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Capitulum. 1) In einer Verordnung vom J. 382 (Cod. Theod. XI 16, 14) heisst es: capitulariae sive, ut rem, quam volumus intellegi, communi denuntiatione signemus, temonariae functionis. Hieraus ergiebt sich, dass capitularius in der höheren Sprache dasselbe bezeichnete, was man vulgär temonarius nannte, woher auch Schriftsteller, die sich eines klassischen Stiles befleissigen, [1541] wie Symmachus (IX 10, 2) und Ammianus (XVI 5, 14) nur von capitularius und c. reden. Folglich ist Cod. Theod. XI 16, 15 capituli atque temonis necessitas als ἓν διὰ δυοῖν zu fassen, namentlich da Cod. Theod. XI 16, 18 in genau demselben Sinne temonis sive capituli onera steht. Wenn Cod. Theod. VI 35, 3 die überlieferte Lesung ist: ne exactorum vel turmariorum, quos capitularios vocant, curam subeant vel obsequium temonariorum vel prototypiae, so sind die Worte, quos capitularios vocant als Glossem zu betrachten, das zu temonariorum gehört, aber fälschlich zu turmariorum gestellt ist.

Capitula heissen diejenigen Einheiten der Steuerrechnung (Amm. XVI 5, 14; vgl. Seeck Rh. Mus. XLIX 630), von denen bei Aushebungen je ein Rekrut zu stellen ist. Dieselben umfassen eine bedeutende Anzahl jener kleineren Einheiten, die man capita, iuga, millenae, centuriae oder iulia nennt (s. Capitatio), ja es kommt nur ausnahmsweise vor, dass ein einzelner Grundbesitzer ein ganzes C. sein eigen nennt (Cod. Theod. VII 13, 7 § 1). Gewöhnlich ist zur Lieferung eines Rekruten ein Consortium von Grundbesitzern vereinigt, unter denen für einen bestimmten Zeitraum — wahrscheinlich für fünf Jahre, jedenfalls für mehr als zwei (Cod. Theod. VII 18, 3) — ein einzelner die Leitung (protostasia) zu übernehmen hat und dann capitularius oder temonarius heisst (Cod. Theod. VII 13, 7. XI 16, 14. 23, 1). Wie Valens im J. 375 verfügte, musste dieser von den Mitgliedern der Gemeinschaft jährlich 36 Solidi (= 457 Mark) eintreiben, wozu jeder, den Temonarius selbst mit eingeschlossen, nach der Höhe seiner Capitatio beizutragen hatte. War es gestattet, die Rekrutenstellung in Geld abzulösen, so wurde jene Summe den Reichskassen eingezahlt; wenn nicht, so musste abwechselnd je einer der Consortes den Rekruten aus seinen Colonen oder Inquilinen stellen und empfing als Entschädigung 30 Solidi, während 6 dem Ausgehobenen selbst zur Einkleidung übergeben wurden (Cod. Theod. VII 13, 7; vgl. Symm. epist. IX 10, 2). Neu ist an diesen Bestimmungen wohl nur die Höhe der Geldsumme; im übrigen dürften sie auf die Militärorganisation Diocletians zurückgehen. Jedenfalls erscheint schon unter diesem die Lieferung von Rekruten als Vermögenslast (Lact. de mort. pers. 7), Temonarii kommen im J. 295 in Africa vor (Pass. S. Maximiliani bei Mabillon Vetera Analecta, Paris 1723, 181), und die Protostasia wird in seinen Verordnungen schon vor dem J. 293 erwähnt (Cod. Iust. X 62, 3). Sie gilt nicht als persönliche Leistung, sondern als Reallast des ländlichen Grundbesitzes (Cod. Iust. X 42, 8), wahrscheinlich weil der Temonarius mit seinem Vermögen für das Einlaufen der geforderten Summe verantwortlich war und, falls einzelne der Consortes nicht zahlten, den Defect decken musste (vgl. Seeck Ztschr. f. Social- und Wirtschaftsgeschichte IV 298). Den Senatoren wurde 361 das Privileg verliehen, dass ihre Güter nur mit denen von Standesgenossen zur Gemeinschaft eines C. zusammengelegt werden dürften (Cod. Theod. XI 23, 1). Seitdem scheinen die Praetoren jedes Jahres zugleich auch die Function der Temonarii übernommen zu haben (Cod. Theod. VI 4, 21). Gewisse Ämter und Würden befreiten [1542] von der Leistung der Protostasia (Cod. Theod. VI 35, 3. XI 16, 6. 14. 15. 18. 23, 3. 4), auch wurden den Temonarii, wenn sie einen Deserteur zur Anzeige brachten, zwei Jahre von ihrer Amtszeit erlassen (Cod. Theod. VII 18, 3).

Von der Protostasia unterscheidet sich die Prototypia dadurch, dass sie nicht so sehr Real- wie Personallast ist. Die Aufgabe desjenigen, dem sie übertragen ist, besteht darin, einen freiwilligen Rekruten anzuwerben und dann das Geld, welches er dafür verwendet hat, von den Mitgliedern seiner Gemeinschaft beizutreiben. Da die Kosten für diesen Zweck sehr verschieden sein konnten und sich nicht immer controlieren liessen, so wurde diese Leistung oft zu Unterschleifen und Bedrückungen missbraucht, weshalb Valens sie 375 aufhob (Cod. Theod. VII 13, 7). Nachweisbar ist sie zuerst im J. 319 (Cod. Theod. VI 35, 3), wird also wohl auch auf Diocletian zurückgehen. Wahrscheinlich war diese Art der Rekrutenstellung zunächst für diejenigen Provinzen eingeführt, deren ländliche Bevölkerung für nicht sehr kriegstüchtig galt und die daher später ihre Militärpflicht in Geld abkauften (Cod. Theod. VII 13, 2). Zur Prototypia waren in erster Linie die Decurionen verpflichtet, doch zog man auch Senatoren dazu heran, was Iulian verbot (Cod. Theod. XI 23, 2). Diejenigen, welche sie leisteten, werden von den Temonarii ausdrücklich unterschieden (Cod. Theod. VI 35, 3), doch folgt daraus noch nicht mit Sicherheit, dass nicht auch sie den Titel Capitularii führten. Jedenfalls ist ein anderer für sie nicht überliefert. Mommsen Herm. XXIV 239.
[Seeck.]

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