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2) Nach Besiegung des achaeischen Bundes bezeichnen die Römer das unterworfene Griechenland, das von ihnen selbst nie anders denn als Provinz betrachtet worden ist, mit dem Namen A. Ob Achaia seit 146 v. Chr. Provinz war oder nicht, darüber existiert bereits eine grosse Litteratur, verzeichnet bei Marquardt St.-V. I 321, 8 und Hertzberg Geschichte Griechenlands unter römischer Herrschaft I 284ff. Aber die Thatsachen beweisen, dass die namentlich von C. Fr. Hermann vertretene Ansicht, Α. sei [191] erst durch Augustus im J. 27 v. Chr. zur Provinz gemacht worden, unhaltbar ist. In officiellen, vom römischen Senat ausgehenden Schriftstücken findet sich der Ausdruck ἐπαρχία – provincia, so im SCtum in der Streitsache zwischen den Messeniern und Lakedaemoniern Dittenberger Syll. 241 Z. 55; vgl. mit Z. 65 und ebenso im SCtum de Asclepiade Kaibel IGI 951 = CIL I 203, wo der griechische Ausdruck Ἀσίαν Μακεδονίαν ἐπαρχίας genau dem lateinischen Asiam Macedoniam provincias entspricht. Zu dieser hier erwähnten Μακεδονία ἐπαρχία gehört Euboea und also auch Α., wie wir weiter unten sehen werden. Nach der Eroberung von Korinth war dessen Gebiet ager publicus und somit vectigalis (Cicero de leg. agr. I 5). Zwar wurde ein Teil desselben den Sikyoniern, offenbar gegen die Verpflichtung, die isthmischen Spiele auszurichten, überlassen (Strab. VIII 381; vgl. mit Pausan. II 2, 2), der grösste Teil jedoch von den Censoren in Rom verpachtet. Ebenso war Boeotien, (Cic. de nat. deor. III 49 und die jüngst in Oropos gefundene Inschrift aus dem J. 73 v. Chr. Herm. XX 268) und Euboea ager vectigalis (SCtum de Asclepiade IGI 951 = CIL I 203, worin es ausdrücklich heisst: magistratus nostri quomquomque Asiam, Euboeam locabunt vectigalve Asiae Euboeae imponent). Im übrigen wurde dem Lande eine Steuer auferlegt, über deren Höhe wir nicht näher unterrichtet sind; Pausanias VII 16, 6 sagt: καὶ φάρος τε ἐτάχθη τῇ Ἑλλάδι. Hiemit stimmen die sonstigen Nachrichten überein, so zahlte die kleine Insel Gyaros 150 Drachmen Tribut (Strab. X 485), und so wurde der Stadt Aigion im J. 23 n. Chr. der Tribut auf 3 Jahre erlassen, weil sie durch ein Erdbeben verwüstet worden war (Tac. ann. IV 13). Und dass gerade die Steuerlasten, die nach den Bürgerkriegen so schwer auf das verwüstete und verarmte A. drückten, dem Tiberius Anlass zu der weiter unten berichtenden Verwaltungsänderung wurden, berichtet Tac. ann. I 76. Bezeichnend heisst es in der Begründung zu dem ψήφισμα der Stadt Akraiphiai, das aus Anlass der Neronischen Rede gefasst wurde: προσθεὶς (sc. Νέρων) τῇ μεγάλῃ καὶ ἀπροσδοκήτῳ δωρεᾷ καὶ ἀνεισφορίαν, ἣν οὐδεὶς τῶν πρότερον Σεβαστῶν ὁλοτελῆ ἔδωκε. Bull. hell. XII 512 Ζ. 43. Hier wird zugleich darauf hingewiesen, dass einige Städte der Steuerfreiheit sich erfreuten. Dahin gehören als civitates foederatae Athen (Marquardt St.-V. I 327, 6) und Thyrrheion in Akarnanien, dessen Bündnisvertrag mit Rom im Bull. hell. X 165 herausgegeben ist. Von anderen Städten, die steuerfrei waren, werden genannt: Sparta und die zu einem κοινόν vereinigten Städte der Eleutherolakonen, Thespiai und Plataiai (CIL VIII 7059), Tanagra, Delphoi, Abai, Elateia seit dem Mithradatischen Krieg, Patrai und Nikopolis seit Augustus, Methone in Messenien seit Traian und Pallantion seit Antoninus Pius. Marquardt St.-V. I 328, 2. Auch einzelnen Personen, wie dem Polystratos aus Karystos (SCtum de Asclepiade CIL I 203) und dem Hermodoros aus Oropos (Herm. XX 274) ist die Steuerfreiheit verliehen worden. Aber auch diese steuerfreien Gemeinden waren zu gewissen Leistungen verpflichtet, die festgesetzt waren und [192] von Strabo VIII 365 φιλικαὶ λειτουργίαι genannt werden. In der zu Gythion, das zu den Städten der Eleutherolakonen gehörte, gefundenen Inschrift (Dittenberger Syll. 255) werden dieser Stadt von den römischen Behörden Soldaten, Kleider und Getreide auferlegt. Dass in Kriegszeiten Sulla sowohl als auch andere Feldherrn die Städte zu besonderen Leistungen herangezogen haben, wird oft berichtet und kann hier nur kurz angedeutet werden.

Administrativ war Achaia mit Makedonien zu einer Provinz vereinigt. Bei Plutarch Cimon 2, wo es sich um die Anklage auf Mord, gegen römische Bürger begangen, handelt, heisst es: ἡ δὲ κρίσις ἦν ἐπὶ τοῦ στρατηγοῦ τῆς Μακεδονίας (οὔπω γὰρ εἰς τὴν Ἑλλάδα Ῥωμαῖοι στρατηγοὺς διεπέμποντο), und das SCtum vom J. 78 v. Chr. CIL I 203 = Kaibel IGI 951 für den Asklepiades aus Klazomenai, den Polystratos aus Karystos und den Meniskos aus Milet sagt Z. 24: ἄρχοντες ἡμέτεροι οἵτινες ἄν ποτε Ἀσίαν Εὔβοιαν μισθῶσιν ἢ προσόδους Ἀσίαι Εὐβοίαι ἐπιτιθῶσιν φυλάξωνται u. Ζ. 29: ὅπως τε … ὑπατοι … γράμματα πρὸς τοὺς ἄρχοντας τοὺς ἡμετέρους οἵτινες Ἀσίαν Μακεδονίαν ἐπαρχείας διακατέχουσιν … ἀποστείλωσιν, woraus doch hervorgeht, dass Euboea zur Provinz Makedonien gehörte. In eben diesem Jahr – 78 v. Chr. – ist Cn. Cornelius Dolabella Proconsul Makedoniens, der nach seiner Rückkehr wegen Erpressungen angeklagt wurde, wobei die griechischen Städte als Zeugen gegen ihn auftraten (Plut. Caes. 4). Also gehörte mit Euboea auch das übrige Griechenland zur Provinz Makedonien. Hierher gehört auch die Inschrift aus Dyme (CIG 1543 = Dittenberger Syll. 242), wo der ἀνθύπατος Q. Fabius Maximus, der an die Behörden von Dyme schreibt, zugleich Statthalter von Makedonien ist (Zumpt commentationes epigraphicae II 167). Ausserdem wissen wir, dass zu dem Amtsbezirk des L. Calpurnius Piso, der Makedonien im J. 57/56 v. Chr. verwaltete, auch Griechenland gehörte (Zumpt a. a. O. 197. Marquardt St.-V. I 330). Dagegen fällt als Beweis der administrativen Zugehörigkeit Achaias zu Makedonien nach W. Kubitscheks Bemerkungen (Arch. epigr. Mitt. XIII 124) die Übereinstimmung der Provincialaeren, worauf Marquardt St.-V. I 328 so grossen Wert legt, fort, wenn die makedonische Aera vom J. 148 beginnt, wie Kubitschek will. Aber auch eine griechische Provincialaera, die mit dem J. 146 v. Chr. beginnen soll, steht keineswegs fest. Mit zwingenden Gründen wird keine der von Foucart zu Le Bas II 116 in Inschriften genannten Jahreszahlen auf das J. 146 als Anfangsjahr bezogen. An der Spitze der Verwaltung dieser Provinz steht bald ein Consul oder Proconsul, bald ein Praetor. Eine stete Regel hat sich in republicanischer Zeit noch nicht herausgebildet. Dem Statthalter untergeordnet sind mehrere Legaten, von denen einer, nach dem häufigen Vorkommen von πρεσβευταί auf griechischen Inschriften der republicanischen Zeit zu schliessen, regelmässig seinen Sitz in Achaia gehabt zu haben scheint, s. CIA III 597. 598. Arch. Zeit. 1876, 53. Le Bas-Foucart 242a = Dittenberger Syll. 255. CIL III 566 = suppl. [193] 7304. CIG 2285b. Bull. hell. VI 448. XIII 388; vgl. auch Zumpt comm. epigr. II 186. 189. Quaestoren bezw. Proquaestoren vervollständigen das Beamtenpersonal.

Diesen Thatsachen gegenüber unterliegt es keinem Zweifel, dass Achaia seit 146 v. Chr. römische Provinz ist. Wenn es anders und besser als andere Provinzen behandelt wurde, so verdankte es dies seiner grossen Vergangenheit sowohl als auch dem immer mehr sich ausbreitenden Philhellenismus der Römer. Von den vielen von Abgaben befreiten Städten haben wir schon gesprochen. Nicht blos diesen, sondern auch den tributpflichtigen Städten wurde eigene Verwaltung und eigene Gerichtsbarkeit durch einheimische Behörden gelassen. Allerdings wurden die demokratischen Verfassungen aufgehoben und durch timokratische ersetzt (Paus. VII 16, 6): in dem Decret des Proconsuls A. Fabius Maximus an die Behörden von Dyme, wo ein gewisser Sosos den Versuch gemacht hatte, die Timokratie aufzuheben, heisst es von ihm: νόμους γράψας ὑπεναντίους τῇ ἀποδοθείσῃ τοῖς Ἀχαιοῖς ὑπὸ Ῥωμαίων πολιτείᾳ; dieser Versuch ist strafbar, Sosos wird mit seinem Genossen Phormiskos zum Tode verurteilt, während der weniger schuldige Timotheos in Rom sich dem praetor peregrinus zu stellen den Befehl bekommt. Rom schreibt also den griechischen Städten die Verfassung vor und ahndet jede Übertretung dieses Gebots. Im übrigen bestehen die alten Behörden und auch der Rat und die Volksversammlung, wozu die Besitzlosen jetzt zwar kommen, worin sie aber nicht mit abstimmen dürfen, fort. Und während früher in der Volksversammlung jeder Bürger einen Antrag stellen durfte, geschah es jetzt durch den Vorsitzenden Beamten, dem das ius cum populo agendi zustand (Dittenberger Herm. ΧII 16, dessen Ausführungen durch die neuen Inschriften aus Amorgos Bull. hell. XV 573 bestätigt werden). Neben den alten specifisch griechischen Behörden kommen in der Kaiserzeit neue Stadtbeamte vor. So die ἔκδικοι, defensores, die die Vertretung ihrer Stadt den römischen Beamten gegenüber wahrzunehmen haben (CIL IIΙ 568. CIG 1723. Bull. hell. VII 57. Marquardt St.-V. I 214), und ebenso die Logisten, denen in den einzelnen Städten die städtische Finanzverwaltung übertragen wurde: Ἀθήναιον IV 103f. Decharme inscriptions de Béotie no. 16. Bull. hell. XIV 650 = CIA III 10 Z. 32. CIG 2349. Marquardt St.-V. I 162.

Eine Änderung in der Verwaltung trat mit Augustus ein, der die administrative Zusammengehörigkeit von Achaia und Makedonien aufhob und Achaia zu einem selbständigen Verwaltungsbezirk machte. Damit war natürlich auch eine Feststellung der beiderseitigen Grenzen erforderlich. Hier kommt vor allem Strabo XVII 840 in Betracht, der unter den senatorischen Provinzen als siebente Ἀχαίαν μέχρι Θετταλίας καὶ Αἰτωλῶν καὶ Ἀκαρνάνων καί τινων Ἠπειρωτικῶν ἐθνῶν ὅσα τῇ Μακεδονίᾳ προςώριστο aufzählt. Da nach Ptolemaios IIΙ 15, 14 Aetolia zu Achaia gehörte, da Tacitus ann. II 53 das in Epirus gelegene Nikopolis urbs Achaiae nennt, womit Dio Cassius LIII 12 übereinstimmt, da [194] in Hadrians Zeit P. Pactumeius Clemens legatus Divi Hadriani Athenis Thespiis Plateis item in Thessalia genannt wird (CIL VIII 7059), woraus zu folgern ist, dass Thessalien mit Athen, Thespiai und Plataiai zu einer und derselben Provinz gehörte – denn dass ein Mann gleichzeitig in Städten, die zu verschiedenen Provinzen gehörten, legatus, in diesem Falle ad ordinandum statum liberarum civitatum, gewesen sei, scheint mir unerhört und ohne Belege zu sein – so ist bei Strabo μέχρι „mit Einschluss von“ zu verstehen. Ebenso sagt Strabo VIII 381 καὶ τἆλλα μέχρι Μακεδονίας ὑπὸ Ῥωμαίους ἐγένετο, wo der Zusammenhang lehrt, dass nur von Griechenland mit Einschluss von Makedonien die Rede ist. So lehrt uns also Strabo, dass Thessalien, Aetolien, Akarnanien zur Provinz Achaia gehörten. Aber in dem, was folgt καί τινων Ἠπειρωτιῶν ἐθνῶν ὅσα τῇ Μακεδονίᾳ προσώριστο steckt eine Corruptel, weil hier nur von einigen epirotischen Völkern, die nur Makedonien zugeteilt sind, die Rede, Epirus selbst aber, oder doch jedenfalls der Hauptteil von Epirus, fortgelassen ist. Ich glaube, dass nach Ἀκαρνάνων καὶ etwas ausgefallen ist, etwa so: Ἀκαρνάνων καὶ Ἠπείρου ἔξω δέ τινων Ἠπειρωτικῶν ἐθνῶν. Unter den Makedonien zugeteilten epirotischen Völkern versteht Strabo offenbar diejenigen, die um Dyrrhachion, Aulon und Apollonia ihre Sitze hatten und thatsächlich zur Provinz Makedonien gehörten (Ptol. III 13, 3. 14, 1). Seit Augustus also gehörten Aetolien, Akarnanien, Epirus und Thessalien zu Achaia. Aber Ptolemaios rechnet IIΙ 13, 44–46 Thessalia mit der Phthiotis zur Provinz Makedonien, während Epirus mit Akarnanien und den vorliegenden ionischen Inseln eine eigene, von einem Procurator verwaltete Provinz bildet (Ptol. III 14. Arrian Epict. diss. III 4). Wahrscheinlich fällt diese Änderung in der Begrenzung der Provinz in die Regierung des Pius. Im Aegaeischen Meere gehörten die Sporaden und von den Kykladen Astypalaia und Amorgos zur Provinz Asia, die übrigen Kykladen mit Euboea zu Achaia, Skyros, Peparethos, Skiathos, Lemnos zu Makedonien und Imbros, Samothrake, Thasos zu Thrakien. Erst im 3. Jhdt. wird der grösste Teil der Kykladen zur neu errichteten provincia insularum, ἐπαρχία νήσων gelegt (Marquardt St.-V. I 348). Nach Hierokles 648, 4. 5 und 649, 1. 2 blieben ausser Euboea auch Delos, Skyros, Lemnos, Imbros bei Achaia. Die Provinz Achaia wurde von Augustus dem Senat gegeben und regelmässig von einem Praetorier mit dem Titel ἀνθύπατος, proconsul, verwaltet. Der Sitz des Statthalters war Korinth. Unter demselben stand ein Legat und ein Quaestor. Vorübergehend war die Ordnung des Tiberius, der durch die Klagen über harten Steuerdruck veranlasst (Tac. ann. I 76) Achaia dem Senat nahm und mit Makedonien und Moesien zusammen einem kaiserlichen Legaten unterstellte. Claudius hob diese Verbindung wieder auf und gab Achaia als eigene Provinz dem Senat zurück. Seit dieser Zeit blieb es unter Proconsuln, die wir noch im 5. Jhdt. finden, wie im J. 401/402 Cl. Barius, Le Bas-Foucart 38 = CIG 1086, und um 440 Anatolius, CIA III 639. Denn der Traum und all die schönen Hoffnungen von [195] Freiheit und Unabhängigkeit, welche die Griechen an Neros isthmische Rede knüpften, worin er sie für frei und unabhängig erklärte und ihnen allen Steuerfreiheit versprach, waren kurz und ephemer; der Gang der Ereignisse konnte dadurch nicht beeinflusst werden. Nero hielt diese Rede (Bull. hell. ΧII 510) im J. 66 oder 67, und schon Vespasian hob diese Freiheit auf und stellte die Provinz, wie sie seit Augustus gewesen, wieder her. Neben den Proconsuln treten vom 2. Jhdt. n. Chr. ab andere kaiserliche Beamte auf, die legati Augusti ad ordinandum statum liberarum civitatum, durch deren Titel zugleich ihre Wirksamkeit bezeichnet wird, und deren Ernennung die allmählich in Verfall geratenen Finanzverhältnisse der freien Städte, die nicht dem Proconsul unterstellt waren, nötig machten. Seit Traian wurden ausserordentliche kaiserliche Commissäre zur Regelung dieser Verhältnisse geschickt; etwa seit dem 3. Jhdt. sind dann diese Correctoren, ἐπανορθωταί, ständig. Μοmmsen zu CIL ΙII 6103 und R. G. V 256.

Durch Anlage von Colonien war Augustus, nachdem schon vorher Pompeius Dyme und Iulius Caesar Korinth, Laus Iulia Corinthus, als römische Colonien constituiert hatten, weiter bemüht, das Land zu heben. Patrai wurde aus einem herabgekommenen Flecken teils durch Zusammenziehung der umliegenden kleinen Ortschaften, teils durch Ansiedlung italischer Veteranen zu der volksreichsten und blühendsten Stadt der Halbinsel umgeschaffen (Mommsen R. G. V 238). In Epirus wurden Buthroton und Nikopolis römische Colonien. Nikopolis erhielt Freiheit wie Athen und Sparta, und hier hatte die βουλὴ Ἀκτιακή ihren Sitz, die zu dem neugegründeten pentaeterischen Fest beim aktischen Apollonheiligtum wie die Ὀλυμπιακὴ βουλή zu dem Fest in Olympia in Beziehung stand.

Wir haben oben gesehen, wie den griechischen Städten die communale Selbständigkeit im ganzen gewahrt blieb. Auch sonst liess die römische Republik sowohl als auch das Kaiserreich den Griechen manche liebgewordene Institution, und ihre vielen landschaftlichen Vereinigungen, die κοινά, bestanden fort, nachdem das im J. 146 erlassene Verbot bald wieder aufgehoben worden war. Allerdings finden wir nirgends mehr eine Spur einer politischen Thätigkeit dieser κοινά – die Zeiten einer solchen waren mit der römischen Herrschaft für immer vorbei! Die Neuordnung der delphischen Amphiktionie ist dem Augustus zuzuschreiben; hier hatten die Griechen eine religiöse Gemeinschaft, deren Mittelpunkt der Tempel des pythischen Apollon war. Das Nähere hierüber sehe man bei Mommsen R. G. V 232. Dieser grossen Gemeinschaft stehen viele kleinere gegenüber, die ebenfalls um ein Heiligtum sich versammeln, und bei denen die bei diesem Heiligtum stattfindenden Spiele und Feste die Hauptseite ihrer Thätigkeit bilden. Aus republicanischer Zeit sind folgende κοινά sicher nachweisbar: τὸ κοινὸν τῶν Ἀθαμάνων (Bull. hell. ΧΙΙΙ 308); τὸ κοινὸν τῶν Αἰτωλῶν (Dittenberger Syll. 258); τὸ κοινὸν τῶν Αἰνιάνων (Dittenberger Syll. 256); τὸ κοινὸν τῶν Φωκέων (Bull. hell. VI 448); τὸ κοινὸν τῶν Ἀχαιῶν (Arch. Zeitg. XXXVI 38 No. 114). Beachtenswert ist die Verbindung [196] mehrerer dieser κοινά, um gemeinsam einem römischen Beamten ein Ehrendecret zu votieren, wie CIA III 586 τὸ κοινὸν Βοιωτῶν Εὐβοέων Λοκρῶν Φωκέων Δωριέων den Μ. Iunius Silanus ehren. Diese 5 Völker können sich nur ad hoc vereinigt haben; von einem festen Zusammenschluss derselben ist sonst nirgendwo eine Spur nachweisbar. So fasse ich auch die Inschrift aus Akraiphiai (Keil sylloge inscript. boeotic. No. 31, jetzt verbessert in Bull. hell. XII 105). Das hier Z. 1 (vgl. mit Z. 22) genannte Ἀχαιῶν καὶ Βοιωτῶν καὶ Λοκρῶν καὶ Φωκέων καὶ Εὐβοέων κοινόν ist eine Verbindung dieser 5 Völker zu einem bestimmten Zweck nämlich um den Kaiser Gaius zur Thronbesteigung zu beglückwünschen und ihm die verschiedenen ihm decretierten Ehren mitzuteilen. Anlass zu diesem gemeinsamen Vorgehen gab das Zusammenkommen vieler Deputierten von den Städten, um in Gegenwart des Statthalters dem neuen Kaiser den Eid der Treue zu schwören. Man hat aus dieser Inschrift auf das Vorhandensein eines gemeinsamen, die ganze Provinz umfassenden Landtages schliessen wollen und hat geglaubt, dass statt dieses längeren officiellen Titels τὸ κοινὸν τῶν Ἀχαιῶν der gewöhnliche sei. Aber diese Benennung – τὸ κοινὸν Ἀχαιῶν καὶ Βοιωτῶν καὶ Λοκρῶν καὶ Φωκέων καὶ Εὐβοέων – umfasst doch nicht alle Stämme, die zur Provinz gehören. Es fehlen, um nur diejenigen zu nennen, deren κοινά ich in der Kaiserzeit erwähnt finde, τὸ κοινὸν τῶν Θετταλῶν aus Vespasians Zeit (Le Bas II 1238); τὸ κοινὸν τῶν Ἐλευθερολακώνων (Le Bas-Foucart 243c [Nerva] und 256. CIG 1389. Arch. Ztg. XXXV 39 No. 41); τὸ κοινὸν τῶν Ἀρκάδων (aus dem J. 212. Arch. Ztg. XXXVII 139 No. 274). Aus Mangel einer näheren Zeitbestimmung muss τὸ κοινὸν τῶν Μαγνήτων (Decharme inscript. de Béotie 51 Nr. 48) fortbleiben. Und von den oben erwähnten 5 Stämmen werden wieder einzeln genannt; τὸ κοινὸν τῶν Φωκέων (Hadrian) Keil syll. inscr. boeotic. No. 26. Le Bas II 823II. III. (nach Claudius); τὸ κοινὸν τῶν Βοιωτῶν (CIG 1058 = Le Bas-Foucart 43. Decharme inscr. de Béotie 27 No. 16 und vor allem die Inschrift von Akraiphiai, aus der doch bestimmt hervorgeht dass das κοινὸν τῶν Βοιωτῶν fortbestand); τὸ κοινὸν τῶν Ἀχαιῶν (Paus. VII 24, 2 und die vielen in Olympia gefundenen, in der Arch. Zeitung von 1876–1882 edierten Inschriften). Es ist sehr beachtenswert, dass an der Spitze dieses letztgenannten κοινόν sich nur Leute aus dem Peloponnes, nie solche aus dem nördlichen Griechenland finden, was doch der Fall sein müsste, wenn τὸ κοινὸν τῶν Ἀχαιῶν der gemeinsame Landtag der ganzen Provinz wäre, wie wir umgekehrt als ἀμφικτίονες oder als πανέλληνες oft Männer aus dem Peloponnes finden. Also auch in der Kaiserzeit bestanden die vielen landschaftlichen κοινά fort; es war ihnen natürlich unbenommen, zu einem gemeinsamen Zweck sich zusammen zu thun und gemeinsam vorzugehen. Jetzt tritt zu der religiösen Seite, ihrer Thätigkeit, die oben erwähnt ist, noch der Kaiserkult hinzu; die ἀρχιερεῖς τῶν Σεβαστῶν sind jetzt ständig Beamte dieser κοινά. Erst Hadrian hat eine Vereinigung, die alle [197] Griechen, auch diejenigen ausserhalb des eigentlichen Griechenlands, umfasste, geschaffen, ein συνέδριον τῶν Πανελλήνων, das seinen Sitz in Athen hatte, und dem die Ausrichtung glänzender Volksfeste und Spiele und der Kaiserkult oblag. Politisch ist meines Wissens dies panhellenische Synedrion nie hervorgetreten, aber alle Griechen fanden doch hier ihre Vertretung (Mommsen R. G. V 244).

Die äusseren Geschicke der Provinz Achaia sind durchaus mit denen Roms verknüpft. Nach 60 Jahren der Ruhe, in denen Griechenland von den Wunden, die der letzte Krieg ihm geschlagen, sich erholen konnte und thatsächlich sich auch wohl erholt hat, brachte der mithradatische Krieg neues Unheil. Die Parteinahme Athens für Mithradates führte zur Eroberung dieser Stadt durch Sulla und zur Zerstörung des Peiraieus. Die in Boeotien, bei Chaironeia und Orchomenos geschlagenen Schlachten brachten diesem Lande schweres Unglück, und Theben musste für seine Parteinahme so schwer büssen, dass es noch zu Pausanias Zeit heruntergekommen war. Die Tempel zu Delphi, Epidauros, Oropos (vgl. die von Mommsen veröffentlichte Inschrift Herm. XX 268ff.) und Olympia wurden ihrer Schätze beraubt, und wenn sie auch teilweise nach dem Siege durch Sulla entschädigt wurden, so wog die Entschädigung doch sicher nicht den Schaden auf. Die Piraten plünderten, nachdem der mithradatische Krieg beendet und Griechenland von seinen Wunden sich zu erholen begann, sowohl die Inseln (s. Bull. hell. VII 162 und CIG 2335) als auch die Küsten des Festlandes, bis Pompeius im J. 66 der Piraten Macht brach. Die bald darauf ausbrechenden Bürgerkriege zogen auch Griechenland in ihre Kreise. Die grossen Kriege, die zu den Entscheidungsschlachten bei Pharsalos, bei Philippi, bei Aktion führten, verwüsteten und erschöpften das Land, bis es durch Augustus und auch der folgenden Kaiser, namentlich Hadrians Fürsorge und durch den Frieden, der hier in der nächsten Zeit herrschte, sich allmählich erholte. Der unter Marc Aurel erfolgte Einbruch der Kostoboker, die bis Elateia plündernd vordrangen, aber doch durch die Tüchtigkeit des Mnesibulos am weiteren Vordringen gehindert wurden (Paus. X 34, 5. Heberdey Arch. epigr. Mit. XIII 186), war nur das Vorspiel der in den nächsten Jahren sich häufig wiederholenden Einbrüche barbarischer Horden. Unter Gallienus wurden Athen, Korinth, Argos, Sparta erobert und geplündert. Die Bürger des zerstörten Athen legten den abziehenden Barbaren unter Dexippos Führung einen Hinterhalt und brachten ihnen namhafte Verluste bei. Gallienus griff sie dann in Thrakien an und schlug sie (Mommsen R. G. V 224). Im J. 395 zog Alarich, ohne Widerstand zu finden, durch Griechenland; Theben wurde durch seine Mauern gerettet, aber Sparta, Korinth, Argos, Tegea, Megara, auch Athen besetzt; 396 zog Alarich ab. Im J. 465 plünderten nochmals vandalische Räuberschiffe die Westküste Griechenlands, worauf für das arg mitgenommene Land vorläufig jedenfalls Ruhe eintrat (Dahn Arch. Ztg. XL 128).

Litteratur: J. Marquardt Röm. Staatsverwaltung [198] I 321ff. Mommsen R. G. V 230ff. George Finlay Greece under the Romans. London 1844. Brunet de Presle Grèce depuis la conquête romaine in l’Univers, Histoire et description de tous les peuples. Europe XL. Paris 1860. G. Fr. Hertzberg Geschichte Griechenlands unter der Herrschaft der Römer. 3 Bde. Halle 1868ff. Petit de Julleville Histoire de la Grèce sous la domination romaine, Paris 1875. J. P. Mahaffy the Greek world under Roman sway, London 1890.

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