern verschlossen war, den widerstrebenden Gatten an sich zu fesseln, mit andern Worten eine Ausdehnung der Scheidungsfreiheit von der plebeischen Ehe auf die patricische, und man könnte dann das libera matrimonia esse antiquitus placuit (Cod. Iust. VIII 38 [39], 2) gerade auf diese Zwölftafelvorschrift beziehen. Die umständliche Art, in der sich die Gattin nach Gai. I 137 a von der Manus befreite, lässt überhaupt vermuten, dass es sich dabei um eine Abweichung vom ältesten Rechte, nicht um einen Urzustand handelte (Jörs a. a. O. 155 § 103 nimmt sogar, wie es scheint, an, dass der von Gai. I 137 a berichtete Zwang erst der Kaiserzeit angehörte).

Dass die übliche Scheidungsformel tuas res tibi habeto nicht auf einem Gebote der zwölf Tafeln beruhte, wie der Wortlaut von Cic. Phil. II 69 zu ergeben scheint, sondern auf der Macht der Gewohnheit, dafür spricht die Wahrscheinlichkeit sowie Gai. Dig. XXIV 2, 2, 1: In repudiis autem, id est renuntiatione, comprobata sunt haec verba: ‚tuas res tibi habeto‘ item haec ‚tuas res tibi agito‘; vgl. Apul. met. V 26. Iuven. VI 146. Schlesinger Ztschr. für Rechtsgeschichte V 194ff. Danz Lehrb. d. Gesch. d. röm. R. I² 159 § 96, 2a. Jedenfalls beweist Cic. de off. I 183, dass es nicht allgemein für zulässig galt, die Gattin ohne ausdrückliche Erklärung zu verlassen und dadurch die Ehe aufzulösen. Ob die [1244] Aufhebung der eheherrlichen Gewalt durch Gewaltentäusserung und Gewaltentlassung nur bei der Ehe eines coemptionator nötig war oder auch bei der durch usus begründeten eheherrlichen Gewalt (s. Manus), ist uns nicht bekannt; doch ist dies wohl eher zu bejahen, als zu verneinen, weil jene Förmlichkeiten anscheinend weniger auf der Art und Weise beruhten, in der die manus entstanden war, als auf der Notwendigkeit, den Inhalt dieser manus nach den Regeln des Rechtes zu durchbrechen.

Eine gesetzliche Scheidungsform für alle Ehen, die bei der confarreierten Ehe die diffarreatio nicht überflüssig machte, führte Augustus durch die Lex Iulia ein, Suet. Aug. 34 Divortiis modum imposuit. Dig. XXIV 2 de divortiis frg. 9 (Paulus): Nullum divortium ratum est, nisi septem civibus Romanis puberibus adhibitis praeter libertum eius, qui divortium faciet; vgl. über die Bedeutung dieser Vorschrift und über eine unhaltbare Auslegung der Stelle R. Leonhard Institutionen 206, 6 gegen Schlesinger Ztschr. f. R.-G. V 197ff. Dass die Scheidungserklärung in der Kaiserzeit durch einen libertus geschah, wird durch Iuven. VI 146 ausser Zweifel gestellt (collige sarcinulas dicet libertus et exi) und ist somit mit Unrecht bestritten worden.

Die Zuziehung eines Familiengerichtes vor erfolgter Scheidung entsprach einer Sitte, deren Verletzung der Censor rügte, Val. Max. II 9, 2 (ein Scheidungsfall aus dem J. 446 d. St. = 308 v. Chr.). Mit diesem Berichte lässt sich nicht vereinigen, dass eine Ehescheidung des J. 523 = 231, die erste, oder doch, wie angenommen worden ist, wenigstens die erste unbegründete Scheidung in Rom gewesen sein soll. Sie hatte sich dadurch dem Gedächtnisse der Nachwelt eingeprägt, dass sie von ihrem Urheber Sp. Carvilius Ruga in spitzfindiger Weise aus der Kinderlosigkeit der Ehe begründet worden war (quod iurare a censoribus coactus erat, uxorem se liberum quaerundum gratia habiturum), Gell. IV 3. XVII 21. Dion. II 25. Val. Max. II 1, 4. Plut. qu. Rom. 14; Rom. 6; Num. 3. Tertull. apol. 4 (Litteratur hierzu s. bei Puchta-Krüger Institutionen¹⁰ II 404. Danz Lehrb. d. Geschichte d. röm. R. I 159; vgl. jetzt auch Jörs a. a. O. 154). Das Wahrscheinlichste ist wohl, dass in der Periode des Sittenverfalls die laudatores temporis acti den berühmten Scheidungsfall zu dem ersten in Rom gestempelt haben, doch sind auch andere Deutungen versucht worden.

Dass die rechtlich gewährte Scheidungsfreiheit durch Scheidungsstrafen ausgeglichen wurde, wurde nach dem Vorstehenden schon für das alte Recht angenommen. Noch weiter ging aber die spätere Praxis und Gesetzgebung, um ein Gegengewicht gegen die willkürlichen Scheidungen in der Zeit der zunehmenden Sittenlosigkeit zu gewinnen. Val. Max. VI 3, 10–12. Plut. Cic. 41. Cass. Dio LVI 18. Cic. epist. VIII 7; ad Att. XI 23; Cluent. 5. Suet. Tib. 11. Plaut. Merc. 817ff.; Amph. 928. Martial. ep. VI 7. X 41. Senec. de benef. I 9. III 16. Tertull. apol. 6. Wächter a. a. O. 120ff. Schon im Dotalprocesse fanden Bestrafungen des D. statt, so dass es nötig wurde, die strafwürdigen Scheidungen von den unverschuldeten, namentlich dem discedere bona gratia, [1245] zu sondern, Dig. XXIV 1, 32, 10. 60, 1. 61. 62 pr. Ovid. rem. am. 669ff. Cic. top. IV 19; vgl. hiezu Jörs a. a. O. § 106. 156 und Art. Dos. Trotzdem ist auch in der christlichen Zeit das römische Recht zu dem Grundsatze der Unlösbarkeit der Ehen noch nicht gelangt, wohl aber zu sehr strengen Vermögensstrafen: solutionem etenim matrimonii difficiliorem debere esse favor imperat liberorum, Cod. Iust. V 17, 8 pr. Cod. Theod. III 16, 1. 2 (Constantinus, Honorius, Theodosius und Constantius). III 13, 2 (Constantius und Constans). Cod. Iust. V 17, 8 (Theodosius und Valentinianus). c. 9 (Anastasius). c. 10 und 11 (Iustinianus). nov. 22. 117. 127. c. 4. 134. c. 10. 11. Diese Strafen bezogen sich teils auf grundlose Scheidungen, teils auf Pflichtwidrigkeiten, die eine Scheidung nach sich zogen. Wir finden daher im neuesten römischen Rechte Scheidungsgründe, die zwar nicht die Gültigkeit der Scheidung bedingen, wohl aber ihre Straflosigkeit. Dazu wurden grundsätzlich nur schwerere Verfehlungen gezählt, nicht ein blosser tadelnswerter Lebenswandel, Cod. Theod. III 16, 1. Die Strafen waren zum Teile öffentlichen Rechts, zum Teile Vermögensstrafen, namentlich Verlust der dos oder donatio propter nuptias, die nach Sohm Institutionen⁸·⁹ 454 hiernach einem ‚Pfande für die Aufrechterhaltung des Ehebundes‘ vergleichbar waren, oder, wo solche Vermögensmassen fehlten, eines Vierteils des Vermögens des Schuldigen. Bei gewissen besonders erheblichen Verfehlungen wurde dieser Betrag erhöht. Vgl. über die Trennungen bona gratia insbesondere die in Danz Lehrb. der Geschichte d. röm. R.² I 160 c β Angeführten.

Litteratur s. bei Danz Lehrb. der Geschichte des röm. Rechts² I § 96. 158ff. Puchta-Krüger Institutionen¹⁰ II § 291. 404. Hervorzuheben sind K. Wächter Über Ehescheidungen bei den Römern, Stuttgart 1822 und Rossbach Untersuchungen über die röm. Ehe, Stuttgart 1853, 128ff. Schlesinger Über die Form der Ehescheidung bei den Römern, Ztschr. für Rechtsg. V 197ff.; vgl. ferner Karlowa Röm. R.-G. II 1, 185ff. Baron Institutionen § 32. Schulin Lehrb. d. Gesch. des röm. R. 225ff. R. Leonhard Institutionen 205ff. Jörs in Birkmeyers Encyklopädie 154. 155. Sohm Institutionen⁸·⁹ 453 § 97. v. Czyhlarz Institutionen⁴ 255 und über die Scheidungsstrafen Sintenis Das prakt. gem. Civilrecht III § 139.
[R. Leonhard.]

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