ART

Dialektiker, Διαλεκτικοί, ist als Name nicht sowohl einer philosophischen Secte als einer gewissen Art des Philosophierens von wechselnder Bedeutung und Anwendung in der Geschichte der griechischen Philosophie. Platon will mit diesem Namen, ebenso wie mit dem Titel φιλόσοφοι, eigentlich nur die Zöglinge seiner Schule, die in seiner Methode des διαλέγεσθαι Ausgebildeten, bezeichnet wissen. Auch den anderen von Sokrates ausgegangenen Richtungen, selbst so weit sie an dem von diesem aufgebrachten Verfahren der Gedankenentwicklung in der Unterredung festhalten wollten, so besonders dem Antisthenes, gesteht er diesen Ehrennamen nicht zu (Phaedr. 266 c; de rep. VII 531–537; Soph. 253 d–e; Polit. 285–287; Phileb. 17 a, vgl. Euthyd. 290 c; Crat. 390 c). Aristoteles sagt einmal (metaph. A 6 p. 987 b 32. M 4 p. 1078 b [321] 25), vor Sokrates und Platon sei die Dialektik unbekannt gewesen, ein andermal bezeichnet er als ihren Urheber den Eleaten Zenon (Diog. Laert. VIII 57. IX 25. Sext. Emp. adv. dogm. I 6), letzteres jedenfalls nach der ihm sonst feststehenden Auffassung (Bonitz Ind.), wonach das dialektische Verfahren in der Mitte steht zwischen dem sophistischen oder eristischen und dem wissenschaftlichen. Im ursprünglichen Sinne des ausschliesslichen Verfahrens durch Frage und Antwort führen besonders die Nachfolger des Eukleides neben dem Namen der Megariker oder Eristiker auch den der D., was vielleicht daraus zu erklären ist, dass sie allein an jenem, von Platon eigentlich nur in den Schriften seiner Erühzeit angegewandten Verfahren in seiner ursprünglichen Strenge festhielten. Nach Diog. Laert. II 106 hätte zuerst Dionysios von Chalkedon (jedenfalls ein Angehöriger der Schule, identisch mit dem ebd. 98 genannten ,Dialektiker‘) die Megariker so bezeichnet. Suidas s. Σωκράτης giebt dagegen an, dass die Schule von Kleinomachos ab (den auch Diog. II 112 als nicht unbedeutenden Logiker nennt) die dialektische geheissen habe; und dann wieder, dass Bryson mit (nach?) Eukleides die ,eristische Dialektik‘ (vielleicht ἐριστικὴ ἢ διαλεκτική, ,eristische oder dialektische Philosophie‘ ?) eingeführt und Kleinomachos sie nur in die Höhe gebracht habe. Die Differenz ist von geringem Belang, da Bryson wie Kleinomachos und Dionysios zu den älteren Mitgliedern der Schule zählen und wahrscheinlich Zeitgenossen sind. So führen denn auch die meisten der Nachfolger des Eukleides ausdrücklich den Beinamen D. (Zusammenstellung bei Deycks De Meg. doctr. 9). Wenn daher Diog. VII 163 von Ariston von Chios neben einer Schrift gegen Alerinos eine solche πρὸς τοὺς διαλεκτικούς genannt, wenn ebenfalls neben einer Schrift des Epikuros gegen die Megariker (Diog. X 27) und einem Briefe desselben gegen Stilpon, (Sen. ep. 9, 1. 8. 18. Usener Epic. 153) eine Schrift seines Schülers Metrodoros πρὸς τοὺς διαλεκτικούς aufgeführt wird (Diog. X 24. Usener Ind. s. διαλεκτικοί), so wird man dabei, ebenso wie in dem Fragmente des Epikuros Diog. X 8, Usener p. 176, 13, wo διαλεκτικοί als Parteiname neben κυνικοί u. a. steht, an die Megariker zu denken haben. Und so mögen auch der D. Herakleides Bargyleïtes, der gegen Epikuros, der D. Artemidoros, der gegen Chrysippos schrieb (Diog. V 94. IX 53), und der D. Aristoteles zu Sikyon (Plut. Arat. 3) noch Ausläufer der megarischen Schule gewesen sein. Seit deren Erlöschen ging die Bezeichnung begreiflicherweise auf die beiden Schulen über, in denen ,dialektische‘ Spitzfindigkeiten ganz ähnlich denen der Megariker im Schwange blieben, auf die Stoiker, besonders, sofern sie die chrysippische Logik pflegten (diese sind regelmässig unter den D. zu verstehen bei Cicero und Sextus Empiricus), und die Anhänger der mittleren und neueren Akademie, unter denen speciell Kleitomachos (nach allerdings alleinstehender Tradition, Diog. prooem. 18. 19) als Begründer einer ,dialektischen‘ Schule bezeichnet wird. Zeller Philos. d. Gr. II a⁴ 246, 1.
[Natorp.]

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