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Als die Pólis (Plural: póleis) wird der antike griechische Stadtstaat bzw. auch die Stadt selbst bezeichnet, wie sie über tausend Jahre lang die für die Griechen charakteristische Siedlungsform sowie Staatsform darstellte. Abgegrenzt ist sie von der zweiten griechischen Siedlungsform, dem Éthnos ("Völkerschaft"), der als locker organisierte Wehrgemeinschaft über einen größeren Siedlungsraum erst im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. politische Bedeutung erlangte (Beispiel: Makedonien). Erst um 600 n. Chr. kam es aufgrund unterschiedlichster Faktoren zu einem Verschwinden der póleis.

Entstehung und Charakter der Polis

Polis benannte ursprünglich eine befestigte Höhensiedlung (auch: Akropolis: Burgberg), unter deren Schutz sich im 8. Jahrhundert v.Chr. Siedlungen städtischen, aber auch präurbanen Charakters entwickelten. Hintergrund stellte das im griechischen Raum ab dem 9. Jahrhundert v.Chr. einsetzende Bevölkerungswachstum dar. Mit der griechischen Kolonisation verbreitete sich das Modell über den gesamten Mittelmeerraum.

Ergebnis der Entwicklung waren kleine, unabhängige, sich selbst regierende Gemeinden mit

  • einer städtischen oder stadtähnlichen Siedlung als Mitte des Bürgerverbandes
  • den dazugehörigen öffentlichen Gebäuden, einem Versammlungsplatz und Heiligtümern
  • den umliegenden Landgebieten (Beispiel: die zur Polis Athen gehörige Landschaft Attika).

Bedingt auch durch die geographischen Besonderheiten Griechenlands - kleinräumige fruchtbare Ebenen, die vom Gebirge umschlossen und von Flüssen umflossen werden -, definierte sich die kulturell-politische Einheit der Polis zudem durch ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Dieses konnte so stark werden, dass sich eine Polis als Ganzes aus ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet "verpflanzen" ließ (Beispiel: Phokaia). Die Einheit bestand gleichfalls weiter, wenn eine Polis unter die Hegemonie einer anderen, militärisch überlegenen fiel. Eine seltene Ausnahme stellt die Eroberung Messeniens durch Sparta dar, der eine Helotisierung folgte.

Insgesamt ist im Mittelmeerraum von schätzungsweise 700 Poleis mit einer Durchschnittsgröße von 50 bis 100 km² auszugehen. Bewohnt wurden sie von meist 2.000 bis 4.000 Menschen. Argos verfügte im Vergleich dazu über etwa 1.400 km². 626 Stadtstaaten sind durch Münzen, literarische Quellen und Tributlisten bekannt. Unser heutiges Bild von einer Polis wird im Gegensatz zur herrschenden Wirklichkeit von einer kleinen Anzahl politisch bedeutsamer Stadtstaaten bestimmt, die - wie Athen und Sparta - allerdings selbst äußerst gegensätzlich in Charakter und politischer Organisationsform sein konnten.

Vergleichbare Stadtgemeinden haben im Mittelmeerraum sowohl Phönizier (z.B. Karthago), Etrusker (z.B. Veii) und Latiner (z.B. Rom) begründet.

Politische und gesellschaftliche Entwicklung der Stadtstaaten

Die politische Entwicklung vieler Poleis scheint nach einem gemeinsamen Muster zu laufen: Ursprünglich wohl monarchisch durch den Basileus regiert, kam es in archaischer Zeit nach inneren Unruhen zur Einzelherrschaft bedeutender adeliger Einzelpersönlichkeiten, die als Tyrannis bezeichnet wurde. Diese hatte nicht unbedingt die negative Bedeutung und Auswirkungen, die wir mit unserem modernen Begriff des Tyrannen umschreiben.

Im griechischen Mutterland, teils auch am Schwarzen Meer, in Unteritalien und Sizilien, wurden die Tyrannenherrschaften später durch Oligarchien, teils auf der Basis einer Timokratie, oder - selten - durch Demokratien ersetzt. Charakteristisch für die Poliswelt ist gerade, dass unterschiedliche Herrschaftsformen nebeneinander existierten.

Die Gesellschaft der meisten Poleis war agrarisch geprägt, die Bürger und Bewohner waren Bauern mit einem Grundbesitz von 5 bis 10 Hektar. Die Machtstellung der Oberschicht beruhte auf einem entsprechend größeren Landbesitz von etwa 15 bis 30 Hektar. Die bäuerlichen Gesellschaften richteten sich auf die Deckung des Eigenbedarfes aus; es herrschte ein eher geringer Handel von Luxuswaren.

Im Gegensatz dazu standen die wenigen großen Poleis (z.B. Athen, Argos, Korinth, Syrakus), die über ein ausgeprägtes Gewerbe und einen ausgeprägten Fernhandel verfügten. In ihnen sind auch stärkere Spannungen zwischen den politisch vollberechtigten Bürgern (Demos) und der Oberschicht feststellbar. Der Kampf um Ämter und Führungspositionen brachte innere Unruhen in diese Gemeinwesen.

Hauptziel der Politik der Poleis waren die eigene Autarkie, Autonomie und - wegen des meist geringen Machtpotenzials - die Vermeidung von Krieg. Unterlaufen werden konnte dies vom Geltungs- und Selbstdarstellungsdrang einzelner Exponenten der Oberschicht, die dann auch gegen die Interessen der Polis handelten. Gefahr drohte zudem vom dem Expansionsbedürfnis der großen Stadtstaaten (Athen und der Attisch-Delische Seebund), in deren Visier die kleinen kommen konnten.

Mit Ausbruch des Peloponnesischen Krieges geriet die Welt der griechischen Polis zunehmend in eine existenzielle Krise. Das Hegemoniestreben der größeren Stadtstaaten hatten ein Jahrhundert fast permanenter Kriege zur Folge. Versuche auf der Basis einer koiné eiréne, eines Allgemeinen Friedens zu einer dauerhaften Friedenslösung unter Wahrung der jeweiligen Autonomie zu gelangen, scheiterten in der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. mehrfach. Am Ende mussten sich alle Poleis mit Ausnahme Spartas zunächst der makedonischen, dann der römischen Vorherrschaft beugen.

Gliederung der Polis

Die Poleis waren nach einem bestimmten Grundmuster in Demen-> Phylen-> Phratrien eingeteilt. Die Demen bildeten dabei die Gesamtheit der Bürger in einem Teil der Polis. Innerhalb dieser Demen gab es unterschiedliche Stämme, die Phylen. Ein jeder Bürger war solch einer Phyle zugehörig. Als kleinste Einteilung fand sich die Phratrie (Bruderschaft). An der Spitze der Phratrie stand immer ein bestimmtes Adelsgeschlecht als Schutzherr bzw. Gefolgsherr, von dem die einfachen Leute, die Schutzbefohlenen, abhängig waren (gentilizische Gesellschaftsordnung). Innerhalb dieses Bezugssystems konnte jeder Bürger Schutz, Anerkennung und gesellschaftliche Bindung finden.

Soziale Gruppen

Die Bewohner waren Männer, Frauen, Kinder, Metöken (freie Fremde), Abhängige, Periöken (Umwohnende) und Sklaven. Charakteristikum der Polis stellten aber die vollberechtigten männliche Bürger (Politen) als Herrschaftsträger dar. Zudem lag im Sinne eines patriarchalischen Systems in der griechischen Gesellschaft die Vorherrschaft weitgehend beim Mann.

Die Bürger

Die Vollbürger (Politen) waren oft nur ein kleiner Kreis von vermögenden Männern, wobei das Vermögen auf Grundbesitz beruhte. Daraus konnte sich eine Oligarchie (Herrschaft weniger Vornehmer) mit timokratischen Zügen ergeben.

Nur in wenigen griechischen Poleis kann ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. von einer Demokratie gesprochen werden, falls alle Vollbürger die gleichen politischen Rechte besaßen. Eine singuläre Stellung nimmt hier Athen ein. Selbst dann blieb jedoch der Großteil der Bevölkerung der Polis (Frauen, Metöken, Periöken, Sklaven) von einer politischen Mitsprache ausgeschlossen.

Die Frauen

Frauen hatten in der politischen Öffentlichkeit keinen Platz. Nur Priesterinnen konnten in gewichtige Positionen gelangen. Sonst standen die Frauen ein Leben lang unter der Vormundschaft ihres Mannes oder, falls dieser nicht anwesend oder gestorben war, unter der ihres Vaters bzw. ältesten Bruders. Frauen waren nicht testierfähig und konnten sich auch ihren Ehepartner nicht aussuchen. Eine materielle Abhängigkeit ergab sich daraus, dass Frauen nur sehr selten Eigentum besaßen. Schutz gegen den Mann konnte allenfalls die eigene Familie bieten.

Innerhalb des Oikos, der Verwaltung des Hauswesens, und in der Erziehung der Kinder war die Frau jedoch relativ frei und konnte große Bedeutung und hohes Ansehen genießen. Je nach Persönlichkeit und Stand konnten sie in der Lage sein, sich einen eigenen Lebensbereich zu schaffen.

Gegen Ende des 5. Jahrhunderts v.Chr. begann ein philosophischer Diskurs über die Stellung der Frau, in dessen Folge Platon beispielsweise die grundsätzliche Gleichwertigkeit des weiblichen Geschlechts forderte. Seine Ideen konnten teilweise zu einer Verbesserung der Rechte der Frau führen, ohne dass sich ihre grundsätzliche Stellung aber veränderte.

Die Metöken

Unter ihnen sind Bürger, die sich in einer fremden Polis längerfristig niederlassen, zu verstehen. Diese standen unter dem Rechtsschutz der Gaststadt, politische Rechte besaßen sie jedoch nicht. Sie mussten eine Kopfsteuer zahlen und konnten nur durch besondere Verdienste zu Vollbürgern aufsteigen. Metöken sind allerdings keine Fremden die nur kurzzeitig in der Stadt verweilen.

Sklaven

Die unterste soziale Gruppe bildeten die Sklaven. Ein solcher wurde man meist durch Kriegsgefangenschaft. Sie besaßen keinerlei Rechte, somit waren sie voll und ganz von den Launen ihres Herrn abhängig. Die Unfreien konnten eine zentrale Stütze der Wirtschaft darstellen und zudem erst die zeitaufwändige politische Teilhabe der Vollbürger oder deren Abwesenheit während der Kriegszüge ermöglichen. Berühmt-berüchtigt sind die attischen Staatssklaven in den Silberbergwerken von Laurion, die unter menschenvernichtenden Bedingungen vegetieren mussten und gleichzeitig durch ihre Arbeitsleistung den Aufstieg Athens zur Flottenmacht ermöglichten. Freilassungen aus dem Sklavenstand fanden äußerst selten statt.

Beispiele antiker Poleis

Argos
Athen
Delphi
Korinth
Kyrene
Massilia
Sikyon
Sparta
Syrakus
Theben

Literatur

  • Elisabeth Charlotte Welskopf (Hgn.), Hellenische Poleis, 1973
  • Bellen, Heinz: Polis, in: Der kleine Pauly. Lexikon der Antike. Bd. 4, München 1979, Spalte 976-977 (dtv). Siehe dort auch die Literaturangaben.
  • Welwei, Karl-Wilhelm: Die griechische Polis. Stuttgart 1983.

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