ART

Alamanni (auch Alemanni, jenes die Lesart der besten Hss. und der Inschriften, z. B. CIL I p. 403. VI 1175, vgl. Desjardins Table de Peutinger p. 3). Der Name begegnet seit dem Anfang des 3. Jhdts. n. Chr. und umfasst eine Vereinigung von deutschen Stämmen und Stammessplittern, welche die Besitzungen der Römer am [1278] oberen Rhein und an der oberen Donau beständig angriffen und schliesslich die Römer daraus vertrieben. Nach der gewöhnlichen Auffassung bedeutet der Name eine aus verschiedenen Teilen zusammengesetzte Völkervereinigung (communio), die an der Vereinigung teilnehmenden Völker heissen Alamanni. Diese Auffassung ist schon im Altertum vertreten durch den wegen seiner Genauigkeit gerühmten Asinius Quadratus bei Agathias I 6 p. 17c οἱ δὲ Ἀλαμαννοὶ, εἴ γε χρὴ Ἀσινίῳ Κουαδράτῳ ἕπεσθαι ἀνδρὶ Ἰταλιώτῃ καὶ τὰ Γερμανικὰ ἐς τὸ ἀκριβὲς ἀναγεγραμμένῳ, ξυνήλυδές εἰσιν ἄνθρωποι καὶ μιγάδες καὶ τοῦτο δύναται αὐτοῖς ἡ ἐπωνυμία. Neuere haben andere Deutungen aufgestellt. Nach Baumann Forschungen z. deutschen Gesch. XVI 222 sollen es Alahmannen (d. h. Männer des Heiligtums) sein u. a. m. (Zeuss Die Deutschen 305. Holländer Kriege der Alamannen mit den Römern 3ff. Kaufmann Deutsche Geschichte I 85. Arnold Deutsche Urzeit 134. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 742). Die Schriftsteller (z. B. Amm. Marcell.) bezeichnen das Volk bald als Alamanni, bald als Germani. Ihre Geschichte ist in kurzen Zügen folgende. Zuerst kam Caracalla mit ihnen in Berührung (Dio LXXVII 13ff.). Sie hatten den Limes überschritten, der Kaiser zog nach Raetien (im J. 213), warf den Aufstand nieder und erfocht sich den Beinamen Germanicus. Die Nachricht des Biographen des Caracalla (Hist. Aug. Car. 10, vgl. Aur. Vict. Caes. 21), er habe den Beinamen Alamannicus (s. d.) erhalten, wird durch andere Zeugnisse nicht bestätigt; seine officielle Benennung war es jedenfalls nicht (vgl. Mommsen CIL I p. 403. Schiller Gesch. d. röm. Kais. I 744, 4). Unter Severus Alexander brachen wiederum germanische Stämme, wahrscheinlich Alamannen, plündernd in das Zehntland und nach Gallien ein (im J. 234). Der Kaiser zog nach Beendigung des Krieges im Orient gegen sie, fiel aber noch vor dem eigentlichen Beginn des Feldzuges einer Soldatenmeuterei zum Opfer (Hist. Aug. Sev. 59. Herodian. VI 7). Sein Nachfolger Maximinus stellte zwar die Ruhe wieder her (sein Beiname Germanicus auf Münzen v. J. 236, Schiller a. O. I 786, 5), aber unter den nachfolgenden Kaisern drangen die deutschen Stämme immer nachdrücklicher vor; die Grenzbesatzungen waren zu schwach, um auf die Dauer zu widerstehen. Selbst Italien wurde zu wiederholten Malen bedroht (Eutrop. IX 8, 2. Zosim. I 37; vgl. Schiller a. O. I 814. 815; über Einfälle unter Postumus und Claudius Gothicus s. Hist. Aug. tr. tyr. 3 und A. Duncker Claud. Gothicus, Marburger Diss. 1868, 25). Unter Aurelian drangen sie bis nach Umbrien vor, mussten aber nach schweren Niederlagen (im J. 271 bei Fano und Pavia) zurückweichen (Hist. Aug. Aurelian. 18. Aur. Vict. Caes. 35. Holländer a. O. 40ff.). Schon im J. 275 waren sie wieder an der Rheingrenze und besetzten eine Anzahl Städte, bis sie von Probus zurückgedrängt wurden, der sie über den Neckar und die schwäbische Alb verfolgte, die Grenzwälle von Mainz bis Regensburg wieder herstellte und die Feinde sogar in ein tributäres Verhältnis zwang (Hist. Aug. Prob. 13. Schiller a. O. I 877). Nach seinem Tode ging das [1279] Zehntland in den Besitz der Alamannen über (im J. 283), die südlich bis zum Bodensee vorrückten (über die Alamannenkriege bis auf Probus vgl. auch Mommsen R. G. V 147ff.). Der Rhein wurde nun Reichsgrenze, vom limes transrhenanus war nicht mehr die Rede (Zeuss Die Deutschen 309). Übergriffe auf gallisch-römisches Gebiet, die sie sich von da ab massenhaft erlaubten, zum Teil in Verbindung mit anderen Stämmen, liefen nicht immer ungestraft ab (Schiller a. O. II 125. 135 u. ö.). Constantius errang 298 einen grossen Sieg über sie bei Langres und gleich darauf einen zweiten bei Vindonissa. Auch unter Constantin werden Kämpfe mit den A. erwähnt (Eutrop. X 3, 2; vgl. Henzen 5579). Wichtiger waren die Erfolge Iulians, der sie bei Strassburg im J. 357 entscheidend schlug (Amm. Marc. XVI 12. Felix Dahn Germanische Studien, Berlin 1884; vgl. dazu G. Kaufmann Deutsche Litt.-Zeit. 1884, 941. W. Wiegand Beiträge zur Landes- u. Volkskunde von Elsass-Lothringen 1887, 3. Heft. H. Nissen Westd. Ztschr. VI 319ff. Wiegand ebend. VII 63ff. H. Hecker Jahrb. f. Philol. CXXXIX 59ff.). Im J. 366 zogen sie, nachdem ihre Ruhe zum Teil durch reiche Geschenke erkauft worden war (Ammian. XXVI 4. 5. Zosim. IV 9), auf Reims und Paris los, erlitten aber bei Châlons s. M. eine Schlappe (Ammian. XXVII 2). Kurze Zeit darauf ging Valentinian zur Offensive über, überschritt an der Neckarmündung den Rhein und besiegte sie im J. 368 nach mörderischem Kampfe bei Solicinium im Schwarzwald (Ammian. XXVII 10. XXX 7; die Örtlichkeit steht nicht fest, vgl. Mommsen Ber. d. Sächs. Gesellsch. 1852, 197; Korrespondenzbl. d. Westd. Ztschr. V 263. Schiller a. O. II 379). Der Alamannenkönig Macrianus schloss 374 Frieden (Ammian. XXX 3). Unter Gratian gab es neue Einfälle der lentiensischen Alamannen, deren Heer 378 bei Argentaria (in der Gegend von Colmar) aufgerieben wurde (Ammian. XXXI 10). Auf der stadtrömischen Inschrift CIL VI 1175 (v. J. 370) erscheinen die drei Kaiser Valentinian, Valens und Gratian mit den Beinamen Germanicus, Alamannicus, Francicus, Gothicus. Die weiteren Schicksale des Volkes, über welche die Nachrichten nur spärlich fliessen, können hier nur kurz angedeutet werden. Zu Anfang des 5. Jhdts. hatten sie sich auch auf dem westlichen Rheinufer ausgebreitet und das Elsass in Besitz genommen. Nördlich vorzudringen hinderten sie die Burgunder und nach deren Abzug in das südöstliche Gallien die Franken. Einen Einfall in das Alpengebiet erwähnt Sidon. Apollin. carm. V 373ff. Jedenfalls behaupteten sie einen Teil der Schweiz. Als sie dann nördlich gegen die ripuarischen Franken zogen, wurden sie von dem zu Hülfe gerufenen Frankenkönig Chlodwig 496 bei Tolbiacum besiegt, der nun sein Reich über das nördliche Alamannien rechts und links vom Rhein ausdehnte (Zeuss Die Deutschen 317ff.). Damit war ihre Unabhängigkeit vernichtet, in der Folgezeit werden am Rhein und Neckar nur Franken, nicht mehr Alamannen genannt.

Die einzelnen Stämme der Völkervereinigung standen unter besonderen Königen, Ammian nennt mehrere mit den ihnen gehörigen Gebieten. Sie [1280] waren selbständig, standen aber im Kriege zusammen und gehorchten dann Einem Anführer. Als besondere Stämme werden genannt: die Lentienses Alamanni, die südlichste Abteilung des Volkes am Bodensee (Linzgau; Ammian. XXXI 10 u. ö.); die Bucinobantes, die zur Zeit Gratians contra Mogontiacum sassen (Ammian. XXIX 4, 7) und besonders die Iuthungi, welche 358 in Raetien einfielen und von Barbatio geschlagen wurden (Ammian. XVII 6, 1). Die Brisigavi in der Notitia imp. sind ohne Zweifel Alamannen aus dem Breisgau (vgl. Zeuss Die Deutschen 310).
[Ihm.]
Nachträge und Berichtigungen

S. 1277ff. zum Art. Alamanni:

Über ihre Niederlage bei Strassburg (S. 1279, 17) Borries Westd. Ztschr. 1893, 242ff. Über Ort und Zeit von Chlodwigs Alamannensieg (S. 1279, 59) A. Ruppersberg Bonn. Jahrb. CI 38ff. Vgl. im allgemeinen O. Bremer Ethnographie der germ. Stämme § 221–223, wo zahlreiche Litteratur verzeichnet ist.
[Ihm.]

Alamanni

Germ. Völker. (L) S I.
[Hans Gärtner.]

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