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35) Unter dem Namen Caecilius Balbus wird von Ioannes Saresberiensis in seinem 1159 abgefassten Policraticus III 14 ein längeres Apophthegma citiert (ohne Buchtitel); von den weiterhin in demselben Kapitel des Policraticus erzählten Anekdoten findet sich eine auf einem aus dem 14. Jhdt. stammenden Pergamentblatte der Hamburger Stadtbibliothek (vgl. Ch. Petersen Verhandl. Philol. Versamml. Cassel 1844, 109) wiedergegeben mit der Beifügung Cecilius balbus l. 3 de nugis philosophorum, und in einer von Lindenbrog excerpierten Apophthegmen- und Sentenzensammlung (schedae Lindenbrogianae, ex vet. ms. lib. sententiarum, abgedruckt bei Wölfflin Caec. Balb. p. 13ff.) war drei (von siebzehn) Anekdoten, die mit Ioann. Saresb. policr. V 17 und III 14 übereinstimmen, beigeschrieben Caecilius Balbus lib. IIII de nug. Philosophor. bezw. Libr. 3 und Ex lib. III, wonach Lindenbrog[WS 1] das Ganze mit fragmenta Caecili Balbi de nugis philosophorum überschrieb. Aber ein solches Buch des C. B. hat nie existiert, sondern die angeführten Stellen geben sämtlich mit den Worten de nugis philosophorum den Policraticus als ihre Quelle an, da dieses Werk sehr häufig nach seinem Nebentitel de nugis curialium et vestigiis philosophorum abgekürzt als de nugis philosophorum citiert wird; auch der Name Caecilius Balbus ist diesem Werke entnommen, indem er fälschlich statt auf das Apophthegma auf die nachfolgenden Anekdoten bezogen wurde.

Für die Entstehungsgeschichte dieses Irrtums ist wichtig die Thatsache, dass Ioannes Walensis († 1285; vgl. über ihn V. Rose De Aristot. libr. ordine et auctoritate [1854] 248), der den Policraticus oft unter dem Titel de nugis philosophorum citiert, das Apophthegma des Caecilius Balbus zweimal anführt, einmal (communiloqu. I 8, 2) in der Form Et Poli. li. III c. XIII Egregie inquit Cecilius Balbus u. s. w., das andre Mal (breviloqu. II 4) et ideo ait Celius Baldus prout legitur li. III de nugis philosophorum u. s. w. Diese letztere Citierweise hat nämlich schon bei mittelalterlichen Benützern des Ioannes Walensis dahin geführt, sämtliche unter dem Titel de nugis philosophorum angeführte Stellen mit dem Autornamen Caecilius Balbus zu versehen, bis der so geläufig gewordene Titel dann zuweilen auch solchen Stücken mittelalterlicher Spruchsammlungen vorgesetzt wurde, die nicht aus Ioannes Saresberiensis stammten.

Dieser Sachverhalt ist durch A. Reifferscheid [1197] (Rh. Mus. XVI 1861,12ff.) und Val. Rose (Hermes I 1866, 394ff.) festgestellt und damit eine Hypothese von E. Wölfflin beseitigt worden, die aus Caecilius Balbus einen verschollenen Schriftsteller des 1. Jhdts. der Kaiserzeit machte. Wölfflin veröffentlichte im J. 1855 eine lateinische Sammlung prosaischer Sprüche und Sentenzen, die uns in Auszügen verschiedenen Umfanges einerseits (Φ) in einer ehemals Freisinger Hs. (jetzt Monac. 6292 saec. X), andererseits – kürzer (φ) – in mehreren Pariser Hss. vorliegt (Caecilii Balbi de nugis philosophorum quae supersunt. E codicibus et auctoribus vetustis eruit, nunc primum edidit, commentario et dissertatione illustravit Eduardus Woelfflin, Basileae 1855; vgl. dazu die zustimmende Besprechung von J. Maehly Jahrb. f. Philol. LXXI 459ff. und die Polemik zwischen H. Düntzer und Wölfflin ebd. 654ff. LXXIII 188ff. 554ff.). Da sich einige der in dieser anonymen Sammlung überlieferten Aussprüche auch in den schedae Lindenbrogianae finden, glaubte Wölfflin den dort vorkommenden Namen des Caecilius Balbus auf die ganze von ihm edierte Sammlung beziehen zu dürfen und knüpfte daran Untersuchungen über Zeit und Eigenart dieses vermeintlichen Autors, auf die hier um so weniger eingegangen zu werden braucht, als Wölfflin seine Ansicht auf Grund der Reifferscheidschen Abhandlung selbst vollständig preisgegeben hat (Rh. Mus. XVI 1861, 615f. und in dieser R.-E. I² 2244f.). Der Name Caecilius Balbus bleibt auf die eine Stelle des Ioannes Saresberiensis beschränkt, wenn auch die Frage, wie dieser zu dem Namen kam, noch nicht endgültig gelöst ist; Reifferscheid (a. a. O. 16ff.; dagegen Wölfflin ebd. 616f.) vermutet, dass darin der willkürlich umgestaltete Name des jüngeren Plinius (Caecilius Plinius Secundus) stecke, in dessen Panegyricus auf Traian sich so starke Anklänge an die Stelle des Policraticus finden, dass diese allenfalls ein freies Citat daraus darstellen könnte.

Was die einst fälschlich mit dem Namen des Caecilius Balbus in Verbindung gebrachte Sentenzen- und Apophthegmensammlung anlangt, so ergiebt sich für ihre Entstehungszeit ein Terminus ante quem daraus, dass um die Mitte des 9. Jhdts. der Ire Sedulius in die von ihm herrührende Excerptensammlung der bekannten Hs. von Cues an der Mosel (C. 14 saec. XII) den kürzeren Auszug (φ) aus dieser Sammlung fast vollständig aufgenommen hat, sowie dass die aus derselben Zeit herrührenden Collectaneen des Heiric von Auxerre (cod. Paris. 8818 saec. XI u. a., s. L. Traube Rh. Mus. XLVII 1892, 561) diesen Auszug φ ganz enthalten (s. L. Traube O Roma nobilis 73ff. = Abhdl. Akad. München XIX 2, 369ff.). Damit wird der Ursprung der Originalsammlung, aus der Φ und φ Excerpte sind, jedenfalls noch ins spätere Altertum hinaufgerückt; im wesentlichen war es eine lateinische Bearbeitung eines griechischen Florilegiums, die aber an einer Reihe von Stellen aus Publiliussammlungen (s. Publilius Syrus) interpoliert war; vgl. W. Meyer Die Sammlungen der Spruchverse des Publ. Syrus (Leipzig 1877) 44–46. J. Scheibmaier De sententiis quas dicunt Caecilii Balbi, Diss. München 1879; kein Gewinn für Caecilius Balbus ergiebt sich aus [1198] O. Friedrichs Ausgabe des Publilius Syrus (Berolini 1880) p. 10ff. 81ff.
[Wissowa.]
Anmerkungen (Wikisource)

Vorlage: Lindendrog

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